`Zu den arabischen Vorlagen des Moamin`.
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`Zu den arabischen Vorlagen des Moamin`.
Anna Akasoy, ‘Zu den arabischen Vorlagen des Moamin’. Korrigierte Fassung eines Beitrags, der leider ohne meine Korrekturen in folgendem Band erschienen ist: Gundula Grebner und Johannes Fried (eds), Kulturtransfer und Hofgesellschaft im Mittelalter, Wissenskultur am sizilianischen und kastilischen Hof im 13. Jahrhundert (Berlin: Akademie Verlag, 2008), 147-156. Anna Akasoy Zu den arabischen Vorlagen des Moamin* Die arabische Tradition der Falknereiliteratur1 Das älteste erhaltene Falknereitraktat in arabischer Sprache, das sogenannte Adham-ÇiÔrÐf-Werk, ist zugleich das in der arabischen Tradition am umfangreichsten rezipierte. Es ist durch die kompilatorische Tätigkeit zweier Personen entstanden, die sich an die Höfe der Omaijaden HišÁm Ibn ÝAbdalmalik (724-743) und al-WalÐd II. (743-744) zurückverfolgen lassen. Adham ibn MuÎriz alBÁhilÐ, ein Truppenführer, sammelte Texte zur Falkenmedizin, die zuerst von dem Jagdtiermeister alÇiÔrÐf Ibn QudÁma al-ÇassÁnÐ, vermutlich einem syrischen Christen, bearbeitet wurden. Die Entstehung der endgültigen Kompilation ist allerdings erst an den Hof eines frühen Abbasiden, des berühmten alMahdÐ, zu verorten. Zwar ist der vollständige Text heute nicht mehr erhalten, dafür aber zwei Kurzversionen, die als al-ÍaÊÊÁÊ- und Iskandarversion bezeichnet werden. Die erste Version wurde nach dem Schreiber am Hof jenes Kalifen, al-ÍaÊÊÁÊ ibn Ëai×ama, benannt, der in dem Prolog angibt, ÇiÔrÐf persönlich das Buch aus der Bibliothek HÁrÙn ar-RašÐds vorgelegt zu haben. Letztere erhielt ihren Namen durch ein vorangestelltes fiktives Lehrgespräch mit Alexander dem Großen. In einer Gesamtbetrachtung der Quellenlage der orientalischen Falknereiliteratur stellt sich die Überlieferungslage des Adham-ÇiÔrÐf-Werks ausgesprochen günstig dar. Schon François Viré und Detlef Möller zählten in ihrer deutschen Übersetzung der al-ÍaÊÊÁÊ-Version siebzehn Handschriften für beide Versionen. Aufgrund der in der Zwischenzeit neu erschlossenen Handschriftenbestände können wir mittlerweile mit mindestens zwanzig Handschriften rechnen.2 Die Erfassung der Handschriften aus dem Themenbereich Falknerei und Tierheilkunde steckt also – trotz der umfangreichen Studien von Detlef Möller und François Viré – noch immer in den Anfängen. Die große Menge bislang noch unzugänglicher bzw. unzureichend erschlossener Bestände arabischer Handschriften in verschiedenen Bibliotheken weltweit könnte durchaus noch weitere zentrale Manuskripte bergen.3 Schon für die arabische Überlieferungsgeschichte ist das Adham-ÇiÔrÐf-Werk von zentraler Bedeutung. Einerseits stellt es die wichtigste Quelle für die innerarabische literarische Tradition dar, da Falknereitraktate der folgenden Jahrhunderte immer wieder aus dem Werk zitieren.4 Darüber hinaus * Mein herzlicher Dank geht an Dr. Nevzat Kaya (Süleymaniye Kütüphanesi) und die Bibliothek des Topkap¤ Saray¤ für die Zugangsmöglichkeiten zu den arabischen Handschriften. 1 Grundlegend ist hier die Arbeit von Detlef MÖLLER, Studien zur mittelalterlichen arabischen Falknereiliteratur, Berlin 1965. Etliche ältere und zum Teil schlecht zugängliche Aufsätze wurden von Fuat Sezgin nachgedruckt: Sezgin, Fuat (Hg.), Falconry, Texts and Studies, Collected and Reprinted, 2 Bände (Natural Sciences in Islam; 14 / 15) Frankfurt am Main 2001. Neuere Erkenntnisse sowie die bisher umfassendste Darstellung zur Entstehungsgeschichte des AdhamÇiÔrÐf-Werkes beinhaltet die Einleitung zu der deutschen Übersetzung der ÍaÊÊÁÊ-Version von François Viré und Detlef Möller: Al ÇiÔrÐf ibn QudÁma AL-ÇASSÀNÏ, Die Beizvögel (KitÁb ÃawÁrÐ aÔ-Ôayr), Ein arabisches Falknereibuch des 8.Jahrhunderts, Hildesheim / Zürich / New York 1988. Kaum verändert ist die jüngst erschienene französische Version: François Viré / Detlef Möller (Hgg.), Al ÇiÔrÐf ibn QudÁma AL-ÇASSÀNÏ, Traité des oiseaux de vol (KitÁb ÃawÁrÐ aÔÔayr), Nogent-le-Roi 2002. 2 Zu den von Möller und Viré aufgezählten kommen drei Handschriften hinzu, die die Iskanderversion beinhalten: Zwei unvollständige Handschriften mit dem Titel KitÁb al-BuzÁt (neue Signaturen in der Nationalbibliothek Tunis: MS Nr. 16319, das im Läusekapitel (dem hundertsten von insgesamt 147) abbricht, sowie das davon abhängige MS Nr. 18494, das im 44. Kapitel über die Mauser abbricht). Die wichtigsten Daten dieser und anderer Handschriften einschließlich eines ausführlichen Incipit und Explicit finden sich in: ÝAbd al-ÍafÐÛ MANÑØR, “Min maÌÔÙÔÁt al-baiÔara wa’l-baizara biDÁr al-Kutub al-WaÔanÐya (TÙnis).” In: MaÊallat MaÝhad al-MaÌÔÙÔÁt al-ÝArabÐya, 33/1 (1409 / 1989), S. 7-38. Für die beiden hier genannten Handschriften: S. 25-29. Die von Möller erwähnte und nicht weiter identifizierte Handschrift Mossul, Madrasa YaÎyÁ PÁšÁ al-ÉalÐlÐ, Nr. 332 enthält eine Iskanderversion, worauf zumindest das in dem Katalog der Handschriftenkopien im DÁr al-MaÌÔÙÔÁt in Kairo angegebene Incipit schließen läßt. 3 Im Bereich der arabischen Pferdemedizin liegen neuere Forschungen von Martin Heide („Beschreibung und Behandlung einiger Erkrankungen, die die Extremitäten der Pferde betreffen aus dem KitÁb al-furūsÐya wa-l-bayÔara.“ In: Die Welt des Orients, 34 (2004), S. 105-152) und Robert Hoyland (Theomnestus of Nicopolis, Íunayn ibn IsÎÁq, and the Beginnings of Islamic Veterinary Science, in Robert Hoyland und Philip Kennedy (Hgg.), Islamic Reflections, Arabic Musings. Studies in Honour of Professor Alan Jones, Cambridge 2004, 150-169) vor. 4 So das bislang noch nicht zur Kenntnis genommene, obwohl in neuer Edition von IÎsÁn ÝAbbÀs und ÝAbd-al-ÍafÐÛ ManÑØr vorliegende KitÁb al-KÁfÐ fÐ ‘l-Baizara, Beirut 1983 aus dem 13. Jahrhundert. Als Autor bzw. Kompilator wird zeigen sich schon an dem Entstehungshintergrund dieser Kompilation wichtige Charakteristika höfischer Wissenskultur in der arabischen Welt des Mittelalters. So sind schon für den Kalifenhof in Bagdad alle wesentlichen Voraussetzungen geltend zu machen, über die auch die späteren Höfe verfügten, die ihrerseits wichtige Stationen der weiteren Texttransmission darstellten.5 Die wissenschaftlichen Aktivitäten an den Höfen der frühen Abbasiden sind durch die Rezeption fremden Wissens geprägt, wobei die Übersetzer, Astrologen, Mediziner und Philosophen die ausdrückliche Unterstützung der Kalifen genossen. Ähnlich wie bei der Astrologie lagen bei der Falknerei eine spezifische Bedürfnislage vor dem Hintergrund der Jagd als höfischem Ritual sowie entsprechende ökonomische Möglichkeiten vor. Mit seiner internen Systematik hat das Adham-ÇiÔrÐf-Werk über seine konkrete Rolle in der Überlieferungsgeschichte hinaus Modellcharakter für alle oder zumindest doch die meisten folgenden Falknereitraktate.6 Der Text beginnt mit einer historischen und anekdotenhaften Einleitung über die Frage, wer als erster mit Beizvögeln gejagt haben soll. In der zweiten Version, zu der etwa die Hälfte der Handschriften zählt, wird zudem, wie erwähnt, ein fiktives Lehrgespräch mit Alexander dem Großen vorangestellt. Dies weist auf die Vorbildfunktion Alexanders auch für die abbasidischen Kalifen, die sich u.a. in der arabischen Überlieferung des pseudo-aristotelischen Sirr al-AsrÁr (Secretum Secretorum) spiegelt. Es folgt ein ornithologischer Teil, in dem die Beizvögel in ihre Arten und Klassen eingeteilt, charakterisiert und nach ihrer Qualität für die Beizjagd hin bewertet werden. Darauf schließt sich ein Teil über die Pflege und Ausbildung der Raubvögel an, in dem auch Fragen der allgemeinen Diagnostik (z.B. Symptomgruppen wie an der äußerlichen Erscheinung erkennbare oder die Fähigkeiten des Vogels beeinträchtigende Symptome) behandelt werden. Den Hauptteil des Traktats stellt dann die genuin medizinische Abhandlung dar, in der die einzelnen Krankheiten zunächst ihren Symptomen nach beschrieben und dann verschiedene Rezepte für die Behandlung angegeben werden. Bei dem Adham-ÇiÔrÐf-Werk handelt es sich um ein Traditionswerk7, d.h. daß aus verschiedenen explizit benannten Quellen zitiert wird. Typisch wie auch für die später entstandenen Falknereitraktate ist, daß die verwendeten Quellen Völkern zugeordnet werden oder hochrangigen Einzelpersonen gewidmet sind. So wird aus einem KitÁb al-Furs (“Perserbuch”) zitiert, aus einem KitÁb ar-RÙm (“Griechenbuch”), einem KitÁb at-Turk (“Türkenbuch”), einem KitÁb al-Hind (“Inderbuch”), sowie einem KitÁb al-BuÒarÁÞ (“Expertenbuch”) und einem KitÁb al-WÁ×iqÐ (“Buch für al-WÁ×iq bi’llÁh” [Kalif 842-847]). Die Identifizierungsmöglichkeiten für diese Texte sind sehr begrenzt. Auch wenn sich die griechischen und persischen Quellen in Ansätzen zurückverfolgen lassen, gilt dies keineswegs für die entsprechenden Schriften von Indern und Türken. Auch enthalten die arabischen Texte, die diese beiden Werke zitieren, keine Wörter “indischer” oder “türkischer” Herkunft, so daß man vermuten kann, daß die zitierten Texte ursprünglich ebenfalls auf Persisch oder Griechisch geschrieben waren, aber analog anderen großen Völkern der Zeit ebenfalls Falkentraktate zugewiesen wurden. Bei einer Betrachtung des Zusammenhangs der literaturgeschichtlichen Seite der Jagdpraxis und ihrer soziologischen Aspekte zeigt sich ein bemerkenswerter Unterschied zwischen dem Westen und dem Orient: Während im Westen die Beizjagd eine Angelegenheit des Adels war,8 findet man in der arabischen Welt parallel existierende Traditionen. Neben die genuin beduinische Jagd, die sich schon in der vorislamischen arabischen Poesie wie den AiyÁm aÒ-Ñaid (“Jagdtage”) des Imru’l-Qais darin der nach Ansicht der Editoren vermutlich aus dem Irak stammende ÝAbd-ar-RaÎmÁn ibn MuÎammad al-BaladÐ angegeben. Die einzige Handschrift des Werks befindet sich in Tunis. Trotz der Zitate aus dem Adham-ÇiÔrÐf-Werk handelt es sich um einen sehr eigenständigen Text, dessen Bezüge zu anderen Texten erst in Ansätzen untersucht wurden. 5 Zu den griechisch-arabischen Übersetzungen, ihren soziologisch-historischen Aspekten und auch der Bedeutung der Höfe in diesem Zusammenhang: Gerhard ENDRESS, “Die wissenschaftliche Literatur” In: Helmut GÄTJE (Hg.), Grundriß der arabischen Philologie, Bd. 2 Literaturwissenschaft, Wiesbaden; Supplementband, Wiesbaden 1987/1992, §8.1-8.5, S. 400-506, Supplementband §8.6-8.7, S. 3-152; Dimitri GUTAS, Dimitri, Greek Thought, Arabic Culture. The GraecoArabic Translation Movement in Baghdad and Early ÝAbbÁsid Society (2nd-4th/8th-10th centuries), London / New York 1998. Gutas nimmt die Entstehung des Adham-ÇiÔrÐf-Werks als Beispiel für das Zusammenspiel einer von Einzelpersonen unabhängigen Etablierung der Übersetzungsaktivitäten an den Kalifenhöfen und den individuellen Interessen der Herrscher, die die Auswahl der übersetzten Texte prägten, wie die Jagdbegeisterung al-MahdÐs sich auf die kompilatorische Tätigkeit durch seinen Falkner auswirkte (S. 74). Vgl. auch Anna Akasoy, The Influence of the Arabic Tradition of Falconry and Hunting on Western Europe, in James Montgomery, Anna Akasoy und Peter Pormann (Hgg.), Islamic Crosspollinations. Interactions in the Medieval Middle East (Oxford, im Druck). 6 Dimitri Gutas bezeichnet es sogar als “archetypisch” (GUTAS (wie Anm. 4), S. 74). 7 Bzw. von Möller und Viré in der Einleitung zu ihrer deutschen Übersetzung als “Überlieferungswerk” bezeichnet (MÖLLER/VIRÉ (wie Anm. 1), S. 15). 8 Johannes FRIED, Kaiser Friedrich II. als Jäger oder ein zweites Falkenbuch Kaiser Friedrichs II. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-Hist. Klasse 4, 1996, Göttingen 1996. niederschlug,9 trat die Jagd als höfische Praxis der Kalifen nach dem Vorbild der Sassaniden.10 Beide Traditionen existierten parallel, und erst mit dem Ölreichtum der saudi-arabischen Beduinen finden sie in der heutigen Zeit zusammen.11 Die arabische Vorlage des lateinischen Moamin Die zentrale Bedeutung des Adham-ÇiÔrÐf-Werkes zeigt sich nicht nur durch seine Rezeption in der arabischen Welt, sondern auch durch seine Übersetzung im lateinischen Westen. So stellt der Text eine der beiden arabischen Quellen des lateinischen Moamin dar, die wir heute ausmachen können.12 Im Unterschied zu dem textgeschichtlich verwandten kastilischen Falkentraktat,13 der dieses Werk nicht zitiert, speisen sich die Kapitel über die Klassifikation der Raubvögel und die Fragen allgemeiner Diagnostik des lateinischen Moamin aus dem ersten Teil dieses arabischen Textes. Auch in den medizinischen Kapiteln des lateinischen Textes finden sich vereinzelt Zitate aus den entsprechenden medizinischen Kapiteln, die den zweiten Teil des Adham-ÇiÔrÐf-Werkes bilden. Im Wesentlichen handelt es sich bei der arabischen Vorlage der medizinischen Kapitel des lateinischen Moamin aber um einen Text, über den wir zwar heute nicht verfügen, der sich aber – zumindest in diesem Part – aus Zitaten in einer weiteren Kompilation rekonstruieren läßt. Diese Kompilation ist zum einen unter dem Titel KitÁb aÒ-Ñaid (“Jagdbuch”) bekannt und als solches in einer einzigen – unvollständigen – Handschrift (MS Gotha 2092,1) erhalten, sowie unter dem Titel KitÁb al-ManÒÙrÐ14 – ebenfalls als Fragment – in zwei weiteren Handschriften, die direkt voneinander abhängig sind. Ähnlich wie in dem Adham-ÇiÔrÐf-Werk werden in dieser Kompilation unterschiedliche Quellen fremder Herkunft zitiert. Zu den bereits für das Adham-ÇiÔrÐf-Werk genannten Texten kommen das Werk des Dichters KušÁÊim15 sowie das KitÁb al-MutawakkilÐ hinzu.16 Letzteres wurde dem Kalifen al-Mutawakkil (reg. 847-861) gewidmet. Aus den Zitaten aus dieser letzten Schrift läßt sich ein großer Teil der arabischen Vorlage des lateinischen Moamin rekonstruieren, wo dieser keine Übereinstimmung mit dem AdhamÇiÔrÐf-Werk aufweist. Ob das ursprüngliche KitÁb al-MutawakkilÐ aber noch wesentlich länger war und auch Kapitel zur Ornithologie und allgemeinen Diagnostik umfaßte, läßt sich anhand des arabischen Materials derzeit nicht feststellen. Der kastilische Falkentext mit seinen astrologischen Passagen könnte eine mehr oder minder komplette Entsprechung des Originaltextes darstellen. Das KitÁb al-ManÒÙrÐ betitelte Fragment, das von der europäischen Forschung bislang noch kaum zur Kenntnis genommen wurde,17 enthält einen wichtigen Hinweis für die Rekonstruktion der arabischen Vorlage des lateinischen Moamin aus den MutawakkilÐ-Zitaten im KitÁb aÒ-Ñaid. Das KitÁb al-ManÒÙrÐ besteht lediglich noch aus einem siebten Kapitel, das sich mit Aufzucht, Abrichtung und Krankheiten von Hunden und Geparden beschäftigt, sowie einem achten Kapitel, das ein in Marokko entstandenes Glossar zu dem medizinischen Werk mit dem Titel al-ManÒÙrÐ von RÁzÐ (ca. 854-925 9 Maríe Jesús RUBIERA MATA, La Poesia Cinegética Árabe, in: J. M. Barral (Hg.), Orientalia Hispanica sive studia F. M. Pareja octogenario dicata, Vol. I: Arabica-Islamica, Pars Prior, Leiden 1974, S. 566-573. 10 Vgl. die Anweisungen zum Tragen des Falken in dem QÁbÙsnÁme des ÝUnÒur al-MaÝÁlÐ KaykÁvus ibn Iskandar, das 475 / 1082-3 auf Persisch verfaßt wurde. (ÇulÁm Íusain YØSUFÏ (Hg.) (1378): ÝUnÒur al-MaÝÁlÐ KaykÁvus ibn Iskandar, QÁbÙsnÁme, Teheran, S. 94-95.) 11 Mark ALLEN, Falconry in Arabia, London 1980; ALI, Arab Legacy to Falconry, in: Islamic Culture, 70/3, 1996, S. 5563; FÁris AT-TAMÏMÏ, aÒ-ÑuqÙr wa’Ò-Òaid Ýind al-Ýarab, Qatar 1992. 12 Eine kritische Edition des lateinischen Textes findet sich in Stefan Georges, Der falken- und hundeheilkundliche Traktat des Moamin. Studien zu Quellen, Entstehung, Überlieferung und Rezeption, Dissertation, Universität Frankfurt am Main 2004. Die Arbeit wird derzeit für den Druck vorbereitet. 13 José-Manuel Fradejas Rueda (Hg.), Muhammad Ibn ÝAbd AllÁh Ibn ÝUmar al-BayzÁr, Libro de los Animales que cazan (KitÁb al-YawÁriÎ). Edición, estudio, notas y vocabulario, Madrid 1987. 14 Die Fragmente befinden sich in Tunis (Maktabat al-AÎmadÐya), MS Nr. 5452 (geschrieben 645 h.) und MS Nr. 5433 (geschrieben 1184 h.). Eine Edition wurde von ÝAbd-al-ÍafÐÛ MANÒÙR veröffentlicht: Min al-KitÁb al-ManÒÙrÐ fÐ ‘lBaizara in: al-Mašriq, 1968, S. 155-222. Die Neuedition desselben Herausgebers enthält zusätzliche umfangreiche Hinweise auf allgemeine Werke zur Zoologie und Medizin in arabischer Sprache: ÝAbd-al-ÍafÐÛ ManÒÙr (Hg.), AlManÒÙrÐ fÐ ‘l-Baizara. Tunis 1989. 15 Gest. ca. 961. Sein KitÁb al-maÒÁyid wa’l-maÔÁrid, das in dem KitÁb aÒ-Ñaid zitiert wird, wurde von MuÎammad AsÝad Óalas (Hg.), KitÁb al-maÒÁyid wa’l-maÔÁrid, Baghdad 1954 ediert. 16 Kritische Edition des arabischen Textes mit deutscher Übersetzung und Einleitung: MuÎammad ibn ÝAbdallāh alBāzyār: Das Falken- und Hundebuch des Kalifen al-Mutawakkil. Ein arabischer Traktat aus dem 9. Jahrhundert. Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Anna Akasoy und Stefan Georges (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, 11; Berlin: Akademie Verlag, 2005). 17 FRADEJAS RUEDA (wie Anm. 11) erwähnt den Text in der Einleitung zu seiner Edition (S. XXI.). Vgl. auch die kurze Bemerkung in: Juan VERNET, Die spanisch-arabische Kultur in Orient und Okzident, Zürich / München 1984, S. 279. oder 935)18 darstellt. Dies könnte seinerseits Aufschluß über den Entstehungskontext der gesamten Kompilation geben. Zur Herkunft der arabischen Vorlage Eine weitere Frage aus dem Zusammenhang des lateinischen Moamin, die von der Forschung bislang noch nicht geklärt werden konnte, sind der Herkunftsort der arabischen Vorlage und die Umstände ihrer Übermittlung an den Hof Friedrichs. Da der Kaiser sich 1228/9 anläßlich der Übergabe Jerusalems im Heiligen Land aufgehalten hatte, ging man davon aus, er könne bei dieser Gelegenheit die arabische Vorlage bekommen haben, etwa als Geschenk von einem lokalen Herrscher. Zwar hatte Friedrich in dieser Zeit sicherlich intensive diplomatische Kontakte zu arabischen Herrschern, inwieweit diese tatsächlich aber auch wissenschaftlicher Natur waren, läßt sich heute kaum mehr belegen. Die Fragen Friedrichs, die an KamÁl ad-DÐn ibn YÙnis nach Mossul übermittelt wurden,19 wurden zunächst ebenfalls nach Syrien an al-Malik al-KÁmil gerichtet, dies aber ganze zehn Jahre später. Ein Text über Falkenheilkunde wird in diesen levantinischen Zusammenhängen nicht erwähnt. Eine andere Hypothese, mit der die Moamin-Forschung bislang kalkulierte, war die Annahme, Theodor von Antiochien, der Hofphilosoph Friedrichs, könne die arabische Vorlage selbst mitgebracht haben, als er ca. 1225 an den Hof kam. Seine akademische Karriere, die Theodor u.a. nach Mossul führte, könnte diese Hypothese unterstützen.20 Bei einem zweiten Blick auf die Überlieferungstradition des KitÁb al-MutawakkilÐ gibt nun allerdings schon der derzeitige Aufenthaltsort der beiden Handschriften des KitÁb al-ManÒÙrÐ genannten Fragments einen ersten Hinweis auf den Entstehungszusammenhang der Kompilation, nämlich Tunis. Das sowohl in diesen beiden Handschriften, als auch in der einzigen Handschrift des KitÁb aÒ-Ñaid enthaltene Vorwort gibt zudem an, die Kompilation sei für den Herrscher al-MustanÒir bi’llÁh erstellt worden. Ging aber noch Wilhelm Pertsch in seinem Katalog der Gothaer Handschriften davon aus, es handele sich um den Abbasidenkalifen in Bagdad (623/1226 – 640/1242), so erkannten Detlef Möller und François Viré, was aus der Widmung klar hervorgeht, daß es sich nämlich um den Hafsidenherrscher gleichen Namens handelt, der nahezu zeitgleich in Tunis regierte (646/1249 – 675/1277).21 Schon diese Identifikation des Textes wäre angesichts der momentanen Erkenntnislage ein wichtiges Indiz für die Hypothese, daß Friedrich II. die arabische Vorlage für seinen lateinischen Moamin aus dem hafsidischen Tunis erhalten haben könnte. Die Hypothese der tunesischen Herkunft führt zu einem weiteren Problem, das die MoaminForschung beschäftigte, nämlich der Name “Moamin”. So finden wir auch in der westlichen Überlieferung eine Spur des Hafsidenkalifen, wenn eine toskanische Übersetzung als Provenienz des Textes einen Coramomellino, re di Cartagine angibt, also den König von Tunis. Der eigentümliche Name leitet sich von dem arabischen Kalifentitel AmÐr al-muÞminÐn (“Beherrscher der Gläubigen”) ab,22 den sowohl der Kalif in Bagdad, aber eben auch der Hafsidenkalif in Tunis trugen. Zwar klang schon die frühere Vermutung, daß “Moamin” von dem Wort “muÞmin” abgeleitet sein könnte, auf den ersten Blick sehr plausibel. Warum der Autor bzw. Kompilator des Textes aber gerade diesen Namen, der schlichtweg “Gläubiger” bedeutet, hätte tragen sollen, dafür fand sich keine Erklärung. Vielmehr noch, der Name des Autors bzw. Kompilators ließ sich aus der altkastilischen Übersetzung klar entnehmen und lautet dort “Mafomat, fijo d’Avd Alla e nieto de Homar el Acetrero”, also: MuÎammad ibn ÝAbdallÁh ibn ÝUmar al-BÁzyÁr.23 Diese Übersetzung bezeichnet ihn auch als Astrologen, worin sie mit 18 Das Werk RÁzÐs könnte – anders als es ÝAbd al-ÍafÐÛ ManÒÙr in seiner Edition vermutet – dem gesamten Fragment seinen Namen gegeben haben. 19 Vgl. Dag Nikolaus HASSE, Mosul and Frederick II Hohenstaufen: Notes on A×ÐraddÐn al-AbharÐ and SirÁÊaddÐn alUrmawÐ, in: Isabelle Draelants / Anne Tihon / Baudouin van den Abeele (Hgg.), Occident et Proche-Orient, Contacts scientifiques au temps du Croisades. Actes du colloque de Louvain-la-Neuve, 24 et 25 mars 1997, Brepols 2000, S. 145163. 20 Charles BURNETT, Master Theodore, Frederick II’s Philosopher, in: Federico II e le nuove culture, Atti del XXXI Convegno storico internazionale Todi, 9-12 ottobre 1994, Spoleto 1995, S. 225-285. Benjamin KEDAR / Etan KOHLBERG, The Intercultural Career of Theodore of Antioch, in: Mediterranean Historical Review, 10 (1995), S. 165-176. 21 Deutsche Übersetzung der al-ÍaÊÊÁÊ-Version, wie Anm. 1, S. 36, Fußnote 50. Al-MustanÒir bi’llÁh war der zweite Herrscher dieser Dynastie und beanspruchte den Kalifentitel ab 1253 für sich. 22 Martin-Dietrich Gleßgen hatte in seiner Edition der toskanischen Übersetzung bereits vermutet, daß der Name Moamin mit diesem Coramomellino in Verbindung steht. Die Identifikation des Coramomellino mit dem Hafsidenherrscher alMustanÒir bi’llÁh ergibt sich jedoch erst aus den arabischen Handschriften. Vgl. Martin-Dietrich GLEßGEN, Die Falkenheilkunde des <Moamin> im Spiegel ihrer volgarizzamenti, Studien zur Romania Arabica, 2 Bde., Tübingen 1996. Die Edition des toskanischen Gruppe findet sich im 1. Band, S. 179-269. 23 Muhammad Ibn ÝAbd AllÁh Ibn ÝUmar al-BayzÁr, Libro de los Animales que cazan, wie Anm. 11, S. 9. den Angaben im Fihrist, dem berühmten Bücherverzeichnis des Ibn an-NadÐm24 aus dem 10. Jahrhundert, übereinstimmt, wo MuÎammad al-BÁzyÁr ebenfalls aufgeführt wird. Ist auch die Identifizierung des Autors relativ sicher, schien die Verstümmelung von MuÎammad zu Moamin wenn auch keineswegs ausgeschlossen, so zumindest auch nicht besonders naheliegend. Der Coramomellino aber, der sich als AmÐr al-muÞminÐn in den arabischen Kompilationen wiederfinden läßt, erklärt Herkunft und Hintergrund des Namens Moamin: Der Autor wurde schon in einem recht frühen überlieferungsgeschichtlichen Stadium mit dem Herrscher verwechselt, dem der Text gewidmet war. Die tunesisch-sizilianischen Beziehungen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Im Gesamtkontext der tunesisch-sizilianischen Beziehungen erscheint ein wissenschaftlicher Austausch wie die Übermittlung eines Textes zur Falkenheilkunde als eine von zahlreichen Facetten. Schon vor der Herrschaft der Hafsiden waren von der Region aus Handelsbeziehungen zu der Provence, dem Languedoc und den italienischen Republiken geknüpft worden.25 Nachdem sich AbÙ ZakarÐyÁÞ YaÎyÁ 1228 als erster Herrscher der neuen Dynastie von den Almohaden unabhängig gemacht und in dem Gebiet von IfrÐqiya – dem heutigen Tunesien und Teilen Algeriens – durchgesetzt hatte,26 schloß er 1231 einen Handelsvertrag mit Friedrich II. ab.27 Ab 1239 wurden die Kontakte zu Sizilien enger, als der Hafsidenherrscher im Austausch für das Recht auf maritimen Handel und den Import sizilianischen Getreides Tribut zahlte. Der Kaiser ernannte eigene sizilianische Konsuln und etablierte damit eine ständige Vertretung in Tunis. Ebenso kam es zu einer Kooperation des Hafsidenhofes mit dem aragonesischen Hof. Selbst katalanische Soldaten stellten sich in den Dienst des Hafsidenherrschers.28 Die Komplexität der gesamten Mächtekonstellation offenbart sich spätestens mit dem siebten Kreuzzug, den Ludwig der Heilige während der Regierungszeit des zweiten Hafsidenherrschers, eben al-MustanÒir bi’llÁhs, 1270 gegen Tunis richtete und damit gegen seine zahlreichen christlichen Kooperationspartner, mit denen Ludwig aus Gründen innereuropäischer Machtpolitik verfeindet war.29 Hier hatte Heinrich von Kastilien 1260 nach der gescheiterten Rebellion gegen seinen Bruder Alfons den Weisen Zuflucht gefunden und war mit Ehren überhäuft worden, wie Ibn ËaldÙn überliefert.30 Seinerseits stellte der Kastilier den Hafsiden Truppen zur Verfügung, um ihre almohadischen Gegner zu bekämpfen.31 Hierher waren auch die letzten Anhänger Konrads geflüchtet, die sich 1266 der Machtübernahme Karls von Anjou in Sizilien entgegengestellt hatten. Diesem wiederum verweigerte al-MustanÒir bi’llÁh die Zahlung weiterer Tribute.32 Schließlich unterhielt der Aragonese Jakob I. Handelsbeziehungen zu Tunis. Zudem schien Ludwig in der Tätigkeit von Dominikanern in Tunis die 24 Ed. Gustav Flügel, 2 Bde., Leipzig 1871-72, hier Bd. 1, S. 276. Vgl. Bernard DOUMERC, Venise et l’émirat hafside de Tunis (1231-1535), Paris 1999, S. 18ff. 26 Die nach wie vor umfassendste Darstellung der Hafsidenherrschaft stammt von Robert BRUNSCHVIG, La Berberie orientale sous les ÍafÒides des origines à la fin du XVe siècle, 2 Bde., Paris 1940/1947. 27 Vgl. Ernst KANTOROWICZ, Kaiser Friedrich der Zweite, 2 Bde., Stuttgart 1998, Bd. 1, S. 223. 28 Vgl. den Artikel über die Hafsiden in der Encyclopaedia of Islam von H. R. IDRIS (Bd. III, S. 66-69). Zu dem Mächtegeflecht und der Rolle Tunesiens vgl. auch Steven RUNCIMAN, The Sicilian Verspers, A History of the Mediterranean World in the Later 13th Century, Cambridge 1958, v.a. S. 141ff.; David ABULAFIA, The Western Mediterranean Kingdoms, 1200-1500. The Struggle for Dominion, London 1997, v.a. S. 48ff. 29 Zu dem Kreuzzug: Hans Eberhard MAYER, Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart / Berlin / Köln 92000, S. 246f.; Richard STERNFELD, Ludwigs des Heiligen Kreuzzug nach Tunis und die Politik Karls I. von Sizilien, Berlin 1896, ND 1965; Jean RICHARD, Saint Louis, roi d’une France féodale, soutien de la Terre sainte, Paris 1983 (Chapitre IV, ”La ‚voie de Tunes’”, S. 549ff.); William Chester JORDAN, Louis IX and the Challenge of the Crusades, A Study in Rulership, Princeton 1979 (Chapter 8, ”Conclusion: A New Crusade”, S. 214ff.); Jacques LEGOFF, Saint Louis, Paris 1996, S. 290ff. Zur arabischen Überlieferung: Francesco GABRIELI, Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, Zürich / Düsseldorf 1973, ND Augsburg 1999, S. 360ff. MuÎammad al-ÝArÙsÐ AL-MAÓWÏ, as-SalÔÁna al-ÍafÒÐya, TÁrÐÌuhÁ as-siyÁsÐ wa-dauruhÁ fÐ ‘lmaÈrib al-islÁmÐ, BairÙt 1986, S. 197ff. (“al-mustanÒir al-ÎafÒÐ amÁm al-imtiÎÁn”) über die Gründe für die Ausrichtung des Kreuzzuges nach Tunis. 30 ”En l’an 658 (1260), le prince Don Henri, qui s’était brouillé avec son frère, le roi de Castille, vint à Tunis. Le sultan le combla d’égards et de dons ; il l’établit à sa cour de la manière la plus magnifique et lui prodigua ces marques de considération que l’on réserve pour les souverains et les personnages du plus haut rang.” (Ibn Khaldoun, Histoire des Berbères et des Dynasties Musulmanes de l’Afrique septentrionale, Neuedition der Übersetzung de Slanes durch Paul Casanova, 4 Bde., Paris 1969, hier Bd. 2, S. 347). 31 Vgl. RUNCIMAN (wie Anm. 25), S. 104ff. 32 Zu der Verschlechterung der sizilianisch-tunesischen Kontakte nach dem Tod Friedrichs II. AL-MAÓWÏ (wie Anm. 26), S. 198f. 25 Möglichkeit einer Konversion des Hafsidenherrschers zum Christentum gesehen zu haben.33 Missionarische Bestrebungen waren es auch, die Raimundus Lullus, eine der schillerndsten interkulturellen Persönlichkeiten im westlichen Mittelmeer des späten 13. Jahrhunderts, nach Tunis (1293) und Bougie (1307) führten. Der Katalane setzte sich nicht nur mit der arabischen Sprache auseinander, sondern auch mit verschiedenen Facetten der islamischen Religion: In seinem Buch vom Heiden und den drei Weisen läßt er einen muslimischen Gelehrten seine Religion darstellen, sein Buch des Liebenden und Geliebten ist von der islamischen Mystik inspiriert.34 Der wissenschaftliche Austausch zwischen Tunis und Sizilien Noch ein weiterer Indikator unterstützt die Hypothese von dem Falkentraktat aus Tunis: Der sogenannte Roman des Sidrach,35 in dem ein Gelehrter diesen Namens einen heidnischen König in einem Spiel von Frage und Antwort davon überzeugt, sich zum Christentum zu bekennen. Auch wenn die Vorlagen dieser Schrift bisher als rein westlicher Provenienz identifiziert wurden, bleibt dennoch das Vorwort, in dem es heißt, die ungeheure Weisheit des Herrschers von Tunis sei Gesandten des Kaisers aufgefallen. Nach der Quelle dieser Weisheit fragend hätten sie von dem Roman des Sidrach erfahren, und der Kaiser habe daraufhin von dem Hafsiden die Erlaubnis erwirkt, diese Schrift durch Theodor von Antiochien übersetzen zu lassen. Auch wenn diese Episode nun kein reales Ereignis zur Grundlage haben sollte, können wir dennoch annehmen, daß es die Funktion eines solchen Vorworts war, das Werk von seinen Quellen her einzuordnen und seiner Herkunft einen realistischen, verständlichen und authentisch wirkenden Rahmen zu geben. Damit kann die Geschichte über den Herrscher von Tunis und die erbetene Übersetzung durch Theodor nicht vollständig erfunden worden sein, sollte sie eine gewisse Authentizität vermitteln. Als letzter Hinweis sollen zwei weitere Personen Erwähnung finden: Zum einen die des Leonardo Fibonacci (1170-1240),36 der nach eigener Aussage (Liber Abaci, 1202 veröffentlicht) in Bougie Mathematik studierte und dem Kaiser seinen Liber Quadratorum widmete. Bekannt ist auch der Fall des spanisches Philosophen und Mystikers Ibn SabÝÐn (ca.1217-1269). Dieser gab seiner ersten uns bekannten Abhandlung zur aristotelischen Philosophie, den Sizilianischen Fragen, die Gestalt von Antworten auf Fragen Friedrichs II. Die Authentizität der Fragen ist zwar zweifelhaft, aber selbst als literarischer Rahmen weisen sie auf eine gewisse Bekanntheit Friedrichs in der arabischen Welt als philosophisch interessiertem Herrscher. Ibn SabÝÐn befand sich in Ceuta, als er die Sizilianischen Fragen schrieb.37 Später zog es auch ihn nach Bougie. Betrachtet man nun etwas genauer die Beziehungen zwischen dem staufischen Sizilien und dem hafsidischen Tunis zur Zeit der Übersetzung des Falkentraktats durch Theodor von Antiochien, stößt man auf eine häufig zitierte Begebenheit: Im Februar 1240 kam es in Tunesien zum Ausbruch einer Hungersnot. Italienische Kaufleute ergriffen die Gelegenheit und lieferten Getreide auf eigene Rechnung. Als Friedrich, der sich zu dieser Zeit im Norden Italiens befand, davon erfuhr, ließ er die Schiffe der privaten Kaufleute am Auslaufen hindern und lieferte selbst Getreide nach Tunis.38 Während dieser Fall auf der einen Seite als frühe merkantilistische Tätigkeit in die Geschichte einging, 33 Benjamin KEDAR, Crusade and Mission. European Approaches toward the Muslims, Princeton 1984; Anette HETTINGER, Die Beziehungen des Papsttums zu Afrika von der Mitte des 11. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, Köln 1993. 34 Abulafia widmet ihm eine ganze Ära (wie Anm. 25, S. 82ff.). 35 Ernstpeter Ruhe (Hg.), Sydrac le philosophe, Le Livre de la fontaine de toutes sciences. Edition des enzyklopädischen Lehrdialogs aus dem XIII. Jahrhundert, (Wissensliteratur im Mittelalter; 34) Wiesbaden 2000; Beate WINS, ‘Le Livre de Sidrac’ – Stand der Forschung und neue Ergebnisse, in: Wolf Brunner (Hg.), Wissensliteratur im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Wiesbaden 1993, S. 36-51. 36 Roshdi RASHED, Fibonacci et les mathématiques arabes, in: Micrologus, 2 (1994), S. 145-160; Wolfgang STÜRNER, Friedrich II., 2 Bde., Darmstadt 2000, hier Teil 1, S. 385ff. 37 Der Text wurde von ¡erefeddin Yaltkaya ediert: Correspondance philosophique avec l’Empereur Frédéric II de Hohenstaufen. Avant propos par Henry Corbin. Paris 1941. Von dem Editor liegt auch eine türkische Übersetzung des Gesamttextes vor: Sicilya cevaplar¤ £bni Sebin’in Sicilya Kral¤ 2inci Fredrikin felsefî sorgular¤na verdiºi cevaplar¤n tercemesdir, Istanbul 1934. Einzelne Fragen sind übersetzt und kommentiert worden: A. F. MEHREN, Correspondance du philosophe soufi Ibn SabÝÐn Abd oul-Íaqq avec l’empereur Frédéric II de Hohenstaufen, in: Journal Asiatique, 7. sér., XIV (1879), S. 341-454; Mario GRİGNASCHİ, Ibnu SabÝÐn. Al KalÁmu ÝalÁ-l-masÁÞili-ç-çiqiliyyati. Trattato sulle domande siciliane. Domanda II. Traduzione e commento, in: Archivio storico siciliano, 3. ser., 7 (1956), S. 7-91. Eine italienische Übersetzung des gesamten Textes von Patrizia Spallino: Ibn Sab’in, Le Questioni Siciliane. Federico II e l’universo filosofico, Palermo 2002 und Anna Akasoy, Philosophie und Mystik in der späten Almohadenzeit. Die Sizilianischen Fragen des Ibn SabÝÐn, Leiden 2006, sowie in Auszügen Anna AKASOY, Die Sizilianischen Fragen: Arabisch-Deutsch, Freiburg i.Br. 2005. 38 Dazu STÜRNER (wie Anm. 33), Bd. 1, S. 221. Vgl. auch die dort angegebenen Quellen. ist für uns noch interessanter, daß Theodor, der nur wenig später die arabische Vorlage des Moamin ins Lateinische übersetzen sollte, im Auftrag Friedrichs eine Botschaft an den Herrscher von Tunis verfaßte.39 Auch wenn Theodor selbst nicht Mitglied der Delegation gewesen sein sollte, wofür sich in den Quellen keine Belege finden lassen, so kann man doch für die fragliche Zeit einen Kontakt zwischen dem Hafsidenhof und dem friderizianischen Hof nachweisen. Und warum sollte der Staufer, der bekanntermaßen mehrere wissenschaftliche Kontakte mit der arabischen Welt pflegte, und am tunesischen Hof sicherlich kein Unbekannter war, nicht auf dem Rückweg der Schiffe ein Falknereitraktat aus der Bibliothek des Hafsidenherrschers bekommen haben?40 Das Jahr der Übersetzung, 1240 bzw. 1241, spricht sehr dafür. Im Ergebnis bedeutet dies, daß wir heute nicht nur die Herkunft der arabischen Vorlage des lateinischen Moamin sicherer rekonstruieren können, sondern daß sich hier eine weitere Perspektive der interkulturellen Kontakte Friedrichs II. ergibt, die bislang vernachlässigt bzw. nur sehr fragmentarisch behandelt wurde. Denn in der Tat ist nicht nur dieser eine Falkentraktat von Tunesien an den Hof Friedrichs gelangt. Auch andere Texte humanmedizinischen Inhalts rücken ins Blickfeld, wie etwa das KitÁb al-ÍÁwÐ des bereits erwähnten RÁzÐ, das ebenfalls von Tunis an Karl von Anjou kommt.41 Damit zeichnet sich hier ein sehr intensiver kultureller Kontakt ab, der so etabliert ist, daß er auch durch die politischen Umwälzungen im Westen nicht abreißt. 39 BURNETT (wie Anm. 17), S. 257f.; KEDAR / KOHLBERG (wie Anm. 17), S. 169. STÜRNER (wie Anm. 33), Bd. 1, S. 424. 40 Über dessen eigene Jagdbegeisterung Ibn Khaldoun: “Parmi les constructions vraiment royales qui s’élevèrent sous les auspices d’El-Mostancer, nous devons signaler d’abord le parc de chasse qu’il forma auprès de Benzert, en l’an 650 (1252-3). Une vaste étendue de terrain, située dans la plaine, fut entourée d’une clôture afin de procurer un séjour tranquille à de nombreux troupeaux de bêtes fauves. Quand le monarque voulait se donner le plaisir de la chasse, il entrait à cheval dans ce parc, accompagné de quelques-uns des affranchis attachés à sa personne et de plusieurs fauconniers ayant avec eux des faucons, des sacres, des chiens sloughi et des léopards. Comme la clôture empêchait le gibier de s’échapper, le sultan pouvait s’amuser toute la journée au gré de ses désirs et courir dans un parc magnifique dont le pareil n’existait pas au monde.” (wie Anm. 27, Bd. 2, S. 338.) 41 Klaus-Dietrich FISCHER / Ursula WEISSER, Das Vorwort zur lateinischen Übersetzung von Rhazes’ Liber continens (1282). Text, Übersetzung und Erläuterungen, in: Medizinhistorisches Journal, 21, Heft 3/4 (1986), S. 211-241; Danielle JACQUART / Françoise MICHEAU, La médecine arabe et l’Occident médiéval, Paris 1996, S. 207.