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RON SPIELMAN Von Schweinfurt nach Berlin Zweifellos zählt der Wa h l - B e r l i n e r zu den A u s n a h m e - G i t a r r i s t e n d e r d e u t s c h e n S ze n e . U n d w e n n m a n d a n n a u c h n o c h S p i e l m a n h e i ß t , w i rd der Name in diesem Fa l l tatsächlich zum P r o g r a m m . Vo r a l l e m d i e e n o r m e V i e l s e i t i g k e i t zeichnet den bescheidenen Musiker aus. Ob a n d e r g e l i e b t e n S t r a t o c a s t e r i n s e i n e m Tr i o oder mit seiner Akustik-Band: Ron Spielman präsentier t seine gefühlvollen Songs stets auf h ö c h s t e m N i ve a u . 7677 04.09 gitarre & bass story: udo pipper fotos: archiv spielmann Gerade erschien mit ,Absolutely Live’ ein neues Album, auf dem Ron Spielman mit deutschen Szene-Größen wie Benny Greb am Schlagzeug und Edward Maclean am Bass seine Musik irgendwo zwischen Blues und Fusion ansiedelt, mal virtuos wie Jeff Beck oder erdig wie Stevie Ray Vaughan agiert. Zusammengehalten wird das Ganze durch seinen markanten Gesang, der teils an Stings frühe Police-Zeit erinnert. Unbeirrt und ohne jede Rücksicht auf Trends oder Musikindustrie beweist Spielman, dass Qualität und Hartnäckigkeit auch heute noch einen kreativen Musiker am Leben erhalten. Ich traf ihn mehrmals in Berlin und bekam diesen Herbst schließlich die Chance für ein ausführliches Interview. Zu diesem Zeitpunkt stand ich noch unter dem tiefen Eindruck, den das Trio nach einem Auftritt im Berliner Quasimodo bei mir hinterlassen hatte. Eine Stimmung, die auch das LiveAlbum perfekt einfangen konnte. Wer diesen Gitarristen live erleben kann, sollte sich das nicht entgehen lassen. Ein stiller Star, der sich ungern in den Mittelpunkt stellt. Ron, du bist 1964 geboren. Mit welcher Musik bist du aufgewachsen? Ich habe Jazz, Blues und Rock gehört. Das Mahavishnu Orchestra! Dann Cream, Robin Trower, natürlich Hendrix und Traffic. Ich hatte nur Zugang zu dieser Musik, weil mein älterer Bruder eine riesige Plattensammlung besaß. Darin habe ich immer gestöbert ... Zunächst habe ich auch Uriah Heep und Status Quo aufgelegt, aber dann kam die LP ,Taste Live‘ (mit Rory Gallagher): Diese Rauheit, diese Ehrlichkeit, seitdem war ich dem Live-Sound verfallen. Womit wir ja mitten im Thema wären: Dein neues Live-Album – Kompliment! Das Album ist wirklich gelungen. Danke! Ich hab’s auch immer wieder versucht. Zunächst mit großer Besetzung und schließlich im Trio. Es ist unglaublich schwer, ein gutes Live-Album aufzunehmen, da ich unbedingt nur einen einzigen Gig drauf haben wollte. Und da muss einfach alles stimmen: Der Sound, die Atmosphäre und natürlich die Songs selbst. Man muss den Sweetspot finden. Ich wollte auch keine Overdubs mehr machen. Wir hatten uns damals nach etwa zwei Monaten zum ersten Mal wieder getroffen und einfach losgelegt. Ich hatte gleich das Gefühl, dass es diesmal klappt. Es gibt zwar für uns alle hier und da kleine Stellen, wo wir „im Gebüsch landen“ (lacht), aber insgesamt war der Abend doch sehr stimmig. Wir hatten eine ungeheure Spielfreude. Das Ganze wirkt sehr spontan. Genau! Wir sind längst weg von dem Punkt, wo wir uns alle Licks zurechtlegen und an bestimmten Stellen abrufen. Wir improvisiegitarre & bass 04.09 ren wirklich. Natürlich haben wir Muster, auf denen unsere Improvisationen basieren aber man weiß nie, wo das genau hinführt. Ich bin dann manchmal so weggetreten, dass ich selbst die Position eines Zuhörers einnehme und einfach nur noch lausche. Das ist ein höchst erstrebenswerter Zustand. Nur so entsteht meiner Meinung nach eine Situation, in der sich Musik wirklich entfalten kann. Du kommst ursprünglich aus Schweinfurt. Ja, dem Liverpool Deutschlands. Sehr viel Industrie und working class. Und was hat dich dann nach Berlin verschlagen? Ich musste da reiflich überlegen. Etwa 1999 war ich an einem Punkt, wo ich mit der Ron Spielman (Big-) Band gut zu tun hatte. Wir hatten schon vier Alben draußen und alles lief eigentlich recht konstant. Wir spielten sehr viel in ganz Deutschland. Aber dann hatte ich plötzlich das Gefühl, noch einmal von vorn beginnen zu wollen. Mich neu erfinden. Neue Musiker kennenlernen. Neue musikalische Impulse einfangen. Also ging ich mit meiner Frau nach Berlin. Und das war erstmal ziemlich hart, denn wir hatten anfangs wirklich gar nichts. Wir nahmen Schlagzeuger Benny Greb eine billige Wohnung, und dann bin ich Abend für Abend losgezogen mit Gitarre und Kabel und hab endlos viele Sessions gespielt. Ich musste Musiker kennenlernen. Das war zwar knüppelhart, im Nachhinein bin ich für diese Zeit aber unheimlich dankbar, weil sie mir sehr viel Kraft gegeben hat. Man stellt fest, dass man sich irgendwie behaupten kann. Mit Musik! Wie kam dann dein Trio zustande? Ich kam zunächst mit Benny (Greb) zusammen, den ich über einen Freund, den Bassisten Jörg Holdinghausen kennengelernt hatte. Er stammt aus Augsburg und hat auf der Musik-Akademie in Dinkelsbühl studiert. Dort habe ich ihn vor Jahren getroffen. Irgendwann rief er mich an und sagte, er wohne jetzt in Hamburg. Ja, und dann war Benny plötzlich auf der Szene. Er ist ein unglaubliches Talent und ein absoluter Perfektionist. Er hat den Sound, wenn du weißt, was ich meine. Er ist nicht nur Drummer, sondern in erster Linie Musiker. Er ist auf der ganzen Welt unterwegs und spielt Clinics für Sonor. Wenn ich mit ihm auf die Bühne gehe, ist einfach alles klar. Man kann sich fallen lassen. Keine Diskussion! Einfach spielen. Ein Glücksfall. Bassist Edward Maclean discografie Ron Spielman Trio: Absolutely Live (2008) Ron Spielman Acoustic Band: Hilltop Garden (2007) The Finest/ Shannon Callahan: Long Story Short (2006) Ron Spielman Acoustic Band: From My Songbook (2005) XXLarge: Five More Kicks (2002) Ron Spielman: Intelligent People (2001) Ron Spielman: Sessions (2000) XXLarge: Volume One (1999) Ron Spielman: Electric Sonnet (1996) Bewegung 8 März: Live At Neue Heimat (1995) Ron Spielman: Solution (1994) Stoneground: On The Ground (1994) The Body And The Beat: Wild World (1992) Ron Spielman: Skin & Wire (1991) The Body And The Beat: Appetizer (1990) Gitarrist & Sänger Ron Spielman Und dann ist da noch der unglaubliche Edward Maclean am Bass. Edward habe ich in Berlin getroffen. Ich ging oft ins Quasimodo zur Session, und da begegnete ich ihm. Das Quasimodo wurde überhaupt zum Dreh- und Angelpunkt meiner Laufbahn in Berlin. Der Club ist in jeder Beziehung ideal. Giorgio (der 8777 RON SPIELMAN Besitzer) weiß genau wie er mit Musikern umgehen muss und wagt auch mal etwas. Er sorgt dort für eine tolle Atmosphäre, sodass ich, wenn ich dort spiele, praktisch jeden Musiker anrufen kann. Alle kommen gern ins paar Musiker ausgesucht und bin mit ihr ins Studio gegangen. Daraus ist ein wirklich schönes Album hervorgegangen, das aber eine völlig andere Seite von mir zeigt. Außerdem habe ich noch eine Akustik-Band, in der ich mich sehr zurücknehme. In dieser Band spielt auch Jo Ambros, ein sehr geschmackvoller E-Gitarrist, der es versteht, einzigartige Sounds aus der Gitarre zu holen. Er ist ein hervorragender Musiker und ich kann mit ihm super zusammen arbeiten. Ich schreibe die Songs, spiele live meine website Das Live-Effektboard equipment = gitarren Fender Stratocasters von 1971, ’75, ’76, ’90 und 2002 Squier Strats von 1981 und ‘82 Gibson Les Paul Custom 2000 Gibson SG 1974 Tokai Les Paul 1981 Martin Acoustic Git. Special Edition Ortega Classic Git. = verstaerker Fender Twin Reverb Blackface & Silverface Fender Deluxe Amp Fender Concert Amp Marshall Artist Head 50 W Marshall DSL 401 Combo Marshall Bluesbreaker Combo 50 W Valvetech 50 W Custom Made Head = effekte Boss Volume Pedal RMC WahWah Pedal Vox WahWah Pedal Arion Chorus Boss DD-Delay t.c. Tremolo Voodoo Lab Micro Vibe Xotic AC Booster Xotic BB Preamp Marshall Jackhammer Ibanez DD-Delay Boss Chromatic-Tuner 7897 Spielman ist Strat-Man „Quasi“ und fragen gar nicht erst mal nach Gage und so. Dieser Club scheint Musiker wirklich anzuziehen, und das ist heute wirklich selten geworden. Ein richtiges Zuhause. Ich spiele jeden Monat ein bis zwei Gigs dort. Die Besetzung wechselt dann zwangsläufig, da Benny und Edward nicht immer Zeit haben. Sie sind dennoch so eine Art Stammbesetzung für mich. Mit Benny und Edward entsteht eine unheimliche Freiheit. Sie tragen mich und geben mir die Möglichkeit, absolut spontan zu spielen, weil jeder der beiden sofort darauf eingehen kann. Das ist der Reiz eines Trios. Dann hast du jüngst auch noch ein Akustik-Album mit einer Sängerin namens Shannon Callahan aufgenommen. Ja, meine andere Leidenschaft. Sie kommt aus Los Angeles und ist ein wahnsinniges Talent. Wir spielten mal im Quasimodo zusammen. Dort sah uns ein Produzent und hat uns gleich den Auftrag zu einem gemeinsamen Album gegeben. Ich habe ein www.ronspielman.de www.myspace.com/ ronspielmantrio Martin-A-Gitarre und singe dazu. Davon gibt es mittlerweile zwei Alben, ,From My Songbook’ und ,Hilltop Garden’, die bei FrimFram erschienen sind. Sehr ruhige, schöne Musik. Wie wichtig ist für dich der Gesang? Du bist ja auch ein markanter Sänger ... Das ist sicher ein Vorteil. Es gibt ja nur ganz wenige Gitarristen, die einen unverkennbaren Stil ohne Gesang etablieren konnten. John Scofield, Pat Metheny, Jeff Beck oder Santana schaffen es etwa mit ein paar Noten ihren unverkennbaren Sound rüberzubringen. Man erkennt sie sofort. Aber so etwas ist extrem selten. Es ist die Spitze unserer Kunst. Natürlich will jeder von uns da hin. Einfach nur Gitarre spielen. Aber dann verlässt irgendwann der Sänger die Band oder man findet erst gar keinen, und dann probiert man es selbst. So war das bei mir auch. Also habe ich es probiert und mich da rein gearbeitet. Ich habe noch alte Live-Cassetten von meinen ersten Versuchen als Sänger. Und das war wirklich grausam. Das war 1982. Und es hat bis 2004 gedauert bis ich mit dieser Rolle wirklich zurecht kam. Wir haben damals mit der Akustikbesetzung ein Album aufgenommen und der 04.09 gitarre & bass Produzent Torsten Krill gab mir das Selbstvertrauen, meinen Gesang in den Mittelpunkt der Produktion zu stellen. Nicht die Gitarre, sondern der Gesang ist das Bindeglied zum Zuhörer. Das ist heute das Zentrum der Songs. Das war aber ein sehr langer Prozess für mich. Für diese Entwicklung bin ich sehr dankbar, denn nur so kann ich meine eigene Musik machen, ohne ständig auf der Suche nach irgendwelchen Projekten zu sein, denen man sich anschließen kann. Ohne Gesang kannst du kaum noch Platten machen. Und letztlich kann man, sollte gar nichts mehr laufen, in der U-Bahn noch Straßenmusik machen. Aber ohne Gesang wäre das fast unmöglich, weil dann wahrscheinlich niemand stehen bleiben würde um dir zuzuhören. Du bist ja bekannt als StratocasterSpieler. Hast du mit dem Instrument auch angefangen? Nein, meine erste Gitarre war eine weinrote 1974er Gibson SG, die ich für 800 Mark erwerben konnte. Etwa 1980 habe ich eine Tour durch Spanien gemacht. Dort hatte ich eine billige Ibanez-Stratocaster-Kopie, da ich davon ausging, dass die Gitarre die Tour vielleicht nicht überlebt. Doch dann habe ich den Reiz dieser Instrumente kennen- und liebengelernt. Fender und Gibson, das waren verschiedene Welten. Von da an habe ich Strat gespielt. Sie war einfach mein Ding. Du hast sicher eine ganze Strat-Sammlung. Welche davon bevorzugst du? Das ist witzig, denn ich kümmere mich überhaupt nicht um die sogenannten SzeneWeisheiten. Ich probiere einfach sehr viele Gitarren aus und entscheide ganz aus dem Bauch, welche zu mir passt. So kam es, dass meine momentane Lieblings-Strat eine ganz alte, billige Squier ist. Sie klang einfach toll, und als ich meinen Händler nach den Pickups fragte, sagte er, diese Gitarre hätte irgendwelche Schrott-Pickups aus Korea oder so. Aber sie klang dennoch genau nach meinem Geschmack. Ich schere mich nicht darum. Dann habe ich noch ein 71er Modell von Fender mit großer Kopfplatte. Die hat aber live dermaßen gebrummt, dass ich Fender-Noiseless-Pickups reingesetzt habe. Seitdem ist Ruhe. Das sind momentan eigentlich meine Lieblingsgitarren. Also nichts Besonderes. Einfach Handwerkszeug. Aber gutes! Benutzt du auch Effekte? Ja, ich verwende einen Preamp von Xotic, der meiner Meinung nach der beste auf dem Markt ist. Dann noch einen Marshall-JackHammer; der ist vor den Xotic geschaltet und so eingestellt, dass ich für ein Solo noch ein klein wenig mehr Sustain bekomme. Also kein Heavy-Metal-Sound. Der Xotic ist eigentlich immer in Betrieb. Ich regele hauptsächlich mit der Gitarre zwischen gitarre & bass 04.09 clean und verzerrt. Aber das wechselt immer mal wieder. Du kennst das sicher: Man probiert Millionen von Fußtretern, immer auf der Suche nach einem noch besseren. Das Ideal bleibt halt immer ein aufgerissener Marshall-Sound, aber das geht heute fast nicht mehr. Daher strebt man dieses Ideal mittels Distortion-Boxen an. Nur darum geht’s – den Classic-Tone ganz leise hinzubekommen. Welche Amps verwendest du? Ganz früher hatte ich einen Marshall Artiste 50 Watt mit einer Orange-Box. Das ist aber bald viel zu laut und zu schwer gewesen. Dann habe ich zwei Fender Twins gespielt, dann einen Fender Deluxe. Und heute verwende ich hauptsächlich einen Fender Concert Amp mit einer 2x12“-Marshall-Box. That’s it. Er ist etwas modifiziert, aber frag’ nicht, was da gemacht wurde. Keine Ahnung. Ich wollte einfach den Eingangspegel so haben wie bei einem Twin, und das hat mein Techniker perfekt hinbekommen. Der Amp hat Kraft und einen sehr neutralen Grund-Sound. Außerdem ist er klein und gut zu transportieren ... Man könnte jetzt vielleicht denken, dass der Sound für mich nicht so wichtig ist. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Er ist alles für mich! Der Sound muss stimmen und wenn das der Fall ist, trägt mich das richtig weg. Er ist die ganze Inspiration, auch wenn ich jetzt kein Vintage-Sammler bin. Ein Kritiker schrieb, nachdem er ein Konzert von mir besucht hatte: „Ron Spielman und seine Instrumente sind nicht zwei verschiedene Dinge. Sie bilden eine Einheit, die am Rande ausfranst und wie ein wabernder Klangteppich den Hörer unterwandert. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Instrument verstromt ist oder nicht.“ Man findet einen guten Ton auch mit anderem Equipment. Was kommt als nächstes? Du bist ja so vielseitig, dass da bestimmt noch ein paar Projekte in Planung sind. Im Moment bin ich gerade dabei ein neues Akustik-Album aufzunehmen, das 2010 erscheinen wird. Mit meinem Trio werde ich auch demnächst ein neues Album einspielen und im Mai 2009 auf Tour sein. Möglicherweise wird es wieder ein Live-Album. Es wird weniger Mainstream-Songs zu hören geben. Ich möchte riskanter und mehr independent produzieren. Das reizt mich zur Zeit. Mein Produzent der Akustik-Band, Torsten Krill, ist auch gleichzeitig der Drummer. Dieser Mann ist sehr, sehr gut und wird schon aufpassen, dass man sich nicht verläuft und dass etwas Gutes dabei herauskommt. Er hat immer Ideen. Ich suche ständig nach neuen Möglichkeiten, um meiner Musik noch mehr Gefühl und Intensität zu verleihen. Das ist mein Weg. Vielen Dank! I