Solo le pido a dios - Evangelische Kirche in Deutschland
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Solo le pido a dios - Evangelische Kirche in Deutschland
Missionarische Engagements in Japan – zwei Beispiele 27. April 2016 Prof. Dr. Shinichi Kotabe NCCJ Deutschland-Ausschuß Stipendienreferent Die Vereinigte Kirche Christi in Japan, zu der ich gehöre, hat in den 60er Jahren ein neues Missionskonzept entwickelt, in dem sie sich als eine am Wirken Gottes in der Welt beteiligte und dadurch für die Welt offene Kirche versteht. „Offen“ heißt, dass die Kirche auf die Welt zugehen und mit den Unterdrückten, Ausgestoßenen und anderen sozial Benachteiligten solidarisch sein werde. Auch in Japan gibt es viele kirchliche und private soziale Engagements, die klein erscheinen, aber sich der Sicht und Vision Jesu hier und jetzt in der japanischen Gesellschaft anzuschließen versuchen. Ein Beispiel - „Netzwerk für das Miteinander Gehen mit behinderten Kindern“ Dazu möchte ich Euch ein paar Beispiele aus meiner persönlichen Erfahrung nennen. Ich persönlich engagiere mich in zwei Bewegungen, zum einen beim „Netzwerk für das Miteinander Gehen mit behinderten Kindern“, zum anderen beim „NPO Mokupato“ (Donnerstagsrundgang). Ersteres ist eine Bewegung, die Pfarrer Aoki (1924-) mit seiner Frau begonnen hat. Als der junge Aoki Medizinstudent war, war er selbst blind geworden. „Ich bin ein unnützer Mensch geworden. … Es ist besser zu sterben. So habe ich in mir weder einen Sinn noch einen Wert zum Leben gefunden“, so erinnert er sich an seine damalige Gesinnung und Verzweiflung. Aber dieses Verständnis des Menschen wird durch das Wort Jesu aufgehoben. In Joh 9,1-3 steht das folgende Gespräch: „Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“ Verschiedene Menschen aus allen möglichen japanischen Religionen sollen Aoki besucht haben und ihm wie die Jünger Jesu gesagt haben: „wie die Saat, so die Ernte“. Aber Jesu Wort öffnete ihm eine neue Welt. Es war ihm eine ganz neue Erfahrung, eine Erfahrung der Befreiung und ein Anbruch neuen Lebens in ihm. Er entschied sich, Theologie zu studieren, um Pfarrer zu werden. Die Vision vom Reich Gottes öffnete seine inneren Augen. 1 Ihm wurde klar, dass im Hintergrund seines damaligen Verständnisses vom Menschen, in dem er Menschen mit Behinderung als unnütz ansah, die nationalistische Vision vom Reich Gottes stand, die auf die Ausbildung starker Menschen für das Gedeihen der Nation abzielt und Menschen mit Behinderung als Schwäche und allein Objekt der Hilfe ansieht. Außerdem merkte er, dass Kinder mit Behinderung in der auf Stärke ausgerichteten japanischen Politik isoliert und an den Rand der Gesellschaft geschoben waren. Durch den Umstand, dass er blind geworden und Jesu Vision begegnet war, wurde ihm viel bisher Verborgenes sichtbar. Seit er Pfarrer geworden ist, beschäftigen er und seine Frau sich seit mehr als fünfzig Jahren mit seiner Vision, dass eine Welt kommt, in der Kinder mit Behinderung und Kinder ohne Behinderung miteinander und füreinander leben. Dies ist für die beiden ihre christlich-missionarische Aufgabe in Japan. Es ist eine kleine Bewegung, aber sie hat vor kurzem von der Stadt Tokio eine Auszeichnung wegen des langjährigen Engagements und Beitrags zur sozialen Wohlfahrt bekommen. Ein Beispiel – „NPO Mokupato“ Die zweite Bewegung heißt „NPO Mokupato“. In verschiedenen Stadtteilen in Japan engagieren sich nicht wenige Christen für Obdachlose. „Mokupato“ habe n Christen vor ca. 20 Jahren in meinem Stadtteil begonnen. Eigentlich heißt diese Bewegung „Mokuyo Patororu“, also „Rundgang am Donnerstag“, weil wir am Donnerstagabend auf die Straße gehen. „Denn wir sind ihm begegnet“ ist das Schlüsselwort dieser Aktion. Auch in der Wirtschaftsmacht Japan gibt es viele Obdachlose, die meist in einem bestimmten Ortsteil verborgen sind. Manchmal werden Obdachlose von Jugendlichen angegriffen oder auch umgebracht. Als einmal Jugendliche, die verhaftet worden waren, von den Medien mit den Worten „die Obdachlosen stinken und sind wie Müll – wir haben nur den Müll weggeräumt“ zitiert wurden, war das ein großer Schock für uns. Wir haben Sorge, dass die Würde des Menschen in der Leistungsgesellschaft verloren geht. Die Gesellschaft, die einerseits im globalen Wettbewerb mit aller Kraft auf den Sieg der Nation abzielt, ist andererseits eine Gesellschaft, die die Menschen auf der Straße diskriminiert. Die Obdachlosen leben auf der Straße, nicht weil sie faul sind, sondern „weil uns niemand eingestellt hat“ (Mt 20,7), wie ein Arbeiter in Jesu Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg sagt. In der Wettbewerbsgesellschaft könnte sich jeder morgen auf der Straße wiederfinden. Aber viele wollen diesen Umstand nicht anerkennen. Wenn wir den Menschen auf der Straße begegnen und ihre Probleme kennenlernen, 2 bekommen wir einen Einblick in die Realität – in das, was auf der Welt wirklich geschieht. Wir unterstützen Obdachlose dabei, eine Wohnung zu finden und selbständig zu leben. Neulich haben wir begonnen, für Menschen, die selbständig in einer Wohnung leben, monatlich ein gemeinsames Essen zu veranstalten, mal in der katholischen Gemeinde, mal in der protestantischen. „NPO Mokupato“ ist also ökumenisch. Die Gesellschaft, in der Menschen, die einmal allein gelassen auf der Straße wohnten, wieder mit anderen Menschen miteinander und füreinander leben können, ist die Gesellschaft, in der jeder menschlich leben kann. Die Vision vom Reich des Gottes der Liebe unterstützt die Vision und Aktionen der „NPO Mokupato“. Schluß Der Anbruch des Reiches Gottes als Wirken Gottes der Liebe bringt uns zum Umdenken. Das führt uns zur Sicht auf das Leben und die Welt im Wirkungsraum des Gottes der Liebe hier und jetzt. Martin Luther drückt dieses Umdenken im folgenden Satz schön aus: "Darum nämlich, weil sie geliebt werden, sind die Sünder »schön«, nicht aber werden sie geliebt, weil sie »schön« sind" (Heidelberger Disputation, 1518). Zu diesem kritischen Punkt bzw. Ursprung sollen wir immer wieder zurückkommen, um uns auf die Welt im Wirkungsraum des Gottes der Liebe zu öffnen und um unsere Visionen zu überprüfen, sie neu zu formulieren und zu leben. Die Probleme der modernen und globalen Gesellschaft lassen sich nicht nur in Japan, sondern z.B. auch in Deutschland finden. In diesem Sinn finden wir es sehr sinnvoll, dass wir in einem international-ökumenischen Rahmen jeweilige kontextuelle Erfahrungen bringen und gemeinsam die missionarische Aufgabe im 21. Jahrhundert bedenken und miteinander diskutieren. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir uns auf diesen Weise begegnen und kennenlernen konnten, die wir einerseits zu den verschiedenen Erdteilen gehören, aber andererseits im Gebet verbunden sind. 3 Βegrüßung Lied: Meine engen Grenzen Evangelium: Joh. 9.1-3 Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm. Meditation Vaterunser Lied: Meine Hoffnung und meine Freude Gebet Wach du, Herr, mit denen, die wachen oder weinen in dieser Nacht. Hüte deine Kranken, lass deine Müden ruhen, segne deine Sterbenden. Tröste deine Leidenden. Erbarme dich deiner Betrübten Und sei mit deinen Fröhlichen. Amen. 4