Genesis waren frustriert, weil sie niemand coverte

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Genesis waren frustriert, weil sie niemand coverte
ERWIN
INTERVIEW 2 1
„Genesis waren frustriert, weil sie niemand coverte“
Zwei Jahre lang, von 1997 bis 1999,
war Ray Wilson als Nachfolger von Phil
Collins Sänger der britischen Gruppe
Genesis. Doch das Zusammenspiel war
von kurzer Dauer, nach nur einem
gemeinsamen Album trennten sich die
Wege wieder, doch Wilson spielt ihre
Welthits weiterhin. Gemeinsam mit
dem Berlin Symphony Ensemble arrangiert er diese am Freitag mit Streichern
und Bläsern neu. Oliver Herold hat Ray
Wilson in Hamburg getroffen.
Mr. Wilson, Sie tragen gar keine
501-Jeans. Wie kommt’s?
RAY WILSON: Warum sollte
ich? Die Musik für die
Levi’s-Werbung, die ich mit
Stiltskin gemacht habe, war vor
20 Jahren. Das ist lange vorbei.
ich hier nicht. Ich habe Keyboard- und Synthesizer-Parts
genommen und sie durch ein
Streicherquartett und ein klassisches Piano ersetzt.
Sie leben aus privaten Gründen
seit einigen Jahren in Polen. Wie
lebt es sich dort?
WILSON: Ich bin ein großer
Fan von Osteuropa. Anders
als im Westen gibt es dort
noch so etwas wie Seele und
die Menschen haben noch
Gemeinschaftssinn. Das ist in
der westlichen Konsumwelt
verlorengegangen. Dieses Gemeinschaftsgefühl
müssen
wir wieder zurückbekommen.
Lange vorbei ist auch die Zeit, als
Sie bei Genesis waren. Welche Beziehung haben Sie noch zu den
Mitgliedern der Gruppe?
WILSON: Im Prinzip keine.
Zuletzt habe ich Genesis vor
drei Jahren in Hannover bei
der „Turn it on“-Tour gesehen. Das hat mich gefreut.
Wir hatten gut zusammengearbeitet und leben jetzt verschiedene
Leben.
Mike
Rutherford und Tony Banks
leben in ihren Villen in Südengland, Phil Collins lebt in
Genf, und ich lebe in Polen.
Es gibt keinen Grund, beispielsweise mit Mike Rutherford ein Bier zu trinken. Mit
meinem Vater ist es dasselbe.
Kann das gelingen?
WILSON: Ich glaube, dass
die Menschen das wollen,
aber nicht wissen, wie das geschehen kann. Als ich klein
war, hatten wir in Schottland
diesen Familiensinn. Aber zu
dieser Zeit hatten wir auch
kein Geld. Sind die Zeiten härter, rücken die Menschen
mehr zusammen.
Ihre Songs spielen Sie trotzdem?
WILSON: Nicht nur. Es gibt
auch Songs aus Phil Collins’,
Mike Rutherfords und Peter
Gabriels Solokarriere. Es ist
mehr wie die „Welt von Genesis“. Ich wollte die Karriere
und den Erfolg der beteiligten
Musiker beleuchten.
Wie ist das Feedback von Genesis?
WILSON: Das weiß ich nicht.
Ich kann mich aber aus meiner Zeit bei Genesis erinnern,
dass Tony und Mike ziemlich
frustriert waren, weil niemand
ihre Songs coverte. Man
muss sich das mal vorstellen:
Genesis haben mehr als 100
Millionen Platten verkauft
und niemand singt ihre Songs
nach. Wenn ich mich richtig
erinnere, wurden „Land of
Confusion“ und vielleicht ein
oder zwei weitere Songs mal
von einer Popband gecovert.
Ihre Versionen der Songs sind ja
keine 1:1-Cover, sondern verpackt in ein klassisches Gewand.
Wie kam es dazu?
WILSON: Es ist schön, mit einem Orchester zu arbeiten,
aber man entfernt sich oft
sehr vom Original. Das wollte
Mit dem Levi’s-Werbespot begann Wilsons Aufstieg
Ray Wilson wurde am 8. September 1968 in
Schottland geboren und spielte schon früh in
Schulbands. 1994 wurde er Sänger bei der
schottischen Band Stiltskin, deren Single „Inside“ für den Werbespot der Jeansfirma Levi’s
verwendet und zu einem Hit wurde. Nach
dem Ausstieg von Phil Collins 1996 wurde er
von Genesis als Sänger engagiert. Gemeinsam
mit Mike Rutherford und Tony Banks erschien
1997 das Album „Calling All Stations“. 1999
trennten sich Wilson und Genesis wieder. Seitdem ist Wilson, der mittlerweile in Polen lebt,
sowohl als Solokünstler als auch mit seiner alten Band Stiltskin unterwegs.
Vielseitig: Ray Wilson bei einem Auftritt mit Genesis 1998 bei „Wetten, dass . . .?“ (links) und
2011 mit dem Berlin Symphony Ensemble. Oben ein PR-Bild als Solokünstler.
FOTOS: DPA/PR
Glauben Sie, Musik kann helfen,
Menschen zusammenzubringen?
WILSON: Ja. Die Deutschen
beispielsweise hören viel Livemusik und haben wunderbare Clubs. Das ist eine gute
Kultur. In England und
Schottland haben wir das
nicht. Bei meinen Auftritten
sehe ich immer wieder bekannte Gesichter, besonders
bei den kleineren Akustikshows. Ich rede nach dem
Auftritt mit den Leuten und
trinke ein Bier mit ihnen. Das
ist ein schöner Spirit. Ich
glaube, das macht diese Auftritte so beliebt – weil sie Menschen zusammenbringen. Es
gibt also Hoffnung.
Ray Wilson & The Berlin
Symphony Ensemble
Freitag, 8. April, 20.30 Uhr,
Stadthalle Gütersloh;
Karten (25,30 Ð): NW und
www.erwin-event.de
ERWIN verlost 3x 2 Karten
(siehe Seite 26).