Casino Royal im Wasserschloss

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Casino Royal im Wasserschloss
Casino Royal im Wasserschloss
Sandizell (SZ) Das Kristall der Kronleuchter blitzt im Scheinwerferlicht. Hinter den goldenen
Sesseln zieren lange rote Vorhänge die großen Fenster und auf einem Tisch in der Ecke steht eine
Flasche Whisky. Die Dreharbeiten für den Fernsehfilm "Gräfliches Roulette" gehen in die nächste
Runde.
Eine große Schachtel mit Schuhen zum Überziehen steht unten an der
Treppe im Schloss Sandizell. Schließlich soll ja nicht alles voller
Straßenschuhdreck werden. Die Dreharbeiten finden nun im ersten
Stock des Schlosses statt – im so genannten Roulettezimmer. Am Tag
schafften sie etwa vier Drehminuten, erzählt Regisseur Ulrich König.
Von ihm stammt auch das Drehbuch zu dem Film. Deshalb kommen
auch alle zu ihm bei Fragen, denn er behält den vollen Überblick.
Meistens. "Das ist mein Kaffee, ich will den sofort wiederhaben", meint
er entrüstet, als seine Hand auf der Suche nach dem Pappbecher ins
Leere greift und er ihn bei seiner Nachbarin stehen sieht.
Schnell wird noch einmal der Text
wiederholt: Noch wirkt Fritz Wepper nicht
wie der verarmte und menschenscheue
Graf Emanuel, doch das wird sich bald
ändern.
Kaffee ist heute gefragt. Schließlich haben sie vergangene Nacht gefeiert – Bergfest, die Hälfte des
Filmes ist abgedreht. Einige Weingläser stehen noch auf den Tischen, doch die letzten Spuren werden
schnell beseitigt. Nur die Dartscheibe an der Wand und hier und da leichte Augenringe zeugen noch von
der Feier.
Natürlich werden die Szenen nicht in der Reihenfolge gedreht, wie sie im Film zu sehen sind, sondern
so, wie es von den Drehorten am besten passt. "Fangen wir von außen an, bevor wir die Kamera nach
oben schleppen", meint König. Die Szene ist eine, die ziemlich am Anfang des Films stehen wird, als
Familie Meier noch nicht ins Schloss eingezogen ist.
"Kling mal fassungsloser", schallt es von unten zu Michael Vogtmann empor. Er spielt den Butler, der
gerade von der Idee des Grafen, Otto Meier zu adoptieren, erfährt. Begeistert ist er davon nicht gerade,
denn der Graf kenne die Familie ja gar nicht. Immer wieder sagt Vogtmann seinen Satz – so lange bis
kein Kunstflieger mehr über die Szene fliegt, keine Kirchturmglocke läutet und alle am Set mit seiner
Betonung zufrieden sind.
Ein Schlossgespenst haben sie zwar bisher noch nicht gesehen, doch auch andere Bewohner beäugen
Kamera und Darsteller höchst interessiert. "Was macht denn die Katze im Drehraum", schallt es hinter
der Kamera hervor. In der Tat: Bei der schwarzen Schlosskatze hat die Neugierde die Scheu besiegt.
Einem Schatten gleich schleicht sie um die Tische und Stühle herum, um schließlich im Rampenlicht zu
stehen. Ein neuer Star wird geboren? Vielleicht, aber nicht heute, denn die Katze steht nicht im
Drehbuch.
Eigentlich wollte das Filmteam schon zwei Stunden früher mit dem Dreh beginnen, doch ohne den
Hauptakteur geht eben nichts. Gespannt warten alle auf Fritz Wepper, der sich an der Schulter verletzt
hatte und deswegen noch beim Arzt war. Natürlich waren an dem Tag fast ausschließlich Szenen
geplant, bei denen Graf Emanuel unabdingbar ist. So heißt es eben warten und die Pause für einen
Imbiss beim Cateringservice oder eine Zigarette nutzen.
"Wir können", heißt es schließlich doch noch – wenn der Kameramann da wäre. Außerdem ist auch die
Frage, wie lange denn die Selleriestangen auf dem Gemüseteller des Grafen genau sein sollen. Die
Vorhänge hängen auch noch nicht ganz. Trotzdem: "Es macht richtig Spaß hier zu drehen und das
Team ist einfach spitze", meint
Vogtmann mit einem Lächeln. Er steht bereits wieder ganz elegant im schwarzen Smoking vor dem
Roulettetisch, um den herum gerade Kamera, Scheinwerfer und vieles mehr aufgebaut werden.
An den Metallfüßen der Stative stecken aufgeschnittene Tennisbälle, denn der Parkettboden soll ja
unbeschadet bleiben. Alles Kleinigkeiten, die die Crew nicht vergessen darf. Schnell werden noch die
Spielmarken auf dem Roulettetisch verteilt. Willkürlich in diesem Fall – aber so, dass es so aussieht, als
würde gerade gespielt werden, damit dem Fernsehzuschauer später keine Zweifel kommen.
Von Isabel Ammer