Financial Modelling schafft Entscheidungsgrundlagen

Transcription

Financial Modelling schafft Entscheidungsgrundlagen
00
Finanzen & Vorsorge
Finanzmodelle
Financial Modelling schafft
Entscheidungsgrundlagen
Finanzmodelle sind eine wichtige Grundlage von vielen Entscheidungssituationen oder Führungsaufgaben. Viele dieser Modelle sind jedoch zu komplex, fehlerbehaftet und schlecht
strukturiert. Financial Modelling – eine in der Schweiz recht unbekannte Disziplin – bietet
Lösungen an, wie dem «Phänomen kreativer Kalkulationstabellen» begegnet werden kann.
››René Suter, Prof. Andreas Löhrer
Die Verantwortlichen in Unternehmungen
stützen sich in ihren Entscheidungen und
in der Führungsarbeit in vielen Situationen auf Finanzmodelle ab. Investitionsvorhaben, Finanzplanungen mit Planbilanz, Planerfolgsrechnung und Plangeldflussrechnung, Preiskalkulationen für Produkte und Dienstleistungen, Unternehmensbewertungen oder Liquiditätsplanung sind Gelegenheiten, in denen vielfach komplexe Kalkulationstabellen zum
Einsatz kommen. Geschickt aufgebaute
Modelle berücksichtigen gegenseitige Abhängigkeiten von finanziellen Grössen, so
dass verschiedene Szenarien berechnet,
Sensitivitätsbetrachtungen und bei Bedarf
Monte-Carlo-Simulationen durchgeführt
werden können. Die Ergebnisse zeigen in
verschiedenen Schattierungen künftige finanzielle Konsequenzen von Entscheidungen auf. Sie sind oft auch Grundlage für
verschiedene Controlling-Prozesse, etwa
Projektcontrolling bei Investitionen oder
strategisches Controlling in der längerfristigen Unternehmensführung.
Akzeptanz von Finanzmodellen
Ein Finanzmodell ist die abstrakte Darstellung einer finanziellen Entschei-
KMU-Magazin Nr. 5, Mai 2013
dungssituation. Es geht darum, in einem
mathematischen Modell vergangene, ge-
! ››
kurz & bündig
Ein Finanzmodell ist die abstrakte Darstellung einer finanziellen Entscheidungssituation. In
einem mathematischen Modell
werden vergangene, gegenwärtige und künftige finanzielle
Konsequenzen möglichst wirklichkeitsgetreu abgebildet.
Ein gutes Finanzmodell ermöglicht flexibel, Simulationen durch
geänderte Annahmen durchzuführen.
Financial Modelling umfasst Prozess-Know-how, Techniken, Fertigkeiten und Hilfsmittel, die zur
Erstellung von Finanzmodellen
benötigt werden. Es beinhaltet
das integrierte Modellieren von
betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen in Tabellenkalkulationsprogrammen unter Berücksichtigung gegenseitiger Abhängigkeiten.
››
››
genwärtige und künftige finanzielle Konsequenzen möglichst wirklichkeitsgetreu
abzubilden. Bei anspruchsvollen Ursachen-/Wirkungsketten kann dies bei einer fehlerhaften Umsetzung zu folgeschweren Fehlentscheidungen führen.
Dies verleitet dazu, die Modelle zu einfach darzustellen, was aber einem Grundsatz der Kybernetik widerspricht: «Only
variety can destroy variety» (also: Komplexität kann nur mit Komplexität bezwungen werden), wie schon das Ashbysche Gesetz aus dem Jahr 1956 besagt
(Ashby, W. R. (1956). An Introduction to
Cybernetics. New York: Wiley).
Wie erlangen Finanzmodelle bei den Entscheidungsträgern die notwendige Beachtung und Akzeptanz? Selbstredend
ist, dass das betriebswirtschaftliche Wissen und – je nach Entscheidungssituation
– speziell das Know-how in Finanzen,
Controlling und Corporate Finance unabdingbare Voraussetzungen sind. Ein gutes Finanzmodell ermöglicht zudem flexibel Simulationen durch geänderte Annahmen durchzuführen. Die Struktur
muss weiter auf eine Weise aufgebaut
sein, dass durch die Gesamtlogik des Modells Entscheidungssicherheit entsteht.
00
Finanzen & Vorsorge
Financial Modelling
Methodik in der Anwendung von Funktionalitäten
in Kalkulationsprogrammen und
in der Darstellung der Resultate
Entscheidungssituation mit
sachlogischen und
betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen
Allerdings sollte darauf geachtet werden,
dass auch anspruchsvolle Situationen nur
so detailliert wie nötig bzw. so einfach
wie möglich dargestellt werden. Überzeugende Finanzmodelle bestechen mit
Glaubhaftigkeit, Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Erklärbarkeit, Konsistenz,
Plausibilität und Flexibilität.
Diese Eigenschaften haben zwei Dimensionen: Einerseits müssen die geplanten
Werte und Überlegungen diese Bedingungen inhaltlich erfüllen (zum Beispiel
eine realistische Einschätzung des Marktpotenzials für ein neues Produkt). Andererseits spielt die technische Umsetzung
in einem Kalkulationstool wie Excel eine
zentrale Rolle. Der Wert eines Finanzmodells mit inhaltlich richtigen Überlegungen löst sich in Luft auf, sobald ein
schlechtes, unübersichtliches, fehlerbehaftetes und inkonsistentes Excel-Modell
die Resultate anzweifeln lässt. Es entstehen Unsicherheiten, Reibungsverluste,
Misstrauen und Mehraufwand. Entscheidungen, die sich auf solchen Modellen abstützen, beinhalten neben den betriebswirtschaftlichen Risiken (zum Beispiel
Marktrisiko für ein neues Produkt) zusätzlich noch ein «Modellrisiko». Oder die
Excel:
Funktionalitäten und
Möglichkeiten
Manager ignorieren diese «Blackboxes»
und stellen gar die Handlungskompetenz
des Entscheidungsvorbereiters infrage.
Finanzmodell als
Entscheidungsgrundlage
nanzmodelle nicht nur an Glaubwürdigkeit. Sie werden mit dieser Standardisierung zusätzlich auch aus der Abhängigkeit von einzelnen Personen gelöst.
Financial Modelling
Financial Modelling umfasst ProzessKnow-how, Techniken, Fertigkeiten und
Hilfsmittel, die zur Erstellung von Finanzmodellen benötigt werden. Es beinhaltet
das integrierte Modellieren von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen in
Tabellenkalkulationsprogrammen (beispielsweise Excel) unter Berücksichtigung gegenseitiger Abhängigkeiten. Dabei geht es nicht um betriebswirtschaftliches Wissen oder Kennen der Funktionalitäten von Excel, sondern um übergeordnete Umsetzungsfertigkeiten in einem
Kalkulationsprogramm (vgl. Abbildung).
«Financial Modelling» stellt das methodische Toolset für die Entwicklung von konsistenten, verlässlichen und auch interpretierbaren Finanzmodellen zur Verfügung. Es setzt auf klare Regeln und Standardisierung, die in der Arbeit mit einem
flexiblen Werkzeug zur Anwendung kommen sollen. Mit dem Befolgen der Regeln
von «Financial Modelling» gewinnen Fi-
Excel – Freud oder Leid?
Bei professionellen «Modellen» und im
KMU-Umfeld ist Excel trotz verfügbarer
ERP- oder BI-basierter Planungssoftware
wohl das am häufigsten eingesetzte Instrument für Finanzplanungen. Während
sich «hart codierte» Softwarelösungen
für die Abbildung planerischer Standardsituationen durchaus eignen, bietet Microsoft Excel eine ideale Plattform, um individuelle, komplexe und iterativ entstehende finanzielle Entscheidungssituationen abzubilden und zu simulieren.
Diese kreativ gestaltbare und quantitativ
mit immensen Möglichkeiten ausgestattete Software-Konstellation bietet Chancen wie aber auch Gefahren. Wichtig ist
deshalb, diese schier unerschöpflichen
Mittel in geordnete Bahnen zu legen und
durch standardisiertes, betriebswirtschaftlich-sinnvolles Vorgehen, flexible,
richtige, strukturierte sowie transparente
Finanzmodelle zu entwickeln.
KMU-Magazin Nr. 5, Mai 2013
00
Gerade in der Anwendung von Microsoft
Excel fehlt jedoch bei vielen Nutzern die
Orientierung an einem Standard. Obwohl
Unternehmen in vielen Gebieten mit
Standards arbeiten, scheint dies bei der
Anwendung von Excel oft in völlige Vergessenheit zu geraten. Die Folge sind unzählige Individuallösungen, welche –
wenn überhaupt – nur noch von der jeweils erstellenden Person durchschaubar
sind. Dies macht sich vor allem bei Stellenabgängen bemerkbar, bei denen bestehende Lösungen vom Nachfolger mangels Undurchsichtigkeit nicht mehr verwendet werden können und in der Folge
neu erstellt werden.
Finanzen & Vorsorge
sign, Regeln für Formeln, Konventionen in der Benennung, Umgang mit
Verknüpfungen
Verwenden von Excel-Features, zum
Beispiel Funktionen, Formatierung,
Namen
››
Auf den ersten Blick mögen die vorgängig
aufgeführten Stichworte aus einem Excel-Kurs stammen. Es sei jedoch betont,
dass für Financial Modelling gute ExcelKenntnisse eine wichtige Voraussetzung
ist. Die Technik von Financial Modelling
hat nicht zum Ziel, Excel zu schulen. Vielmehr ist es ein anspruchsvolles Verfahren, wie in Unternehmungen bei der Erstellung von Finanzmodellen mit Excel
umgegangen werden soll, um verlässliche
und «robuste» Finanzmodelle zu entwickeln, die Entscheidungssicherheit bieten
und gleichzeitig unabhängig von den erstellenden Personen sind.
Der Einsatz von Excel in Kombination mit
der Technik von Financial Modelling
macht das Kalkulationsprogramm auch
für KMU noch mächtiger, als es schon ist.
Die Standardisierung zwingt die Ersteller
die Abhängigkeiten in den Finanzmodellen klar und konsistent darzulegen. Mit
der Anwendung der Regeln von Financial
Modelling wird die oft falsch verstandene
Modell-Kreativität umgemünzt in Modell-Effektivität. «
Verlässlichkeit durch Standards
Ein gutes Buch will organisiert sein: Layout und Struktur des gesamten Werkes,
Aufbau der Kapitel und Absätze wie auch
die Formulierung und die Wortwahl sollen wohlüberlegt sein, damit es les- und
interpretierbar wird. Zwischen gutem
Schreiben und gutem Modellieren besteht eine Analogie. Ein Beispiel für die
Standardisierung von Excel-basierten
Modellen ist «The FAST Standard» (www.
fast-standard.org). Dieser umfasst Regeln
und Richtlinien zur Struktur und Detaillierung Excel-basierter Finanzmodelle.
Der Standard soll sowohl zu einem richtigen und guten Modelldesign anleiten als
auch eine Basis schaffen, worauf sich Modellentwickler und -begutachter in gegenseitigem Austausch verlassen können.
Ohne zu sehr auf umfangreiche Details
einzutreten, vermitteln folgende Beispiele einen Überblick über die Ansatzpunkte und Felder der Standardisierung
im Erstellen von Finanzmodellen in Excel.
››Gestaltung der Arbeitsmappen, zum
Beispiel generelle Prinzipien, Tabellenblattorganisation, Organisation über
mehrere Arbeitsmappen
Tabellenblattgestaltung, zum Beispiel
generelle Layout-Prinzipien, Regeln für
Kalkulationsabschnitte, Inputtabellen,
Präsentationstabellen, Kontrolltabellen
Felder, zum Beispiel Taxonomie, De-
››
››
KMU-Magazin Nr. 5, Mai 2013
Porträt
René Suter
Berater
René Suter ist international tätiger selbstständiger Unternehmer in Finanzen und Controlling mit jahrzehntelanger Berufs- und Beratungserfahrung. Er hat das Thema
«Essential Financial Modelling» im Rahmen verschiedener Beratungsprojekte sowie seiner Diplomarbeit zum Erwachsenenbildner systematisch aufgearbeitet.
Prof. Andreas Löhrer
Dozent und Berater
Prof. Andreas Löhrer ist Dozent und Berater in Finanzen
und Controlling, Corporate Finance am Institut für Unternehmensführung der FHS St.Gallen, Hochschule für
Angewandte Wissenschaften, langjährige Erfahrung als
selbstständiger Unternehmer sowie als CFO.
Das Institut für Unternehmensführung (IFU-FHS) der FHS St.Gallen, Hochschule
für Angewandte Wissenschaften, forscht, unterrichtet und berät in Themen von
Finanzen und Controlling, Strategisches Unternehmertum sowie Marketing und
Unternehmenskommunikation.
Das Institut führt 2013 erstmals Seminare zu «Financial Modelling» mit Excel
durch (www.fhsg.ch/financialmodelling).
Kontakt
[email protected]
www.fhsg.ch, www.fhsg.ch/financialmodelling