Nach Überfall nun Feuer in „La Boom“
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Nach Überfall nun Feuer in „La Boom“
HEILBRONN UND SEINE REGION Neckarwestheim und EnBW Millionenquelle versiegt für die Atom-Gemeinde Von Joachim Rüeck Im kommenden Jahr erhält die Gemeinde Neckarwestheim erstmals keinen Cent Gewerbesteuer aus dem laufenden Betrieb des Gemeinschaftskernkraftwerks Neckar (GKN). Die GKN-Muttergesellschaft Energie Baden-Württemberg (EnBW) schreibt Verluste ab und entrichtet bereits seit drei Jahren keine Gewerbesteuer mehr an die Standortgemeinde. Bislang galt die EnBW-Tochter und GKN-Gesellschafterin Neckarwerke noch als zuverlässige Zahlerin. Doch mit der Neuordnung der Unternehmensstruktur und der Verschmelzung von Gesellschaften sind diese Zeiten vorbei. In den vergangenen zehn Jahren nahm Neckarwestheim meistens mehr als vier Millionen Euro an Gewerbesteuern ein. Ohne den Anteil des Atomkraftwerks schätzt Kämmerer Walter Link, dass die Kommune von den Betrieben im Gewerbesteuer-Einbruch Ort etwa 350 000 Euro und von den Unternehmen im Zweckverband Besigheim anteilsmäßig rund 250 000 Euro kassiert. Die Neckarwestheimer Verwaltung rechnet dennoch im Haushalt 2004 (Volumen: 17,3 Millionen Euro) nicht nur mit 600 000, sondern mit vier Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen. Das liegt jedoch an der anstehenden Nachzahlung einer früheren GKN-Mitbesitzer-Gesellschaft. Da anscheinend noch weiteres Geld zu erwarten ist, muss sich die Gemeinde wohl erst 2006 auf ein dauerhaft schmaleres Budget einstellen, prognostiziert Bürgermeister Mario Dürr. Vor der Verarmung steht der 3500-Einwohner-Ort im Süden des Landkreises Heilbronn selbst dann nicht: Ende kommenden Jahres wird das Vermögen der Gemeinde laut Kämmerei mehr als 27 Millionen Euro betragen. Die Zinseinnahmen summieren sich jährlich auf 710 000 Euro – damit sind beispielsweise fast 42 Prozent der kommunalen Personalkosten gedeckt. FREITAG 19. Dezember 2003 Leingarten: Polizei geht von Brandstiftung aus Nach Überfall nun Feuer in „La Boom“ Von Carsten Friese Wieder ein Racheakt in der Leingartener Discothek „La Boom“? Vermutlich Brandstiftung war die Ursache eines Feuers, das in der Nacht zum Donnerstag im hinteren Gebäudekomplex einen Sachschaden in Höhe von über 100 000 Euro verursacht hat. Vom Einsatz einer brennbaren Flüssigkeit geht die Polizei aus. Tatort Daimlerstraße, gestern, 13 Uhr: Ein Teil der äußeren Holzverkleidung des rückseitigen Daches ist verkohlt. Im Dach klafft eine rund zwei mal zwei Meter große Lücke, verschmorte Glaswolle hängt in den Tresen des Tanzlokals herunter. Aschestaub bedeckt den Tresenraum, einige Gläser sind geborsten, herabgestürzte Balkenteile liegen auf dem mit Löschwasser bedeckten Boden. Markanter Rußgeruch liegt in der Luft. Die mit Sternen geschmückte Tanzfläche, die Kunstledersitzecken und die Glastische mit dem Innenleben aus Sand, Muscheln und Blättern sind dagegen unversehrt. Dass Unbekannte eine brennbare Flüssigkeit aufs Dach geworfen haben und brennbare Materialien in den Innenbereich des Lokals gestürzt sind, davon gehen die Ermittler aus. Denn: Zum einen hatte die Disco, die nur freitags und samstags öffnet, in dieser Nacht geschlossen. Zum anderen hat ein speziell auf Brandbeschleuniger ausgebildeter Spürhund Alarm geschlagen. Spuren eines gewaltsamen Eindringens fand die Polizei nicht. Proben von Löschwasser, Glassplittern und Holzresten haben die Ermittler genommen und ans Labor geschickt. Ein „Molotow“-Cocktail? „Das könnte sein“, sagt Polizeisprecher Peter Lechner, der einen Zusammenhang mit der gewaltsamen Attacke von Ende November nicht ausschließen will. Damals waren vermutlich 15 Spätaussiedler aus dem Raum Schweinfurt, bewaffnet mit Baseballschlägern, in die Disco eingedrungen, hatten die Türsteher überrannt und einen Teil der Einrichtung zerstört. Später konnten die Türsteher ein flüchtendes Auto stoppen und verletzten ihrerseits drei der Angreifer. Die Pächterin hatte damals erklärt, dass sie das Sicherheitspersonal verstärkt habe und keine Betrunkenen und keine Drogen dulde. Des öfteren seien Gäste aus der Disco verwiesen und vor die Tür gesetzt worden. Der Hauseigentümer bestätigt dies. „Die Frau tut das Menschenmögliche, damit hier Ruhe ist“, sagte er gestern vor Ort. Er geht von Brandstiftung aus und bittet die Polizei, verstärkt Streife zu fahren. Eine Leingartener Firma fing gestern gleich mit den Aufräumarbei- Am Wochenende will die Pächterin wieder öffnen ten an. „Keine Ahnung, was das gewesen sein könnte“, sagte die Pächterin auf Nachfrage. Sie hofft, dass sie spätestens am Samstag Disco und Tanzlokal wieder normal öffnen kann. Sie bleibt dabei: „Wir machen weiter.“ Um 3.20 Uhr war die Feuerwehr alarmiert worden, gegen 5 Uhr waren die Löscharbeiten in der Daimlerstraße beendet. Die Polizei sucht nun Zeugen, die in der Nacht etwas Verdächtiges beobachtet haben. Telefon: 07131 / 104-277. 17 DROGENPOLITIK Kommentar Ohne Konzept Es ist etwas faul im Staate Heilbronn. Da soll es Ärzte geben, die angeblich Drogenabhängigen so viel Methadon verschreiben, dass noch etwas zum Dealen übrig bleibt. Rauschgift auf Rezept? Nichts Genaues weiß man nicht, und genau darin liegt das Problem. Denn weder Polizei, Stadtverwaltung, das Regierungspräsidium, die Bezirksärztekammer noch andere Kontrollinstanzen haben es bisher vermocht, aus den besorgniserregenden Gerüchten Fakten zu machen. So lange die Informationslage so diffus bleibt, bekommt man auf die entscheidende Frage, warum die Drogenszene in Heilbronn so groß ist, stets die gleiche Antwort: „Keine Ahnung.“ Eine bezeichnende Antwort, die mehr als alles andere Hilflosigkeit dokumentiert. Folgerichtig fühlte sich auch bisher niemand berufen, den unübersichtlichen Drogensumpf trocken zu legen oder es wenigstens zu versuchen. Die Polizei verjagte zwar die Junkies vom Heilbronner Kirchhöfle. Doch die tauchen am Neckar wieder auf. In diesem Katzund-Maus-Spiel gibt es nur Verlierer. Eine sinnvolle Suchtkrankenhilfe sieht anders aus. Und während Ärzte, StadtverVerschmorte Glaswolle, herabgestürzte Balkenteile, Asche: Der Tresenraum waltung, Polizei und eine erdes Tanzcafés ist von den Brandfolgen stark betroffen. Den Einsatz eines „Mo- kleckliche Anzahl weiterer Behörden, Stellen und Organisalotow“-Cocktails schließt die Polizei nicht aus. tionen sich für zuständig oder auch nicht erklären, bleibt das große Ganze immer noch, was es zu lange ist: unfassbar. Diese Stadt hat ein Konzept, wie dem Drogenmissbrauch beizukommen ist, bitter nötig. Helmut Buchholz Bad Friedrichshall: Bub unversehrt Kleinkind fällt acht Meter tief „Und es gibt doch Schutzengel“, Nur der hintere Teil der Leingartener Disco „La Boom“ wurde vom Feuer beschädigt. Vor allem bei Russlanddeut- beginnt ein ungewöhnlicher Presschen ist das Lokal ein beliebter Treff. Den Schaden schätzt die Polizei auf über 100 000 Euro. (Fotos: Helge Kempf) sebericht der Polizei: „Anders ist nicht zu erklären, dass ein zweijähriger Junge einen Sturz aus dem Fenster einer Dachgeschosswoh„Drogenstadt“ Heilbronn? Die Verwaltung erarbeitet ein Konzept gegen den Methadon-Missbrauch – Neuer Kooperationsvertrag mit Beratungsstellen nung in Bad Friedrichshall fast unversehrt überstanden hat.“ Der Bub hatte in seinem Kinderzimmer gespielt und war offenbar auf die Heizung geklettert. Es gelang ihm, das für den Missbrauch seien die Ver- Bezirksärztekammer und das Regie- Aber die zuständigen Kontrollbe- unangebracht. Er sei gegen das Nie- gekippte Dachfenster aufzudrüVon Helmut Buchholz kaufszahlen von Spritzen in Heil- rungspräsidium. Doch existiere eine hörden, die Kassenärztliche Verei- dermachen der Leute, die sich der cken. Er verlor vermutlich das Läuft der Drogenausstieg mit bronner Apotheken, mit denen das Grauzone. „In Heilbronn ist es nigung, die Bezirksärztekammer Drogenabhängigen annehmen. Gleichgewicht, fiel aus dem FensHilfe des Medikaments Methadon Methadon „gefixt“ werde. Bei recht- leicht, substituiert zu werden.“ und das Regierungspräsidium „haDer Gemeinderat beschloss, wie ter, rutschte über einen kurzen in Heilbronn aus dem Ruder? mäßiger Anwendung müsse es aber Und: „Die Drogensubstitution geht ben uns noch keine wesentlichen schon der Kreistag des Landkreises Dachvorsprung, stürzte etwa acht „Wir dürfen den Sumpf nicht von den Patienten geschluckt wer- gründlich und dramatisch schief.“ Beanstandungen auf den Tisch ge- zuvor, auch weiterhin die drei Heil- Meter in die Tiefe und kam auf eimehr verharmlosen“, forderte den. Außerdem sei Schneider be- Uschi Schneider forderte das Regie- legt“. Die Stadtverwaltung wolle so bronner psychosozialen Beratungs- ner Rasenfläche auf. Der alarmierte SPD-Stadträtin Uschi Schneider kannt, dass ein Arzt in Heilbronn rungspräsidium auf, die Methadon- rasch wie möglich ein Konzept erar- stellen für Suchtkranke sowie den Notarzt stellte lediglich Abschürim Gemeinderat. Die Stadtverwal- das Mittel „auf privater Basis“ ver- Abgabe in Heilbronn unter die Lupe beiten, wie man dem Methadon- Kontaktladen finanziell zu fördern. fungen fest. Bei einer Computertotung soll nun ein Konzept erarbei- schreibe, „also nicht auf Kosten der zu nehmen. Eine Möglichkeit wäre Missbrauch begegnen könne. Im Jahr 2004 bleibt das Budget sta- mografie im Krankenhaus stellte ten, um den Methadon-Miss- Krankenkassen oder des Sozial- auch, die Substitution ans GesundRoswitha Löffler (CDU) fand, dass bil, 2005 wird der Zuschuss um fünf sich heraus, dass der Klettermaxe brauch zu verhindern. amts“. Der größte Teil der Drogen- heitsamt anzugliedern. „bei der Substitution einiges aus Prozent gekürzt. Außerdem wurde keine inneren Verletzungen hat. „Heroin wurde in Heilbronn mit abhängigen werde „privat substituOrdnungsbürgermeister Artur dem Ruder läuft“. Republikaner- ein neuer Kooperationsvertrag aus- Nach einer Beobachtungsnacht dem Medikament Methadon ver- iert“. Zudem „saufen nahezu alle Kübler räumte ein, dass die „Substi- Stadtrat Alfred Dagenbach bezeich- gehandelt, der die Zusammenarbeit hatten die Krankenschwestern am tauscht“, erklärte Uschi Schneider. Substituierten wie die Berber“. tution wieder in geordneten Bah- nete Heilbronn als eine Drogen- und die Effizienz der Beratungsstel- nächsten Morgen alle Hände voll Doch statt sinnvoller Ausstiegshilfe Die Einflussmöglichkeiten der nen laufen muss“. Das Medikament stadt. „Eines der Zentren in len verbessern und das Konkurrenz- zu tun, den Zweijährigen davon abfür die Junkies gebe es einen Stadtverwaltung seien hier gering. werde teuer weiterverkauft und so Deutschland überhaupt.“ Die Ärzte- denken verhindern soll. zuhalten, aus seinem Kinderbett zu Schwarzmarkt für das Mittel. Beleg Es gebe zwar Kontrollinstanzen, die zu einer illegalen Droge gemacht. schelte von Uschi Schneider sei aber Kommentar „Ohne Konzept“ steigen und herumzutoben. . . (red) „Wir dürfen diesen Sumpf nicht länger verharmlosen“ 2003 war für das Audi-Werk Neckarsulm das Jahr des Konsolidierens und Qualifizierens 2004 steigt Produktion kräftig an Von Iris Baars-Werner 201 000 Autos haben sie in diesem Jahr gebaut. Nun machen die Neckarsulmer Audi-Werker erst mal Urlaub. Heute nach der Schicht ist Schluss: Weihnachtsferien für den Großteil der 13 700 Mitarbeiter. Weiter geht es erst wieder in drei Wochen, am 12. Januar. „2003 war das Jahr der Konsolidierung“, fasst der scheidende Neckarsulmer Werkleiter Otto Lindner im Rückblick zusammen. Die Produktionszahl, die sich aus 152 500 Audi A6 (inklusive der Teilezulieferung für die Fertigung in China), 21 500 A8 und 27 000 Autos des Modells A2 zusammensetzt, liegt immerhin um ein Fünftel unter der des Jahres 2001. 251 000 Fahrzeuge Eine selten gezeigte Kombination: Mitarbeiter der Audi Quattro GmbH und ein Sportwagen im typischen Lambor- produzierten die Neckarsulmer daghini-Gelb. 400 „Gallardo“ der italienischen Audi-Tochter wurden 2003 im Neckarsulmer Werk gefertigt. mals. Aber das war auch die Spitze der A2-Produktion und des A6-Anlaufs im Reich der Mitte. Das zu Ende gehende Jahr hielt als besondere Herausforderung für die Auto-Fabrik die Situation parat, dass der Volumenbringer A6 ausläuft, weil er im April 2004 mit neuer Optik und neuer Technik auf den Markt kommt und dass der kleinste Audi, der A2, durch Aufpeppen des Modells die Stückzahlen nur auf niedrigem Niveau stabilisiert. Weil aber Unternehmenslinie ist, den Personalstand bei etwa 13 700 Menschen zu halten – schließlich steht ab Januar die Serienproduktion des neuen A6-Modells an – war es Aufgabe der Werkleitung, für Arbeit zu sorgen. Da kam die große Nachfrage nach dem Lamborghini-Sportwagen „Gallardo“ gerade recht: Die 400 bisher gefertigten Flitzer sorgten bei Audi für Beschäftigung. Ebenso wie Anlaufunterstützung durch Neckarsulmer Fachleute in anderen Konzernteilen. Zudem wurden die Zeitkonten weiter geplündert: Im Werksdurchschnitt sind die Mitarbeiter mit 60 Stunden im Minus. Daneben wurde die Qualifizierung vorangetrieben: Die Komplexität der Technik des neuesten Modells vor allem im Elektronik-Bereich stellt hohe Anforderungen an Belegschaft und Produktionsanlagen. Zwischen 1400 und 3000 Werker werden auch in den Weihnachtsferien zeitweise arbeiten: Umbauten in der Lackierei sind angesagt – wie überhaupt im ganzen Jahr 2003 mit 365 Millionen Euro auf neuem Höchststand ins Werk investiert wurde – pro Tag eine Million. Voraussetzung auch, um 2004 die Produktion um 20 Prozent zu heben.