RAF - Das war für uns Befreiung Oliver Tolmein im Gespräch mit
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RAF - Das war für uns Befreiung Oliver Tolmein im Gespräch mit
RAF - Das war für uns Befreiung Oliver Tolmein im Gespräch mit Irmgard Möller Semesterarbeit im Fach Deutsch Hochschule für Technik Zürich Fachbereich Informatik vorgelegt von Peter Baur Semester I2a Berg, Mai 2006 INHALTSVERZEICHNIS 1 Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort 1.1 Wer war die RAF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Wer war Irmgard Möller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3 3 2 Buchautor 2.1 Biographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Publizierte Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 5 3 Zusammenfassung 3.1 Die Zeit der ausserparlamentarischen Opposition . . . . 3.2 Die ersten Jahre der RAF . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Der Deutsche Herbst und seine Folgen . . . . . . . . . . 3.4 Neukonstituierung und der Kampf um Zusammenlegung 3.5 Auseinandersetzung um die Zäsur . . . . . . . . . . . . . 3.6 Nach der Auflösung der RAF (Postskriptum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 6 7 8 9 10 11 4 Rezension 12 5 Bibliographie 14 6 Anhang 6.1 Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Weiterführende Webressourcen zum Thema 6.2.1 Über die RAF . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Über Irmgard Möller . . . . . . . . . 6.2.3 Über Oliver Tolmein . . . . . . . . . 6.3 Buchauszug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 16 17 17 17 17 18 1 VORWORT 1 2 Vorwort Der Journalist und Rechtsanwalt Oliver Tolmein führte über einen Zeitraum von einem Jahr Gespräche mit Irmgard Möller. Entstanden ist ein Buch, welches sich weitgehend wie ein Interview liest, welches der Autor aber an verschiedenen Stellen mit hilfreichen Hintergrundinformationen ergänzt. Irmgard Möller erläutert in diesem Buch ihre persönlichen Beweggründe, sich dem militanten Kampf in der RAF anzuschliessen, sie setzt sich mit der Entwicklung dieses Kampfes auseinander und berichtet über ihre Isolationshaft, die Hungerstreiks und ihre Erfahrungen nach der Entlassung aus der Haft. Ergänzt wird das Buch durch eine Reihe von Texten der RAF und weiteren Dokumenten, die dem interessierten Leser einen Einblick in die linksradikale Diskussion der sechziger und siebziger Jahre ermöglichen. 1 VORWORT 1.1 3 Wer war die RAF Die Rote Armee Fraktion (RAF) war die bekannteste dem Linksterrorismus zugeordnete Untergrundorganisation in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Ursprünglich gründete sich die RAF 1970 um Andreas Baader, Ulrike Meinhof und andere. Die RAF wollte nach dem Vorbild südamerikanischer Widerstandskämpfer, insbesondere der Tupamaros in Uruguay, den bewaffneten Kampf als ”Stadtguerilla”gegen das ”System”, den herrschenden kapitalistischen Staat und den US-Imperialismus, aus dem Untergrund führen. Während terroristischer Anschläge oder Geiselnahmen der RAF wurden 34 Menschen getötet und es gab zahlreiche Verletzte. Ausserdem starben 20 Mitglieder der RAF. In den Medien, ausgehend von den Publikationen des Axel Springer-Verlags, wurde die RAF oft als Baader-Meinhof-Gruppe oder als Baader-Meinhof-Bande bezeichnet. 1998 erfolgte nach einer wechselvollen Geschichte, deren Schwerpunkt in den 1970er und frühen 1980er Jahren lag, ihre endgültige Selbstauflösung. [wiki03] 1.2 Wer war Irmgard Möller Irmgard Möller, am 13. Mai 1947 als Tochter eines Oberstudienrats geboren, studierte Germanistik. 1971 wurde sie Mitglied der Roten Armee Fraktion und war somit schon in der Aufbauphase der RAF dabei. 1994 wurde sie nach fast 23 Jahren aus der Haft entlassen. Sie ist die einzige Überlebende der Todesnacht vom 18. Oktober 1977, als im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt in Stammheim die RAF Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und JanCarl Raspe unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen ums Leben kamen. Irmgard Möller lebt heute zusammen mit ihrem Lebensgefährten anonym in Süddeutschland. [wiki04] 2 BUCHAUTOR 2 4 Buchautor 2.1 Biographie Abb. 1: Oliver Tolmein 1 Oliver Tolmein (* 1961 in Köln) ist ein in Hamburg lebender deutscher Autor, Journalist und auf Sozialrecht (v.a. Behinderten- und Medizinrecht), Strafrecht und Anti-Diskriminierungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt. Bekannt wurde er durch zahlreiche Veröffentlichungen zu Bioethik und linker Politik, insbesondere zur RAF. Nach dem Abitur 1979 und der Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres (FSJ) in Köln machte er 1980 bis 1983 eine Ausbildung zum Regieassistenten am Schauspielhaus Frankfurt am Main und am Nationaltheater in Mannheim. Anschliessend betätigte sich Tolmein vorwiegend journalistisch, unter anderem als Parlamentskorrespondent der taz und als Redakteur der konkret; auch war er eine Zeit lang Chefredakteur der Tageszeitung Junge Welt. Zudem arbeitete er als freier Autor für den SWR (Fernsehen), den WDR (Hörfunk und Fernsehen), den DLF, die taz, die FAZ, für konkret und jungle world. 1999 schloss er das 1995 begonnene Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung ab und arbeitete seitdem als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter dort. 2000 erhielt er als Stipendiat des DAAD das Diplom der European Academy of Law in Florenz für International Human Rights. 1 Quelle [tolm02] 2 BUCHAUTOR 5 In seiner 2004 abgeschlossenen Dissertation zum Thema ”Selbstbestimmungsrecht bei Einwilligungsunfähigen? Der Abbruch der künstlichen Ernährung bei Patienten im ’Vegetative State’ in rechtsvergleichender Sicht”am Institut für Kriminalwissenschaften der Uni Hamburg setzt sich Tolmein unter anderem kritisch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Sterbehilfe auseinander und argumentiert gegen eine Deregulierung des Lebensschutzes einwilligungsunfähiger Menschen. [wiki05]. 2.2 Publizierte Werke • Oliver Tolmein: ”Keiner stirbt für sich allein - Sterbehilfe, Pflegenotstand und das Recht auf Selbstbestimmung”, C. Bertelsmann, München 2006, ISBN 3-570008-97-5 • Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit: Der Abbruch der künstlichen Ernährung bei Patienten im vegetative state in rechtsvergleichender Sicht; der Kemptener Fall und die Verfahren Cruzan und Bland. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2004. ISBN 3-935964-73-0 • Vom deutschen Herbst zum 11. September: Die RAF, der Terrorismus und der Staat. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 2002. ISBN 3-89458-204-9 • RAF - Das war für uns Befreiung: Ein Gespräch mit Irmgard Möller über bewaffneten Kampf, Knast und die Linke. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 2002 (3. Auflage). ISBN 3-89458-149-2 • Welt Macht Recht: Konflikte im internationalen System nach dem Kosovo-Krieg. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 2000. ISBN 3-89458-186-7 • Wann ist der Mensch ein Mensch? Ethik auf Abwegen. Hanser Verlag, München, Wien 1993. ISBN 3-446-17560-1 • Nix gerafft - 10 Jahre Deutscher Herbst und der Konservatismus der Linken. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1987. ISBN 3-922144-66-7 • Ökorepublik Deutschland: Erfahrungen und Perspektiven rot-grüner Zusammenarbeit. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1986. ISBN 3-922144-57-8 3 ZUSAMMENFASSUNG 3 6 Zusammenfassung Im Vorwort des rund 270 Seiten dicken Buches schildert Oliver Tolmein die verschiedenen Hindernisse - nicht zuletzt die Irmgard Möller nach wie vor drohenden Strafverfolgungen - welche es im Rahmen der Entstehungsgeschichte dieses Buches zu überwinden galt. Die einzelnen Kapitel beginnt der Autor jeweils mit einem informativen Teil, in welchem er auf einigen Seiten den zeitgeschichtlichen Hintergrund beleuchtet. Anschliessend folgen dann die Interviewpassagen zu dieser Zeit, mit Irmgard Möller. Die nun folgende Zusammenfassung des Buchinhaltes orientiert sich weitgehend an der Kapitelstruktur des Buches. 3.1 Die Zeit der ausserparlamentarischen Opposition Das erste Kapitel befasst sich mit der Zeit der Studentenbewegungen der 60er Jahre, aus welchen später die sogenannte Ausserparlamentarische Opposition (APO) hervorging. Die Ausserparlamentarische Opposition (kurz APO) beschreibt eine Opposition2 , die ausserhalb des Parlaments stattfindet, weil sie entweder in den im Parlament vertretenen oder sonstigen Parteien (noch) kein Sprachrohr hat, oder auch gar nicht haben will [wiki01]. Tolmein beleuchtet zuerst auf einigen Seiten den zeitgeschichtlichen Hintergrund der 60er Jahre, die Zeit der SPD unter Willy Brandt, den Vietnamkrieg (welcher eines der beherrschenden Themen der deutschen Linksradikalen wurde) sowie die Kampagne gegen den Springer Verlag (wegen der aggressiven Berichterstattung gegen den ausserparlamentarischen Protest). Im nachfolgenden Interview erzählt Irmgard Möller vor allem über ihren persönlichen Weg, der sie von der politisch engagierten Studentin hin zur radikalen Aktivistin führte, mit dem Wunsch, die damaligen Verhältnisse in Deutschland militant zu verändern. 2 Gegensatz, Widerstand; lat. Stellung gegenüber 3 ZUSAMMENFASSUNG 3.2 7 Die ersten Jahre der RAF Die Zeit der Gründungsphase der RAF, anfangs der 70er Jahre, beschreibt Tolmein als eine Zeit der politischen Ambivalenz in Deutschland. In der Aussenpolitik trat an die Stelle des harten Konfrontationskurses gegenüber den Warschauer Pakt Staaten eine Politik des ”Wandels durch Annäherung”. Die Regierungschefs von DDR und BRD trafen sich 1970 zum erstenmal und auch mit der UdSSR wurde in diesem Jahr ein Gewaltverzichtsabkommen geschlossen. Das innenpolitische Gegenstück zu dieser ”Entspannungspolitik”jedoch, war eine harte Hand gegen Kommunisten und Linke im Inland. Die 70er Jahre sieht Tolmein jedoch auch als der Beginn einer umfassenden Reorganisation der Sicherheitsapparate. Instrumente wie die auch heute wieder umstrittene ”Rasterfahndung”wurden in dieser Zeit geschaffen. Das Kapitel bietet dem Leser einen guten Einblick in die Gründungsjahre von RAF und anderen militanten Gruppierungen wie beispielsweise der ”Bewegung 2. Juni”. Es beschreibt auf verständliche Weise die damalige von langanhaltenden Streiks geprägte Zeit und eröffnet dem Leser interessante Zusammenhänge zwischen der RAF und anderen Guerilla Gruppen im Ausland, wie beispielsweise der damaligen PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas). Irmgard Möller ihrerseits beschreibt als Insiderin den Entstehungsprozess der RAF, die Neuorganisation der Aktivisten in der Illegalität sowie die ersten Aktionen, wie die im Mai 1970 erfolgte gewaltsame Befreiung Andreas Baaders aus dem Gefängnis, welche quasi als Gründungsaktion der RAF verstanden werden kann. Interessant sind auch die Interviewpassagen, welche die Opfer der Anschläge zum Thema haben. Einerseits beteuert Irmgard Möller, dass sie (Irmgard Möller spricht hier, wie an vielen Stellen des Interviews, für die RAF als Kollektiv) nie Menschenleben unnötig gefährden wollten, auf der anderen Seite legitimiert sie aber wiederum den Einsatz von Waffengewalt und die Gefährdung Dritter. Ein grosses Thema dieses Interviewteils sind natürlich auch die ersten Wellen von Verhaftungen von RAF Mitgliedern, welche 1972 stattfanden, inklusive ihrer eigenen Verhaftung am 9. Juli 1972. Sie beschreibt den Ablauf des Prozesses, die Haftbedingungen und die Hungerstreiks, sowie den Tod Ulrike Meinhofs (wobei sie auch hier die offizielle Suizidversion bestreitet). 3 ZUSAMMENFASSUNG 3.3 8 Der Deutsche Herbst und seine Folgen Als Deutscher Herbst wird der Komplex der Ereignisse um die Entführung Hanns-Martin Schleyers und des Lufthansa-Flugzeugs ”Landshut”durch Terroristen der RAF und der PFLP im Herbst 1977 bezeichnet [wiki02]. Die Ereignisse rund um den Deutschen Herbst, die Verurteilung von Irmgard Möller zu lebenslanger Haft und schliesslich die Todesnacht in der Strafanstalt Stammheim sind zentrale Themen in diesem Kapitel des Buches. Irmgard Möller geht vor allem auf die Entführung Schleyers und der Landshut Maschine ein - diese Aktionen hatten die Freipressung von inhaftierten RAF Gefangenen zum Ziel - und schildert, wie sie von den RAF Mitgliedern innerhalb der Gefängnismauern erlebt wurden. Interessant sind auch die Aussagen Irmgard Möllers, welche den Tod von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in der Nacht vom 18. Oktober 1977 betreffen. Sie stehen der offiziellen Version entgegen, wonach es sich um einen kollektiven Selbstmord gehandelt habe. Gemäss ihren Aussagen sei sie im Schlaf überrascht worden und erst am nächsten Morgen auf der Bahre, mit mehreren Stichverletzungen in der Herzgegend, wieder aufgewacht. So drehen sich denn auch viele der Fragen in diesem Interviewteil um die Ereignisse in jener Nacht und die sich nach wie vor darum rankenden Gerüchte. 3 ZUSAMMENFASSUNG 3.4 9 Neukonstituierung und der Kampf um Zusammenlegung Nachdem auch die zweite Generation der RAF grösstenteils verhaftet war, bildete sich eine neue Generation, deren Hauptziel nun nicht mehr die Befreiung der inhaftierten Genossen war, sondern ein gemeinsamer Kampf gegen den Imperialismus in Europa sowie die Bildung einer antiimperialistischen Front, wie in dem 1982 veröffentlichten ”Maipapier”3 gefordert wurde. Irmgard Möller beschreibt, wie sie von innerhalb der Haftanstalt die Entwicklung draussen - die Neukonstituierung der RAF - wahrgenommen hat. Die 80er Jahre - insbesondere 1984/85 - waren auch die Zeit der Hungerstreiks von RAF Gefangenen, wobei es vor allem darum ging, bessere Haftbedingungen und eine Zusammenlegung von Gefangenen zu erreichen, ein Anliegen, das Möller während der Interviews immer wieder zum Thema machte. Es wird auch deutlich, wie viel Solidarität die Gefangenen der RAF von aussen erfuhren, was ihren Kampf für menschlichere Haftbedingungen oder eine vorzeitige Freilassung betrifft. Zum sogenannten ”Sympathisantensumpf” wurden zeitweise auch linke und linksliberale Intellektuelle, wie beispielsweise der Schriftsteller Heinrich Böll oder der französische Schriftsteller und Philosoph Jean-Paul Sartre gerechnet. In diesem Kapitel wird auch deutlich, dass es nicht einfach ”eine RAF”im Sinne einer monolithischen Struktur gab, sondern sich - insbesondere nach den ersten Verhaftungswellen - eine Art von zweiter und später dritter Generation von RAF-Aktivisten bildete, wobei sich die Mitglieder der einzelnen ”Generationen”zum Teil nicht einmal kannten. Irmgard Möller thematisiert denn auch die Diskussionen und Spannungen, welche innerhalb der Gruppe von inhaftierten Mitgliedern der ersten Generation, betreffend den Zielsetzungen und Aktionen der neuen Aktivisten-Generation, vorherrschten. 3 Siehe [rafi02] 3 ZUSAMMENFASSUNG 3.5 10 Auseinandersetzung um die Zäsur Der Zusammenbruch des Sozialismus, der Zerfall des Warschauer Paktes und die Wiedervereinigung Deutschlands haben die politischen Verhältnisse der neunziger Jahre entscheidend geprägt. Tolmein beschreibt die Folgen dieses politischen Wandels für die - vorwiegend dem linken Spektrum zuzuordnenden - Befreiungs- und Friedensbewegungen. Die Folgen, insbesondere der Wiedervereinigung, waren auch für die RAF beträchtlich. Der deutsche Staatsschutz konnte 1990 die RAF Mitglieder festnehmen, welche nach 1977 in die DDR ins Exil gegangen waren. Am 10. April 1992 schliesslich erschien die Erklärung der noch aktiven RAF Mitglieder, in der sie die Zäsur4 - die vorläufige ”Rücknahme der Eskalation”- ankündigten [rafi03]. Der Erklärung vorangegangen war eine Initiative des damaligen Justizministers Kinkel, in der er erklärte, der Staat müsse ”dort wo es angebracht ist, zur Versöhnung bereit sein” und über eine vorzeitige Entlassung inhaftierter RAF-Gefangener nachdenken. Das Gefangenenkollektiv der RAF veröffentlichte fünf Tage später ebenfalls eine Erklärung - verfasst von Irmgard Möller - in der sie die Zäsur begrüssten. Am 20. April 1998 schliesslich erklärte die RAF in einem Schreiben an die Nachrichtenagentur Reuters ihre Auflösung [rafi04]. Nebst ihrer Sicht der historischen Ereignisse rund um die Zäsur geht Irmgard Möller auch auf die für sie schwierige Zeit nach ihrer Haftentlassung 1994 und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft ein. 4 lat. caedere, caesus: hauen, einschneiden 3 ZUSAMMENFASSUNG 3.6 11 Nach der Auflösung der RAF (Postskriptum) Das letzte Kapitel wurde erst nachträglich, im Jahr 2002, für die erweiterte Version des Buches geschrieben. Das Interview befasst sich nochmals mit der Zeit der Auflösung der RAF, wie sie Irmgard Möller - inzwischen seit acht Jahren aus der Haft entlassen - erlebte und wie sie heute darüber denkt. Daneben wird auch über die Situation der sich noch in Haft befindlichen RAF Mitglieder gesprochen. Dabei bedauert Irmgard Möller vor allem das Desinteresse der Gesellschaft an der Lage der Gefangenen. Befremdend findet sie das dem öffentlichen Desinteresse gegenüberstehende neu erwachte Interesse der Medien und Filmschaffenden am Mythos RAF, wobei sie hier vor allem den Vorwurf erhebt, das Ganze werde trivialisiert und entspreche vielfach nicht der Wahrheit. Indem Tolmein auf die Ereignisse des 11. Septembers 2001 zu sprechen kommt, wird am Schluss des Interviews noch ein Bezug zu aktuellen Ereignissen hergestellt, wobei sich das Gespräch vor allem um Antisemitismus (welcher sich damals in einigen Publikationen der RAF manifestierte), den Nahostkonflikt und die Verbindungen der RAF zu palästinensischen Gruppierungen dreht. Möller macht dabei deutlich, dass sie den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern heute anders sieht und distanziert sich von einigen der damals - insbesondere im sogenannten Papier zum ”Schwarzen September”5 - gemachten Aussagen. 5 Siehe [muen01] 4 REZENSION 4 12 Rezension Das Buch ist gut lesbar und bietet einen guten Einblick in die Ideologie und das Gedankengut sowohl der RAF als auch der damaligen Generation von Linksaktivisten, auch wenn dies zumeist subjektiv aus der Sicht Irmgard Möllers geschieht. Viele Aussagen von ihr können, zum Teil mangels lebender Zeitzeugen, nicht überprüft werden oder stehen der offiziellen Darstellung entgegen. Hierzu muss allerdings gesagt werden, dass einige der geschilderten Ereignisse bis heute nicht restlos geklärt sind. Die Stammheimer Todesnacht beispielsweise gibt nach wie vor zu Spekulationen Anlass. Tolmein war es denn auch wichtig zu betonen, dass es ihm in seinem Buch gar nicht darum ging, ”die Wahrheit” über die RAF und die Reaktionen der deutschen Gesellschaft zu präsentieren[tolm01]. Als das Buch in der überarbeiteten Auflage 2002 erschien, jährten sich der Deutsche Herbst und die Todesnacht von Stammheim zum 25. Mal. Die RAF und ihre Protagonisten gerieten wieder vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Medien nahmen sich in zahlreichen Interviews und Büchern des Themas an und auch verschiedene Filme wurden darüber gedreht. Tolmein vermochte mit seinem Buch den zum Teil einseitigen ideologischen Berichten darüber, wie es gewesen sein soll, den Mythen und Legenden, welche sich um die RAF rankten, eine persönliche Geschichte entgegenzusetzen. Irmgard Möller spricht in einer erstaunlich offenen Art über ihre Geschichte. Sie spricht über die Motivation, welche hinter ihrem damaligen Handeln stand und ihre Erlebnisse in 23 Jahren Strafvollzug. Sie spricht nicht als eine, die mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen hat und sie nur noch als Verirrung wahrnimmt, sondern sieht ihre Jahre in der RAF nach wie vor als zentralen Bestandteil ihres Lebens. So ist das Buch denn auch nicht der Versuch zu erklären oder zu rechtfertigen, sondern einfach die Erzählung einer persönlichen Lebensgeschichte. Viele ihrer Aussagen polarisieren, wozu wohl auch die Tatsache beiträgt, dass sie nirgends explizit Reue für ihre Taten zeigt. Infolge der einem Interview inhärenten Eigenschaft mangelnder Objektivität kann das Buch deshalb auch nur bedingt einen historischen Überblick über die RAF geben. Auch ist eine tiefergehende Reflexion der RAF-Geschichte unmöglich, da dies eine offene, unzensierte Auseinandersetzung der Beteiligten zur Voraussetzung gehabt hätte. Die nach wie vor wie ein Damoklesschwert über einigen der damaligen Aktivisten hängenden laufenden Ermittlungen der deutschen Strafverfolgungsbehörden werden dies wohl noch einige weitere Jahre verhindern. 4 REZENSION 13 Das Buch ist somit aus meiner Sicht eher als Sekundärliteratur bzw. für Leser mit einem gewissen Vorwissen zum Thema geeignet. Sehr interessant und auch ohne Hintergrundwissen gut zu lesen sind jedoch die zeitgeschichtlichen Überblicke, welche Oliver Tolmein am Anfang eines jeden Kapitels einfügt. In diesem Sinne wirft dieses Buch einen etwas anderen Blick auf diesen Abschnitt linksradikaler Politik der 60er und 70er Jahre, die Aufbruchstimmung, welche die jungen Leute dieser Zeit erfasste und sie motivierte, alles in Frage zu stellen, einen radikalen Bruch zu wagen und dabei das eigene Leben zu riskieren. 5 BIBLIOGRAPHIE 5 14 Bibliographie Literatur [rafi01] Andreas Gohr, ”Archiv - Infos zur Rote Armee Fraktion (RAF)”, 05. Februar 2006, <http://www.rafinfo.de/archiv/index.php> (22. Mai 2006) [rafi02] Andreas Gohr, ”Archiv - Infos zur Rote Armee Fraktion (RAF) — Guerilla, Widerstand und antiimperialistische Front - Mai 1982”, 05. Februar 2006, <http://www.rafinfo.de/archiv/raf/raf-5-82.php> (28. Mai 2006) [rafi03] Andreas Gohr, ”RAF Erklärung - Infos zur Rote Armee Fraktion (RAF)”, 05. Oktober 2005, <http://www.rafinfo.de/archiv/raf/raf-10-4-92.php> (27. Juni 2006) [rafi04] Andreas Gohr, ”RAF Auflösung - Infos zur Rote Armee Fraktion (RAF)”, 05. Februar 2006, <http://www.rafinfo.de/archiv/raf/raf-20-4-98.php> (27. Juni 2006) [wiki01] Wikipedia, ”Ausserparlamentarische Opposition - Wikipedia”, 20. Mai 2006, <http://de.wikipedia.org/wiki/Au%C3%9Ferparlamentarische Opposition> (22. Mai 2006) [wiki02] Wikipedia, ”Deutscher Herbst - Wikipedia”, 30. April 2006, <http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher Herbst> (22. Mai 2006) [wiki03] Wikipedia, ”Rote Armee Fraktion - Wikipedia”, 21. Mai 2006, <http://de.wikipedia.org/wiki/Rote Armee Fraktion> (22. Mai 2006) [wiki04] Wikipedia, ”Irmgard Möller - Wikipedia”, 08. Mai 2006, <http://de.wikipedia.org/wiki/Irmgard M%C3%B6ller> (22. Mai 2006) [wiki05] Wikipedia, ”Oliver Tolmein - Wikipedia”, 10. April 2006, <http://de.wikipedia.org/wiki/Tolmein> (22. Mai 2006) LITERATUR 15 [tolm01] Oliver Tolmein, ”Oliver Tolmein - Texte und Meer”, <http://www.tolmein.de/blind/pages/buecher.php?para=1007> (22. Mai 2006) [tolm02] Oliver Tolmein, ”Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein”, <http://www.ra-tolmein.de/ihr-anwalt.php> (27. Mai 2006) [muen01] Werner H. Kraemer, ”Die Spiele der XX. Olympiade München 1972”, 06. Juni 2006, <http://www.olympia72.de/raf.pdf> (13. Juni 2006) 6 ANHANG 6 6.1 16 Anhang Bilder Logo der RAF Flugblätter der RAF, welche die Freilassung Irmgard Möllers fordern Quelle: [rafi01] Fahndungsplakat 6 ANHANG 6.2 6.2.1 17 Weiterführende Webressourcen zum Thema Über die RAF • Webseiten-Archiv der Initiative 10 Jahre nach dem Tod von Wolfgang Grams in Bad Kleinen http://badkleinen.sooderso.net • Englische Site über die Baader-Meinhof Bande http://www.baader-meinhof.org • Überblick über die Geschichte der Roten Armee Fraktion http://www.rafinfo.de • taz.de special über die RAF (Mirror auf rafinfo.de) http://www.rafinfo.de/mirror/taz/spezial/raf/index.htm • Artikel des Sterns über die Nacht von Stammheim http://www.stern.de/politik/historie/515808.html?eid=501091 • Informationen zum Thema Linksterrorismus und die RAF (Deutsches Historisches Museum, Berlin) http://www.dhm.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/NeueHerausforderungen/ Linksterrorismus/index.html 6.2.2 Über Irmgard Möller • Biographie in Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Irmgard M%C3%B6ller • Interview mit Irmgard Möller in der Rote Hilfe Zeitung (Solidaritätsorganisation für politisch Verfolgte aus dem linken Spektrum) http://www.rote-hilfe.de/rhz/rhz199704/rhz497001.html • Aus einem Gespräch mit Irmgard Möller auf nadir.org (Informationssystem zu linker Politik im Internet) http://www.nadir.org/nadir/initiativ/r ver/hinter/knast/knast 03.htm 6.2.3 Über Oliver Tolmein • Biographie in Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Oliver Tolmein • Homepage Oliver Tolmeins http://www.tolmein.de • Literatur von und über Oliver Tolmein im Katalog der DDB http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/REL?PPN=115385932 6 ANHANG 6.3 Buchauszug 18 6 ANHANG 19