Eiserner Wille Mitfahrgelegenheit

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Eiserner Wille Mitfahrgelegenheit
Seite 10
Christophorus 314
Christophorus 314
Seite 11
Mitfahrgelegenheit
Eiserner Wille
Text
Thomas Schulz
Name: Harald S. Stegen, Jahrgang 1946
Familienstand: verheiratet, zwei Söhne
Beruf: Architekt
Verbindung zu Porsche: Präsident des Porsche Diesel Club Europa
Fotografie
Ben Behnke
Was der Mensch nicht erfahren hat, hat er auch nicht begriffen. Frei nach Goethe nimmt der Christophorus Platz bei
Menschen, die fahren – um etwas über sie zu erfahren. Diesmal bei Harald S. Stegen, Experte für Porsche-Schlepper.
Rhythmisch wie ein eisernes Herz klopft der Einzylinder-Viertaktmotor, man kann die Umdrehungen mitzählen.
Die Vibrationen übertragen sich in den Sitz des Schleppers und auf den Fahrer. Harald S. Stegen gibt noch ein wenig
Gas, der Dieselmotor erhebt mit 14 PS seine grollende Stimme und der Mann am Steuer jauchzt vor Vergnügen.
„Ist das nicht ein toller Sound“, ruft er seinen Begleitern zu, „ein echter Porsche! Nichts höre ich lieber.“ Dann rüttelt
er mit 25 km / h davon. Mit dem Porsche Schlepper „Junior“, der ein halbes Jahrhundert alt ist.
Harald S. Stegen aus Bremen, 1,90 Meter groß, 100 Kilo Lebendgewicht, ist die Verkörperung der Porsche-Philosophie
von der mutigen Grenzerfahrung: Alles, was er anfasste, erbrachte Neues, vieles brachte Erfolg ein. Es begann damit,
dass er auf dem elterlichen Hof bei Lüneburg früh das Reiten lernte; heute züchtet er Trabrennpferde. Mit 15 donnerte
er auf dem Geländemotorrad über die Heide; seither kann kein Motorrad schwer genug sein. Er war fasziniert von
den Fachwerkhäusern seiner Heimat; also ging er in die Lehre als Zimmermann und studierte Architektur; seit über
30 Jahren ist er Chef eines Architekturbüros. Er steht auch gern am Herd; folglich schrieb er ein Kochbuch.
Auf die spannende Frage, was wohl geschehen würde, wenn dieser Ausbund an Konsequenz mit Porsche in Berührung kommt, folgt die fast logische Antwort: Harald S. Stegen wird 1976 Präsident des Porsche Clubs „Roland“ in
Bremen und erhält den Spitznamen „Turbo-Stegen“ – weil er alle Turbomodelle aus Zuffenhausener Provenienz fährt,
sobald sie auf den Markt kommen. Aber dann erinnert er sich, dass ja – zwischen 1949 und 1963 – auch noch andere
Porsche produziert wurden: Ackerschlepper. Und schon nimmt die Stegen-typische Zielstrebigkeit ihren Lauf. Ein paar
Jahre später besitzt er nicht weniger als 70 Exemplare der vier Typenreihen „Junior“, „Standard“, „Super“ und „Master“.
Er kauft auf, restauriert und verkauft wieder. 1996 gründen er und sechs weitere Enthusiasten den Porsche Diesel
Club Europa e.V. Der Präsident? Die Frage erübrigt sich. Er reduziert den persönlichen Bestand an Porsche-Traktoren
auf vier, im Gegenzug wirbt er um Vereinsaspiranten. Dabei ist er höchst erfolgreich: Derzeit besitzen die 400 Mitglieder
aus ganz Europa über 2000 Porsche-Diesel im charakteristischen leuchtenden Rot mit champagnerfarbenen Rädern.
Ein Glück: Zwar wurden insgesamt rund 120 000 Porsche-Traktoren gebaut, doch als die Landwirtschaft an Bedeutung verlor, wurden auch die Acker-Porsche aus dem Bewusstsein verbannt. Harald S. Stegen hat, und das ist nicht
übertrieben, die Porsche-Diesel vor dem Vergessen gerettet. Heute sind sie begehrte Sammler- und Liebhaberstücke.
Das Vereinsleben blüht, der Ersatzteilhandel ist bestens organisiert, die Restaurierungen laufen handwerklich sauber
ab. „Ja, der Trend geht zum Zweit-Porsche“, scherzt der Traktor-Mann. „Nichts gegen den Elfer-Sound. Aber was
glauben Sie, wie die Luft vibriert, wenn bei einer unserer Ausfahrten 50 Porsche-Trecker den Berg hinaufdonnern?“
Harald S. Stegen sitzt vor seinem Gutshof außerhalb Bremens auf dem „Junior“. Der Einzylinder-Viertakter schickt
rhythmisch den Porsche-Diesel-Sound über die Weide, wo die Trabrennpferde spielen. „Bald werde ich in die Lüneburger Heide zurückkehren“, sagt er, und wir ahnen, dass er sich ganz bestimmt nicht zur Ruhe setzen wird. Tatsächlich: „Ich habe eine Quelle dort, das beste Wasser, das es gibt, aus hundert Metern Tiefe. Ich werde eine Abfüllanlage bauen und dasWasser in den Handel bringen.“ Wir lernen: Harald S. Stegen kocht zwar auch nur mitWasser;
aber vielleicht kocht er mit ganz besonderem Wasser.