Presse vom 20

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Presse vom 20
Demokratisches Türkeiforum
Sonderbericht 01/2007
Zum Tode von Hrant Dink
Presse vom 20.01.2007
Zum Tode von Hrant Dink am 19.01.2007
Die Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink in Istanbul am 19.01.2007 hat weltweit
Empörung ausgelöst. Aus der großen Anzahl von Artikeln in der türkischen Presse haben wir aus
Hürriyet biographische Angaben und aus Radikal einen Artikel von Hrant Dink, der am 21.01.2007 in
der Zeitung erscheinen sollte, sowie den Artikel, für den er nach Artikel 301 TStG verurteilt wurde für
zusammenfassende Übersetzungen ausgewählt. Danach folgen Auszüge aus dem Gutachten im
Gerichtsverfahren und eine Liste von Journalisten, die in den letzten 100 Jahren in der Türkei getötet
wurden.
Hürriyet vom 20.01.2007
Wer war Hrant Dink?
Hrant Dink wurde am 15.09.1954 in Malatya geboren. Im Alter von 7 Jahren kam er mit seiner Familie
nach Istanbul. Aufgrund der bald danach erfolgten Scheidung seiner Eltern kam er in ein Waisenhaus
der armenischen Kirche in Gedikpasa. Zusammen mit 2 Geschwistern hat er die Grundschule dieser
Kirche in Incirdibi besucht. Die Realschule absolvierte er in Becziyan und das Abitur machte er in
einem Internat in Üsküdar. An der Universität in Istanbul studierte er zunächst Zoologie. Er heiratete
Rakel Yagbasan, die er im Waisenhaus kennen gelernt hatte. Sie war in Silopu geboren worden und
gehörte der armenischen Sippe Varto an. Während des Studiums arbeitete er bei dem armenischen
Patriarchen Schnork Kalustyan. Nach Abschluss des Zoologie-Studiums begann Hrant Dink das
Studium der Philosophie. Mit seiner Frau hatte er drei Kinder. Gemeinsam leiteten sie eine Zeit lang
das Kinderlager in Tuzla. Wegen seiner politischen Ansichten wurde Hrant Dink drei Mal
festgenommen.
Zwischen 1980 und 1990 beschränkte Hrant Dink sich darauf, mit seinen Geschwistern zu betreiben
einen Buchladen. Nach 1990 wurde er wieder in der armenischen Gemeinschaft in der Türkei aktiv.
1996 schuf er die Zeitschrift "Agos", die auch mit Unterstützung des Patriarchen die Absicht verfolgte,
die Armenier in der Türkei aus ihrem Ghetto zu holen.
Radikal vom 20.01.2007
Weil ich Armenier bin, musste ich in die Schranken verwiesen werden...
(Diesen Artikel hat Hrant Dink einen Tag vor seiner Ermordung an Radikal geschickt. Er sollte am
21.01.2007 in der Zeitung veröffentlicht werden)
Zum Anfang eine Notiz: Ich werde wegen etwas, was ich nie gemacht, die "Erniedrigung des
Türkentums" zu 6 Monaten Haft verurteilt. Als letzte Möglichkeit werden meine Anwälte jetzt eine
Beschwerde beim Europäischen Gericht für Menschenrechte (EGfMR) einlegen. Dazu wollten sie ein
Schreiben von mir, in dem ich den Hergang der Sache schildere. Ich habe es als richtig empfunden,
dieses Schreiben mit der Öffentlichkeit zu teilen, denn für mich ist das Urteil der Öffentlichkeit in der
Türkei wichtiger als der Entscheid des EgfMR ...
Eigentlich fragt sich jeder, warum Hrant Dink verurteilt wurde, während für andere, die unter Artikel
301 TStG angeklagt waren, andere Lösungen gefunden wurden. So wurde im Verfahren von Orhan
Pamuk schon vor der ersten Verhandlung nach Wegen gesucht, das Verfahren einzustellen. Nach
den Tumulten bei der ersten Verhandlung hat das Justizministerium ein Verbot gegen die Anklage
verhängt und das Verfahren wurde eingestellt. Ähnliches passierte im Verfahren gegen Elif Safak, das
eingestellt wurde, ohne dass sie vor Gericht erscheinen musste. Ministerpräsident Tayyip Erdogan hat
ihr telefonisch sein Mitgefühl ausgedrückt. Schließlich sind da noch die Akademiker und Journalisten,
die nach der Armenienkonferenz wegen Erniedrigung des Türkentums angeklagt werden sollten.
Nicht dass ich neidisch auf die anderen bin, denn ich weiß sehr gut, wie schwer es wiegt, einer
Ermittlung unter diesen Bestimmungen ausgesetzt zu sein oder deswegen angeklagt zu werden. Ich
möchte nur eine Antwort auf die Frage, warum gegen Hrant Dink nicht so verfahren wurde.
Immerhin konnte der Ausgang der Verfahren in Richtung auf Europa, das Druck ausübte, den Artikel
301 zu streichen, als Vorwand benutzt werden, dass die Resultate solcher Verfahren positiv
aussehen, bis eben auf das Verfahren gegen Hrant Dink. In seinem Falle musste erklärt werden,
warum er zu 6 Monaten Strafe verurteilt worden war.
Wir alle wollen eine Antwort und ganz besonders ich, denn ich bin ein Bürger dieses Landes und
möchte mit allen anderen gleich sein. Sicherlich, als Armenier habe ich eine Reihe von
Diskriminierungen erlebt. Als ich 1986 meinen verkürzten Wehrdienst von 8 Monaten ableistete,
wurden alle anderen nach der Grundausbildung zu Gefreiten gemacht, nur ich blieb ein einfacher
Soldat... Also frage ich mich, ob bei meiner Bestrafung (im Gegensatz zu den anderen) meine
armenische Herkunft eine Rolle gespielt hat. Mein Gefühl sagt mir, dass irgend jemand der Meinung
ist, dass dieser Hrant Dink sich breit macht und man ihn in die Schranken verweisen muss. Ich möchte
nun darlegen, wie ich zu dem Gefühl komme und danach kann jede/r sehen, ob ich dieses Gefühl zu
Recht hege oder nicht.
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Zum Tode von Hrant Dink
Was ist z.B. mit dem "sich breit machen" gemeint. Seit der Herausgabe von Agos im Jahre 1996
wurden dort die Probleme der Armenier geschildert und es kamen auch Dinge vor, die der offiziellen
türkischen These nicht beliebt waren, wenn es um die Diskussion der Geschichte ging. Manchmal
wurde die Schwelle wohl überschritten, aber es war der Artikel über Sabiha Gökcen1 am 6. Februar
2004, der das "Fass zum Überlaufen brachte". In dem von Hrant Dink unterschriebenen Artikel mit der
Überschrift "Das Geheimnis von Sabiha Gökce" wurde auf die armenische Verwandtschaft von Sabiha
Gökcen eingegangen und behauptet, dass Atatürk ein armenisches Waisenkind adoptiert hatte.
Hürriyet brachte diesen Bericht als Schlagzeile am 21. Februar 2004.2 Danach meldeten sich viele
Kolumnisten in den nächsten zwei Wochen sowohl mit positiven als auch negativen Kommentaren.
Am wichtigsten aber war die schriftliche Erklärung des Generalstabs vom 22.02.2004.3 Darin wurde
die Meinung vertreten, dass es ein Verstoß gegen die nationale Einheit und den gesellschaftlichen
Frieden sei, wenn eine Diskussion über ein solches Symbol eröffnet werde. Ich sah die Nachricht dazu
an einem Sonntag im Fernsehen und hatte gleich ein ungutes Gefühl. Ich irrte mich nicht, denn am
nächsten Morgen rief ein Stellvertreter des Gouverneurs von Istanbul an. Er forderte mich auf, mit den
entsprechenden Dokumenten ins Gouverneursamt zu kommen. Ich fragte Kollegen nach der
Bedeutung einer solchen Aufforderung und sie sagten, dass es sehr ungewöhnlich sei, ich aber
besser mit den Dokumenten vorbeigehen sollte.
In dem sehr höflich geführten Gespräch machte mich der Stellvertreter des Gouverneurs in
Anwesenheit von zwei Personen (darunter ein Frau), die er als seine Verwandten ausgab, darauf
aufmerksam, dass ich vorsichtiger sein solle, denn der Mensch auf der Straße könne meinen, dass ich
böse Absichten hege. Er zeigte einen Antrag des armenischen Patriarchats, in dem auf wüste Angriffe
gegen die armenische Gemeinde im Internet hingewiesen werde. Sie (das Gouverneursamt) hätten
die Täter in Bursa gefunden und der Gerichtsbarkeit übergeben. Der anwesende Mann wiederholte
diese Worte noch ausführlicher und ließ niemand sonst zu Wort kommen. Am Ende bemerkte ich,
dass sie gar nicht nach meinen "Beweisen" gefragt hatten. Ich ließ sie trotzdem da. Die Absicht des
Treffens aber war gewesen, mich in die Schranken zu verweisen. Ich musste mich also in Acht
nehmen.
Dann kam auch, was kommen musste. Aus meinen experimentellen Schriften zur armenischen
Identität wurde der Satz "das giftige Blut aus einem Türken wird durch reines Blut ersetzt, das in der
eigentlichen Ader, die die Armenier mit Armenien herstellen werden, existiert..." heraus gepickt und
eine Kampagne gestartet, dass ich ein Türkenfeind sei. Am 26. Februar kam eine Gruppe von
Idealisten vor das Büro von Agos und riefen Parolen gegen mich. Die Medien waren alle da, als die
Parolen von "Entweder liebst du es oder du verlässt es (das Land)" gerufen wurden. Der Anführer
Levent Temiz wurde in seiner Ansprache sehr deutlich: "Von nun an ist Hrant Dink die Zielscheibe
unserer Wut und unseren Hasses". Die Nachricht von diesem Vorfall wurde nur im TV Sender Kanal 7
und in der Tageszeitung Özgür Gündem gebracht. Jemand hatte mit Erfolg die Verbreitung dieser
unschönen Szenen verhindert.
Ein paar Tage darauf machte eine Gruppe mit den Namen "Föderation des Kampfes gegen falsche
armenische Behauptungen" eine Demonstration vor dem Büro und dann trat die Union der großen
Juristen unter dem bis dahin unbekannten Anwalt Kemal Kerincsiz auf die Bildfläche. Sie stellten
Strafanzeige gegen mich. Ich wusste, dass der Anwalt und seine Gruppe nicht allein hinter mehr her
waren.
Die Ermittlungen unter dem Vorwurf, das Türkentum erniedrigt zu haben, machten mich nicht nervös.
Ein ähnliches Verfahren hatte ich in Urfa gehabt, wo ich im Jahre 2002 sagte, dass ich nicht Türke
sondern Bürger der Türkei sei. Das Verfahren dauerte noch an und wurde von Anwälten in Urfa
verfolgt. Ich selbst kümmerte mich nicht darum. Im letzten Fall würde der Staatsanwalt sicher merken,
dass der aus dem Zusammenhang gegriffene Satz für sich genommen nicht verständlich war und es
nicht meine Absicht war, das Türkentum zu erniedrigen. Zu meiner Verwunderung aber wurde ich
angeklagt.
Ich war immer noch nicht besorgt und gab im Fernsehen meiner Überzeugung Ausdruck, dass ich
keine Strafe erhalten würde und das Land verlassen werde, wenn ich doch bestraft würde. Ein 3köpfiges Expertenteam der Universität Istanbul war auch zu dem Schluss gekommen, dass in meinem
Artikel das Türkentum nicht beleidigt wurde. Dennoch verlangte der Staatsanwalt eine Strafe und der
1 Sabiha Gökcen war eine Adoptivtochter vom Gründer der Republik, Mustafa Kemal Atatürk und die erste
weibliche Pilotin. Nach ihr ist ein Flughafen in Istanbul benannt. Vgl. auch den Eintrag bei Wikipedia unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Sabiha_G%C3%B6k%C3%A7en
2 Siehe http://webarsiv.hurriyet.com.tr/2004/02/21/416401.asp
3 Siehe http://www.tsk.mil.tr/bashalk/basac/2004/a03.htm
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Richter setzte sie auf 6 Monate fest.
Ich war fertig, denn ich wollte den ständigen Angriffen, wo ich als Türkenfeind beschuldigt wurde, weil
ich das "Blut des Türken (als) giftig" bezeichnet hatte, meinen Freispruch entgegen halten. So hatte
ich die Monate mit Anrufen, e-Mails und Briefen und die Angriffe von Faschisten im Korridor des
Gerichts überstanden. Ich bezeichne die Erniedrigung von Mitmenschen, die aus ethnischer oder
religiöser Sicht anders sind, als Rassismus. Rassismus aber ist unverzeihlich.
Den vor meinem Haus wartenden Journalisten sagte ich, dass ich Revision einlegen werde und
notfalls vor das EGfMR gehen würde und wenn mir von keiner dieser Instanzen Recht gegeben
würde, dann würde ich das Land verlassen. Ich war wie immer sehr emotional, denn meine einzige
Waffe war meine Ehrlichkeit. Wegen dieser Erklärung wurden ich und andere Personen von Agos
unter dem Vorwurf angeklagt, die Justiz beeinflusst zu haben. Dabei hatte die Erklärung überall
gestanden, aber nur die Zeitung, wo der Angeklagte arbeitete, der das Recht haben muss, die Justiz
für sich einzunehmen, wurde angeklagt.
Langsam kam ich zu der Ansicht, die andere vor mir schon vertreten hatten, dass die Justiz nicht den
Bürger sondern den Staat schützt. Das Urteil war der Form halber im Namen des Volkes ergangen, es
hätte aber im Namen des Staates heißen müssen. Vor dem Kassationshof ging es dann weiter. Der
Staatsanwalt schloss sich den Experten an und verlangte Freispruch. Die Kammer aber bestätigte die
Verurteilung. Da sich der Staatsanwalt nach dem Lesen meines Artikels genau so sicher war wie ich,
dass es kein Vergehen gab, legte er Einspruch bei der Kammerversammlung ein. Diese große Kraft,
die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, mich in die Schranken zu weisen, war auch hier wieder in
einer mir unbekannten Weise effektiv und es wurde mit Stimmenmehrheit verkündet, dass ich das
Türkentum beleidigt habe.
Die Kräfte, die mich ins Abseits stellen und meine Abwehrkräfte schwächen wollten, haben Erfolg
gehabt. Mein PC ist voller Zeilen von Bürgern, die ihre Wut in Drohungen ausdrücken. (Ich sollte
notieren, dass einer der Briefe aus Bursa kam. Ich fand ihn sehr bedrohlich und habe die
Staatsanwaltschaft in Sisli informiert. Bisher wurde aber nichts unternommen.)
Ich kann nicht sagen, wie real die Drohungen sind. Ich aber finde die psychologische Folter, der ich
ausgesetzt bin, bedrohlich und unerträglich. Ich martere mein Gehirn mit der Frage, was die Leute
über mich denken. Ich merke, dass ich bekannter geworden bin und die Leute mich als "ist das nicht
dieser Armenier?" anschauen. Ich bin wie eine Taube, aufmerksam auf der einen Seite und ängstlich
auf der anderen. Mein Kopf dreht sich nach links und rechts und nach hinten, wie bei einer Taube.
Was sagte der Außenminister Abdullah Gül und der Justizminister Cemil Cicek? "Was ist schon dran
am Artikel 301? Deswegen ist noch niemand eingesperrt worden."
Es geht aber nicht darum, deswegen eingesperrt zu werden oder nicht. Es gibt Momente, wo ich und
meine Familie wirklich daran denken, das Land zu verlassen, ganz besonders wenn solche
Drohungen kommen. Es ist wie ein Kampf auf Leben und Tod. Ich selber könnte den Helden spielen,
aber ich habe kein Recht, jemand anders in Gefahren zu bringen. Wo aber sollen wir hin? Nach
Armenien, wo ich die Ungerechtigkeiten auch nicht ertragen würde. In Europa fühle ich mich nicht
wohl. Jedes Mal, wenn ich dort war, wollte ich spätestens am vierten Tag wieder in die Heimat.
Ich weiß nicht, wie lange das Verfahren am EGfMR dauern wird, aber wenigstens so lange kann ich
noch bleiben. Wenn es dort eine positive Entscheidung gibt, werde ich mich besonders darüber
freuen, dass ich mein Land nicht verlassen muss.
2007 wird ein schweres Jahr für mich werden. Es wird neue Verfahren geben und wer weiß, welche
Ungerechtigkeiten mich noch erwarten. Angesichts all dessen, vertraue ich nur darauf, dass in diesem
Land die Menschen die Tauben nicht belangen. Sie sind in den großen Städten und leben inmitten der
Menschenmassen, ein wenig ängstlich aber genau so frei.
Radikal vom 20.01.2007
Der Artikel, für den Hrant Dink bestraft wurde (Auszug)
Armenien kennenlernen: Das giftige Blut, das einem Türken entströmt, wird durch reines Blut
ersetzt, das in der eigentlichen Ader, die die Armenier mit Armenien herstellen werden, existiert. Es
reicht, dass man sich bewusst wird, dass es vorrätig ist.
Die Verantwortung für diese Erkenntnis liegt nicht so sehr bei den in der Diaspora verstreut lebenden
Armeniern als bei den Herrschenden in Armenien. Allerdings kann in den 12 Jahren der
Unabhängigkeit mit Blick auf die Beziehungen der Diaspora zu den Regierungen in Armenien
gesehen werden, dass sie dieses Bewusstsein nicht in ausreichendem Maße erlangt haben. Es gab
ein paar Initiativen von der Diaspora und einige von Armenien, aber es fand keine Institutionalisierung
statt. Dabei hätte schon längst ein Ministerium für die Diaspora gegründet werden müssen.
Armenien hat nicht begriffen, wie sehr es die Wurzel der Armenier ist, so dass die Diaspora das auch
nicht spürt. Die Beziehungen die Armenien zu den Individuen in der Diaspora aufbaut, spielen eine
große Rolle für die Identität der Armenier in der Diaspora und der Formulierung neuer Sätze zur
Identität.
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Zum Tode von Hrant Dink
Die armenischen Schulen, Sprachkurse und Aktivitäten von sozialen oder kulturellen Einrichtungen
haben als einziges Ziel die Weiterführung, den Schutz und (wenn möglich) die Entwicklung der
armenischen Identität für neue Generationen. Dafür werden Millionen von Dollar ausgegeben. Was
heraus kommt ist die Kenntnis einer Sprache, die nicht gesprochen wird und Personen, die ab und zu
mal in die Kirche gehen. Dabei sollte der moralische Dialog zwischen Armenien und den Menschen in
der Diaspora die selbstverständlichste Schule sein. Für einen Jugendlichen in der Diaspora, der nie
auf einer jener Schulen war und nie eine Kirche besucht hat, würde die Bekanntschaft mit dieser
natürlichen Schule genannt Armenien viel für seine Identität bedeuten.
Ein Versuch würde nicht viel kosten. Mit ein paar Groschen könnte ein Jugendlicher zwei Wochen
seines Urlaubs auf den Straßen von Armenien verbringen. Dann könnte gesehen werden, wie er/sie,
der/die weit von seiner Identität entfernt schien, in 15-20 Tagen die Identität in seine Adern
aufgesogen hat. Unabhängig wo der/die Jugendliche in dieser Welt lebt, er/sie könnte diese Identität
nicht vergessen. So als wäre die Identität ihm/ihr eingeimpft worden.
Gruppenreise nach Armenien sind in erster Linie Aktivitäten zur Erlangung der Identität. Sätze und
Wörter direkt aus Armenien sind ein reicher Gewinn. Dies kann auch damit verglichen werden, dass
eine Topfblume mit ihrer eigenen Erde, dem eigenen Wasser und der eigenen Sonne Bekanntschaft
macht. Ein Versuch ist kostenlos... Es wird jedem empfohlen.
Notiz: Dieser Artikel alleine macht leider die Bedeutung des "vergifteten Blutes" nicht deutlich. Daher
haben wir zusätzlich aus dem Gutachten für das Gericht zitiert, publiziert in
Radikal vom 10.10.2005
Das Gutachten
Zwischen dem 7. November 2003 und dem 13. Februar 2004 erschienen 8 Schriften des Angeklagten
zur armenischen Identität. Darin beschreibt der Angeklagte die unterschiedliche Lage der Armenier in
verschiedenen Ländern und Generationen, die Ereignisse von 1915 und die Beziehungen der im
Ausland lebenden Armenier zu Armenien. Nur der letzte Artikel der Serie führte zur Anklage. Dabei
sollten alle Artikel in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden.
Aus ihnen folgt, dass die Ereignisse von 1915 in den Augen des Angeklagten ein Völkermord waren.
Diese Ereignisse haben in der armenischen Identität und auch wegen des darauf folgenden
Desinteresses der Welt ernsthafte Schäden verursacht. Danach versuchte die armenische
Gemeinschaft die Vorfälle zu benutzen, um sich zu behaupten. Das Beharren darauf, Anerkennung
dafür zu bekommen, dass die Ereignisse als Völkermord anerkannt werden, wurden zum
bestimmenden Element der armenischen Identität. Das wiederum schadet der Identität.
Die Armenier müssen sich von den türkischen Element in ihrer Identität befreien. Das könne
geschehen, wenn die Türken als Staat und als Gesellschaft zeigen, dass sie die Schmerzen der
Armenier teilen. Die Armenier wiederum dürfen nicht darauf warten, dass die Türken die Ereignisse
als Völkermord anerkennen. Wenn sie sich vom türkischen Element ihrer Identität befreien, wird es
kein Vakuum geben, denn die Stelle kann mit Aufmerksamkeit für den armenischen Staat gefüllt
werden.
Um eine Straftat zu sein, hätte die Aussage des giftigen Blutes auf die Türken bezogen sein müssen
und nicht das türkische Element in der armenischen Identität. Was der Angeklagte mit dem türkischen
Element gemeint hat, macht er in den letzten drei Teilen seiner Schriften deutlich. Es sind der
Blickwinkel und das Verständnis, das sich aus den Ereignissen von 1915 heraus bei den Armeniern
entwickelt hat. Mit dem "giftigen Blut" meint der Angeklagte, dass die Armenier sich von dem falschen
Verständnis befreien müssen, die gemeinsame Existenz stets von einer Einschätzung der Ereignisse
von 1915 abhängig zu machen. Es ist keine Aussagen gegen die Türken oder das Türkentum.
In Bezug auf die Einschätzung der Ereignisse stellt auch die Aussage, dass es ein Völkermord war,
keinen Verstoß gegen Artikel 159 TStG (zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens gültig) dar. Es
gibt zu diesem historischen Ereignis unterschiedliche Ansichten, die diskutiert werden und im Rahmen
der freien Meinungsäußerung betrachtet werden müssen.
Radikal vom 20.01.2007
Dink war der 62. getötete Journalist
Nach einer Liste des Journalistenvereins (TGC) wurden in den letzten 98 Jahren 61 Journalisten in
der Türkei getötet. Hrant Dink war der 62. Die Liste der Namen/Publikation/Jahr ist wie folgt:
Hasan Fehmi Bey/Freiberufler 1909, Ahmet Samim/Sada-yı Millet 1910, Zeki Bey/Şehrah 1911,
Hüseyin Kami/Alemdar 1912 oder 1914 , Hasan Tahsin/Hukuk-u Beşer 1919, Silahçı Tahsin/Silah ve
Bomba 1914 , İştirakçi Hilmi/iştirak,Medeniyet 1922, Ali Kemal/Peyam-ı Sabah 1922, Hikmet Şevket
1930, Sabahattin Ali/Marko Paşa 1948, Adem Yavuz/Anka Ajansı 1974, Ali İhsan Özgür/Politika 1978,
Cengiz Polatkan/ Hafta Sonu 1978, Abdi İpekçi/Milliyet 1979, İlhan Darendelioğlu/Ortadoğu 1979,
İsmail Gerçeksöz/Ortadoğu 1980, Ümit Kaftancıoğlu/TRT 1980, Muzaffer Fevzioğlu/Hizmet 1980,
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Zum Tode von Hrant Dink
Recai Ünal/Demokrat 1980, Mevlüt Işıt/Türkiye 1988, Seracettin Müftüoğlu/Hürriyet 1989, Sami
Başaran/Gazete 1989, Kamil Başaran/Gazete 1989, Çetin Emeç/Hürriyet 1990, Turan Dursun/İkibine
Doğru 1990, Gündüz Etil 1991, Mehmet Sait Erten/Azadi Denk 1992, Halit Güngen/İkibine Doğru
1992, Cengiz Altun/Yeni Ülke 1992, İzzet Kezer/Sabah 1992, Bülent Ülkü/Körfeze Bakış 1992, Mecit
Akgün/Yeni Ülke 1992, Hafız Akdemir/Özgür Gündem 1992, Çetin Ababay/ Özgür Halk 1992, Yahya
Orhan/Özgür Gündem 1992, Hüseyin Deniz/Özgür Gündem 1992, Musa Anter/Özgür Gündem 1992,
Yaşar Aktay/Serbest 1992, Hatip Kapçak/Serbest 1992, Namık Tarancı/Gerçek 1992, Uğur
Mumcu/Cumhuriyet 1993, Kemal Kılıç/Yeni Ülke 1993, Mehmet İhsan Karakuş 1993, Ercan Güre/
HHA 1993, İhsan Uygur/Sabah 1993, Rıza Güneşer/Halkın Gücü 1993, Ferhat Tepe/Özgür Gündem
1993, Muzaffer Akkuş/Milliyet 1993, Nazım Babaoğlu/Gündem 1994, Erol Akgün/Devrimci Çözüm
1994, Seyfettin Tepe/Yeni Politika 1995, Metin Göktepe/Evrensel İstanbul 8 Ocak 1996, Kutlu Adalı
/Yeni Düzen 1996, Selahattin Turgay Daloğlu 1996, Reşat Aydın/AA, TRT 1997, Ayşe Sağlam 1997,
Abdullah Doğan/Candan Fm 1997, Ünal Mesuloğlu/TRT 1997, Mehmet Topaloğlu Kurtuluş 1998,
Ahmet Taner Kışlalı/Cumhuriyet 1999, Hrant Dink/Agos 19. Januar 2007.
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