Rede zu meiner Verabschiedung aus dem Schuldienst am 31. l .06

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Rede zu meiner Verabschiedung aus dem Schuldienst am 31. l .06
Quelle: Jahresbericht 2005-6
Personalia
-
Verabschiedungen
-
Herr
Jundt
Rede zu meiner Verabschiedung
aus dem Schuldienst am 31. l .06
Art Biotop, im wörtlichen Sinn als Ort, der Leben
ermöglicht, einen Lebensraum.
Am Schluss geht alles ganz schnell und dann stellt
sich einem recht plötzlich die Frage nach dem, „was
gewesen ist”. Als Historiker wird man auf diese Frage
trainiert und es gehört wohl auch zur menschlichen
Natur, dem Gewesenen darüber hinaus einen Sinn
abgewinnen zu wollen. Wenn ich mein bisheriges
überschaubares Leben überblicke, dann weiß ich
eines: Ich habe viel Glück gehabt.
Glück, verstanden als etwas, das sich nicht durch
eigene Anstrengungen erreichen oder erzwingen
lässt, sondern Glück als Geschenk, das nachhaltig
in unser Leben hineinwirkt. Da ist eine Kindheit, die
man nicht durchweg als behütet bezeichnen kann.
Ich gehöre zu der Generation, die ihre Väter nicht
kennt, weil sie im Krieg geblieben sind. Daraus ließe
sich vielleicht eine tränenreiche Biographie stricken.
Aber - das Gegenteil ist wahr: Ich blicke - trotz allem
- auf eine lebendige und erfüllte Kindheit zurück.
Da ist eine Studien- und Berufswahl, die ich bis
heute nicht bereut habe. Ich konnte viel von dem
weitergeben, was mich selbst interessiert und
was mir Spaß macht, und ich habe es als Privileg
empfunden, dass ich mir bei meiner Arbeit nicht
täglich die Sinnfrage stellen musste.
Denn: Was ist spannender in der Welt als der Mensch?
Und was kann dem Leben mehr an Fülle geben, als
mit jungen Menschen über einem gemeinsamen
Gegenstand konzentriert im Gespräch zu sein?
Da ist -ja, soviel Gefühl muss sein - meine Frau.
Jeder, der mich näher kennt, der weiß: Was wäre ich
- ohne meine Rosemarie?
Und da ist das St. Paulusheim, das zum Mittelpunkt
meines gesamten Berufslebens geworden ist. Diese
Schule werde ich in Erinnerung behalten als eine
Was fällt mir ein, wenn ich wesentliche Elemente
dieses Biotops beschreiben möchte?:
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• Viel Freiheit, keine Gängelei
• Überschaubarkeit, Kontinuität
•
Kein Gehabe, nichts Aufgeblasenes, niemand
hat es nötig, sich zu produzieren
•
Jeder hat die Möglichkeit, sich in Ruhe auf
die Sache einzulassen. Und dieses liebevolle
Verweilenkönnen am Detail ist die entscheidende
Voraussetzung für eine gelingende Erziehungs- und
Bildungsarbeit.
•
Führen durch Vorbild - dies gilt für mich in
ungewöhnlichem Maße für die beiden letzten
Schulleiter, Pater Grupp und Pater Janzer.
• Eltern, denen Erziehung wichtig ist und deshalb
hinter ihrer Schule stehen.
•
Schüler, die eine verlässliche und geradlinige
Schule zu schätzen wissen -Ich denke hier an den
Titel der Abiturzeitung des letzten Jahres: „Es gibt
Dinge, die kann man nicht kaufen.”
• Das Biotop Paulusheim verträgt es, dass man
nicht immer gleich gut ist und dass man auch Fehler
macht. Dieses Biotop, das den Einzelnen nicht glatt
bügelt, aktiviert die helleren Seiten des Charakters
und mildert gleichzeitig dessen Schwächen.
Dass ich an dieser Schule 38 Jahre meines Lebens
arbeiten und wirken durfte, ist alles andere als
selbstverständlich.
Das St. Paulusheim Bruchsal war ein Glücksfall in
meinem Leben und dafür möchte ich mich heute
und hier bedanken.
•
Ansprache des Schulleiters zur
Verabschiedung von Herrn Jundt
am 31. Januar 2006
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und
Schüler, ich darf Sie zur Feier der Verabschiedung von
Herrn Jundt ganz herzlich begrüßen
Besonders begrüßen darf ich den Elternbeiratsvorsitzenden unserer Schule, Herrn
Dr. Kretschmer und seine Stellvertreterin
Frau Held und die Vorsitzende des
Freundeskreises Frau Holzinger.
Unter den Gästen darf ich in besonderer
Weise begrüßen natürlich Frau Jundt,
die ja den Ruhestand schon ein halbes
Jahr genießen kann, Frau Herzog, Frau
Kraft, die schon mal zuschauen, wie das
ist, wenn Ihre Ehegatten in einem halben
Jahr in den Ruhestand verabschiedet werden,
begrüßen möchte ich natürlich auch unsere ehemaligen
Kolleginnen Frau Brigitte Nowatzke und Frau Gabi
Rupp, unsere ehemaligen Kollegen P. Grupp, Hiller,
Lauck, Braun Schafbuch. Frau Wild kann leider nicht;
ich soll alle recht herzlich grüßen. Und natürlich möchte
ich Herrn Jundt selbst heute Abend eigens begrüßen
– obwohl – der Tag ist ja noch nicht zu Ende: Er gehört
immer noch zu unserem Kollegium.
1. Die Verabschiedung eines Kollegen oder einer Kollegin
macht - mich jedenfalls - zunächst nachdenklich
– ein bisschen Wehmut steigt auf, dann jedenfalls,
wenn jemand weggeht, von dem man meint, dass er
unbedingt zum Ganzen unserer Schule hinzugehört wie das bei Herrn Jundt der Fall war. Dieses unbedingte
Dazugehören fängt schon bei Äußerlichkeiten an:
Ich kann mir schon gar nicht vorstellen, dass ich ins
Lehrerzimmer komme und der Platz von Herrn Jundt
nicht mehr besetzt ist oder jemand anders dort steht
oder sitzt, wie das morgen früh der Fall sein wird – es
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sei denn, du hältst es morgen früh doch nicht aus zu
Hause und kommst noch einmal....
2. Herr Jundt hat am 02.02.1968 hier an der Schule
angefangen, so steht es in Deiner Karteikarte, Wolfgang.
Als ich das las, wurde mir auch klar, warum Du gerade
jetzt aufhörst.
Die geistige Landschaft in Deutschland
veränderte sich 1968 ziemlich. Es
waren turbulente Jahre angebrochen,
die Studentenunruhen, ja – manche
sprechen auch von Revolte - die auch
in der Schule spürbar waren. Im St.
Paulusheim war das anfangs noch nicht
ganz so.
Du hast mir früher schon einmal
erzählt, wie du damals von P. Grumer
im Habit freundlich und zuvorkommend
empfangen wurdest Aber es war doch
eine eigene Welt, die Internatsschule St. Paulusheim – es
gab nur interne Schüler, das Ganze trug durchaus noch
klosterähnlichen Charakter, das „Stift” (Klosterschule)
hieß es bei den Schülern selbst.
Trotzdem – so hast du immer wieder betont - hast
du dich in dieser Schule insgesamt wohl gefühlt. Das
mag an mancherlei gelegen haben - an der besseren
Überschaubarkeit einer kleinen Schule, an der Möglichkeit,
sich im Unterricht intensiv dem Stoff statt dauernden
Erziehungsmaßnahmen widmen zu können, an manchen
Leuten, mit denen Du Dich ganz gut verstanden hast....
Dass Du Dich an der Schule wohl gefühlt hast, lag aber
sicher auch und vor allem an Dir selbst.
Erstens hattest Du in der Schule das, was man als
„Erfolg” bezeichnen kann.
Ich durfte dich leider nie im Unterricht besuchen, da es
keinen Anlass zu einer Beurteilung gab, - 1971 wurdest
du Studienrat, 1972 Oberstudienrat – so schnell ging das
damals - und 1979 Studiendirektor. -
Personalia
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Verabschiedungen
Aber von Jahr zu Jahr hörte ich und höre ich von jetzigen
und ehemaligen Schülern fast uneingeschränkt, dass „der
Herr Jundt ein ganz toller Lehrer war und ist”. Offensichtlich
hast du es in diesen 38 Jahren deiner Lehrtätigkeit
verstanden, einen wirklich hervorragenden Unterricht zu
halten – mit einem ausgezeichneten Fachwissen; aber
zum Fachwissen gehörte, dass du auch eine innere
Beteiligung, ja Begeisterung ausgestrahlt hast. Die
Schüler spürten, dass Du Dich mit dem Wissen persönlich
auseinandergesetzt hattest und das, was du sagtest,
nichts Äußerliches, Angelerntes war, sondern etwas von
Dir selbst.
Diese Art von Wissensvermittlung bewirkte bei Schülerinnen
und Schülern Interesse. Der zum eigenen geistigen
Eigentum gewordene Stoff, die von Dir durchdachten
– akzeptierten oder auch kritisierten - Inhalte waren das
Eigentliche, das Wichtige, das Du vermittelt hast. Die
richtigen Methoden sind gut und wichtig und in dieser
Hinsicht haben wir in den letzten Jahren sicher alle etwas
dazu gelernt. Aber die wichtigste Methode, der eigentliche
„Meth-odos” – der Weg zur Vermittlung – ist der Lehrer
selbst. Wem das, was er unterrichtet, selbst gleichgültig
oder gar zuwider ist, wie soll der ein guter Lehrer sein
können?
Aber außer dieser Fachkompetenz, die - wie gesagt
- nicht einfach nur Faktenwissen bedeutet, zeichnet dich
– über alle persönlichen Fähigkeiten, die ich natürlich
nicht alle aufzählen will und natürlich auch nicht alle
kenne, - vor allem auch die Fähigkeit aus, dass Dir an
denen, die du unterrichtet hast, etwas lag. Das konnte
zuweilen auch bedeuten, dass Du Dich mit dem Schüler
auseinandergesetzt hast. Aber auch das ist eine Form des
Ernstnehmens eines jungen Menschen, sich mit ihm auch
auseinander zu setzen.
Gleichzeitig aber bist und warst Du ja nicht ein verbiesterter
Paragraphenreiter, für den das wichtigste die exakte
Festlegung und Durchführung der Strafandrohung ist,
sondern du hast, glaube ich, vor allem im Gespräch, auch
im ziemlich deutlichen Sprechen mit den Schülern und
-
Herr
Jundt
Schülerinnen erreicht, was Du wolltest. Dabei aber ging
es nie darum, den anderen klein zu kriegen, sondern ums
bessere Weitermachen miteinander, ich habe das gerade
in den letzen Monaten wieder in der 8a, in der du ja
Klassenlehrer warst, gemerkt.
Auf dem Hintergrund des Wissens, dass der Lehrer dem
Schüler nichts Böses will, kann der Schüler ruhig merken,
dass und wenn er den Lehrer geärgert hat.
D.h. ich glaube, Deine Beziehung zu Schülerinnen und
Schülern und ich glaube auch zu den Kolleginnen und
Kollegen – aber darüber wird sicher die MAV etwas sagen –
war geprägt durch Ehrlichkeit - meistens – mir gegenüber
jedenfalls – durch eine wohlwollende Ehrlichkeit.
Dabei bist Du ein Mensch, der mit einem sehr
empfindsamen Sensorium vieles registriert, der auch
sich selbst gegenüber durchaus kritisch ist und zugeben
kann, wenn etwas nicht ganz so gelaufen ist, wie Du es
wolltest.
Zu diesem aufrichtigen Umgang miteinander, die im
übrigen auch versucht, sich durch nichts und durch
niemanden verbiegen zu lassen, gehört sehr viel Kraft,
die Du in ganz hohem Maße hattest.
Auch für diese Deine menschliche Aufrichtigkeit, die Dir
bei Schülerinnen und Schülern, aber auch im Kollegium
Ansehen und Vertrauen geschaffen hat, danke ich Dir
ganz herzlich.
3. Du warst nicht nur im Unterricht an unserer Schule tätig,
sondern in vielerlei Hinsicht darüber hinaus: Über Jahre
hin hast du die Schüler beim Eingang in die Oberstufe und
während dieser Zeit beraten, und ebenso die Eltern,
Du hast – bis zuletzt eigentlich – Schullandheimaufenthalte
durchgeführt, Du warst regelmäßig bei Studienfahrten
mit den Schülern unterwegs und hast dabei, vor allem
versucht, ihnen auch manche Gebiete in Deutschland
selbst näher zu bringen, die eng mit unserer deutschen
Geschichte zu tun haben (öfter nach Berlin und Umgebung
oder in St. Petersburg),
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Du warst unterwegs in Exkursionen, die ebenfalls
meistens einen geschichtlich bedeutsamen Ort oder
eine Person zum Ziel hatten (Friedrich Ebert-Haus in
Heidelberg z.B.)
Bedanken möchte ich mich auch für Deine Beiträge an
Veranstaltungen unserer Schule wie dem Pallottitag
vor einigen Jahren, den Du zusammen mit Herrn
Herzog gestaltet hast, oder für Deinen Vortrag beim
Freundeskreis über den geschichtlichen Hintergrund der
Entstehung Deutschlands.
4. Ich persönlich bedanke mich für viele
Gespräche und Hinweise, die Augenmaß,
Gespür für das Notwendige und Sinnvolle
bewiesen.
streng sein kannst: Zitat: „Kinners, ihr könntet schon
längst fertig sein” Oder „Das ist deine letzte Chance.
Du entwischst mir nicht, Freundchen (dahinter steht:
er sagt das aber 365 Mal im Jahr.) „. Viele schrieben
- was mir sehr aufgefallen ist - dass Du ein Lehrer bist,
der seinen Schülern auch in schwierigen Situationen
hilft, fast alle meinten, dass Du gerecht bist, der beste
Klassenlehrer, den man haben kann, der einen SuperSchullandheim-Aufenthalt organisieren kann usw.
Zwei der Beiträge darf ich zum Schluss wörtlich vorlesen
– auch wenn die Sprachebene vielleicht
dem Anlass nicht ganz angemessen ist:
„Herr Jundt ist für mich: der beste Lehrer
der Welt, witzig, total gutmütig und
freundlich, gerecht, klein, jungaussehend
(zumindest keine 60!!!), einer, der den
richtigen Beruf für sich gewählt hat,
und einer, der ihn gut macht und diesen
liebt.”
Und schließlich möchte ich Deine Geselligkeit
nicht vergessen: wenn es irgendwie möglich
war, warst Du zu allen Feiern unserer Schule
oder des Kollegiums anwesend.
Da Dir die Geselligkeit wichtig ist, will
ich meine Rede auch nicht übermäßig
verlängern, um ihr genügend Raum zu
lassen.
Eigentlich müsste ja gegen Ende jetzt
irgendein Zitat von Goethe oder irgendeiner
bedeutenden Persönlichkeit der Geschichte
kommen. Aber da Du diese besser kennst
als ich – oder auch im Internet unter
„Abschieds-Zitate” (vielleicht) nachlesen
kannst, will ich mit ein paar anderen Zitaten
schließen.
Nachdem ich das, was ich Dir sagen wollte,
weitgehend schon geschrieben hatte, habe ich einfach
Deine Klasse, in der Du Klassenlehrer bist und die ich
auch unterrichte, gefragt: „Und, wie habt Ihr den Herrn
Jundt erlebt, was würdet Ihr ihm sagen?”
Jeder hat mir völlig anonym ein paar Sätze aufgeschrieben.
Fast alle haben geschrieben, dass Du einen tollen
Unterricht hältst, ein Super- Lehrer bist, gut erklären
kannst, fair bist; - einige, dass Du manchmal auch etwas
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Und der zweite: „Herr Jundt ist für
mich: - Ein sehr guter Lehrer, bei dem
Unterricht auch lustig ist - ein netter,
witziger Mensch, gerecht, zu schade
um wegzugehen.”
Eigentlich kann ich dem nichts mehr
hinzufügen:
Wolfgang, es war sehr, sehr gut, dass
Du - 38 Jahre - an unserer Schule, in
unserem Kollegium warst. Für alles ganz
herzlichen Dank!
Wir alle wünschen Dir noch viele gute
Jahre für dein Leben nach der Schule
viele gute Jahre
- ab jetzt ganz regelmäßig zusammen mit Deiner Frau
Rosemarie
- gelegentlich mit deinen Kindern und Enkelkindern
- und ab und zu auch noch mit uns natürlich.
Vielen Dank
W. Janzer