der zimmerspringbrunnen
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der zimmerspringbrunnen
präsentiert eine Produktion von Günter Rohrbach Senator Film Produktion Relevant Film Produktion DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN Ein Film von Peter Timm nach dem Roman von Jens Sparschuh Kinostart: 29. November 2001 PRESSEHEFT Hoheluftchaussee 95 a, D - 20253 Hamburg, T. 040 - 413 27 10, Fax 040 – 413 27 177, Email [email protected] BESETZUNG Hinrich Lobek Götz Schubert Julia Lobek Simone Solga Uwe Strüver Gustav Peter Wöhler Dr. Boldinger Thomas Hamann Hermann Lause Bastian Pastewka Conny Thiele Filzbach Nina Franoszek Christof Wackernagel Müller-Burkhardt Thomas Gimbel Frau Windisch Christel Peters u. a. STAB Regie Peter Timm Drehbuch Kathrin Richter & Ralf Hertwig nach dem Roman von Jens Sparschuh Produzent Günter Rohrbach ausführende Produzentin Heike Wiehle-Timm Bildgestaltung Montage Achim Poulheim Barbara Hennings Szenenbild Lothar Holler Kostümbild Anne Jendritzko Musikkomposition Rainer Oleak Originalton Robi Güver Mischung Richard Borowski Herstellungsleitung Christian Springer Gesamtleitung Gerhard von Halem Länge 99 Minuten Bildformat 1:1,85 Tonformat Dolby SRD Eine Günter Rohrbach / Senator Film / Relevant Film Produktion. Gedreht von Dezember 2000 bis Februar 2001 in Köln, Berlin und Leipzig. Gefördert durch die FFA, die Filmstiftung NRW, die Mitteldeutsche Medienförderung MDM sowie das Filmboard Berlin-Brandenburg. Der Roman „Der Zimmerspringbrunnen“ von Jens Sparschuh ist erschienen bei Kiepenheuer & Witsch. 2 KURZINHALT Weil Hinrich Lobek (Mitte 30) schon seit langem nicht mehr gebraucht wird, ist die horizontale Lage auf seinem Ostsofa in der Plattenbauwohnung zur Widerstandsform gegen die Geschäftigkeit der verwestlichten Außenwelt geworden. Als das Arbeitsamt ihm einen Job als Vertreter für Zimmerspringbrunnen aufbrummt, entwickelt Lobek eigene Marketingstrategien und kreiert in schönster DDR-Nostalgie (und damit erstmal gar nicht im Sinne seines Arbeitgebers) ein eigenes Springbrunnen-Modell: Der wasserspeiende Fernsehturm am Alex wird ein Verkaufsschlager und Lobek macht Karriere - doch die eigene Ehefrau will mit diesem neuen Helden nicht mehr ihr Leben teilen. PRESSENOTIZ Elf Jahre nach seiner erfolgreichen Komödie GO TRABI GO (1990) widmet sich Regisseur Peter Timm wieder einer Geschichte aus dem vereinten Deutschland. DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN – nach dem erfolgreichen Roman von Jens Sparschuh – erzählt die Geschichte des liebenswürdig-verschlafenen Hinrich Lobek. Lobek ist in der DDR aufgewachsen, hängt an seiner Vergangenheit und findet sich im neuen Deutschland zunächst nicht zurecht. Ausgerechnet dieser unaufdringliche Zeitgenosse macht als Vertreter mit ostdeutschem Pfiff und ohne Ellenbogen im westdeutschen Kapitalismus Karriere. DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN erzählt von der Sehnsucht nach Vertrautem, der Kraft der eigenen Kreativität und der schwierigen Anpassung Ost an West. Es ist eine heiter-lakonische Komödie aus dem Deutschland von heute mit vier ausgezeichneten Hauptdarstellern. Götz Schubert („Die Affäre Semmeling“) glänzt als charmant-tapsiger Vertreter mit Pfiff, als sein ehrgeiziger Westkollege überzeugt Gustav Peter Wöhler (ERLEUCHTUNG GARANTIERT). Ihr Leinwanddebüt geben die Kabarettistin Simone Solga („Scheibenwischer“, „7 Tage, 7 Köpfe“) und Comedy Star Bastian Pastewka („Die Wochenshow“). INHALT In der DDR war Hinrich Lobek (Götz Schubert) ein „Vertreter der sozialistischen Ordnung“ bei der KWV, der Kommunalen Wohnungs-Verwaltung, zuständig für die riesigen Plattenbauten in Ost-Berlin. Nach dem Fall der Mauer konzentriert er sich auf die Rolle des arbeitslosen Hausmannes: Er gießt die Kakteen, kauft preiswert ein und geht mit seinem heiß geliebten Hund Henry Gassi. Auf die Idee, sich einen neuen Job zu suchen, kommt er nicht. Eine Situation, die Gattin Julia (Simone Solga) nicht mehr ertragen will. Die Architektin hat sich der neuen Arbeitswelt bestens angepasst: Sie ist erfolgreich, immer unterwegs und in Eile. Auf Drängen seiner Frau stapft Lobek eines Tages zum Arbeitsamt. Dort bekommt er ein Stellenangebot: Vertreter bei Panta Rhein, einer Firma für Zimmerspringbrunnen. Trotz einiger Skepsis bewirbt er sich und wird sogleich eingeladen - zur alljährlichen Firmenkonferenz nach Köln. Im Crashkurs versucht man ihn zum Vertreter westdeutschen Typs auszubilden: penetrant, verlogen, erfolgsorientiert. Schließlich hat Dr. Alois Boldinger (Hermann Lause), Chef von Panta Rhein, viel mit Lobek vor: Zusammen mit seinem Westkollegen Uwe Strüver (Gustav Peter Wöhler) soll er Ostdeutschland mit kitschigen Zimmerspringbrunnen beglücken. 3 Zurück in der Hauptstadt hat Lobek bald seinen ersten Einsatz: Berlin-Marzahn, ein Gebiet, das er aus alten Zeiten wie seine Westentasche kennt. Strüver versucht zunächst den Neuzugang zu beeindrucken, doch mit seiner nassforschen Art läuft er in den Plattenbauten gegen verschlossene Türen. Ganz anders Lobek. Der einstige Vertreter der KWV kennt viele Mieter, tritt bescheiden auf und verkauft gleich beim ersten Versuch einen Brunnen der „Jona“-Serie. Glücklich über sein Geschick will er seine Frau im Büro überraschen. Dort wird gerade Geburtstag gefeiert. Julia unterhält sich mit Thomas Hamann (Bastian Pastewka). Seit längerem hat der Mittdreißiger ein Auge auf die verheiratete Kollegin geworfen. Julia genießt seine Aufmerksamkeit, der Auftritt ihres Gatten ist ihr eher unangenehm. Lobek ertränkt seinen Frust in Prosecco. Zweiter Tag im Vertreter-Leben: Das Geschäft läuft mies. Modell „Jona“ mit wasserspeiendem Wal kommt bei den Ostberlinern nicht besonders an. Am Ende des Tages erfährt Lobek, dass er von nun an alleine auf Tour gehen muss. Strüver lässt ihm einige Dutzend Zimmerspringbrunnen zur Verwahrung da. Als Julia am Abend mit Hamann nach Hause kommt, traut sie ihren Augen nicht: Ihre Wohnung ist zur Lagerhalle umfunktioniert worden. Hamann verabschiedet sich pikiert. Julia ist stinksauer auf ihren Göttergatten. Dem scheint das egal. Mit Hingabe studiert er die Verhaltensfibel für das patente Verkaufsgenie und kümmert sich weder um Hund noch Ehefrau. Auf ihre Vorwürfe reagiert er mit auswendig gelernten Vertretersprüchen. Wutentbrannt zerdeppert Julia einen Brunnen. Zerknirscht geht das Paar zu Bett. In der Nacht kann Lobek nicht schlafen: Er hat eine Idee. Aus dem kaputten „Jona“-Modell bastelt er ein neues Wasserspiel. Dabei erhebt sich zur Melodie von „Auferstanden aus Ruinen“ ein Miniatur-Fernsehturm aus einer Landschaft mit den Umrissen der DDR und spritzt los. Voller Stolz präsentiert er seiner Frau am nächsten Morgen die ostalgische Erfindung mit dem klangvollen Namen „Atlantis“. Für Julia ist klar: Ihr Mann ist endgültig übergeschnappt. Sie hat die Schnauze voll, packt ihre Koffer und zieht zu Freundin Conny (Nina Franoszek). Während seine Ehe in einer handfesten Krise steckt, entpuppt sich Lobeks Modell „Atlantis“ als Verkaufsschlager. Lobek hat den Nerv des Ostens getroffen. Mit der Neuproduktion kommt er kaum nach. Jede Nacht bastelt er in liebevoller Kleinarbeit diverse „Jona“-Wasserspiele zu „Atlantis“-Brunnen um. Seine Versuche, mit Julia zu sprechen, scheitern an der feindseligen Conny. Währenddessen machen Lobeks Verkaufserfolge die Runde bei Panta Rhein. Dr. Boldinger möchte den erfolgreichsten Mann aus seinem Stall besser kennen lernen und besucht ihn mit Strüver auf einer Messe für Ostprodukte. Ziemlich baff sehen beide erstmals die umgebauten Jona-Modelle. Dr. Boldinger geht, ohne ein Wort zu sagen. Doch beim gemeinsamen Essen am selben Abend zeigt sich der Chef begeistert über die Eigeninitiative seines Mitarbeiters. Er verkündet, dass „Atlantis“ in Serie gehen soll, und befördert Lobek zum Vertriebsleiter Ost. Ein Schlag ins Gesicht für Strüver, denn eigentlich war er für diese Position vorgesehen. Lobek hat Mitleid mit seinem Kollegen und tröstet ihn. Julia hat sich immer noch nicht gemeldet. Lobek fühlt sich einsam, da bringt ihn ausgerechnet Strüver auf die rettende Idee: Heiligabend steht vor der Tür. Warum die Treulose nicht zum Weihnachtsbraten einladen? Gesagt, getan - doch Julia reagiert nicht auf Lobeks Einladung. 24. Dezember, abends: Seit Tagen hat Lobek die Wohnung auf Vordermann gebracht, der Kaninchenbraten duftet köstlich im Ofen, Hund und Herrchen sind erwartungsfroh. Doch plötzlich fehlt Henrys Futter und Lobek eilt mit Henry noch schnell zum Supermarkt um die Ecke – kurz darauf trifft Julia in der Wohung ein. Als sie niemanden antrifft, hinterlässt sie traurig ihr Weihnachtsgeschenk und geht. Als Lobek zurückkehrt, findet er nur noch Julias Karte mit den Worten „Ich 4 habe Dich sehr lieb, aber ich kann nicht mit Dir leben“. Lobek ist am Boden zerstört. Am nächsten Tag feiert Thomas Hamann das Heilige Fest, gemeinsam mit vielen Freunden, kitschigen Liedern und teurem Büffet. Julia ist auch da. Wie immer schmeichelt Thomas ihr mit Gesang und Geschenken, doch die Umschwärmte wendet sich ab. Der Grund: kurz vor Weihnachten ist ihr gekündigt worden, und ihr ach, so aufmerksamer Kollege weiß seit längerem davon. Enttäuscht von Hamanns Heuchelei, verlässt sie die Party. Lobek hingegen will endlich um seine Frau kämpfen. Connys Sohn verrät, dass Julia zu ihrer Mutter nach Magdeburg fahren will. Mit Henry verbringt Lobek eine ganze Nacht auf dem Bahnhof – doch keine Spur von Julia. Erst am Morgen steht sie endlich vor ihm auf dem Bahnsteig, doch es bleiben nur wenige Minuten, bis der Zug fährt. Ungelenk und schüchtern, wie er ist, schafft Lobek es nicht, Julia zu sagen, dass er sie liebt und vermisst. Julia steigt in den Zug. Einige Tage später: Vertreterkonferenz im Restaurant des Berliner Fernsehturms. Lobek steht vor der ganz großen Beförderung. Da kommt plötzlich Julia durch die Tür. Jetzt weiß er endlich, wie er sich entscheiden soll – und macht seinen Kollegen Strüver zum glücklichsten Vertreteter der Republik ... 5 PRODUKTIONSNOTIZEN DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN – VON DER NOSTALGIE ZUR OSTALGIE 1995 erschien ein kleiner Roman über einen Menschen, der in der DDR aufwächst und nach der Wende arbeitslos zu Hause herumhängt. Dieser Mensch macht mit einem Mal Karriere in der westdeutschen Marktwirtschaft als Vertreter, und das auf seine ganz eigene Weise. „Der Zimmerspringbrunnen“ Verkaufsobjekt und Romantitel in einem - sorgte damals für ein ungeahntes Presseecho. Von der Nordsee bis zum Bodensee, vom Rhein bis zur Oder erntete Jens Sparschuh für seinen Roman einhelliges Kritikerlob. Selbst die Österreicher priesen die „wunderbare Satire auf westdeutsche Aasgeierei und ostdeutsche Wehklagelust, auf Kitschistan, einig Vaterland und auf die Befindlichkeiten der zwei Seelen in der deutschen Brust“. (Die Presse vom 7.10.95) Auch Produzent Günter Rohrbach wurde auf den Stoff aufmerksam, erkannte seine Kinoqualitäten und erwarb die Rechte. Eigentlich sollte Jens Sparschuh das Drehbuch verfassen. Doch nach dem ersten Versuch lehnte er ab: „Für mich war ,Der Zimmerspringbrunnen´ ein perfektes Buch. Für eine neue Fassung hätte ich die Geschichte in ihre Einzelteile zerlegen müssen, um ein perfektes Drehbuch zu bekommen. Das fiel mir schwer. Ich hing zu sehr an den Figuren, so wie ich sie geschaffen hatte. Mir fehlte einfach die Distanz.“ Nach der Absage von Jens Sparschuh beauftragte Rohrbach die bewährten Autoren Kathrin Richter und Ralf Hertwig damit, die Filmversion von „Der Zimmerspringbrunnen“ zu schreiben. Zuvor zeichnete das Autorenteam für die Ingrid-Noll-Verfilmungen DIE APOTHEKERIN (1996) und KALT IST DER ABENDHAUCH (2000) verantwortlich, Produzent jeweils Günter Rohrbach, Regie Rainer Kaufmann. Mit dem fertigen Drehbuch in der Tasche besuchte Rohrbach Regisseur Peter Timm. Zweimal hatten die beiden bereits zusammengearbeitet: 1990 bei GO TRABI GO und vier Jahre später bei RENNSCHWEIN RUDI RÜSSEL. Die sehr erfolgreiche Zusammenarbeit machte Peter Timm zum Wunschkandidaten für die neue Produktion. „Erstens: Peter Timm hat einen klaren und genauen Sinn für Komik. Er weiß, wie man Pointen setzt, damit sie ihre Wirkung entfalten. Zweitens ist er ein Mensch, der sein Wissen und Bildungsrepertoire in die Arbeit einbringen kann. Das war für dieses Projekt, in dem es auch um OstBefindlichkeiten geht, besonders wichtig. Peter Timm kommt ja aus der DDR und kennt den Alltag dort. Schließlich macht es mir schlicht und einfach Vergnügen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wir verstehen uns gut.“ Peter Timm mochte die Geschichte sofort und sagte zu: „Mir gefiel der Romanheld Hinrich Lobek. Auf den ersten Blick ist er nur ein verschlafener Typ, der partout nicht von seiner DDR-Nostalgie lassen will. Aber dieser Mann hat eine besondere Gabe: Er ist kreativ, er ist ein Fummler, ein Bastler. Und mit diesem Talent schafft er es, Erfolg zu haben und gleichzeitig sich selbst und seinen Idealen treu zu bleiben. Er kopiert als Vertreter eben nicht westdeutsche Verhaltensweisen, sondern bleibt charmant-schüchtern wie er ist. Er lässt sich nicht verbiegen. Das finde ich ganz wichtig.“ Mit Drehbuch und Regisseur im Boot ging es an die Finanzierung. Von Anfang an stand Senator als Koproduzent fest. Mit der Zusage von Peter Timm kam auch Relevant Film als ausführende Produktionsgesellschaft mit ins Team. Nach langwierigen Verhandlungen mit den Förderungsanstalten (Filmstiftung NRW, FFA Filmförderungsanstalt, Mitteldeutsche Medienförderung und Filmboard Berlin-Brandenburg) stand das Budget fest: Knapp vier Millionen Mark - für einen Kinofilm ein bescheidener Rahmen. 6 AUF DER SUCHE NACH OSSIS UND WESSIS Für die Besetzung waren sich Timm und Rohrbach einig: Die vier Hauptrollen sollten je nach ihrer Herkunft im Buch mit ost- respektive westdeutschen Schauspielern besetzt werden. „Auch den besten Schauspielern merkt man ihre Herkunft an. Das wollten wir für unsere Arbeit nutzen, denn wir haben vor Ort viel an den Figuren gefeilt. Ein Ostdeutscher versteht gewisse Parteislogans sofort, kann sich in bestimmte Verhaltensweisen leichter hineindenken, weil er den DDR-Alltag immer noch vor Augen hat. Das Gleiche gilt für die westdeutschen Charaktere. Unser Konzept ging auf: Man sieht den Wessis den Westen an und den Ossis den Osten“, so Peter Timm. Das Wichtigste war die Besetzung der Hauptrolle Hinrich Lobek. Man brauchte einen Schauspieler, der die Balance zwischen Komik und Tragik findet, zwischen tollpatschig und findungsreich, einer, der die Zwischentöne beherrscht. Auf eine Empfehlung von Jens Sparschuh sahen sich Günter Rohrbach und Peter Timm das Solo-Stück „Helden wie wir“ (nach dem Roman von Thomas Brussig) in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin an. Hauptrolle: der in Sachsen geborene Götz Schubert. Als der Vorhang fiel, war beiden klar: Das wird ihr Hinrich Lobek. „Es war sensationell. Götz Schubert hat alle Rollen selber gespielt mit einer Kraft und einer Begeisterung, unglaublich mitreißend. Ich habe noch andere Inszenierungen gesehen, aber diese war bei weitem die Beste“, erinnert sich Günter Rohrbach. Götz Schubert zeigte sich sofort angetan von Rolle und Drehbuch. „Für mich war das gar nicht mal eine Ost-West-Geschichte - zumindest stand dieser Konflikt für mich nicht im Vordergrund. Es geht eher um die Selbstfindung des Hinrich Lobek. Heute wird uns in den Medien ja immer das Locker-Flockige, Erfolgreiche als Ideal vermittelt. Lobek ist aber eher verschlossen und ruhig. Mir gefällt, dass er dem sozialen Druck der Anpassung standhält. Trotzdem geht er seine Weg und hat Erfolg. Die Ost-West-Konstellation verstärkt nur die Unterschiede, macht sie deutlicher. Aber die Hauptgeschichte ist die einer Selbstfindung.“ Schwieriger war die Suche nach der passenden Julia, Lobeks Frau. Es gab verschiedene bekannte Darstellerinnen, über die man nachdachte. Doch die Richtige war zunächst nicht darunter. Da kam ein Riesenzufall zu Hilfe. Die in Leipzig aufgewachsene Simone Solga erzählt: „Ich bekam einen Anruf von der ZBF in München. Die sagten, die Bavaria würde eine Kabarettistin für einen Film suchen. Ich sollte doch ein Video hinschicken. Aber just an diesem Tag war die gesamte Münchner Post wegen einer Generalversammlung geschlossen. Also habe ich das Band persönlich bei Christiane Teichgräber bei der Bavaria vorbeigebracht. Dabei erwähnte ich, dass es sicherlich besser sei, wenn sie sich meine Vorstellung ansehen würde. Ich spielte damals mein Soloprogramm ,Ich pack’s´. Christiane Teichgräber kam tatsächlich und am nächsten Tag auch Günter Rohrbach. Es folgte mein erstes Casting – und für meine Begriffe lief es furchtbar, ich dachte, daß ich total versagt hätte. Wütend über mich selber habe ich danach das Drehbuch weggeworfen. Doch es kam wirklich eine Zusage. Ich war so baff, dass ich erst einmal um Bedenkzeit bat. Ich hatte einfach Angst schließlich hatte ich noch nie einen Kinofilm gedreht. Aber letztendlich konnte und wollte ich diese Rolle nicht ablehnen.“ Darüber hinaus gefiel Simone Solga die rührende Liebesgeschichte und die Möglichkeit, nach langer Zeit am Kabarett wieder eine ernsthafte Rolle zu spielen. 7 Als nächstes stand die Besetzung des Thomas Hamann an, dem erfolgreichen Architekten vom Potsdamer Platz, der versucht, Julia zu verführen. Im Roman ist Hamann ein sonnengebräunter Yuppie mit Cabrio und Partyleben, ein unangenehmer Besserwessi. Doch für die Verfilmung wollte Peter Timm die Figur facettenreicher und weniger eindimensional gestalten. „Ich suchte einen Darsteller, der nicht einfach der große Konkurrent von Lobek sein sollte. Wir wollten jemanden, der zwar charmant und witzig ist, aber auch eine gewisse Unsicherheit ausstrahlt.“ Peter Timm entschied sich für den gebürtigen Bochumer Bastian Pastewka, den Comedy-Star aus der SAT.1 „Wochenshow“. „Bastian ist ein Komiker, der immer einen Witz auf Lager hat. Er brachte die richtige ironische Note für den Charakter. Außerdem brauchten wir jemanden, der den Mut hatte, live zu singen. Bastian kann gut Klavier spielen und traute sich das zu.“ Bastian Pastewka musste nicht lange überlegen, als ihm die Rolle angeboten wurde. „Natürlich war ich begeistert, aber ich hatte auch Bedenken, da es meine erste Kinorolle war. Von meinen Drei-Minuten-Sketchen kenne ich das Agieren vor der Kamera, aber das waren Stereotype.“ Thomas Hamann dagegen ist eine komplexe Rolle: Einerseits ein beruflicher Überflieger und Angeber, andererseits ein vereinsamter Single, auf den die einstige DDR eine seltsame Anziehungskraft ausübt. Peter Timms Einfall war es, Hamann alte Ostschnulzen singen zu lassen, um Julia zu gefallen. „Das war natürlich genau das Richtige für mich. Ich habe zu Hause ein riesiges Amiga-Archiv, vor allem die DDR-Schlager der 50er und 60er Jahre. Die Idee war, dass Hamann Julia wie ein mittelalterlicher Minnesänger bezirzen soll. Blieb die Frage, mit welchen Liedern. Peter Timm und ich haben uns zwei Abende durch mein Archiv durchgehört und schließlich die zwei Titel gefunden, die für uns die Essenz dieses DDR-Musikgenres waren. Zum einen Frank Schöbels ,Wie ein Stern´ und Karat mit ,Über sieben Brücken musst du gehen´. Ich hatte keine Scheu vor der Kamera zu singen, auch wenn ich sicher nicht die beste Stimme habe. Aber im nachhinein waren das für mich die schwierigsten Szenen. Es war eng und heiß. Ich musste gleichzeitig Klavier spielen, den richtigen Ton treffen und verliebt spielen. Das war hart.“ Fehlte noch Uwe Strüver, der Vertreterkollege aus dem Westen, der Lobek in die Geheimnisse der bundesdeutschen Tür-zu-Tür-Geschäfte einweisen soll. Auch hier war die Wahl nicht ganz leicht. Man verhandelte mit mehreren Darstellern, doch am Ende entschied man sich für Gustav Peter Wöhler. „Heute weiß ich, dass Gustav Peter von Anfang an die Idealbesetzung war. Er gibt hier eine seiner besten Vorstellungen“, lobt Günter Rohrbach. „Ich hatte ihn in ERLEUCHTUNG GARANTIERT von Doris Dörrie gesehen und fand ihn da schon sehr gut. Aber in DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN ist er schlichtweg phänomenal.“ „Für mich war es eines der besten Drehbücher, das ich je gelesen hatte. Ich war hin und weg. Danach habe ich den Roman gelesen, ich bin Literaturfan, und war ebenso begeistert. Für mich war das keine typische Ost-West-Geschichte. Es geht um etwas Grundsätzliches: Die Sehnsucht nach Verstanden werden, Geliebt sein und Anerkannt werden, das Gefühl zu haben, es ist gut, dass ich da bin. Diese Bedürfnisse kennt jeder.“ Vom Vertretermilieu hatte Wöhler ziemlich genaue Vorstellungen: „Als Kind dachte ich immer, diese Männer kommen in die Wohnung und fallen als erstes über die Hausfrau her. Ich weiß, naives Klischee. Vor kurzem habe ich die DIE BLUME DER HAUSFRAU gesehen, eine phantastische Dokumentation über Vertreter. Da wurde mir die ganze Trostlosigkeit dieses Berufs bewusst. Die saugen zwanghaft fröhlich und ständig plappernd den Fußboden bei fremden Leuten, die apathisch herumsitzen, und verkaufen meist doch nichts. Dann leben sie oft in diesen deprimierenden 8 Pensionen. Kein Wunder, dass viele Alkoholiker sind.“ Letztendlich überzeugte Wöhler aber die Vielschichtigkeit der Rolle: „Uwe Strüver stellt sich einzig und allein durch seine Arbeit dar. Deswegen klappt er auch so zusammen, als er nicht befördert wird. Seine Homosexualität lebt er nicht aus. Er ist ein sehr einsamer Mensch, dessen einziges Hobby der Finkensport ist. Finkensport – wie absurd. Andererseits kann er sich in seiner Arbeit gut verkaufen. Und er hat etwas Warmherziges, er ist nicht so ein Abgebrühter. Eine Rolle mit so vielen Facetten, die so viel Tragik in sich birgt, ist ein Fest für jeden Schauspieler.“ DREHARBEITEN MIT HUND Am 11. Dezember 2000 wurde die erste Szene in Köln gefilmt. Im Januar 2001 zog das Team nach Berlin und Leipzig. Am 16. Februar fiel die letzte Klappe. Insgesamt hatte man 27 Drehtage – ein recht enger Zeitrahmen. In Köln und Leipzig wurden vor allem Innenaufnahmen gefilmt, in Berlin die meisten Außenaufnahmen. Die Kulisse von Berlin spielt für die Geschichte eine zentrale Rolle. „Das Geschehen muss hier spielen, schon allein wegen des Fernsehturms am Alexanderplatz. Es gibt im Osten kein vergleichbares Symbol, das so für die gesamte DDR steht“, sagt Günter Rohrbach und Peter Timm ergänzt: „Ich meine sogar, dass der Fernsehturm mittlerweile das berühmteste Wahrzeichen von Berlin ist und dem Brandenburger Tor den Rang abgelaufen hat, besonders bei der jüngeren Generation.“ Und der Fernsehturm ist es auch, der das selbstgebastelte Brunnenmodell „Atlantis“ zum Verkaufsschlager macht und Lobeks Karriere ins Rollen bringt. Für Götz Schubert waren die Dreharbeiten eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit. „Lobek wehrt sich im Film ironischerweise mit alten Parteiparolen". Ich komme glücklicherweise aus Sachsen, dem Tal der Ahnungslosen in der DDR. Ich wuchs dort praktisch ohne Einfluss der Medien auf. Jeder kannte die Sprüche, doch keiner hat sie ernstgenommen. Aber als ich in Berlin Schauspiel studierte, da wurde ich für ein Interview in der FDJ-Zeitung ausgewählt. Der Reporter fragte mich tatsächlich, inwieweit meine Arbeit auf der Bühne ,ein Kampfplatz für den Frieden´ sei. Da kam ich ganz schön ins Schwitzen und habe ziemlich verlogenes Zeug gesagt. Aber seitdem vergesse ich dieses Zitat nicht mehr. Und beim Drehen, da gibt es die Szene im ThaiRestaurant, in der Lobek befördert wird auf Kosten seines Westkollegen Strüver. Da habe ich spontan gesagt ,Mein Arbeitsplatz, mein Kampfplatz für den Frieden´ und alle waren begeistert. Das wurde dann übernommen.“ Nur an eine Szene denkt Götz Schubert gar nicht gerne. Das hing mit Hund Henry zusammen, Lobeks ständigem Begleiter. „Das war ein dressierter Hund, ungemein lethargisch. Alle Szenen, in denen wir knuddelten oder er einfach nur treu schaute, klappten prima. Alles andere war schwierig. Am schlimmsten war es, als er von meinem Teller Spaghetti essen sollte. Das hat er einfach nicht hingekriegt, weil er für die Kamera nie nahe genug an den Teller gekommen ist. Zwanzigmal mussten wir diese Szene drehen. Ich bin fast verzweifelt, weil ich jedes Mal mit Heißhunger die Spaghetti hinunterschlingen musste. Irgendwann war das leckere Ketchup alle, da gab es nur noch komisches Curry-Ketchup. Danach war mir richtig schlecht.“ Gleich zwei Darsteller geben in DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN ihr Leinwanddebüt: die Kabarettistin Simone Solga und der Comedy-Star Bastian Pastewka. Simone Solga war ihre Figur sofort vertraut. „Ich mochte die Julia von 9 Anfang an, denn sie ist mir in vielem ähnlich. Ich kenne ihre Sehnsucht nach dem reichen, schicken, glitzernden Westen. Ich verstehe auch, dass eine Ehe irgendwann abgenutzt ist, dass Julia Bestätigung bei anderen sucht. Der Hamann hat eben alles, was Lobek Julia derzeit nicht bieten kann: Humor, Leichtigkeit, Erfolg, ein Auto, wenn man es braucht. Das lockt.“ Die ausgebildete Theaterschauspielerin stand schon mehrmals vor Fernsehkameras. Trotzdem war sie bis zum Ende unsicher am Set. „Ich bin ein Angsthase. Bis zum Schluss dachte ich, ich mache das nicht richtig oder ich spiele zu ernst. Aber Peter Timm war eine große Hilfe. Er hat alles mit mir besprochen, hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Ich bin ihm heute noch dankbar, dass er sich auf das Risiko eingelassen hat, eine unbekannte und, was das Drehen angeht, relativ unerfahrene Darstellerin zu verpflichten.“ Eine Einschätzung, die auch Bastian Pastewka teilt. „Ich habe nie eine Schauspielschule besucht, und das habe ich am Set oft vermisst. Ich hatte schon Schwierigkeiten, diese übertriebene Gestik und Mimik aus der Slapstick-Ecke abzustreifen. Das kam immer wieder hoch. Aber Peter Timm hatte sehr viel Geduld, hat mich immer da hinbekommen, wo er mich haben wollte. Er weiß einfach, was er will.“ Trotz westlicher Verlockung und tiefer Ehekrise - am Ende umarmen sich Julia und Hinrich Lobek unter dem gewaltigen Berliner Fernsehturm. „Das hat mir besonders gefallen, dass sie zu ihm zurückkommt. Im Buch ist das anders. Die beiden kämpfen gemeinsam für ihre Beziehung und packen die Probleme an. Es wäre doch viel leichter, sich zu trennen“, meint Simone Solga und Gustav Peter Wöhler schließt: „Die Versöhnungsszene ist meine absolute Lieblingsszene.“ Kurze Pause. „Ich bin eben eine alte Heulsuse“. 10 VOR DER KAMERA GÖTZ SCHUBERT ist Hinrich Lobek Für Jens Sparschuh, Autor von DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN, war Götz Schubert der Wunschkandidat für seinen Hinrich Lobek. Eine Wahl, von der sich auch Günter Rohrbach und Peter Timm schnell überzeugen ließen. Berliner Theatergängern ist der Charakterkopf ein vertrautes Gesicht. An wichtigen Bühnen der Stadt prägte er herausragende Produktionen. So glänzte er 1990 in dem Dauerbrenner „Mein Kampf“ am Maxim Gorki Theater. Die Inszenierung von Thomas Langhoff sorgte weltweit für Begeisterungsstürme und stand fast ein Jahrzehnt auf dem Spielplan. Für seine Darstellung des Hitler wurde er mit zwei Kritikerpreisen ausgezeichnet. Ende der 90er sorgte Götz Schubert erneut für Standing Ovations am Deutschen Theater mit seinem furiosen Solo-Abend „Helden wie wir“ nach dem Roman von Thomas Brussig. Im Fernsehen hat der 38-Jährige mit einigen der renommiertesten deutschen Regisseuren zusammengearbeitet: Wolf Gremm, Frank Beyer, Ottokar Runze und Bernd Böhlig. Demnächst ist er in der mit Spannung erwarteten Familiensaga „Die Affäre Semmeling“ von Dieter Wedel zu sehen. Sein Leinwanddebüt gab Götz Schubert vor zwei Jahren mit der Liebesgeschichte ANNA WUNDER (1999). DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN ist sein dritter Kinofilm und seine bislang größte Rolle. Geboren wurde Schubert 1963 in Pirna bei Dresden. Mit 20 Jahren ging er nach Berlin und besuchte die angesehene „Ernst Busch“ Schauspielschule. Im Anschluss war er festes Mitglied am Maxim Gorki Theater. 1993 wechselte er nur einige Straßen weiter an die Bühne der Klassiker, das Deutsche Theater, dem er bis Sommer 2001 angehörte. Trotz Kino- und Fernsehangeboten will der ausgebildete Klavierspieler der Bühne treu bleiben. Derzeit probt er für ein neues Soloprojekt am Maxim Gorki Theater und im kommenden Januar spielt er den umstrittenen Architekten Albert Speer in Potsdam. Mit Frau und zwei Kindern lebt Götz Schubert am Stadtrand von Berlin. Filmografie (Auswahl) 1988 Der Geisterseher 1991 Das Ende der Unschuld 1993 Goldstaub 1996 Tanz auf dem Vulkan 1997 Der Hauptmann von Köpenick 1999 ANNA WUNDER 2000 ZOOM 2001 DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN 2001 Die Affäre Semmeling Regie Rainer Bär Frank Beyer Ottokar Runze Jürgen Brauer Frank Beyer Ulla Wagner Otto Alexander Jahrreiss Peter Timm Dieter Wedel 11 SIMONE SOLGA ist Julia Lobek Simone Solga gibt mit DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN ihren hinreißenden Einstand auf der Leinwand. Mit erfrischender Natürlichkeit spielt sie die vordergründig so erfolgreiche Julia, die herausfinden muss, ob sie ihren „Lobek“ noch liebt. Simone Solga wurde am 6. August 1963 in Gera geboren und wuchs in Leipzig auf. Nach einer Lehre als Buchhändlerin entschied sie sich für die Bühne und begann ein Schauspielstudium in Leipzig und Magdeburg. Während ihrer Zeit als festes Ensemblemitglied an den Städtischen Theatern Leipzig entdeckte sie ihre Lust an Komik und Satire. Nach einem Gastvertrag 1988 an der Leipziger Pfeffermühle, wo sie unter anderem mit dem bekannten Regisseur Frank Beyer zusammenarbeitete, entschied sie sich für den endgültigen Wechsel ins Kabarettfach. Zwischen 1989 und 1993 war sie an der Pfeffermühle u. a. in den Programmen „Auf dich kommt es an, nicht auf alle“, „Wir machen alles gleich“ und „Vor uns die Sintflut“ zu sehen und wechselte dann zur Münchner Lach- und Schießgesellschaft, wo sie fünf Jahre lang das Gesicht dieser bedeutenden satirischen Bühne mit prägte. Dazwischen engagierte sie Dieter Hildebrandt mehrmals für seinen „Scheibenwischer“ (1990, 1996, 1997). 1993 stand sie neben Katja Ebstein und Silvio Francesco in dem Musical „Victor und Victoria“ in Recklinghausen auf der Bühne. Seit knapp zwei Jahren schreibt Simone Solga auch eigene Kabarettprogramme. Beispiel: ihr Soloabend „Ich pack’s“ über die Nöte und Sorgen einer Frau aus Ostdeutschland. Derzeit tourt sie mit „Loriots Dramatischen Werken“ durch die Republik und ist als Gast in der RTL Comedy „7 Tage, 7 Köpfe“ zu sehen. Zum Film kam die 38-Jährige durch „unglaublich viel Glück, eine engagierte Casting-Agentin und einen risikofreudigen Peter Timm“. Nun, nach DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN hat sie diese Zufälle sicher nicht mehr nötig. BASTIAN PASTEWKA ist Thomas Hamann Ein Großteil seiner Fangemeinde kennt Bastian Pastewka in erster Linie in seinen Paraderollen als Brisko Schneider, Ottmar Zittlau oder glücklosen Sensationsreporter aus der SAT.1 „Wochenshow“. Mit seiner grenzenlosen Verwandlungskunst und mit seinen parodistischen Einlagen begeisterte er von 1996 bis zum Sommer 2001 jeden Samstag Millionen Zuschauer. Hierfür erhielt er im Jahr 2000 die „Goldene Kamera“. Geboren wurde der Schauspieler 1972 in Bochum, wuchs aber in Bonn auf. Er studierte zunächst Pädagogik, Germanistik und Soziologie, bevor er sich 1992 der Truppe „Comedy Crocodiles“ anschloss. Mit ihrem Programm „Wer schwängerte Biene Maja?“ gastierte das Comedy-Trio unter anderem im Bonner Haus der Springmaus, am Hamburger Schmidt-Theater und dem Köln-Comedy-Festival. 1995 stand der gebürtige Bonner für die Jugendsendungen „U30“ und „Lollo Rosso“ erstmals vor der Kamera, 1996 wurde „Die Wochenshow“ auf ihn aufmerksam. Der Rest ist bekannt: Die Wochenshow wurde zur erfolgreichsten Comedy im deutschen Fernsehen und Bastian Pastewka zum Star. 12 Daneben synchronisierte er im Kinoerfolg STUART LITTLE (2000) die tierische Hauptrolle und lieh im Ottifanten-Epos KOMMANDO STÖRTEBEKER (2001) dem Dickhäuter Paul Bommel seine Stimme. In DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN spielt Naturtalent Pastewka zum ersten Mal in einem Kinofilm: ein Debüt, das ihm besonders am Herzen liegt. Zum einen kann er wieder einen skurrilen Charakter spielen. Zum anderen entspricht die Ausstattung des Films seiner großen Leidenschaft: Pastewka sammelt alles, was der DDR-Kultur entstammt, vorzugsweise Schallplatten. Er besitzt ein riesiges Amiga-Archiv und hat bei die Auswahl der Lieder für DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN ein wichtiges Wort mitgesprochen. GUSTAV PETER WÖHLER ist Uwe Strüver Spätestens seit seiner fulminanten Darstellung des esoterisch bewegten Spießbürgers in ERLEUCHTUNG GARANTIERT (2000) von Doris Dörrie gehört Gustav Peter Wöhler zu den profiliertesten und anerkanntesten Kino- und Fernsehschauspielern unserer Republik. Ein Ruf, dem er in seiner vielschichtigen Darstellung des verklemmten Vertreters in DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN erneut gerecht wird. Vielseitigkeit bestimmt die Karriere des gebürtigen Ostwestfalen. Seit 15 Jahren dreht er regelmäßig fürs Fernsehen, glänzt im politischen Drama („Die Staatskanzlei“, „Wehner“, „Deutschlandspiel“), überzeugt sowohl im Krimi („Tatort“, „Polizeiruf 110“, „SK Kölsch“) als auch in der Komödie („Das Gelbe vom Ei“) und der Familiensaga („Die Manns“). Im Kino hat er mit den erfolgreichsten Regisseuren zusammengearbeitet: Rainer Kaufmann, Sebastian Schipper und Doris Dörrie, mit der er auch privat befreundet ist. Demnächst ist er in Werner Herzogs internationaler Produktion INVINCIBLE an der Seite von Tim Roth zu sehen. Nach seiner Ausbildung in Bochum arbeitete er eine Spielzeit lang am dortigen Schauspielhaus. Danach ging er nach Hamburg, wo er auch heute noch lebt. Zwölf Jahre war er festes Mitglied am Schauspielhaus Hamburg, spielte unter bekannten Regisseuren wie Wilfried Minks, Peter Zadek und Frank Castorf. Daneben inszenierte er selbst: „Angst essen Seele auf“ und „Woyzeck“ in Kassel und „Liebe, Stärke, Mitgefühl“ am Hamburger Schauspielhaus. Geboren wurde Gustav Peter Wöhler am 31.7.1956 in Bielefeld. Nach der Schule begann er eine Lehre als Großhandelskaufmann und spielte mit dem Gedanken, Sozialpädagogik zu studieren. Seine große Leidenschaft galt aber schon damals der Musik. Bei einem Konzert mit seiner Band erkannte sein Religionslehrer das Talent des Charakterkopfs. Er gab ihm die Adresse der Schauspielschule Bochum, wo Wöhler auf Anhieb angenommen wurde. Trotz der beispiellosen Schauspielkarriere hat er das Singen nie ganz aufgegeben. Mit seiner Band spielt er viel zu selten in Hamburger Clubs – am liebsten Coverversionen von den Beatles, ABBA und Udo Jürgens. 13 Filmografie (Auswahl) 1989 Die Staatskanzlei 1990 LEBWOHL FREMDE 1992 DIE DENUNZIANTIN 1992 Wehner 1995 Ein falscher Schritt 1997 BIN ICH SCHÖN 1998 THE LONG HELLO AND SHORT GOODBYE 1998 Das Gelbe vom Ei 1999 ABSOLUTE GIGANTEN 2000 ERLEUCHTUNG GARANTIERT 2000 Bronski und Bernstein 2000 Die Manns 2001 DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN 2001 INVINCIBLE Regie Heinrich Breloer Tevfik Baser Thomas Mitscherlich Heinrich Breloer Hermine Huntgeburth Doris Dörrie Rainer Kaufmann Lars Becker Sebastian Schipper Doris Dörrie Sigi Rothemund Heinrich Breloer Peter Timm Werner Herzog 14 HINTER DER KAMERA PETER TIMM Regie Peter Timm ist einer der bekanntesten deutschen Komödienregisseure. Ihm verdanken wir das Ost-West-Lustspiel schlechthin, GO TRABI GO (1990) mit Wolfgang Stumph. Der Film entstand direkt nach der Wende und genießt heute Kultstatus in beiden Teilen der Republik. MANTA – DER FILM (1990) spielte als eine der ersten Komödien mit dem später so beliebten Proll-Schick. Schließlich schuf er mit RENNSCHWEIN RUDI RÜSSEL (1994, in den Hauptrollen Iris Berben und Ulrich Mühe) den ultimativen Ferkelfilm. Dafür gab es 1995 den Bayerischen Filmpreis. Peter Timm wurde 1950 in Ost-Berlin geboren. An der Humboldt Universität studierte er Russisch und Geschichte. Daneben nahm er Schauspielkurse. Nach seiner Ausweisung aus der DDR mit 23 Jahren schrieb er sich für Russisch und Germanistik an der FU Berlin ein. 1976 zog Timm nach Frankfurt und verschrieb sich als Autor und Regisseur dem politischen Kabarett. Bereits sein erster Spielfilm MEIER (1985, Drehbuch und Regie) wurde mit Auszeichnungen überschüttet: Bayerischer Filmpreis, ErnstLubitsch-Preis und Gilde Filmpreis Gold. Desweiteren war Peter Timm auch als Dozent an der Neuen Münchner Schauspielschule tätig. Zusammen mit seiner Frau Heike Wiehle-Timm gründete er 1993 die Produktionsgesellschaft Relevant Film. Peter Timm lebt in Hamburg. Filmografie 1985 MEIER (auch Drehbuch) 1990 GO TRABI GO 1990 MANTA – DER FILM 1990 EIN MANN FÜR JEDE TONART 1993 EINFACH NUR LIEBE 1994 RENNSCHWEIN RUDI RÜSSEL 1994 DIE PUTZFRAUENINSEL 1995 DUMM GELAUFEN 1996 Zwei Leben hat die Liebe 1997 Ferkel Fritz 1999 Millennium Love 2001 DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN ÜBER PARTEILPAROLEN, SPIESSERTUM UND DAS GEHEIMNIS DER KOMIK Ein Gespräch mit Peter Timm Herr Timm, ist DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN „nur“ eine Komödie? Ich sage immer: Die beste Komik entsteht vor einem tragischen Hintergrund. Unsere Ausgangssituation ist tragisch: Lobek hat seine Identität verloren. Er lebt ohne Aufgabe in den Tag hinein. Dieser etwas verschnarchte Mensch soll nun rund zehn Jahre nach der Wende - lernen, ein Konsumprodukt zu verkaufen. Mit einem Schlag bricht der Kapitalismus über ihn ein, an den sich seine Frau längst gewöhnt hat. Zunächst will er nicht. Dann aber fängt er an, sich mit dem Produkt 15 „Zimmerspringbrunnen“ so stark zu identifizieren, dass er alles andere vernachlässigt. Er schafft einen Verkaufsschlager und wird zum erfolgreichen Vertreter. Damit handelt er aber gegen seine alten Werte und wird so für seine Frau völlig unglaubwürdig. Sie versteht ihn nicht mehr und verlässt ihn. Ein großer Teil der Komik entsteht durch die charmante Verschrobenheit des Hinrich Lobek. Sie sind in Ost-Berlin geboren und mit 23 Jahren in den Westen emigriert. Hat Ihnen Ihre eigene Vita geholfen, den Stoff in Szene zu setzen? Ja, unbedingt. Diese markigen Parteisprüche, die eine wichtige Rolle im Film spielen, die prangten in der DDR ja an jeder Straßenecke und die haben mich bis in die Traumwelt verfolgt. Für die Hauptfigur Lobek sind diese Losungen ein Relikt aus der alten Zeit, an die er sich klammert. Das Ironische entsteht dadurch, dass Lobek diese sozialistischen Parolen immer dann anwendet, wenn er in der kapitalistischen Arbeitswelt für seine Verkaufserfolge gelobt wird. Das Schwierige an der filmischen Umsetzung des Romans war es, die Ironie des Autors zu transportieren. Das war manchmal nicht möglich, da wir die Mittel der Gestik und Mimik hatten und nicht das geschriebene Wort. Wir mussten auf einige Zitate verzichten, dafür haben wir andere hinzugefügt. Götz Schubert hat während des Drehs zum Beispiel eine Parole getauscht: “Mein Arbeitsplatz, mein Kampfplatz für den Frieden“. Das passte in der betreffenden Situation viel besser, weil Lobek seinem Westkollegen Strüver, ohne es zu wollen, gerade den Job weggenommen hatte. Wo sehen Sie die großen Unterschiede zwischen Ost und West, die für den Film von Bedeutung sind? Bei mir gibt es ein ganz starkes Bedürfnis nach einem Wir-Gefühl in der Gesellschaft. Dieses Gefühl vermisse ich oft in der westdeutschen Gesellschaft. Füreinander da sein, ohne Ellenbogen seinen Weg gehen - so bin ich erzogen worden und so war die DDR. Auch Lobek hat diesen Anspruch, deswegen verweigert er sich dem Kapitalismus. Und solche Menschen gibt es zuhauf in den neuen Bundesländern. Sie trauen sich nicht, haben nie gelernt, forsch aufzutreten und viele finden auch daher keine Arbeit. Der Westen hat damals gedacht, man muss den Ostdeutschen nur die Möglichkeiten aufweisen, dann laufen die schon von selber. Aber das stimmt nicht. Wie man im neuen System seinen eigenen Weg geht und trotzdem man selbst bleibt, davon erzählt die Figur Lobek. Insofern ist er stellvertretend für viele Ostdeutsche. Wofür steht der Zimmerspringbrunnen? Zimmerspringbrunnen kommen aus den 60er Jahren - und die 60er gab es sogar im Osten. In der Erinnerung ist das die kleinbürgerlichste Zeit, die Ost- und Westdeutschland erlebt haben. Ich selbst war damals auch stolzer Besitzer eines West-Brunnens, den mir meine Nachbarin geschenkt hatte. Als getreuer FDJFunktionär musste ich das Ding bei den Sitzungen zu Hause regelmäßig verschwinden lassen. Zimmerspringbrunnen stehen für etwas Spießiges, das man gar nicht braucht. Ulkigerweise erleben sie heute eine Renaissance als Luftbefeuchter. Da gibt es irrsinnige Modelle aus Granit und Marmor mit Kugeln oder Pyramiden. Unglaublich hässlich. Haben Sie Angst, dass Ihr Film nur von Ostdeutschen verstanden wird? Nein. Viele Menschen sind aufgeschlossener, als wir denken. Sie interessieren sich auch für Dinge, die außerhalb ihres Erfahrungshorizonts liegen. Die 16 Geschichte muss das Fremdartige unterhaltsam vermitteln. Außerdem sind die Unterschiede nicht so groß. Das Kleinbürgerliche kennt doch jeder. Darüber hinaus war die DDR schon immer interessant für Westdeutsche, ob vor oder nach dem Mauerfall. Und das Reservoir an guten Stoffen ist noch lange nicht erschöpft. GÜNTER ROHRBACH Produzent Als Geschäftsführer der Bavaria Film hat Günter Rohrbach mit nationalen und internationalen Erfolgen deutsche Filmgeschichte geschrieben. Zwischen 1979 und 1994 entstanden unter seiner Federführung etwa 30 Kinofilme, darunter Rainer Werner Fassbinders BERLIN ALEXANDERPLATZ (1979), Wolfgang Petersens DAS BOOT (1981), die beiden Loriot-Filme ÖDIPUSSI (1987) und PAPPA ANTE PORTAS (1990), die Schimanski-Kinofilme ZAHN UM ZAHN (1983) und ZABOU (1996), Helmut Dietls SCHTONK (1992), Dominik Grafs DIE KATZE und DIE SIEGER. Günter Rohrbach begann seine Karriere 1961 beim WDR. Dort war er Leiter des Fernsehspiels und später Leiter des Programmbereichs Fernsehspiel, Unterhaltung, Familie. Seit 1994 ist er als freier Produzent tätig. Zu seinen jüngsten Projekten gehören Rainer Kaufmanns DIE APOTHEKERIN (1997) und KALT IST DER ABENDHAUCH (2000), Roland Suso Richters „Die Bubi Scholz Story“ (1998) und EINE HAND VOLL GRAS (2000), Jan Schüttes FETTE WELT und Max Färberböcks AIMÉE UND JAGUAR (beide 1998). DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN ist nach GO TRABI GO (1990) und RENNSCHWEIN RUDI RÜSSEL (1994) seine dritte Zusammenarbeit mit Regisseur Peter Timm. ÜBER DIE SCHWIERIGKEIT, DEUTSCHES KINO ZU PRODUZIEREN Ein Gespräch mit Günter Rohrbach Wie sind Sie auf die Geschichte „Der Zimmerspringbrunnen“ gestoßen? Den Roman habe ich mit sehr viel Vergnügen gelesen. Noch im Erscheinungsjahr 1995 traf ich Jens Sparschuh auf der Frankfurter Buchmesse und sagte ihm, dass ich für Senator die Rechte erwerben werde. Zunächst wollte ich, dass der Autor selber das Drehbuch schreibt. Nach dem ersten Versuch hat Sparschuh aber abgelehnt und deswegen haben Katrin Richter und Ralf Hertwig das Buch verfasst. Das Schwierigste war dann die Finanzierung. Weder TV-Sender noch Förderanstalten interessierten sich für das Thema. Die meisten waren der Meinung, dass der Osten längst im Westen angekommen sei. Das stimmt aber nicht. Wir sehen heute, dass der Prozess der Annäherung noch lange dauern wird. Zuerst waren die Ostdeutschen so glücklich über ihre neue Freiheit, dass sie nur zu gerne ihre alte DDR-Geschichte über Bord warfen. Erst nach einigen Jahren merkten sie, dass nicht alles schlecht war. Alte DDR-Produkte und Lieder kamen wieder ins Bewusstsein, die sogenannte „Ostalgie“ erfasste die Massen in den neuen Ländern. Erst als dieses Thematik auch im Westen ankam, war es möglich, Sender und Förderer für eine Verfilmung zu interessieren. 17 Wie und wann kam der Regisseur Peter Timm ins Spiel? Peter Timm und ich haben ja schon zweimal sehr erfolgreich zusammen gearbeitet. Unser erstes Projekt war GO TRABI GO. Dabei erlebten wir eine ähnliche Situation. Wir haben direkt nach dem Mauerfall gedreht und auch damals reagierten die TV-Anstalten abwehrend. Sie sagten, dass sich in zwei Jahren niemand mehr für Trabis interessieren würde. Inzwischen sind wir schlauer: Es gibt wenige Filme aus den letzten 20 Jahren, die so viele Wiederholungen im Fernsehen erlebt haben wie GO TRABI GO. Der Stoff ist also bis heute aktuell und beliebt - vielleicht gerade deshalb, weil es kaum noch Trabis gibt. Als das Drehbuch zu DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN fertig war, habe ich es Peter Timm vorgelegt. Für mich war das naheliegend, weil ich ihn für einen guten Komödienregisseur halte und weil er durch seine Geschichte die DDR und deren Alltag sehr gut kennt. Er hat dem Buch viel Witz und Authentizität beigesteuert. Für diesen Stoff konnte ich mir gar keinen besseren Regisseur vorstellen. Der Film verknüpft mehrere Geschichten und Aspekte. Was ist für Sie das Hauptthema? Es geht darum, sein Selbstverständnis zu bewahren. Der Autor Jens Sparschuh ist ein bisschen wie Lobek. Auch Sparschuh hat immer im Osten gelebt und sich geweigert, alles wegzuwerfen und zu sagen, jetzt werde ich Westler. Er nimmt die neuen Möglichkeiten gerne an, aber bewahrt sich seine eigene Identität. Und das finde ich richtig und verständlich. Niemand will am Ende sagen: Ich habe 30 Jahre lang in einem System gelebt, das auf einmal nichts mehr wert ist. Jetzt hat jeder vielleicht andere und bessere Möglichkeiten, trotzdem will man die eigene Geschichte, die einen geprägt hat, nicht verleugnen. Darüber hinaus hat die Geschichte etwas sehr Sympathisches: Lobek bejaht seinen ostdeutschen Lebensweg und macht sich gleichzeitig auch lustig darüber. Die DDR hatte ja auch etwas Ironisches, so eine ideologiegeprägte Puppenstube mit einem unmöglichen Lebenstraum, der verzweifelt gelebt und aufrecht erhalten wurde. Sie produzieren seit 20 Jahren deutsche Kinofilme. Wie sehen sie die ständige Kritik am heimischen Film? Ich finde sie absurd, denn die Möglichkeiten des deutschen Films werden nie im Vergleich zu seiner Finanzkraft gesehen. Kino ist amerikanisch, das ist ganz klar. Die haben Budgets von bis zu 300 Millionen Mark für einen Film - so viel Geld geben wir in einem Jahr für alle Kinoproduktionen aus. Die Amerikaner können daher ganz andere Filme produzieren und Stars aufbauen. Natürlich können die einzelnen Länder in gewissen Genres ihre Eigenheiten bewahren. Das gelingt uns Deutschen leider kaum. Aber das ist auch sehr schwer. Die Franzosen, die oft als Beispiel für eine gut funktionierende Kinoindustrie herhalten, schaffen das nur durch extreme Abschottung, staatliche Reglementierung im Fernsehen, hohe Subventionierung und scharfe Gesetzesauflagen. Außerdem hat „cinéma“ dort einen anderen Stellenwert. Bei uns fließen die meisten Subventionen in die Theater und die Opernhäuser, nicht aber ins Kino. 18 HEIKE WIEHLE-TIMM ausführende Produzentin Heike Wiehle-Timm (Jg. 1958) war nach dem Studium der Theaterwissenschaften, Germanistik und Publizistik in Berlin als Dramaturgin an der Freien Volksbühne Berlin und am Bayerischen Staatsschauspiel tätig. Nach einem Lehrauftrag an der Universität München für Gegenwartsdramatik und Dramaturgie arbeitete sie als Producerin für die Polyphon Film- und Fernsehgesellschaft Hamburg, und entwickelte dort zahlreiche Fernsehserien und -spiele (u. a. „Der kleine Vampir“, „Geboren 1999“, EIN MANN FÜR JEDE TONART). Seit 1993 ist sie selbstständig als Produzentin und Geschäftsführerin der RELEVANT FILM Produktionsgesellschaft tätig. Heike Wiehle-Timm lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Hamburg. Filmografie 1990 EIN MANN FÜR JEDE TONART 1993 EINFACH NUR LIEBE 1995 DIE PUTZFRAUENINSEL 1996 Zwei Leben hat die Liebe 1996 DUMM GELAUFEN 1997 Ferkel Fritz 1997 Andrea und Marie 1997 Vergewaltigt – Eine Frau schlägt zurück 1998 Millennium Love 1999 Und morgen geht die Sonne wieder auf 1999 Zärtliche Sterne 1999 Zwei Mädels auf Mallorca 2000 Albtraum einer Ehe 2000 Die Salsa-Prinzessin 2001 DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN in Vorbereitung: BLUEPRINT Regie Peter Timm Peter Timm Peter Timm Peter Timm Peter Timm Peter Timm Martin Enlen Martin Enlen Peter Timm Johannes Fabrick Julian Roman Pölsler Dror Zahavi Johannes Fabrick Dror Zahavi Peter Timm Rolf Schübel KATHRIN RICHTER & RALF HERTWIG Drehbuch Ralf Hertwig wechselte nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Japanologie an die Hochschule für Fernsehen und Film in München, wo er Kathrin Richter als Kommilitonin kennen lernte. Die beiden sind inzwischen ein eingespieltes Autoren-Team und haben insgesamt mehr als zehn Drehbücher zusammen geschrieben, u. a. für Rainer Kaufmanns EINER MEINER ÄLTESTEN FREUNDE (1994), DIE APOTHEKERIN (1996) und KALT IST DER ABENDHAUCH (2000). Darüber hinaus ist Kathrin Richter auch als Regisseurin tätig. So zeichnete sie zum Beispiel bei der ZDF-Produktion „Mutproben“ (1996) für Buch und Regie verantwortlich. 19 ACHIM POULHEIM Kamera Seit einem guten Jahrzehnt schafft Achim Poulheim die Bilder für die unterschiedlichsten Filme: vom preisgekrönten Politporträt „Wehner - die unerzählte Geschichte“ über den klassischen Thriller „Die Tote von Amelung“ bis hin zur leichten Liebeskomödie „Wer liebt, dem wachsen Flügel“. Dreimal wurde der Hamburger für den Kamerapreis nominiert: 1992, 1996 und im vergangenen Jahr für „Todesflug“. Viel Lob gab es auch für seine nüchternen Bilder in der Fallada-Verfilmung „Der Trinker“ mit Harald Juhnke. DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN ist seine vierte Arbeit mit Regisseur Peter Timm: Gemeinsam haben sie „Zwei Leben hat die Liebe“, "Ferkel Fritz" und „Millennium Love“ gedreht. BARBARA HENNINGS Schnitt Barbara Hennings Karriere ist eng verbunden mit dem Regisseur Michael Verhoeven. Bei zweien seiner bedeutendsten Stoffe war sie für den Schnitt verantwortlich: DIE WEISSE ROSE (1982) und DAS SCHRECKLICHE MÄDCHEN (1989). Beide Filme wurden mit Preisen überhäuft, DAS SCHRECKLICHE MÄDCHEN wurde sogar für den Oscar nominiert. Seitdem gehört Barbara Hennings zu den profiliertesten Vertreterinnen ihrer Zunft. Sie schnitt die preisgekrönten „Bella Block“-Folgen „Kommissarin“ und „Liebestod“ von Max Färberböck. Mit dem gleichen Regisseur schuf sie sein ebenso ausgezeichnetes Debüt „Schlafende Hunde“ (1991, Bayerischer Filmpreis), sowie zuletzt die hoch gelobte Literaturverfilmung AIMÉE UND JAGUAR (1997), der Eröffnungsfilm der Berlinale 1998. Ausgezeichnet für den besten szenischen Schnitt wurde Barbara Hennings im vergangenen Jahr für „Und morgen geht die Sonne wieder auf“ (2000, Regie Johannes Fabrick, eine Produktion der RELEVANT FILM). Vor DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN zeichnete sie für Joseph Vilsmaiers MARLENE (2000) verantwortlich. Soeben wurde sie nominiert für den Deutschen Fernsehpreis 2001 (Bester Schnitt" für eine Relevant-Film-Produktion: "Albtraum einer Ehe"). RAINER OLEAK Musik Vordergründig ist Rainer Oleak ein Krimifan: auf sein Konto gehen gleich mehrere Dutzend Melodien zu „Tatort“, „Polizeiruf 110“, „Großstadtrevier“ oder „Ein Fall für zwei“. Darüber hinaus hat er die Musik zur Olympiakür von Katharina Witt geschrieben, ebenso wie Lieder für die „Sesamstraße“ und die Kinoproduktion „PINOCCHIO 2“ (2000) . Insgesamt hat Oleak Musik für mehr als 250 Filme komponiert. 1998 wagte sich der studierte Pianist und Bandleader an neue Ufer: Er produzierte die CD „Ufer der Nacht“ der Puhdys – eine der Bands, deren unvergängliches Liedgut auch in DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN zu hören ist. 20 DIE LIEDER „Über sieben Brücken mußt du gehn" M: Ulrich Swillms, T: Helmut Richter performed by BASTIAN PASTEWKA © 1980 Harth Musik Verlag „Wie ein Stern" M & T: Hans Georg Schmiedecke, Dieter Lietz performed by BASTIAN PASTEWKA © 1972 Lied der Zeit Musikverlag „Unsere Heimat" M & T: H. Naumilkat, H. Keller performed by PIONIERE © 1975 Lied der Zeit Musikverlag mit freundlicher Genehmigung der BMG Berlin Musik „Als ich fortging" M: Dirk Michaelis, T: Gisela Steineckert performed by DIRK MICHAELIS & KARUSSELL © 1987 Echo Musikverlag/Harth Musikverlag mit freundlicher Genehmigung der BMG Berlin Musik „Auferstanden aus Ruinen (Nationalhymne der DDR)" M: H.Eisler performed by RAINER OLEAK © 1949 C.F.Peters Musikverlag „Am Fenster" M: K. Gogow/ E. Bogdanov/F. Puppel/K. Selmke T: H. Rauchfuß / J. Rieley performed by CITY © 1977 Lied der Zeit Musikverlag / Platin Song Fritz Puppel mit freundlicher Genehmigung der BMG Berlin Musik „Dough right here" M: Quest, T: Littles/Clutchett performed by QUEST © 2001 Lava Jam & Andy K. Productions mit freundlicher Genehmigung der Zyx Music „Nasty" M: Mathey/Lindner, T: Littles/Clutchett performed by QUEST © 2001 Lava Jam & Andy K. Productions mit freundlicher Genehmigung der Zyx Music „Victime et Vicieux" M: Erchinger/Erchinger/ M'Baye, T: Denise M'Baye performed by DENISE M'BAYE © 2001 AMV Alster Musikverlag / D-Phunk Musik „Holy Night" M: Scheer/Woltmann/Brammertz, T: Scheer performed by SHARE © 2001 Andy K. Productions, Edition Stereogenuß 21 DER SCHRIFTSTELLER JENS SPARSCHUH Jens Sparschuh wurde 1955 in Karl-Marx Stadt, dem heutigen Chemnitz, geboren. Von 1973 bis 1978 studierte er Philosophie an der Universität von Leningrad (St. Petersburg). Die nächsten fünf Jahre war er als wissenschaftlicher Assistent an der Ost-Berliner Humboldt Universität tätig. 1983 promovierte er mit einer Arbeit über die Philosophie der Logik. Seitdem schreibt der Wahlberliner Gedichte, Essays und Romane. Als Autor von Hörspiel- und Feature-Produktionen fand er internationale Beachtung. So erhielt er noch in der DDR das Anna-Seghers-Stipendium der Akademie der Künste, den Ernst-Reuter-Hörspielpreis und 1989 den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Bereits 1993 schrieb Sparschuh mit „Der Schneemensch“ einen Roman, in dem er die Schwierigkeiten der deutsch-deutschen Wiedervereinigung in eine Satire verpackte. Doch erst sein Heimatroman „Der Zimmerspringbrunnen“ machte ihn mit einem Schlag bekannt. Die witzige Geschichte um den charmant-biederen Lobek und dessen seltsame Vertreterkarriere wurde mit wahren Kritikerhymnen bedacht und entwickelte sich zu einem veritablen Bestseller. Im vergangenen Jahr hat der passionierte Pfeifenraucher sein zweites Kinderbuch fertiggesellt („Stinkstiefel“). Seitdem schreibt er an seinem neuen Werk, das voraussichtlich 2002 bei Kiepenhauer & Witsch erscheinen wird. Romane und Erzählungen (Auswahl) 1985 Waldwärts. Ein Reiseroman 1987 Der große Coup – Aus den geheimen Tage- und Nachtbüchern des Johann Peter Eckermann 1993 Der Schneemensch 1994 Parzival Pechvogel (Kinderbuch) 1995 Der Zimmerspringbrunnen. Ein Heimatroman 1997 Lavaters Maske 2000 Stinkstiefel (Kinderbuch) DER AUTOR IM PARK – ÜBER MÄNNER MIT HUNDEN, HEIMAT UND DEN ZIMMERSPRINGBRUNNEN AN SICH Ein Interview mit Jens Sparschuh Wann und wie sind Sie auf die Idee zu „Der Zimmerspringbrunnen“ gekommen? Mir ist aufgefallen, dass nach 1990 vermehrt Männer mit ihren Hunden durch den Park liefen und Selbstgespräche führten. Als freier Autor war der Park vorher mein alleiniges Revier. Das schienen Menschen zu sein, die von einem Rad heruntergefallen waren, das sich jetzt schneller drehte. Früher hatten diese Leute vielleicht etwas zu sagen und jetzt nicht mehr. Es gab offensichtlich eine große Gruppe, die es nicht geschafft hatte, nach dem 3.10.1990 so schnell umzuschalten. Erstaunlicherweise waren das meistens Männer, Frauen selten. Im Buch ist die Julia ja auch die Erfolgreiche. Frauen waren in der DDR sehr emanzipiert, sie waren in das gesellschaftliche und berufliche Leben stark integriert. Vielleicht konnten sie sich deswegen auch schneller an die neue Situation anpassen. Die Männer mussten in der DDR weniger um ihr Selbstverständnis kämpfen, die Frauen dagegen haben ihre errungene Position verteidigt. 22 Warum spielt ihr Roman im Vertretermilieu? Als Autor reise ich viel herum und übernachte teilweise in billigen Unterkünften. Auf einer Tour durch den Schwarzwald war ich länger in einem dieser typischen Vertreterhotels und da lernte ich den Berufsstand in all seiner Größe und Tragik kennen. Wenn diese Menschen morgens hochmotiviert um die Badische Zeitung kämpfen und abends mit aufgerissenem Schlips und leicht lädiert wieder ankommen, erst mal am Tresen landen, kopfschüttelnd, weil sie wieder keine hundert Waschmaschinen verhökert haben, dann hat das etwas zutiefst Tragisches. Außerdem haben viele Ostdeutsche nach dem Wegfall ihres Jobs als Vertreter gearbeitet. Die neuen Länder waren unerschlossenes Gebiet, in dem man gute Geschäfte witterte. Der Hauptgrund für mich war aber die Vertretersituation an sich. Jemand will etwas verkaufen, was der andere nicht haben will. Trotzdem kauft er es am Ende. Das hat mit den Grundgeheimnissen der Warenwirtschaft zu tun. Marktwirtschaft zeigt sich in der Vertretersituation nackt und schonungslos: Wie schafft man es, in die Wohnung hineinzukommen, wie kann man aus einem unbescholtenen Bürger einen Käufer eines Zimmerspringbrunnen machen. Es geht um Verführung. Warum haben sie den Zimmerspringbrunnen als Objekt der Begierde ausgesucht? Erstens: Der Zimmerspringbrunnen ist nicht unbedingt nützlich. Andererseits steht er als Symbol für das, was nach 1990 passiert ist. Manche Dinge sehen schön aus, aber über den Gebrauchswert lässt sich streiten. Natürlich ist nicht alles schlecht an der westlichen Demokratie, aber manches ist zumindest kritikwürdig. Der Westen hatte in der DDR die Aura des Unerreichbaren. Das hat sich für viele entzaubert, als sie es kennen lernten. Dazu kam, dass es Zimmerspringbrunnen im Osten und im Westen gab. Im Osten waren das ziemlich klägliche Objekte und im Westen superschicke Teile für mehrere tausend Mark. Trotzdem hatten sie etwas Verbindendes - egal auf welcher Seite der Grenze: Die Brunnen waren immer potthässlich. Sie nennen Ihr Buch im Untertitel einen Heimatroman. Warum? Schlicht und einfach, weil der Held seine alte Heimat verloren hat. Ihm ist der Boden unter den Füssen weggezogen worden. Er macht sich auf die Suche nach einer neuen Identität, nach einer neuen Heimat. Wir leben in einer modernen Medienwelt, die durch die Globalisierung eine gewisse Zeit- und Ortlosigkeit hat. In dieser Welt ist das Heimatgefühl sehr wichtig. Der Mensch ist von seinen Instinkten her immer noch ein Tier. Er braucht sein Revier, in dem es sich zu Hause fühlt. Diese zeit- und ortlose Internetwelt macht mir Angst. Der Roman ist sechs Jahre alt. Wie hat sich die Situation in Deutschland seitdem verändert? Ich glaube, der Roman ist immer noch aktuell. An dem schwierigen Prozess des Zusammenwachsens von Ost und West hat sich nicht viel geändert. Es dauert eben sehr viel länger, als man gedacht hatte. Als Autor freut mich, das ich den Zeitgeist getroffen habe. Als Bürger stimmt mich das eher nachdenklich. Im Buch geht es nicht um kurzzeitige Probleme, sondern existentielle, wie Arbeitslosigkeit und Beziehungen. Es geht um etwas Grundsätzliches: wie kann der Mensch sich in einer Welt zurechtfinden, in der Werte dahinschwinden, in der Rationalisierung 23 und Effektivitätssteigerung auf Kosten der Menschen und ihrer Schicksale regieren. In diesen grundsätzlichen Problemen stecken wir genauso wie vor sechs Jahren. 24