Einsamkeit im Alter

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Einsamkeit im Alter
FOKUS GESUNDHEIT
Walliser Bote
Donnerstag, 10. April 2014
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HABEN SIE GEWUSST…?
Durchschnittliches
EinkommenvonAHV-Rentnern:
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ein monatliches
27% haben
Einkommen unter Fr. 2000.–
Einsamkeit im Alter
Soziale Isolierung ist schlecht für die Moral
und wirkt sich auch negativ auf die Gesundheit älterer Menschen aus. Aus dieser
Isolierung auszubrechen ist möglich – die
betroffene Person darf sich aber nicht
von Scham zurückhalten lassen oder Angst
haben, jemandem zur Last zu fallen.
5 Tipps gegen soziale Isolierung
In den Neunzigerjahren analysierte Professor Rapin
den Inhalt der Kühlschränke von 132 in Genf lebenden Seniorinnen und Senioren. Diese Studie, die den
Titel «In frigo veritas» trug, zeigte, dass 40 % der älteren Personen, die weniger als drei verschiedene Lebensmittel in ihrem Kühlschrank hatten (also sozusagen einen leeren Kühlschrank), innerhalb des darauffolgenden Monats in ein Spital eingeliefert werden mussten. Bei den Betagten, die genügend und
mehrere Lebensmittel im Kühlschrank hatten, waren
es gerade mal 18 %.
Gut
essen, um
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bleiben
Die 90-jährige Josephine nickt zustimmend. Jeden
Mittwoch nimmt sie an einem Treffen teil, das im Gemeindesaal von Martinach organisiert wird. Für acht
Franken bereitet ein Team von Freiwilligen ein Mittagessen zu – von der Suppe bis zum Dessert. «Es gibt
jedes Mal ein anderes Menü, und das Essen ist immer
gut». Lächelnd erinnert sich die Seniorin an ein thailändisches Menü, das es vor Kurzem gab – etwas,
das sie noch nie zuvor gekostet hatte, aber sehr genoss. «Es sind regelmässig zwischen 80 und 100 Personen dabei. Die meisten sind alt und leben alleine.»
Josephine denkt, dass viele von ihnen regelmässig an
diesen Essen teilnehmen würden, wenn es noch mehr
solche Gelegenheiten gäbe. Sie für ihren Teil sorgt dafür, dass sie die ganze Woche über an verschiedenen
Aktivitäten teilnimmt. Seit drei Jahren wohnt sie im
Stadtzentrum. Jeden Morgen geht sie aus dem Haus,
um etwas Kleines einzukaufen oder auf die Post zu gehen. Dabei trifft sie häufig jemanden an, und man geht
zusammen einen Kaffee trinken. «Ich habe das Glück,
alles in unmittelbarer Nähe zu haben und mich guter
gibt es bei gesundheitlichen oder
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Anrecht und kein
Almosen!
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«Essen ist ein sozialer Akt. Isst man immer allein, verliert man schnell den Appetit», erklärt Dr. Martial
Coutaz, Verantwortlicher der Abteilung für Geriatrie
des französischsprachigen Wallis am Spital Wallis.
Die breite Bevölkerung hat eher mit dem Problem
der Über-Ernährung zu kämpfen – bei den Seniorinnen und Senioren ist aber genau das Gegenteil der
Fall. «In ihrem Stuhl sitzend sehen manche ältere
Menschen vielleicht ganz gut aus», fährt der Geriater
fort, «in Wirklichkeit aber weisen sie beachtliche
Mängel auf, vor allem einen Proteinmangel.»
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Konkrete
Hilfe
1
Christelle Magarotto (dt. Text Karin Gruber)
Im Alter verliert man die Lust auf Fleisch. Die meisten
Menschen vergessen dann, dieses Produkt beispielsweise durch Käse und andere Milchprodukte zu ersetzen. Ihre Muskelmasse schwindet, das Sturzrisiko
nimmt zu, der Proteinmangel erhöht das Infektionsrisiko, die Wundheilung verschlechtert sich... «Um
diesem entgegenzuwirken, sollten gemeinsame
Mahlzeiten organisiert werden, damit die betroffenen Personen die Freude am Essen wiederfinden»,
schlägt der Arzt vor.
ein monatliches
50% haben
Einkommen unter Fr. 3000.–
Kontakte
mit den
Angehörigen
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Rat
suchen,
Mitmachen:
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der AHVZweigstelle
Gesundheit zu erfreuen. Ich kann mich leicht allein
von einem Ort zum anderen begeben.»
Nachbarn, Postboten, Fernsehinstallateure usw.»,
zählt er auf.
dass man Ihnen nichts geben wird. Diese Berechnung ist viel komplexer.»
Rückzug verhindern
«In den Dörfern ist die Zahl der einsamen Betagten etwas geringer, doch kommt dieses Phänomen auch
dort vor.» Ältere Menschen geniessen in den Dörfern
ein gewisses Ansehen und werden nicht fallengelassen
oder ausgegrenzt, wie man es in den Städten oft sieht.
«Die meisten von ihnen waren in der Landwirtschaft tätig. Sie haben ein hartes Leben geführt. Das flösst vielen aus den jüngeren Generationen Respekt ein.» Hilfe
zu suchen, ist für diese Menschen allerdings nicht immer einfach. Sie wollen niemandem zur Last fallen und
haben das Gefühl, sie müssten um das Wohlwollen anderer bitten – ein schwieriger Schritt für jemanden,
der sich immer eigenständig durch die schwierigsten
Situationen gebracht hat. «Allerdings haben sie ihr
ganzes Leben lang Beiträge eingezahlt – sei das nun
bei ihrer Krankenkasse oder bei der AHV. Daher haben
sie durchaus ein Recht auf Unterstützung.»
Auf Verordnung des Arztes und nach Beurteilung
durch ein sozialmedizinsches Zentrum kann ebenfalls konkrete Hilfe erhalten werden. Gemäss dem
Krankenversicherungsgesetz (KVG) wird alles übernommen, was mit der Pflege einer Person zusammenhängt – dazu gehören auch Hilfe bei der Körperpflege und beim Anziehen. Wenn man über eine Zusatzversicherung verfügt, werden auch Stunden für
die Hilfe im Haushalt übernommen. «Ohne Zusatzversicherung muss die betroffene Person allerdings
selbst für die Leistungen aufkommen, die über die
Pflege hinaus gehen», erklärt der Koordinator.
«Häufig begeben sich ältere Personen nicht mehr
unter die Leute und ziehen sich in sich zurück, wenn
sich die ersten Gebrechen des Alters bemerkbar
machen», fährt Dr. Coutaz fort. In unserer Gesellschaft, die auf Werten wie Leistung, Schönheit und
Geschwindigkeit aufgebaut ist, kann es als beschämend empfunden werden, wenn man sich offen
hilfsbedürftig zeigt, indem man beispielsweise jemanden bittet, einem über die Strasse zu helfen. Ist
nicht ein Angehöriger da, um die betagte Person zu
begleiten und zu motivieren, geht diese plötzlich
gar nicht mehr aus dem Haus. Und je weniger sie
sich bewegt, desto rascher verschlechtert sich ihr
Gesundheitszustand.
«Man darf keine Hemmungen haben, seinen Hausarzt oder eine Fachperson der AHV-Zweigstelle
um Hilfe zu bitten», fügt der Koordinator einer
Freiwilligen-Vereinigung, die sich um den Verbleib
betagter Personen zu Hause kümmert, hinzu – er
möchte anonym bleiben. «Tatsächlich sind es
meist Dritte, die feststellen und darauf hinweisen,
dass sich eine betagte Person in einer schwierigen
Situation befindet: beispielsweise Angehörige, die
weit weg wohnen und sich nicht um die Seniorin
oder den Senior kümmern können, aber auch
Konkrete Hilfe
Wenn ihre Rente nicht ausreicht – Armut kann ein
weiterer Grund dafür sein, dass Menschen sich zurückziehen – können Betagte Ergänzungsleistungen
beantragen. «Hierbei handelt es sich nicht um eine
Sozialhilfe, sondern um ein Recht!», betont er. «Es
lohnt sich immer zu fragen, ob man Anrecht auf Ergänzungsleistungen hat. Wenn Sie ein Grundstück
oder ein Haus besitzen, heisst das noch lange nicht,
Ältere Personen tendieren häufig dazu, sparsam zu
leben, um ihren Kindern Geld hinterlassen zu können
– während diese Kinder, die mitten im aktiven Berufsleben stehen, lieber mehr Zeit mit ihnen verbringen möchten. «Wenn man die Mittel dazu hat, empfehle ich den Angehörigen, dass man Fachpersonen
die Arbeit verrichten lässt, und dass man dafür angenehme Zeit mit den Seniorinnen und Senioren verbringt und einen steten Kontakt aufrechterhält»,
schliesst er. «Zudem entstehen für die betagte Person über eine Pflegefachperson oder eine Familienhelferin neue Kontakte – und je mehr Kontakte jemand pflegen kann, desto geringer ist die Gefahr, gesellschaftlich isoliert zu werden.»
Ankündigung – Vortrag zur psychomotorischen Entwicklung von Kindern, 16. April 2014
Das Haus der Generationen in Steg führt eine Vortragsreihe zur normalen Entwicklung von Kindern von 0 bis 6 Jahren durch. Die bisherigen Vorträge, die von Referenten aus verschiedenen Fachbereichen
gehalten wurden, sind auf ein reges Interesse gestossen. Am 16. April wird diese Vortragsreihe mit dem Thema Die psychomotorische Entwicklung im Kleinkindesalter und im Vorschulalter abgeschlossen . Als Referentinnen werden Anita Heynen, Psychomotoriktherapeutin, ZET Visp, und Raphaela Gertschen, Psychomotoriktherapeutin, ZET Brig, anwesend sein. Der Vortrag findet um 19.30
Uhr im Haus der Generationen St. Anna, Fussweg 21, in Steg statt. Junge Eltern und interessierte Personen sind herzlich zu diesem kostenlosen Vortrag eingeladen. Weitere Informationen erhalten Sie
unter 027 933 19 19 oder [email protected].
NÜTZLICHE ADRESSE
PARTNER
Departement für Gesundheit, Soziales und Kultur
Dienststelle für Gesundheitswesen
Sozialmedizinisches Zentrum Oberwallis
(SMZO)
www.smzo.ch
www.sucht-wallis.ch
www.gesundheitsförderungwallis.ch
www.vs.ch/gesundheit