151209-DP-Jahreshauptversammlung

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151209-DP-Jahreshauptversammlung
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REGENSBURG
Mittwoch, 9. Dezember 2015
„Sie sind hier, weil sie in Frieden leben wollen“
Jahreshauptversammlung des AK Schule-Wirtschaft an der Clermont-Ferrand-Schule
R e g e n s b u rg . „Unser Thema ist
nicht die Politik, sondern die
Menschlichkeit. Wir stellen uns
heute die Frage, wie wir dazu beitragen können, die Flüchtlingssituation zu meistern.“ Mit diesen
Worten eröffnete Schulamtsdirektor Heribert Stautner als schulischer Vorsitzender des Arbeitskreises Schule-Wirtschaft Regensburg
e.V. die Jahreshauptversammlung.
Auf der Tagesordnung standen
nicht nur die ganz normalen Vereinstätigkeiten, sondern in den Vordergrund rückte die „Flüchtlingsproblematik“. Dr. Jürgen Helmes,
Hauptgeschäftsführer der IHK und
Vorsitzender aus dem Bereich der
Wirtschaft, betonte den Handlungsbedarf, „wenn wir nicht scheitern
wollen“.
Was tun die Schulen, die Verbände, Institutionen und Betriebe und
die Stadt ganz konkret?
Diese Frage wurde beantwortet
durch die Referate und Informationen von Bürgermeisterin Gertrud
Maltz-Schwarzfischer, dem Schulleiter Manfred Lehner der Clermont-Ferrand-Schule mit Schülern
und Kollegen, sowie Winfried Mellar von der IHK. So wurde die Thematik aus Sicht der Kommune, von
der Schulseite und von der Wirtschaftsseite beleuchtet.
„Es ist eine humanitäre
Frage, es ist eine
Herausforderung, aber auch
eine Bereicherung“
Als Tagungsort wurde ganz bewusst die Clermont-Ferrand-Schule
gewählt, direkt neben der Notunterkunft für circa 200 Flüchtlinge,
direkt an einer Schule mit drei
Übergangsklassen mit derzeit etwa
60 Schülern. „Es sind gewaltige
Aufgaben, die zu meistern sind,
aber die Stadt Regensburg stellt
sich den Aufgaben, denn es ist eine
humanitäre Frage, es ist eine Herausforderung, aber auch eine Bereicherung und Chance“, so die
Bürgermeisterin. Dies wurde deutlich, als die Übergangsklassenlehrerin Irina Farenbruch-Ernst mit zwei
jugendlichen Schülern sehr authen-
tisch die Situation an der Schule
schilderte. Dimitar, 16 Jahre alt und
aus Bulgarien stammend, seit wenigen Jahren in Deutschland, berichtete in fast perfektem Deutsch von
seinen Problemen mit Sachaufgaben in Mathematik und seinem Berufswunsch „Büromanager“.
Daniel, 15 Jahre, Sohn serbischer
Eltern, erzählte vom guten Miteinander in der Übergangsklasse.
„Die Menschen, die Schüler sind
hier, weil sie in Frieden leben wollen.“ Er hoffe auf einen Traumjob
bei BMW oder im Einzelhandel.
Winfried Mellar, Tätigkeitsgebiet
Fachkräftesicherung bei der IHK,
bewertete die Zuwanderung aus der
Sicht der Wirtschaft grundsätzlich
positiv. Bei 2,7 Prozent Arbeitslosen
im IHK-Bereich, dem niedrigsten
Wert in Bayern, der praktisch einer
Vollbeschäftigung entspreche, werde jede Fachkraft gebraucht.
2016 soll es in Regensburg
ein eigenes Amt für die
Migrations- und
Integrationsfragen geben
Allerdings brächten die Flüchtlinge zu 80 Prozent eine Ausbildung
mit, wie wir sie vor 100 oder 150
Jahren kannten. Den überwiegend
männlichen Jugendlichen und jungen Männern seien unser Schulund Berufsschulsystem vollkommen
unbekannt. Sie „lernten“ den Beruf
des Vaters oder Großvaters und hätten sich durch die halbe Welt nach
Europa, nach Deutschland durchgeschlagen. Sie kämen hoch motiviert an, erlebten hier ein für sie
völlig fremdes System, das sie aus
ihrer Sicht nicht wertschätze, was
zu Frustrationen führen könne.
„Schicken Sie einen jungen Mann in
ein Praktikum, er wird gerne zehn
Stunden arbeiten, Lernerfolge haben und in kürzester Zeit über einen
Oberpfälzer Fachwortschatz verfügen“, so verdeutlichte Winfried
Mellar, dass die Neuankömmlinge
es nicht gewohnt seien, theoretisch
zu lernen.
Dr. Helmes ergänzte, dass ein
Einstellungstest auf visueller Basis
in Arbeit sei, gab aber zu bedenken:
„Am Ende jeder Berufsausbildung
Evelyn Spingler, Brigitte Köttner, Claudia Schmid, Rainer Ottinger, Alfred Hackl,
Daniela Lehner, Monika Weber und Thomas März-Kronfeld.
(Foto: DAK)
Nähe zum Menschen zählt
Gesundheitsexperten feiern Jubiläum bei der DAK
Regensburg. Es ist längst nicht
mehr selbstverständlich, ein Vierteljahrhundert oder länger in ein
und demselben Unternehmen zu arbeiten. Ehrungen für 25-, 40- und
45-jährige Betriebszugehörigkeit
waren Anlass für eine kleine Feierstunde. Insgesamt sieben Mitarbeiter feierten Jubiläum. Die Urkunde
für 45 Jahre erhielt Brigitte Köttner.
Alfred Hackl ist seit 40 Jahren bei
der DAK Regensburg beschäftigt.
Auf 25 Jahre können Evelyn Spingler (Leiterin DAK Ostbayern), Daniela Lehner, Monika Weber, Rainer
Ottinger und Claudia Schmid zurückblicken. „Als wir bei der DAK
anfingen, war natürlich alles ganz
anders“, erinnerten sich die sieben
Mitarbeiter. Statt Computer gab es
noch Schreibmaschinen und Karteikarten. „Auch wenn vieles technisch und modern geworden ist,
steht für uns der Kontakt zum Kunden noch im Mittelpunkt“, sagten
die Jubilare. „Guter Service und
hohe Qualität sind das A und O unserer Arbeit, die uns auch nach vielen Jahren große Freude macht.“
„Die langjährige Erfahrung und ihr
großes Wissen zeichnen die Jubilare
aus“, sagt Thomas März-Kronfeld,
stellvertretender Leiter der DAKGesundheit Ostbayern.
Schulamtsdirektor Heribert Stautner (v.l.), Bürgermeisterin Gertrud MaltzSchwarzfischer und Dr. Jürgen Helmes (IHK).
(Foto: Wolfgang Lang)
findet eine Prüfung in deutscher
Sprache statt.“ Genau hier wiederum sah Konrektor Münch das Problem: Der Spracherwerb brauche
Zeit. Integration könne erst stattfinden, wenn die Menschen an einem Ort angekommen sind. Hierzu
erläuterte die Bürgermeisterin die
Pläne der Stadt im Bereich des
Wohnungsbaus, denn die Stadt sei
der zentrale Anziehungspunkt für
die Menschen.
In der Bevölkerung ist nach
wie vor eine gute
Willkommenskultur zu
spüren, aber auch Ängste
Die Asylsozialberatung soll ausgebaut werden und deshalb soll es
ab 2016 ein eigenes Amt für Migrations- und Integrationsfragen geben. In der Bevölkerung sei nach
wie vor eine gute Willkommenskultur zu spüren, aber auch Ängste und
Bedenken würden klar angesprochen. Deshalb sei es wichtig, dass
die Kommunen, die Schulen und die
Wirtschaft mit all ihren Verbänden
und Institutionen Wege gingen, die
ungewohnt und kreativ sind. Und
dabei müsse allen klar sein: „Das
wird kein Kurzstreckenlauf, sondern eher ein Marathon, den wir zusammen mit den Neuankömmlingen
vor uns haben“, fasste Heribert
Stautner zusammen. Und er betonte: „Wir sind in Deutschland gut
aufgestellt, wir sind institutionell so
stark, dass wir das Thema stemmen
können!“
Im Anschluss wickelte der Verein,
der mit aktuell 86 Mitgliedern gut
aufgestellt ist, den Jahresrückblick
und die turnusgemäßen Neuwahlen
ab. Alle Ressorts konnten wie bisher
besetzt werden. Ein Wechsel fand
im Bereich der Pressearbeit statt.
Astrid Schels und Wolfgang Lang
übernehmen diese Aufgabe von Dr.
Ursula Schindler. Bernhard Brei,
Ausbildungsleiter bei BMW, übernahm das Ressort „Verbände und
berufsbildende Einrichtungen“.
Von Astrid Schels
■ Stimmen zum Thema
Laut Bürgermeisterin Gertrud
Maltz-Schwarzfischer gibt es derzeit 181 minderjährige unbegleitete
Flüchtlinge in Regensburg. In der
Verwaltung wurden 2015 20 neue
Stellen bei der Stadt geschaffen; 30
weitere werden 2016 zur Grundversorgung eingerichtet.
Im nächsten Jahr muss die Verwaltung laut Schulamtsdirektor Heribert Stautner „raus aus dem Krisenmodus und in geregeltes Handeln
und Organisieren kommen“. Es gibt
derzeit 29 Ü-Klassen mit über 520
Schülern in Stadt und Land, das
entspricht einer großen Schule wie
der MS Neutraubling. Rektor Manfred Lehner, Clermont-FerrandSchule, teilt mit: „Die Turnhalle soll
ab Januar wieder zur Verfügung stehen. Sport findet derzeit alternativ
statt, etwa mit Nordic-Walking, im
Eisstadion oder an anderen Schulen. „Besonders wichtig für die Integration sind die musischen Fächer.
Sie fördern das Kennenlernen und
miteinander.“ Winfried Mellar, IHK,
betont, dass die Folgen der sinkenden Geburtenrate seit 1960 Zuwanderung notwendig machen: „Es fehlen sechs Millionen Fachkräfte, aber
wer kommt denn da zu uns?“ Dr.
Jürgen Helmes, IHK, prognostiziert:
„Es ist ein Langstreckenlauf, Integration dauert fünf bis zehn Jahre.“
Und: Wir brauchten die Profis an
den Schulen für kulturelle Integration. Berufsintegrationsklassen gibt
es nur in Bayern, aktuell mit 5300
Auszubildenden im IHK-Bereich.
Nürnberger Räuber in
Regensburg gesehen?
Nürnberg/Regensburg. Am 23.
Oktober überfielen zwei Unbekannte einen Discounter im Nürnberger
Stadtteil Steinbühl. Vier Wochen
später, 25. November, ereignete sich
ein erneuter Raubüberfall, diesmal
auf ein Kosmetikgeschäft im Stadtteil Maxfeld. Den Tätern gelang jeweils die Flucht.
Im ersten Fall betraten die zwei
Männer gegen 13.45 Uhr den Supermarkt in der Tafelfeldstraße. Sie
öffneten mit einem Hammer gewaltsam eine Kasse und erbeuteten
mehrere hundert Euro Bargeld.
Mit Fotos der Unbekannten, die
den Beamten kurz darauf vorlagen,
fahndete die Polizei in der Öffentlichkeit. Bislang gingen lediglich
ein halbes Dutzend Hinweise aus
der Bevölkerung ein. Darunter auch
von einem Mitteiler aus Regensburg, der glaubt, die Männer dort
gesehen zu haben. Die Überprüfung
der Hinweise führte jedoch nicht
auf die Spur der Täter.
Im zweiten Fall betraten die beiden Unbekannten kurz vor 10 Uhr
das Kosmetikgeschäft in der Maxfeldstraße und bedrohten eine Angestellte. Gleichzeitig forderten sie
die Herausgabe von Bargeld. Als ein
Bekannter der Angestellten das Geschäft betrat, flüchteten die Täter
ohne Beute. Offenbar gab es zwischen den Beteiligten zuvor ein kurzes Gerangel, bei dem sowohl die
Angestellte als auch ihr Bekannter
leicht verletzt wurden.
Die beiden Geschädigten erkannten auf den Fahndungsfotos, die im
Zusammenhang mit dem Überfall
auf den Discounter veröffentlicht
worden waren, die beiden Täter mit
großer Sicherheit wieder.
Zwischenzeitlich hat das Bayerische Landeskriminalamt für Hinweise, die zur Aufklärung der beiden Überfälle oder zur Ergreifung
der Täter führen, eine Belohnung
von 3000 Euro ausgesetzt.
Die Polizei wendet sich auch an
die Regensburger Bevölkerung.
Hinweise nimmt der Kriminaldauerdienst Mittelfranken unter Telefon 0911/21123333 entgegen.
Nach diesen Männern fahndet die Kripo Nürnberg.
(Videoprint)
Mehr Flüchtlinge: Stadt reagiert
960 weitere Plätze in Gemeinschaftsanlage und 400 Plätze in Notunterkunft
R e g e n s b u rg . (gib) Die Stadt
Regensburg stellt sich auf eine
steigende Zahl an Flüchtlingen
ein. Oberbürgermeister Joachim
Wolbergs geht davon aus, dass sich
die Zahl in einem Jahr von heute
knapp 1700 auf bis zu 3500 verdoppelt.
Die Stadt reagiert mit der
Schaffung von 960 neuen Plätzen
in Gemeinschaftsunterbringungen
und 400 Plätzen in einer neuen
Notunterkunft in der ehemaligen
Prinz-Leopold-Kaserne.
Turnhallen entlasten
Letztere soll die drei bisherigen
Notunterkünfte in der Clermont-
Ferrand-Turnhalle, der Sporthalle
Nord und dem Bürgerstift Sankt
Michael entlasten.
Der Bau- und Vergabeausschuss
stimmte der Nutzung zu. Die Kosten für die nötige Infrastruktur
übernimmt der Bund.
Wolbergs rechnet zudem damit,
dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen in der Pionierkaserne und
künftig in der Bajuwarenkaserne
dauerhaft 1500 bis 2000 Menschen
unterkommen.
Stadt kommt an Grenzen
Derzeit sind in der vorläufigen
Erstaufnahmestelle in der Pionierkaserne 750 Flüchtlinge untergebracht. Der Flüchtlingszu-
strom bringe die Stadt an ihre
Grenzen, was die personellen Kapazitäten und die physische Kraft
der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helfer angeht, räumte
Wolbergs am Dienstag bei einer
Pressekonferenz ein.
Neue Stellen geschaffen
Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, was die Versorgung der
steigenden Zahl an Flüchtlingen
betrifft. Zum einen schaffe die
Stadt 33 neue Stellen in diesem
Bereich – die Kosten dafür würden
größtenteils erstattet. Zum anderen werde es weniger personalintensiv, „sobald wir aus dem Notfallmodus raus sind“.