Anlage3 - BAG Selbsthilfe
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Anlage3 - BAG Selbsthilfe
DDG e.V. • Ute Kühn • Ruschenweg 24 • 85107 Baar-Ebenhausen Bundesministerium für Arbeit und Soziales Referat V b 3 Dr. Christa Rieck Rochusstraße 1 53123 Bonn Ute Kühn Vorsitzende Ruschenweg 24 85107 Baar-Ebenhausen Tel: 0 84 53 - 33 55 66 Fax: 0 84 53 - 33 55 67 E-Mail: [email protected] 03. Dezember 2012 Versorgungsmedizin-Verordnung – Versorgungsmedizinische Grundsätze Bitte um Berücksichtigung und Aufnahme der Dystonie in die VersMedV Sehr geehrte Frau Dr. Rieck, in unserem vor wenigen Wochen geführten Telefonat teilten Sie mit, dass sich die Versorgungsmedizin-Verordnung derzeit in Überarbeitung befindet. Diesen Sachverhalt möchte ich zum Anlass nehmen und um Berücksichtigung und Aufnahme des Krankheitsbildes Dystonie in der Versorgungsmedizin-Verordnung bitten. Die Dystonie ist eine neurologische Erkrankung. Sie zeichnet sich durch unwillkürliche, nicht beeinflussbare Muskelkrämpfe aus. Die Krämpfe können tonisch, repetativ-physisch und/oder tremorös auftreten. Neben den fokalen, multifokalen und segmentalen Dystonien ist die generalisierte Dystonie die Form, die im Kindes- bis Jugendlichen-Alter auftritt und meist sehr stark beeinträchtigend – bis zur Rollstuhlpflicht – ist. Die Beurteilung durch die Sozialbehörden wird den Behinderungen und daraus resultierenden Einschränkungen, die durch die verschiedenen Formen der Dystonie entstehen, meist nicht gerecht. Keine der in der Versorgungsmedizin-Verordnung enthaltenen Krankheitsbilder spiegeln die Symptomatik der Dystonie und die Einschränkungen der DystonieBetroffenen in dem Maße wieder, dass sie analog zur Beurteilung herangezogen werden könnten. Seite 1 von 4 Deutsche Dystonie Gesellschaft e.V. Vorsitzende: Ute Kühn Ehrenvorsitzende: Didi Jackson Die häufigste Form der fokalen Dystonien ist der Schiefhals (zervikale Dystonie). Dieser tritt in unterschiedlichsten Ausprägungen auf, wie z.B. Tortikollis, Laterokollis, Anterokollis, Retrokollis, Torticaput, Laterocaput, Antecaput und Reterocaput. Die zervikale Dystonie wird häufig analog als „funktionelle Bewegungsstörung“ oder auch „Wirbelsäulenstörung“ oder „HWS-Syndrom“ beurteilt. Diese entsprechen nicht dem Krankheitsbild der zervikalen Dystonie. Sie sind allenfalls Folge der Erkrankung. Eine weitere Form der Dystonie ist der Lidkrampf (Blepharospasmus). Hier spiegelt sich die Symptomatik vom häufigen Blinzeln bis zur funktionellen Blindheit wieder. Das Lesen, Fernsehen, sich gefahrlos in der Öffentlichkeit bewegen sowie Dinge des täglichen Lebens verrichten wird sehr oft durch die Lidkrämpfe unmöglich. Eine extreme Lichtempfindlichkeit ist für Blepharospasmus kennzeichnend. Der Blepharospasmus wird häufig als „nervöses Augenleiden“ bezeichnet. Auch diese Beurteilung entspricht keinesfalls dem neurologischen Krankheitsbild, welches, wie alle Formen der Dystonie, durch überschießende Nervenimpulse verursacht wird. Weitere Formen der Dystonie sind die Oromandibuläre Dystonie, Meige-Syndrom, Spasmodische Dysphonie, Gliederdystonie (Schreibkrampf, Musikerkrampf, Fußdystonie) und die Dopa-Responsive Dystonie (Segawa-Syndrom). Die Formen der Dystonie werden nur gelegentlich in der juristischen und medizinischen Sachverständigenliteratur behandelt. Insbesondere gilt es, einen Aufsatz von Deuschl und Högenauer aus dem medizinischen Sachverständigen Ausgabe 03/ 1999, bei der Beurteilung der Dystonien im versorgungsmedizinischen Verfahren zu beachten. Dieser Artikel ist auf einer Tagung des Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 07. und 08.11.2001 gebilligt worden. Der Sachverständigenrat hat dort vorgeschlagen, die Erläuterungen von Deuschl und Högenauer zu der Beurteilung von Dystonien bei der Einstufung zugrunde zu legen. Auf dieser Arbeit basieren die folgenden Urteile: zum Krankheitsbild Tortikollis: • vom 12.02.2008 Az. S 6 SB 2174/07 durch das Sozialgericht Karlsruhe 6. Kammer. • Vom 07.04.2011 Az S 12 SB 347/09 durch das Sozialgericht Speyer 12. Kammer Seite 2 von 4 Deutsche Dystonie Gesellschaft e.V. Vorsitzende: Ute Kühn Ehrenvorsitzende: Didi Jackson zum Krankheitsbild Blepharospasmus: • Urteil vom 16.05.2007 des Landessozialgerichtes Rheinland-Pfalz, Urteil Nr. L4SB 164/06 Des Weiteren steht ein Artikel aus „Dystonie aktuell“ Nr. 11 (Herbst 1999) von Prof. Frank Erbguth „Sozialmedizinische Gesichtspunkte und Fragen der Begutachtung nach dem Schwerbehindertengesetz“ zur Verfügung. Dieser Artikel ist im Wortlaut als Anlage beigefügt. Es liegt eine weitere Arbeit zur Begutachtung der Dystonie vor von Dr. Matthias Fabra, erschienen im „Kursbuch der ärztlichen Begutachtung“ Ausgabe 12/2009. Die Beurteilung des Grades der Behinderung nach der Anlage §2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 ist regelmäßig äußerst schwierig, weil in dieser Anlage die Dystonien als neurologische Erkrankung nicht gesondert erwähnt sind und sich nicht ohne weiteres mit andren, auch extrapyramidalen Erkrankungen, vergleichen lassen. Hinzu kommt, dass die Einschätzung der Beeinträchtigung durch die dystone Erkrankung auch dadurch regelmäßig zu niedrig erfolgt, weil den Ärzte des Versorgungsamtes diese Erkrankung mit ihrer Komplexität nicht oder nicht hinreichend bekannt ist und daher keine eigenen Erfahrungen in die Beurteilung einbringen können. Seit vielen Jahren begleitet die Deutsche Dystonie Gesellschaft e.V. unterstützend die Anträge auf Anerkennung eines GdB ihrer Mitglieder bundesweit. In Hunderten dieser Beratungsfälle gibt es lediglich einen aus dem Jahr 2012, der beim Versorgungsamt nach erfolgtem Widerspruch sachgerecht entschieden wurde. In allen anderen Fällen war ein Widerspruch nicht ausreichend und es blieb nur der Weg zur Klage beim Sozialgericht. Diese Verfahren ziehen sich über Jahre hin. Der längste Fall befindet sich derzeit im 6. Verhandlungsjahr. Wesentliche Aspekte, die bei der Begutachtung der Dystonie zu berücksichtigen sind, sind unseres Erachtens die psychischen Belastungen wie auch die orthopädischen Probleme, die durch die Dystonie entstehen können und oftmals einen erheblichen Umfang des Krankheitsgeschehens einnehmen. Als Sachverständige für die Beurteilung der Dystonien im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze wären die Fachärzte für Neurologie Prof. Frank Erbguth (Chefarzt der Klinik für Neurologie, Klinikum Nürnberg), Prof. Jörg Wissel (MVZ am Wittenbergplatz, Ansbacher Straße 17-19, 10787 Berlin), der Facharzt für Neuroorthopädie Dr. Volker Diedrichs (Chefarzt der Orthopädie III, Klinik für Kinder- und Neuroorthopädie, Seepark-Klinik, Langener Straße 66, 27607 Langen-Debstedt) sowie der Psychologe Prof. Bernd Leplow (Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg, 06099 Halle (Saale)) zu nennen. Seite 3 von 4 Deutsche Dystonie Gesellschaft e.V. Vorsitzende: Ute Kühn Ehrenvorsitzende: Didi Jackson Durch Aufnahme der Dystonie in die Versorgungsmedizin-Verordnung würde eine Klarheit geschaffen, die in den meisten Fällen die o.g. Problematik vermeiden bzw. erheblich mindern und zu einer dem Krankheitsbild Dystonie gerechten Beurteilung führen würde. Daher bitten wir Sie, unsere Bitte um Aufnahme des Krankheitsbildes Dystonie in die Versorgungsmedizin-Verordnung wohlwollend zu prüfen. Mit freundlichen Grüßen _________________________ Vorsitzende der DDG e.V. Seite 4 von 4