Impulse: Grundschule - Landesinstitut für Lehrerbildung und

Transcription

Impulse: Grundschule - Landesinstitut für Lehrerbildung und
Impulse: Grundschule
Lesekompetenz
Behörde für
Bildung und Sport
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Begriff der Lesekompetenz ist nach den
internationalen Untersuchungen PISA, IGLU,
den Hambur g weiten Untersuchungen zur
Lernausgangslage (LAU, KESS) und der noch
stattfindenden Untersuchung DESI immer
noch in aller Munde. Wegen Überfrachtung
mit Wunschvorstellungen über das, was sich
alles in Schule ändern muss, um eine gezielte
För derung vorzunehmen, bedarf es einer
Klarstellung und deutlichen Unterstützung
darin, welche Inhalte und Methoden vorrangig gelten sollen.
Im Zentrum dieser Broschüre stehen
neben den theoretischen Klärungen konkrete
Unterrichtsanregungen zur gezielten Förder ung der Lesekompetenz im Grundschulunterricht verschiedener Fächer. Zu diesem
Zweck wurde die vorliegende Handreichung
für die Grundschule unter der redaktionellen
Leitung von Dr. Gabriele Rabkin
(Landesinstitut, Primarstufe Deutsch) erstellt.
Zunächst möchten wir die viel zitierte
Definition von Lesekompetenz aus der PISAS tudie n och einm al ins Ge dächtnis rufen, da
von dort ausgehend alle Beiträ ge de r Handreichung konzipiert worden sind:
„Lesekompetenz (Reading Literacy)
umfasst die Fähigkeit, geschriebene Texte
unterschiedlicher Art (kontinuierliche und
diskontinuierliche Texte) in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen
Struktur zu verstehen und in einen
größeren Zusammenhang einordnen zu
können, sowie in der Lage zu sein, Texte
für verschiedene Zwecke sachgerecht zu
nutzen.“ (C. Artelt u.a. Lesekompetenz:
Testkonzeption und Ergebnisse; in:
Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), 2001).
Wichtig ist, dass die PISA-Definition für
die 15-Jährigen gilt und in der Handreichung
für die Arbeit in der Gr undschule „übersetzt“
wur de. Daraus folgt, das Leseverständnis
altersgerecht und entsprechend den Erkennt nissen der Didaktik des Lesenlernens und
–förderns sowie der Schriftspracherwerbsforschung im Grundschulbereich im Unterricht systematisch zu fördern und den
Schritt zum Deuten und Diskutieren von
Texten erst auf der Basis des Leseverständnisses zu vollziehen. Oftmals wurde dieser
zweite Deutungsschritt vor dem ersten Verstehensschritt gemacht und so der eigentliche Textinhalt aus dem Auge verlor en.
Der Pippi-Langstrumpf-Text des Experten für
Analphabetismus, Jür gen Genuneit (Redakteur bei Ernst Klett Sprachen) eröf fnet die
R eihe der B eitr äge . Hierin w ird in an regen-
der Weise de r en ge Zu sammenh ang vo n
Lesenlern en u nd Sc huler folg b zw. das
Ent ste hen v on funkt ionale m Analp habe tismus d eu t lic h. Die unt er haltsame Tour
d’ho rizon durch d ie Kinder - und Juge ndbücher, d ie in Erz ählzusa mme nhä ngen die
hoh e Bede ut un g d es Lesens (von Bü cher n)
u nd Schre iben s für die Lernentwicklung
vo n Kinde rn the mat isie ren, eröffne t gle ic hze itig P erspe ktiv en für die Arbeit in d er
Grun dsch ule. Es ist ersta unlich , wie ä hnlich d ie Ansätze zur Alph ab etisier ung
Erwa ch sene r und zu m Lese nlerne n in de r
Gr un dsch ule sind.
Als wichtige Voraussetzung für eine gezielte Förderung der Lesefähigkeit wird die
genaue Lernbeobachtung im Bereich Lesen
aufgegriffen und auf die Möglichkeiten
hingewiesen, wie von den Beobachtungserkenntnissen ausgehend individuelle
Förder ung folgen kann. Das Diagnoseinstrum ent „Ham bu rger Lesep ro be“ wir d
von He lga Arntz en (M itautorin d er Leseprobe) in seiner Konzeption und Anwendung vorgestellt.
In der Br oschüre findet sich eine Re ihe
unterric htspraktischer Anre gun gen, d ie Sie
in Ihre m Unterricht um setz en können. D en
Sc hluss de s ersten Teils bildet eine ausführliche u nd mit viele n konkreten Umse tzu ngsh inweisen verse hene D arst ellun g m öglich er
Zu gänge zur Le se kompetenz im Fac h
Deutsc h. Pe tr a Dalldo rf und Renate Fr ankF lie s ( Fa ch sem ina rleit er inne n am La nde sinstitu t) geht es da ru m, Kinder b eim Aufbau
von Le sestrategien z u unterstü tzen , sie mit
Hilfe u nte rschiedlicher Zugangswe isen und
Textanregungen für das Lesen zu gewinnen
und damit Gr und zu legen für eine erfolgreiche Schullaufbahn.
Die Broschüre ist eng mit den neuen
Rahmenplänen Deutsch, Mathematik und
Sachunterricht für die Grundschule verknüpft, die den Schulen inzwischen für
einen Erprobungszeitraum von drei Jahren
vorliegen.
Die Bedeutung von Leseförderung in allen
Fächern der Gr undschule sowie der Aspekt
Deutsch als Zweitsprache sind Schwerpunkte
des zweiten Teils.
Monika Grell (Landesinstitut, Referat
Sprachen) erläutert den Aspekt Deutsch als
Zweitsprache fächerübergreifend.
Die Beiträge zum Sachunter richt
(Verfasserin: Anne Kolbe, Fachreferentin in
der Behörde für Bildung und Sport sowie im
Landesinstitut, Primarstufe Sachunterricht)
und zum Mathematikunterricht
(Verfasserinnen: Brigitta Hering,
Landesinstitut, Primarstufe Mathematik und
Eva Rhein, Mathematikmoderatorin) enthalten fachbezogene Aussagen und Anregungen
zur bewussten Wahrnehmung und
Verstärkung des Lesens in diesen Fächern.
Häufig wird die Lesekompetenz allzu selbstverständlich vorausgesetzt, ohne dass sie wie eigentlich notwendig – auch in diesen
Fächer n systematisch vertieft, geübt und
angewendet wird.
Ziel ist es, das Lernen in diesen Fächern
durch eine Verstärkung der Lesekompetenz
zu sichern.
Zum Schluss wird durch den Beitrag von
S ven Nickel (Unive rsität B re me n) ein weiterer
wichtiger – nur scheinbar außenstehender –
Aspekt über die Pr ogramme zur Literalitätsförder ung in den Familien (Family Literacy)
aufgegrif fen. Hierin wird die Bedeutung von
Leseförderung in der Familie deutlich und
daraus ersichtlich, wie Schule ihre Rolle
sehen muss, wenn die elterliche Aufgabe
nicht oder nur unzureichend wahrgenommen wird. Das Gespräch mit Eltern über das
Lesen und Angebote für die Literalisierung
interessier ter Eltern und Erzieher werden in
Zukunft eine wichtige Rolle spielen müssen.
Alle Studien haben gezeigt, dass der
Bildungshintergrund des Elternhauses (z.B.
Bestand an Büchern zu Hause) einen
wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung
der Lesekompetenz und des Schulerfolgs hat.
Wir wünschen Ihnen für die Arbeit mit
diesem Heft ein vergnügliches Leseerlebnis
und vor allem die Aufnahme einiger für Sie
wichtiger Anregungen für Ihren Unterricht
in der Grundschule. Viel wir d erreicht, wenn
es gelingt, die Lesekompetenz jedes einzelnen Kindes zu fördern, indem die
Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer der
Grundschule den Kindern präzise Hinweise
geben, wie sie - anknüpfend an ihrem LeseKönnen - weiter lernen können.
Für die Erstellung der Broschüre möchten
wir allen Verfasserinnen und Verfassern herzlich danken und dem Vorhaben För derung
der Lesekompetenz an den Hamburger
Grundschulen viel Erfolg wünschen.
Die Frage des Vaters in Roald Dahls
„Matilda“, warum seine Tochter denn ein
„verdammtes Buch“ benötige, wird dann
nicht mehr gestellt werden müssen, weil die
Antwort aller frisch Alphabetisierten lauten
könnte: „Weil wir gern lesen und uns die
Welt ohne das Lesen gar nicht mehr
vorstellen können!“ Gegen so eine Art Harr yPotter-Effekt wäre nichts einzuwenden.
Bernd-Axel Widmann
Referatsleiter Deutsch und Künste
Behörde für Bildung und Sport
Peter Daschner
Direktor des Landesinstituts für
Lehrerbildung und Schulentwicklung
Als die Mutter entdeckt, dass ihr vierjähriger Sohn
lesen kann, ist sie entsetzt und rennt aufgeregt
mit ihm zum Arzt.
Doktor Santens kontrollierte, ob ich tatsäch lich lesen konnte. Dann untersuchte er mich von
Kopf bis Fuß.
... Als er damit fertig war , lehnte er sich
bedächtig in seinem Stuhl zurück. ... Tiefe Falten
erschienen auf seiner Stirn. Schließlich blickte er
meine Mutter ernst an.
„Sonja“, sagte er, „ ich habe eine schlechte
N achricht und eine gute. Die schlechte ist, daß
Lesenk önnen unheilbar ist. Die gute ist, daß man
nicht daran stirbt“ (Doorselaer, S. 8f.).
Doch Kaspars Mutter bleibt beunruhigt und
fragt verwirrt:
„Aber das plötzliche Lesenkönnen, woher um
Himmels willen kommt das? Das einzige, was wir
lesen , ist die Fern sehzeitu ng. Wie ist das
eigentlich, Doktor? Kann das Lesenkönnen plötz lich auf einen runterfallen? Wie Sch walben scheiße?“ (ebda, S. 13)
Diese Szene stam mt a us d em nie de rländisc hen Kind er bu ch „Ich heiß e Kasp ar “ von
W illy van Doorsela er, in dem „ Alphabetism us“
e ine Krankheit in e ine r von audiovisue lle n
M edie n beh er rscht en We lt ist, in der allenf alls noch d ie Fer nseh ze it ung gelesen wird.
Kaspar ist e in w ürdiger Br ud er von R oa ld
D ahls „M atilda“, die sic h eb enfa lls das Le se n
g egenü ber den medie nfix ie rt en Eltern
erkämpft:
Im Alter von drei Jahren hatte sich Matilda das
Lesen beigebracht. (...) Im Alter von vier Jahren
konnte sie rasch und fließend lesen und fing an,
sich sehnsüchtig nach Büchern umzuschauen.
Das einz ige Buch in diesem erleucht eten
Haushalt war etwas namens „Kochen ist leicht“
und gehörte ihrer Mutter. Nachdem Matilda es
v on vorn n ach hinte n d urchgelesen h atte,
beschloss sie, sich nach etwas Interessanterem
umzusehen.
„Vati“, sagte sie, „meinst du, dass du mir ein
Buch kaufen könntest?“ „Ein Buch?“, fragte er.
„Wozu brauchst du denn ein verdammtes Buch?“
„Zum Lesen, Vati.“
„Und was hast du gegen das Fernsehen, um
Himmels willen? Wir haben einen fabelhaften
Fer nsehapparat mit einem Riesenbildschirm, und
jetzt kommst du und willst ein Buch haben? Du
bist ... verwöhnt, mein Mädchen!“
(Dahl 1997, S. 11)
M a tilda versor gt sich vo n n un an m it
Büchern aus der Bibliothek. Doch imm er
wied er ko mm t es we gen de s Le se ns zu
Kon flikten m it ih re m Vater, in den en sie sich
schließ lich m it Br avo ur durchsetzt.
B esonde rs Kaspar m it se iner be so rgten
Mutter, a ber au ch Mat ilda mit ihrem
S elb stb ewu sstse in und Durchsetzungsvermö ge n gegenüber ihr er leseunwillige n F am ilie
st ellen zum Te il Gegenwelte n zur Kindheit
m anc her fu nktio nale r An alp hab et en d ar,
lasse n aber au ch Ähnlic hkeite n erkennen, die
unte r ungünst igeren Bed ingungen bei ihnen
zu e inem fu nktion ale n Analphabet ism us
geführt hätte n.
Die Ze ite n, in de nen sic h Elte rn – wie die
von Kaspar u nd Ma tilda – übe r ihre lesew ütigen Kinder Sorgen m achen, sind inz wisc hen
vorüber. Im me r me hr Kin de r – aber a uch
Jug e nd lic h e – si nd Lesem uff e l. Im me r
m eh r Kin de r haben so gar P roble me b eim
Lesen- und Schr eibenlern en . Die Kla gen
d er Le hre ri nnen und Leh rer so wi e de r
Eltern sind u nüb er hörbar. Di e F ol ge:
Im me r me hr Jug en d lic he ver l assen die
S chu le o hn e au sre ic hen de Lese- un d
Schre ibke n nt nis se, w as d ie P IS A-St ud ie
schmerz haft b est ät igt . Vermehrt beschwert
sich die Wirtschaft, dass diese Jugendlichen
nicht ausbildungsreif sind und deshalb keine
Le hrste lle e rhalt en könn en. Inz wisc hen
spr icht man vo n vier M illion en (fu nktionalen) Analphabeten in Deutschland (vgl.
Döbert/Hubertus, S. 25-40).
Die Ur sache n d afür sind vielfältig. Eine
wicht ige Ursa che ist das Fehlen von Vorbildern. Vie le Kinder sehen ihre Elt er n kaum
noch schreiben oder lesen. In vielen Familien
wird – äh nlich wie in denen von Kaspa r und
M at ilda – allenfalls noch die Fer nsehzeitung
gelesen. Deshalb wissen auch im me r weniger
Kinder, w ar um und wozu sie eige nt lich lesen
und schreiben lern en sollen . Das m uss ihnen
erst mü hsa m in der Schule beigeb ra cht we rden . D enn nur, we nn m an das War um und
Wozu weiß, lernt man gern. Das gilt besonders für das Lesen und Schreiben.
Ein Beispiel dafür ist Mäusefriederike in
Willi Fährmanns Kinderbuch „Der überaus
starke Willibald“:
Ihre Freundin Lillimaus hat sich das Lesen,
als sie in de r Biblio thek ein gespe rrt war,
selbst beigebracht. Stolz teilt sie dies Mäusefriederike mit, als diese sie besucht: „Ich will
dir ein gr oßes Geheimnis anvertrauen. Denk
dir, ich kann lesen.“ Doch Mäusefriederike
kann mit diesem Geheimnis nichts anfangen.
„Was ist das, lesen?“, fragt sie ratlos. „Ist das
etwas, was du fressen ka nnst?“ „ Nein , nein“,
antwortete Lillimaus u nd lac hte. „Le se n, das
ist wie fliege n, fliegen aus unserer Küchentür
hinaus hoch über die Bäume im Gar ten hin
und weiter, immer weiter in fremde Länder
und ferne Welten“ (Fährmann, S. 35 f.).
Doch Mäusefriederike kann damit nichts
anfangen. Deshalb versucht Lillimaus, ihrer
Freundin mit immer neuen Bilder n zu erklären, was das ist, lesen. Bis Mäusefriederike
endlich begreift – und dann will sie es auch
können: „Lesen müßte man können, seufzte
M ä usefr ied er ike. Ihr B lick schweifte sehnsüchtig über die tausend Bücher, die sich da
Rücken an Rücken drängten ...“
(Fährmann, S. 40).
„Und wie sollen wir unsere Kinder zum
Lesen und Schreiben bringen?“, fragen viele
Eltern, Lehrerinnen und Lehrer verzweifelt.
Ein Weg, der hier vorgeschlagen werden
soll, ist es, mit schriftsprachfernen Kindern
und Jugendlichen Bücher zu lesen, die das
Lesen und Schreiben thematisieren. Bücher,
die deut lich m ac hen , w as Le sen - un d
Schreibenkönnen bedeutet und die dadurch
zum Lesen und Schreiben motivieren. Bücher,
die auf Schwierigkeiten hinweisen, die man
mit dem Lesen und Schreiben haben kann.
Bücher, die zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit ihren Lese- und Schreibproblemen
nicht allein stehen, die zeigen, dass es auch
andere Menschen gibt, die diese Probleme
haben. Das macht Mut, trotz Schwierigkeiten
weiterzulernen oder immer wieder neu mit
dem Ler nen zu beginnen. Das macht auch
Mut, über die eigenen Lese- und Schreibprobleme zu spr echen, mit den Eltern, den
Freunden, den Lehrern (vgl. Genuneit 2001).
Das Thema Lesen- und Schreibenlernen
wird in Büchern für Kinder aufgegriffen, seit
es diese gibt. So spielt in dem ersten englisc hen Kinderb uch „The Histo ry of Little
Goody Two-Shoes“ (1765) dieses Thema ber eits eine wichtige Rolle (vgl. Goetsch, S. 250
f.). Es wird auch in der deutschen Schwankund Märchenliteratur behandelt, z.B. bei Tyl
Ule nsp ie gel, der versucht , einem Esel da s
Lesen beizubringen (29. Histori, S. 48 ff.). In
anderen Schwänken macht man sich über
„Analphabetentölpel“ lustig (vgl. Moser -Rath,
Sp. 482-484), und auch in frühen deutschen
ABC-Büchern hat Lesen- und Schreibenlernen
als Thema einen wichtigen Platz. So heißt es
zum Beispiel in dem gerade neu aufgelegten
und von Erlbruch neu illustrierten „Neuen
ABC -B uch “ vo n Karl P h ilipp M oritz
(1790/1794):
Das Buch macht junge Kinder klug.
Ich will in diesem kleinen Buche fleißig
lesen lernen, damit ich noch mehr Bücher
lesen kann, wodurch ich klüger werde.
Ich muß beim lesen nicht zu dichte auf
das Buch sehen, weil man sich die Augen
damit verdirbet.
Und zum Lesen sind gute Augen nöthig
(Moritz 1794, S. 7 f.; vgl. auch
Moritz/Erlbruch, o.p.).
An anderer Stelle zeigt das Buch einen an
einem Tisch sitzenden Mann, der in einem
Buch gelesen hat und jetzt über das Gelesene
nachdenkt: das Buch als Anlass zum Denken
und Nachdenken.
Hier klingen bereits einige Aspekte zum
Lesen und Schreiben an, die von nun an
imm er w ied er in de r Kinde rlit er atur auftauche n u nd die f ür Kinde r mit Lese- /
Schreibproblemen Anstoß zur Reflexion und
Veränderung ihr er Situation sein können –
selbst wenn sie etwas moralisierend klingen:
• Lesenlernen ist wichtig, denn Lesenkönnen und Lesen bedeutet gesellschaftlichen
Au fstieg: Nur we r fleißig lie st , ko m mt
voran.
Im Umkehrschluss folgt daraus, dass, wer
nicht lesen und schreiben kann, später als
Erwachsener Probleme hat, nicht vorankomm t und d em S pott der Alpha betisierten ausgeliefert ist. Ein Beispiel dafür
aus dem 18. Jahr hundert ist das „Schuldiktat Nr. 5“ von Christian Friedrich Daniel
Schubart, das er zwischen 1766 und 1769
seinen Schülern diktierte und in dem er
einen armen Jungen schildert, der nicht
lesen und schreiben kann
(Schubart, S. 240 f.):
Der Reiche kommt durch sein Geld fort, aber
durch was sollen die Armen fortkommen? Ist
es nicht ein Jammer, wenn man einen armen
Knaben sieht, der weder lesen noch schreiben
kann und dem der Hunger und die Dummheit
zugleich aus den Augen heraussieht? Verachtet
von jedermann, verschmäht und ver worfen
muß er sein Brot vor der Tür suchen, und wenn
ihn Krankheit und Alter drückt, noch froh sein,
wenn er als ein Scheusal mit Bettelfuhren im
Lande herumgefahren wird und wie ein armer
Sünder sein Leben auf einem Karren endigen
kann. O meine lieben Kinder, Gott bewahre
euch vor Armut, aber noch weit mehr vor
Dummheit.
Das „Schuldiktat“ von Schubart zeigt aber
auch, dass Lesen- und Schreibenlernen schei-
ter n bzw. mit Schwierigkeiten verbunden sein
kann. Die Gründe für das Scheitern sowie die
Schwierigkeiten und ihr e Überwindung sind
ebenfalls von Anfang an ein wichtiges Thema
der Kinderliteratur.
• Le sen- u nd Sc hreibenlerne n fü hrt zu
Humanisierung und Zivilisierung. (vgl. u.a.
Goetsch, S. 253 ff.; Genuneit 1998). Nicht
umsonst vermittelt Karl Phillipp Moritz
dem lesen und schreiben lernenden Kind,
dass das Buch nicht nur klug macht, sondern auch das Denken und Nachdenken
fördert. Das Denken ist es aber, was den
Menschen vom Tier unterscheidet. So stellt
auch Joachim Heinrich Campe in seinem
„Abeze- und Lesebuch“ (1806) in einem
Gespräch zwischen Großvater und seinem
Enkel Karl her au s, da ss Sc hreiben un d
Lesen dazu dienen, Gedanken zu vermit te ln, und ne nnt ihm d am it Grü nde,
warum es sich lohnt, lesen und schreiben
zu lernen:
Großvater: (…) Durch das Schreiben können
wir alles, was wir denken, vermittelst gewisser
Zeichen sichtbar machen, und es auf Papier
heften, dass es gar nicht w ieder verschw inden
kann; durch das Lesen lern en wir jene Z eichen
verstehen, und w erden dadurch in den Stand
gesetzt, die Gedanken Anderer gleichsam vor
Augen zu sehen. ... Hatte ich nicht Recht, lieber
Karl, dieses Mittel ein herrliches zu nennen?
Karl: Ja! Lehre es mir, lieber Großvater, wenn’s
nicht zu schwer ist (Campe, S. 40f.).
• Lesen- und Schr eibenlerne n fü hrt zur
Disziplinierung – und zwar sowohl zur
Körper- als auch zur Sozialdisziplinierung
(vgl. u.a. Genuneit 1998, S. 29). So führt
Karl Phillipp Moritz in seinem ABC-Buch
zur Körperhaltung des lesenden Knaben
aus: Er „hält den rechten Zeigefinger auf
das Buch, damit er in der rechten Zeile
bleibe“ und er sieht „nicht zu dichte“ auf
das Buch „weil man sich die Augen damit
verd irbe t“ (M or itz 179 4, S. 7 f .). Die
Vorschriften, die sich Pädagogen für die
Körperhaltung beim Schreiben ausgedacht
haben, sind a llerdings noch wesentlich
umfangreicher und rigider (vgl. Rude, S.
499 f., zit . bei Karweic k, S. 8 8). Zum
Sozialverhalte n des le se n le rnenden
Knaben weist Karl Phillipp Moritz darauf
hin, dass der Knabe „sehr aufmerksam“ ist
und „nicht umher gaft“ und dass er mit
Fleiß lesen will (Moritz 1794, S. 7 f.).
Diese Humanisierungs-, Zivilisier ungs- und
Disziplinier ungsfunktionen des Lesen- und
Schr eibenlernens gelten bis heute, auch wenn
Philosophen sie für gescheitert halten wie
Peter Sloterdijk in seinem umstrittenen Essay
„Regeln für den Menschenpark“. Sie sind ein
wichtiges Argument, um Kritikern des Lesenun d S ch reibenler nens b re iter M assen, die
darin die Gefahr der Aufsässigkeit sehen, den
Wind au s de n S eg eln zu neh me n (v gl.
Goetsch, S. 242).
Diese historische Diskussion wird auch in
de r h eu tigen Kinde rlit erat ur au fge grif fen,
zeigt sie doch,
• dass das Lesen- und Schreibenlernen lange
Zeit keine Selbstverständlichkeit für alle
Kinder in Europa war,
• dass das Recht auf Lesen- und Schreibenler nen für alle nur mit Mühe durchzusetzen war,
• dass mit diesem Recht nicht nur Ängste,
sondern auch politische und wirtschaftliche Ziele verbunden waren und
• dass Lesen- und Schreibenkönnen Macht
bedeuten kann.
Ein Beispiel für diese Diskussion in der
Kinderliteratur ist Susanne Ellensohns Buch
„Der lange Hans oder Die heimliche Flucht“.
Die österreichische Autorin schilder t hier, wie
schwer es im 19. Jahrhundert war, die allgem eine S ch ulp flicht – beson de rs auf de m
Lande – für alle verbindlich durchzusetzen.
Dabe i sp ielt en nicht nur w irtschaftliche
Gründe eine Rolle – die Kinder (auch der Held
des B uche s Ha ns) w erd en als b illige
Arbeitskräfte gebraucht –, sondern auch politische, wie die Auseinandersetzung zwischen
Pfar rer und Bürgerm eist er zeigt, a ls eine
amtliche Mitteilung über die Einführung der
Schulpflicht im Dorf eintrifft.
Der Bür germeister steckte den Brief wieder in
die Jackentasche zurück.
„Ich bin empört, Herr Pfarrer. Empört darüber,
dass unser Kaiser persönlich dieses Gesetz gut geheißen hat.“
„Nun, es ist ja nicht so schlimm, wenn alle
Kin der lesen und sch reiben lern en, Herr
Bürgermeister. Dann können sie den
Katechismus lesen und all die wunderbaren
Heiligengeschichten. Das schaf ft eine gewisse
religiöse Bildung im Volk. Und dies hat das
Volk dringend nötig, ganz besonders in der
h eutigen Z eit , deren Sitten losigkeit zu m
Himmel schreit. Meinen Sie nicht auch?“
Abe r der
Meinung:
Bü rger m eister
ist
a nde rer
„Ganz w as anderes w erden sie lesen“,
br um mt e er schlecht gelaunt, „ganz w as
ander es!“ Er blieb abrupt vor dem Pfarrer ste hen. „Sie wissen doch, daß sich in Wien der
Pöbel zusammenrottet? (...) Es sind die Sozial demok raten, die Proletarier! Sie geben seit
neuestem sogar eine eigene Zeitung heraus, die
‚Volksstimme’. Die werden sie lesen! Und was
wird das Ergebnis sein? Unruhe, Aufstand und
Rev olu tion gegen die von Gott gegeben e
Monarchie, gegen unser en Kaiser! (...)
Je gebild eter die Untersch icht ist, desto
gefährlicher ist sie auch. Ich verstehe nicht,
daß u nser Kaiser das nicht erken nt!“
(Ellensohn, S. 21-23).
Doch diese Kr itiker setzten sich nicht
durch, machtpolitische und wirtschaftliche
Gründ e f ür e ine b re it e Alpha betisierung
waren stärker als ihre Ängste: Denn ohne
Lese- und Schreibkenntnisse größerer Teile
der Bevölkerung war en weder eine funktionier ende Bürokratie als Instr ument der Kontr olle und der Herrschaftssicherung noch die
Entwicklung einer funktionierenden, wach senden (kapitalistischen) Wirtschaft möglich
(vgl. u.a. Genuneit 1998). Das ist meines
Erachtens auch ein Hauptgr und dafür, dass
Le sen- und S ch reibenlernen se it dem 18.
Jahr hundert b is heut e als The ma in der
Kinder- und Jugendliteratur auftritt.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass
Kinder über Bücher und auch andere Medien
bereits im Vorschulalter oder in den ersten
Schuljahren für das Lesen- und Schreibenlernen und das Lesen und Schreiben selbst
motiviert werden sollen.
Dazu ein kleiner Überblick vom 19. bis ins
21. Jahrhunder t.
Viele Bilder- und Kinderbücher versuchen,
durch einen Vorgriff auf die Schulsituation,
Kin de r neu gierig auf d as Lesen - und
Schreibenler nen zu machen. Ein typisches
Beispiel hierfür ist das Buch „Wie der Tiger
lesen lernt“ von Janosch.
Hie r funkt ion iert d as Lesenlerne n de s
kleinen Tigers offenbar problemlos, obwohl
die Wörter, die der Lehrer Fuchs ihm in der
Waldschule zum Erlesen präsentiert, aus lesedida ktische r Sicht nicht u npr oblematisch
sind.
Losgelöst von der Schulsituation versuchen
die reich und sehr schön illustrierten Bücher
„Bertram und Kasimir. Vom Abenteuer Lesen“
( Jon as) u nd „Ein
Bu ch
für B runo“
(Heidelbach), Lust auf Lesen und Bücher zu
wecken. In „Bertram und Kasimir“ macht die
kleine M aus B er tram e ine n ve rbo te nen
Ausflug in die Bibliothek und stößt dabei ein
Buch aus dem Regal. Das Buch beschwert sich
bei ihr darüber. Doch Bertram kann mit dem
Buch nichts anfangen, weil er nicht weiß,
„wozu dieses sonderbar e Ding gut sein sollte“.
De shalb „w ollte er seine kleinen, sp itze n
Zähne in den Buchdeckel schlagen“, um es zu
fressen. Das Buch hindert ihn daran, indem es
ihm eine Gesch icht e er zählt , ein e ganz
andere, als er bisher von den Mäuseeltern
gehört hatte. „So“, endete das Buch seine
Erzählung „Ich habe die Geschichte meiner
Seiten erzählt. Hättest du mich gefressen,
hättest du sie niemals gehört, hättest nichts
Ne ue s er fahren und nicht s da z uge lernt.“
Bertram ist „überwältigt“, kennt er doch jetzt
zwei wichtige Funktionen eines Buches: etwas
Neues erfahren und etwas dazulernen. Zur
Beunruhigung seiner Eltern verändert ihn
die se H orizon terweiterung: „S ein Zuhause
erschie n ih m plö tzlich zu klein, u nd er
beschloss wegzugehen. Schnell lief er los und
befand sich bald an einem Ort, wo er noch
nie zuvor gewesen war.“ Bertram will seine
Verwandten auf dem Speicher besuchen, wird
aber kurz vor deren Mäuseloch von dem Kater
Kasimir erwischt, der ihn fr essen will. „Als
Bertram sah, wie sich die Pfote auf ihn herabsenkte, nahm er all seinen Mut zusammen.
Laut u nd e ntschlo ssen sa gte e r: ‚Warte,
Kasimir! Ich w er de dir eine Geschic ht e
erzählen!’“ Und Bertram erzählt Kasimir die
Geschichte vom grünen Drachen, die er von
dem Buch aus der Bibliothek gehört hatte.
Während der Erzählung, die er mit immer
neuen Episoden ausschmückt, spürt er, dass
der Kater immer friedlicher wird. Die ander en
Mäuse kommen hinzu und erblicken etwas,
was sie – so weit sie zurückdenken können –
n oc h nie gesehen ha ben: „Ein winz iges
Mäuschen mit gekrümmten Schnurrhaaren
erzählte einem riesigen Kater von grünen
Dra ch en, währ end d er m it geschlo sse nen
Au gen leise schnu rr te.“ Ber tram u nd die
anderen M äu se le rnen hie r ein e weiter e
Funktion von Büchern kennen: Bücher zähme n, Büch er disziplinieren
– selb st
gefä hrliche Ka te r. Die Mä use ziehe n ihr e
Schlüsse daraus: „Sie sind alle umgezogen, in
die Bibliothek, und verschlingen dort den
ganzen Tag lang ... Bücher“ (Jonas, o.p.).
In der Tat ein Buch, das neugierig auf
Büche r ma cht u nd zum Lesenlernen motiviert,
wenngleich es hier eigentlich nicht vordringlich um das Lesen, sondern um das Erzählen
von Geschichten geht. Aber auch das ist eine
wichtige Vorbereitung auf das Lese n, was
viele Eltern und Großeltern allerdings in zwischen vergessen haben, sonst würden sie
ihre n Kind ern viel me hr Geschic ht en
erzählen.
Auch Nikolaus Heidelbach versucht, mit
„Ein Buch für Bruno“ Lust auf Bücher zu
wecken, und es gelingt ihm dabei, ebenfalls
eine wichtige Funktion von Büchern deutlich
zu machen: Sie regen die Fantasie an und
erlauben das Eindringen in neue unentdeckte
Welten. Ulla, eine ausgesprochene Leseratte,
wird t äglich von B ru no besu cht, der ihr
immer etwas Neues zeigt, einen Aufkleber, ein
T-Shir t, ein Rollbrett ..., um sich von ihr
bewunder n und bestätigen zu lassen. Dann
haut er wieder ab. Ulla wollte aber, dass er
länger bliebe, und zeigte ihm deshalb ihre
eigenen Bücher: „Aber Br uno hatte nur ein
wenig geblätter t und sie dann liegen lassen.
‚Ph, Kinderbücher’, hatte er gesagt und schon
war er draußen gewesen.“
Ulla probierte es erneut, diesmal mit den
„ gefä hrliche n“ Büche rn, de nn d ie haben
Abbildungen, vor denen sie sich fürchtete.
„ Aber Br uno hatte sich nic ht gefürchtet.
‚Langweilig’, hatte er gesagt, und wieder war
er draußen gewesen.“
Jetzt versucht Ulla es mit einem Trick: Sie
täuscht mit einem Pflaster einen Schlangenbiss vor und behauptet, die Schlange komme
aus einem Buch: „‘Da oben, das blaue. Ich
glaube, es ist ein Zauberbuch. Alles drin kann
lebendig wer den, nicht nur die Schlangen.
Man muss sehr vorsichtig lesen (...).’ ‚Glaub
ich nicht’, sagt Bruno. ‚Zeig!’“ Ulla holt das
Buch und beginnt daraus vorzulesen. Von
nun an gibt es keinen Text mehr, sonder n nur
noch Bilder, die deutlich machen, dass Ulla
und Bruno in eine Fantasiewelt eintauchen
(Heidelbach, o.p.). Ein origineller Einfall, dem
sich kaum ein Kind, wenn seine Fantasie
dur ch die neue Medienwelt noch nicht völlig
a bget öt e t ist, entz iehen k ann . Auc h Er wachsene werden sich diesem Einfall kaum
entziehen können, schon wegen der vortr efflichen Illustrationen nicht.
Nicht unproblematisch ist die Geschichte
„W ie d er Fr anz lesen lernt e“, m it d er
Christine Nöstlinger in ihrem Buch „Neues
vom Franz“ Neugier auf das Lesen macht
(Nöstlinger, S. 5-34). Um seiner Freundin zu
imponieren und ihr zu zeigen, dass er lesen
kann, lern t Franz B ilder bü cher auswen dig
und seine Fr eundin glaubt ihm. Von nun an
muss er Gabi immer wieder etwas vorlesen.
„Der Franz tut das gern. Sehr schwer ist das ja
auch nicht, wenn niemand daneben steht,
der wirklich lesen kann.“ Auch das Lesebuch
für die erste Klasse liest er Gabi vor. Aber er ist
„sich nicht ganz sicher, o b die Gesc hichte n, die
er zu den Buchstabenzeilen erfunden hat,
auch wirklich die Geschichten sind, die im
Lesebuch stehen“. Deshalb hat er ein bisschen Angst vor dem Schulanfang (Nöstlinger,
S. 34).
Sicherlich eine liebensw erte Geschichte,
aber es fragt sich, ob die Fantasie, die durch
u nverstand ene B uc hstaben zeile n he rvorge rufen wird, wirklich für das Lesen hilfreich ist
o der ob n icht die „ falschen B ilder “ da s
Verstehen der richtigen Inhalte zumindest
behinder n.
Eine ähnliche Situation findet sich auch in
Frauke Nahrgangs Kinderbuch „Katja und die
Buchstaben“.
Katjas Leseler nprozess wird ger ad e dadurch
empfindlich gestört, dass sie sich a uf Gr und d er
Bilder in de r Fibel fant astische Ge schichten ausdenkt und diese ihrer M utte r vo rlie st. Da ihre
Mu tter sie nicht korrigiert – sie kann es nicht,
weil sie Analph abetin ist, was Katja nich t weiß
– d en kt Katja, sie könne lese n u nd bekomm t
deshalb in der Sch ule Pr obleme . Währ en d sich
die M utter d ie aufr egenden Abe nt euer von Uli
anhörte und dazu zustim me nd nickte , nickte
Fr au Brau n, die Le hrerin , nicht:
Sie wollte von diesem Abenteuer nichts wissen.
„Du sollst nicht raten, Katja, du sollst lesen!“
„Aber meine Mama“, wollte sich Katja vertei digen. Doch Frau Braun winkte ab. „Schieb es
nicht auf deine Mutter. Du hast einfach nicht
genug geübt!“ Dann kam Jürgen an die Reihe,
und er las:
Uli sei leise
So nun los
Nadine las dasselbe. Alle Kinder lasen:
Uli sei leise
So nun los
Und Frau Braun war einverstanden.
Solche selt sam en Dinge passierten immer
wieder. Katja las der Mutter von Uli, dem
Schatzsucher, vor. Aber in der Schule wollte
Frau Braun hören:
Uli und Waldi
wollen in den Wald
wau wau.
Und von der aufregenden Geschichte von Uli
un d dem Geisterbahn m onster blieb n ichts
übrig als:
Uli und Susi sausen
Hei das ist fein
Tut tut
Katja w ar sehr verwirrt. Z u Hau se kon nte sie
die spannendsten Geschichten aus der Fibel
v orlesen. Aber in der Schule standen dort nur
noch erbärmlich langw eilige Geschichten, und
Katja konnte gar nichts mehr davon lesen.
(Nahr gang 1991, S. 19 f.)
„Katja u nd die B uchstaben“ ist nicht nu r
eine gelungene Fibe lkr itik (vgl. G enuneit 1 995,
S. 180), so nd ern a uch e ine vehem ente Krit ik
an einer Schule , die m it fan tasiebe gab ten
Kindern wie Katja nichts anfangen kann.
So erläutert die Autorin Frauke Nahrgang
in einem Interview zu ihrem Buch:
„ Die Le hrer in in der Geschichte sc had et
Kat ja ga r nicht so sehr mit der Qu alität de r
F ibeltext e ... Auch das Lernen im Gleichschritt
hätte Katja vielleicht verkra fte t. Was sie abe r
wirklich erst ar ren lä ßt, ist d ie I nteresselosigkeit der Lehrerin . Ich w ünsc he nicht nur
Kindern m it Sc hu lpr oblemen Lehrer, d ie
n eu gierig auf Kinder sind und je des einzelne
sp anne nd finden“
(Hubertus/Nahrgang/Schöber, S. 16 f.).
„Katja und die Buchstaben“ ist m.E. auch
deshalb inter essant, weil hier eine analphabetische Mutter und deren Beziehung zu ihrer
Tochter mit aller emotionalen Dramatik, aber
auch voller Feingefühl dargestellt wird. „Katja
und die Buchstaben“ ist in diesem Punkt vergleichbar mit den Jugendbüchern von Jochen
Ziem „Bo ris, Kr euzberg, 12 Jahr e“ , Ka ren
Hesse „Nennt mich einfach Jule“ und Carolin
Philipps „Wer lacht, hat keine Ahnung“, in
denen ebenfalls die Beziehungen zwischen
Kindern bzw. Jugendlichen und ihren analphabetischen Elternteilen dargestellt werden.
Das ist eine Thematik, die in der Schule bei
betroffenen Kindern häufig aus Scham und
aus Angst, von anderen wegen ihrer Eltern
ausgelacht zu werden, tabuisiert ist. Das ist
aber auch für Lehr erinnen und Lehrer ein
sehr wichtiges Thema, um sie im Umgang mit
analphabetischen Eltern zu sensibilisieren.
Die heile Lesewelt hat Risse. Das zumindest machen diese Bücher deutlich. Und es
scheint so, dass die Bücher, die sich mit
die se n Rissen b esc häftigen, seit kur zem
immer mehr zunehmen.
Ein Beispiel dafür ist das Kinderbu ch „B enni
und d ie Wör ter. Eine Geschicht e z um
Lesenler nen“ von B ie ssels und Er lbruc h. Benni
gehört wie Katja zu de n fa ntasieb ega bte n
Kindern, die deshalb Problem e in d er Sch ule
be im Lesen- und Schr eibenlerne n b ekomm en ,
weil die Lehrer innen und Lehrer sie nich t ver stehe n. Zuerst lä uft a lle s p roblemlo s, abe r als
Benni das Wor t „S chaf“ lesen so ll, geht es
nicht, weil d as geschriebene Wort „eigentlich
nicht zu dem lieben Gesicht und weißen
Locken eines Schafes passte. (...) ‚Da gehören
Locken dran’, sagte Benni. Seine Lehrerin erklärte, wieso das nich t nötig sei. ‚Es sind doc h
nur Buchstaben, Benni’, sagte sie (...). Alle
sind sich darüber einig, dass Schaf so aussieht,
wenn man es schreibt“
(Biessels/Erlbruch, S. 5 f.).
Aber Benni kann sich mit dieser Erklärung
nicht zufrieden geben, denn er hat noch
nicht verstanden, dass Lesen und Schreiben
auf einer Abstraktionsebene stattfinden, der en äußere Form nichts mit der Realität zu tun
hat. Von nun an verbindet Benni jede Person
mit einem Tier: Der Arzt sieht aus wie ein
Schaf, Onkel Willi wie ein Hund, und er malt
ihre Gesichter neben die Wor te. Die Lehrerin
r eagiert eher hilflos. „‚Benni ist zwar sehr
eifrig, was das Lesen und Schreiben betrifft’,
sagte Bennis Lehrerin (zu seiner M utt er), ‚a ber
irge nd wie will e s bei ihm nic ht so ge hen wie
be i den andere n Kind ern’“ (Biessels/Erlbruch,
S. 24). Und damit trifft Carli Biessels den
Nagel auf den Kopf: Unsere Schulen können
mit abweichenden individuellen Lernpr ozessen nicht angemessen umgehen. Wenigstens
schick t die Lehr er in Ben ni z u H er rn
Rosenbaum, der so eine Art Schulpsychologe
zu sein scheint und Verständnis für Benni
hat. Bei ihm darf Benni die Wor te schreiben,
die er will und auch die Zeichnungen dazu
anfertigen, die er will. Heimlich steckt Benni
seine Ergebnisse in einen Umsc hla g, de r ohn e
se in Wissen an den S ch ulm inister geht. Der ist
begeistert u nd will dara us ein „n eu es
Leseprojekt für die Gru ndschule“ machen
(Biessels/Erlbru ch, S . 30). Das kann zwa r
vorder gründig Benni (und den Leserinnen
und Lesern) Mut machen, ob es ihnen aber
hilft, die näc hste S tu f e im P ro ze ss des
Schriftspracherwe rb s zu e rr eiche n, bleib t
offen, denn das Buch endet etwas abrupt.
Es f ällt auf, dass die meiste n ne ueren
Kinderbücher sich nur mit dem Lesenlernen
und seine n Pr oble me n be sc häft igen . D as
Schreibenlerne n u nd da s S chreib en selbst
wird viel weniger thematisiert. Hier folgen die
Kinderbücher einem bildungspolitischen, ja
sogar allgemeinen politischen Trend, nach
dem offenbar das Lesen als gesellschaftlich
relevanter angesehen wird als das Schreiben.
Wie ist es sonst zu erklären, dass sowohl
die OECD -St ud ie „Literacy, Econo my and
Societ y“ (1995) als au ch die PISA-Stu die (2001)
led iglich die Le se fähigke it vo n Kin dern,
Juge ndlichen und Erwachse nen ab geteste t
hat, aber nicht deren Schreibfähigkeit? Ob das
dam it zusamm en hängt, da ss ein e Unt ersuchung zur Schreibfähigkeit noch wesentlich katastrophaler ausfallen wird als die bisherigen zur Lesefähigkeit? Oder spielen da
ganz andere Gründe eine Rolle: Lesen ist eine
rezeptive Tätigkeit – man liest, was andere
geschrieben haben. Schreiben hingegen ist
eine produktive Tätigkeit, die m.E. ein viel
größeres Entf a ltungs- un d Veränderungspotenz ial enthält als d as Lese n. Veränderungspote nziale sind abe r selten erwünscht.
Wie dem auch sei, ich möchte diesem
Trend m it z wei Bü chern ge gensteue rn , die
au ch au f die Wichtigkeit des Schreibenlernens
und -könnens eingehen. In Dietlof Reiches
Kinde rb uch „F reddy. Ein wildes H amste rleben“ bringt sich der Hamster Freddy selbst
das Lesen bei. Um aber an ausreichend Lesestoff heranzukommen, muss er sich mit den
Menschen, deren Sprache er zwar beherrscht,
aber nicht sprechen kann, schriftlich auseinander setzen. Unter großen Mühen lernt er
Schreiben, was ihm allerdings erst gelingt, als
ihm dafür ein Computer zur Verfügung steht.
Er er kennt nicht nur, d ass S chre ibe n ein
wic htige s Komm unikatio nsmittel ist, u m
seine Ziele zu err eichen, sondern auch Spaß
macht und sich zur literarischen Produktion
eignet. So be ginnt er, sein e igenes Lesen
aufzuschreiben. Ein Buch, das schreibunlustigen Kin dern und Erw a chsene n d eu t lich
macht, dass Schriftsprache immer aus zwei
Komponenten besteht: dem Lesen und dem
Schr eib en, u nd das gleichz eitig wic htige
F unkt ion en de s Sc hre ib ens auf zeigt (vgl.
Genuneit 2002).
Martin Baltscheit hingegen macht auf den
in dividu ellen kom mu nika tiv en S inn des
Schr eibens, zum Beispiel beim Liebesbrief,
aufmerksam in seinem liebenswer ten Bilderu nd Kind er buch „Die Gesc hich te vom
Löwen, der nicht schr eiben konnte“.
Der Löwe konnte nicht schreiben. Aber das
störte den Löwen nicht, denn der Löwe konnte
brüllen und Zähne zeigen und mehr brauchte
der Löwe nicht. Doch eines Tages verliebte er
sich in eine lesende Löwin, die er sogleich
küssen wollte. Doch dann fiel ihm ein: „Eine
Löwin, die liest, ist eine Dame. Und einer
Dame schreibt man Briefe. Bevor man sie
küsst. Das hatte er von einem Missionar ge lernt, den er gefressen hatte.
Da der Löwe nicht schreiben konnte, ging er zu
dem Affen und beauftragte ihn, statt seiner
einen Brief an die Löwin zu schreiben. Und der
Af fe schrieb:
„Liebste Freundin, wollen Sie mit mir auf die
Bäume klettern? Ich hab auch Bananen. Total
lecker! Gruß Löwe.“ Doch der Löwe w ar nicht
damit zufrieden. „ Aber neiiiiiin!“, brüllte der
Löw e, „so et w as hätt e ich doch nie
geschrieben!“ Auch das N ilpferd, der
Mistkäfer, die Giraffe, das Krokodil und der
Geier, die er nacheinander mit dem Schreiben
eines Briefes an die L öw in beauftragt,
schreiben d iesen im mer n ur aus ihrer
Perspektive. Dem Löwen reichte es.
„N ein !“ , brüllte der Löw e. „N eiiiiiiin! N ein!
und nochmals N ein!“ „Ich würde schreiben,
wie sch ön sie ist. Ich würde ihr schreiben, wie
gerne ich sie sehen w ürde. Einfach zusammen
sein. Einfach faul unter einem Baum liegen.
Einfach in den Abendhimmel gucken! … Und
dann brüllte der Löwe los. Brüllte all die w un derbaren Dinge, die er schreiben w ürde, w enn er
könnte. Das hörte seine angebetete Löw in und
sie fragte ihn erstaunt: „Warum haben Sie
denn nicht selbst geschrieben ?“ Und
zerknirsch t muss der Löw e antw orten: „Ich
habe nicht geschrieben, weil ich n icht schreiben
kann.“ Da lächelte die Löw in , stupste den
Löw en mit der N ase und n ahm ih n mit.
Das letzte Bild zeigt die beiden unter einem
Baum liegend, vor einem aufgeschlagenen
leer en Buch, in das der Löwe mit Hilfe der
Löwin ein gr oßes A schreibt, A wie Anfang.
Ein liebenswertes Buch, dem sich weder
Kinder noch Erwachsene entziehen können.
Doch nicht nur Kinder- und Jugendbücher,
die trotz bestehender Schwierigkeiten Mut
zum Lesen- und Schreibenlernen machen,
sind wichtig, sondern auch solche, in denen
das Lesen- und S chr eibenlernen sc heite rt,
wenn sie gleichzeitig zeigen, dass die gescheiterten Kinder andere Fähigkeiten haben, mit
denen sie das Leben meistern.
Zu solchen Büchern gehören z.B. „Pippi
Langstrum pf “ vo n Ast rid Lindgren und
„Hilfe, die Herdmanns kommen“ von Barbara
Robinson. Pippi kann nur rudimentär lesen
und schreiben, ihr ist noch nicht einmal die
F un ktio n d er
Komm un ikat ion
dur ch
Schriftsprache bekannt, denn sonst würde sie
sich nicht selbst einen Brief schreiben. Sie will
aber nicht lernen und meister t trotzdem ihr
Leben.
Ähnlich geht es den Herdmann-Kindern,
über die Barbara Robinson schreibt.
„Die Hermann-Kinder war en die schlimmsten Kinder aller Zeiten. Sie logen und klauten, rauchten Zigarren (sogar die Mädchen)
und erzählten schmutzige Witze. Sie schlugen
kle ine Kinder, fluc hten auf ihre Le hrer,
mißbrauchten den Namen des Herrn und
setzten den alten verfallenen Geräteschuppen
von Fred Schumacher in Brand“ (Robinson, S.
5) – so charakterisiert die Autorin ihre kleinen
Helden gleich zu Beginn der Geschichte. Klar,
dass sie in der Schule Probleme mit dem
Lesen- und Schreibenlernen haben. Aber das
Merkwürdige ist, dass nie einer von ihnen
sitzen bleibt: „Am Ende der ersten Klasse
konnte Klaus Herdmann weder das Abc noch
die Zahlen, er kannte keine Farben und konnte ein Viereck nicht von einem Kreis unterscheiden, er hatte weder gelernt, ‚Hänschen
klein’ zu singen, noch mit anderen Kindern
auszukommen.
Aber Fräulein Brendel versetzte ihn trotzdem in die zweite Klasse:
De nn eine s wußte sie: Im näch sten Jahr
würde sie Olli Herdmann in der Klasse hab en.
Das war eben die S ache mit de n Her dm anns: Es
kam im me r einer nach. Und kein Lehrer wa r so
verrüc kt, sich mit zwe ien von ihnen auf e inm al ein zulassen“ (R obinson, S . 11 f.). Hier gibt
die Au to rin e inen wichtigen Hinw eis zur
Ursachenfo rschung für funkt io nalen Analphabet ismu s: Vielfac h werden Kinder a us Be qu em lic hkeit einfach durch die Schulzeit „d urchgezogen“, um Schwier igkeite n zu verm eid en, in
die nächste Klasse – m eist aus Altersgrü nd en –
versetzt o der a uf d ie Sonderschule „abgesc hoben“ (vgl. Döbert 1997).
Pip pi Langstrum pf und die He rdmanns
sind alles irgendwo liebenswerte Kinder, die
deutlich mache n, da ss es noch and er e
Qualitäten gibt, als lesen und schreiben zu
können. Aber haben sie eine Chance, in einer
von Schriftsprache geprägten Welt zu überleben? Kaum. Von den Herdmanns können
wir nur ahnen, was aus ihnen wird. Pippi
kann nur überleben, glücklich und fröhlich
bleiben, weil sie die Krummuluspille schluckt
und so nie älter als neun Jahre wird. Insofern
ist sie die einzige glückliche Analphabetin der
Weltliteratur.
Hier stellt sich die Frage, ob die Lektüre
dieser Bücher Kindern mit Lese- und Schreibproblemen hilft. Bei der Überwindung dieser
Pr obleme direkt wohl nicht, aber sie können
ihnen Selbstbewusstsein vermitteln, das für
den weiteren Lernprozess hilfreich sein kann.
Und das ist doch auch schon etwas!
In die Kategorie der Bücher, die Selbstbew usstsein ver mit teln , um tro tz Lese - un d
Schr eibproblemen das Leben zu meistern, fällt
auch das Buch „Der Pastor von Nibbleswick“,
das Roald Dahl im Auftrag des Londoner
D yslex ie- Inst itu ts f ür lese- und schr eibschwache Kinder geschrieben hat und mit
d em d er Ü be rblic k b eend et we rd en so ll.
Hochwürden Lee hat als Kind unter Lese-/
Rechtschr eibschwäche gelitten, ist aber durch
die B em ühunge n des Lond oner DyslexieInstitut s weitgehend da von „geheilt“ worden.
Nur wenn er unter Stress steht, sucht sie ihn
noch heim, allerdings in einer merkwürdigen
For m: Er spricht dann die wichtigsten Wörter
rückwärts. So wird „dog“ zu „god“ – und
umgekehrt – und e ine Zeile au s d em
Vateru nse r lau tet „ Und ver gib u ns unsere
D luh cs, wie a uc h wir ve rgeb en unser en
Nregidluhcs“ (Dahl 2000, S. 18). Kein Wunder, dass die s in sein er neuen Kirchenge me ind e zu näc hst Verwirr ung st iftet. Die
er reicht dann ihren Höhepunkt, als er nach
einer Sonntagspredigt verkündet: „Die Straße
vor unserer kleinen Kirche ist ausgesprochen
schmal, und wie Sie wissen, ist kaum Platz
genug, um mit zwei Fahrzeugen aneinander
vorbeizukommen. Deshalb erscheint es mir
r ic htig, we nn ich die Mit glie de r unser er
Gemeinde bitte ...“ – und dann folgte wieder
e ine dieser Wortverkehrungen. Er w ollte
sagen: „... nicht vor dem Gottesdienst entlang
der Vorderseite unserer Kirche zu parken.“
Parken heißt aber im Englischen park, und
rückwär ts liest sich das Wort krap. Aber krap
bedeutet scheißen. Also verstanden die Leute,
sie sollten nicht vor dem Gottesdienst entlang
der Vorderseite ihr er Kirche scheißen. Und
weiter hörten sie den Pastor sagen: „Es ist
nicht nur ein unschöner Anblick, sondern
auch gefährlich. Wenn ihr alle auf einmal am
Straßenrand scheißt, könnt ihr leicht von
ein em v orb eifa hrend en Wagen überfahren
werden. Es gibt doch genügend Platz an der
Südseite der Kirche.“ (Dahl 1992, S. 19 f.)
Mit Hilfe des Dorfarztes gelingt es Pastor
Lee, mit seinem Problem fertig zu wer den: Er
geht bei der Predigt immer rückwärts, dann
kommen nämlich alle Wörter vorwärts raus,
und um sehen zu können, wohin er geht,
bringt er einen kleinen Rückspiegel mit einem
Ela stikb and an de r Stir n a n. „Schließ lich
wurde Hochwürden Robert Lee so gut im
Rückwär tsgehen, daß er gar nicht mehr vorwärts lief, und für den Rest seines Lebens galt
er als ein liebenswerter Exzentriker und eine
echte Stütze der Gemeinde.“
(Dahl 1992, S. 22)
Das Ermutigende an dieser Geschichte ist
nicht nur, dass Pastor Lee eine Lösung für sein
Pr oblem findet, sondern dass seine Gemeinde
ihn tro tz seiner Schwäche ak zeptie rt . Die
Realität sieht bei uns heutzutage noch anders
aus: Bei uns werden Menschen mit Lese/
Schreibpr oble men imme r no ch versp ot tet
und an den sozialen Rand gedrängt. Ihre
Existe nz w ird geleu gnet, tab uisiert ode r
herunter gespielt, sodass oft eine gezielte Hilfe
für sie nicht möglich ist.
An dieser Stelle soll der Streifzug durch die
Kinder- und Jugendliteratur abgebrochen werden, obwohl es noch viele interessante Titel
u nd Aspek te gibt, d ie vor ge st ellt werden
könnten.
Der Streifzug hat gezeigt, dass Lesen- und
Schr eibenlernen seit mehr als zweihundertfünfzig Jahren ein Thema der Kinderliteratur
ist. Dabei stehen Motivation zum Lesen- und
Schr eibenlernen sowie die Überwindung der
da be i auft ret en den Sc hwier igke iten im
Mittelpunkt.
Desha lb sind diese B ücher in der heutigen
Ze it für Kinder wichtig. S ie er fahre n, woz u man
Le se n und Schre iben bra uc ht und werd en so
motiviert, es zu lernen und anzu wenden.
Sie erfahren aber auch, dass Lesen- und
Schreibenlernen mit Schwierigkeiten verbund en se in kann. Wenn sie selb st so lc he
Schwierigkeiten haben, zeigen diese Bücher
ihnen, dass sie nicht die Einzigen sind, und
das macht Mut. Wenn sie keine Schwierigkeiten haben, erfahren sie, dass es Kinder gibt,
die solche Pr obleme haben und dass man
diese Kinder nicht auslacht, sondern ihnen
hilft und Rücksicht auf sie nimmt.
Baltscheit, Martin. 2002. Die Geschichte vom Löwen, der nicht sc hreiben ko nnte. Zür ich: Ba ja zzo.
Biessels, Carli / Erlbr uch, Wolf. 2000. Benni und die Wörter. Eine Geschichte zum
Lesenlernen. Weinheim: Beltz & Gelberg.
Campe, Joachim Heinrich. 1830. Abeze- und Lesebuch. Braunschweig (Sämtliche Kinder- und
Jugendschriften, Bd. 1, Faks. Nachdruck, Die bibliophilen Taschenbücher, Dortmund 1979).
Dahl, Roald. 1997. Matilda. Reinbek: r ororo r otfuchs.
Dahl, Roald. 1992. Der Pastor von Nibbleswick. Ravensburg: Otto Maier.
Doorselaer, Willy van. 1995. Ich heiße Kaspar. München: Carl Hanser.
Ellensohn, Susanne. 1999. Der lange Hans oder Die heimliche Flucht. Hamburg: Oetinger.
Fähr mann, Willi. 61997. Der überaus starke Willibald. Würzbur g: Ar ena.
Goldsmith, Oliver [?]. 1765: The Histor y of Little Goody Two-Shoes.
Heidelbach, Nikolaus. 21997. Ein Buch für Bruno. Weinheim: Beltz&Gelberg.
Hesse, Karen. 2000. Nennt mich einfach Jule. München: dtv.
Janosch. 1994. Wie der T iger lesen lernt. München: Mosaik.
Jonas, Anne. 1999. Bertram und Kasimir. Vom Abenteuer Lesen. Esslingen: Esslinger Verlag.
Lindgren, Astrid. 1987. Pippi Langstrumpf. Hamburg: Oetinger.
Moritz, Karl Philipp. 1794. Neues ABC-Buch. Berlin, Faks., München: Insel 1980.
Moritz, Karl Philipp / Erlbruch, Wolf. 2000. Neues ABC-Buch. München: Kunstmann.
Nahr gang, Frauke. 1991. Katja und die Buchstaben. Kevelaer: anrich.
Nöstlinger, Christine. 1985. Neues vom Franz. Hamburg: Oetinger.
Philipps, Car olin. 1997. Wer lacht hat keine Ahnung. Wien: Ueber euter.
Reiche, Dietlof: Fr eddy. 1998. Ein wildes Hamsterleben. Weinheim: anrich.
Robinson, Barbara. 1974. Hilfe, die Herdmanns kommen. Hamburg: Oetinger.
Schubart, Christian Friedrich Daniel. „Schuldiktat Nr. 5“. In: Schubarts Werke.
Berlin/Weimar 1988, S. 258f.
Tyl Ulenspiegel. In: Deutsche Volksbücher. Berlin/Weimar: Aufbau 1968, Bd. 2, S.5-155.
Ziem, Jochen.1992. Boris, Kreuzberg, 12 Jahre. Berlin/München: Erika Klöpp.
Döbert, Marion. 1997. „Schriftsprachunkundigkeit bei deutschsprachigen Erwachsenen.“
In: Eicher , Thomas: Zwischen Leseanimation und literarischer Sozialisation. Oberhausen:
Athena, S. 117-139.
Döbert, Marion / Huber tus, Peter. 2000. Ihr Kreuz ist die Schrift. Analphabetismus und
Alphabetisier ung in Deutschland. Stuttgart: Klett / Bundesverband Alphabetisierung e.V.
(Bezug: www.alphabetisier ung.de)
Genuneit, Jür gen. 1995. „Lesen- und Schreibenlernen in der schönen Literatur.“ In: Stark,
Werner u. a. (Hrsg.): Schulische und außerschulische Prävention von Analphabetismus.
Stuttgart: Klett, S. 171-191.
Genuneit, Jür gen. 1998. „Die Macht des Schreibens – die Ohnmacht der Analphabeten.“
In: Stark, Werner u. a. (Hrsg.): Wer schreibt, der bleibt! – Und wer nicht schreibt?
Stuttgart: Klett, S. 22-41.
Genuneit, Jür gen. 2001. „Lesen- und Schreibenlernen im Kinderbuch. Vorschläge zur Umsetzung eines Kinde r- u nd Menschenrecht es in Deutschland.“ In: Grundschu le Sprach en, 4, S. 22-25.
Genuneit, Jür gen. 2002. „Schreiben auf Leben und Tod oder ist Alphabetisierung nur
Lesenlernen?“ In: Alfa-Forum 51, S. 36f.
Goetsch, Paul. 1990. „Der Analphabet in der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts.“ In:
Müllenbrock, Heinz Joachim/Klein, Alfons (Hrsg.): Motive und Themen englischsprachiger
Literatur als Indikatoren literaturgeschichtlicher Prozesse. Tübingen, S. 241-265.
Hubertus, Peter/Nahrgang, Frauke/Schöber, Gerald. 1996. „Was sie aber wirklich erstarren
lässt, ist die Interessenlosigkeit der Lehrerin.“ In: Alfa-Rundbrief 33, S. 16f.
Moser-Rath, Elfriede. 1977. „Analphabetenschwänke.“ In: Enzyklopädie des Märchens Bd. 1.
Berlin 1977, Sp. 482-484.
Sloterdijk, Peter. 1999. Regeln für den Menschenpark. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Wie kan n im kom plex en Arbe itsfeld des
Lesens das einzelne Kind in seiner Lesekompetenz- und Lesestrategieentwicklung gezielt
gefördert werden?
Dieser Frage widm et sic h der folge nde
Beitrag –
• im ersten Teil durch eine kurze theoretische Bestimmung, was Lesen sei, welche
Strategien es zu erwerben gilt und warum
lit er ar isc he Tex te zu r Aneignu ng die ser
Strategien besonders geeignet sind,
• im z weit en Teil durch eine R eih e vo n
Prax isbeispiele n, in de nen w ese nt liche
Lesestrategien fokussiert sind und geübt
werden können.
Lesen ist ein komplizierter kognitiver Prozess,
b ei de m die gesamte n sp rac hlichen und
außersprachlichen Kenntnisse und Erfahrun gen des Lesers oder der Leserin einbezogen
werden müssen:
• Der Leser od er d ie Leserin m uss d ie
Strukt ur eine s Wortes, eine s Tex tes e rfassen.
• Der Le se r oder d ie Leser in m uss d ie im
Tex t vor hande nen Be griff e m it ihren od er
se ine r Vo rstellu ng ve rb inden b zw. d iese
aus de m Tex tz usam me nhang ersc hließe n
können.
• Es m üssen vie lfältige Verknüpfungsleistu ng en vo llz o gen w er de n , z.B. Verknüpfu ngen vo n Wö rtern, vo n Ab schnit te n, Be zu g v on Üb erschr ift und Text,
Verbind ung von Text anfang un d -e nde.
Werde n genü gend Ver kn üpfungs- u nd
Vo rst ellu ngsleist ungen er brac ht, so kan n die
Aussa ge des Te xt es, de r Sinn, gefu nde n we rd en. Eine so lc he anstr engend e geist ige
Tätigke it bedar f der M ot ivatio n, d.h ., die
Lese nde n we nde n sich dem Tex t z u, weil sie
S innge bu ng u nd Informa tion er wart en , we il
sie au f da s Erge bnis ih rer Le se be mühun gen
ge spannt sind .
Der Deutschunterricht in der Gr undschule
hat die Auf gabe, eine anhaltende Lesem otivation aufzubauen (vgl. Rahmenplan der BBS).
Dafür sind die folgenden Aspekte konstitutiv:
a) die Bedeutsamkeit der Inhalte (Wozu lese
ich diesen Text? Geht der Text mich etwas
an? Was habe ich von ihm?),
b) die Möglichkeit der Rückkoppelung von
Leseerfahrungen im Gespräch mit anderen
und in Lernzusammenhängen (Wie habe
ich den Text verstanden und was sagen die
anderen dazu? Da gibt es ja ganz viele
unterschiedliche Gedanken! Auf die wäre
ich allein nicht gekommen!) sowie
c) die Förderung der Erfolgszuversicht (Ich
erwarte Antworten auf meine Fragen. Ich
kriege das heraus!).
Lesen er eignet sich im mer a uf zwe i Ebene n:
Auf der inhaltlichen (z.B. Informationsentnahme) und auf der methodischen (z.B. Lesetechnik). Unverzichtbar für die didaktische
Konz eption sinnvolle r Au fgab en st ellu ngen
ist es daher, dass die Sinnentnahme immer
mit M aßna hme n zu r Fö rderung d e r
Lesestrategien verbunden wird. Wenn Kinder
in dem komplexen Arbeitsfeld Lesen hierzu
system atisch angeregt un d ange leitet wer den,
lernen sie, Wörter und Sätze in Teileinheiten
zu gliedern und d ie Be zieh un gen z wisch en
die sen Einhe iten z u e r kenne n, In fo r mationen in ein em Text au szu mache n u nd die se
zu b ewer ten, Be griffe u nd Sinnz usam me nhän ge zu klären, die Au fme rk sam keit a uf
we sent lich e G edan ken in e ine m Tex t z u
lenk en u sw. Sie lernen so, üb er genau jene
St rate gien des Text verst eh ens zu ve rfügen,
d.h. automa tisc h die St ra t eg ie a nzuwen den ,
die für das Ve rste hen notwe ndig sind (v gl.
dazu Aebli. I n: Grundfor me n des Ler nens. S.
117 ff . und B au rm ann / M üller in PD, S. 44) .
Das Intere sse am Lese n un d d ie Fähigkeit
zu r Anwe ndung v on Le se stra te gien f ür das
Tex tv erste he n bed ingen einand e r.
Nu r w enn be i d es er k e nn ba r f ür d i e
Kinde r mit einand er ve rbun de n ist, kö nnen
sie d en Wer t de s Le sen s f ür sich pe rsönlich
entdecke n, die fü r die Entwicklung der Str at egien not wen dige Anstrengungsbereitschaft
auf- und a usbaue n un d Fre ude am Lesen
gewinnen.
Für die Ausbildung und För derung einer wie
oben verstandenen Lesekompetenz werden
sowo hl S acht ext e als auch v er antw ortungsvoll ausgewählte literarische Texte emp fohle n. Re ime , Rätse l, Ged ichte und
Geschichten bieten auf Gr und ihrer sprach lichen Gestaltung vielerlei Ansätze dafür, die
f ür
d as
Text ver stehe n
erfor derlichen
Strategien bewusst zu üben:
• Bildhaftigkeit, Klang, Reim und Sprachrhythmus sprechen die Kinder emotional
an und machen sie neugierig.
• Besondere Gestaltungsweisen steuern die
Aufmerksamkeit und fördern die Fähigkeit
zu r bewusst en Sinn- und Informationsentnahme.
• Reim und Rhythmus legen es nahe, Wörter
und Sätze beim Lesen in Teileinheiten zu
gliedern.
• Die Kinde r gewinnen au f G ru nd der
Bildhaftigkeit und der besonderen Sprachgestaltung von literarischen Texten relativ
schnell Zugang zu Inhalten, die sie zum
Nachdenke n u nd Mite rleb en anregen.
• Spr ac hliche Prägnanz und Verknappung
wir ken wie St o lpe rste ine u nd fo r dern
zum N achdenk en u nd Fra gen he rau s.
• Die Übe rscha ub ar ke it der Te xte wi rk t
erm ut igend un d e r mö glicht un tersch ie d liche unt errich tlic he Arrangem ent s für
die För derung d es Te xtve rstehe ns.
• Die Kinde r begegne n Tex ten, die auf ihr
Welt wissen u nd ihr e Vorste llu ngen und
Erfahrungen t reffen und die ses erweitern.
• R eim e, R ätsel, G edicht e und Ge schic hte n
motivieren zum Aust au sch sowi e z ur
Dif ferenzieru ng u nd z um Üb erdenken
von ind ividue lle n Lese erfahrun gen und
Vo r ste llu n ge n im Ge spr äch u nd im
gem einsam en Tun.
• Reime, Rätse l, G ed ichte und Geschic hten
initiier en , le it en b zw. ergä n ze n Le rnzusammenhänge.
• St r at egien für da s Te xtv erste hen er halten
im inha lt lichen Kont ext u nd in Ler nzu sam me nhän gen ihre B ed eu t ung; das
Le se n m uss f ür die Kind er zu ein em
erkennbaren un d e r st rebenswer ten Ziel
führen.
• Die Begegnung mit d en Tex ten, die gelesen we rden so llen, seien es Sa ch te xte
ode r literar ische Tex te , mu ss spa nnun gsvoll sein, sie mu ss z .B . Erwartungen wecken
und e rfü llen , Vor ste llun gen eröffn en u nd
dif ferenzieren.
• I m Hinblick au f die Ausb ildu ng von
Str ategien zu r Förderu ng des Textverst eh en s sind die Unt er sc hie de in de r
R ezeptio n no n-fikt ion ale r und fiktio nale r
Te xte nachr angig.
(v gl. Hu rrelmann , B ett ina.
In: PD 176/ 02, S . 1 2).
• Es ist sinn voll, auch liter arische Text e so
au sz uwä hle n u nd de n Unt er richt so z u
ge st alte n, dass die Kind er m it e iner
ge richt et e n Auf m er ksam keit le sen und
sich über d en Te xt ver ständige n könne n.
Ein Lesea uftrag wie „Sc hlagt das Buch
au f Seit e ... a uf. Wer begin nt mit dem Vorle se n? “ ist nic ht m ot ivie re nd und
schre ckt Kinder ab, die noc h nicht ü be r
ein au sge bildetes Lese int er e sse u nd -vermögen ver fügen.
• Vor d em la uten Vorlese n soll ten die
Kind er d ie M ö glic hkeit habe n, d e n jeweiligen Te xt für sich zu lese n. Wenn wir
d ie Kinder unb ekannte Tex te o hne a usr eic he nde Vorbere itung vo rlese n la ssen ,
b esteht d ie Gefahr, d ass sie Lesen vo rn ehm lic h a ls ein Lautw er denlasse n von
S ch rift ze ic hen auffa ssen. Da sie M ü he
genug ha be n, die Sc hrift in Laute u mz uset zen, ve rn ach lässigen sie angesicht s
d er Erwar tung, m öglichst fehler frei vo rle se n z u so llen, da s Eigent liche und auch
d as eigent lic h M otivie re nd e: Die d urch
d ie Laute beze ichnete Sinnsuc he u nte rb le ibt ode r wird zum indest ver nachlässigt.
• Gleiche s gilt au ch für m it lesende Kin der,
d a diese auf d as Lesetem po d er Vorleserin
od er d es Vorle ser s festg elegt wer den.
Durc h b lo ßes Vor- und M itle sen lassen,
d.h. ohne vor her iges individuelles Lese n,
wir d d en Kin der n d ie Si nnent na hme
erschwert ode r gar verste llt .
• Das sinngesta ltende Vo rlese n d er Le hrkr af t e rleich ter t b zw. e rm öglicht d en
Kindern jed och da s Zuh ören und d as
Textverstehen. Ein solches gesta lte ndes
Vorlesen trägt zur Lesem otivation be trächtlich bei.
• Individu elles Lesen allein bietet alle rdings
nic ht die Gewäh r fü r ein sinnersc hlie ßendes Lese n, sondern die gem einsam e B esinnu ng ist n otwe ndiger Be stand t ei l d es
Leseunter richtes.
• Da s Gesp räch dient dem Kläre n des
Gelesenen sowie dem tieferen Eindringen
in dessen Gehalt: Indem die Kinder das
jeweils von ihnen Erfasste benennen, es zu
verstehen und zu deuten versuchen und
indem durch Nachlesen Aussagen geprüft,
Inhalte z usam mengefa sst und Sc hlü sse
gezogen werden, indem Bezüge zur eigenen Vorstellungs- und Erfahrungswelt und
schließlic h Ler nzusamm en hänge herge st ellt w er den, gelange n d ie Kind er zu
eine m Te xtve rstä ndnis, das ihnen au s
eigener Kraft und allein nicht erreichbar
wäre.
In den folgenden Praxisvorschlägen wird
jeweils eine wesentliche Strategie des Textverstehens beispielhaft in den Vordergrund
gestellt:
1. Sinnentnahme durch Antizipation
(„Es klopft bei Wanja in der Nacht“)
2. Sinnentnahme vorbereiten durch
Nachdenken über Wörter
(„Fingel“, „Ich wünsch’ gute Nacht“)
3. Sinnentnahme durch Retrospektive
(„Der süße Brei“)
4. Sinnentnahme durch Rekonstruktion
(„Droben auf grüner Waldheid“, „Weiß
wie Kr eide“, Bodenbilder, Lesespur)
• Ha ndlungs- un d pr oduktionsorientierte
Verfahr en dienen dem vertiefenden Textverstehen. Damit dies gefördert werden
kann, muss der Text selbst im Mittelpunkt
stehen. Die handlungs- und produktions orientiert en Aufga be nstellungen m üsse n
die Kin de r zu näc hst z u r ver tiefenden
Auseina nde rset zung mit de m jewe ilige n
Text herausfordern. Für das vertiefte Verstehen reicht es nicht, die vorgegebenen
Inhalte nach eigenem Ermessen umgestalten oder weiterentwickeln zu lassen, diese
szenisch darstellen oder sie mit Musikinstrumenten „vertonen“ zu lassen, viel mehr sollten die Kinder während solcher
Prozesse zur kritischen Beobachtung ihrer
Aktivitäten angeregt werden, und ihnen
sollte dabei zunehmend klar werden, dass
ihre Gestaltungsversuche Wer kz eu ge für
das Textverstehen sind.
Erst dann sind Ausgestaltungen, die über
den Tex t hinau sg ehe n ode r ihn auc h
abwandeln, sinnvoll.
• Klang gestaltendes Lesen ist dem Kind eine
Hilfe, den Gehalt eines Textes zu erfassen
und zu behalten. Es sollte jedoch nicht am
Anfang der Lesebemühungen stehen, sondern das Textverstehen begleiten und vorläufig abschließen.
• Vorbereitetes Vorlesen sollte einen festen
Platz im Unterricht erhalten. Es ist eine
wichtige Übungsmöglichke it , und die
Lehrerin oder der Lehrer erhält darüber
hinaus durch die Art des Vortrags wichtige
Hinweise, inwieweit der Text verstanden
worden ist
• Für das individuelle Stöbern in Bücher n
und zum Austausch ihrer Leseerfahr ungen
mit anderen müssen die Kinder freie Lesezeiten erhalten.
5. Sinnentnahme durch Gestaltung
(„anege, hanege“, „Der Flügelflagel“, „De
Dag de graut“, „Geschichten von Franz“)
Eine äu ße rliche B ed rohu ng ( ein nächt liche r
Schneesturm) ist stä rker als die Angst vo reinande r und der Unfried en un tereinander
(von Mensch, Hase, Fu ch s u nd Bä r). Erst de r
neue M or gen lässt alle die Ge fahr, die vo m
anderen au sge ht, e rkenne n, u nd jeder geht
wiede r seinen eigenen Weg. Nur die Spure n im
Schne e zeigen, da ss sie die Nac ht friedlich
mite inander ve rb rac ht habe n.
Gr undsc hulkinde r kenne n Gef ühle w ie
Angst in d er N ac ht, Angst vo r N aturphänomenen oder vor anderen, die stärker
sind als sie. Dass es aus der Angst bzw. Not
heraus Lösungen gibt, die anders sind als
unsere Erwar tu ngen, e r fahren sie im
Bilde rb u ch „Es klopft b ei Wa nja in de r
Nach t“. Die se „unge wöhnliche “ Lösung
m acht Mu t und scha fft Vertra ue n in d as
Leben.
Das einfache Reimschema des Textes und
der wie de rkehre nde Refr ain glie dern d en
Text, unterstützen das Verständnis und sorgen für eine große emotionale Nähe zu den
Figuren.
D ie Geschicht e wird vor allem von den
Illustr at ion en her e rschlossen . D ie S innentnahme erfolgt dur ch:
• Antizipation der Handlung,
• Vorlesen und Mitsprechen,
• Schreiben und
• szenisches Spiel.
H au pt tätigke ite n be im gem einsam en Kennenler nen eine s B ilder buc hes sind: das
Betrachten und Verweilen, das Reden, Vor lesen und Zuhören.
Gemeinsam nachgedacht werden kann
üb er Ab bild un gen, Übersch rif ten und
Textteile (z.B. Einleitungssätze, Kernstellen,
Schlusssätze etc.).
Für den Unterricht bedeutet das, dass
besonders viel Zeit für das Gespräch eingeplant werden muss.
Die Lehrkraft klebt Titel und Titelbild des
Bilderbuches zunächst zu. Die gemeinsame
Erarbeitung findet im Stuhlkreis statt:
• Die Lehrkraft betrachtet mit den Kindern
die Spuren im Schnee auf der Innenseite
de s Einba ndes. Die Kinde r st ellen Vermutungen an, um was für Spuren es sich
handelt.
• Die Leh rk ra f t li est d en Text v om
Eintreff en d es Hasen bis z um R ef rain
„Ba ld w ird es still im k leinen Haus ...“
vor. D ie Kin de r be sch re ib en da s Bild
(Hase im Lehnst uhl n eben d em O fen)
un d st ellen Vermut ungen a n, wie sic h d er
Hase f ühlt .
• Die Lehrkraft liest bis zum Eintreffen des
Fuchses und der Bitte des Hasen, ihn nicht
ein zu lassen, vor. Die Kind e r äuß er n
Vermutungen dazu, wie Wanja sich entscheidet.
• Die Lehr kra ft liest die Entsc he idu ng
Wanjas bis zum Refrain vor. Sie spricht und
übt mit den Kindern den Refrain.
• Das Eintreffen des Bären wird bis zur Zeile
„Was mach ich bloß? O Mann, o Mann.”
vorgele sen. Die Kinder b et ra cht en und
beschreibe n das Bild und
stelle n
Vermutungen an, was Wanja machen wird.
Die Lehrkraft liest bis zur Entscheidung,
den Bä re n a uf zune hmen. Die Kind er
sprechen den abschließenden Refrain mit.
• Die Lehrkraft zeigt das Bild vom tobenden
Schneesturm und liest dan n bis zum
Verweis a uf de n nächste n M orgen vor.
Danach erst wird das Bild von Wanja und
den friedlich schlafenden Tier en gezeigt.
• Die a nschlie ße nde Schr eibaufga be z um
Bild der friedlich schlafenden Tier e sollte
möglichst offen for muliert sein bzw. die
Aufgab enste llun gen könnte n d iffer enzierend eingesetzt werden (z.B.: Schreibe
etwas zum Bild! oder: Am Morgen ist der
Sturm vo rbei … od er: Wie könnt e es
weitergehen?).
• Nach der Präsent at io n d er S chü lertexte
kann der Schluss des Textes mit den eigenen Lösungen verglichen werden.
Der Kinderbuchklassiker „Es klopft bei Wanja
in der Nacht“ eignet sich besonders zum
szenischen Spiel.
FINGEL
(nach Klinger)
1.
Fingel war ein Riese in Irland.
In Schottland lebte ein anderer Riese.
Der hörte von Fingel und wurde darüber
unruhig.
„Wer ist die ser Fingel? “ fragt e er sich
immer wieder.
„Ich will zu ihm hinübergehen und ihn
sehen.“
So machte er sich auf den Weg und ging
über den Irischen Kanal.
Fingel hörte davon und erschrak, denn
man hatte ihm er zählt,
d ass der sc hottische R iese ih n u m
Haupteslänge überrage.
2.
Als er d en Riese n nu n a uf sein Hau s
zukommen sah,
rannte er so schnell er konnte in die Küche.
„Weib!“ rief er, „schnell, schnell. Der große
Schotte kommt!
Ich lege mich rasch ins Bett,
und wenn er fragt, wer da schläft, so sage,
es sei dein Kind!“
Fingel sprang ins Bett und seine Frau hatte
gerade noch Zeit,
ihm die Decke überzuwerfen, als der Riese
hereinkam.
„Wo steckt dieser Fingel!“ schrie er.
„Schaff ihn mir herbei, ich will ihn verprügeln!“
„Pst! Pst!“ wisperte die Frau. Du weckst mir
das Kind auf!“
„Was für ein Kind?“
„Fingels Kind“, flüsterte die Frau
und neigte sich über den großen Körper
unter der Decke.
„O heiliger Andreas!“ schrie der Riese auf.
„Wenn das sein Kind ist, wie groß muss
Fingel dann erst sein!“
Damit stürzte er aus dem Haus und rannte
ohne Pause,
bis er wieder sicher in seiner Heimat war.
3.
Fingel aber stand auf und lachte so laut,
dass es von den Wänden widerhallte.
Jemand ist kleiner als ein anderer und hat
Angst. Diese Situation ist Kindern eines zweiten und dritten Schuljahres nicht fremd. Zu
erleben, wie in der Geschichte von Fingel der
Kleinere zugibt, Angst zu haben, sich aber zu
helfen weiß, ber eitet Vergnügen und entlastet
von eigenen Ängsten.
Die Verlagerung des Geschehens in die
Fern e u nd in u nrealistisc he G röße nverhältnisse schafft den nötigen Abstand, um
beim Lesen über eigenes Erleben nachdenken
zu können.
N ac h S ch aff en ansc hauliche r spr achlic her
Gr undlagen durch Klärung von Begriffen und
Wör tern erfolgt die Sinnentnahme durch:
• Antizipation,
• Zusammenfassen des Inhalts,
• szenische Gestaltung und
• eine Schreibphase.
Schon beim ersten Satz „Fingel war ein Riese
in Irland“ entwickelt der kompetente Leser
von sich aus eine Vorstellung vom Ort und
der Außerordentlichkeit des Geschehens und
weckt Er wartungen, die ihn zum Weiterlesen
veranlassen. Eine solche selbstständige Vorst ellungsb ildung, dur ch die Lese inter esse
erzeugt wird, kann bei Kindern eines zweiten
bzw. dritten Schuljahres nicht vorausgesetzt
werden. Es müssen im Vorfeld der Lesearbeit
anscha uliche u nd sprachliche Gr undlagen
geschaffen werden.
• Die Kinder betrachten das Bild und finden
gemeinsam heraus, was es ihnen erzählt.
Dies kann auch in Gruppen geschehen.
• Während d er ge meinsame n Au ssp rac he
wird auf folgende Begriffe eingegangen:
Irland – Ire
Schottland – Schotte
Irischer Kanal (Irische See – die geographisch gebräuchliche Bezeichnung)
• Wenn die Kinder von sich aus Vermutungen anstellen, was es mit den Riesen auf
sich haben könnte, werden sie zum stillen
Lesen des ersten Teils der Geschichte aufgefordert, um genau das herauszufinden:
• Tafelarbeit: Was erfahren wir über die
Riesen?
• Ein Gespräch schließt sich an. Ziel ist, dass
die Kinder herausfinden: „Fingel sitzt in
der Klemme.“
Die weiterführende Frage stellt sich von
selbst: Was kann er tun?
Die Kinder machen Vorschläge.
• Sie lesen nun den vollständigen Text und
unterstreichen Stellen, die sie im Hinblick
auf die Fragestellung besonders aufschlussreich oder „spannend“ finden.
• Die Kinder lesen dann die entsprechenden
Zeilen vor. Das Erschrecken Fingels, sein
listiges Vorgehen und die Pfiffigkeit der
Frau lassen sich gut sinngestaltend lesen
und verdeutlichen.
• Das sz enische Sp ielen einze lne r Dialogstellen kann der Vertiefung des Textverständnisses dienen, wenn es durch das
Unterrich tsge spräch, das au f de n Text
Bezug nimmt, ergänzt wird. Das bedeutet:
Spiel- und Reflexionsphasen wechseln kontinuierlich.
• M ögliche r Schre ibim puls: „Je ma nd ist
kleiner als ein anderer und hat Angst. Aber
er weiß sich zu helfen“.
Die Kinde r können bei die se r Sc hreib aufgabe entweder die Geschichte noch einmal oder aber abgewandelt erzählen. Sie können auch eine neue Geschichte erfinden bzw.
eine Geschichte von sich erzählen.
Andere Texte, die das Them a Angst zum
Inhalt ha ben, kö nnen mit der Gesc hic hte von
Fingel in Beziehung gesetz t werden. Die Kinder
über denken da nn no ch e inmal ihr bisheriges
Verständnis und haben Gelegenheit, es zu
erweitern oder zu mo difiz ieren . Als Beispiel
seien die unten st ehenden Verse genannt. S ie
heben jewe ils einen Aspekt von Angst hervor,
der in d er F inge l-Geschichte zwa r mitsc hwingt,
jedoch nicht a usdrücklic h Them a ist : Der erste
Te xt st ellt hum or voll d ar, au f welche Weise
Angstgefüh le entsteh en, d er zweite Ve rs e rm utigt zur Überwin dung von Angst.
• Vorschlag für die Weiterarbeit:
Welcher der beiden Verse passt deiner
Meinung nach zur Fingel-Geschichte?
Begründe deine Entscheidung.
Mother Goose
Mariechen auf der Mauer stund, sie
hatte Angst vor einem Hund.Der
Hund hatte Angst vor der Marie,
weil sie immer so laut schrie.
Die Nacht
Die Nacht ist ein großes schwarzes Loch.
Glühwür mchen aber wagt es doch, zögert
nicht, zündet an sein Licht.
(aus Japan)
Ich wünsch’ gute Nacht,
von Rosen ein Dach,
von Zimt eine Tür,
von Rosmarin einen Riegel dafür.
Ich dank‘ für diesen Reim,
die Rosen wachsen groß und klein,
sie wachsen auf und nieder,
eine geruhsame Nacht wünsch’ ich wieder.
(mündlich überliefert)
Kinder n im Grundschulalter ist es ein Anlie ge n,
d ie We lt in der Vor st ellung für sic h so
her zustelle n, wie sie se in soll. Es ist ihne n ein
Bedür fnis, Gefü hle de s Ungesich er te n, des
Unbeha ust- und Ausge liefertse ins durch Bilder
d er Gebo rgenhe it un d de r Ha rm onie au szugleic hen. Die se we rden in d er erste n S trophe des
Gedich tes – als Wu nsch an ein Gegenüber
ger ic htet – au sgesprochen. Der Wunsch als eine
leb en dige u nd wirksam e Vorstellu ng wird in
d er zweite n Str ophe als Da nk zur ückgegeben.
Das Gedicht ist jedoch in seiner Aussage
nicht ohne gewisse Vorkenntnisse zu entschlüsseln. Die Kinder müssen erleben, nach
Möglichkeit auch ausdrücken, welch angenehmes Empfinden der Duft der Rosen in
ihnen weckt, und sie müssen über die Bedeutung von Zimt und besonders von Rosmarin
als Heilpflanze informiert werden oder sich
informieren können. Vor diesem Hintergrund
sind die Kinder auch motiviert, über das
Gedicht nachzudenken.
Nach Schaffen anschaulicher und sprachlicher Grundlagen erfolgt die Sinnentnahme
durch:
• Assoziation,
• Markier en von Sinn tragenden Wörter n,
• Erschließen von Wortbedeutungen aus
dem Kontext,
• Gespräch,
• dialogisches Lesen und Sprechen,
• Textvergleich und
• gegebenenfalls Einbettung in andere
Lernzusammenhänge (z.B.: unser e Sinne,
Gewür ze).
• Die Kinder er halten die Gelegenheit, den
spezifischen Duft der Rose, von Rosmarin
und Zimt zu spür en und in Worte zu
fassen.
Die Lehrkraft hebt die Bedeutung der Rose
als Inbegriff der Schönheit und des Wohlgeruches hervor und informiert über die
Bedeutung von Zimt und besonders von
Rosmarin als Heilpflanze.
Die Lehrkraft zeigt und erklärt gemeinsam
m it d en Kinde rn die Funk tio n eine s
Riegels. (Die B edeu tu ng de s Wortes
„R ieg el“ kö nnt e spä t er mö glich erweise
auch aus dem Kontext ermittelt werden.)
• Die Kinder lesen jedes für sich die erste
Str ophe mit dem Auftrag: Lest und überlegt (evtl. zu zweit), was das, was wir eben
herausgefunden und besprochen haben,
mit diesem Reim zu tun hat. Unterstreicht
die Zeile, die ihr besonders schön findet.
• Die Kinder tauschen im Klassengespräch
ihre Leseerfahrungen aus.
• Die Kinder lesen die erste Strophe oder
spr echen sie auswendig.
• Die Lehrkraft wendet sich einem Kind zu
und spricht die zweite Strophe so, dass der
Dank, der darin enthalten ist, deutlich zum
Ausdruck kommt.
• D ie Kinder find en im Gesprä ch d en
Zusammenhang zwischen erster und zwei-
ter S tr op he he ra us ( z.B. „ Der ist dan kbar
für d ie Worte, dass er ih m was G ut es
wünscht!“).
• Die Kinder lese n bzw. spr eche n d ie beiden
Str o phe n im Dia log.
Auß er der u rsprüngliche n erste n S trophe
wer den den Kind ern noch zwe i Varianten
gegeb en mit dem Auf tr ag: Le st die be iden
ne ue n S trophe n gena u u nd ver gleich t sie m it
der, die ihr zuerst z um Le se n bek om me n
habt . Welche S tr ophe vo n den dreien gefä llt
euch am beste n? B egr ünd et eu re Wahl.
Variante 1
Ich wünsch’ gute Nacht,
von Zimt ein Dach,
von Rosen eine Tür,
von Rosmarin einen Riegel dafür.
4.
Da kocht es und sie isst sich satt.
Nun will sie, dass das Töpfchen wieder
aufhören soll,
aber weiß das Wor t nicht. Also kocht es
for t,
und der Brei steigt über den Rand und
kocht immerzu ,
die Küche und das ganze Haus voll
und das zweite Haus und die Straße,
als wollt’s die ganze Welt satt machen,
und ist die größte Not und kein Mensch
weiß sich zu helfen.
5.
Endlich, wie nur noch ein Haus übrig ist,
d a kommt das Kind u nd spricht nu r:
„Töpfchen steh“,
da steht es und hört auf zu kochen.
Und wer in die Stadt wollte, der musste
sich durchessen.
Variante 2
Ich wünsch’ gute Nacht,
von Rosmarin ein Dach,
von Zimt eine Tür,
von Rosen einen Riegel dafür.
Die m aßvolle Han dhabu ng d esjenig en
Mittels, das die Existenz sichert, ist an die
Kenntnis zweier Regelungen gebunden, die
ric ht ig ange wand t wer de n m üssen. I m
Märchen ist es das Mädchen, das über diese
Infor mat ione n u nd auc h über der en
Handhabung verfügt.
DER SÜSSE BREI
Die Sinnentnahme erfolgt durch:
• Hören und Zuhören,
• Formulieren von Erwartungen und
• Markieren und Identifizieren von Sinn
tragenden Wörtern, um
• einen Text szenisch darzustellen.
1.
Es war e inma l ein ar me s, f rommes
Mädchen,
das lebte mit seiner Mutter allein
und sie hatten nichts mehr zu essen.
Da ging das Mädchen hinaus in den Wald
2.
und es begegnete ihm eine alte Frau,
die wusste seinen Jammer schon
und schenkte ihm ein Töpfchen,
zu dem sollte es sagen: „Töpfchen koche“,
so kochte es guten, süßen Hirsebrei,
und wenn es sagte: „Töpfchen steh“,
so hörte es auf zu kochen.
Das Mä dche n brachte d en Topf seiner
Mutter heim,
3.
und nun waren sie ihrer Armut und ihr es
Hungers ledig
und aßen süßen Brei, so oft sie wollten.
Auf eine Zeit war das Mädchen ausgegangen,
da sprach die Mutter: „Töpfchen koche.“
• Die Lehrkraft künd igt a n, nur den er st en
Satz des Mä rchens vorzu st ellen und d en
Fortgang der Hand lung ohne Worte und
nur m it Hilfe von Klänge n zu erzählen.
Vorher stellt sie die Per so nen und Dinge
vor, die für dieses M är chen konstitutiv sind .
An der Tafel stehen folgende Wörter, für
die die Kinder in ihr en Tischgruppen
entsprechende Bildsymbolen erhalten:
Die Tochter
Die Mutter
Ein Dorf
Der Wald
Eine alte Frau
Ein Töpfchen mit Hirse
• Die Lehrkraft spricht den ersten Satz des
Märchens. Dieser erste Satz steht auch an
der Tafel. Sie stellt das Märchen dann mit
ausgewählten Orff-Instrumenten dar.
• Parallel dazu entwickeln die Kinder ihre
Geschichte(n). Sie orientieren sich dabei
an den Personen und Bildern an der Tafel
und an den Klängen, die die Lehrkraft mit
den Orff-Instrumenten erzeugt.
• Die Kinder legen mit den Bildsymbolen
noc h einma l a lle in, zu zwe it o de r in
Gruppen ihre Geschichte.
• Die Kinder er halten d en Te xt ohn e U nterstreichungen.
Au fgabe: „ Le st nun d as M ärche n un d
unterstreicht d ie Ste lle n im Tex t, von
denen ihr me in t, dass sie z u de n Klängen
be sonde rs gut passe n. Wie wü rd et ihr jetz t
die Bild er legen ? Hat sich etwas geändert?“
• Es sc hlie ßt sich ein Gespr äc h a n, in d em
da s im M ärche n d ar gestellte Geschehe n
zu nehmend in d en Vorder grund tritt.
• Zum vertie fend en Verstehen des Märchens
wird d ieses sz en isch d arg est ell t. Als
Vorbereit un g für d iese Aufgabe erhalten
die Kinder d en Au ftrag: „ Unterstreic ht die
Wört er und Stellen im Tex t, die e uch
besonders gut d ar an erinne rn, was in der
Ge sc hic hte ge schieht.“ D iese Ar beit sollte
in den G ruppen vorgeno mm en werden.
• Die Arb eitserge bnisse sind Gru ndla ge für
mehrere S pie lversu che, die jeweils am Text
üb er pr üft werden. Um möglichst vielen
Kindern Ge legenhe it zum S pie len zu
geb en, wir d da s M är chen in Ab sch nitte
(s.o .) unterteilt.
DROBEN AUF GRÜNER WALDHEID
(überliefert)
Droben auf grüner Waldheid,
da steht ein schöner Birnbaum.
Schöner Birnbaum trägt Laub.
Was ist an demselbigen Baum?
Ein wunderschöner Ast.
Ast an dem Baum,
Baum in der Erd.
Was ist an demselbigen Ast?
Ein wunderschöner Zweig.
Zweig an dem Ast,
Ast an dem Baum,
Baum in der Erd.
Droben auf grüner Waldheid
steht ein schöner Birnbaum,
schöner Birnbaum trägt Laub.
Was ist an demselbigen Zweig?
Ein wunderschönes Nest.
Nest auf dem Zweig,
Zweig an dem Ast,
Ast an dem Baum,
Baum in der Erd.
Dr oben auf grüner Waldheid
steht ein schöner Birnbaum,
schöner Birnbaum trägt Laub.
Was ist in demselbigen Nest?
Ein wunderschönes Ei.
Ei in dem Nest,
Nest auf dem Zweig,
Zweig an dem Ast,
Ast an dem Baum,
Baum in der Erd.
Dr oben auf grüner Waldheid
steht ein schöner Birnbaum,
schöner Birnbaum trägt Laub.
Was ist in demselbigen Ei?
Ein wunderschöner Vogel.
Vogel im Ei,
Ei in dem Nest,
Nest auf dem Zweig,
Zweig auf dem Ast,
Ast an dem Baum,
Baum in der Erd.
Droben auf grüner Waldheid
steht ein schöner Birnbaum,
Birnbaum trägt Laub.
Das durch sein e b ildh afte S prac he , sein e
lie dhaft e Rhyt hmik und seinen klar en Au fba u ein gän gige Ket te n ge dicht ka n n in
Inha lt u nd St ru kt ur als Anle it ung für sinnersc hlie ße nde s Lese n b etr acht et w erden.
„Schö n“ ist de r Birn baum . Er zie ht d ie
B licke auf sich und we ckt Er wartunge n. Die
e rsten d rei Zeile n der e rste n S tro phe k önne n a ls Ant wor t au f e ine Fr ag e a nge sehen
wer de n, d ie (no ch) nic ht geste llt worden
ist, die ab er nu n, da sie da ist, z um we ite r en
Frage n an re gt . In einem sich stet ig wied erho lend en Fr ag e- u nd An tw o rtsp i el erschließ t sic h sukzessive d as „G eheimnis“
d es Ba um es, d er G r un d fü r sein e An ziehungskraft.
Kinder n in d er G rund sch ule b e re itet d as
Le se n e in es s olc h en Text es Ver gnügen.
S ch nell le se nde Kinder e rkenn en na ch kurze r Zeit d en „Trick“ u nd ent wick eln da s
Ge dicht d ann v on sich a us weite r. Kin der
mit Le sesc hwier igke iten er mutigt der Text
auf Gr und d er vie len Wor twiederholungen
und we n ige n ne ue n W ör te r ( in jed er
Strophe le diglic h e in neu es, S inn tr agend es
Wort) zum se lb stst ändige n Lesen.
N ac h S ch af fen anscha uliche r Gr undlagen
erfolgt die Sinnentnahme durch:
• schrittweises Erlesen des Inhaltes,
• Antizipation,
• Ergänzen von Textstellen,
• bildhaftes Umsetzen des Gelesenen und
• Sprechen des Gedichtes.
• Das Gedicht wird den Kinder n in seiner
gan ze n Läng e visuell prä sent iert . Die
Kinder betrachten es „von außen“. („Das
ist aber lang!“ „Da sind immer Wörter
gleich!“ „Da ist ganz viel gleich!“)
• Die Kinder lesen die erste Strophe still.
• Sie gestalten in gemeinsamer Arbeit einen
großen Baum mit vielen Blättern.
• Eine Partnerarbeit schließt sich an. Leseauftrag: „Wie müssen wir unseren Baum
verändern, damit er zum Gedicht passt?
Unterstreicht die Stellen im Gedicht, die
dafür wichtig sind.“ Dieser Arbeitsauftrag
ist in sich differenzierend. Langsam ere
Leserinnen und Leser werden über die erste
oder zweite Strophe kaum hinauskommen,
während die schnellen Lese rinnen und
Leser in der gleichen Zeit bis zum Ende des
Gedichtes vordringen können. Alle Kinder
aber werden einen Beitrag zur Gestaltung
des Baumes leisten.
• Dadurch, dass die Kinder versuchen, das
Ged icht auswendig z u spreche n – d ies
kann sehr gut auch durch ein Reihumsprechen geschehen – , werden sie auch für
seinen Aufbau sensibilisiert.
Rätsel:
gere im te R ätsel, be i denen das Re im wort,
welches das Rätsel abschließt, zugleich das
Lösungswort ist o de r bei de nen me hrere
Lösungen möglich sind, können die Kinder
an diese besondere Art des Textverstehens
herangeführt wer den.
z.B.
Vom Himmel fällt’s,
tut sich nicht weh,
ist weiß und kalt,
das ist _______.
Wickele wackele – was ist das:
Hinterm Schrank, da krabbelt was ist kein Fuchs und ist kein Has’ wickele wackele – was ist das?
Das individuelle Lesen kann Vorbereitung
für Rätselrunden sein. Hier üben sich die
Kinder in der Gemeinschaft im Rätselgeben
und Rätsellösen – gerade auch von selbst
geschriebenen Rätseln.
Das Rätsel vom Schnee ist typischerweise
so aufgebaut, dass es den Leser zunächst verwirr t. Es geschieht deshalb auch häufig, dass
die Kinder in der e rste n Zeile da s Wort
„Kreide“ schnell als endgültige Antwort auf
das Rätsel ansehen. Wenn sie aber Zeile für
Ze ile weit erlese n, be me rken sie die Vorläufig keit ih rer Lö su ngen und erk enn en
schließlich in der Situation, dass erst in der
Ver knüpfung aller sp ra chlic h vermittelten
Informationen des Rätsels Lösung liegt.
Nach S ch affen anscha uliche r und sp rachlicher Grundlagen erfolgt die Sinnentnahme
durch
• Aktivieren von Sachwissen,
• Erkennen von Sinn tragenden Wörtern,
• Prüfen von Infor mationen,
• Einordnen von Erfahrungen und
• Verknüpfen von Informationen.
Weiß wie Kreide,
leicht wie Flaum,
weich wie Seide,
feucht wie Schaum.
Literar ische Rä tsel kön n en zu m sinne rschließenden Lesen anr egen, sie erfordern
jedoch geistige Aktivität und verlangen ver stärkt Konzentration auf das Medium Sprache; jede Art von optischer Unterstützung
entfällt. Durch einfach strukturier te Rätselsätze, die das Sach- und Weltwissen der Kinder treffen (z.B.: „Ich klettere auf Bäume und
esse ger n Bananen.“) besonders auch durch
• Die Lehrkraft gibt den Kindern Gelegenheit, Kreide, weiche Federn und ein Stück
Seide anzusehen, zu befühlen und sich
über ihre Wahrnehmungen auszutauschen.
Sie schreibt „Schaum“ an die Tafel und
lässt die Kinder erzählen, an was sie das
Wort
er innert
( z.B.
S eife nschau m,
Meeresschaum, er ist feucht).
• Jedes Kin d er hält d as Rä tsel mit de m
Auftrag, es still zu lesen und die Wörter zu
unterstre ichen, a n d ene n es beso nde rs
de utlich erkenne n ka nn, wie das verrätselte
Ding beschaffen ist.
• Die Kinder nennen die Wörter, die sie
unterstrichen haben, und diskutieren ihre
Auswahl.
• Die Lehrkraft klappt die Tafel auf, lässt das
Rätsel noch einmal lesen und die „wichtigen Wörter“ unterstreichen.
• Lösungsvorschläge der Kinder werden an
der Tafel notiert.
• Die Kinder prüfen, auf welches Lösungswort alle vier Eigenschaften zutreffen. Die
Lehrkraft unterstützt Formulierungen wie:
Es ist weiß wie Kreide, ist aber keine Kreide;
denn Kreide ist nicht feucht.
• Im Verlauf einer Rätseleinheit sammeln
od er schr eibe n die Kinder Rä tsel und
gestalten z.B. kleine Rätselhefte oder eine
Rätselecke für die Klassenzeitung.
D as Bo denbild e ignet sic h besonde rs für
Vorschulkinder bzw. Erstklässer. Es unterstützt
d as t eilnehm ende Zuhöre n, erleichte rt
Kindern, die die Vorle sesitua tion von zu
Hause nicht kennen, die Sinnentnahme und
förder t die gemeinsame Erfahrung der Sinnkonstruktion.
Während des Vorlesens oder des freien
Erzählens eines Prosatextes (Erzählung, Märchen, kur ze Geschichte) durch die Lehrkraft
wir d der Sinn des Vorgetragenen durch den
parallelen Aufbau eines Bodenbildes unterstützt.
Das Bodenbild wird auf einem schwarzen,
dunkelblauen oder weißen Tuch aufgebaut. Es
kann aus zum Text passenden
• naturalistischen Gegenständen,
• symbolischen Gegenständen
• oder auch aus farbigen Tüchern bestehen.
Die Gegenstände markieren die für das
Verständnis notwendigen Schlüsselstellen.
Die Sinnentnahme er folgt durch:
• visuelle Konstruktion,
• Zuhören und Schauen und
• Hervorhebung der Schlüsselstellen.
• Die Lehrkraft bereit et geeignete Gege nstände vor und bringt sie für die Kinder
nicht sichtbar (z.B. in einer besonderen
Kiste) mit in die Erzählrunde. Die Kinder
setzen sich im Halbkreis um das in der
Mitte ausgebreitete Tuch.
• Die Lehrkraft liest (noch besser: erzählt) die
Geschichte und legt an geeigneter Stelle
den passenden Gegenstand auf das Tuch.
• Unterschiedliche For men der Weiterarbeit
sind möglich:
Jeder G ege nstand ka nn Ausgangspu nkt
eines den Inhalt vertiefenden Gesprächs
sein oder: Die Lehrkraft will den Erzählfluss und Spannungsaufbau nicht bzw. nur
an wenigen Stellen unterbr echen, dann
sind nur einzelne Gegenstände Ausgangspunkte eines Gesprächs.
• Das gestaltete Bod enb ild b le ibt für die
anschließenden Aktivitäten aufgebaut. Es
kann für das freie mündliche Er zählen der
Kinder eingesetzt werden, oder es kann
sich eine Schreibaufgabe an das Vortragen
der Geschichte und den Bau des Bodenbildes anschließen.
Im Ve rlaufe d er G rund sc hule sollte n d ie
Kinder erste Erfahrungen mit einer Lektüre
machen. Das stille Lesen zu Hause oder auch
in der Klasse sollte während der Arbeit an
einem Buch die wichtigste Leseform sein.
Sicherlich werden zentrale Stellen der Lektüre
auch einmal vo n der Le hrkraft o der d en
Schülerinnen und Schülern, die sich darauf
vorbereitet haben, vorgelesen. Den größten
Teil der Lektüre sollten die Kinder aber allein
in ihrem individue llen Lesetem po bewält igen.
Da mit die Lehrkraft und die Kinder einen
Überblick da rü ber hab en, an we lch er Ste lle des
Buches jed es Kind gerade liest, kann eine
Lesestr aß e im Klasse nra um hängen.
Auf der Lesestraße sind die Kapitel (oder
Seitenzahlen) des Buches mit Bildern oder
deutlichen Zeichen markiert. Oft lässt sich
eine Le ktü re a uc h u nt er inha lt lic hen Gesicht spunkt e n glieder n u nd visu alisieren.
Jedes Kind heftet eine Wäscheklammer mit
seinem Namen an die Stelle, an der es gerade
in der Lektüre liest.
Die Lehrkraft sollte im Verlaufe der Lektüre nach größeren Sinnabschnitten besonders für schwächere Leserinnen und Leser
Phasen der gemeinsamen inhaltlichen Verständigung schaffen. Dazu eignet sich die
Lesespur, d ie wie d as Bo de nbild z ent rale
Inhalte des Textes visualisiert.
Die Sinnentnahme erfolgt durch:
• visuell unterstützte Rekonstruktion,
• mündliches Erzählen und Stellung
nehmen und
• Arbeit an Schlüsselstellen.
• Die Lesespu r w ird von der Leh rkraft vorbere it et : Sie sam me lt wic htige Gege nst änd e, die in den Ab sc hnitten d es Textes,
die rekapituliert wer de n sollen , e ine
wicht ige Rolle spie len. Die Gege nstände
werd en in d er M itt e d es Stu hlkreises au f
eine m Tuch au sgebr eitet, d ab ei wir d keine
Re ihenf olge vor gegeben. Die Kin de r erhalten genüge nd Ze it, um die Gege nstände
zu b et ra chte n.
• Durch einen stum me n Impuls fo rder t die
Lehrkr af t d ie Sc hüler inne n un d Schüler
auf, e twas zu sagen. Ein Kind nim mt einen
Gege nst and in die Ha nd und erzäh lt, was
im Lekt ür eabschnitt , in d em d er G egen st and e ine Rolle spie lt, passiert. Das Kind
legt dann d en Ge genstand zurüc k, und
ein a nde re s Kind nimm t sich einen Gegen stand und setzt die Er zählung f ort. Gem ein sam rekonstruieren die Kinder so
de n Inh a lt des Te xta bsch nitt es. Die
Le hrkr aft sollte si ch in die se r Phase
zurückhalte n u nd nur den äu ßer en Ablau f
unt er stützen.
• Die Kinder we rd en sich im Na che rzählen
des Gelesenen ge genseitig er gänze n, korrigier en, den Au fba u f inde n et c. Die Lehrkraft bricht, wenn der Inh alt des Lek tü re ab sc hnittes erfasst ist, die Er zählp hase a b.
Wenn es nötig ersche int, kö nnen einz eln e
Kinder na chfrage n. D ie Gege nst änd e so llte n d anac h noc h e ine Weile im Raum
sein, dam it sich einz elne Kinder noch
üb er d ie gemeinsame Phase hinaus orien tieren kö nnen.
Ist die Methode der Lesespur den Kindern
b ek ann t, k ann d ie Vorbereitu ng eine r solche n Pha se au ch einma l vo n Kin de rn , die
d ie Lek tü re u .U. sc hon gan z bew ält igt
h a be n, gelei ste t werde n . D ie Lehr k ra ft
k a nn d iesen Kind er n e inen begrenzten
Text aussc hnitt ne nnen , d en sie noc h e inma l gen au lesen mü sse n, um ge eignete
G egenstände zu f ind en . D ie Lehrkr aft so llte
die Kin de r bei der Au swahl der Gegenstände
gegebenenfalls beraten.
anege hanege
serige sirige
ripeti, pipeti
knoll
Markanter Rhythmus und kräftiger Sprachklang sind Merkmale von Unsinnsversen. Es
gibt davon viele und es entstehen immer
wie de r ne ue ; d en n au ch Kin der w erden
begeisterte Reimeschmiede, sind sie erst einmal mit der Machart solcher Verse ver traut
geworden. Unsinnsverse, in denen Sprache
zum Spielmaterial wird, verlangen genaues
Lesen und deutliches Sprechen, und Kinder in
der Grundschule lassen sich gerne auf diese
Sprachexperimente ein.
Auch in dem hier vorgestellten Reim verändern sic h die Wör ter durch kleine Abwan dlungen des jeweils vorhergehenden Wortes
und kreiseln so um ein rhythmisches Zentrum, das jäh durch das aus dem Rahmen fallende letzte einsilbige Wort beendet wird –
„knoll“.
• Hören und zuhören,
• Silben markier en und silbengliedernd
lesen,
• gleiche Buchstabengruppen erkennen und
markieren,
• gemeinsam rhythmisch sprechen,
• die eigene Stimme erproben und
• selbst erdachte Unsinnsverse schreiben
und vorlesen.
• Die Kinder sitzen mit der Lehrkraft im
Halbkreis vor der Tafel.
• Die Lehrkraft spricht den Text ein- oder
zweimal vor. Die Kinder beginnen, den
Vers nachzusprechen.
• Einzelne Kinder versuchen jetzt, den Vers
genau nachzusprechen. Zur Unterstützung
steht de r Vers an der Ta fel. Die zuhör enden
Kinder kontrollieren. Das sprechende Kind
wird nicht unterbr ochen. Erst wenn es seinen Vortrag beendet hat, wer den eventuelle Abweichungen genannt.
• Die Kinder sprec hen d en Ve rs in de r
„ Ro bo tersprache “ und z eichnen Silb en bögen ein.
• Die Kinder spre chen d en Ver s und sc hwingen dab ei die Arme im Kr eis. Imm er die
er ste Silbe in den Wortbild ungen wird
betont.
• Der Vers kann laut, leise oder auch nur
lautlos gesprochen werden. Das lautlose
Lippensprechen bietet sich besonders dann
an, wenn die Kinde r sc hon mehr ere
Unsinnsverse kennen. Der jeweilige Vers
kann da nn a n den M un db ew egun gen
abgelesen werden.
• Viele Kinder denken sich nach einer Eingew öh nung sz eit oh ne beso nd er e Au fforderung eigene Unsinnsverse aus, die sie
der Kla sse vo rtr agen oder zum Le sen anbieten. Die Lehrkraft kann diese Kinder dazu
anrege n, kleine Re imhe fte zu e rste llen.
Die se können unter de n Kindern zu m Lesen
und Lernen ausgetauscht wer den.
Christian Morgenstern
GRUSELETT
Der Flügelflagel gaustert
durchs Wiruwar uwolz.
Die rote Fingur plauster t
und grausig gutzt der Golz.
Dieser Ver s von C hr istian Mor genstern leb t
und e rhält seinen Sinn durch den Klang der
S pr ache. Ind em der Vers gesp rochen wird, entfaltet sich seine „Bot sc haft“. Diese kann se hr
u nter schied lich a usfalle n, je nachdem , we lc he
Assoziationen die oder de r Lesende mit d en
Wortbildungen im Zusam me nhang mit den
w enigen unm ittelbar verst ändlichen Wö rtern
im Mo ment des Sp rechens ent wickelt.
Kindern, deren M utt erspr ache nic ht Deutsch
ist, be reitet das Lesen so lcher Texte großes
Vergnüge n, weil sie sich in ihrer grundlegenden
F ähigkeit , au s de m Klang de r Sp ra che
Be de utungen abzu leiten, den deutsc hsp ra chigen Kindern ebe nbürtig fühlen könne n.
Die Sinnentnahme er folgt durch:
„Ermitteln der Textstimmung“ (vgl.
Menzel. In: PD Sonderheft. Texte Lesen und
Verstehen. S. 8),
• vergleichendes Lesen,
• Austausch von Leseerfahrungen,
• Erkennen von Wor tbedeutungen aus dem
Kontext und aus dem Wortklang,
• gestaltendes Lesen,
• Auswendigspr echen und
• Gestaltung des Textes in Schrift und Bild.
• Die Kinder erhalten den Text und lesen
ihn still.
• Sie tauschen ihre ersten Leseeindrücke aus.
Dafür ist es nicht unbedingt notwendig,
dass alle Kinder den Text bis zum Ende
gelesen haben („Das klingt unheimlich“,
„ Da s ist ko misch “, „Da s ve rste h’ ich
nic ht“ ...).
• Das Gedicht steht an der Tafel. Die Kinder
erhalten den Auftrag, die Wörter zu nennen b zw. z u unt er st re ichen , die ihnen
unbekannt sind.
• Die Lehrkr aft unte rstüt zt wä hrend de s
Ge spr ächs die spon tanen Ver suche der
Kinder, die unbe kannte n Wör te r mit
Bedeutung zu füllen.
• Auftrag: „Lies das Gedicht einmal so, dass
wir hören können, was du dir vorstellst.“
• Gespräch
• Die Lehrkraft bittet die Kinder, die unbekannten Wörter zu „übersetzen“. Dafür
muss das Tafelbild so gestaltet sein, dass
zwischen den Zeilen genügend Platz für
Übertragungen ist. Es empfiehlt sich, diese
Arbeit mit der gesamten Lerngruppe vorzunehmen, weil dadurch unterschiedliche
Übertr agungen ge sam melt werd en könne n.
z.B:
Der Flügelflagel gaustert
Das Gespenst geistert
fliegt
...
durchs Wir uwaruwolz.
den Wald
das Dickicht
...
Die r ote Fingur plaustert
Figur plustert sich auf
Hexe plaudert
...
und grausig gutzt der Golz.
guckt der Gnom
gluckst der Schlamm
...
• Der Ver s wird noch einmal von freiwilligen
Le ser inne n o de r Leser n gesp roc hen. Der
Te xt an de r Ta fel die nt zur Unt erst ützu ng.
Im G espr äc h wird erlä uter t, e ven tuell au ch
an de r Tafe l f estge halten, welch e S timm ung da s jewe ils le sende Kind erze ugt hat.
• Jedes Kind schreibt den Vers auf ein großes
Bla tt u nd ge stalt et e s nac h seinen
Vorstellungen.
• Die Kinder stellen ihre Gedichtblätter vor
und kommentier en ihre Illustrationen.
Klaus Groth
DE DAG, DE GRAUT
De Dag
de graut,
de Katt
de maut,
de Klock
de sleit,
de Hahn
de kreit,
de Hund
de bellt,
de Köksch
de schellt,
de Höhner de kakelt
un all de Vageln in’n Boom spektakelt.
•
•
•
•
P latt de utsch ist he ut e in der R ege l auc h
Kindern mit guten Kenntnissen der deutschen Spr ac he weitge hend u nbeka nnt. Ab gesehen davon, da ss da s Plat td eu tsche in
seinem ihm eigene n C harm e, in seiner besonderen Ausdrucksmöglichke it und in se ine n
b ild haften Formulieru nge n e ine n Plat z im
Literaturunterricht ger ade auch der Grundschule habe n sollte, bieten solche Te xte in
besondere r We ise Ge legenheit für ge nau es
Lesen, für d ie Mö glichke it des Sprachvergleiches u nd d amit für die Fö rderung d er
Spra chaufm erksam keit.
In dem plattdeutschen Gedicht von Klaus
Groth wird der Tagesanbruch in for melhafter
Einfachheit dargestellt. Es zieht Kinder them atisch u nd in seinem S pr achdu ktu s und
- klang an und m acht sie n eu gier ig. Wenn
Kinder, der en Mu tte rsprache nich t Deu tsc h
ist, m er ken, d ass ihre deu tschsprachigen Klassenkam er ad inne n u nd -kam er ad en genauso
wie sie Schwier igke it en haben , die W ör ter
auszusprec hen und zu verste hen, gibt ihnen
d ie s Mut u nd steiger t ihre Anstrengungsbereitscha ft.
Die Sinnentnahme erfolgt durch:
• Ve rar beiten von Hintergrundinformationen,
• Nutzen des Wortklanges für die
Ermittlung der Wortbedeutung,
• Kontextarbeit,
• Textvergleich,
• genaues Hören,
• genaues Lesen und Sprechen,
• sinngestaltendes Lesen und Sprechen,
• szenisches Spiel und bildnerisches
Gestalten.
• Die Lehrkraft macht die Kinder durch eine
Erzählu ng m it der Per son Klau s Gr oth be kannt. Das Gedich t steht an der Tafel. Nach
•
•
•
•
er st en Leseversuchen erke nne n die Kinder
and eu tungsweise die Verwandtsc haft der
Wörter mit dem Hochde utschen.
Bildkart en, a uf dene n jewe ils die im
Gedicht genannten Tiere und die Köchin
dargestellt sind, werden in ungeordneter
Reihenfolge neben den Text geheftet.
Die Kinder w erd en au fgeforder t, d ie
Bildkar ten den entsprechenden Wörtern
zuzuordnen.
Sie vermuten, um was es in dem Text geht
und
über setzen ihn in gem einsam er m ündlicher Arbeit – in Gruppen oder im Klassengespräch.
Der übersetzte Text wird neben den Text an
die Tafel geschrieben.
Beide Texte wer den gelesen. Die Kinder
nennen Auffälligkeiten und Unterschiede,
die sie während des Sprechens und Lesens
wahrnehmen.
Der plattdeutsche Text wird gemeinsam
gesprochen . M öglich keite n: Wir fangen
ga nz le ise a n u nd werd en allmäh lich
lauter; jeweils ein Kind ahmt eines der im
Gedicht genannten Geräusche nach; Das
Spektakel der Vögel wird von mehreren
Kindern produziert; Begleitung durch OrffInstrumente.
Ein Gedichtblatt wird gestaltet.
• Die Kinder gestalten ein Leporello.
• Die Kinder üben in Gruppen das Vorlesen
des Gedichtes und präsentieren es dann
vor der Klasse.
• Die Kind er sp re c hen da s Ge dicht u nd
stellen es szenisch dar.
• Die Kinder erarbeiten mit Unterstützung
der Lehrkraft ein Hörspiel und nehmen es
mit dem Kassettenr ekorder auf.
• Ein ige Kind e r kö nne n sich üb e r das
Internet od er au s Bü chern über de n Dichter
Klau s Groth infor mieren und die Ergebnisse ihrer Recherche der Klasse vortragen.
Christine Nöstlinger
„FRANZ UND DIE EIFERSUCHT“
Die „Geschichten vom Franz“ von Christine
Nöstlinger thematisieren allgemein gültige,
Kinde r (wie Er wach sene) beschä ftigende
Themen wie Einsamkeit, Fr eundschaft, Angst,
Eifersucht, Zorn, Sehnsucht, Liebe u.a., sodass
hier ein St of fangebo t vor lie gt, du rc h d as
latente Befindlichkeiten der Kinder aktivier t
und somit als Teil des eigenen Selbst erfasst
wer den können.
In „ Fr anz u nd die Eife rsucht “ werd en d ie
t ypisc hen Pro blem e, die eine Dreieckskonstellation mit sich bringen kann, geschildert. Alle
G eschicht en sind aus d er Pe rsp ektive d es
Franz geschrieben, sodass die Gefühle der
anderen Personen erahnt bzw. vermutet werden müssen. Durch diese Aussparungen lässt
sich der Text besonders gut handelnd erschließen u nd eröffnet Kinder n im Grund schula lter M öglichke it en, sich in die Gefü hlswelt eines ander en hineinzuversetzen und
diese differenziert mündlich und schriftlich
auszudrücken.
Durc h de n Einsat z der M etho de des
Standbildes mit anschließender Schreibphase
kommt es zu einer ver zögerten Textbegeg nung und e iner inte nsiven gem ein sam en
Leseer fahrung.
Die Sinnentnahme erfolgt durch:
• den lebensweltlichen Bezug,
• die Rollenübernahme und
• den Perspektivwechsel.
• Die Lehrkraft (oder ein darauf vorbereitetes Kind) liest den Text „Franz und die
Eifersucht“ vor. Während des Vorlesens
erfolgt eine Visualisier ung des Erzählten
anhand von Symbolkarten, die prägnante
Stellen der Geschichte widerspiegeln (z.B.
Königskronen, Zipfelmütze).
• Das Stand bild verfahren mit anschließend er
Verbalisierungsphase soll die Auseinandersetzung mit dem Text ver zögern, zeitlich
verlängern, intensivieren und dazu heraus fordern, mehr zu verstehen, als äußerlich
dargestellt wird.
•
•
•
•
Das Standbildverfahren:
Die Lehrkraft wählt drei Kinder der Klasse
au s u nd lässt sie sich der S zene e ntspr echend zu eina nder au fstellen (F ra nz
allein, die Mädchen in Freundschaft vereint). Anschließend bittet die Lehrkraft die
Kinder, eine Haltung einzunehmen, welche ihrer Meinung nach für sie in dieser
Situation charakteristisch ist.
(Zur Orientierung der Darstellerinnen und
Darsteller können Bilder der handelnden
Personen an die Tafel gehängt werden.)
Um die Situation zu verdeutlichen, bekommt jede Darstellerin und jeder Darsteller als Requisit ein charakteristisches
Attribut ihrer oder seiner Figur: Franz eine
P ude lm üt ze, Gabi u nd Sa ndr a jewe ils
Königskronen.
Die Verbalisierungsphase:
Die Le hrkraft fo rdert je tzt d ie Kinder nacheinander auf, nach vorne zu kommen, die
Hand auf eine Figur ihrer Wahl zu legen
und die möglichen Gedanken, die die jew eilige F igur sic h in die se r Situ at ion
machen könnte, auszusprechen.
Indem die Kin der de n Figur en ihr e Sp ra che
leihen, geht e s zugleich um ihre subjektiven
Pr ojektio nen, wie a uc h u m de n Nachvollzug der unterschiedlich en Perspektiven.
Die mündlich geleisteten Beiträge werden
im nächsten Arbeitsschritt als Anregung
genutzt, jetzt auch auf schriftlicher Ebene
die Geda nken de r Figu re n z u fixie ren.
Arbe itsblätte r mit Denkbla sen übe r de r
jeweiligen Figur werden angeboten. (Differenzierende Schreibaufgabe für leistungsstärker e Kinder : Wie f indest du d as
Verhalten von Gabi und Sandra?)
Die Ergebnisse der S chreibphase werden
absc hließend am St andbild prä se ntiert: Die
Kinder komm en nac heinander m it ihren
Arbeitsblättern nac h vorne, legen die Han d
a uf die Figur ihrer Wahl und lesen ihre verschriftlichten Geda nken vor.
Ein „S timmeno rchester “ zur Pe rson des
F ranz kann die Stand bildp hase abschließen:
Im Unterschied zum vo rherigen Sta ndbildverfahren bleiben die Kinder hintereinander
hinter F ranz stehen. Sind genü gen d
„ Stimm en“ vorhand en, r uft d ie Lehrkra ft die
Gedanken in wechselnd er Re ihenfolge und
Lautstärke ab, indem sie z.B. a uf d ie betreffende Sc hülerin od er den b et ref fenden
Schüler zeigt .
Durch dieses Verfahren wird den Kindern die
M öglichkeit ge geben, die Multiperspektivit ät e ine r einz elnen Figur na chzuvo llzie he n u nd mitz uerleben.
Praxis Deutsch 127/1994.
Leseförder ung.
Praxis Deutsch 176/2002.
Leseleistung –
Lesekompetenz.
Praxis Deutsch. Sonderheft
Leseförder ung in einer
Medienkultur.
Lesen und Schreiben.
Jahresheft Schüler 2003.
Friedrich.
Wedel-Wolf, A. v. 2001.
Üben im Leseunterricht.
Braunschweig.
Rahmenplan Deutsch
Grundschule. 15. Sept.2003.
BBS.
PISA und IGLU haben das The ma Lesekompete nz neu in den Vordergr und der Diskussion
u m Erfassung der Schulleistungen gebr acht.
Kann man Leseleistu ng „ messe n“? Da wäre einmal das Feststellen der „Lese tech nik“ – zum
andere n das Abfrage n der „Sinn entnahm e“.
Die gängigen Lesetests der letzten dreißig
Jahre haben den einen oder anderen Aspekt
in den Mittelpunkt gestellt, wobei die älteren
Tests überwiegend Zeit und Lesefehler zählen
(Br em er Lesehilfen, Zürche r Lesetest), während
die bekannteren neuen Tests (ab Klasse 3)
ausschließlich das Leseverständnis und die
Sinn ent nah m e zu m Sc hwer pu nkt ha be n
(Würzburger Lesetest, HAMLET).
Zunehmend wird auch die möglichst früh zeitige Diagnostik und Förderung angestrebt,
um günstige Voraussetzungen für alle Kinder
f ür de n S chr ift spra che rwe rb a nzubahne n.
Ber eits im Vorschulalter wird anhand des
„Bielefelder Screenings” (BISC) die phonematische Bewusstheit beobachtet und gegebenenfalls werden mit dem Würzburger Lernpr ogra mm
„ Hö ren, la usche n, lernen“
(Küspers, Schneider) auffällige Kinder vor der
Einschu lu ng ge zielt geför dert. Au ch der
HAVAS, der bei Vorschulkindern (vor allem
bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache) die
sprachlichen Voraussetzungen erheben soll,
zielt in dieselbe Richtung.
Hier so ll au sführ liche r die Hamburger
Leseprobe (Peter May / Helga Arntzen) vorgestellt werden, die sowohl das sinnentnehm ende Lesen abfragt als auch im quantitativen
Ber eich anhand von Lesepunkten und Lesezeit Vergleichswerte für die gesamte Grundschulzeit bietet (und zwar ab Ende Klasse 1).
Bei der Hamburger Leseprobe handelt es sich
um ein Beobachtungsverfahr en, das gleichz eit ig eine Fö rder sit uation beinh alt et.
B eo bachte t wird d as Problemlöseverhalten
des lesenden Kindes, das Prognosen zulässt
für seine weitere Leseentwicklung.
Neben der Beschreibung des Testverfahrens
soll hier ausführ licher a uf eine Schü lerin und
einen Schüler eingegangen we rden, deren Leselernentwicklung ü ber einen langen Ze itraum
be gle ite t, beob achtet u nd ana lysiert wurde.
Diese beiden Lernenden verdeutlichen exemplar isch zwei un terschiedliche Lernausgangslagen und somit bereits frühzeitig erkennbare
Entwicklungen und Förderpräfere nze n. Es soll
ver sucht werden, individ uelle F örderpläne für
diese beiden Kinde r vo rzustellen.
Die Hamburger Leseprobe ist ein Verfahren
zur Erfassung der Lesefertigkeit und zur Analyse von Leseprozessen vom ersten bis zum
vierten Schuljahr, bei Kindern mit gravierenden Leseschwierigkeiten auch darüber hinaus.
Die HLP w ird se it 19 92 in H amb ur ger
Grundschulen – insbesondere im Rahmen der
Arbeit von Schriftsprach-Beraterinnen (PLUS)
– eingesetzt.
Seit 2003 ist die HLP erweitert um jeweils vier
Fragen pro Geschichte zum Textverständnis,
die be im Kind S tu fen de r Leseko mp eten z
erkennbar machen sollen.
Die HLP ermöglicht das Beobachten von
Leseprozessen unter alltagsnahen Bedingungen u nd da s Ge winne n von Vergleichsm aß stäb en zu r Be ur teilu ng de r Förderbedürft igke it b esonder s schwach er Leselernerinnen und -lerner.
1. Die HLP enthält Geschichten, deren Inhalt und Wortschatz den Erfahr ungen der
Kinder entsprechen. Die Kinder mögen die
Geschichten, diese enthalten immer auch
einen kleinen Gesprächsanlass.
2. Neben den Geschichten werden auch Liste n m it Einzelwörtern ange boten, die ausschließ lic h Nom en e ntha lten, die den Kindern von der Bede utu ng her ver traut sind.
3. Die HLP bietet zu allen Geschichten und
Wörterlisten jeweils drei Parallelformen
an, die in Länge und Aufga benschwier igkeit
vergleic hbar sind. Ler nfort sch rit te d er
Kinder lassen sich so über Jahre dokumentieren.
4. Das Hauptanliegen der HLP ist die Analyse
von Lesep rozessen jener Kind er, deren
Leseentwicklu ng sich kritisc h ge st alt et.
Bereits eine leichte Geschichte und/oder
e ine Wö r te rliste re ichen au s, um Vergleichswerte zu den verschiedenen Zeitpunkten zu erheb en. Die HLP u mf asst
Geschichten mit vier und Wörterlisten mit
zwei Schwierigkeitsstufen.
5. Die HLP ist ein Verfahr en für die Einzelbeobachtung, mit dem der Prozess des
Er lesens und Sinnerfa sse ns differenziert
analysiert werden kann. Er wird optimal
mit einem Tonband dokumentier t.
6. Die Auswertung der HLP umfasst neben
Punktwert en zur Ke nnzeic hnung d er
Leseleistung und der Lesegeschwindigkeit
auch eine qualitative Analyse des Leseproze sse s m it Hilfe e ine s vorgegebenen
Auswertungsbogens.
In diese qualitative Analyse geht die Erfahrung ein, dass das Erlesen eines unbekannten und für das Kind noch schwierigen Textes als Problemlöseprozess aufzu fassen ist, der verschiedenartige Teilprozesse umfasst. Außerdem werden nicht die
Fehler, die das Kind beim Lesen macht,
gezählt, sondern die einzelnen Wörter werden mit Hilfe einer Punktskala bewertet,
sodass auch Teillösungen des Kindes in die
Beurteilung eingehen.
7. Ein beso nd er es Ke nnze ichen der HLP ist d ie
gewollte Interaktion zwische n Lehrkraf t
und Kind be im Erle se n. Das Kind wird be im
Lesen nicht sich selbst übe rla ssen und d ie
Le hrk raft ist nicht nur dist anz ierte
Test leit ung, so nde rn als H elfer in od er
Helfe r soll sie ode r er gezielt in den Pr ozess
de r Lösungssuc he eingr eifen und de m Kind
Hin weise für das we it ere Vorge he n ge ben.
Dadurch wird e ine rseits die Lesesit ua tion
psyc holo gisch gü nstig gestalte t un d
Leist ungsbloc kaden bei prüfu ngsä ngst lic hen Kindern vorgebeugt ; ander erseits
erlaub t diese gez ielt e Inte rak tion die
Analyse de r Lesesitu atio n als Te il eines
beginnend en Fö rderpr oze sses. Au ßerdem
erfährt die Lehrkraf t, inwieweit d as Kind in
der Lage ist, steuer nde u nd korrigier ende
Hinweise in den e ige ne n Lösungspr oze ss zu
integrieren.
Es gib t zwö lf G esc hich te n in vier
S chwie rigkeitsstuf en ( G1a bis G4c) u nd 6
Wört er liste n in z we i Schw ier igke itsstufe n
(W1a bis W2c).
Bei der Lesestufe 1 (14 bis 16 Wörter, in
S innschr itte geglie de rt) gibt die Ab bildung
schon Hinweise auf den Inhalt der Ge schichte.
Selbst schwäc here Leser der Klassen 1 und 2
b ewältigen diese Texte mit Hilfe der Lehrkraft.
Die Geschichten der Lesestufe 2 sind zwar
auch noch bebildert, der Inhalt muss aber
selbstständig erlesen werden. Die Schrift ist
schon etwas kleiner und stellt auch in Satzbau
und Wortwahl schon höhere Anforderungen
an die Lesefähigkeit.
Die umfa ngreicher en G esc hichte n d er
Lesestu fe 3 (65 bis 71 Wör ter) sind nicht m ehr
illustriert, die Sätze sind erheblich länger und
aufw endiger st rukturiert. Entsprech end d en
höher en Anfo rderungen an die Lesefertigkeit
ist auch d ie S chrift kle iner gedruckt.
Bei der Lese st ufe 4 (90 bis 99 Wör ter) sind die
Texte kom plexe r strukturiert und eng ge druckt
un d sin d somit gee igne t, die Lesefertigkeit vo n
Schülern der Klasse 4 und auch darüber hin au s
zu überprüfen und zu messe n.
Alle Geschichten wer den von den Kindern
gern gelesen. Die Texte bieten alle einen
Gesprächsanlass, der nach der Vorlesephase
im Gespräch Aufschluss geben kann über das
Textverständnis des Kindes.
Beim Erlesen der Einzelwörter (W1a bis
W2c) kann das Kind sich bei der Bildung von
Sinnhyp othe sen nic ht auf d en Konte xt
stützen, sondern es muss die lautsprachlichen
Entwürfe e inzeln au f se ine S innhaft igkeit
überp rüfen . Das ist e ine d eu tlic he Erschwerung de r Aufga be . Der Ein sat z de r
Wör te rlisten kann ab er sinnvo ll sein bei
Kindern, die sich über wiegend am semantischen Kontext orientieren und raten.
Die Hamburger Lesepr obe ist ein Einzelbeobachtungsverfahren, das nicht mit allen Kindern einer Klasse durchgeführ t werden muss,
sondern nur m it solc hen Kindern, deren
Leselernentwicklung sich als kritisch erwiesen
hat od er w o dem ent sp rechend Unsiche rheiten vorliegen.
Benö tigte Ut ensilien für die Testdurchführung:
I.
Bögen mit Geschichten (und evtl.
Wörterlisten)
II.
Kassettenrecorder
Für die Testauswertung zusätzlich:
III.
Ankr euzbögen
IV.
Auswertungsbogen
V.
Stoppuhr
Es ist au s ver sc hied enen G ründ en z u
e mp fehle n, die Le su ng d es Kind es auf
Tonband aufzuzeichnen:
VI. Die Lehrkraft kann sich ganz dem Kind
widmen, kann Hilfestellungen geben
und muss nicht nebenbei Notizen
machen. Es kann keine belastende
Testatmosphäre entstehen.
VII. Die Lesezeit kann vom Tonband
gestoppt werden.
VIII. Die Lehrkraft hat die Möglichkeit, den
Leseprozess mehr fach abzuhören.
Gleichzeitig bekommt sie ein Dokum en t,
mit dem sie Leseentwicklung langfristig dokumentieren kann.
IX. Sie kann mit dem Kind zusammen das
Gelesene abhören und z.B. dem Kind
seine Fortschritte aufzeigen.
Je des Kind kann entsc heiden, ob es er st le ise
ode r gleich lau t lesen will. B eim geübt en Leser
ist sinnentnehme ndes Lese n no rmalerweise
leise s Le sen. Kinde r in d er Le rnphase mü ssen
die einzelnen Segm ent e de r zu lesend en Wö rter
e rst laut spr achlic h artikulieren, um den Sin n zu
e ntdecke n; d.h. das Au sspre che n d er Laute,
Wort teile od er Wortvor forme n ge ht dem
Wortverstehen in der Regel voraus. So kann es
geschehen, da ss Kinder de r 3. oder 4. Klasse
beim leise n Lesen d en Inh alt d er Geschich te
noc h nicht verst anden haben, weil sie längere
u nd schwierigere W örter erst über die Artikulat ion verstehen.
Als Besond erhe iten der Hamburger Leseprobe
sind die Inte ra ktion und die Hilfen du rch die
Lehrkraft her vorzuhe ben. Die Lehrkr aft ist
nicht – wie bei her kö mm lichen Tests üb lich –
passive Testleite rin oder passiver Testleiter, sondern sie greift aktiv in d en Leseprozess e in,
indem sie d em Kind Hilfe stellun gen gibt,
wenn es d ie Leseau fgabe nicht selbstst ändig
b ewältigen kann. Diese Hilf en werden spä ter
bei de r qua ntitat iven Punktbewer tung mit einb ezogen. Allerdings soll das Eingreife n der
Lehrkraft mö glichst Hilfe zu r Se lb sthilfe se in.
Kann ein Kind nach me hr als zwei Lehr erhilfen
e in schwieriges Wort nicht en tschlüsseln, ist es
sinnvo ll, d as Wort zu sagen, dam it d er
Leseprozess weitergehen kann.
In der Version von 2003 werden zu jeder
Geschichte nach dem Vorlesen vier Fragen
zum Leseverständnis gestellt, deren Beantwortung durch die Kinder vier Stufen der
Lesekompetenz zugeordnet werden kann.
Die Auswertung der HLP ermöglicht sowohl
e ine qu antit ative Be stim mu ng der Le seleistung (R ichtigkeit d er W iedergabe und
Lesetempo) als auch eine qualitative Analyse
der Lesefähigkeit.
Die qu alita tive B eob ac htun g de s
Leseprozesses dient der Beurteilung der individ ue lle n Le sesch wierigk eiten u nd gib t
Hinweise auf Besonderheiten des einzelnen
Kindes, die in der Förderung berücksichtigt
werden sollten.
Die Ergebnisse de r qu antitative n u nd
qualitativen Analysen werden in den Auswertungsbogen eingetragen.
Für die Auswertung des Leseer gebnisses werden nicht – wie bei herkömmlichen Tests –
die F ehler ge zählt, son dern anhand eine s
Punktesystems werden auch Teilschritte beim
Erlesen und Selbstkorrektur en mitbewertet,
auch die Zahl der benötigten Hilfen wird mit
ber üc ksic htigt . Für die Auswe rtu ng vo m
Ton ba nd g ibt es für jed e Gesc hich te/
Wörterliste einen Ankreuzbogen.
Die Le se ze it wir d von der Tonbandaufzeichnung gestoppt und auch auf dem
Ankreuzbogen eingetragen.
Anhand der Vergleichswerttabellen (im
Anhang der Hamburger Leseprobe) wird dann
für Lesepunkte und Lesezeit der Pr ozentrangbereic h a bgele sen u nd somit die
Leseleistung einer der Leistungsgruppen zugeordnet.
Die qualitative Auswertung soll vor allem
Hinweise für eine gezielte Förderung liefern.
Bei wiederholter Anwendung der Hamburger
Lesepr obe k an n die Le seler nentwicklung
eines Kindes nach einheitlichen Gesichtsp unkt en doku me ntier t werde n, wo durch
a uc h wertvolle Einsichten für die An fe rtigung
von Zeugnisberichten und für die Er folgskontrolle des Förderunterrichts gewonnen werden können.
Nachdem die Ergebnisse der quantitativen
Analyse auf dem Ausw ertu ngsbogen eingetragen wor den sind, bietet die HLP diverse
Merkmalsfragen zur Lernstandsanalyse.
Die sechs Bereiche, die der qualitativen
Analyse zugeor dnet sind:
I.
Vorkenntnisse – Fertigkeiten –
Teilfertigkeiten,
II.
Zu m Leseergebn is (dazu neu: Antw orten
zum Textverständnis, gegliedert in vier
Kompetenzstufen),
III.
Zum Vor gehen beim Erlesen,
IV.
Zum Lesefluss und zum überschauenden Lesen,
V.
Weitere Beobachtungen zum Lesever halten,
VI. Bemerkungen zur Sprachkompetenz,
erm öglichen die gena ue Zusta ndsbe schreib ung ein es Lesep ro to ko lls z u einem be stimmten Zeitpunkt und geben Hinweise auf
die Schwachstellen, deren Behebung gezielt
geför dert werden sollte. Besonders wertvoll
wer den d iese Kategor ie n ab er du rc h die
Wieder holu ng der HLP in bestimm te n
Zeitabständen, da sie dann konkret und dezi diert d ie Lesele rn entw icklung de s Kindes
aufzeigen.
Während der Entwicklung der Hambur ger
Leseprobe wurden 560 Hamburge r Gr undsc hulkinder in ihre r Lesele rnentwicklung
durch die gesamte Grundschulzeit begleitet
und dokumentiert. Die Tonbandaufzeichnungen der 28 schwächsten Leserinnen und Leser
wur den verschrifte t und a usgewert et ü ber
einen Zeitraum von drei Jahr en. Dabei wurden wertvolle Erkenntnisse gewonnen über
die Besonderheiten der Kinder beim Lesen. So
sind auf Grund der Ergebnisse der qualitativen Analyse bereits in Klasse zwei Prognosen
möglich über die weitere Leselernentwicklung
eines Kindes. Dazu ist besonders aufschlussr eich der Punkt drei der qualitativen Analyse.
• Das Kind versucht bei schwierigen Wörtern
verschiedene Zugriffsweisen. ( Zum Beispiel
Lautfolge, Wortte il, Wiederholung des Gele-
senen, Wortvorgestalt; es nutzt ggf. den
Bild- und Satzkontext; nic ht nu r sukzessive
Synt hese der La ute !)
• Das Kind erkennt Fehler und/oder falsche
Entwürfe selbst und versucht selbst, sie zu
korrigieren.
• Das Kind kann Hilfen weiterführend in
seine Worterarbeitung einbeziehen.
Diese Kriterien geben Aufschluss über das
Pr oblemlöseverhalten des lesenden Kindes,
das dann auch Hinweise gibt auf die weitere
Lernentwicklung.
Anhand von zwei Schülerbeschreibungen
soll diese These verdeutlicht und untermauert
werden.
Isa und Jens
Bereits im zweiten Schuljahr werden auf
Gr und der Beobachtungen der Leseprozesse
unterschiedliche Prognosen hinsichtlich der
weiter en Ler nent wick lung nahe gele gt .
Während bei Jens auf Gr und seiner vielfältigen, aktiven Zugriffsweisen in absehbarer Zeit
eine St eigerung der Leseleistung zu erwarten ist,
lässt Isas eher passives Verhalten beim Erlesen
längerfristige Leseschwie rigkeiten vermuten.
Beide Kinder er zielen im Februar der Klasse
2 vergleichbare Er gebnisse in der quantitativen Auswertung (Lesepunkte und Lesezeit).
Beide werden der Kategorie „sehr schwach”
zugeord net. In der q ualit ative n Analyse
zeigen sich allerdings gerade beim „Vorgehen
beim Erlesen” signifikante Unterschiede, was
anhand einiger Ve rschr ift unge n dar gestellt
werden soll.
Isa kann man im Herbst der Klasse 2 fast
als Nichtleserin bezeichnen. Sie braucht mit
sehr viel Hilfe und Geduld für die ganz leichte
Geschichte G1a fast acht Minuten. Einige
Wörter liest (rät) sie spontan richtig mit Hilfe
des Bild- und Satzkontextes (Maus, ruft, Tisch,
Käse, M ä use). Be i a llen anderen Wörter n
schweigt sie und muss jedes Mal aufgefordert
werden, sich auf das ihr unbekannte Wort
einzulassen.
Beispiel: sagt
Mit dem Wort haben (Sie haben
auch Hunger) ist Isa schon überfordert.
Zum einen kennt sie die Buchstaben noch
nicht sicher (h und b). Darüber hinaus kann
sie nicht mehr als zwei Laute synthetisieren
und kommt so nicht zu einer Wortvorgestalt,
die ein sinnvolles Wort nahe legt. Deshalb
assoziiert sie schließlich zu dem Wort „sie”,
das die Lehrerin ihr als semantische Hilfe
anbietet, das Wort „sind”, was zwar semantisch und syntaktisch passen könnte, aber
nichts mehr mit der Wortvorlage zu tun hat.
Dr e i Mona te später steht sie noch ähnlich
hilflos vor der Leseaufgabe. „Uta u nd ruft“
(G1b) lie st sie spont an. Aber bereits bei Opa
schweigt sie erst m al, so, wie sie viele Wör ter
mit Schweigen und Seufz en b eginnt. Na ch wie
vor erschweren Buch stabenu nsicherheit und
d as Bu chsta bieren (pe, es, ka) die Synthese.
Ab er sie versuc ht inzwischen häu figer, die
Hilfe n in ihre Worte rarbeitung e inzubeziehen.
In der dritten Klasse hat Isa mit den sprachlich anspruchsvolleren Texten noch große
Schwierigkeite n. Ihr e sc hwach e ntwickelt e
Sprachkompetenz lässt sie bei unbekannten
und weniger leicht vorhersehbaren Wörtern
versagen: Sie schaut nicht genau hin, rät
her um und bietet Pseudowörter an, sie achtet
auch nicht auf semantische oder syntaktische
Zusammenhänge.
Ein Schulja hr spä t er ge ht sie selbstb ewusst er an d ie Leseaufga be heran. Die Texte
der Lesestu fe vier übe rfordern sie , eine G3Geschichte schafft sie zwa r m ühsam , br au cht
ab er nur w enige Hilfen. Tro tz sp ürbarer
Lernfortsch ritte b leibt Isa eine schwa che
Leserin, we il ihr Problemlöseverhalte n ehe r
ge ring ist und sie nur wenige Str at egien zu r
Verfügung hat.
Jen s schafft beim e rste n Du rchgang nur 28
Proz ent de r erreichbar en Pu nkt e und w ir d der
Kate go rie „ se hr schwach” zugeor dnet. S eine
Vorgehensweise unterscheidet sich a ber von
An fang a n sta rk von Isas Lesebemühungen.
Es fällt au f, d ass seine Zugriffsweisen
vielfältiger sind als bei Isa. Auch Jens buchstabiert (pe, es, ka, ha). Er kann sich gut semantisch orientieren (auch mit Hilfe des Bildes).
Seine Vorgehensweise ist dennoch oft schwer
zu analysieren, da er manchmal die Reihenfolge der Laute durcheinander bringt, oft rät
(sehr starke Ratetendenz), oft Fehler selbst
bem er kt und wiede r neu a nsetzt, manchmal
Sc he inlösu ngen anb ietet , d ie m it de r
Wortvorlage kaum noch etwas zu tun haben.
Auf fallend ist seine In itiat ive, sich imm er
wiede r neu auf den Ve rsuch e inzulassen. M an
ge winnt den Eindru ck, e r jonglie rt mit d en
Buchst abe n (Reihenfolge ist zweit rangig), b is
er eine akzep table Lösung gefunden h at.
Im zweiten Durchgang, im April der Klasse
2, hat Jens schon gute Fortschritte gemacht.
Die Geschichte G1a schafft er mit nur drei
Hilfen, zehn der sechzehn Wörter liest er
spontan richtig. Bei der Wörterliste hat er
noch größer e Schwierigkeiten, weil er sich
nicht am semantischen Kontext orienti eren
ka nn, sonde rn sic h auf jede Wor tstruktu r neu
einlassen mu ss. Dabe i ze igen sich seh r gut
se ine vie lfältigen Zugriffsweisen.
Zu r Verd eutlichun g fo lgen
Verschriftungsbeispiele:
Geschichte G1a:
h ier
zw ei
Jens‘ Lesen erlaubt einen guten Einblick in
seine Strategien, da er alle Zwischenüberlegungen und -schritte laut äußert. Mit dem
langen Wort „Bilderbuch” kann er spontan
nichts anfangen. Auf den Impuls der Lehrerin
fängt er klein an und erarbeitet sich den
Wortt eil „bilder”. De n geratenen Wortteil
„b är” verwirft e r selbst w ied er. Die D -bVertauschung wird von der Lehrerin korrigiert. Nun experimentiert er wieder: bil, bul,
buch – und kommt zum richtigen Ergebnis.
Bereits im Februar Klasse 3 kommt Jens
allein zurecht und braucht keine zusätzliche
Förderung mehr. Seine „Verlesungen” sind
fast immer semantisch akzeptabel. Inhaltlich
nicht stimmige Falschlesungen bemerkt er
meistens selbst und kor rigiert sich selbst.
In Klasse 4 ist Jens ein so sicherer Leser,
dass er selbst mit schwierigen Wör tern, die
n icht seinem aktiven Wortschatz ent sp rechen, problemlos zurechtkommt (Beispiele:
Zylinder – Kopfbedeckung).
Die beiden Beispiele von Isa und Jens steh en für zwe i u ntersc hied lic h v erlau fe nde
Ler nentw ic klungen. Be i de r Lä ngsschnitt un tersuchung
de r Lesele rnentwicklung
Hamburger Grundschulkinder hat sich die
These v ielfa ch be stätigt, da ss Kinder m it
einem aktiven Pr oblemlöseverhalten wie Jens
eine günstige Prognose haben in Bezug auf
ihre weitere schulische Entwicklung, während
Kinder wie Isa, die beim Leselernprozess über
n ur we nige Str at egien v er füge n (Lau te
ge dehnt zusamm en ziehe n u nd Ga nzwo rtr aten ), vora ussic htlich langsa m Lernende
b le iben und lä nger frist ig professionelle
Unterstützung benötigen.
Zu Je ns’ Förder un g nac h seine m sehr
schwachen Leseer gebnis in Klasse 2 seien
einige För derhinweise genannt, die auch in
der Handreichung der HLP nachzulesen sind:
Jens sollte sich aus einem Angebot von
Büchern solche Texte heraussuchen können,
die für ihn persönlich besonders interessant
sind (Jens hat z.B. eine Vorliebe für Autos).
Die Texte sollten kurz, einfach geschrieben
u nd klar gegliedert se in sow ie m öglic hst
Bilder enthalten, um die Sinnentnahme zu
erleichtern.
Die Lese för derung sollte in mö glichst
r uhiger Atmosphäre in einer Kleinstgruppe
oder allein mit der Lehrerin, aber vorläufig
nicht im Klassenverband stattfinden. So hätte
Jen s die M öglic hkeit, bei sch wierige n
Textpassagen Hilfe anzuforder n. Jeder Konkurr enzdruck beim Lesen ist zu ver meiden,
damit Jens nicht in Hektik gerät.
Zur Überwindung rein assoziativer Hypothesenbildungen sollte Jens bei schwierig zu
erlesenden Wör tern den Inhalt des bisher
G elesenen wied er gebe n u nd Vermutungen
über den Fortgang des Satzes bzw. der Geschichte äußern. Um die Aufstellung angem essene r H ypo t hesen zu ü be n, k ön nen
Kinder in einer Kleingruppe auch regelmäßig
beim Vorlesen einer Textpassage innehalten
und von den Partnern Vermutungen über die
Fortsetzu ng anstellen lassen. R eiz voll sind
au ch Tex te m it t eilweise abgedec kten
Wör tern, bei denen zuerst die Sinnerwartung
geäußert und anschließend anhand der aufgeklappten Textstelle überprüft wird. Zum
vorlagegetre uen Erlesen könn en eb enso
schr ift liche Hand lungsanw eisu ngen oder
Rätsel motivieren, die allerdings ohne Zeitdruck bearbeitet werden sollten.
Je ns so llte üb en, be i lä nge ren u nd
schwierigen Wörtern, die er noch in mehreren Teilschritten erlesen muss, selbstständig
kleinere Einheiten zu bilden.
Lesen und S chr eiben sollte n auch im Förderunterric ht ste ts m ite ina nde r ver bund en
werde n, au ch um d ie G elä ufigkeit be im
Zusam menschme lzen me hrerer Laute u nd
beim Erfassen häu figer Buchstabenver bindungen zu er höhen. So sollte Jens eigene kleine
Sä tze mit Bu chstaben- und/ ode r Wortkarten
legen, seinen Entwurf lesend überp rüfen und
anschließ end a bschre iben. Die s wir kt auch
gegen seinen impulsiven Arbeitsstil.
Bei Kindern wie Isa muss von längerfristigen Problemen beim Lesenlernen ausgegangen werden. Der signifikante Unterschied zu
Je ns ist ihr e ma ngelnde Anstr engungsbereitschaft und somit vermutlich auch ihr
mangelndes Selbstwertgefühl. Sie muss vor
a lle m motivier t w er de n, dass erst ens d as
Lesen etwas für sie Bedeutsames sein kann
und dass sie zweitens Hilfe anforder n kann
und dass d er Erfo lg ganz sic her ist. Da zu kö nnten u.a. folgend e Angebot e h ilfreich sein:
Das Ziel der Förderung ist es, Isa die Erfahrung zu vermitteln, dass sie selbst in der
Lage ist, Phonem-Graphem-Beziehungen zu
entschlüsseln und Bedeutung aus Schrift zu
rekonstruier en. Da sie sich bisher noch vollständig auf andere verlässt, müssen die Übungen stets für Isa lösbar sein, damit sie selbstständig zum Erfolg kommen kann.
Isa sollte zu folgenden schriftsprachlichen
Übungen angeregt werden:
• In ihr er Alltagsum ge bung Sch rift a ls
Bedeutungsträger erforschen (z.B. Logographeme sammeln und entschlüsseln, einfache Wörter finden und lesen: Taxi, Post,
Toto ...).
• Wör ter mit sehr einfacher Struktur, mit nur
wenigen verschiedenen Buchstaben und
möglichst eindeutige r Kontext bindung erle sen . ( Be isp iele: Einf ac hste Heft e de r
„Regenbogen-Kiste“ mit Bild und nur einem Wort pr o Seite, Spiele wie „Gezinktes
Memory“ – auf eine Bildrückseite wird der
Anfangsbuchstabe geschrieben - ,in denen
der Sinnbezug eindeutig ist.
• Su bstit ution süb unge n m ach en, u m die
Phonem- Graphem- B ez ie hun gen z u klä re n (z.B. Mama – Lama, Maus – Laus, Hose
– Dose – Rose).
• Mit wenigen bekannten Buchstaben neue
Wör ter legen und lesen.
• Kle inst e sc hriftliche B ot schaf te n o de r
Briefchen mit Klassenkameradinnen und
-kameraden oder der Lehrerin tauschen.
In Einzelsitua tio ne n sollte I sa vie le
(lustvolle) Leseerfahrungen machen:
• Die Lehrerin liest vor, wobei Isa bei der
•
•
•
•
Bu c hauswahl mit einb ezoge n werden
sollte.
Die Lehrerin liest sehr langsam vor, wobei
Isa die Wörter mit den Augen verfolgen
soll.
Die Lehrerin liest sehr leise und synchron
mit Lisa – sie unterstützt nur und verstummt bei leichteren Wör tern.
Isa wird er muntert, leichte und schon einmal geübte Textstellen auf Tonband zu
lesen . Da s a nschlie ße nde Ab hören des
Gelesenen soll Isa vom Wert des Übens
überzeugen.
Sie sollte ein eigenes Tonband (mit ihrem
Nam en) e rh alt en und so ihre Le se fortschritte selbst überprüfen und dokumentieren können.
Empfehlenswert für Isa wäre auch das
Material von Bernd Ganser (Hrsg.): „Damit
hab ich es gelernt!” (Auer Verlag 2001). Das
Buch enthält viele Kopiervorlagen und Anre gungen zu den sich nach und nach aufbauenden Stufen des Schriftspracherwerbs und
motiviere nde Anr egu ngen (oft in sp ie ler ischer For m) zu selbstständigem Handeln und
z u Par tner- und Gruppe nspiele n. Unter
Anleitung der Lehrerin – aber auch selbstständig in einer Kleingruppe könnte Isa nach
u nd nach zu den an gebotene n Them enschwerpunkten arbeiten:
•
•
•
•
Lesen/Rechtschreiben: alphabetische Stufe
Rechtschreiben: orthografische Stufe
Rechtschreiben: morphematische Stufe
Lesen: orthografisch-morphematische
Stufe
• Rechtschreiben: wortübergr eifende Stufe
• Lesen: Stufe der Sinnentnahme.
Gerade für Kinder wie Isa mit Lese- und
Schr eib schw ierigke iten w ur de das P rojekt
„Wege zu Schrift und Kultur” entwickelt, bei
dem über das Gestalten von Bildvorlagen
(Schreibanregungen) hin z um schr ift lich en
Verfassen eigener Gedanken Sch reibblockaden
überwunden werden können. In den Anfängen könnte man bei Isa ältere Schülerinnen
(oder die Lehrerin) als „Schreibhilfe” einsetzen, die Isas Gedanken zu Papier bringen.
Nach und nach wird Isa in der La ge sein, selbst
klein e Gesc hich te n zu ihr en Bildern z u
schreiben und sie ihren Klassenkameraden
vorzulesen. Dies ist ein vielfach erprobter
Weg, emotionale Hemmschwellen zu überwinden und das Lesen und Schreiben als
etwas für sich selbst emotional Wichtiges zu
empfinden und zu erleben.
(Hierzu: G. Rabkin: „Schreiben – Malen –
Lesen”, „Der Engel fliegt zu einem Kind”,
„D ie schö ne Hexe ”, er schie nen im Klett
Verlag.)
Die Hamburger Leseprobe erscheint im Eigenverlag und ist über die Autoren erhältlich:
Dr. Peter May, Fax: 040 / 43 27 15 43, [email protected], Internet: www.peter-may.de
Helga Arntzen, Fax: 040 / 279 45 95, E-Mail: [email protected]
In den Beiträgen zum Sachunterricht und
zum Mathematikunterricht wird übereinstimmend gefor dert, dass die Kinder so früh wie
möglich an das Lesen als Möglichkeit, Informationen kennen zu ler nen und zu entnehmen, herangeführt werden.
Die Kinder erhalten einen für sie inter essanten Auftrag mit Aufforderungscharakter,
dessen Lösung sie finden können, wenn sie
einen dazu vorhandenen Text entschlüsseln
und die darin „versteckten“ Angaben aufspür en. Dabei werden sie je nach der Aufgabenstellung und je nach Alter mit unterschiedlichen For men des Decodierens konfr ontiert.
Von anfänglichen Bildsymbolen und deren
Sinn geht es über das Deuten von Plänen und
Skizzen weiter zu Lesekarteien und Bastela nleitungen b is hin zu fac hge bu ndene n
Tex te n m it Fachwö rtern , die m it un terschied lic hen Lesest ra te gien (z .B . orie ntie rend es Lesen, se lektives Lesen) erschlossen wer de n. Hier be i gilt von Anfa ng an der Grundsat z, d ass Kin de r selbst tätig w erd en , d ass
s ie i hr e Auf ga be a l le in e rlesen. Sich
Le se hil fen bei M it sch üler n o de r der
Le hrk raf t zu ho len so ll n ur ei ne nac hr angige M öglic hkeit se in.
Die Anb ahnung de r notwend ige n Le sekom pete nz de r Kinder wird zusä tz lich gestä rkt dur c h ei ne l esef örd e rlic he Ausst at tu ng de r Schule, die zugle ich Int er essen
de r Kin der b er ücksic htigt und weck t, sod ass
die Er schlie ßu ng un ter sc hied lich er Texte
de n
Kinde rn zu m Bedü rfn is w ir d.
Anschließ end lerne n sie syste ma tisch
v ielfä ltige Textsort en ke nnen und be kom me n ge zielte S tr ategien zur Ent sch lüsselung
d er e inzelnen Textformen a n d ie Hand .
Wenn wir uns wegen der Pisa-Ergebnisse
neu orientieren und die Leseförderung viel
stärker und auch viel strukturierter auch im
Unter richt dieser Fächer als unsere zentrale
Aufgabe annehmen, so kann die Bedeutung
d es Lesens un d des Le se ver st ehe ns seh r
aufgewertet werden.
Aber ist der oben aufgezeigte Weg wirklich
so für alle Kinder gangbar?
Überlegen wir uns do ch e inma l, w elc hes
Bild vom Kind diese m Konzept d er Leseförder ung zugr unde liegt:
• Es ha nde lt sich um Kind er, die Tex te lesend
entziffern und sinnerfasse nd lesen könne n,
e ven tu ell no ch nicht im me r ohne
Schwierigkeiten.
• Es ha nde lt sich um Kind e r, die üb er e ine
gut a usgebildete S pr achfähigkeit in de r
Alltagsko mm un ikatio n u nd spät er in de r
S ch riftsp ra ch e ve rfü gen, sod ass sie sich in
Sacht ext e in d e r M athem at ik un d im
Sachunterricht selbst st än dig einlesen kön nen.
• Es ha nde lt sich um Kinde r, de nen die
Inha lt e der Texte entweder vertraut sind
oder, falls sie neu sind, für die Kinder doch
sinnvo ll in das bei ihnen vor handene
Wisse n e inz uor dnen sind.
• Es handelt sic h u m Kind er, d ie zur Texterschließung hau ptsächlich in die in Texten
e nt haltenen Fachbegriffe eingeführt werden
und nu r die sachgerechte Verwendu ng de r
Fachwörter einüben m üssen.
• Es hande lt sic h schließ lich u m Kinde r, d ie
Interesse für d ie M ensc hen und die Dinge
in ihre r Umwelt und ih re Zusa mm en hänge untere inan de r ze igen u nd sich
weiter e
I nfo rm ation en da zu le send erobern m öcht en.
Kurzum : Es han delt sich um Kind er, de ren
M utte rsp ra che Deutsch ist und die im
Normalf all die notwen dige a lter sge mä ße
Sprac h- und S achkom pet enz in dieser S prache
besitzen.
De shalb be zieh t sich die Aufga be der
Lehrkräfte hauptsächlich auf die Vermittlung
de r fa ch lic hen Inhalte und nu r in dem Maße
auf die sp rachlic hen Inhalte, d ie ü ber die
alte rsangemessene Spr ache hinausgehen, wie
dies eben m eiste ns für den Fac hw ortschatz
od er d ie Fa ch sprache (mit ungewohnt en Satzstr ukturen , wie z.B. komplizie rt en Passivkonstruktionen) gilt.
I n u nse re n S c hule n h at je do ch je de s
drit te Kin d ein en M igratio nshinte rgrund.
Das bedeute t, es wä chst even tuell nicht o der
nicht nur m it der d eu tschen S prach e auf .
Wen n es da s d och tu t, so kan n da s trotzdem
be deute n, d ass e s die de utsc he Spra che in
ein er and er en We ise b eherrscht als die einspr achig d eut sc h auf wac hsende n deu tsch en
Kinder.
• Es handelt sich um Kinder, die Texte lesend
entziffern und gut, teilweise oder gar nicht
sinnerfassend lesen können.
• Es handelt sich um Kinder, die über eine
sehr unterschiedlich ausgeprägte Sprachfähigkeit in der Alltagskommunikation verfügen. Ihr Verhältnis zur Schriftsprache ist
eventuell noch gar nicht angelegt worden
oder ist gering, sodass sie sich in Sachtexte
in der Mathematik und im Sachunterricht
nicht unb ed ingt selbststä ndig ein lesen
könne n, selb st w enn sie daran großes
Interesse haben.
• Es hand elt sic h u m Kinder, d ene n die
Inhalte der Texte nicht ver traut sind oder
die sie nur mit Zusatzinformationen sinnvoll in das bei ihnen vorhandene Wissen
einordnen können.
• Es handelt sich um Kinder, die zur Texterschließung zusätzlich in die in Texten
enthaltenen Fachbegriffe eingeführt werden und außerdem die sachgerechte Verwendung der Fachwörter einüben müssen.
• Es handelt sich um Kinder, die Interesse für
die M enschen und die Dinge in ihr er
Umwelt und ihre Zusammenhänge zeigen
und sich weitere Informationen dazu le send erobern möchten. Das Verhalten der
Menschen in ihrer persönlichen Umwelt
kann sich jedoch erheblich unterscheiden
von dem der Menschen, die in deutschsp ra chigen Te xten prä sentiert wer den.
Au ch kö nnen D inge vo rk omm en, m it
denen diese Kinder noch wenig in Kontakt
gekommen sind. Um die richtigen Zusamme nhänge he ra usfinden z u k önnen,
brauchen sie die informierende Begleitung
durch die Lehrkraft.
Die Aufga b e de r Lehrkr af t, die Kinde r mit
ei ner a n de re n Er stsp ra che a ls De utsc h
unterricht et , ist also z wingend vie l kom pl ex er a ls be i ein spra c hig d eu t sc h Aufwachse nden. S ie be steh t imm er in einer
sp ra chli ch en ,
f ach sp rac hl ich e n
un d
inhalt lic h- sa chlic hen Hinf ühr ung z um
Le se the ma a ls Vo ra usset zung für di e
Ent wi ck lun g v on Leseko m pete nz in de r
Zweitsp r ac he Deu tsch.
Währen d im D eu tsch u nter rich t d ie
sprachliche u nd die inh alt liche Ebene im
M itt elpun kt de r Ause ina nde rset zu ng mit
dem Te xt f ür a lle Kind er gleic herma ße n als
Ar be itsauf tr ag steh en, auch wen n da be i die
andersart igen Vor bedingu ngen de r Kind er
mit e ine r ander en Erstsp ra che als Deutsch
n icht vorra ngig gesehe n we rden, so ist bis
jet zt de r U nte rr ic ht in d en an dere n Fäch ern
hauptsä chlich abge st imm t au f die Sa che
und a uf n eu e fa chg ep rä gte sprac hli ch e
Ausdr uc ksweisen . Er m üsste in zune hme ndem M a ße die gesam te ve rwe nde te S prac he
de r Texte in de n B lick nehme n u nd de ren
kulture lle S ac hinf o rm at io nen de ut lic h
ma ch en, d amit Kin de r, deren Erstsprac he
nicht D eutsc h ist , nich t nur lesen , sond e rn
auc h zum Leseverste he n komm en könn en.
Die von der Lehr kra ft ausgeh end e Sp ra chstrukturierungs- und Infor ma tio nsa rb eit wird
ab er nur a uf d as e ingeh en können, von de m
sie auf Grund ihres eigen en Wissens a nnimm t, dass Kinder mit e iner and er en Erstsp ra che als Deutsch Hilf e brauchen. D a diese
Kinder in ihr en Sp ra ch- und Sacherfahr ungen a ls ein e sehr he teroge ne Gru pp e anzu sehen sind, wird e s der Le hrkr aft sc hwe rlich
gelinge n, alle Be dü rfnisse der Kinder z u
er kenne n und au f sie einzugehe n.
Kurzum: Es handelt sich um Kinder, deren
Lesefähigkeit genauso ausgebildet ist wie die
ihrer deutschen M itschüler, d eren Sprach kom pe tenz a ber in unterschied liche r Weise
and er s au sge bilde t sein ka nn u nd de ren
Sachkom pe te nz gleichfalls anders ausger ichtet
sein kann und nicht unbedingt gepr ägt ist vo n
der d eutschsprac hige n Umwelt.
Be i diesen Kin dern sind Lese nkö nnen
u nd Leseve rste hen zwe i unt ersc hiedlic he
Bereiche . Le se nkö nnen ist erst einmal d er
Leseproz ess u nd sch lie ßt nicht a utom atisc h
d en Verstehenspro zess m it ein. Die
Annah me d er Lehr kräf te , dass ein Kind na ch
a b geschlo ssene m Lese le rnpr oz e ss und
etlic her Übu ng a uch gu t verste hen kann,
was es gu t lesen od er vo rlesen kann, hat für
z we ispra chig au fw achse nde Kind er ke ine
allgem eine Gü lt igke it und ist ind ividue ll zu
übe rprüfen.
Deshalb ist es besonders für diese Kinder
wichtig, Strategien zu erlernen und zu benutzen, mit denen sie sich selbst und der Lehrkr aft gez ielt signalisieren kö nnen, wo ihr Leseverstehen eine Hürde nicht ne hmen ka nn. Der
Umgang m it so lc hen Erschließungsstrate gien
ergibt sich nicht einfach durch das Tun, sondern muss sorgfältig eingeführt und eingeübt
werden, damit er für die Kinder zur Selbstverständlichkeit wird. Sie lernen, ihre eigenen
Leseverstehensprobleme zu erkennen, wählen
passende Lesestrategien aus und wenden sie
sinngemäß an. Schon bevor der Leselernprozess einsetzt, kann die Lehrkraft durch
Vorle se n vo n Tex ten gemeinsam mit d en
Kindern Tex te rschließ ung mit St ra teg ien
betreiben.
So pla nvoll a n e inen Tex t heranzu gehen,
er gibt jed oc h nur e inen Sinn, wenn d ie
Kinder gleichzeitig lernen, Fragen zu stellen,
dort nachzufragen, wo sie bei der Arbeit feststellen müssen, dass sie etwas nicht oder
nicht sicher wissen. Fragen will auch gelernt
und geübt werden und kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt wer den. Es fällt
vielen Kindern schwer, Unsicherheiten oder
Nichtwissen zu artikulieren.
• Das Fragen kann am me isten fru chte n, wenn
die Lehrkraft d en Kindern zu ver stehen gibt,
dass sie d en Wert des Fragens sehr h och einschätzt.
• Auf alle Fragen der Kinde r zum Text wir d
sorgfältig eingegangen.
• Der Lehrkra ft ist bewu sst , da ss die Kinder
nicht immer ge nau wissen, was sie siche r wissen und was sie nic ht wisse n, wo sie a lso frage n sollten.
• Bei schwe r zu verstehenden Fr agen versuch t
die Lehrkraft he rauszufinden, worum es geht,
um eine passende An twort geben zu könne n.
• Alle Fragen zum Text werden als berechtigt
angesehen, auch wenn sie schon in anderer sprachlicher Form gestellt und beantwortet wurden.
• Sprachliche Entdeckungen mit Nachfragen
werden von de r Leh rkraf t b ewusst zur
Kenntnis genommen und kommentiert.
• Fragen zu Wort- und Satzbedeutungen werden ausführlich besprochen und eventuell
mit Beispielen und Übungen verdeutlicht.
Das Prinzip des selbst entdeckenden und
selbstst än dige n Ar beiten s w ird durch das
Prinzip des Nachfragens nicht aufgehoben,
de nn gezie lte Fra geste llun gen e rfor dern
selbstständiges Durchdenken eines Problems
und zeigen das eigenständige Arbeiten einer
Zweitsprachlerin oder eines Zweitsprachlers
an ihr em oder seinem Leseverstehensprozess.
Schon durch die Ar t der Textpräsentation
kann die Lehrkraft viel zur Textentlastung
beitragen. Einige solcher Strategien seien hier
genannt:
• Klein geschriebene Text e kön nen ver größert
und in deutlich gegliederte Abschnitt e
eingeteilt werden.
• Die einzelnen Textreihen wer den beziffert.
• Schlüsselwörter aus dem Text werden, als
Poster gestaltet, zum Text hinzugefügt.
• Das Fachvokabular wird durch Fettdruck
oder Unterstreichung herausgehoben.
• Fragen, die die Textproblematik erhellen,
werden mit dem Text ausgegeben.
• Texte werden zuerst in einer vereinfachten
For m gelesen und anschließend in der
Originalform bearbeitet.
• Texte werden mit Bildmaterialien versehen, sofern sie keines enthalten.
• Texte werden vorgelesen, bevor die Kinder
selbst lesen.
• Texte werden von den Kindern gelesen und
dann den Kindern vorgelesen.
Kind er m it einer a nderen Er stsp rac he a ls
De ut sch lese n ge nauso gu t und ger n wie
ihre de ut sc he n M its ch ül er in ne n u nd schüler, we nn ihr e Spra ch- und Sac hkomp et en z ihnen da s sinne rfa sse nde Le sen
ermöglic ht. Le sen o hne die anschlie ßende
M öglichkeit der Sinnen tn ahme aber demotiviert n ach ha lt ig. We nn zw e isp ra ch ige
Kind er m erke n, d ass sie v er ste hen , worum
es ge ht, u nt er nehm en sie auch bereitwillig
Anstreng un ge n. Di e Lese au fgab e kann
anspruc hsvoll se in. Die Kinder st ellen sich
ihr, solange sie da s Ge fühl haben , dass sie
erlerne n kö nne n, wa s sie f ür d ie Auf gabe
b ra uc hen. Wen n Ki nder ab e r zu d er
Überzeugun g ko mm en, d ass e s a n ihnen
liegt , dass sie z u dumm sind, dann hab en
wir sie als Le se r ver lor en!
Inge Büchner / Heiko
Balhorn. 2003.
„Textverständnis ist schwer
zu haben.“ In: Grundschule
Sprachen 09, „Sache und
Sprache“, Kallmeyer.
Richard Meier. 2003. „Die
Sache (auch) durch die
Texte erschließen.“ Ebenda.
Helga Meier / Michaela
Hein. 2003. „Sachtexte
gezielt nutzen.“ Ebenda.
Es ist das Anliegen dieses Beitrages, auf
Unterrichtsbeispiele hinzuweisen, die gleich zeitig zum informativen Lesen anregen, die
Schülerinnen und Schüler über einen relativ
langen Zeitraum so konsequent und kontinuierlich im Gespräch über Gelesenes fesseln und die zur Auseinandersetzung mit
einer Problemstellung aus der Mathematik
anregen.
Eingefügt sind kritische Anmerkungen
von M. Grell, die aus der Sicht der Expertin
für De utsc h a ls Zwe itspr ac he (DaZ) Ler nhür de n im P rozess de r Entw icklun g d er
Lese ko mp etenz im M athe ma tiku nt er richt
exemplarisch aufdeckt.
Die d or t angege be nen Ziffern ver weisen
au f die ange sproc hene Them atik in den
Ka pit eln d ieses B eit ra gs, sodass e in schn elle s
N achlesen m öglic h ist.
(DaZ = Deutsch als
Zweitsprache):
Die Inhalte, für die man das
Interesse der Kinder
erwar tet, müssen für Kinder
mit einer anderen
Erstsprache als Deutsch ver ständlich sein, sonst können
sie ihr Interesse gar nicht
zeigen. Es kann aber auch
wegen der unterschiedlichen
kulturellen Lebensumstände
vorkommen, dass DaZKinder an anderen Dingen
inter essiert sind, als die
deutsche Schule es von ihnen
erwar tet (s. Kap. 1.2).
Informa tives Lesen ler nen Schü ler inne n
und Schüler am besten durch Übungsfor men
zum
• „orientierenden“ Lesen, um sich über den
Sachverha lt e inen Über blick zu versch affen,
• genauen Lesen, um Beziehungen zwischen
Textaussagen herzustellen,
• se lektiven Le se n, um für die Problemlösung die we sentlichen Info rmationen
herauszupicken,
• krit isch en Lesen, u m t e xt im ma nente
Widersprüche, aber auch solche zwischen
Textaussage und eigener Er fahrung zu entdecken,
• produktive n Le sen, u m mit den I nformationen zu operieren,
• „worterschließ enden“ Le sen (Kle inschmidt),
um z.B. die Bedeutung von Fachbegriffen
zu entschlüsseln,
• rückversichernden Lesen, um sich eines
neu en Sa chve rha lt s z u ve rgewissern
(Erichson 1993, S. 18, Schipper 2000,
S. 195).
Lehre rinne n u nd Lehr er sollten auc h
ungewöhnliche Wege nutzen, um Kommunika t ion und In terakt ion im M at hem at ikunterric ht anzu re gen. Es muss nicht eine
umfassende Erzählung oder eine Ganzschrift
sein, die zur Auseinandersetzung mit mathem atisch en Pr ob le men e in lädt. Au ch eine
kurz e Episode aus einer G eschic hte, eine
Lesekar tei, eine Bastel- oder Bauanleitung o.Ä.
können Sinn stiftende Leseanregungen sein,
die zum Mathematisieren auffordern.
Im Rahmenplan Mathematik ist gefordert,
die Le sekom petenz der Schülerinne n u nd
Sc hüler zu fö r dern u nd zu fo rder n u nd
Leseanlässe zu gestalten.
In de r Einbindung von Au fgabenste llung en zur Le sekom pe tenz im M athematikunterric ht ver birgt sic h jedo ch d ie
Gefahr, m ath ematische Inh alt e zu verschleiern. N eben der The ma tisier un g von
bewusstem Textumgang ist unbedingt darauf
zu achten, dass der eigentliche mathematische Gehalt nicht verloren geht. Lehrerinnen
und Lehrer sollten Möglichkeiten im Umgang
mit Texten im Mathematikunterricht erkunde n, sie m it B edac ht nutzen un d ihren
Einfluss a uf die P ro zesse inne rha lb d es
Unterrichts geltend machen.
In vielen Mathematik-Lernbüchern für die
Grundschule gibt es eine Fülle von substanzlosen Aufgaben, bei denen sich Kinder nach
dem Erlesen des Textes fragen: „Was gibt es
hier zu rechnen? Verstehe ich nicht!“ Eine
Aufforder ung zum erneuten, genauen Lesen
hilft hier nicht. Die Kinder reagieren mit
Orientierungslosigkeit. Will man Kinder anregen, etwas zu durchschauen, zu begreifen,
muss man ihnen Inhalte anbieten, die ihr
Interesse wecken.
Es mü sse n Sc hüle rinnen und S chü le rn
Aufgaben angeboten werden, in denen es
nac h dem Erle sen f ür sie (nic ht für d en
Mathematikunterricht) etwas zu ber echnen
gibt.
Aufgaben zum Entdecken, Argumentier en
und Begründen sind in vielen Unterrichtswe rk en bisher in de utlic h g er inge r Za hl
vertreten. Häufig handelt es sich bei den
Sachaufgaben überwiegend um eingekleidete
Aufgaben. Die Aufgabeninformationen sind
in Bild- o de r Textfor m da rge st ellt, sodass
generell e ine ma thematisc he Mo dellierung
auf der Basis einer textlich und/oder bildlich
dargestellt en Situ ation zu leist en ist . Das
Bearbeiten erfor dert von Schülerinnen und
Schülern be stimm te Kom pe te nzen: Einsatz
von Faktenwissen, einfache mathematische
Begriffe , F ertigkeite n, St an dar dverfahren,
Zu sam menfügen m ehr erer be kannt er rech-
nerischer oder begrif flicher Lösungsschritte
o der Lösun gsele ment e zu ein er Ge sa mt lösung; schöpferisches Denken zur Überwindu ng v on Barriere n b ei problemhaften
Aufgaben.
Das „Anwen den“ von M athe matik au f
außerma them atisc he Situationen so ll n icht
a uf das Lösen einfac her Rec hen aufga be n
b eschränkt werden. Ein allgemein bilde nder
Mathematikunterric ht mu ss au f die Entw icklu ng d er M od ellie rungsfähigkeit von
S ch üle rin nen und S chüle rn ausgericht et se in.
Zu ve rfolgen ist ein Bünd el kom plexer ko gnit ive r Pro zesse, in dem etwa aus der ge gebe nen
textliche n Präsentation d er Situ ation zunächst
ein Verständnis der Sachsituation gew onn en
u nd die zu grunde liege nd e Sachstruktur b zw.
ein Realmodell herausgeschält we rden kann
(W inter 1 995) . In der Pha se de s M athe matisierens wird d ie Sa chstruktur da nn in die
Spr ac he der Mathemat ik üb erse tzt.
Hierfür er weisen sic h Auf gaben mit authent ischen Informa tione n a ls besonde rs ge eignet,
die Info rm ationen kritisch zu hinterfragen
u nd die Daten r echnerisch z u über pr üfen:
Zeitu ngsausschnitte, Quittungen , Kalen derblätter, Tabelle n, Au sschnitte au s d em
G uiness-Buch de r Rekor de, Sa chte xte u .v.m.
Beit ra g zur Au seinand erse tz ung m it dem
mat he ma tische n The ma „Lä ngen und
Längenmessung“, lädt ein zu einer handlungsorientierten Unterrichtseinheit mit dem
Ziel d er geme insame n Ent de c kung de r
nor mierten Maßeinheiten. Die mathematischen Aufgabenstellungen (Lesen – Problem –
Handeln – Reflexion), die sich im Leseprozess
stellten, sind hier beispielhaft vorgestellt:
Authentische Inhalte sind nur
gut zu verwenden, wenn sie
sich für alle Kinder als
„authentisch“ erweisen und
auch von allen verstanden wer den können (s. Kap. 1.2).
Lehrerinnen und Lehrer sind
aufgefor dert, „sinnleere“
Sachaufgaben aus Schul büchern so zu verändern, dass
daraus „sinnvolle“ Aufgaben
entstehen, die Kinder zum
Lesen anregen und über deren
Sachverhalt Kinder sprechen
möchten.
D ie Geschicht e de r HEXE ZENTIM O SI A
(Simone Reinhold), ein Leseanlass in einem
zweiten Schuljahr als fächerverbindender
Abb. 1: Zwei Messergebnisse der Kinder.
Wer hat richtig gemessen?
Schon die Überschrift des Textes
w eist auf seine „Schw ierigk eit“
hin. Das Verb „brodeln“ hat
eine Wortbedeutung, die auch
für einsprachig aufwachsende
Kinder nicht bekannt sein m uss.
Die Geschichte ist dann auch in
einer gehobenen Schriftsprache
verfasst, die mit dem Gebrauch
des Präteritum s, der Verwen dung von Satzgefügen mit w ech selnden Konjunk tionen, mit
Adjektiven, die gleichz eitig auch
adverbial benutzt werden, und
m it Fragewörtern und Frage sätzen einen sehr hohen sprach lichen Schw ierigk eitsgrad
aufweist. Hinzu kommt der
Inhalt, der eindeutig kulturell
gebunden ist mit seiner
positiven Darstellung des
Zauberwesens „ Hexe“
(s. Kap. 2, 3, 4).
Gerade Witze und Cartoons
haben eine hohe Bindung an
den Kulturkreis, in dem sie ver breitet werden. Figuren, die in
der deutschsprachigen
Lebenswelt w ie selbstver ständlich in Äußerungen einbe zogen w erden, haben keine
Bedeutung für Menschen in
anderen kulturellen Umfeldern.
Daher sind für sie Tex te mit
diesen Figuren „nur an der
Ober fläche“ decodierbar. Die
Funktion der F iguren muss ein deutig verständlich gemacht
werden, w eil sonst kein Lesever stehen einsetzen kann, das aber
für die Lösung der mathematischen Aufgabe von Bedeutung
sein könnte. Auch beim
Janosch-Rechenbuch sind „die
vertrauten Figuren“ gar nicht
allen Kindern bekannt,
geschweige denn vertraut
(s. Kap. 1.2).
Aus: R einhold, Simone: „Geschichten als
Ko m munikationsa nlass im M at hem at ikunterricht.“ In: Praxis Grun dsc hu le,
He ft 2/ 2002, S. 26-30.
Ein unerschöpfliches Repertoire an authentisc hen Schna ppsc hüssen (Wahr -Nehmung
vo n Infor ma t ione n m it m athem at isch em
Geh alt a us allen Interessensbereiche n d er
Kin de r ) finde t sich in d er S achlit era tu r.
Be sonders ge eignet z ur S t eige r un g der
Lesemotivation sind u.a. Witze und Cartoons.
„Oh, wie schön ist Panam a“ , von Janosch
um gewa ndelt in eine Rechengeschichte, regt zu
Lesebereit schaft und zu Rechenleistung du rch
die Handlungen vertraute r Figuren (Tigerente,
Tiger und B är ) an. Die Einbe ziehung bekannter
und lieb gewordener Figuren u nd die veränderte Textstru ktur (wörtliche Rede , Er zählstil ...)
regen zum Lesen an . Du rch die Einbindung
m at he mat ischer Problem e und durch Bilde r
zum Text wir d das Textve rstä ndnis e rleichtert,
und d ie Kinder werden zu m Lösen de r ma thematisch en P robleme m otiviert.
Franke, M.: „Mit Janosch besser rechnen.“
In: G rundschulunter richt H ef t 10/ 2002 ,
Material 1-6.
Am Ende der Grundschulzeit sollten die
S chüle rinn en und Schüler in der Lage sein, in
Alltagssituationen m athem atisc he Asp ekte und
Beziehungen zu erken nen und d urch Zahlen
und M aße ausz udr üc ken . I hr e Sachrechenfähigkeite n und ihre Lesekom pe tenz beziehen
sic h d abei nicht nur auf reine Textaufgaben,
sondern auch auf die Interpretation von
Diagram men, Sc haubildern u nd Tabellen.
Verschiede ne Bearbeitun gshilfen, z.B. Fragen
stellen, Textstellen unterstr eichen, Skizzen
anfertigen sowie geeign et e Darstellungsformen
zur Präsentation von Lösungswe gen sollt en
bekannt sein.
(in Anlehnung an Radatz u.a. Handbuch für
den Mathematikunter richt 3. und 4. Schuljahr, Kapitel 4: „Sachrechnen und Größen“,
Schr oedel 1999)
D ie folgenden Be ar beitungshilf en wurden
favorisiert, weil sie die Phase des Verstehens
von Sa chsituat ionen o de r Sacht ext en in
besonder em Maße u nte r stü tze n. D ie Anforderungen bei der Arbeit mit Sachaufgaben
steigen im Laufe der Grundschulzeit.
Der Schwierigkeitsgrad im Erfassen des zu
lösenden Problems er höht sich zum einen
dur ch ein erhöhtes Niveau der sprachlichen
Mittel in den Formulier ungen (Steigerung des
S chwie rigkeit sgrad e s d ur ch sp ra chlich e
Gestaltung), zum anderen durch die für das
Lösen des Problems komplexer werdenden
mathematischen Mittel bzw. Rechenschritte
(Steigerung des Schwierigkeitsgrades in der
mathematischen Struktur).
Textaufgaben, die sich in e inem R echenschr itt lö sen lasse n, werden von den me isten
Kindern bewä ltigt . Zusam mengeset zte Textau fgaben e rfor dern je doch mehrere vernetzte
und a ufeinand er a ufb au end e Re chnunge n.
Viele Kinder fühle n sich von d er Komplexit ät
solcher Aufgaben überfor dert. Sie haben die
Erfahrun g ge macht , dass sic h jede Au fgabe
lösen lässt. Za hlen werte werden m anchm al
gemä ß dem Unterrichtsschwe rpu nkt zusamm enhanglos mit einand er verrechnet, ohne
ihren B ede utungsgeha lt zu pr üfen.
Folgende Beobachtungskriterien sollten die
Lehrer inne n un d Lehr er be rü cksicht ige n,
be vor sie differenziere nde M aß nahm en
ergreifen:
„Erz ähle den Inhalt m it e ige nen Worten.
Be gle it e die Erzählun g m it Handlung ode r fer tige eine Skizze oder Tabelle zur Handlung an.“
Es ist sinnvoll, den Kinder n Gelegenheit zu
biet en , e ine n Sac hver halt a us ihrem
Ve rst ä ndnis he ra us ne u zu fo rmulieren.
M ögliche fe hlgede ut ete oder nic ht ver stand ene B egr iff e/ Spra chele me nt e we rden
d eu tlich und kö nne n fü r de n sich anschließ end en M athematisierungsproze ss erläutert wer den. H in zu kom mt , da ss ver schiedene Lernstände der Schülerinnen und
Schüler fordern, Lerninhalte auf verschiede nen Repräsentationsebenen zu durchdringen.
Die Ve rknü pf ung von Text , Sp ra che und
Ha ndlu ng ve ransc haulic ht besond ers für
schwache Schüler den Sachverhalt.
Diese Übungsform dient dazu, sich einen
Überblick über die dargestellte Situation zu
verschaffen. Es gilt, Textstellen als Belege zu
Die angegebenen
Bearbeitungshilfen müssten die
Kinder , insbesondere die DaZKinder , durch die
Mathematiklehrkraft im han delnden Umgang, also auf dem
Weg zur Lösung der Aufgabe
kennen ler nen und einüben.
Nur die Fachkraft kann
entscheiden, was ein Kind an
Strategien für die fachliche
Lösung braucht. Die Fachkraft
muss aber zusätzlich die
notwendigen sprachlich orien tierten Strategien in den
Unterricht einbringen, denn nur
ein Zusammenwirken von
Sache und Sprache kann die
erforderliche Lesekompetenz
aufbauen (s. Kap. 3, 4, 5).
Bei Kindern mit einer anderen
Erstsprache als Deutsch sollte
das Kriterium: „Versteht er/sie
den Text nicht?“ ausgeweitet
werden um die Aspekte: wegen
noch fehlender Sprach kompetenz im
Wor tschatzbereich / im
Strukturbereich, wegen anderer
kultur eller Sichtweise, damit
gezielt ausgeschlossen werden
kann, dass hier eventuelle
Stör ungen für mathematisches
Nichtkönnen vorliegen
(s. Kap. 4, 6).
finden, um die Fakten in den Mittelpunkt zu
rü-cken. Textstellen, bei denen es um die für
die rechnerische Lösung relevanten Aspekte
geht, werden hier nicht behandelt
Durch da s b ewusste Verändern
vo n
Sa cha ufga ben wir d verde ut lic ht, we lche
Angaben wesentlich sind für die Problem stellung. Variation der Sachaufgaben nach
Gesichtspunkten:
• Zahlen, Maßzahlen ändern;
Wie sehr „unscheinbare • Personen, Gegenstände ändern;
Wörter“: „bereits“, „schon“, • Größenarte n ände rn, S achsit ua tion be „noch“, „gerade“ einen
lassen;
Bedeutungswechsel in • Sachverha lt änd er n, ab er d ie f ormale
Aussagen hervorrufen, ist
Struktur beibehalten;
besonders in Fachtexten • Operative Umkehrung durchführen;
gravierend. Wenn nun mehr • „Ausschm üc kung der Sa ch aufga be und
Sprache in den Mathematik umgekehrt Verkürzen“ des Aufgabentextes
unter richt einbezogen wird,
(Wagemann 1991, S. 203).
muss die Sprache von den
Fachkräften auch mehr
beachtet werden.
Spracharbeit kann geleistet
werden, indem die Klärung
von Wort- und
Satzbedeutungen eine zen trale Rolle neben den mathe matischen Lösungswegen
erhält (s. Kap. 3, 4, 5).
Karten mit Elementen einer Sachaufgabe:
Obwohl viele Komponenten ausgetauscht
werden könnten, bleibt die Rechenart erhalten. Es soll deutlic h we rd en, d ass einige
Angaben für den Lösungsweg unbedeutend
sind. Wesentlich ist, dass bei allen Angaben
zu
einer v or hand ene n M en ge e tw as
hinzukommt.
Den Schülerinnen und Schülern werden
bereits fer tige Lösungswege vorgegeben. Diese
sollen sie miteinander vergleichen und in
einer „Strategiekonferenz“ besondere Merkmale herausstellen.
•
•
•
•
•
Ähnliche Lösungswege
Fehleranfällige Lösungswege
Vorteilhafte Lösungswege
Kurze/lange Lösungswege
Richtige/falsche Lösungswege
Es sollen Textstellen als Belege gefunden und
auf das W esentliche reduziert werden, um die
rechnerische Lösung anzubahnen.
Lie s die be ide n S ac hau fgabe n ge nau.
Vergleiche anhand der Unterstreichungen die
Interessen der beiden Jungen. Durch welche
Unterstreic hunge n w ir d eine rechnerische
Lösung vorber eitet?
Die Schülerinnen und Schüler erfahren,
dass die Selektion von wichtigen Textteilen
abhä ngig ist von der dam it verbunden en
Intention: Wenn eine r echnerische Lösung
de s Pr ob lems an gestreb t ist, sind an dere
Komponenten wichtiger als wenn die Ferienerlebnisse zusammengetragen werden sollen.
Das Be zie hungsgef lec ht von Daten kann
b eso nde rs gut in F or m von Lück ent exte n
ange bot en werden. Es m uss durch ge nau es
Le se n herausgefu nde n werden, wie die Lücken
sinnvo ll ausgefü llt we rden können. Es m uss
vom Kontex t auf die Daten ge sc hlo ssen werd en . Er st e ine „Lesekont rolle“ d urch die Sch ülerinnen und Schü ler schließt die Übung ab.
Arithm etisc he Sac hverh alt e kö nnen ge ometrisch veranschaulicht werden. Umgekehr t
werden geometrische Sachverhalte mit arithmetischen Mitteln tiefer durchdrungen.
Ein wichtiges Ziel der Grundschularbeit ist es,
Ref lexionsfä higke it vo n Kin de rn zu en twickeln. Deshalb sollen sie angehalten werden, sowohl ihre Lösungen als auch ihre
Antworten zu überprüfen.
• Passt die Antwort zum Text?
• Passt meine Antwort zu der Frage?
• Zu welchen Fragen findest du Antworten
im Text? Unterstreiche die Stelle im Text
farbig und kreise die dazugehörige Frage in
der gleichen Farbe ein.
Beispiel:
Textunterstr eic hungen und „ Schlüsselwo rt f indu nge n“ die nen d azu, d ie f ür die
Pr oblemstellung wesentlichen Komponenten
her vorzuheben.
Zu welchen Fragen findest du wesentliche
Informa tione n im Text ? Unt er st re iche die
Stelle im Text farbig und kreise die dazugehörige Frage in der gleichen Farbe ein.
Beispiel:
•
•
•
•
•
•
•
•
Mögliche Fragen:
Wer kauft neue Geräte?
Wie viele Geräte werden gekauft?
Warum werden neue Geräte gekauft?
Wofür werden die Geräte gekauft?
Welche Geräte werden gekauft?
Welche Person bezahlt die Geräte?
Wie teuer sind die Geräte zusammen?
Bleibt Geld übrig?
Mögliche Fragen:
• Wie lange dauern die Osterferien?
• Wer ve rbr ingt z wei Woc hen au f de m
Reiterhof?
• Wo sind Nadja und ihre Freundin?
• Wie alt ist Nadja?
• Hat Nadja noch andere Freundinnen?
• Hat Nadja ein Pfer d?
• Wie lange verbringen die Freundinnen auf
dem Reiterhof?
• Wie viele Tage sind Osterferien?
• Wie lange bleibt Nadja zu Hause?
Kinder suchen in Sachkontexten nach dem
„rationalen Ker n“ und schießen dabei auch
manchmal über das Ziel hinaus. Sie konstruier en r echt un er wartet e Re chn unge n. Es
bedarf hie r sich er lic h e iner v er änder ten
Unterrichtssituation: den Kindern nicht einfach e ine Aufgabe vo rle gen und rechnen
lassen, sondern die Kinder darauf hinweisen,
da ss einige Aufgaben lösba r sin d, andere
nicht zum Rechnen aufforder n.
Woran liegt es, dass folgende Aufgaben
nicht lösbar sind?
Kannst du die Aufgaben verändern, um sie
lö se n zu k önnen, in de m du eve nt ue ll
fehlende Angaben hinzufügst oder überflüssige weglässt?
ein Bestandteil des M ath em at ikunt errichts
sein. Daten, Zahlen, Größenangaben lassen
sich leichter interpretieren, wenn man sie in
übersichtlicher Form darstellt.
Ein mö gliches Be ispiel: Die folge nd e
Tabelle zeigt, wie viele Jungen und Mädchen
aus den drei 3. Klassen bereits schwimmen
können:
Tom hat angefangen, zu dieser Tabelle ein
Säulenbild zu malen. Vervollständige es.
Daten, Zahlen, Größenangaben usw. lassen
sich leichter interpretieren, wenn man sie in
übersichtlicher Form darstellt. In der Grundschule bieten sich Darstellungen in Form von
Säulendiagrammen oder Tabellen an.
Weitere Beispiele:
• Pr oportionale Zuordnungen in Tabellenform (z.B. Preise/Gewicht)
• Befragungen durchführen
• Säulendiagramm erstellen
• Sch au bilde r le sen, in te rpretier en und
zeichnen
Ein weiter er Aspekt ist das Lesen, Deuten und
Interpr etiere n vo n Tab ellen und Diagramm en. Die „ In for ma tio nsent nahm e“ bei
Tabellen und Diagrammen muss zunehmend
Dröge , Rotraut. 19 94. „Kann es Sa ch aufgab en geb en , be i d ene n sic h so ga r das R ec hnen
lohnt ?“ I n: Pr axis Grundsch ule ; Heft 2, S . 2 0-22.
Er ichson, C . 200 3. I de en zum Re chn en. Geschichten, m it denen m an rechnen m uss,
Bd. 1. vpm.
Erichso n, C. 2003. „Tu nne lbau er im Sam tanzug.“ In: Grundschu le Sp ra ch en, He ft 9, 2003,
S. 22-25 .
Franke, M .: „Mit Jano sch b esse r rechnen.“ In: Gr undschulunterric ht, He ft 10/2002,
M at eria l 1 -6.
Franke , M . 2 003. Didaktik de s Sachrec hnens in der Gru ndschule. He ide lb er g: Spektr um.
Krauthau se n, G. 199 8. Lernen-Lehren-Lehr en-Lernen. Zur m at hemat ik-didakt ischen
Lehre rb ild u ng a m B eispiel de r Prim arstufe . Le ipzig: Klet t, S .149.
Müller, G .N. / Wit tmann,E.C . (H rsg.) 1 995. Mit Kindern re chnen. Arbe itskre is GrundschuleDer Gr undschulver ba nd e.V. Hannove r, S. 6 3.
R adatz, F. / Schipper, W. / Dröge , R . / Ebeling, A. 1998- 1999. Handbuc h f ür den
Mathematikunter ric ht, Bd . 1., 4 . S chu lja hr. H anno ver : Schr oedel, Kapitel 4 Sa ch rechnen
und Gr öß en.
Rasch, R. 2 003. „... imm er d er Dritt e war’s“. I n: Gr undsc hule Sp ra che n, Heft 9 , 2003,
S. 2 6-29.
Reinho ld, S . 2002. „Gesch ichten a ls Ko m mu nikatio nsa nlass im M at hem at ikunte rr icht.“
In: Pr ax is Grund sch ule , He ft 2 , S. 26-30.
Schipper, W. / Drö ge, R: / Ebeling, A. 20 00. Ha ndbu ch für den M at hem atikunter richt .
4. S chulja hr. Hannover: Schroedel.
B os, W. / La nkes, E.M. / u.a. 2003. Erste Er geb nisse aus IGLU. M ü nst er : Waxmann.
Morteza nimmt sich eine Aufgabenkarte aus
d er Löwe nzahn-Werkstat t. Ein e Ka rte mit
e ine m dic ken rot en Klebepu nkt – eine
„Mussaufgabe“. Er kommt zu mir an den
Berater tisch. „Was muss ich da machen?“ Ich
sc hüt tele d en Kop f und erinnere ihn an
unsere Regeln: „Versuche erst, selber zu lesen.
Wenn es zu schwierig ist, bitte ein anderes
Kind, dir zu helfen. Wenn ihr beide es nicht
schafft, dann darfst du zu mir kommen.“*
Er geht wieder und macht sich an die für
ihn noch mühevolle Arbeit, die Buchstaben
zu Wörtern zusammenzufügen. Er kann es
schaffen. Das weiß ich. Deshalb muss er es
zuerst alleine versuchen. Nach einiger Zeit
steht er auf und lacht mich an. „Ich weiß
jetzt“, sagt er, hängt sich den Fotoapparat aus
der Forscherecke um den Hals und geht aufs
Schulgelände.
Fotografiere den schönste n Lö we nz ahn,
den du finden kannst.
zu nehm end selb ststä ndig zu er schlie ßen
(B ild ung splan Gr un dsc hule, Rahme nplan
Sachunterricht).
Die se r Anspruch ist sehr komplex und
fordert eine große fachliche und methodische
Kompetenz bei der Auseinandersetzung mit
natürlichen, gesellschaftlichen und technische n Gegebenh eiten . Deme nt spr echend
vielfältig sind die Darstellungsformen schriftlicher Informationen, die für die Kinder dabei
von Bedeutung sind. Sie müssen lernen,
• diese Informationen zu dekodieren,
• sie aufgabenbezogen zu bewerten und
• sie für den Erwerb und für die Anwendung
ihres W issens zu nutzen.
Genauso vielfältig sind die Möglichkeiten
und die Notwendigkeiten im Sachunterricht,
eigene Text e in ganz u nte rschied lic hen
Formen selbstständig zu verfassen. Auch dies
tr ägt be deutend z ur St är kung de r Lesekompetenz bei.
Zunä chst ein mal sind h ier für e inige
Grundsätze im Schulalltag zu beachten:
Täglich gibt es solche Situationen. Und wie
oft sind wir versucht, den Kinder n die kleine
Aufgabenstellung schnell mal vor zulesen!
Eine Stärkung der Lesekompetenz in der
Gr undschule bedeutet aber auch, möglichst
v iele die ser sic h t äglich er gebenden
Gelegenheiten zum Üben zu nutzen.
Die in der Pisa-Stu die ge teste te Lesek om peten z zie lt au f d ie Fä higke it, im
Alltagsleben mit Texten unterschiedlicher Art
– und dazu gehör en Fließtexte, aber auch
Symbole, Tabellen, Verzeichnisse usw. – prak tisch umzugehen. Eine so beschriebene Lesekompetenz wird besonders im Sachunterricht
gebraucht und muss deshalb in diesem Fach
auch besonders gefördert werden.
Es ist das Ziel des Sachunterrichts, den
Kinder n zu ermöglichen, sich ihre Lebenswelt
• Die Kinder so of t wie m öglich a nregen,
sich mit schrift liche n Inf or ma t ione n –
un d seien sie no ch so kle in – auseinander
zu set zen: d ies a ber nic ht nur neb enb ei
und
u nver bi ndlich,
so nd er n
im
Zusa mm enha ng m it e in em Au ftrag, der
z um Entsch lüssel n mo t ivie rt ; so lc he
Inform ation en kö nnen Hinw eissc hilder
au f de m Sc hulgelände sein, M er kz et tel,
Aufgab enst ellungen im Tagesplan.
• Dab ei und b ei allem G eschrie be nen gilt
für d ie Kind er die Re ge l: Ich mu ss zu erst
allein e ve r suc hen, d e n Te xt zu lesen, e rst
d ann da rf ich mir Hilfe hole n.
• M it Arbeitsergebn issen , d ie im S ac hunterr icht en tst ehe n, ei ne lesef örderliche
Umge bung in de r Sc hule gest alte n: So
kö nnen z.B. e in Po st er m it e inem R ätsel
zum Sa chu nt er ric htst hem a (m it Ge winncha nce !), Infos zu Freize itange bo ten im
S tad tt eil, ein e Tau sc hbö rse am schwarzen
Br et t „ Su che – b iete“ u.Ä. im Kla ssen-
Bei „Musa“ oder „Emel“ hätte
dieser Arbeitsauftrag aber auch
ein anderes Szenario auslösen
können: Ein hilfloses Kind, das
nicht weiß, was es tun soll, und
lustlos und untätig herumsitzt.
Denn der vorgegebene Arbeits auftrag ist nicht so einfach zu
bewältigen, wie es scheint. Das
Erlesen der Aufforderung
bedeutet noch nicht, die
Aufgabe zu verstehen. Und das
Verständnis kann an unbekann ten Wortbedeutungen und an
Sprachstr ukturen scheitern. Der
Fachbegriff „Löwenzahn“ wird
durch die Zeichnung verdeut licht, aber die Satzstruktur des
Imperativs mit einem
anschließenden Relativsatz ist
nicht der all-tagskommunika tiven Sprache der Kinder ent nommen. Auch das Adjektiv im
Superlativ ist in seiner
Bedeutung eventuell noch
sprachlich genau zu definieren.
Die Lehrkraft muss bei
Kindern, deren Erst sprach e
nicht Deu tsch ist , einen
Balan ceakt v ollz ieh en zw i schen dem aufmun ternden
„D as kann st du schon allein !“
und einem ebenso bestärken den „Da brauch st du noch
meine Hilf e, das kannst du
noch nicht allein können!“
Das Kind, für das der z w eit e
Satz gilt, darf n ich t zu lang
das Gef ühl haben, rat - und
hilflos zu sein, w eil son st sein
Interesse an der Aufgabe spür bar nach lässt. S. Kap. 1, 2, 4.
Für Kinder mit einer an deren
Erstsprache als Deutsch stellt
sich die Erschließung der
Lebensw elt nicht nur als eine
fachlich und methodisch
komplexe Aufgabe dar, sondern
oft auch als eine ebenso
komplex e sprachliche Aufgabe.
Verstärkt sollten sie m it der
Strategie der selbstständigen
N achfrage vertraut gemacht
werden, damit sie sprachliche
Hilfen rechtzeitig bekommen .
Für sie sollte eher der
Grundsatz gelten: Ich m uss mir
Hilfe holen, anstatt w ie für ein sprachig aufwachsende: Erst
dann darf ich mir Hilfe h olen.
Das gilt besonders für das
Verfassen eigener Texte. Ohne
hinreichende sprach liche Mittel
ist das Schreiben von eigenen
Texten nur eine große – zu
große ? – Last für Kinder und
wird wenig zur Stärkun g ihrer
Lesekompetenz beitragen
(s. Kap. 4 ).
rau m, au f d en Flure n, in d er P ausen halle
attraktiv, also Int ere sse we ckend präsentiert w er de n. Diese Pr äsent at ionen mü sse n a ber gepfle gt, das he ißt r egelmäßig
au sgewec hselt bzw. akt ualisier t w er den,
so nst guck t kein M ensc h m ehr hin!
• Zu jedem Thema einen Büchertisch einrichten.
So lch e u nd ähn lic he Gr und sä tz e sind
wichtig, um immer wieder zum selbstständigen U mga ng m it Gesch rie be nem a uf zuforder n. Sie allein sichern aber noch nicht
d en Erwe rb d er Le sekom pe te nz , die im
Sachunterricht gebraucht wird. Deshalb ist es
notwendig, darüber hinaus die Begegnung
mit ganz unterschiedlichen Textfor men und
die S ch ulu ng der M eth oden für ih re
Erschließung systematisch zu organisieren.
„Es gehören auch anscheinend einfache
methodische Schulungen wie die Benutzung
eines Inhaltsverzeichnisses oder die Prüfung
der Hinweise im Index eines Buches dazu. (...)
Wenn solche Werkzeuge fehlen, bleibt es bei
de r Besc hwö rung des Zie le s >S elbstständigkeit<, die sich nicht von allein einstellt.“ (Meier 2002, S. 305)
Einige Textformen, die im Laufe der vier
Grundschuljahre im Sachunterricht vorkomm en könne n, solle n hier vorgestellt und
Zugangs- und Übungsmöglichkeiten beschrieben werden. Die gewählte Reihenfolge ist
beispielhaft zu sehen. Selbstverständlich kann
es sich ergeben, dass der Umgang mit einer
b est imm ten Textform, z .B . mit Tabellen,
nicht wie hier b eschrie be n e rst im 3./ 4.
Schuljahr eingeführt, sondern schon im 1.
Schuljahr gebraucht wird. Dann muss die
m etho dische Schu lu ng a uc h z u diesem
Zeitpunkt stattfinden – dem Lesevermögen
der Kinder angepasst.
Wichtig ist es, alle sich ergebenden Chancen zur För derung der Lesekompetenz so früh
wie möglich zu nutzen, mit dem Ziel, damit
das Vermögen der Kinder zu stärken, sich die
Welt zunehm end selbstständig zu er schließen .
• und durch motivierende Leseanreize
unterstützen und begünstigen.
„Wir ler nen uns und unsere Schule kennen“ –
da s ist das Sachu nterricht -The ma in den
er ste n Schu lwoche n u nd eine wic ht ige
Voraussetzung für gemeinsames Arbeiten und
Spielen. Also haben alle Kinder ein Namensschildchen, auf dem auch ein Bildsymbol für
die Gruppenzugehörigkeit gestempelt ist. Dies
ist schon in den ersten Tagen häufig Anlass
für Kennenlerngespräche.
An vielen Stellen im Klassenraum finden
sich Kärtchen mit unterschiedlichen Zeichen:
Symbole für das, was die Kinder dort tun können, für die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten in diesem Raum:
ein Stift als Symbol fürs Schreiben .
ein Buch als Symbol für die Leseecke
Zahlen als Symbol für Mathematikmaterialien
eine Lupe für die Forscherecke . . .
. . . aber lernen können sie es dabei!
Förderung der
Lesekompetenz sollte für
DaZ-Kinder immer auch
Förderung der
Sprachkompetenz beinhal ten, und zwar auch so früh
wie möglich
(s. Kap. 1.2, 2).
Der Sachunterricht kann den Schriftspracherwerb
• durch die Einführung und Nutzung von
Bildsymbolen,
• durch einfache Pläne und Skizzen,
• durc h „Fac hwö rterlern en“ als wic htige
Gru nd lage z um Ver ständnis von Sac htexten
Es gibt Symbolkarten für alle Aktivitäten des
Schulvormittags: ein Kreis aus Köpfen für den
Morgenkreis, Bausteine für die Spielzeit, ein
Brö tche n u nd ein e M ilc hflasch e fü r das
gemeinsame Pausenfrühstück.
B ald , w enn d ie Kind er sic h im Klassen-
r aum auskenn en, w ir d es ein e Liste m it verschie d en en Aufga b en fü r die Klassengem einschaf t geben, auch hier S ymb ole für
die ve rschiedenen Dienste , d az u Fot os von
den Kin de rn mit ihrem Na me n d ar unter. All
dies – die Na menssc hilde r mit d em
Gr up pe nsym bol, d ie Besc hriftun g d er
Kla sse nec ken , der Tage splan , d ie Auf ga benl iste – sollte jed och nicht nu r sch öne
D ekor ation sein, sond er n immer w iede r mit
Auffor deru ngen und Au f gab enste llu nge n
v er bunden we rd en w ie :
• Wer hat in dieser Woche Milchdienst?
• Die Schilder der Ecken sind durcheinander
geraten!
• M it welc her Au fgabe v om Tagesplan
möchtest du heute anfangen?
So lerne n d ie Kinder, d ie S ymb ole zu
deuten und für die eigene Orientierung zu
nutzen.
Die Eige nständigke it, m it d er sich die
Kinder, die ja „noch nicht lesen können“, mit
H ilfe diese r Sym b ole im Klassenr aum
zur echtfinden und so ihre Arbeit und ihr Spiel
schon ein Stück selbstständig organisier en
kö nnen, ist a uc h e ine Entlastung für die
Lehrkraft. Bei der fünften Frage „Wann haben
wir heute Turnen?“ ist sie sicherlich gelassener, wenn sie auf den an der Tafel dargestellten Tagesplan zeigen kann, als wenn sie zum
f ünfte n M a l a ntwor te n m uss: „Nac h der
zweiten Pause!“
F ür d ie Ordn ung ihrer eigen en Schulsachen finden die Kinder selber Zeichen oder
Bildsymbole. Das stärkt ihre Kompetenz im
U mga ng m it Sy m b ole n und das Sic hzur echtfinden mit ihren Heften, Stiften und
Bücher n. Damit wird auch das Sammeln und
Ord nen , eine weite re M ethode des Sachunter richts (vgl. Meier 2003), von Anfang an
geübt und mit in die Verantwor tung der
Kinder gelegt. Anders als durch eine vorgegebene, evtl. von ihnen nicht nachzuvollziehende Or dnung ist durch das selbstständige S tr ukturiere n u nd se lb st ständ ige Kennzeichnen ihr er Sachen die Chance vielleicht
größer, das übliche Chaos im Ranzen und in
Ablagekörben zu verringern.
Nach der Orientierung im Klassenraum und
der Str ukturierung der eigenen Schulsachen
ist die Orientier ung auf dem Schulgelände an
der Reihe. Die Kinder erforschen die Gebäude,
was man in ihnen tun kann und wo gearbeitet wird. Sie ler nen die Menschen kennen, die
für sie wichtig sind und sie erkunden das
Gelände: Wo kann man spielen und welche
Regeln gibt es da? Wo darf man nicht sein?
Welche Besonderheiten gibt es an unserer
Schule?
Alles Erforschte soll festgehalten werden,
soll zueinander in Beziehung gesetzt werden,
damit das Ganze sichtbar wird und damit es
zur vertiefenden Orientier ung genutzt werden kann. Ein Plan oder ein Modell wird also
mit den Kindern, vielleicht im Sandkasten in
der Klasse, gebaut. Probleme tauchen auf:
„Wie können wir zeigen, dass dieses Haus die
Pausenhalle ist? Wie können wir darstellen,
dass im Gebüsch hinter der Tur nhalle nicht
gespielt werden darf?“ Sie werden diskutiert,
und die Kinder finden Lösungen, die ihrem
eigenen Darstellungsvermögen entspr echen:
ein Bild, ein Symbo l, ein Anlau t (P wie
Pausenhalle) oder schon das ganze Wort.
Sehr motiviert stehen sie in der nächsten
Zeit vor ihrem Schulplan und „lesen“ die
Informationen, die sie dort gemeinsam festgehalten haben.
Ein nächster Schritt zur Erweiterung der
Lesek omp eten z kann im Sa c hunter richt
durch die Orientierung im Wohngebiet erreicht werden.
„Hier wohnen wir“ heißt das Thema. Die
Häuser aller Kinder werden besucht, die Wege
dorthin erkundet, um sich bald nachmittags
alleine besuchen zu können. Dabei üben sie
die Orientierung an markanten Gebäuden, an
Parks, an Brücken, an Straßenschildern. Das
alles w ird auf ein em ver größerten St ad tte ilp lan wied er er kannt , ge lesen also. Die
Kinder entdecken dabei Kartenzeichen: ein
Kreuz für die Kirche, der Park ist grün, der
kleine See blau gezeichnet.
Erste „Einführ ung ins Kartenverständnis“
also – und nicht erst in der 3. Klasse!
Den Fachwortschatz des
Sachunterrichts einzuführen,
zu erläutern und Bedeu tungen zu klären, sodass er
von den Kindern sachgerecht
verstanden und benutzt wer den kann, ist ein zentrales
Anliegen des Unterrichts mit
Kindern anderer Erst sprachen, denn das Fach vokabular ist eine Domäne
der Schule und kann haupt sächlich nur dort von ihnen
erworben werden.
Es macht aber einen großen
Unterschied, ob
Fachausdrücke auf der Basis
intuitiv beherrschter deutscher
Strukturen oder aber auf
noch nicht abgesicherten
Sprachkenntnissen einer
Zweitsprache eingeführt
werden. Hier sollten Übungs formen und Überprü fungsmöglichkeiten bereit gestellt wer den, ob jedes
Kind die notwendigen
Begriffsklär ungen auch tat sächlich verstanden hat
(s. Kap. 2, 3, 4).
Alle Kinder haben Freude an
so ungewöhnlichen Dingen
wie „Hosentaschenwörtern“.
Trotzdem ist zu überlegen,
ob die hier vorgestellten
Arbeitsformen für DaZKinder nicht eher eine
Erschwernis beim Lernen
darstellen. Wenn es in ihrer
Familie niemanden gibt, der
über das notwendige
Fachwortwissen verfügt, kön nen die Kinder ihre Aufgabe
nicht oder eventuell nur
falsch lösen. Beides ist
gleichermaßen misslich. Bei
solcher Aufgabenstellung
sollten für alle Kinder
Möglichkeiten gefunden wer den, sich zu informieren,
sodass kein Kind sich wegen
seiner familiären Lebens umstände zurückgesetzt
fühlen muss
(s. Kap. 1, 2, 3).
I n a llen S ac hgespräc hen mü ssen wir auf
Begriffskläru ng, au f d ie Einf ühr ung neu er
Fachbegrif fe u nd au f ihr e sa ch ge mä ße
Ver wen du ng a cht en . Au ch dies von Anfang
a n. Es d ien t der Er weiterung d es Wortsc ha tz e s u nd st ärk t somit die Lesekom petenz , de nn Fach wör te rkennt nis ist eine
wicht ige Vor ausset zu ng zu m Verständnis
von Sa chte xte n.*
Eine gute Möglichkeit für die Kinder, ihren
Wortschatz zu erweitern, ist dabei die Arbeit
mit „Hosentaschenwörtern“.
Am nächsten Tag stellen die drei Kinder
ihre Wörter den ander en im Morgenkreis vor.
Die Erklärungen, die sie dazu geben, schreibt
die Leh rerin od e r der Le hrer mit und
an schließ end in Sc hön sc hrift a uf eine
Karteikarte. Das Wortkärtchen wird mit auf
die Kar t e gek leb t, u nd zu r weite ren
Auseinandersetzung mit seinem Wort malt
das Kind noch ein Bild dazu. Alle so gestaltete n Kar teikart en w er den a n die Wand
gehängt und ergeben im Laufe der Zeit, wenn
alle Kind er na ch und na ch ein Wort
vorgestellt und erklär t haben, ein großes
„Wandlexikon“. Wie oft stehen die Kinder
davor, suchen ihr Wort und die Wörter ihrer
Freunde und unterhalten sich als „Experten“
mit Wörter n aus der „Baumfachsprache“!
Imm er wie de r zum Lesen, z ur Au seinandersetzung mit Geschriebenem anregen – das
ist ein täglicher Grundsatz im Schulalltag.
Dafür sind Dokumentationen von gemeinsamen Erlebnissen und Aktivitäten in der
ersten Klasse besonders geeignet:
• „Regenspaziergang“ , do kum entie rt m it
den Bildern und den kleinen Texten der
Kinder auf einem Poster
• „Aufregend e Ge schic ht en au s u nserer
Klasse“ – festgehalten in einem Klassentagebuch
• „Unser Laternenfest“ – Fotos, dazu von den
Kindern geschriebene Bildunterschriften
Kümmere dich um dein Wort und er zähl uns
mor gen, was du darüber herausgefunden hast.
The ma Bäum e. Die Kinder haben scho n
viel übe r ihren Klassenbaum her au sge fund en. S ie w issen, wie die Te ile des Baum es
he ißen: Sta mm, R inde , Äste, Zweige, Knospen, Blätte r, Blüten. Nun sollen sie weite re
Wörter, die alle etw as m it Bä um en zu tu n
haben, ke nnen lernen.
Jeden Tag bekommen immer dr ei Kinder
ein Kärtchen mit einem „Baumwort“ – so,
dass die anderen Kinder es nicht sehen kön nen. Sie nehmen es – am besten in der Hosentasche – mit nach Hause mit der Aufforderu ng, sich d ar um zu küm mern. N icht
imm er können sie es schon selber le sen. Dann
m üssen sie jemande n bitten, es ihnen vorzulesen. Sich da rum küm mern heiß t, herausfinden,
was das Wort bedeutet, was es mit dem Baum
zu tun hat und es anderen erklär en können.
Häufig wir d so ein Begriff zum Gesprächs thema für die ganze Familie.
All das würdigt die Mühe und Arbeit der
Kinder. Sie sind stolz darauf, ihre Beiträge so
schön pr äsen tiert wie derzu finde n u nd
deshalb motiviert, sie immer wieder zu lesen.
. . . und auch schreiben. Deshalb bekommen
d ie Kind er m öglichst vie le Auf gabe nst ellunge n un d Arbe itsanw eisu ngen im
Sachunterricht in schriftlicher For m, und sie
werden möglichst häufig aufgefordert, auch
ihre Arbeitsergebnisse schriftlich dar zustellen.
Eine Unter richtsform, die die s be sonde rs
begünstigt, ist die Werkstattarbeit.* Hier werden zu einem Thema vielfältige Materialien,
Anr egungen und Arbeitsaufträge in unterschiedlic hen Textform en ange b ot en. Da s
erfor dert von de n Kin de rn gro ße Lesea nstrengungen, bietet ihnen viel Lesetraining
und fördert das selbstständige Lernen.
Der Umgang mit Sachtexten im 2. Schuljahr
k an n d ie Lesek ompet enz de r Kinder
wesentlich steigern, aber nur dann,
• wenn sie eine Chance haben, die Texte
auch entschlüsseln und nutzen zu können,
d.h. wenn diese ihrem jeweiligen Lesevermögen entsprechen,
• und wenn sie „Texte und Bilder nutzen“ als
ein e M etho de im S achu nterr icht (vgl.
Meier 2003) durch verschiedene Übungen
immer wieder trainieren können.
„Auch die Prüfung eines Textes mit der
Frage nach seiner Ergiebigkeit für ein bestimmtes Thema oder eine spezifische Frage
ist eine die ser vor be r eit en de n Arbe it en.
Diesen Text dann zu lesen, im Sinne des
Wortes zu erschließen und für die gefragte
Sache auszuwer ten, ist eine nicht gerade einfache Aufgabe. Sie muss bewusst und über
lange Ze it b ea rbeite t und als Fähigkeit
entwickelt wer den.“ (Meier 2002, S. 305)
Deshalb sollte mit dieser Aufgabe auch
mö glichst fr üh b ego nne n werd en. Das
Angebot an Sachtexten für Kinder ist für fast
alle Themen sehr groß. Es gibt viele schön
gestaltete Sachbücher mit informativen Fotos
und Texten. Häufig sind diese Texte aber für
Leseanfänger zu schwierig und zu umfangre ich. Viele Büc her ha ben z ud e m ke in
Inhaltsver zeich nis, mit dessen Hilf e die
Kinde r sic h im Buc h or ient iere n kö nnt en.
Wir m üssen d ie Bü ch er also, we nn die
Kinde r sie a ls Arb eit sm ater ial nu tz en so llen,
präparieren. Ei n z u umf a ngre ic her Text
k ann z um B eispiel durch e inen ve reinfacht en und gekür zte n ersetzt werden, der ab er
imm er no ch d ie wichtigsten In for mationen
ent hält . Dieser gekü rzte Te xt wird auf eine
Kar teikart e
gesch rie be n
u nd
mi t
entspr echen der Se itenkennzeichnu ng zum
B uch gele gt . De r Or igin alt ex t ist da nn e in
Ange bo t f ür „ lese starke“ Schü lerinne n u nd
Schüler.
D ie Su che na ch einer bestimm ten
Inform at io n in ein em Bu ch kann du rch ein
Inhaltsver ze ic hn is, das in Fo rm ei nes
Fr age nkat alo gs f o rmulier t ist , se hr er leichtert werden. So kö nne n d ie Kind er ga nz
gezie lt nac h Ant wo rt en au f ihr e Fr agen
suche n.
Dazu ein Beispiel zum kleinen Buch über
Meerschweinchen von J. Reichen:
Man braucht eine Sammlung ausgesuchter
kleiner Sachtexte z.B. aus Kinderzeitschriften.
Die Kinder wählen sich daraus einen Text aus,
der sie besonders interessiert. Sie lesen ihn,
überlegen: „Was habe ich Neues, Wichtiges,
Intere ssantes er fahren? “, e ntwerfen Fra gen
dazu, üben das deutliche Vorlesen des Textes
und lesen ihn bei Gelegenheit, vielleicht im
Abschlusskreis am Ende des Schulvormittags,
den anderen Kinder n vor. Diese müssen so
gut z uhö re n,** dass sie die a nschlie ße nd
gestellten Fragen zum Text beantworten können. Gut eignen sich dafür auch eigene Texte
der Kinder, die bei der Bearbeitung eines
Themas entstanden sind. Sie erfahren so noch
einmal eine besondere Würdigung.
Diese Übung fördert:
• den Er werb von Sachkenntnissen,
• die Fähigkeit, sachbezogene Fragen zu formulier en,
• die Vorlesekompetenz und
• bei den Zuhörer n das Hörverstehen.
Wenn die Kinder, deren
Erstsprache nicht Deutsch ist,
bei der Werkstattarbeit gezielt
die Möglichkeit bekommen, in
Partner- und Gr uppenarbeit für
ihre Lese- und Schreibaufgaben
Anregungen, Verbesserungs vorschläge und sprachliche
Hilfe zu erhalten, werden sie
die für sie schwierigen
Aufgaben auch bewältigen
können.
Für die höheren Klassenstufen
gilt das in verstärktem Maße
(s. Kap. 2, 5).
Mit dem guten Z uhören ist es
nur dann getan, w enn man
alles verstehen k ann , was
gesagt w ird. Genau das ist aber
das eventuelle Problem bei
Kindern mit einer anderen
Erstsprache als Deutsch, dass
wir als Lehrkräfte und die
Kinder selbst nicht sicher w is sen, ob und w as sie alles ver standen haben. Hier muss die
Lehrkraft außerordentlich
beharrlich und auch erfindungsreich nach Wegen
suchen, die das Textverstehen
ermöglichen (s. 1 , 2).
D as Era rbe ite n eig ener Textdarstellungen
trägt, wie schon erwähnt, viel zur Stärkung
der Lesekompetenz bei. Hierfür eignen sich ab
Klasse 2 kurze Textformen wie:
• Beobachtungsproto kolle, z.B . vom Ent wicklungsprozess einer Blume, von jahreszeitliche n Veränderungen de s Lieb lingsbaums,
• eigene B egr iffserklärungen (z.B. für e in
Pferdelexikon),
• Erkundungserge bnisse (z.B. Fr eizeitmöglichkeiten im Stadtteil),
• Kartei-Seiten nach gemeinsam aufgestellten Kriterien („Kleine Tiere auf unserem
Schulgelände“).
Der Umgang mit allen bisher eingeführten
Textform en wird in be iden Klasse nstufen
weiter vertiefend geübt und neue Textformen
werden eingeführt.
„Bei der Arbeit an einem Thema empfiehlt
es sich, die Arbeit mit Texten und Bildern
imm er wie de r einzup lane n. D ie unter sc hiedlich ent wic kelt e Lesefä higke it der
Kinder und der sachliche Anspruch der Texte
erfordern Zeit und Mühe. Es empfiehlt sich,
immer wieder Phasen einzuplanen, in denen
ind ivid uell und g eme insam an de r Er schließung von Texten gearbeitet wird. Dazu
sind Arbe itste chniken wie Unt er streichen,
Herausschr eib en, Not izen ma chen (z .B .
Fragen notieren) , Nachschlagen einzuübe n
und gezielt zu nutzen.“ (Meier 2003, S. 23)
Ebenso wie im De utschu nterr icht d er
Umgang mit dem Wörterbuch systematisch
eingeübt werden muss, müssen die Kinder
auch im Sachunterricht ler nen, mit Nachsc hla gew erke n umzugehe n: mit B estim mungsbüchern,
Schü ler le xika,
Kinder Suchmaschinen u.Ä. Dabei werden grundlege nde F ähigke it en
wie alp habe tisch e
Reihenfolge beachten, Schlagwörterverzeichnisse nu tze n u nd gezielt es, aufga benb ezo genes Recherchieren trainiert. Entscheidend
für er folgreich es Ar be iten und f ür eine
Stärkun g dieser Me thod en kom pete nzen ist
auch hier wiederum die Kompatibilität von
Lesefähigkeit und Text.
„Kinder brauchen in ALLEN Schuljahren
Lehrer Innen, (...) d ie sich um d reierlei
bemühen:
• sich zu vergewissern, welche Lesefähigkeiten sie voraussetzen können,
• die Leseanforderungen den Fähigkeiten der
Kinder anzupassen,
• sich nicht abzufinden mit Rückständen,
sondern für die Entwicklu ng d er Le sefähigkeiten zu sorgen.“
(Andresen 2002, S. 141)
Den se hr unt ersch iedlich en Lese fähigkeiten in diesen beiden Klassenstufen muss
also R ec hnung get ragen we rden . Manc he
Kinder br au c hen Un te rstü tzung, ander e
br au che n He rausf orderungen zu r weit eren
Entwicklung ihrer Lesefähigkeit.
Deshalb müssen wir bei der Arbeit mit
Nac hschlage werken die Auf ga ben dif ferenziert stellen und Hilfe anbieten. Solche Hilfe
kön nen et wa gele itet e Aufgabenstellungen
sein, die besonders bei der selbstständigen
Informationsbeschaffung der Kind er a us
umfangreicheren Büchern, aus dem Internet
oder auf CD-ROMs sinnvoll sind. Die Kinder
werd en da bei durch gezie lte F ra gen ode r
Anweisungen unterstützt. So wird besonders
beim Umgang mit den neuen Medien ein
qualifiziertes Erler nen die ser Technik
gefördert und
ein e
Zeit
ra ubend e,
abschweifende Suche verhindert.
Bei vielen Sachunterricht-Themen ergibt es
sich, dass die Kinder über längere Zeit Daten
sammeln, diese vergleichen, mit den Daten
ander er in Beziehu ng set zen und sie
auswerten. Dafür sind Tabellen nützlich. Der
We g zum Tabellen lesen geht ü ber das
motivier ende eigen e Tab ellenanle gen. Ein
Beispiel:
Übersichtlich dargestellte Daten erleichtern
den Ver gleich. So macht es Sinn, die Kinder
im Zusammenhang mit solchen Aufgaben
a uc h in die gru nd lege nd en Tabellenf un ktione n d es Wor d-Pro gramm s e inzuführen.
Wann immer sich eine Gelegenheit ergibt –
und es sind im Laufe von vier Schuljahren
viele – sollten diese Fähigkeiten geübt werden. Voraussetzung für ein kontinuierliches
Training dieser und aller anderen Textformen,
die im Sachunter richt vorkommen, ist allerdings eine Grundausstattung in jeder Klasse.
Wenn die Kinder mit brennenden Fragen
etwa zu Beobachtungen auf ihr em Schulweg,
zu aktuellen Ereignissen (Erdbeben, Vulkanausbruch, Sonnenfinsternis…) in die Schule
kommen, dann sollten sie auch möglichst
zeitnah nach Antworten suchen können. Das
Vertrösten auf spätere Gelegenheiten lässt das
Interesse verblassen und eine motivationsreiche Situation ungenutzt verstreichen. Die
Kinder b ra uc hen also ne be n d en M ö glic hkeit en hand elnd zu f orsc hen, z.B. an
Experimentier tischen in den Klassen oder in
eine r Sachu nter ric ht werkst att der Sc hule,
auch eine „Handbibliothek“ bestehend aus
Sachbücher n für Kinde r, Lexika und Be stimmungsbüchern. Und sie brauchen die
M ö glic hke it , sic h je de rz e it auf e inem S ta dt -
teilplan, auf dem Stadtplan von Hamburg, auf
e iner Deut schla ndka rt e, Eu ropakarte u nd
Weltkarte orientieren zu können. Eine solche
Grundausstattung für die Klassen ist leider
noch nicht in allen Schulen vorhanden. Der
Sachunterricht sollte aber wenigstens bei der
Lehr- und Lernmittelverteilung im gleichen
M a ße b edach t w er den wie d ie a nde ren
Fächer.
Vielfä lt ige Textform en sind d am it im
Sachunterricht eingeführt und der Umgang
mit ihnen ist geübt worden. Nun gilt es, die
erworbenen Kompetenzen der Kinder auch zu
nutze n, d.h. ihnen die Anwe ndu ng ihres
Wissen s in a uthe ntisch en Sit uatione n z u
ermöglichen, z.B.:
• die Bahnverbindungen für den Ausflug ins
Museum aus dem Streckenplan des HVV
heraussuchen
• „Wie kommen wir vom Bahnhof Blankenese ins Treppenviertel?“ – den Weg im
Stadtplan finden
• „We lche In for mat ione n b iet et uns
www.sachunterricht-online.de zum Thema Feuer wehr?“
• Tabellen zum Strom- oder Wasserverbrauch
der Schule anlegen
Solche Aufträge geben dem Erwerb der
Lesefähigkeiten erst einen Sinn und fördern
den praktischen und selbstständigen Umgang
mit unterschiedlichen Textformen in realen
Alltagssituationen. Genau diese Lesekompe tenz hat PISA getestet.
„Zure ch t wird in der angela ufen en
Diskussion nach PISA… die kritische Frage an
unsere Schule gestellt, ob unsere Kinder und
Jugendlichen im Unter richt wirklich lernen,
selbstständig und problemorientiert schriftliche Texte zu nutzen.“ (Spinner 2002, S. 93)
Eine Schule, die sich in der dargestellten
Weise oder ähnlich im Sachunterricht um die
Förderung der Lesekompetenz bemüht, würde
dazu wohl ein Stück beitragen können.
Bildungsplan Grundschule, Rahmenplan Sachunterricht, Hamburg.
Andresen, U. „Wenn Kinder nicht „rechtzeitig“ lesen geler nt haben“, in: Sprachliches Handeln
in der Grundschule.
Meier, Richard. 2002. Freie Arbeit im Sachunterricht. In: Drews, U., Wallrabenstein, W. (Hrsg.).
Freiarbeit in der Grundschule, Frankfurt a.M.
Meier, Richard. 2003. „Methoden im Sachunterricht“. In: Grundschule Sachunterricht, Heft 18.
Reichen, J. „Meerschweinchentext.“ In: Heimtiere.
Spinner, Kaspar H. 2002. „Kann man Leseleistung messen?“ In: Sprachliches Handeln in der
Grundschule.
D ie
kind liche
Lese-S chreibsozialisation
( »early literac y«) b eginnt in de r Familie.
Eltern schauen mit ihren Kin dern Bild erb üc her an und f ühr en vor lese be gle itende
D ia loge, die eine spezifische I nter aktionsstruktur aufweisen. So gilt Vorlesen als komprimierteste S prac herw er bssituat ion ü berhaupt. Entspr echend bezeichnet Hurr elmann
(1994) den Umgang mit Kinderbüchern als
„Schaukelstuhl“ zwischen Mündlichkeit und
Sc hriftlic hke it. Kinde r entde cken beim
Betrachten von Bilderbüchern Bezüge zwischen Erlebtem und Abgebildetem (»Dekontextualisierung«). Und in (oftmals ritualisiert en) S ing- und S prac hspielen ler ne n sie
zudem, Sprache unter formalen Kriterien zu
b etr ac hte n, w ob ei sie beim Vor lesen au f
G eme insa mke it en und Unt er sc hiede z wischen mündlicher und schriftlicher Sprache
aufmerksam werden. Eine alltägliche Schriftverwendung in der Familie hilft den Kindern
also, die Funktion und den Gebrauchswert
v on S chr ift z u er kenne n u nd so mit
Schriftnutzung als Sinn stiftend zu erleben.
Das Ausmaß der frühen literalen Erlebnisse, in denen Bücher dem einzelnen Kind
p ersö nlic h be deut sam werd en , be stimm t
daher die Einstellung des Kindes zur Schrift
maßgeblich. Aus zahlreichen Untersuchungen mit Kindern, Jugendlichen sowie leseund schreibunk und ige n Er wach senen ist
be kannt, d ass M e nschen mit großen
Pr ob leme n im S ch rif tsprac herw er b d iese
frühen literalen Er fahrungen nicht gemacht
haben und sie auf Grund ihr er nur sehr gering
ausgeprägten Lese- und Schreibkompetenzen
die Funktion von Schrift für sich nicht nutzen
k onnt e n (daher auc h der B egrif f »funkt io naler « An alp habet ism us)1 . M a ngeln de
Erfahrungen mit Sprache und Schrift sowie –
infolgedessen – eine gering ausgebildete phonologische Bewusstheit gelten nach heutigem
Erkenn tnisst and als b edeu te nd st e R isikofaktore n inner halb de s komp le xen Be dingungsgefüges des Schriftspracherwerbs.
1
Nun ist Schrift nicht gegen die Alltagswelt
der Kinder durchsetzbar (Dehn 1996). Daraus
lassen sich prinzipiell mehrere pädagogischdidaktische Schlüsse ziehen:
1. Es gilt, d ie schulisc he Allt agsw elt der
Kinder literal zu gestalten (Bambach 1989)
u nd so d ie Teilh abe an »ele me nt arer
S ch rif tkultur« (D eh n 1 996 ) in d en
Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen, um
de n Kinde rn liter ale Erfahrun gen zu
ermöglichen, denen sie in ihrer vorschulischen Sozialisation verschlossen blieben2 .
Bewährt hat sich ferner eine enge Zusamm ena rb eit von Sc hule und B ib lio thek
(Milhoffer 1991).
Im weiterführenden Lese- und Literaturunterricht hat sich eine handlungs- und
pr oduktionsorientierte M a xime (Haa s/
Menzel/Spinner 1994) dur chgesetzt, die es
ermöglicht, Kinder auch mit ihren persönliche n Ge fühle n u nd Erfahrun gen an
Literatur Anteil haben zu lassen und Texte
som it per sönlic h sinnvo ll w erd en z u
lassen.
2. Diese schulischen Bestrebungen können
ihre Wirkung am besten dann entfalten,
wenn ihre Inhalte bei den Kindern auf
»fr uchtbare n B oden« falle n, sodass die
Kinder an bisherige Erfahrungen anknüpfen können. Insofern wäre es wichtig, bereits vor der Schule Wert auf literale Erfahrungen zu legen. Umgang mit Büchern
war schon immer Bestandteil von elementarp äd ago gische r Arb eit (S t if tu ng Le sen
u.a. 1998), ebenso wie ritualisierte Sprachund Singspiele, die eine wichtige Funktion
f ür d ie me tasp ra chliche Ent wick lung
haben. Der gezielte Einbezug von Schrift
hing ege n w ird häu fig a ls »Schu lvo rbereitung« verdammt, während insbesondere sozial-emotionale Ziele betont werden
(Kretschmann 2003). Dabei könnte Schrift
als Visualisier ung der ansonsten flüchtigen
Laut sp rach e Kin de rn helfe n, ihr e Au fme rksam keit
zu nehm end
vo n
de r
In Abgrenzung zum natürlichen, primär en An-Alphabetismus, der wörtlich übersetzt bedeutet, dass jemand
nicht des Alphabetes kundig sei. Davon kann bei den betr of fenen Menschen, die jahrelang eine Schule
besucht haben, nicht die Rede sein (vgl. zum Thema: Döbert/Hubertus 2000, Hubertus/Nickel 2003,
Egtoff 1997).
2 Das Prinzip der Sel ekt ion von Kindern mit geringen li teralen Erfahrungen u nd d eren S eparierung au f So nderschulen muss angesichts der erwiesenen Ineffizienz von Sonderschulmaßnahmen (Wocken 2000) - für die es
eine Reihe systemischer Gründe gibt - als nicht angemessen und kontraproduktiv angesehen werden.
Bedeutungsebene der Sprache auf die lautliche Ebene zu richten1 (Osburg 1997) und
zudem ein Schriftbewusstsein auszubilden.
Erste Ansätze hierzu sind mittlerweile zu
erkennen (Ulich 2003, Tenta 2002).
3. Da Kinder nur eine begrenzte Zeit in institutionellen Lernarrangements verbringen,
wäre es ange bracht, den Inter ventionshorizont weiter zu ziehen und das familiäre Wirkumfeld von Kindern stärker in den
Blick zu nehmen. Eine frühe Intervention
ist a ngeze igt, w eil au s dive rsen Untersuchungen hinlänglich bekannt ist, dass
die Gruppe der bei Schuleintritt schwächsten
Schüle rinn en und Schüler ihre r elative
Position beibehalten bzw. der Unterschied
zu d er Grupp e de r durchschnittlichen
Schülerinnen und Schüler oft noch größer
wird (Helmke 1997). Dieser Effekt wird oft
als »Matthäus-Effekt« (»Wer hat, dem wird
gegeben«) bezeichnet: Alle Schülerinnen
und Schüler verbessern ihre Fähigkeiten,
aber die S chülerinnen und Sc hü ler m it relativ hohen Komp etenze n p rofitieren we se ntlich stär ker vom sc hulischen Angebo t als
andere: Die Leistungsschere öffnet sich. Aus
einer Reihe von Unt ersuc hunge n ist ferner
be kannt , dass pr äve ntive bzw. inter venierende Maßnahm en dann a m effektivsten
sind, wenn sie (a) m öglic hst fr üh einsetzen
und (b) möglichst lange , also bis in die
Schulzeit hinein, durchgeführt we rden.
Dieser Zusammenhang ist in den angelsächsischen Ländern schon längst erkannt word en. Auch hier zu Land e w ur den e rste
Pr ogramme aufgelegt, die gezielt soziokultur ell benachteiligte Familien in den Blick
nehmen. »Mama lernt Deutsch (Papa auch)«
ist an Elte rn mit M igr atio nshinte rgrund
gerichtet und soll ihnen helfen, ihre Kinder
b esser be i der schulisch en Inte gra tion zu
unterstützen. Solche reinen Elternbildungsmaßnahmen wurden in letzter Zeit erweiter t
um Programme, die sowohl Eltern als auch
ihre Kinder einbeziehen.
»HIPPY« richtet sich ebenfalls an Eltern
mit Migrationshintergrund. In einem zweijäh rigen Hausb esu ch spr o gra mm w er den
M üt ter d ur ch ge schult e Laie nhe lferinn en
angele itet , tägliche Aktivitäten m it Bilde rbüchern oder Arbeitsblättern durchzuführen.
Die m ittler weile r echt gro ße Verbreitung
dieses Programms spricht für seinen Erfolg.
»Opstap je « wird z ur zeit e valu ie rt , do ch
zeichnet sich auch hier ein ähnlicher Erfolg
ab. Dieses Programm richtet sich an Eltern
und ihre 2-4jährigen Kinder aus Familien in
belasteten Lebenslagen. Dies schließt explizit
sozial benachteiligte Familien ohne Migrationshintergru nd ein. Au ch hie r w ird ein
zweijähriges Hausbesuchsprogramm dur chgeführt. G eschulte Laienhelfer innen (M ütter
au s der Zielgrup pe ) ste llen alter sge rechte,
anre gende M a teria lien ber eit und z eig en
modellhaft entwicklungsfördernde elterliche
Verhaltensweisen auf. Die Ziele richten sich
auf e ine S tä rkun g d er elt er lic hen Erzie hun gsko mp et enz , die Verbesseru ng d e r
Eltern-Kin d-I nte ra ktion und auf die F ör derung der kognitiven, motorischen, sozialen
und emotionalen Entwicklung der Kinder.
Keines der Programme jedoch legt seinen
Sc hwer pu nkt au f Spra ch- un d Lite ra litätsförderu ng. Solc he fam ilie nzentrier ten
Literalitätsprogramme sind hingegen unter
dem Oberbegriff »Family Literacy« in den
USA und Großbritannien weit verbreitet. Die
Vielzahl von Variationen solcher Programme
ist sch ier un überb lickb ar, die Effizienz
vielfach beschrieben. Entsprechend der vielen
Variant en unte rsche id en sich a uc h d er
konkrete Aufb au u nd die Zie lsetz ung der
einzelnen Projekte zum Teil beträchtlich. Der
theore tische Hint ergr un d so wie die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse dieser
Programme in den angelsächsischen Ländern
1 In jüngster Zeit werden Trainings der phonologischen Bewusstheit populär (Küspert/Schneider
2000). Trotz der er wiesenen Erfolge im statistisch-psychologischen Sinne (Schneider et al. 1998;
2000) wird vor allem aus (sprachheil-)pädagogischer Sicht (Schmid-Barkow 1999) Kritik geübt.
Trainings zur phonologischen Bewusstheit r eduzieren metasprachliche Entwicklung auf den metaphonologischen Aspekt. Andere Aspekte bleiben unberücksichtigt,
• bleiben als Handlungen, in denen metaphonologische Operationen geförder t werden ohne subjektive
Bedeutung für die schriftsprachliche Tätigkeit. Der einzige Sinn, Phoneme aus dem kontinuierlichen Strom
der Lautsprache zu isolieren, ist, den alphabetischen Aufbau der Schriftsprache zu erfassen, Sprache somit zu
verschriften und die eigenen Handlungskompetenzen erweitern zu können,
• bewer ten die Lese- und Schreibtätigkeit als technische Angelegenheit (-Kulturtechnik-) und blenden die Rolle
der Teilhabe an Schriftkultur aus. Dass die technische Fähigkeit des Lesens und Schr eibens nicht automatisch
zur kompetenten Nutzung dieser Fähigkeit führt, belegt u.a. ein Detail der PISA-Studie (Baumert et al. 2000),
nach der 42 Prozent der befragten Jugendlichen nie zum Ver gnügen lesen. Einen derart hohen Anteil von
Leseunlust konnten die PISA-Forscher in keinem anderen Land finden.
Zudem kann die diesbezügliche Forschung leider keine Daten zum Einfluss literaler Erfahr ung anbieten. Es ist zu
vermuten, dass Kinder aus literal geprägten Familien stärker von einem Training der phonologischen
Bewusstheit profitieren können als Kinder ohne Schrifter fahrungen.
sind stärker entfaltet in Nickel (2004 i.V.). An
dieser Stelle soll der Fokus auf die praktischen
Inhalte derar tiger Programme begrenzt werden.
Qualität als jede dieser einzelnen Komponenten für sich getrennt. Die konkrete Praxis von
Family Literacy könnte beispielhaft wie folgt
aussehen, wobei eine Reihe weiterer Bereiche
denkbar ist:1
Mit »Family Literacy« kann prinzipiell der
G eb r au ch lit er ale r Pra ktiken, d ie Zu sa mmenarbeit von Schule und Familien, oder es
kö nnen ge ner at ionsübe rgr eifende Inte rven tionsprogramme gemeint sein. Die folgenden
Ausführu nge n w er den sich auf le tzte res
beziehen, also auf die übergreifende Arbeit.
Zielgru ppe de s Ansatzes sind Elt ern mit
geringer formaler Bildung und/oder negativen Schulerfahrungen samt ihrer Kinder im
Vorschulalter. Für diese Familien – so die
Erfahrung – wirkt Family Literacy häufig als
„bridge to literacy« »from generation to generation«.
• In der »Elternsitzung« erfahren die Eltern
die Bedeutung von kreativen Aktivitäten
für die kindliche Entwicklung. Dabei werde n sie mit ein er Re ihe kr eativer
Arbeitsweisen vertraut gemacht wie z.B.
M alen, M ode llier en , Anf er tigen von
Collagen etc. Es wird besprochen, wie diese
Aktivitäten einfach und kostengünstig zu
Hause durchgeführt werden können.
• In der »Kindersitzung« werden die Kinder
ermutigt zu experimentieren. Ihnen wird
die Möglichkeit gegeben, möglichst viele
G er äte, Werk zeuge und
M a t er ialen
auszupr obieren.
• In der »gemeinsamen Sitzung« probieren
Eltern etc. kreative Aktivitäten zusammen
mit den Kindern aus.
Das Charakteristische an Family-LiteracyPr ogrammen ist ihr Aufbau in drei Teilen:
• In den Sitzungen mit Eltern verbessern die
Eltern ihre e ige nen Gr undbildungskompetenzen. Zudem erhalten sie Informationen darüber, wie ihr Kind in sprachlicher und literaler Hinsicht lernt und wie
sie dieses Lernen unterstützen können. In
den Elternsitzungen ber eiten die Eltern das
wöchentliche gemeinsame Tr effen vor.
• In den Sitzungen mit Kindern wird der
Schwerpunkt auf sprachliche, kreative und
literale Aktivitäten gelegt.
• In den gemeinsamen Sitzungen führen die
Eltern lern- und entwicklungsförderliche
Aktivitäten mit ihren Kindern durch. Die
Kursleiterinnen sind dabei supervisorisch
tätig. In den kommenden Sitzungen mit
Eltern werden die gemachten Erfahrungen
reflektiert.
Im Wesentlichen basiert Family Literacy
auf dr ei Säulen für zwei Generationen, die
k oo pe ra tiv mite inand er u nd am ge me insamen Gegenstand tätig wer den. Dabei bringt
familienorientier te Lite ralisierung Elem ente
aus Vorschulpädagogik, Erwachsenenbildung
u nd Elternb ildu ng z usam me n, entf alt et
jedoch durch seinen generationsübergreifend en, systemisc hen C har akter e ine höhe re
1
• D ie »Elter nsitz ung « die nt da zu, die
gesellschaftliche Bedeutung der Schrift im
persönlichen Umfeld zu erkennen. Es wird
gemeinsam erarbeitet, an welchen Stellen
im persönliche n Alltag Lesen und
Schreiben eine Rolle spielt oder spielen
könnte.
• D ie »Kind er sitz ung« soll den Kind ern
helfen, sich der Sprache und der Schrift in
ihre r Umwe lt bewu sst( er ) zu werden.
Beispielsweise wer den m it Hilf e einer
Einkaufsliste die Namen der Lebensmittel
erarbeitet. Dabei können Geschmack und
die Beschaffenheit der Lebensmittel verbal
beschrieben werden.
• Die »gem ein sam e Sitzung« kö nnte au s
e inem Einka ufsgang be st ehe n, bei de m
Eltern zusammen mit ihren Kindern verschiedene Lebensmittel auf der Grundlage
e ine r gem einsam e rste llt en Einkauf sliste
besorgen und probieren. Auf dem Weg
zum Su pe rm ar kt k önnte n S ch ild er,
Symbole und Straßennamen aufmerksam
Die folgende Übersicht geht partiell zurück auf die Zuarbeit von Yvonne Zir ra und Markus Rahde, beide
Studierende an der Universität Br emen. Vgl. auch: Brooks et al. 1996, NCFL 2000 sovle: The Basic Skills
Agency (o.J.). Developing Family Literacy. Four 30minute Training Programmes for Teachers (Video),
London. Weiter e Ber eiche könnten sich beispielsweise auf die sprachlich-kommunikative Entwicklung (z.B.
durch den Einsatz von Handpuppen), die Entwicklung des Wortschatzes, die Entwicklung von Weltwissen
oder die indviduelle Entscheidungsfähigkeit richten.
betrachtet werden. Alternativ bietet sich
die Erkundung der Schriftvielfalt in der
Nähe der häuslichen Wohnung oder/und
auf dem Weg zum Kindergarten an.
• In de r »Elt ernsitz ung« erfahre n Elt er n,
welch e Sp iele w elc he spe ziellen Fe rtig keiten fördern können und wie diese Spiele
sowohl im Kindergar ten bzw. in der Schule
als auch zu Hause durchgeführt werden
können.
• In der »Kindersitzung« liegt der Fokus auf
sozia len Fe rtigke it en, die zum S pie le n
benötigt werden. Dazu zählen beispielsweise: teilen können, gewinnen und verliere n kö nne n, mit e ine r möglic he n
Wendung der Spielsituation umgehen können usw.
• In der »gemeinsamen Sitzung« betrachten
Eltern und Kinder eine Reihe von Spielen
für zu Hause oder für den Schulgebrauch,
um später einige dieser Spiele gemeinsam
auszuprobieren.
• Die »Elternsitzung« soll den Eltern zu einer
Be wusstseinsbild ung be züglich de r Be de utu ng r ege lm äßigen Vo rlesens b zw.
Be trac htens von Bilder- und Kinde rbüchern dienen. Sie können somit einen
Überblick über das Angebot an Kinderbüchern und -kassett en erha lte n u nd
dadurch die Möglichkeiten erkennen, die
sich ihnen und ihren Kindern bieten.
• Die »Kindersitzung« macht die Kinder mit
einer Bibliothek vertraut; sie können sich
dort Büche r ansc hau en oder mit nach
Hause nehmen. Ziel ist es, einer Geschichte
zuhören zu können, sie nacherzählen zu
können oder einen möglichen weiteren
Verlauf antizipieren zu können.
• Die »gem einsam e Sitzung« können die
Eltern nutzen, um mit ihren Kindern eine
Bücherei zu besuchen. Dort können sie
eine Reihe von Büchern und Kassetten
betrachten und einer Geschichte zuhören,
die von der Bibliothekarin vorgelesen wird.
Vorlesebegleitende Dialoge werden modell haft erlebt. Natürlich können die Eltern
auch selbst vorlesen oder sich Bücher zum
Vorlesen mit nach Hause nehmen.
• In der »Elternsitzung« erfahren die Elter n
die Wicht igkeit de r einze lnen Entwick-
lungsstufen des Schriftspracherwerbs. Die
Eltern lernen Mittel und Wege kennen, wie
sie ihre Kind er a uf ihre m jew eilig en
Entwicklungsniveau unterstützen können.
Ferner ge winnen die Elte rn ein en
Überblick über eine Reihe von Materialien
und Akt ivität en, w elch e die S chr eibfertigkeit ermutigen und unterstützen, wie
be isp ielsw eise: Um gan g mit Scher en,
Kreide, Farben, Filz, Zeichenstiften jeder
Art , G emä lden, Bildern, Ge sch icht en ,
Reimen, Liedern etc.
• In der »Kindersitzung« verfassen Kinder
e rste »Br ie fe « und kön nen m it allen
möglichen Materialien ihre gestalterischen
Qualität en ent wick eln; dur ch Bast eln ,
Schne ide n, M alen usw. e ntwic kelt sich
zudem ihre Fingerfertigkeit.
• In der »gemeinsamen Sitzung« können die
Eltern mit Kindern verschiedene Aktivitäten aus dem Bereich des Malens und des
frü hen Schr eibe ns a uspr obieren. Dab ei
erkennen sie die jeweiligen Entwicklungsniveaus ihres Kinder.
Auc h d ie Stif tun g Lesen resümiert: „»Die
Eltern unterrichten und die Kinder err eichen«
ist ...p d er zurz eit Er folg versp rechendste
Ansatz z ur Verbesseru ng d er Le se - u nd
Schreibkompetenz in breiten, sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten“ (Franzmann
u.a. 2002, 186).
Die an gelsäc hsische n Er fahrungen mit
dem familienzentrierten Ansatz zeigen, dass
Familienprogramme sinnvoll an bestehende
Bildungsinstitutionen (Kindergarten, Schule,
Erwa chsenenbildu ng) a nge bu nde n werden
können. Die Ergebnisse ermutigen, diesen
Bereich systematischer und auf eine mögliche
Adaptation hin zu untersuchen. Es bleibt zu
hoffen, dass diese Aktivitäten in ein größeres
Forschungs- und Modellprogramm münden.
Da nebe n wär e es wün sch ensw ert, da ss
schu lische Einr ic htu nge n die Be deutu ng
dieses Ansatzes für sich erkennen und ihn im
Rahmen ihrer Möglichkeiten, also auf lokaler
Basis, praktizieren. Erste eigene Ansätze lassen
sich in Hamburg sowie in Graz vernehmen.
Auf wisse nsc haft lic her bz w. bildungspolitisc her Eb ene fin de n diese Aktivitäten ihre
Entspre chunge n in Auffa ssu ngen
de r
Universität Bremen und des Bundesverbandes
Alphabetisierung.
Insbesondere f ür Sc hulen in soz ia len
Brennpunkten bietet sich eine Einbindung
familienorientierter Bildungsarbeit in das jeweilige Schulprogramm an. Wenn es möglich
ist, die C ha nce n a uf B ildungst eilh ab e
soziokulturell benachteiligter Kinder durch
eine Veränderung ihr er Alltagswelt zu vergrößern, dann sollte ü be rlegt werden , in
welcher Form Schule zur Bildungsinstitution
eines Stadtteils werden kann. Dabei soll nicht
verschwiegen werden, dass die Erfahrungen
mit ähnliche n An sät ze n a uch Gr enzen
aufzeigen, z.B. wenn ökonomische, psychische und soziale Probleme der Familien so
se hr kum ulier en , dass a n dieser Stelle
Maßnahmen der Sozialarbeit und der psychotherapeutischen Unterstützung notwend ig wä ren. Gleic hzeitig gilt es, d ie se
sozia lp ädago gisc he u nd - the rape ut ische
Arbeit stärker mit schulischer Bildungsarbeit
zu verknüpfen.
Es kö nnte sinnvo ll sein, Elternbildu ng hier zu
La nd e als or iginäre Aufgab e staat lic he r
Bild ungsinstitutionen zu sehen. Generell bedarf
es dazu meiner Ansicht nach einer grundlegenden Änderung in Richt ung einer „fa milienzentrierten Bildun gspolitik“ ( Ache nbac h 20 03)
und damit einer Änderung der gesamtgesellschaftlichen Auffassung von Schule. In
einer solchen Auf fassung könnte sich Schule –
mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet –
für alle Menschen in ihrem Einzugsgebiet
zuständig fühlen und sich als Lern- wie auch
als Lebensmittelpunkt eines Stadtteils oder
einer Kommune begreifen.
Achenbach, Susanne. 2003. „Vom Pr oblem zur Herausforderung – eine Wegbeschreibung für
eine politische Bildungsr eise.” In: Arbeitnehmerkammer Bremen (Hrsg.). Dokumentation der
Veranstaltung „»BilderBuchFamilien« – Wie Familien den Bildungserfolg der kommenden
Generation beeinflussen (können)“. Bremen, i.D.
Bambach, Heide. 1989. Erfundene Geschichten erzählen es richtig. Lesen und Leben in der
Schule. Konstanz.
Baumer t, Jürgen et al. (Hrsg.). 2001. PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und
Schülern im internationalen Vergleich. Opladen.
Brooks, Greg / Harman, John / Hutchison, Dougal / Kendall, Sally / Wilkin, Anne.1996.
Family Literacy Works. The NFER Evaluation of the Basic Skills Agency’s Demonstration
Pr ogrammes. London.
Dehn, Mechthild. 1996. „Einleitung: Elementar e Schriftkultur.” In: Dehn, Mechthild / HüttisGraf f, Petra / Kruse, Norbert (Hrsg). Elementare Schriftkultur. Schwierige Lernentwicklung
und Unterrichtskonzept. Weinheim, Basel, S. 8-14.
Döbert, Marion / Huber tus, Peter. 2000. Ihr Kreuz ist die Schrift. Analphabetismus und
Alphabetisierung in Deutschland. Bundesverband Alphabetisierung e.V. Münster, Stuttgart.
Eglof f, Birte. 1997. Biographische Muster „funktionaler Analphabeten“: Eine biographische
Studie zu Entstehungsbedingungen und Bewältigungsstrukturen von funktionalen
Analphabeten. Frankfurt a.M.
Franzmann, Bodo (in Zusammenarbeit mit Sigrid Strecker und Kristina Pfarr). 2002. „Sprachund elementare Leseförderung in Familien und Familienbildung.” In: Deutsches
Jugendinstitut (Hrsg.). Sprachförderung im Vor- und Grundschulalter. München, S. 173-234.
Haas, Gerhard / Menzel, Wolfgang / Spinner, Kaspar H. 1994. „Handlungs- und produktionsorientierter Literatur unterricht.” In: Praxis Deutsch 123, S. 17f.
Helmke, Andreas. 1997. „Das Stereotyp des schlechten Schülers. Ergebnisse aus dem
Scholastik-Projekt.” In: Weiner t, Franz E. / Helmke, Andreas (Hrsg.). Entwicklung im
Grundschulalter. Weinheim, S. 269-279.
Hubertus, Peter / Nickel, Sven. 2003. „Alphabetisierung von Erwachsenen.”
I n: Br ede l, Ursula / Günthe r, Hartm ut / Klot z, Pe ter / Ossne r, Jako b / Sieb er t-Ott , Gesa (Hrsg.).
Didaktik der deutschen Sprache. Ein Handbuch, Band 2., S. 719-728.
Hur relmann, Bettina. 1994. „Leseförder ung.” In: Praxis Deutsch 127, S. 17-26.
Kretschmann, Rudolf. 2003. „Lesen, Schreiben, Rechnen – schon im Kinder garten?” In:
Wehrmann, Ilse (Hrsg.). Zukunft der Kinder gärten, Kindergärten der Zukunft. Weinheim, i.V.
Küspert, Petra / Schneider, Wolfgang. 2000. Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Kinder
im Vorschulalter. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Er werb der
Schriftsprache. Göttingen
Milhoffer, Petra (Hrsg.). 1991. Grundschule und Bibliothek – eine vernachlässigte Beziehung?
Frankfurt a.M.
National Center for Famliy Literacy. 2000. Training and Staff Development for Family
Literacy Practitioners. Participiant’s Manual. Louisville.
Nickel, Sven. 2004. „Family Literacy – Familienorientierte Literalisierung zur Förderung des
Schriftspracherwerbs.” Erscheint voraussichtlich in: Carle, Ursula / Unckel, Anne (Hrsg.).
Entwicklungszeiten – Forschungsperspektiven für die Grundschule. Opladen, i.V.
Osburg, Claudia. 1997. Gespr ochene und geschriebene Sprache. Aussprachestörungen und
Schriftspracherwerb. Hohengehren.
Ulich, Michaela. 2003. „Literacy – sprachliche Bildung im Elementarbereich.” In: kiga heute
3, S. 6-18.
Schmid-Barkow, Ingrid. 1999. „Störungen des Schriftspracherwerbs und Sprachbewusstheit.”
Grundschule 5, S. 35-38.
Schneider, Wolfgang / Roth, Ellen / Ennemoser, Marco. 2000. „Training phonological skills
and letter knowledge in children at risk for dyslexia: A comparism of three kindergarten
intervention pr ograms.” Journal of Educational Psychology 92, S. 284-295.
Schneider, Wolfgang / Roth, Ellen / Küspert, Petra / Ennemoser, Marco. 1998. „Kurz- und
langfristige Effekte eines Trainings der sprachlichen Bewusstheit bei unterschiedlichen
Leistungsgr uppen: Befunde einer Sekundäranalyse.” Zeitschrift für Entwicklungspsychologie
und Pädagogische Psychologie 30, S. 26-39.
Stiftung Lesen u.a. (Hrsg.). 1998. Kinder wollen Bücher. Ideen, Projekte, Er fahrungen zum
spielerischen Umgang mit Büchern im Kindergarten. Mainz.
Tenta, Heike. 2002. Schrift- & Zeichenforscher. Was Kinder wissen wollen. München.
Wocken, Hans. 2000. „Leistung, Intelligenz und Soziallage von Schülern mit
Lernbehinderungen.” Zeitschrift für Heilpädagogik 12, S. 492-503.