Broschure Ausstellung - DGB

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Broschure Ausstellung - DGB
Am 2. Mai 1933
wurden die Gewerkschaften verboten und die Gewerkschafter
verhaftet, gefangen genommen, in KZs verschleppt, gefoltert und
umgebracht. Nazis zerschlugen die Organisationen der
Lohnabhängigen - die freien Gewerkschaften. Rollkommandos
überfielen die Büros und raubten die Kassen sowie Mitgliederlisten.
Nicht irgendwo – sondern in Pforzheim und dem Enzkreis.
Das Ergebnis ist bekannt: Entrechtung, Entmündigung, Lohnstopp,
Verlängerung der Arbeitszeit, Dienstverpflichtung für Frauen,
Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie und am Ende Zerstörung,
Untergang und Tod am 23. Februar 1945 in Pforzheim.
Unsere Ausstellung zeigt auf 21 Tafeln bisher unveröffentlichte
Fotos, präsentiert Dokumente der Nazis und beleuchtet das
Engagement unserer Kolleginnen und Kollegen gegen die
faschistische Gefahr.
Susanne Nittel
(DGB-Regionssekretärin)
Wolf-Dietrich Glaser
(stellv. DGB-KV Vorsitzender
Pforzheim / Enzkreis)
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Adolf Baier
Adolf Baier ist Schlosser und Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands KPD sowie des
Metallarbeiter-Verbandes in Pforzheim.
1933 ist er von März bis Mai ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft. Vor einer erneuten
Festnahme flieht er im Juli 1933 nach Frankreich, organisiert von dort den Transport illegaler
Flugschriften nach Nazi-Deutschland und wechselt selbst mehrmals über die Grenze, um den
Aufbau antinazistischer Organisationen in Baden zu unterstützen.
1936 geht Adolf Baier nach Spanien und kämpft in den Internationalen Brigaden für die
Verteidigung der Republik gegen den Militärputsch Francos. Er wird dreimal verwundet und
kann nach dem Sieg der von Hitlerdeutschland unterstützten Putschisten über Frankreich nach
Norwegen fliehen.
In Schweden organisiert Adolf Baier Sabotageaktionen gegen Kriegstransporte der NS-Wehrmacht, wird deswegen 1941 verhaftet und sieht nach 3 ½ Jahren Zuchthaus erst im Oktober
1945 seine zerstörte Heimatstadt Pforzheim wieder.
In Pforzheim hilft Adolf Baier mit beim Aufbau freier Gewerkschaften und ist der erste Vorsitzende
der neugegründeten Industriegewerkschaft Metall. Sein Name steht unter dem ersten Tarifvertrag,
der in Pforzheim nach zwölf Jahren Unterdrückung der Arbeiterbewegung abgeschlossen wird.
1952 siedelt Adolf Baier in die DDR über und wird Mitarbeiter des ZK der SED.
Wegen Betätigung für die verbotene KPD wird er 1963 in der Bundesrepublik inhaftiert. Adolf Baier
stirbt 1982 in Berlin.
Karl Bauer
ist Mitglied der Gewerkschaft und der SPD und ab 1924 Sekretär des Gaststätten-Angestelltenverbandes u.a. in Heidelberg.
Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 muss er den Lebensunterhalt für
seine Familie als Versicherungsvertreter bestreiten. 1935 verhaftet die Gestapo den in Pforzheim lebenden Karl Bauer mit dem Vorwurf, er habe “hochverräterische Druckschriften aus dem
Ausland” eingeführt und weiterverbreitet. Unter den Papieren, die die Gestapo bei ihm findet,
ist auch die Zeitung des “Internationalen Verbandes der Hotel-, Restaurant- und Kaffeehausangestellten”, der zum Sturz der Hitlerdiktatur aufruft. Sein Adressbuch beweist der Gestapo, dass
er plante, eine SPD-Widerstandsgruppe aufzubauen. Am 16. März 1936 verurteilt ihn das OLG
Karlsruhe zu 22 Monaten Gefängnis.
Nach der Entlassung werden Bauer und seine Frau ständig von der Gestapo beschattet. Nach
dem Attentatsversuch auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 verschleppen ihn die Nazis ins Konzentrationslager Dachau.
Nach der Befreiung ist Bauer bis 1948 Bürgermeister in Heidelberg, später Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Baden-Württemberg.
Nikolaus Bernhard
tritt 1900 der Gewerkschaft und der SPD bei. Von 1906 bis 1914 ist er Geschäftsführer des Maurerspäter Bauarbeiterverbandes in Heilbronn, Pforzheim und Straßburg. 1909 ist er Streikführer des
Streiks der Maurer und Bauarbeiter in Pforzheim. 1911 und 1912 ist er Stadtverordneter und Vorsitzender der SPD in Pforzheim. Nach der Kriegsteilnahme wird er erst Sekretär, dann bis 1927 zweiter
Vorsitzender und bis 1933 erster Vorsitzender des Bauarbeiterverbandes beziehungsweise des Baugewerbebundes in Hamburg bzw. Berlin. Bis 1933 ist er auch Mitglied im Bundesvorstand des ADGB, von
1930 bis 1932 und noch einmal 1933 wird er in den Reichstag gewählt.
1933 wird er kurzzeitig inhaftiert und ist mehrmals von Hausdurchsuchungen und Vorladungen
der Gestapo betroffen. Im Herbst 1939 sperren ihn die Nazis ins KZ Sachsenhausen. Im Rahmen
der “Aktion Gitter“ nach dem Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944 wird er 1944 erneut
im KZ Sachsenhausen inhaftiert.
Nach der Befreiung ist Bernhard Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bau in Großberlin und bis
1948 dritter Vorsitzender des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschafts-Bund), dann tritt er aus Protest
gegen die Politik der SED aus der Partei und dem FDGB aus und geht nach Westberlin.
Hans Brammer
ist ab 1924 Mitglied im Holzarbeiter-Verband und engagiert bei der SPD. 1931 geht er mit vielen jüngeren SPD-Mitgliedern zur neugegründeten Sozialistischen Arbeiter-Partei (SAP). Vor den Reichspräsidentenwahlen im April 1932 warnen die Linksparteien: „Hitler heißt Krieg, Not, Hunger und Elend
für das ganze deutsche Volk !“ - auch bei der Demonstration von SAP und KPD am 16. Juli 1932 in
Pforzheim.
Im Juni 1933 verteilen Brammer und andere SAP-Mitglieder die illegale Schrift „Fanal“ mit
dem Titel „Durch Rüstung zum Krieg!“. 1934 steht auf Zetteln, die sie heimlich in Briefkästen
stecken: „Hitler bedeutet Krieg!“ Die SAP hilft auch Verfolgten zur Flucht nach Frankreich mit
Unterstützung des Pfarrers Honecker in Schwann.
Im Mai 1938 wird er verhaftet, das OLG Stuttgart verurteilt ihn am 14. März 1939 zu 3 1/2 Jahren Gefängnis wegen “Vorbereitung zum Hochverrat”, die er in den Zuchthäusern Ludwigsburg
und Brandenburg absitzen muss. Im Mai 1941 entlassen, wird er 1943 als “wehrunwürdig” zum
Strafbataillon 999 eingezogen.
1947 wird er aus englischer Kriegsgefangenschaft in Ägypten entlassen. Er arbeitet bei der AOK, wird
Mitglied der Gewerkschaft ÖTV (heute Verdi), ist Mitbegründer der Baugenossenschaft Huchenfeld
und Gemeinderat in Huchenfeld.
Reinhard Dathe
tritt 1919 dem DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband) bei. In Pforzheim arbeitet er bei Lutz & Weiss.
1919 wird er zum Gewerkschaftssekretär gewählt und engagiert sich bei den Naturfreunden.
Am 2. Mai 1933 besetzen 50 z.T. bewaffnete SA-Männer das Haus des DMV in der Emma-JägerStraße, Dathe und sein Kollege Pöhler können angesichts des Kräfteverhältnisses keinen Widerstand leisten. Wie Pöhler und Rapp vom ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschafts-Bund)
erhält Dathe am 31.7.1933 seine Entlassungspapiere.
Nach 1945 ist Reinhard Dathe beim Aufbau der freien Gewerkschaften beteiligt.
Josef Dörflinger
ist ab 1924 in der SPD organisiert, 1928 wählen ihn seine Kollegen zum Betriebsrat. Er gehört zu den
Gründungsmitgliedern des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und der Eisernen Front, einem Bündnis
republikanischer Parteien und Organisationen zur Verteidigung der Demokratie: „Für die Brandfackeln rechts sollen Wassereimer links bereitstehen“, so in der SPD-Zeitung „Freie Presse“.
Nach dem Verbot der SPD im Juni 1933 arbeitet er in der illegalen SAP (Sozialistische ArbeiterPartei) mit. Die Gestapo verhaftet ihn 1938, das OLG Stuttgart verurteilt ihn im Prozess gegen
insgesamt zehn SAP-Mitglieder aus Pforzheim wegen “Vorbereitung zum Hochverrat“ zu zwei
Jahren Gefängnis.
Hedwig Fecht
geborene Herrmann ist wie ihr Bruder Richard wahrscheinlich in Pforzheim geboren, seit 1925 ist sie
mit Karl Fecht verheiratet, das Ehepaar hat keine Kinder. Ihr familiäres Umfeld ist linksrepublikanisch geprägt durch Mitgliedschaften bei den Naturfreunden, im Radfahrverein „Solidarität“, bei SPD
bzw. KPD und in der Gewerkschaft.
Die Nazis stecken sie am 5.4.1934 für vier Monate in Untersuchungshaft, Vorwurf ist der
Verdacht der illegalen Weiterführung der inzwischen verbotenen RGO (Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition, Gewerkschaft der KPD). Ihr Mann wird wegen illegaler Betätigung für die
RGO zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt.
Karl Fecht
arbeitet in Pforzheim als Schleifer bei den Firmen Fahrner und Seitter, 1909 wird er Mitglied des DMV
(Deutscher Metallarbeiter-Verband), bis 1920 ist er bei der SPD, anschließend bei der KPD organisiert
und mehrere Jahre KPD-Stadtverordneter.
1933/34 unterstützt er die inzwischen verbotene RGO (Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition,
KPD-Gewerkschaft), wird verhaftet und 1935 zu 15 Monaten verurteilt, die er in den Gefängnissen in Karlsruhe und Mannheim absitzen muss.
Nach dem Attentat auf Hitler am 20. August 1944 ist er im Zuge der „Aktion Gitter“ ohne Anklage
oder Urteil für über fünf Wochen im Konzentrationslager Dachau eingesperrt.
Nach der Befreiung setzt ihn die US-Besatzungsbehörde als Bürgermeister in Niefern ein.
Theodor Fink
ist Mitglied der Gewerkschaftsjugend und des DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband), politisch ist er
erst in der Jugendorganisation der SPD, ab 1932 in der Jugendorganisation der KPD organisiert. Gegen
die faschistische Gefahr nimmt er an der Demonstration von SAP (Sozialistische Arbeiter-Partei) und
KPD am 16.Juli 1932 in Pforzheim teil.
Da er an Treffen von Hitler-Gegnern teilnimmt, sperren ihn die Nazis im März 1933 in „Schutzhaft“. 1934 sitzt er bis zum Prozess am 30.10.1934 für sechs Monate in Einzelhaft. Nach 20
Monaten im Gefängnis Mannheim steht er weiter unter Polizeiaufsicht.
Otto Göckler
ist Glasermeister und Mitglied im Holzarbeiter-Verband (heute Gewerkschaft Holz und Kunststoff)
und in der KPD.
Ab 1. Mai 1933 ist er bis Mai 1935 im Konzentrationslager Heuberg bzw. Oberer Kuhberg. Im
März 1936 sperren ihn die Nazis in „Schutzhaft“ ins Gefängnis Schwäbisch Hall. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilt ihn wegen „Äußerungen gegen Staat und Regierung“ zu einem
Jahr und zehn Monaten Gefängnis, tatsächlich sitzt er vom 22. April 1936 bis 26. April 1938
in Schwäbisch Gmünd ein. Einen Monat später verschleppen ihn die Nazis am 28. Mai 1938 als
„Schutzhäftling“ ins Konzentrationslager Buchenwald. Dort ist er bis zur Befreiung des Lagers
am 11. April 1945 der Häftling Nummer 4493.
Der Vater von fünf Kindern stirbt nach elf Jahren in Gefängnissen und Konzentrationslagern am 13.
Mai 1945 an den Folgen des Lageraufenthalts im Krankenhaus in Zirndorf. Diese Nachricht erreicht
seine Frau Lina erst Ende Oktober 1945.
Alois Herdecker
Herdecker arbeitet als Werkmeister bei der Landmaschinenfabrik Lanz in Mannheim. Er tritt dort dem
Hirsch-Dunckerschen Gewerkverein bei, einer kleinen Gewerkschaft, die den Liberalen nahesteht.
1900 wird er Bezirksleiter dieser Gewerkschaft.
1919 geht er mit seiner Frau Barbara als Gewerkschafts-Sekretär nach Pforzheim, sein Büro ist in der
Holzgartenstraße 3 im Haus der Druckerei Layer. Er wird SPD-Mitglied und wirkt ehrenamtlich als
Schöffe. 1925 vertritt er die streikenden Arbeiter Pforzheims in einer Verhandlungskommission in
Berlin.
1924 nimmt er als SPD-Mitglied an der Gründungsversammlung des Reichsbanners Schwarz-RotGold, einer Vereinigung zum Schutz der ersten Demokratie, im Saalbau teil. 1927 protestiert er als 2.
Vorsitzender des Reichsbanners gegen ein Arbeitsbüro des rechtsstehenden nationalistischen StahlBarbara und Alois Herdecker
helms, das nur Nicht-Gewerkschafter Arbeit vermittelt. An die Gründung der „Schutzformation“, einer mit Tochter Anneliese
Selbstschutzgruppe der Verteidiger der Republik, am 23. Februar 1931 erinnert sich Karl Schroth: “Die
Zeichen stehen auf Sturm. Krawalle und Zusammenstöße, durch die SA provoziert, mehren sich. Herdecker
will gewappnet sein, um, wie er sagt, ‘jeden Ansturm auf die Republik und ihre Verfassung abzuwehren’.“
Am 13. Februar 1932 bei Gründungsversammlung der “Eisernen Front“ gegen die Gefahr des Faschismus im Saalbau nimmt Herdecker nicht nur als SPD-Mitglied, sondern auch als Vertreter des HirschDunckerschen Gewerkvereins teil. Über das Ziel der „Eisernen Front“ schrieb der Redakteur Lohmann
in der SPD-Zeitung „Freie Presse“:„Für die Brandfackeln rechts sollen Wassereimer links bereitstehen“.
„Hitler – das bedeutet Krieg“ ist er sich am 31. Januar 1933 mit seinen SPD-Genossen in der
Gaststätte Klostermühle einig. Der Krieg beginnt im Inneren: Im Frühjahr 1933 sperren ihn die
Nazis in „Schutzhaft“. Die Musikkapellen des Reichsbanners muss Musikinstrumente abgeben.
Mit Hausdurchsuchungen, willkürlichen Festnahmen, Schließung von Gaststätten, die als Treffpunkte der Links-Parteien und Gewerkschaften dienen, und Verschleppung von Oppositionellen
in die rasch eingerichteten Konzentrationslager Heuberg beziehungsweise Kislau bei Bruchsal
schüchtern die Nazis ihre Gegner ein.
Am 2. Mai 1933 stürmten SA-Männer das Büro des Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereins in der
Holzgartenstraße, Bibliothek, Mobiliar und Schreibmaschine werden beschlagnahmt, Herdecker steht mit seiner Frau Barbara und vier Kindern auf der Straße. Die Bibliothek des HirschDunckerschen Gewerkvereins wird wie die der freien Gewerkschaften am 17. Juni 1933 auf dem
Marktplatz verbrannt. Herdecker wird 1938 zu Büroarbeiten, Botengänge und Werkzeugausgabe
dienstverpflichtet, um ihm den Einblick in die Umstellung auf Rüstungsproduktion zu verwehren.
Kurz vor seinem Tod sagt er zu seiner Familie: „Ihr geht schweren Zeiten entgegen“. Am 5.
Februar 1943 stirbt er nach einer schweren Herzattacke im Städtischen Krankenhaus.
Richard Herrmann
wird im 1. Weltkrieg wegen Fahnenflucht und „Feigheit“ zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, Nach
der Amnestie im November 1918 arbeitet er in Pforzheim als Bauarbeiter. Er ist Mitglied der Naturfreunde.
Nach seiner Festnahme am 28.3.1934 können ihm die Nazis nicht nachweisen, dass er trotz Verbot weiter für SPD oder KPD tätig war. Aufgrund der Beschuldigung, durch Unterstützung
der inzwischen verbotenen RGO (Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition, KPD-Gewerkschaft)
habe er „hochverräterische Ziele“ verfolgt, wird er zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.
Heinrich Jäger
ist Mitglied der KPD und Stadtverordneter. Er ist Redner bei der Demonstration der Erwerbslosen am
7. Juni 1932 gegen die Anordnung der Stadt, dass die Erwerbslosen „Pflichtarbeit“ leisten müssen, um
überhaupt Fürsorgeunterstützung zu erhalten.
Jäger gehört zu den ersten Regime-Gegnern, die die Nationalsozialisten in „Schutzhaft“ nehmen,
zuerst im Gefängnis Pforzheim vom 8. Februar bis 28. Mai 1933, dann im Konzentrationslager Heuberg vom 29. Mai bis zum 30. November 1933 und im Konzentrationslager Kislau vom 31. November
1933 bis zum 16. März 1934.
Die Gestapo verhaftet ihn am 15. August 1944 in Pforzheim, vom 15. August bis zum 11. September 1944 ist er wie 14 weitere frühere SPD- bzw. KPD-Stadtverordnete aus Pforzheim im Zug der
„Aktion Gitter“ im Konzentrationslager Dachau eingesperrt.
Nach 1945 ist Jäger Leiter des Arbeitseinsatzes beim Arbeitsamt, 1947 ist er Delegierter im Ortsausschuss Pforzheim des Allgemeinen Gewerkschaftsbundes.
Otto Knöller
engagiert sich in der Weimarer Zeit in Pforzheim im DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband) und in
der SPD, 1930 wird er zum Stadtverordneten gewählt. Gegen die faschistische Gefahr arbeitet er mit im
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und in der „Eisernen Front“.
Nach dem Verbot der SPD und des Arbeitersängerbundes 1933 unterstützt Knöller die illegale SAP
(Sozialistische Arbeiter-Partei). Die Nazis verhaften ihn im Juni 1938, das OLG Stuttgart verurteilt
ihn wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu zwei Jahren Gefängnis.
Bernhard Kruse
ist seit 1898 Mitglied im Deutschen Metallarbeiter Verband (DMV). Ab 1912 lebt er in Karlsruhe, wo er
bei den Badischen Staatsbahnen als Schlosser arbeitet. In Karlsruhe ist er von 1913 bis 1924 auch SPDStadtverordneter.
Vom 26. bis 28. März 1915 findet in Bern die internationale sozialistische Frauenkonferenz statt. Von
dieser ersten internationalen Konferenz seit Beginn des 1. Weltkrieges ging ein flammender Aufruf an
die „Frauen des arbeitenden Volkes“ aus, sich über „die Schlachtfelder hinweg zusammenzuschließen“
und den Ruf nach Frieden zu erheben.
In diesem Zusammenhang verteilt Bernhard Kruse Flugblätter gegen den Krieg, wird deshalb wegen
Hochverrat verhaftet und sitzt neun Monate in Untersuchungshaft. Aus Protest gegen die Bewilligung
der Kriegskredite durch die SPD wechselte er wie sein Verteidiger Hugo Haase, der im Hochverratsprozess seinen Freispruch erreicht, 1917 zur USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Diese Erfahrungen verarbeitet Bernhard Kruse in seinem Buch „Als politischer Gefangener“, das
1925 in der Thüringer Verlagsanstalt erscheint.
Nach dem 1. Weltkrieg ist Bernhard Kruse Landessekretär der USPD für Baden und Redakteur der „Sozialistischen Republik“. Ab 1922 ist er als Sekretär beim Verband der Fabrikarbeiter, der Vorläuferorganisation der heutigen IG BCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie), angestellt.
1924 übernimmt er in Mühlacker die Leitung des örtlichen Büros des ADGB (Allgemeiner Deutscher
Gewerkschafts-Bund). Der Sitz der Gewerkschaften in Mühlacker ist ab 1924 im Haus Bahnhofstraße 51,
wo es bis Anfang der 1970er Jahre noch ein Büro des DGB gibt.
Am 2. Mai 1933 besetzt auch in Mühlacker SA und SS das Gewerkschaftshaus und zerschlagen die
Gewerkschaftsorganisation. Wie in Pforzheim geschieht das unter Führung des als „fanatischer und
brutaler Nazityp“ bezeichneten „Kreisbetriebszellenleiters“ Heinrich Steiger aus Karlsruhe.
Bernhard Kruse wird allerdings schon am 21. März 1933 in Zusammenhang mit der Verhaftungswelle nach dem Reichstagsbrand in sog. „Schutzhaft“ genommen und im Konzentrationslager
Heuberg eingesperrt. Das KZ Heuberg wird im Dezember 1933 aufgelöst, die Nazis bringen die Häftlinge, unter ihnen auch Bernhard Kruse, ins KZ Oberer Kuhberg in Ulm. Von dort wird er am 26.
Februar oder am 3. März 1934 mit der Auflage entlassen, dass ihm das Betreten der Stadt Mühlacker
und des Bezirkes des damaligen Oberamtes Maulbronn verboten ist.
Er zieht daraufhin nach Pforzheim, wo er seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf von Salatöl
verdient, das er seinen Kunden frei Haus lieferte. Nebenher sorgt er dabei für die Verbreitung
von Informationen der SAP (Sozialistische Arbeiter-Partei), Nachrichten aus dem Widerstand und
der illegalen Schriften „Das Fanal“ und „Das Banner“. „Er ist nützlich in vielerlei Hinsicht und ’der
Ölmann kommt‘ war ein Begriff in turbulenter Zeit“, erinnerte sich Karl Schroth.
In Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wird Bernhard Kruse in der ”Aktion
Gitter” ein zweites Mal verhaftet. Von Mitte August bis zum 10. September 1944 ist er im KZ
Dachau.
Nach der Befreiung vom Faschismus ist der Wiederaufbau der SPD und der Gewerkschaften in Mühlacker
und im ehemaligen Kreis Vaihingen/Enz in der Hauptsache das Werk von Bernhard Kruse. 1946/47 sitzt
er für die SPD im Stadtrat von Mühlacker. Er stirbt am 21. Januar 1955 im Alter von knapp 76 Jahren.
Wilhelm Künzler
wird als Former-Lehrling Gewerkschaftsmitglied und tritt 1926 der kommunistischen Partei bei, die sein
Vater in Singen mitbegründet hat. 1929/30 wird er arbeitslos und muss, um „Krisenunterstützung“ zu
erhalten, Notstandsarbeiten ohne Lohn ausführen: „Zwangsarbeit für eine karge Wohlfahrtsunterstützung”,
so schreibt Wilhelm Künzler in seiner Autobiografie. Im Sommer 1932 warnt die KPD zusammen mit der
Sozialistischen Arbeiterpartei in Pforzheim vor der Machtergreifung der NSDAP und vor einem drohenden
Eroberungskrieg – vergeblich: „Autobahnen werden gebaut für den kommenden Krieg. Für Hungerlöhne müssen Zehntausende ausgemergelter Arbeiter Hacke und Schaufel bewegen. Der Staat braucht das Geld für den
Bau von Kanonen und Flugzeugen. Hitler redet von Frieden und rüstet zum Krieg.“
Der Machtantritt der NS-Diktatur zwingt Wilhelm Künzler in die Illegalität, seine Partei schickt
ihn ins Exil nach Prag. Im Oktober 1934 kehrt er illegal über Berlin nach Halle zurück nach Hitlerdeutschland, druckt dort Schriften gegen die Nazi-Diktatur und versorgt das Ausland mit Nachrichten aus dem „Reich“ und dessen beginnende Kriegsvorbereitung.
Am 26. Januar 1935 verhaftet ihn die Gestapo, er wird gefoltert und am 2. August 1935 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ vom Volksgerichtshof Berlin zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. 1936
kommt er von Berlin über Bruchsal nach Ludwigsburg: Tütenkleben jahraus, jahrein, später Korbmacherei, allein in der Zelle, alle sechs Wochen einen Brief empfangen und schreiben dürfen. “Vor
den vergitterten Fenstern” – so erinnert er sich an das Jahr 1945 - “Januar – Februar – März 1945
– es wird immer interessanter. Die amerikanischen und englischen Flieger kommen jetzt auch bei Tag
in großen Verbänden. Für uns ein sicheres Zeichen, dass es dem Ende zu geht”.
Am 10. April 1945 wird er aus dem Zuchthaus Ludwigsburg entlassen, zu Fuß muss er sich nach Hause
auf den Weg machen: “Mit wundgelaufenen Füßen kam ich am ersten Tag über Herrenberg, Wurmberg bis auf
den Hagenschieß… Am anderen Morgen marschierte ich weiter. Ich kam durch das total zerstörte Pforzheim.
Ein einziges Trümmerfeld. Von der Stadt, wie ich sie in Erinnerung hatte, war nichts mehr übrig geblieben.
Wie ich durch die engen Gassen der Pforzheimer Innenstadt ging, konnte ich mir ein lebendiges Bild über die
grauenhaften Verwüstungen verschaffen, die der beispiellose Bombenkrieg über viele deutsche Städte gebracht
hatte. Wie mochte erst ein Land aussehen, in dem die faschistischen Banden jahrelang gewütet hatten !”
In Singen ernennen ihn die französischen Militärbehörden zum Bürgermeister; durch Wahlen bestätigt,
bleibt er bis 1953 in diesem Amt. Anschließend verdient er seinen Lebensunterhalt als Versicherungsvertreter. Als Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) hält Wilhelm Künzler Vorträge, um Jugendliche über die Zeit des Faschismus aufzuklären.
Adolf Mocker
engagiert sich in der Weimarer Zeit bei den Naturfreunden und im Vorstand des Arbeiter-Samariter-Bunds.
1929 wird er Mitglied der SPD und des DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband).
Nach dem Verbot der SPD im Juni 1933 arbeitet er bei der illegalen SAP (Sozialistische ArbeiterPartei) mit. Im Juni 1938 verhaftet ihn die Gestapo zusammen mit Brammer, Knöller. Ohlau,
Purkl und Schroth, am 14. März 1939 verurteilt ihn das OLG Stuttgart wegen „Vorbereitung zum
Hochverrat“ zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis. Er ist in Ulm, Dieburg und im Lager
Rollwald (Hessen) inhaftiert.
Karl Ohlau
wird 1920 Mitglied des DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband) und 1924 der Naturfreunde und ist
dort Jugendleiter und Schriftführer. 1926 tritt er der SPD bei und leitet den Arbeiter-Esperanto-Club.
1931 geht er mit vielen jungen Sozialdemokraten zur SAP (Sozialistische Arbeiter-Partei).
Im Februar 1933 durchsuchen Nazis seine Wohnung und sperren ihn in „Schutzhaft“. Er ist
weiter für die illegale SAP tätig. Am 8. Juni 1938 verhaftet ihn die Gestapo, das OLG Stuttgart
verurteilt ihn wegen “Vorbereitung zum Hochverrat” zu zwei Jahren Gefängnis. Er ist in Stuttgart, Ulm und im Lager Rollwald (Hessen) inhaftiert. Am 14. März 1940 aus dem Lager Rollwald
entlassen, stirbt er am 19. Juni 1942 an den Folgen der Haft.
Rudolf Pöhler
ist Sekretär des DMV (Deutscher Metallarbeiter-Verband), von 1922 bis 1925 SPD-Stadtverordneter und
ab 1926 SPD-Stadtrat. Am 1. Mai 1928 spricht er auf dem Marktplatz gegen die „militärischen Ambitionen der Regierenden“, d.h. gegen die Aufrüstung der Reichswehr mit Panzerkreuzern, im April 1932
gehört er zu den Rednern der SPD vor den Reichstagswahlen u.a. mit prophetischen Worten:
„Hitler heißt Vernichtung der sozialen Einrichtungen! Hitler heißt Inflation! Hitler heißt Krieg, Not, Hunger
und Elend für das ganze deutsche Volk!“
Am 19. Juli 1933 erhält er vom Leiter der örtlichen Nationalsozialistischen Betriebsorganisation (NSBO) Franz Flick die fristlose Kündigung zum 31. Juli 1933. Im Zuge der „Aktion Gitter“
nach dem Attentatsversuch auf Hitler ist Pöhler im August 1944 im Konzentrationslager Dachau
eingesperrt.
Von 1945 bis 1947 ist er kommissarischer Leiter des Arbeitsamtes. Er gehört zu den Mitbegründern der
Baugenossenschaft Arlinger. Im August 1945 beruft ihn die US-Besatzungsbehörde in den Stadtrat.
1947 bei den ersten freien Wahlen nach der Nazi-Diktatur wird er für die SPD in den Stadtrat gewählt,
1946 bis 1948 ist er Landtagsabgeordneter.
Walter Purkl
tritt 1921 in den Holzarbeiter-Verband ein, 1923 engagiert er sich auch in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Nach Jahren der Wanderschaft kommt er 1929 nach Pforzheim und wird Mitglied der
SPD sowie der Naturfreunde. 1931 geht er mit vielen jungen Sozialdemokraten zur neugegründeten
SAP (Sozialistische Arbeiter-Partei) und wirkt wie Karl Schroth mit im Kabarett „Die Roten Trommler“.
Trotz Verbot nimmt er teil an der illegalen Widerstandsarbeit der SAP gegen die Nazi-Diktatur.
Am 5. Mai 1938 verhaftet ihn die Gestapo. Am 20. Dezember 1939 verurteilt ihn das OLG Stuttgart wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren und vier Monaten Zuchthaus. Er ist
wie Wilhelm Künzler im Zuchthaus Ludwigsburg eingesperrt.
Hermann Rapp
wird 1894 als sechstes von sieben Kindern in einer armen Bauernfamilie in Iptingen geboren. Er
kann in Pforzheim eine Lehre als Maschinenschlosser machen und tritt 1911 der Gewerkschaft bei.
Unversehrt 1918 aus dem Weltkrieg heimgekehrt, findet er wieder Arbeit, seine Kollegen wählen ihn
zum Betriebsrat und zwei Jahre später zum Betriebsratsvorsitzenden. 1932, auf dem Höhepunkt der
Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, gibt er seinen sicheren Arbeitsplatz auf und übernimmt
den Vorsitz des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts-Bundes Pforzheim. „Trübe Ahnungen zogen in
letzter Zeit an meiner Seele vorüber“, schreibt er über seine Hauptsorge, da „die nationalsozialistische
Bewegung wächst und wächst“, denn er weiß, dass Hitler Krieg bedeutet. Im April 1933 notiert er: „Es
begann der Weg von einem Elend in ein noch viel größeres Elend hinein.“
Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften und Besetzung der Gewerkschaftshäuser am
2. Mai 1933 wird Hermann Rapp wie seine Gewerkschaftskollegen Reinhard Dathe und Rudolf
Pöhler zum 31. Juli 1933 fristlos entlassen; er kommt in seiner alten Firma unter, er und
seine Kollegen müssen 1939 nicht für „Führer, Volk und Vaterland“ in den Krieg, sondern
arbeiteten als Zulieferer für die Rüstungsindustrie, die Mauser-Werke, ungewollt Rädchen im
System des Eroberungs- und Vernichtungskrieges. Am 1. September 1939, dem Tag des Überfalls auf Polen, notiert Hermann Rapp: „Was stand auf jenem sozialdemokratischen Wahlplakat
bei einer der letzten Wahlen zum Deutschen Reichstag vor der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus? ‚Hitler bedeutet Krieg!’ Nur zu schnell war diese Prophezeiung Wirklichkeit
geworden.“
Seine Bewertung des Attentats am 20. Juli 1944: „Wäre das Attentat geglückt, hätten sicher
Hunderttausende unschuldige Opfer weniger ihr Leben lassen müssen und viele deutsche Städte
wären nicht mehr der Zerstörung anheim gefallen.“
Die Bombennacht des 23. Februar 1945 überlebt Hermann Rapp im Keller der Firma Andreas
Daub in der Luisenstraße; ein Auszug aus seinem Bericht: „…um 19.50 Uhr fielen die ersten
Bomben. Jetzt brach die Hölle los. Man hatte das Gefühl, als ob die Erde beben, die Grundmauern des Hauses aus ihren Fundamenten heraustreten, der Erdboden sich heben und senken
würde. Wir glaubten, der letzte Augenblick sei jetzt gekommen. Ich dachte, wenn es so sein soll,
dann wenigstens schnell. Die Angriffswellen kamen immer näher und näher und zogen vorbei, ohne dass man vom Keller aus sagen konnte oder wusste, wo die Bomben alle und überall
hinfielen. Draußen tobte es, aber der Keller hielt stand. Es hörte sich an, als ob Hunderte von
leeren Benzinfässern von einem ungeheuren Sturm über schlechte holprige Straßen und Plätze,
die mit Steinen übersät waren, dahingejagt würden. Dazwischen das Krachen der Bomben, eine
schaurige Musik, die durch die Finsternis im Keller, denn das Licht war ja gleich zu Beginn des
Angriffs ausgegangen, nur noch unheimlicher wurde.“
Nach der Bombardierung am 23. Februar 1945 schreibt Rapp: „Vor uns eine zerstörte und tote
Stadt, aus der fast alles Leben gewichen war. Keine Produktionsstätten mehr. So gut wie alle
Betriebe der Schmuck- und Uhrenindustrie und der übrigen Wirtschaft zerstört. Rund 18 000 Tote
unter den Trümmern. So weit das Auge reichte, nichts als Schutt und Trümmer, Trümmer und Ruinen, die übersät waren mit Kreuzen für die unter den Trümmern Begrabenen…Für den falschen
und blinden Wahn eines Teils (des deutschen Volkes) muss es mit dem totalen Zusammenbruch,
dem Trümmerhaufen seines Landes, seinen Millionen von Todesopfern, seinen im KZ Gemordeten
und dem damit verbundenen Leid und Elend einen unendlich hohen Preis bezahlen“.
An den 18. April 1945, der Tag der Befreiung Pforzheims, erinnert sich Hermann Rapp: „Die
feindlichen Truppen hatten nach zehntägigem Kampfe das ganze Stadtgebiet erobert und besetzt.
Man konnte wieder aufatmen. Wohl hatten wir für die Terrorherrschaft der Nazis die Herrschaft
der Franzosen eingetauscht, aber damit ging ja auch der Krieg seinem Ende zu und man konnte
wenigsten wieder ein freieres Wort sagen ohne zu befürchten, angezeigt oder gemeldet zu werden.“
Nach der Befreiung setzt sich Hermann Rapp wieder für seine Mitbürger ein, er hilft mit bei der
Lebensmittelverteilung und bei der Organisation der Aufräumarbeiten. Mit den von Krieg und Konzentrationslager verschonten Kollegen bereitet er die Neugründung der Gewerkschaften vor. Er wird
IG Metall-Bevollmächtigter und DGB-Kreisvorsitzender, er wirkt beim Wiederaufbau der Baugenossenschaft Arlinger und der Allgemeinen Ortskrankenkasse mit und ist Mitbegründer der Volksbühne und
der Volkshochschule. 21 Jahre trägt er als SPD-Gemeinderat Mitverantwortung für das Gemeinwesen.
Hermann Rapp ist und bleibt Kriegsgegner: 1957 protestiert er mit vielen Bürgern gegen die Stationierung von Nike-Raketen der US-Armee auf dem Wallberg - die Nike-Station wird dann trotz heftiger
Proteste auf Wurmberger Gemarkung errichtet.
1958 ist Hermann Rapp bei der Kampagne gegen Atombewaffnung dabei: „Kampf dem Atomtod!“
1973 erhält er den Ehrenring der Stadt Pforzheim.
Karl Schroth
wird 1909 in Pforzheim geboren. Durch den Vikar Erwin Eckert kommt er als Stahlgraveur-Lehrling
zur Sozialistischen Jugend, zur Gewerkschaft (Deutscher Metallarbeiterverband) und tritt 1927 der
SPD bei. 1931 schließt er sich der links von der SPD stehenden Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP)
an.
Im April 1932 warnen die Linksparteien: „Hitler heißt Krieg, Not, Hunger und Elend für das ganze
deutsche Volk !“ – eine klarsichtige Warnung, denn am 30. Januar 1933 übergeben die bürgerlichen
Parteien Hitler und der NSDAP die Macht. Bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 erhält die
NSDAP in Pforzheim 57,5 Prozent der Stimmen.
1933 im Juni verteilen Karl Schroth, Hans Brammer, Karl Otto Bührer und weitere SAP-Mitglieder in Pforzheim die illegale Schrift „Das Fanal“, das Titelblatt zeigt eine Fotomontage mit
schrecklichen Kriegs- und Verwüstungsszenen unter dem Titel „Durch Rüstung zum Krieg!“.
1934 heißt es „Hitler bedeutet Krieg!“ auf Zetteln, die Nazi-Gegner heimlich in Briefkästen
stecken. Karl Schroth und die SAP leisten auch für Verfolgte Fluchthilfe nach Frankreich.
1935 wird Karl Schroth inhaftiert und drei Tage verhört. Am 5. Mai 1938 verhaftet ihn die
Gestapo erneut. Im März 1939 wird er aus der Einzelhaft im Pforzheimer Gefängnis nach
Stuttgart verlegt. Am 6. September 1939 kommt der Volksgerichtshof Berlin nach Karlsruhe
und verurteilt Karl Schroth zu zwei Jahren Gefängnis. Er muss in Darmstadt und Dieburg bei
der Moor-Entwässerung mitarbeiten und im Straßenbau Steine klopfen. Im Frühjahr 1940
wird er entlassen und heiratet seine Verlobte Klara im Juni 1940. Er muss sich täglich bei der
Gestapo melden, bis er im Mai 1941 zur Wehrmacht eingezogen wird. Von der Pforzheimer
Buckenberg-Kaserne muss er zuerst nach Frankreich, dann nach Italien, wo er im Mai 1944 in
amerikanische Kriegsgefangenschaft gerät.
Ab Juni 1944 ist er im französischen Kriegsgefangenen-Wüstenlager Djelfa in der Nähe von Laghuat
(Algerien), ab April 1945 in einem Arbeitslager nahe der Mittelmeerküste.
Im Spätsommer 1945 am Rande der Sahara erfährt Karl Schroth, der Gegner der Nazi-Diktatur und
des Eroberungskrieges, vom Schicksal seiner Heimatstadt am 23. Februar 1945, dem Tag des Luftangriffs auf Pforzheim:
„Auf der Straße, außerhalb des Stacheldrahtzauns, rasseln staubbedeckte Panzer mit allem Pipapo,
Kradrädern, Jeeps und Munitionsfahrzeugen. Jawohl, ich schrecke bis ins Innere auf. Ich öffne die Augen
ganz weit, die rasselnden Ungetüme sind grell bemalt – ein Jux, eine Fata Morgana – mit den Namen
von unmittelbar an Pforzheim angrenzenden Gemeinden. Ich staune und lese: Kleinsteinbach, Königsbach, Bilfingen, Stein, Ersingen – auf jedem neu vorbeiziehenden Panzer – ein vertrauter Name. Sofort
versuche ich einen Kradfahrer an den Zaun zu bekommen. Ohne Erfolg. Die Fahrzeuge donnern vorbei
wie ein eiliges Gewitter. Die Heimat so fern und plötzlich so nah und umgehend wieder so fern. Ich
gehe zu Freyér (einem Aufseher) und bitte ihn, einen dieser vorbeigerauschten Augenzeugen ausfindig
zu machen, und nun erfahre ich von einem jungen Soldaten, dass seine Truppe in allen auf die Panzer
gemalten Orte längere Zeit festgesessen ist. Und rücksichtsvoll, geradezu zögernd, gibt er preis, was ich
ängstlich vermute: ‚Deine Stadt’ – er breitet die Arme weit aus – ‚tous cassé, kaputt, total kaputt.’ Ich
fühle, wie mein Herz schneller schlägt, sich überhaspelt und zu rasen beginnt...“.
Im Juli 1947 aus der Gefangenschaft entlassen, kehrt er im August nach Pforzheim zurück. Karl
Schroth wirkt nach dem Krieg mit beim Aufbau eines demokratischen Staates, durch seine Verbindungen als Zeitungsredakteur kommt Fritz Erler nach Pforzheim. Karl Schroth ist drei Jahre Vorsitzender der SPD, wirkt neun Jahre als Stadtrat für das Gemeinwesen und arbeitet bei der Volksbühne
und der Arbeiterwohlfahrt mit. Karl Schroth stirbt 1999.
ADGB:
Allgemeiner Deutscher Gewerkschafts-Bund, 1919 gegründeter Dachverband von 52 freien, d.h. den Arbeiterparteien nahestehenden Gewerkschaften in Abgrenzung zu christlichen und liberalen Gewerkschaften; 1933 durch die
Nazis verboten; Vorläufer des heutigen DGB
Aktion Gitter:
Verhaftung von über 5 000 tatsächlichen oder vermuteten Regime-Gegnern ab dem 22. August 1944 im Anschluss
an die Verhaftungswelle auf der Suche nach Mitverschwörern des Attentats am 20. Juli 1944; die in „Schutzhaft“
Genommenen wurden für Wochen in Konzentrationslagern eingesperrt; in Pforzheim holte die Gestapo zehn
frühere SPD- und KPD-Stadtverordnete aus den Wohnungen, brachte sie ins Gefängnis an der Rohrstraße und
deportierte sie ins Konzentrationslager Dachau
DMV:
Deutscher Metallarbeiter-Verband, 1891 gegründete Gewerkschaft der Metallarbeiter; 1933 durch die Nazis verboten; Vorläufer-Organisation der heutigen Industriegewerkschaft Metall
Eiserne Front:
Am 16. Dezember 1931 bildete das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold mit dem Arbeiter-Turn- und Sportbund, dem
ADGB sowie der SPD die Eiserne Front gegen das Anwachsen der NSDAP und den Zusammenschluss der nationalistischen Feinde der Weimarer Republik in der „Harzburger Front“; in Pforzheim gegründet am 13. Februar 1932
auch unter Beteiligung der christlichen und hirschdunckerschen Gewerkschaften; 1933 von den Nazis verboten
Hirsch-Dunckerscher Gewerkverein:
1868 von dem Verlagskaufmann Max Hirsch und dem Verleger und Buchhändler Franz Duncker gegründete liberale
Gewerkschaft im Gegensatz zu den sozialistisch orientierten freien Gewerkschaften; 1933 durch die Nazis verboten
Konsum-Verein:
Einkaufs-Genossenschaften, meist gegründet von Arbeitervereinen bzw. Gewerkschaften im 19. Jahrhundert, deren
Mitglieder Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs zu Großhandelspreisen kaufen konnten
KPD:
Kommunistische Partei Deutschlands, gegründet am Jahreswechsel 1918/19 als Zusammenschluss des SpartacusBundes, Teilen der USPD und kleineren Gruppen, 1932 bekam die KPD ca. 15 Prozent der Wählerstimmen in Pforzheim; 1933 von den Nazis verboten
Naturfreunde:
1895 in Wien gegründete Organisation von „wanderlustigen und naturverbundenen Arbeitern und Arbeiterinnen“,
den freien Gewerkschaften und der SPD nahestehend, Gründung der Ortsgruppe Pforzheim 1910; 1933 durch die
Nazis verboten
NSBO:
National-Sozialistische Betriebszellen-Organisation, ab 1931 eine gewerkschaftsähnliche Organisation der NSDAP,
sie erreichte bei den Betriebsratswahlen im März 1933 knapp 12 % der Stimmen gegenüber fast 75 % für die Kandidaten der freien Gewerkschaften;
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold:
1924 auch als „Bund republikanischer Kriegsteilnehmer“ hauptsächlich aus den Reihen der SPD gegründete „überparteiliche Schutzorganisation der Republik und der Demokratie im Kampf gegen Hakenkreuz und Sowjetstern“;
Gründung in Pforzheim am 22. Juli 1924; 1933 von den Nazis verboten
RGO:
Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition, ab 1929 eine der KPD nahestehende Gewerkschaft, 1933 durch die Nazis
verboten
USPD:
Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands, im April 1917 gegründete Abspaltung von der SPD, ausgelöst durch die Zustimmung der SPD-Parteiführung zu den Kriegskrediten, d.h. zur Fortsetzung des Krieges
SAP:
Sozialistische Arbeiter-Partei, 1931 gegründet von SPD-Mitgliedern, weil sie mit der Zustimmung der Parteiführung
zum Bau von Panzerkreuzern nicht einverstanden waren. Die SAP versuchte, eine Einheitsfront gegen die drohende faschistische Gefahr herzustellen, eine „Brücke, um die beiden antifaschistischen Parteien SPD und KPD
durch die dritte Kraft im Kampf gegen Hitler näherzubringen“ (Karl Schroth). In Pforzheim und Huchenfeld hatte
die Partei etwa 100 Mitglieder
Schutzhaft:
Durch die verharmlosend als „Schutzhaft“ bezeichnete ungesetzliche Inhaftierung setzten die Nazis mithilfe der
„Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 das Recht auf persönliche Freiheit außer Kraft, für die Gestapo wurde damit ein Instrument der Willkür und des Terrors geschaffen, das
nicht an den Rechtsstaat und v.a. nicht an gerichtlichen Schutz gebunden war
SPD:
Sozialdemokratische Partei Deutschland, 1875 gegründet als Interessensvertretung von abhängig Beschäftigten in
Parlamenten; 1932 bekam die SPD ca. 15 Prozent der Wählerstimmen in Pforzheim, 1933 von den Nazis verboten
Stadtrat:
in Pforzheim ca. 20 Mitglieder, gewählt durch die Stadtverordnetenversammlung, vergleichbar dem Ältestenrat, in
dem SprecherInnen aller Fraktionen entsprechend der Fraktionsstärke vertreten sind
Stadtverordneten-Versammlung:
vergleichbar dem heutigen Gemeinderat, gewählt von allen Stimmberechtigten, in der Weimarer Zeit in Pforzheim
ca. 80 Mitglieder, die den eigentlichen Stadtrat wählen
Strafbataillon 999:
Truppenteil der Nazi-Wehrmacht seit 1942, bestehend aus Kriminellen und inhaftierten Antifaschisten, aus Zuchthäusern und z.T. aus Konzentrationslagern als Nachschub an „Menschenmaterial“ für die Fronten zwangsrekrutiert
Zentrum:
1870 gegründete, an die katholische Kirche gebundene Partei; in der Weimarer Zeit setzte sie sich für die Sicherung der Republik und den Ausbau des Sozialstaates ein; 1932 bekam das Zentrum knapp zehn Prozent der
Wählerstimmen in Pforzheim, ihre Abgeordneten stimmten am 23. März 1933 dem Ermächtigungsgesetz für Hitler
zu, im Juli 1933 löste sich das Zentrum selbst auf; die Partei gehörte nach 1945 zu den Vorläuferorganisationen
der heutigen CDU
- Akyol, Daniela, Brändle, Gerhard, Zeichen der Erinnerung gegen Hass und Gewalt, Pforzheim
1933 – 1945, HRSG: Deutsche Friedens-Gesellschaft, Pforzheim, 2010
- Brändle, Gerhard, „Gegen das Vergessen, Mut zum Widerstand - auch im Enzkreis“, in:
Der Enzkreis, Jahrbuch 6, HRSG: Landratsamt Enzkreis, Pforzheim, 1995, S. 163 ff.
- Brändle, Gerhard, Schmidt, Melanie (Hrsg.), August Weik, Meine Lebengeschichte, Pforzheim, 2011
- Brändle-Zeile, Elisabeth, Opfer der NS-Herrschaft in Mühlacker 1933 – 1945, in:
Historische Streiflichter 1596 bis 1945, hrsg: Stadt Mühlacker, Ubstadt-Weiher, 1997, S.139 ff.
- Burkhardt, Bernd, Eine Stadt wird braun, Hamburg, 1980
- Dagenbach, Klaus, Rupp, Markus, Die Pforzheimer SAPD im Widerstand, Pforzheim, 1995
- Endlich, Stefan, Für Freiheit und Menschenwürde, Die Geschichte der Pforzheimer Gewerkschaftsbewegung, Pforzheim, 1991
- Groh, Christian, Das war das 20. Jahrhundert in Pforzheim, Gudensberg-Gleichen, 2000
- Gurs – Vorhölle von Auschwitz, Antisemitismus in Pforzheim 1920 – 1980, Dokumente,
Fotos, Berichte, HRSG: Stadt Pforzheim, Zusammenstellung: Gerhard Brändle, Pforzheim, 1980
- Künzler, Wilhelm, Aus meinem Leben, Karlsruhe, 1980
- „Mut zum Widerstehen“, Ausstellung Pforzheim 1933 – 1945. Dokumentation der Ausstellungstafeln,
HRSG: Stadtjugendring Pforzheim, Redaktion: Gerhard Brändle, Pforzheim, 1995
- Rapp, Hermann, Aus schwerer und bewegter Zeit, Pforzheim, 1975
- Schroth, Karl, Und immer wieder für die Freiheit, Pforzheim, 1977
- Schroth, Karl, Der vorgezeichnete Weg, o.O., o.J. (unveröffentlichtes Manuskript)
- Studienkreis: Deutscher Widerstand (HRSG), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten
des Widerstands und der Verfolgung 1933 – 1945, Bd. 5, Bad.-Württ. I, Frankfurt/M., 1991
Ausstellungstafeln:
Demonstration Juli 1932: Baruch - Tabelle Wahlen: Brändle – Stadtplan (politische Geografie Pforzheim
ab 1933): Brändle - Naturfreundehäuser Huchenfeld und Kohlerstal: Naturfreunde Pforzheim – Kislau
Plan: Landesarchiv BW-GLA KA - Kislau: Wimmer – Rapp, Klostermühle, DGB-Haus, Kündigung: DGB
- DMV-Haus, Pöhler, Dathe: IG Metall – Herdecker: Kiefer – Kruse: M.Schabel - ADGB Mühlacker: Glaser
- Berties/Hettler: Stadtarchiv Mühlacker – Zünder: Brändle - Zielfoto: Imperial War Museum London
- Tabelle 23.2.1945: Brändle DGB-Haus: DGB - übrige: Stadtarchiv Pforzheim
Biografien:
Baier: Privatarchiv Brändle/Enrico Hilbert - Bernhard: unbekannt (Reichstags-Handbuch 1933) - Bauer:
NGG - Brammer: Schroth - Dathe: IG Metall - Dörflinger: Schroth - Fecht K.: Ortsarchiv Niefern - Fink:
Baruch - Herdecker: I. Kiefer - Jäger: Stadtarchiv Pforzheim - Knöller: DGB - Kruse: M. Schabel - Künzler: Perplies - Mocker und Ohlau: Schroth - Pöhler: IG Metall - Purkl: Baruch - Rapp: DGB - Schroth:
Schroth
1
2
5
12
3
4
6
7
8
9
10
11
Deutschen
-
KPD-Lokal
12. Holzgartenstr. 3: Büro der
Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaft
11. Sophienstr. 50: „Graf Eberhard“ - KPD-L
10. Holzgartenstr. 36 - Kunstgewerbeschule
9. Pflügerstr. 45: „Zum Hermannsteg“- KPD-Lo
8. Gymnasiumstr.
48: „Laterne“12. Holzgartenstr.
3: Büro der
Hirsch-Dunkerschen Gewerkschaft
und
Gymnasiumstr.): Kundgebungsplatz
11. Sophienstr. 50: „Graf Eberhard“ - KPD-Lokal
7. Theaterplatz
(Ecke Theater10. Holzgartenstr.
36 - Kunstgewerbeschule
9. Pflügerstr. 45: „Zum Hermannsteg“- KPD-Lokal
8.
KPD-Lokal: am 1. Febr. 1933 geschlossen,
Gymnasiumstr. 48: „Laterne“- KPD-Lokal
ab 22. April „Braunes Eck“ mit NSDAP-W
7. Theaterplatz (Ecke Theater- und
6. Theaterstr.Kundgebungsplatz
11: Zur Kautzenbach
Gymnasiumstr.):
6. Theaterstr. 11: Zur Kautzenbach KPD-Lokal:
am 1. Febr. 1933
5. Gymnasiumstr.
24:geschlossen,
Klostermühle ab 22.ADGB-Büro,
April „BraunesSPD-Lokal
Eck“ mit NSDAP-Wirt
und Bibliothek
Büro der Bauarbeiter-Gewerkschaft,
5. Gymnasiumstr.
24: Klostermühle
4. Zehnthofstr.
2: Gaststätte
„Zehnthof“
ADGB-Büro, SPD-Lokal und Bibliothek
3. Emma-Jäger-Str.:
Haus des4. Zehnthofstr.
2: Gaststätte „Zehnthof“
Büro Metallarbeiter-Verbands
der Bauarbeiter-Gewerkschaft,
3. Emma-Jäger-Str.:
„Platz der Haus
SA“ des Deutschen
Metallarbeiter-Verbands
2. Turnplatz: Kundgebungsplatz, ab 1937
2. Turnplatz: Kundgebungsplatz, ab 1937
„Platz der SA“
1. Bergstr. 22: Englischer Hof - KPD-Lokal
1. Bergstr. 22: Englischer Hof - KPD-Lokal
Politische
Geografie
Politische
Geografie
Pforzheims
ab 1933
Pforzheims
ab 1933
Der 1. Mai wurde vom Kampftag der Arbeiterbewegung zum verordneten Feiertag
Seit Ende Februar 1933 sind die Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft. Der Reichstag hat
sich am 24. März selbst abgeschafft. Im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) gibt es
noch Zweifel über den Kurs der Hitler-Regierung gegenüber den Gewerkschaften: „Werden sie in der
bisherigen Form weiter bestehen bleiben und ihre Lohn- und sozialpolitischen Aufgaben so wie bisher
erfüllen können?“, fragt der Pforzheimer Gewerkschaftssekretär Hermann Rapp in seinen Erinnerungen
„Aus schwerer und bewegter Zeit“. Noch am 19. April nimmt der Vorstand des ADGB Stellung zum
„Feiertag der nationalen Arbeit“, zu dem die Hitler-Regierung den 1. Mai inzwischen erklärt hatte,
und ruft seine Mitglieder auf, „für die vollberechtigte Eingliederung der Arbeiterschaft in den Staat sich
allerorts an der von der Regierung veranlassten Feier festlich zu beteiligen“.
Die Vorstellung, sich mit den braunen Machthabern arrangieren zu können, zerplatzt in Pforzheim
letztendlich bei den Verhandlungen der Gewerkschafter mit dem Leiter der Nationalsozialistischen
Betriebszellen-Organisation (NSBO) Franz Flick, der mitteilen lässt, „an der Maidemonstration könnten
sich die Gewerkschaftsmitglieder nur einzeln beteiligen, nicht aber die Gewerkschaften als Formation“.
1. Mai
Die Verantwortlichen der Pforzheimer Gewerkschaften wissen um das Risiko, offen mit Transparenten
oder Sprechchören bei der Maidemonstration gegen die neue Regierung zu opponieren: Hausdurchsuchungen, willkürliche Verhaftungen, Entlassungen von Beamten aus politischen Gründen, Amtsenthebungen von Bürgermeistern in Umlandgemeinden, Schließung von Gaststätten, die als Treffs von SPDbeziehungsweise KPD-Mitgliedern bekannt waren, erste Berichte von Konzentrationslagern bei Dachau
und in Kislau… Sie wissen auch um die Schwäche der Gewerkschaftsbewegung: 46 % der Mitglieder
sind arbeitslos, 22 % auf Kurzarbeit und nur 32 % noch voll beschäftigt.
Am 1. Mai geht dann der verordnete Umzug in Pforzheim unter vielen Hakenkreuzen, aber ohne
sichtbare Beteiligung der Gewerkschaften vor sich. Da die Betriebe geschlossen teilnehmen, bleibt
den meisten Arbeitern nichts anderes übrig, als sich bei ihrem Betrieb einzureihen, war der Tag doch
ein bezahlter Feiertag und Nichtteilnahme wäre als Arbeitsverweigerung mit entsprechenden Konsequenzen gewertet worden. Von den Forderung des ADGB von 19. April nach Arbeitszeitverkürzung
auf 40 Stunden bei vollem Lohnausgleich als ein Mittel gegen die Arbeitslosigkeit ist auf Pforzheims
Straßen nichts mehr zu hören oder zu sehen. Die letzten drei gewählten Gewerkschaftsvertreter feiern
den 1.Mai auf „eigene Art und Weise: Wir machten einen schönen Spaziergang im Walde“.
2. Mai
Am Morgen des 2. Mai geht Hermann Rapp in sein Büro in der Gaststätte Klostermühle in der Gymnasiumstraße in Pforzheim, seine Kollegen Reinhard Dathe und Rudolf Pöhler ins Büro der Metallarbeitergewerkschaft. Um 9 Uhr beziehen SA-Männer Posten vor der Klostermühle, gegen 10 Uhr dann
verschaffen sich etwa 25 SS- und SA-Männer, bewaffnet mit Pistolen und Gewehren, Zugang zu den
Räumen des ADGB. Gleiches geschieht mit über 50 SS- und SA-Männern gegen die zwei Beschäftigten
des Metallarbeiter-Verbandes in der Emma-Jaeger-Straße. Die Bibliothek und die Räume des Verkehrsverbandes werden durchsucht und durchwühlt, am 17. Juni landen – so vermutet Rapp – die Bücher
auf dem Scheiterhaufen auf dem Marktplatz. Die Befehle kommen von dem örtlichen NSBO-Leiter
Franz Flick und Heinrich Steiger, dem Kreisbetriebszellenleiter aus Karlsruhe, der Vorwand lautet:
„Schutz der Arbeitergroschen“. Ein bisher arbeitsloser kaufmännischer Angestellter, jetzt zum NSBOBeauftragten ernannt, soll Rapp überwachen und die unterstellten Unregelmäßigkeiten in der Kassenführung herausfinden, jedoch „musste er bestätigen, dass er nichts Nachteiliges gefunden hatte und
alles in bester Ordnung sei“. Währenddessen bearbeitet Rapp weiter Rechtsauskünfte von Kollegen und
reicht für sie Klagen vor dem Arbeitsgericht ein.
31. Juli
Ende Mai kommt es zum Wortgefecht über die Behauptung Steigers, der NS-Bewegung könne nichts
widerstehen. Die Antwort von Rapp ist das letzte Wort der freien Gewerkschaften in Pforzheim: „Sie
können mich jetzt brotlos machen, Sie haben die Macht dazu ! Sie können mich in Schutzhaft nehmen,
Sie haben die Macht dazu. Sie können vielleicht noch etwas anders mit mir anfangen, auch dazu haben
Sie die Macht. Aber eins können Sie nicht: Sie können mir meine Weltanschauung, die ich mir in jahrzehntelanger Arbeit erkämpft habe, nicht nehmen und durch eine andere ersetzen, dazu haben Sie keine
Macht!“
Vom 19. Juli 1933 stammt die Kündigung, am 31. Juli 1933 sind Reinhard Dathe, Rudolf Pöhler und
Rapp arbeitslos, die Tätigkeit freier Gewerkschaften im Interesse der abhängig Beschäftigten ist
beendet. Die Mitgliedschaft in der „Deutschen Arbeitsfront“ (DAF), einer Unterorganisation der NSDAP,
wird Pflicht. Rapp fasst die kommende Entwicklung zusammen mit den Worten: „Der Betrieb wird
zur Kaserne“ und erinnert sich an 1932: „Wie hieß die Parole der SPD im Wahlkampf ? ‚Hitler bedeutet
Krieg !’ Er will eben auf ganz anderem Wege, nämlich durch Aufrüstung die Arbeitslosigkeit beseitigen.
Dadurch ist aber für die Arbeiterschaft und für das ganze Volk erst recht nichts gewonnen, sondern es
begann der Weg von einem Elend in ein noch viel größeres Elend hinein“.
Weiterlesen: www.pfenz.de/wiki/Zerschlagung_der_Gewerkschaften_1933_in_Pforzheim
Gründe für das Entstehen der SAP in Pforzheim
Ende 1931 treten mehr als zwei Drittel der Pforzheimer Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ),
mehr als 40 Personen, aus der Jugendorganisation der SPD aus, weil sie mit dem Kurs der Parteiführung,
unter anderem Zustimmung zum Bau von Panzerkreuzern, nicht mehr einverstanden sind. Die antimilitaristische Ausrichtung der SAJ kommt in dem „Lied der Falken“ zum Ausdruck:
„Nie, nie woll’n wir Waffen tragen!
Nie, nie woll’n wir wieder Krieg!
Laßt die reichen Herren sich alleine schlagen,
wir machen einfach nicht mehr mit!“
Mit ausschlaggebend für die Austrittswelle ist der Beschluss des SAJ-Hauptvorstands, der die Mitgliedschaft
in der Deutschen Friedensgesellschaft als unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der SAJ erklärt.
Ebenso ein Grund für die Austritte ist die Tolerierung der Notverordnungen der Regierung Brüning durch
die SPD-Reichstagsfraktion, mit denen die direkten Steuern auf Löhne, Einkommen und Umsätze und vor
allem die indirekten Steuern wie auf Zucker, Bier und Tabak erhöht wurden - bei gleichzeitiger Senkung
der Sozialausgaben sowie der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst. Im Herbst 1931 verschärft die
Regierung durch staatlich festgelegte Lohn-, Preis- und Mietsenkungen noch einmal bewusst die Deflation,
verschont bleiben von diesen Maßnahmen die Reichswehr und die Großgrundbesitzer östlich der Elbe.
Zur SAJ-Gruppe Pforzheim und dann zur SAP gehören auch die Mitglieder der jüdischen Jugendbewegung
„Kameraden“ wie Kurt Baruch, Wilhelm Blum, Hans Pollak, Werner Reinheimer und Paul Strimpel. Bei der
Spaltung der jüdischen Jugendbewegung schließen sie sich nicht der Gruppe um Martin Buber an, sondern
der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ).
1931: Übertritte zur Sozialistischen Arbeiterpartei
Im November 1931 geht die Gruppe der Ausgetretenen geschlossen zur neugegründeten Sozialistischen
Arbeiterpartei. Diese versteht sich als Versuch, eine Einheitsfront gegen die drohende faschistische Gefahr
herzustellen, nach Karl Schroth eine „Brücke, um die beiden antifaschistischen Parteien SPD und KPD
durch die dritte Kraft im Kampf gegen Hitler näherzubringen“. In Pforzheim und Huchenfeld hat die Partei
etwa 100 Mitglieder.
Werner Reinheimer spricht bei öffentlichen Versammlungen für die SAP, schreibt für das neu gegründete
Kabarett „Die Roten Trommler“ mit Karl Schroth die Texte und gerät so in die Schusslinie des politischen
Gegners, er bekommt im Sommer 1932 Morddrohungen und nachgedruckte Fahrkarten „Ab nach Jerusalem!“.
1932: Gegen die faschistische Gefahr
Vor den Reichspräsidentenwahlen im April 1932 warnen die Linksparteien: „Hitler heißt Krieg, Not, Hunger
und Elend für das ganze deutsche Volk !“ – auch bei der gemeinsamen Demonstration von SAP und KPD am
16. Juli 1932 in Pforzheim - eine vergebliche Warnung, denn am 30. Januar 1933 übergeben die bürgerlichen Parteien Hitler und der NSDAP die Macht. Bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933 erhält die
NSDAP in Pforzheim 57,5 Prozent der Stimmen.
1933: In der Illegalität
Ab Februar 1933 wird die Sozialistische Arbeiterpartei in die Illegalität gedrängt, ihre Presse verboten; die
Partei geht auf Tauchstation, löst das Büro in der Forststraße 4 auf, lässt Schreib- und Abzugsmaschinen,
Bücher und Propagandamaterial verschwinden. Decknamen werden benutzt, aus Werner Reinheimer wird
“Uli”, aus Karl Schroth wird “Herbert”. Es gibt keine öffentlichen Versammlungen mehr, nur noch Treffs
von Dreiergruppen, gefährliche Korrespondenz geht ab jetzt in unsichtbarer Tinte. Spendensammlungen
helfen Verfolgten und ihren Familien. Die führenden Köpfe der illegalen Organisation sind Karl Otto Bührer
(Lehrer), Walter Purkl (Vergolder) und Karl Schroth (Zeichner).
Werner Reinheimer bekommt „Besuch“ von der Gestapo und wird für kurze Zeit festgenommen, da die
Nationalsozialisten bei ihm Gelder der illegalen Partei und Druckmaschinen vermutet. Seine geschäftlichen
Kontakte und Auslandsreisen nutzt er für Kurierdienste zur SAP-Zentrale in Paris. Im Frühjahr 1935 muss
Werner Reinheimer seine Heimat Richtung Brasilien verlassen, da seine Existenz als Reisender in Sachen
Schmuck zunehmend verunmöglicht wird.
Warnung vor dem Krieg, Hilfe für Verfolgte
In Flugblättern, die nachts in Briefkästen gesteckt werden, warnt die SAP vor der “Erweiterung des Lebensraums nach Osten” (Adolf Hitler in „Mein Kampf“), was „soviel wie Krieg bedeutet“, auf Klebezetteln
stehen Texte wie „Wer Hitler wählt, wählt Krieg“. Im Juni 1933 verteilen SAP-Mitglieder in Pforzheim die
illegale Schrift „Das Fanal“, das Titelblatt zeigt eine Fotomontage mit schrecklichen Kriegs- und Verwüstungsszenen unter dem Titel „Durch Rüstung zum Krieg!“.
Im Jahr 1933 ist die örtliche Sozialistische Arbeiterpartei Glied einer Fluchtkette, mittels derer verfolgte
Antifaschisten über die Deckadresse der Partei in Pforzheim, den Maurer Gustav Hörmann in der SanktGeorgen-Straße 44, zu Pfarrer Friedrich Honecker in Schwann gelangen, um „im Pfarrhaus eine Verschnaufpause einzulegen“ - vermittelt über Karl Schroth. Von dort aus führt der Fluchtweg über Freiburg und Weil
am Rhein ins rettende Ausland. Für das Jahr 1934 ist Friedrich Honecker als Mitglied der illegalen Sozialistischen Arbeiterpartei genannt, betreut von der SAP in Huchenfeld und der SAP-Führung in Pforzheim
mit Karl Bührer, Walter Purkl und Karl Schroth. Er bezieht wohl auch die Zeitschrift „Das Banner“, bezahlt
Mitgliedsbeiträge, er ist als Verantwortlicher einer Dreiergruppe aufgeführt.
Nach dem Verbot der SPD am 22. Juni 1933 kommen folgende SPD-Mitglieder zur SAP: Ott Bär, Karl Blatz,
Josef Dörflinger, Gustav Hörmann, Adolf Hog, Otto Knöller, Karl Laible, Adolf Mocker, Willi Moster, Karl
Richardon und andere.
1935/1938: In den Fängen der Gestapo
Im Januar 1935 verhaftet die Gestapo Otto Brodbeck, Karl Otto Bührer und Karl Schroth und verhört sie
drei Tage lang ohne Ergebnis, die Beweise reichen nicht für eine Anklage.
Am 11. April 1938 gerät Karl Otto Bührer in die Fänge der Gestapo, im Mai und Juni werden Hans Brammer,
Otto Brodbeck, Ludwig Bub, Josef Dörflinger, Otto Habmann, Otto Knöller, Adolf Mocker, Karl Ohlau, Walter
Purkl, Erwin Raisch und Karl Richardon verhaftet, im Oktober als letztes SAP-Mitglied Heinrich Bürk.
Karl Bührer, Erwin Raisch und Karl Schroth werden am 9. Juni 1939 von dem in Karlsruhe tagenden
Volksgerichtshof abgeurteilt, Otto Brodbeck, Heinrich Bürk und Walter Purkl am 20. Dezember 1939 vom
Oberlandesgericht Stuttgart (1. Senat), die anderen Antifaschisten am 14. März 1939 vom Oberlandesgericht Stuttgart (2. Senat). Die 16 SAP-Mitglieder werden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu Strafen
zwischen zwei Jahren Gefängnis und zehn Jahren Zuchthaus (Karl Otto Bührer) verurteilt.
Dies bedeutet das Ende des organisierten politischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten in Pforzheim. Der Krieg, vor dem die SAP gewarnt hatte, hatte mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939
schon begonnen.
Weiterlesen: www.pfenz.de/wiki/SAP
40
1944 lief nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20. Juli in ganz Deutschland die „Aktion
Gitter“, auch „Gewitter“ genannt, an, eine schon länger geplante Verhaftungsaktion. Betroffen waren nicht nur die mittelbar oder unmittelbar Beteiligten am Attentat, ihre Familien oder Mitwisser,
sondern alle potentiellen Regime-Gegner aus der Reihen der 1933 verbotenen Parteien, in erster Linie
deren frühere Funktionsträger, selbst wenn sie sich aus der politischen Arbeit zurückgezogen hatten.
Über 5.000 „Antifaschisten“ wurden verhaftet, über 700 Mordurteile gefällt und vollstreckt.
August 1944 in Pforzheim
In Pforzheim holten im August 1944 Männer der Gestapo-Außenstelle Pforzheim an der Bahnhofstraße
– früher stand dort der Hexenturm in der Stadtmauer; nach 1945 war wieder die Polizei in dem Gebäude untergebracht – insgesamt 15 frühere sozialdemokratische und kommunistische Stadtverordnete aus
ihren Wohnungen, brachten sie ins Gefängnis an der Rohrstraße und deportieren sie über das Gefängnis in Karlsruhe ins Konzentrationslager Dachau.
Augenzeugenbericht von August Weik
August Weik schreibt in Meine Lebensgeschichte über seine Zeit im Konzentrationslager Dachau:
„Nachts sind wir in Dachau angekommen. In einer großen Brausebad-, wahrscheinlich aber Vergasungshall mit Züchtigungsvorrichtungen, mussten wir bis zum Morgen aushalten. Nach dem Antreten und
Registrierung hieß es splitternackt ausziehen und alles abgeben... Die größte Erniedrigung und Gemeinheit war, dass jedem alle Haare geschert wurden - mit der Schere, wo zuvor einem das Geschlechtsteil
geschoren wurde, kam der nächste mit dem Schurrbart dran. Am nächsten Morgen war Trauer, einer
brachte die Nachricht, cirka 90 Häftlinge seien in der Kiesgrube erschossen worden. So gab’s jeden Tag
neue Parolen. Der Vergasungs- und Verbrennungsofen rauchte alle Tage zu jeder Zeit. Der doppelte
Drahtzaun war mit elektrischem Strom geladen, außerdem bemannte Türme mit Maschinengewehren.
Ein Entweichen der Häftlinge war unmöglich. Das Fressen, Essen konnte man nicht sagen, war fast jeden
Tag das gleiche, und trotzdem rissen sich viele darum. TBC-Kranke gab’s viele. Drei Wochen musste unser
Transport in diesem schrecklichen Martyrium ausharren, bis er erlöst und entlassen wurde. Während der
ganzen Haftzeit (bekamen, fehlt im Original) wir nie eine Erklärung, weshalb wir hier sind, auch nie
eine Vernehmung. Nur bei der Entlassung bekamen wir von einem SS-Offizier die kategorischen Worte mit
auf den Weg: ‘Wer das Lager nicht mehr von innen sehen will, muss das Maul halten’. Ein nie gekanntes
Gefühl überkam mich, als ich das schwere eiserne Tor hinter mir hatte. ‘Frei sein’, was man zu jener Zeit
noch ‘frei’ nennen konnte...“
Namentlich bekannte Opfer sind aus Pforzheim:
Wilhelm Doll (KPD), Karl Fecht (KPD), Josef Hils (SPD), Joseph Hoffmann (SPD), Heinrich Jäger (KPD),
Gottlieb Mössinger (SPD), Rudolf Pöhler (SPD), Richard Raisch (SPD) sowie Ernst Stoll (SPD) und August Weik (SPD). Die Genannten haben das Konzentrationslager Dachau alle überlebt.
Der in Pforzheim geborene Julius Helmstädter, der ebenfalls nach dem 20. Juli 1944 festgenommen
worden war, starb unter unbekannten Umständen am 11. Februar 1945 im Konzentrationslager Dachau.
Auch im Zuge der „Aktion Gitter“ wurde Nikolaus Bernhard, der 1911/12 in Pforzheim Stadtverordneter für die SPD war, im Konzentrationslager Sachsenhausen eingesperrt.
Karl Bauer aus Arnbach, der in Pforzheim die Goldschmiede- und dann die Kunstgewerbeschule besuchte, als SPD-Mitglied und Gewerkschaftssekretär schon ab 1935 für 22 Monate in den Fängen der
Gestapo, wurde im August 1944 erneut verhaftet und im Konzentrationslager Dachau eingesperrt.
Als die aus Pforzheim stammenden Nazi-Gegner im August 1944 im KZ Dachau eintrafen, saßen dort
schon seit Jahren Menschen, weil sie versuchten, dem Regime zu widerstehen, so die Kaplane Kurt
Habich und Emil Kiesel von der St. Franziskus-Pfarrei in Pforzheim sowie der SPD-Reichstagsabgeordnete Dr. Kurt Schumacher MdR. Er war Redner bei der letzten Kundgebung gegen die NSDAP auf dem
Turnplatz in Pforzheim am 4. Februar 1933 mit der prophetischen Warnung: „Hitler heißt Krieg, Not,
Hunger, Elend für das ganze deutsche Volk“.
Weiterlesen: www.pfenz.de/wiki/Aktion_Gitter