The Economics of Banking - Chair of Financial Economics

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The Economics of Banking - Chair of Financial Economics
The Economics of Banking
Vorlesung zur Volkswirtschaftspolitik
Prof. Dr. Isabel Schnabel
FB 03 - Abteilung Wirtschaftswissenschaften
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Wintersemester 2009
Vorlesung V4
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II. Warum gibt es Banken?
II.1. Transaktionskosten
II.2. Versicherung gegen Liquiditätsschocks
II.3. Delegierte Kontrolle
III. Kreditrationierung
1. Motivation
2. Der Zins als Selektionsinstrument
3. Der Zins als Anreizinstrument
4. Lösung des Problems der Kreditrationierung
5. Fazit
IV. Die Industrieökonomik des Bankwesens
2 / 38
III. Kreditrationierung
I
Literatur: Freixas/Rochet, S. 171–185; Hartmann-Wendels et
al., S. 139–148 (gut für die Intuition, aber wenig detailliert);
Stiglitz/Weiss (American Economic Review, 1981) (gerade im
Anfangsteil gut lesbar)
I
Beachten Sie: Wir verwenden hier die Notation des
Originalmodells!
Drittes sehr einflussreiches Papier der Bankenliteratur
I
I
I
Modellierung der Probleme der adversen Selektion (adverse
selection) und des moralischen Risikos (moral hazard) in
Finanzierungsbeziehungen
Modellierung des Phänomens der Kreditrationierung als
Gleichgewichtsphänomen
3 / 38
1. Motivation
I
Ausgangspunkt: Kreditmärkte sind häufig durch Rationierung
gekennzeichnet, d. h. sie sind nicht geräumt
(Nachfrage nach Krediten > Angebot beim Marktzins)
I
Selbst gute Kreditnehmer erhalten keine Kredite oder keine
Kredite in der gewünschten Höhe
I
Auch zu höheren Zinsen werden keine Kredite angeboten
I
Beispiel: Kreditklemme während der Finanzkrise
= Kreditrationierung?
Fragen:
I
I
I
Warum erhöhen die Banken nicht einfach die Zinsen, um den
Nachfrageüberhang zu reduzieren?
Warum treten ähnliche Rationierungsphänomene nicht auch in
anderen Märkten auf?
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Argumentation von Stiglitz/Weiss
I
Finanzierungsbeziehungen sind in besonderem Maße durch
Probleme asymmetrischer Information gekennzeichnet
I
Eine Erhöhung der Zinsen beeinflusst nicht nur die Menge der
nachgefragten Kredite, sondern auch die Qualität der Kredite
I
Daher kann es für eine Bank optimal sein, die Kreditnehmer
zu rationieren, statt die Zinsen zu erhöhen → Rationierung als
Gleichgewichtsphänomen
2 Effekte einer Zinserhöhung
I
I
I
“Gute” (d. h. relative sichere) Kreditnehmer scheiden aus dem
Markt aus, so dass der durchschnittliche Pool der
Kreditnehmer sich verschlechtert → Adverse Selektion
Kreditnehmer haben den Anreiz, riskantere Projekte zu wählen
→ Moral Hazard
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Kreditrationierung
I
I
Hier verwendete Definition von Kreditrationierung: Ein
Kreditnehmer erhält einen Kredit nicht oder nicht in der
gewünschten Höhe, selbst wenn er bereit ist, den angebotenen
Zins zu zahlen und die gewünschten Sicherheiten zu leisten
2 Arten der Rationierung:
1. Typ I: Partielle oder vollständige Rationierung aller
Kreditnehmer innerhalb einer bestimmten Gruppe
2. Typ II: In einer Gruppe homogener Kreditnehmer (zumindest
aus Sicht der Kreditgeber) erhalten manche einen Kredit und
manche nicht (hier!)
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Kreditrationierung
I
Keine Kreditrationierung im hier verwendeten Sinne:
I
I
I
I
I
I
Gesetzliche Zinsoberschranken: Auch hier Kreditrationierung,
aber kein Gleichgewichtsphänomen
Kreditrationierung als Folge eines Verbots der
Preisdiskriminierung
Kreditnehmer wird abgelehnt, weil der Ertrag des Projekts
nicht ausreichend ist, um die Zinszahlungen zu decken
Kreditnehmer wird abgelehnt, weil er keine ausreichenden
Sicherheiten hat
Kreditnehmer bekommt höhere Kreditsumme nicht zu
denselben Konditionen
Empirisch ist es relativ schwierig festzustellen, ob
Rationierung im beschriebenen Sinne vorliegt
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Asymmetrische Information
I
I
Beachte: In vollständigen und vollkommenen Märkten gibt
es keine Kreditrationierung → jeder kann einen Kredit
aufnehmen bis zur Höhe der abdiskontierten Summe seiner
zukünftigen Erträge
Stiglitz/Weiss (1981): Zwei alternative Arten der
asymmetrischen Information:
1. Qualitätsunsicherheit: Die Bank kann die Kreditwürdigkeit
der Kreditnehmer (ihren “Typ”) nicht beobachten → Adverse
Selektion
2. Verhaltensunsicherheit: Die Bank kann nicht beobachten,
wie die Mittel aus dem Kredit genau verwendet werden
→ Moral Hazard
I
Modellierung dieser beiden Informationsprobleme im Aufsatz
von Stiglitz und Weiss (1981) ist zur Standardmodellierung
geworden (wird uns z. T. wieder begegnen)
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2. Der Zins als Selektionsinstrument
I
I
Bank kann die “Qualität” der Kreditnehmer nicht beobachten
“Schlechtere” Kreditnehmer sind eher bereit, hohe Zinsen zu
versprechen, da sie den Kredit mit großer Wahrscheinlichkeit
gar nicht zurückzahlen ⇒ Zinserhöhung führt zu einer
Verschlechterung des Kreditnehmerpools
I
I
I
Dies wird von den Banken antizipiert
Zins kann eingesetzt werden, um indirekt die Qualität des
Kreditnehmerpools zu steuern
Aus Sicht der Bank ist es nicht unbedingt optimal, einen
markträumenden Zins zu setzen, da eine Zinserhöhung mit
einer Qualitätsverschlechterung einhergeht
I
Wenn der Effekt schlechterer Qualität den Effekt höherer
(versprochener) Zinseinnahmen dominiert, wird ein
nicht-markträumender Preis gewählt
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Annahmen des Modells
I
θ = Risiko des Projekts
→ Höheres θ = höheres Risiko = schlechtere Qualität
I
R = Auszahlung des Projekts mit R ≥ 0 (ex post
beobachtbar!)
I
F (R, θ) = Verteilungsfunktion von R in Abhängigkeit von θ
I
Alle Projekte haben denselben Erwartungswert
I
Bank kann das Risiko θ nicht beobachten
I
Größeres θ = größeres Risiko gemäß einem “mean preserving
spread” nach Rothschild /Stiglitz (1970):
Für θ2 > θ1 gilt
Z y
Z y
F (R, θ2 ) dR ≥
F (R, θ1 ) dR ∀y ≥ 0
0
0
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Annahmen des Modells
I
Interpretation des “mean preserving spread”:
I
I
Fläche unter der Verteilungsfunktion von 0 bis zu einem
beliebigen Wert y ist für ein größeres θ grundsätzlich größer
Beispiele: Glockenförmige Funktion mit unterschiedlicher
Varianz θ, Zweipunktverteilung mit Auszahlungen µ ± θ
(Graphiken!)
I
Aus der Bedingung eines mean preserving spread folgt, dass
die Varianz für höheres θ größer ist (Umkehrung gilt nicht)
I
Konsequenz des mean preserving spread: Wenn der
Erwartungswert der Projekte gleich ist, zieht jeder risikoaverse
Entscheider eine Anlage mit kleinerem θ einer Anlage mit
größerem θ vor
11 / 38
Annahmen des Modells
I
Jeder Unternehmer nimmt einen Kredit in Höhe von B zu
einem Zinssatz von r̂ auf (identischer Zins, da die
Unternehmer aus Sicht der Bank ununterscheidbar sind)
I
Projekte sind unteilbar (d. h., sie können nur ganz oder gar
nicht durchgeführt werden)
Jeder Unternehmer stellt Sicherheiten in Höhe von C zur
Verfügung
I
I
Für das Modell ist es zentral, dass C sich zwischen den
Kreditnehmern nicht unterscheidet (vergl. späteren Abschnitt
mit unterschiedlich hohen Sicherheiten)
I
Unternehmer unterliegen einer beschränkten Haftung: Ihr
Ertrag ist nach unten auf einen Verlust der Sicherheiten (im
Falle des Konkurses) begrenzt
I
Alle Akteure sind risikoneutral
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Gewinne des Unternehmers und der Bank
I
Unternehmer geht in Konkurs, wenn die Auszahlung des
Projekts und die Sicherheiten nicht ausreichen, den Kredit
inklusive Zinsen zurückzuzahlen, d. h. wenn
C + R ≤ (1 + r̂ ) B
I
I
Gesamtes Projekt und Sicherheiten gehen an die Bank über
Wenn die Auszahlung des Projekts nur ausreicht, einen Teil
des Kredites zurückzuzahlen, aber genügend Sicherheiten zur
Verfügung stehen, gehen die Sicherheiten teilweise auf die
Bank über (kein Konkurs)
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Gewinne des Unternehmers und der Bank
I
Gewinn des Unternehmers (Graphik!):
π(R, r̂ ) = max{R − (1 + r̂ ) B; −C }
I
“Gewinn” (besser: Bruttoertrag) der Bank (Graphik!):
ρ(R, r̂ ) = min{R + C ; (1 + r̂ ) B}
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Theorem (1)
Für einen gegebenen Zinssatz r̂ gibt es einen kritischen Wert θ̂, so
dass ein Unternehmer bei der Bank genau dann einen Kredit
aufnimmt, wenn θ > θ̂.
I
Kreditaufnahme ist für relativ riskante Unternehmer
attraktiver
I
Grund: Konvexe Gewinnfunktion des Unternehmers
I
Im Falle geringer Projekterträge ist der Gewinn des
Unternehmers nach unten begrenzt (beschränkte Haftung)
⇒ Teil der Verluste wird auf den Kreditgeber abgewälzt
I
Hohe Erträge gehen hingegen ausschließlich zu Gunsten des
Unternehmers
15 / 38
I
Folge: Erwartete Gewinne des Unternehmers sind dann
besonders hoch (bei gleichem Erwartungswert), wenn das
Risiko des Projekts groß ist (d. h., wenn besonders hohe und
besonders niedrige Auszahlungen sehr wahrscheinlich sind)
I
Später: Ähnlicher Effekt bei der Möglichkeit des risk shifting:
Ein verschuldeter Unternehmer mit beschränkter Haftung
bevorzugt riskante Projekte
I
Unterschied zum risk shifting: Der Unternehmer kann das
Projektrisiko θ hier nicht beeinflussen!
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Theorem (2)
Wenn der Zinssatz r̂ steigt, dann steigt auch der kritische Wert θ̂,
unterhalb dessen ein Unternehmer nicht bereit ist, einen Kredit
aufzunehmen.
I
Erwarteter Gewinn jedes Unternehmers fällt bei einer
Erhöhung von r̂
I
Einige Unternehmer, für die die Kreditaufnahme vorher noch
profitabel war, scheiden nun aus
I
Dies sind die relativ “guten” (sicheren) Kreditnehmer
Anders ausgedrückt: Für jeden Unternehmertyp gibt es einen
kritischen Zins, oberhalb dessen sich die Kreditaufnahme
nicht mehr lohnt
I
I
Je höher θ, desto höher ist der Zins, bei dem sich die
Kreditaufnahme noch lohnt
17 / 38
Theorem (3)
Der erwartete Ertrag eines Kredites für die Bank hängt ceteris
paribus (d. h. insb. bei konstantem Zins r̂ ) negativ vom Risiko des
Kredites ab:
∂E [ρ(R, r̂ )]
<0
∂θ
I
Grund: Konkave Ertragsfunktion der Bank
I
Im Falle hoher Projekterträge ist der Ertrag der Bank nach
oben begrenzt (keine Beteiligung am Gewinn des
Unternehmers)
I
Niedrige Erträge gehen vollständig zu Lasten der Bank
⇒ Das Risiko wird teilweise auf die Bank abgewälzt
I
Je höher das Risiko des Kredits, desto höher sind die
Gewinnchancen des Unternehmers und desto höher sind die zu
erwartenden Verluste der Bank
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I
Folge: Eine Zinserhöhung hat 2 Effekte auf den erwarteten
Ertrag der Bank:
1. Direkter Effekt: Erhöhung des Ertrags durch höheren
versprochenen Zins
2. Indirekter Effekt: Senkung des Ertrags durch
Verschlechterung der durchschnittlichen Qualität (Erhöhung
des durchschnittlichen Risikos) des Bankportfolios
I
Zentrale Botschaft des Papiers: Der zweite Effekt kann den
ersten überwiegen, so dass es sich für die Bank nicht lohnt,
den Zins zu erhöhen, auch wenn zum gegebenen Zins ein
Nachfrageüberhang besteht
I
Hier: Demonstration anhand eines Beispiels mit nur 2 Typen
19 / 38
I
2 Typen von Unternehmern:
1. θ = θ1 : “Sichere” Kreditnehmer nehmen einen Kredit nur auf,
wenn r̂ ≤ r1
2. θ = θ2 > θ1 : “Riskante” Kreditnehmer nehmen einen Kredit
nur auf, wenn r̂ ≤ r2 , wobei r2 > r1
I
Für r̂ ≤ r1 liegt die durchschnittliche Qualität des
Kreditportfolios der Bank zwischen θ1 und θ2
I
Wenn der Zins über r1 steigt, verschlechtert sich der Pool der
Kreditnehmer abrupt auf θ2
I
Diese Qualitätsverschlechterung hat einen diskreten Abfall des
erwarteten Ertrags der Bank zur Folge (Graphik!)
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Theorem (4)
Gibt es nur eine endliche (diskrete) Anzahl verschiedener Typen θ,
dann ist der durchschnittliche Ertrag der Bank pro Kreditnehmer,
ρ̄(r̂ ), keine monotone Funktione von r̂ . Wenn einzelne Typen aus
dem Markt ausscheiden, fällt die Funktion ρ̄(r̂ ) diskret nach unten.
I
Folge: Es kann sein, dass es unterhalb des markträumenden
Zinses einen anderen Zins gibt, der höhere Erträge für die
Bank bedeutet
I
In diesem Fall kommt es zur Kreditrationierung!
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3. Der Zins als Anreizinstrument
I
I
Jetzt: Modell mit Verhaltensunsicherheit: Bank kann die
Risikoübernahme des Kreditnehmers nicht beobachten
→ Möglichkeit des risk shifting
Zinserhöhung führt auch hier zu einer Verschlechterung des
Kreditnehmerpools, da die Kreditnehmer den Anreiz haben,
ein höheres Risiko zu wählen
I
I
I
Dies wird von den Banken antizipiert
Zins kann eingesetzt werden, um das Verhalten der
Kreditnehmer und damit die Qualität des Kreditnehmerpools
zu steuern
Ähnliche Überlegungen wie zuvor führen auch hier zu
Kreditrationierung
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Annahmen des Modells
I
Abschnitt II.B. in Stiglitz/Weiss (1981), hier: Freixas/Rochet
(2008), Abschnitt 5.3.3 (gut lesbar!) mit leicht modifizierter
Notation
I
Alle Unternehmer sind identisch
I
Vereinfachung: Keine Sicherheiten (C = 0)
2 Projekte (Technologien) mit Investitionssumme von 1:
I
1. “Gutes” Projekt erbringt einen Ertrag von RG mit
Wahrscheinlichkeit πG und sonst einen Ertrag von Null
2. “Schlechtes” Projekt erbringt einen Ertrag von RB mit
Wahrscheinlichkeit πB und sonst einen Ertrag von Null
I
Projektwahl kann von der Bank nicht beobachtet werden
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Risikowahl des Unternehmers
I
Das “gute” Projekt hat einen höheren erwarteten Ertrag:
πG · RG > πB · RB
I
Aber: Das “schlechte” Projekt hat einen höheren Ertrag im
Erfolgsfall: RB > RG
I
Diese beiden Bedingungen implizieren: πG >> πB , d. h., das
“gute” Projekt ist weniger riskant
I
Der Unternehmer wählt das “gute” (sichere) Projekt, wenn
und nur wenn
πG [RG − (1 + r̂ )] ≥ πB [RB − (1 + r̂ )]
24 / 38
Risikowahl des Unternehmers
I
Hieraus ergibt sich ein kritischer Zins, unterhalb dessen das
sichere Projekt gewählt wird:
1 + r̂ ≤ 1 + r̂ crit =
πG · R G − πB · R B
πG − πB
I
Also: Höhere Zinsen erhöhen den Anreiz des Unternehmers,
das riskante Projekt zu wählen
I
Grund: Beschränkte Haftung
I
Der Unternehmer kann einen Teil seiner Verluste auf die Bank
abwälzen
25 / 38
Erwarteter Ertrag der Bank
I
Erwarteter Ertrag der Bank = πG (1 + r̂ ), solange r̂ ≤ r̂ crit
→ Ertrag steigt in r̂ !
I
An der Stelle r̂ crit fällt der erwartete Ertrag der Bank diskret
von πG (1 + r̂ crit ) auf πB (1 + r̂ crit ) (Graphik!)
I
Auch hier ist der erwartete Ertrag der Bank keine monotone
Funktion von r̂ ⇒ Möglichkeit der Kreditrationierung
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4. Lösung des Problems der Kreditrationierung
I
Wir betrachten nun wieder das Modell mit adverser
Selektion (Abschnitt 2.)
I
Darstellung orientiert sich an Freixas/Rochet (2008),
Abschnitt 5.4 (Modell von Bester, American Economic Review
1985)
I
Anwendung der Idee des Modells von Rothschild/Stiglitz
(1976) (adverse Selektion in Versicherungsmärkten) auf
Kreditmärkte
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Sicherheiten als Sortiermechanimus
I
Zentrale Idee: Die Bank könnte versuchen, die Kreditnehmer
zu “sortieren”, indem sie verschiedene Verträge anbietet mit
unterschiedlichen Zinssätzen und unterschiedlichen
Sicherheiten
(vergl. Selbstbeteiligung in Versicherungsverträgen)
I
Kreditnehmer wählen dann selbst den Vertrag, der für sie am
günstigsten ist (sog. Selbstselektion, self-selection)
28 / 38
Annahmen des Modells
I
2 Typen von Unternehmern: θ ∈ {θ1 , θ2 }, wobei θ1 < θ2
(wie oben)
I
Unternehmer verfügen über Vermögenswerte, die sie als
Sicherheiten verwenden können
I
Die Vermögenswerte sind hinreichend groß, so dass es nie
dazu kommt, dass ein Unternehmer einen Vertrag nicht
annehmen kann, weil er zu geringe Sicherheiten hat
I
Die Sicherheiten sind für die Bank weniger wert als für die
Unternehmer (z. B. Liquidationskosten)
I
Im Bankgeschäft herrscht vollständiger Wettbewerb
→ Banken erzielen Nullgewinne (d. h., der erwartete
Zinsertrag entspricht gerade den Kapitalkosten)
29 / 38
Verträge
I
I
Banken können verschiedene Verträge anbieten:
(r̂i , Ci ), i = 1, 2
2 mögliche Nash-Gleichgewichte:
1. Trenngleichgewicht (separating equilibrium)
2. Pooling-Gleichgewicht (pooling equilibrium)
I
Definition eines Trenngleichgewichts: Eine Bank bietet 2
Verträge (r̂1 , C1 ) und (r̂2 , C2 ) an, so dass
1. Unternehmer mit θ1 (geringem Risiko) den ersten und
Unternehmer mit θ2 (hohem Risiko) den zweiten Vertrag
wählen (Selbstselektion),
2. keine Bank den Anreiz hat, einen anderen Vertrag anzubieten,
und
3. die Nullgewinnbedingung für beide Verträge erfüllt ist
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Eigenschaften des Trenngleichgewichts
I
Bester (1985) zeigt, dass ein Trenngleichgewicht existiert
mit den folgenden Eigenschaften:
1. Der “gute” Typ (θ1 ) erhält einen Vertrag (r̂1 , C1 ) mit C1 > 0
2. Der “schlechte” Typ (θ2 ) erhält einen Vertrag (r̂2 , C2 ) mit
r̂2 > r̂1 und C2 = 0
(r̂2 ergibt sich aus der Nullgewinnbedingung)
3. r̂1 und C1 werden so gewählt, dass der “schlechte” Typ gerade
indifferent ist zwischen den beiden Verträgen (er will den
“guten” Typen nicht imitieren) und dass die Bank auch bei
diesem Vertrag Nullgewinne erzielt
I
Überraschendes Ergebnis: “Gute” Typen leisten im
Gleichgewicht höhere Sicherheiten!
31 / 38
Intuition
I
Banken bevorzugen höhere Zinsen und höhere Sicherheiten
I
Unternehmer bevorzugen niedrige Zinsen und niedrige
Sicherheiten
Aber: “Gute” Typen sind eher bereit, Sicherheiten zu stellen:
I
I
I
“Gute” Typen sind bereits bei einer relativ geringen
Zinssenkung bereit, höhere Sicherheiten zu stellen
“Schlechte” Typen verlangen größere Zinssenkung als “gute
Typen”, wenn sie Sicherheiten stellen sollen
⇒ Sog. Single-crossing condition
(= notwendige Bedingung für Sortieren)
32 / 38
Intuition
I
I
Beachte: Sicherheiten sind ex post wohlfahrtsmindernd, da
sie für die Bank weniger wert sind als für den Unternehmer
→ Im Gleichgewicht werden die Sicherheiten möglichst gering
gewählt
Aufgrund des Wettbewerbs müssen die Banken beiden Typen
das Bestmögliche anbieten:
I
I
I
“Schlechte” Typen müssen gar keine Sicherheiten stellen
“Gute” Typen müssen nur gerade so viele Sicherheiten stellen,
dass die “schlechten” Typen sie nicht imitieren wollen
Zentrales Ergebnis: Wenn ein Trenngleichgewicht existiert,
gibt es keine Kreditrationierung!
33 / 38
Pooling-Gleichgewicht
I
Definition eines Pooling-Gleichgewichts:
1. Die Banken bieten für alle Typen denselben Vertrag (r̂ , C ) an
2. Dieser Vertrag führt bei den Banken zu Nullgewinnen
I
I
Da Sicherheiten hier keinen Zweck erfüllen, wird C im
Pooling-Vertrag gleich Null sein
Bester (1985) zeigt, dass ein Pooling-Vertrag nie ein
Gleichgewicht sein kann
I
I
I
Pooling-Vertrag kann nur dann ein Gleichgewicht sein, wenn er
für beide Typen besser ist als das Trenngleichgewicht
In diesem Fall ist es für die Banken immer möglich, einen
Vertrag anzubieten, der für den “guten” Typ besser ist
(Rosinenpicken, cherry picking)
→ Pooling kann kein Gleichgewicht sein
Fazit: Entweder es gibt gar kein Gleichgewicht oder ein
Gleichgewicht ohne Kreditrationierung
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Anreizwirkung von Sicherheiten
I
Es lässt sich zeigen, dass Sicherheiten auch positive
Anreizwirkungen haben können
I
Durch den Einsatz von Sicherheiten (Eigenkapital) steigt der
kritische Zins, den ein Unternehmer bieten kann, ohne dass
die Bank erwartet, dass er das riskante Projekt wählt
I
So kann Kreditrationierung möglicherweise verhindert werden
(Ertragsfunktion der Bank ist im relevanten Bereich
monoton)
I
Dasselbe Argument unterliegt auch der
Eigenkapitalregulierung von Banken: Wenn Banken mehr
Eigenkapital einsetzen, sinkt ihr Anreiz, zu Lasten der Einleger
oder der Einlagenversicherung zu riskante Kredite zu vergeben
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5. Fazit
I
Modell von Stiglitz/Weiss (1981) zeigt, dass es in
Kreditmärkten im Gleichgewicht zu Rationierung kommen
kann
I
Grund: Eine Erhöhung der Zinsen kann eine
Verschlechterung des Kreditnehmerpools zur Folge haben
(entweder durch adverse Selektion oder durch Moral
Hazard)
I
Folge: Es kann für die Banken optimal sein, die Zinsen nicht
zu erhöhen, auch wenn eine Überschussnachfrage besteht
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Kritische Würdigung
I
Modell zeigt, dass die Zinssetzung der Bank einen Einfluss auf
die Qualität ihres Kreditportfolios hat → Wichtige Idee, wurde
in einer Vielzahl von Papieren aufgegriffen
I
Modell zeigt außerdem, dass Märkte im Gleichgewicht sein
können, ohne dass Markträumung besteht
→ Marktmechanismus kann bei asymmetrischer Information
versagen
I
Aber: Modell ist in vielfacher Hinsicht sehr speziell und wenig
robust (Beispiel: Kreditrationierung verschwindet, wenn man
Sortieren zulässt, Bester 1985)
I
Wie relevant ist Kreditrationierung in der Realität?
→ Empirische Überprüfung schwierig, vor allem weil die
Kreditqualität schwer zu beobachten ist
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Programm der nächsten Woche
I
IV. Die Industrieökonomik des Bankwesens
1. Cournot-Wettbewerb
2. Produktdifferenzierung: Hotelling, Salop
3. Der Trade-off zwischen Wettbewerb und Bankenstabilität
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