Geschlechtsspezifische Unterschiede

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Geschlechtsspezifische Unterschiede
Landkreis
Esslingen
Psychologische Beratungsstellen für
Familie und Jugend
in Esslingen und Nürtingen
Elisabeth Longen:
Geschlechtsspezifische Unterschiede
bei Kindern und Jugendlichen
© 2001, Auszug aus dem Jahresbericht 2000
Psychologische Beratungsstellen für Familie und Jugend des Landkreises Esslingen,
Europastraße 40 · 72622 Nürtingen und Uhlandstraße 1 · 73734 Esslingen
http: www.psychologische-beratung-nuertingen.de
http: www.psychologische-beratung-esslingen.de
Inhalt
Geschlechtsspezifische Besonderheiten
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Jungen und Mädchen reagieren unterschiedlich
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Mädchen haben andere Probleme
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Genetische Geschlechterdifferenz
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„Viele Probleme haben Jungen, weil sie Jungen sind“
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Wie bin ich ein richtiger Junge?
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Das traditionelle Jungenbild als „heimliche“ Norm
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Geschlechtsspezifische Dynamik
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Männlich = nicht weiblich?
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Jungencliquen
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Medien
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Gewalt als Suche nach Männlichkeit - Lieber gewalttätig als unmännlich
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Koedukation benachteiligt die Mädchen - aber die Jungen versagen
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Sozialisationsbedingungen
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Erfahrbare männliche Vorbilder
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Jungenarbeit
"Das größte Problem: Jungen dürfen keine Probleme haben"
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Geschlechtsspezifische Besonderheiten
Betrachtet man die Anmeldezahlen in Erziehungs- und Familienberatungsstellen, so
wird sehr schnell deutlich, dass Jungen etwa bis zum 13. Lebensjahr die bei weitem am
häufigsten vorgestellte Personengruppe darstellen. Anmeldegrund sind in der Regel
neben Leistungsschwierigkeiten aggressive und störende Verhaltensauffälligkeiten im
Familienkontext bzw. in Kindergarten und Schule.
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Auch in den Praxen von niedergelassenen Kinder- und
Jungendlichenpsychotherapeuten, Kinderärzten oder auf Stationen
kinderpsychiatrischer Kliniken sowie in anderen Einrichtungen der Jugendhilfe und des
Gesundheitswesens sind Jungen deutlich überrepräsentiert. In Sonderschulen für
verhaltensauffällige Kinder ist der Anteil an Jungen ca. 80%.
Jungen sind offenbar anfälliger für Krankheiten und Stress; bei Straftaten von
Jugendlichen ist die überwältigende Mehrheit der Täter männlich. Jugendgewalt und
Alkoholismus sind ein spezifisch männliches Phänomen.
Viele Jungen gefährden nicht nur andere, sondern sich selbst. Jungen leben wesentlich
riskanter. Mit fünfzehn Jahren ist die Gefahr, dass sie eines frühen Todes sterben - vor
allem durch Unfälle, Gewalt oder Suizid - weit höher als bei gleichaltrigen Mädchen.
Auch der Fahranfänger, der sich zu Tode rast, ist fast immer ein Mann.
Jungen und Mädchen reagieren unterschiedlich
In der öffentlichen Diskussion um Entwicklung, Erziehung und Auffälligkeiten ist meist
von Kindern und Jugendlichen im Allgemeinen die Rede, ohne ausreichend zu
berücksichtigen, dass in vielen Bereichen eine deutliche Geschlechterdifferenz besteht.
Auch bei der Gewaltdebatte fällt auf, dass sie sich meist um Jugendliche allgemein
dreht, obwohl offensichtlich ist, dass fast ausschließlich Jungen an gravierenden
Ausschreitungen beteiligt sind.
Ein Aspekt der unterschiedlichen Repräsentation von Jungen und Mädchen in
Jugendhilfe oder Gesundheitswesen ist die unterschiedliche Art und Weise, mit der
Kinder Krisen und Konflikte, Beeinträchtigungen und Verletzungen wahrnehmen und
verarbeiten. Mädchen reagieren eher "internalisierend", d.h. nach innen gerichtet,
beispielsweise mit Rückzug, Ängsten oder Verstimmungen. Jungen dagegen
signalisieren ihre Nöte "auffälliger", da sie "externalisierend", also nach außen hin
reagieren, z.B. in impulsivem Ausagieren, in störendem, aggressiv-grenzverletzendem
Verhalten und machen daher mehr auf sich aufmerksam.
Weder an Schulen noch an Kindertagesstätten wurden geschlechtsbezogene Fragen
der Jungensozialisation bisher hinreichend thematisiert, obwohl diese öffentlichen
Sozialisationsräume für die Entwicklung geschlechtsspezifischer Identität und die
Vermittlung geschlechtsbezogener Leitbilder große Bedeutung haben.
In der Fachliteratur wird z.T. bereits seit einem guten Jahrzehnt auf diese Problematik
hingewiesen, aber erst allmählich und zögernd wird die Forderung nach spezieller
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Jungenarbeit aufgenommen und umgesetzt; ganz vereinzelt erscheinen auch erste
Ratgeber speziell für die Erziehung von Jungen.
Mädchen haben andere Probleme
Dies bedeutet nicht, dass es Mädchen unbedingt besser geht als Jungen, nur weil sie
weniger krank und weniger sozial auffällig werden. Mädchen haben andere Probleme!
Mädchen sind zwar heute oft selbstbewusster, motivierter und fleißiger als ihre
männlichen Altersgenossen, die - plakativ formuliert - in der Schule versagen, Mädchen
ärgern, sich prügeln und es unentwegt darauf anlegen, "cool" zu wirken.
Meist in der Pubertät "kippt" die Geschlechterverteilung z.B. in Beratungsstellen, wie
etwa zunehmende Anfragen wegen Ess-Störungen, einem spezifisch weiblichen
Problem, deutlich machen. Männliche Jugendliche wenden sich aus eigener Initiative
eher selten an Beratungsstellen, da Hilfebedürftigkeit mit dem Selbstbild vom Jungesein
und Männlichkeit schwer vereinbar ist. Weibliche Jugendliche haben von ihrem
Selbstverständnis her weniger Scheu, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Genetische Geschlechterdifferenz
Neuere Erkenntnisse über die physische und psychische Entwicklung des männlichen
Kindes weisen auf biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern,
insbesondere auf einen unterschiedlichen Verlauf der hormonellen Entwicklung und
Entwicklung des Gehirns bei Jungen und Mädchen hin.
Auch wenn biologische Faktoren hinsichtlich geschlechtsspezifischer Unterschiede in
Erleben und Verhalten eine Rolle spielen, die Genetik allein kann die Frage nach den
Hintergründen der oben beschriebenen großen Anfälligkeiten und Auffälligkeiten von
Jungen nicht beantworten; die Frage zielt somit auf die geschlechtsspezifischen
Besonderheiten eines Jungenlebens.
"Viele Probleme haben Jungen, weil sie Jungen sind".
Jungen wachsen offensichtlich unter Sozialisationsbedingungen auf, die ihnen ein
Hineinwachsen in die männliche Rolle erschweren und zu mannigfachen körperlichen,
seelischen und sozialen Problemen führen.
Die Vielzahl widersprüchlicher Erwartungen, denen sie von Seiten der Gesellschaft als
Jungen ausgesetzt sind, ist verwirrend und überfordernd und macht Orientierung
schwer.
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Trotz der Veränderung der männlichen Rolle in den letzten Jahrzehnten und trotz aller
Fortschritte in den (bewussten) Erziehungsvorstellungen, das traditionelle Leitbild vom
starken Mann scheint immer noch der heimliche Maßstab.
"Wie bin ich ein richtiger Junge?"
Fragt man Kinder, was denn ein "richtiger" Junge sei, stößt man auf Normen und Werte,
die alt und überholt und aus fernen Zeiten zu stammen scheinen: Jungen müssen stark
und überlegen sein und sich durchsetzen können, sie dürfen keine Angst zeigen, nicht
zaghaft oder vorsichtig sein, ihre Körper sollen supergut funktionieren und ständig über
sich hinauswachsen.
Bereits bei kleinen Jungen zeigt sich ein ausgeprägtes Bedürfnis, sich als unverletzlich,
stark und überlegen zu empfinden. Das Stereotyp des angstfreien Helden scheint schon
unter Vierjährigen zum gesicherten Wissen um das Wesen des Mannes zu gehören.
Das traditionelle Jungenbild als "heimliche" Norm
Erwachsene haben offenbar Schwierigkeiten, mit kleinen Jungen umzugehen, die sich
ängstlich, schwach und hilflos fühlen, sich bekümmert oder bedürftig zeigen. Besonders
Väter sind schnell irritiert, wenn der Sohn statt eines kleinen "Draufgängers" ein
zögerlicher oder vorsichtiger Junge ist, der abwägend und abwartend den
Herausforderungen des Lebens entgegentritt. Vor allem Väter, deren Söhne eher sanft,
gefühlvoll und sozial sensibel erscheinen, haben leicht Bedenken, ob ihre Söhne sich im
späteren Leben durchsetzen können.
Und noch immer scheint zu gelten, dass Eltern von ihren Söhnen offen oder insgeheim
für die Zukunft mehr erwarten oder befürchten als für Mädchen; viele Eltern sorgen sich
schon früh, ob sie ihrem Jungen das nötige Rüstzeug für den späteren Lebenskampf
mitgeben. Dabei kann bereits die Durchsetzungsfähigkeit im Sandkasten zu
Befürchtungen um die Zukunft des Sohnes Anlass geben. Angst entsteht, ihr Junge
könne zu weich werden, so dass er in der harten Männerwelt nicht bestehen kann.
Durch die Hintertür schleicht sich doch der Indianer, der keinen Schmerz kennt, in die
Erziehungsvorstellungen auch fortschrittlicher Eltern mit ein. Kinder spüren solche
Normen und Erwartungen natürlich sehr deutlich, auch wenn sie ihnen vielleicht nie
direkt mitgeteilt werden und den Eltern oft selbst kaum bewusst sind.
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Geschlechtsspezifische Dynamik
Stark sein, auch wenn man sich schwach und hilflos fühlt, dies beschreibt die Kluft
zwischen dem inneren Empfinden eines kleinen Jungen und den rigiden
Rollenanforderungen des "richtigen" Jungen; bedenklich wird es, wenn solche
klischeeorientierten Verhaltensmuster keinen Spielraum mehr lassen, altersgemäße
Bedürfnisse und Gefühle zu äußern. Indem man versucht, dem Jungen eine dicke Haut
zu verpassen, damit er für das harte Erwachsenenleben gewappnet ist, stülpt man
vielen weichen und sensiblen Seiten eine Zwangsjacke über. Durch Inszenierungen von
Stärke versuchen Jungen daher meist beiseite zu schieben, was ihnen im Moment
Kummer, sie hilflos oder unsicher macht. Die geschlechtsspezifische Dynamik bedingt
sehr oft eine Umwandlung kleinmachender, ängstlicher oder trauriger Gefühle in
Bewegung und Aktivität, in wildes oder aggressives Verhalten.
Männlich = nicht weiblich?
Sanfte Jungen werden - manchmal schon im Kindergarten - schnell zu Außenseitern:
Die Äußerung "Bist du ein Mädchen oder was?" erschüttert den Jungen zutiefst in
seinem Selbstwert. Ein richtiger Junge sein heißt offenbar, auf keinen Fall weiblich
erscheinen zu dürfen. Männlich erscheint als Gegenteil von weiblich.
Aber weiß ein Junge, wie er sich stattdessen verhalten kann, ohne in der Verneinung
und Abwertung des Weiblichen stecken zu bleiben? Diese Zwickmühle der
Jungenidentität prägt schon die Jungengruppe im Kindergarten: sich überlegen gegen
alles Weibliche abgrenzen zu müssen, aber ohne klare Vorstellung von Männlichkeit im
Positiven.
Jungencliquen
Atmosphäre und Struktur von Jungencliquen sind geprägt von den gängigen
Männlichkeitsidealen. Anerkennung erhält, wer diesen entspricht: keine Schwäche
zeigen, "cool" sein, auch Mädchen gegenüber Überlegenheit demonstrieren. Der
Gruppendruck ist groß und wer nicht mitmacht, läuft leicht Gefahr, ausgegrenzt zu
werden. Wenn es ihnen schlecht geht, sind die meisten Jungen lieber alleine.
Medien
Allgemein herrschen in den Medien die traditionellen Geschlechtsstereotypien vor, auch
Analysen von Fernsehsendungen für Kinder bestätigen dies: Mädchen sind eher passiv,
Jungen aktiv und risikofreudig. Jungen ziehen in die Welt, auf der Suche nach
Abenteuer, Mädchen befinden sich eher im häuslichen Bereich. Abenteuer werden von
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Mädchen mit wenigen Ausnahmen nur in Begleitung von Jungen erlebt. Jungen sind
durchsetzungsfähig, den Mädchen oft überlegen; Mädchen sind eher ausgeglichene,
zufriedene Wesen, die sich kaum "aggressiv" verhalten. Herausragende Leistungen
werden von Jungen erbracht; Mädchen sind eher im Dienst und in der Verantwortung für
andere tätig usw.
Gewalt als Suche nach Männlichkeit - Lieber gewalttätig als unmännlich
Problematisch in vielen Medien ist die Koppelung von Geschlechtsrolle und Gewalt,
insbesondere für bereits gefährdete Jungen. Je größer das Vakuum an realen
männlichen Vorbildern und Orientierungsmustern, desto eher füllen Jungen dieses
Vakuum mit Figuren und "echten" Männern aus den Medien. Aggression und Gewalt
sind dabei oft als Bemühen zu verstehen, sich stark, überlegen zu fühlen und sich
ständig der männlichen Identität zu vergewissern. Der Zusammenhang zwischen Gewalt
und Geschlechtersozialisation wird kaum öffentlich und politisch wahrgenommen, oft ist
- wie gesagt - von Jugendgewalt die Rede, als ob beide Geschlechter dabei
gleichermaßen beteiligt seien.
Koedukation benachteiligt die Mädchen - aber die Jungen versagen
Die Analyse von Unterrichtsstunden, in denen Jungen und Mädchen gemeinsam
unterrichtet werden, bestätigt deutlich die klassischen Rollenstereotypen:
Die Jungen geben den Ton an, sie beherrschen die Szene, nach ihnen richtet sich auch
die Art der didaktischen Vermittlung von Unterrichtsinhalten. Sie ziehen die
Aufmerksamkeit von LehrerInnen auf sich, drängen die Mädchen zurück und dominieren
das Feld.
Untersuchungen zeigen: Jungen erhielten durchweg mehr Aufmerksamkeit, mehr Lob,
mehr Tadel, mehr Blickkontakt. Die Jungen redeten im Durchschnitt öfter, lauter und
unterbrachen die Lehrkraft häufiger.
Jungen erhielten zwei Drittel der Aufmerksamkeit durch Lehrpersonen, sie reagierten mit
heftigem Protest, wenn dieser Anteil sank. Die Jungen beschwerten sich prompt wegen
der "Bevorzugung" der Mädchen.
LehrerInnen nehmen grenzverletzendes, aggressiveres und unruhigeres Verhalten von
Jungen nahezu als gegeben hin, auch wenn sie häufig intervenieren müssen.
Dennoch haben Mädchen in der Schule nicht etwa schlechtere Leistungen, sondern
sind im Gegenteil besser, müssen seltener eine Klasse wiederholen, haben die
besseren Schulnoten und integrieren sich besser in das Unterrichtsgeschehen.
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Jungen kommen offenbar nur schlecht mit den selbstbewusster gewordenen Mädchen
zurecht. Je erfolgreicher und selbständiger Mädchen werden, um so mehr wird das
männliche Überlegenheitsgefühl angegriffen. Der Verlust schmerzt, da er aber nicht
thematisiert werden darf und kann, kann sich die zunehmende Verunsicherung bei
vielen durch gesteigerte Aggressivität und schließlich auch Gewalt zeigen.
Sozilisationsbedingungen
Männliche Identifikationsfiguren und Vorbilder fehlen oft oder sind rar in der Entwicklung
von Jungen; Jungen wachsen von klein auf unter der Obhut und Regie von Frauen auf.
Für einen Jungen ist die Wahrscheinlichkeit groß, von der Wiege bis zur Grundschulzeit
fast ausschließlich von Frauen erzogen zu werden. Im Alltag haben Jungen kaum
Gelegenheit, mit Männern umzugehen.
Wie sollen Jungen sich an positiv vorgelebter Männlichkeit orientieren können?
Erfahrbare männliche Vorbilder
Häufig nehmen Väter in ihren Familien und der Erziehung eine randständige Position
ein, aus der heraus sie wenig gemeinsame Zeit und wenig gemeinsame Aktivitäten mit
ihren Kindern erleben.
Jungen brauchen (und Mädchen auf andere Weise natürlich auch) erfahrbare männliche
Vorbilder. Als Fundament für ihre Männlichkeit brauchen Jungen den Kontakt und die
Auseinandersetzung mit einem realen Vater, der ihnen mit seinen Stärken und
Schwächen begegnet.
Jungen brauchen Väter, die die Fähigkeiten und Stärken ihrer Söhne sehen, aber auch
um die vielen Jungennöte wissen. Sie brauchen Zuwendung sowie Verständnis und
Trost von einem Vater, der ihnen vermittelt, dass Niederlagen, Kummer und Angst zum
Leben, auch zu einem männlichen Leben, dazugehören.
Jungenarbeit
"Das größte Problem: Jungen dürfen keine Probleme haben"
Mädchen haben sich traditionelle Jungenräume erobert und an Selbstbewusstsein und
Stärke gewonnen. Aber offenbar kann man nicht automatisch umgekehrt Jungen in
Mädchenräume führen und hoffen, dass die Jungen dies als Stärkung erleben.
Jungen fällt es extrem schwer, sich ihrer Umwelt mitzuteilen, sie hüten ihr Innenleben
wie ein Geheimnis; das gesellschaftliche Stereotyp von Männlichkeit verbietet ihnen,
Gefühle, Schwäche oder Kummer zu zeigen. Ihre Not, ihre spezifischen Ängste und ihre
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Isolation werden leicht übersehen, da sie nach Außen eher das Gegenteil
demonstrieren.
Immer wieder werden, auch im Zusammenhang mit der Gewaltdiskussion, spezielle
Konzepte der Jungenarbeit - angeboten von männlichen Gruppenleitern - gefordert,
wobei bisher eher wenig Erfahrungen vorliegen.
Ziel dieser Arbeit liegt in der Entwicklung einer realistischen Geschlechtsidentität des
Jungen und eines stabilen Selbstbewusstsein, das keiner Überlegenheitsdemonstration
bedarf.
Ausgehend von ihren speziellen Stärken und Kompetenzen können die Jungen
allmählich Zugang zu ihren Wünschen, Sehnsüchten, Phantasien und Ängsten
gewinnen, aber auch zu den seelischen und körperlichen Nöten, die sie erleiden.
Gleichzeitig können sie so behutsam eingeengte Vorstellungen von Männlichkeit und
damit des eigenen Erlebnis- und Verhaltensrepertoires erweitern.
E. Longen
Dipl. Psychologin
© 2001
Psychologische Beratungsstellen für Familie und Jugend des Landkreises Esslingen
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