Struktur - Tolerantes Sachsen

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Struktur - Tolerantes Sachsen
Struktur und Wahlanalyse der
Nationaldemokratischen Partei Deutschlands
(NPD) in Sachsen und anderer rechtsextremer
Organisationen in ihrem Umfeld
Erarbeitung:
Maria Grjasnow / Friedemann Bringt
September 2008
© Kulturbüro Sachen e.V.
Erarbeitung: Maria Grjasnow
www.kulturbuero-sachsen.de
Stand 07/2006
Veröffentlichung und Vervielfältigung – auch auszugsweise – bedürfen der ausdrücklichen & schriftlichen Genehmigung des Kulturbüro Sachsen e.V.
NPD – Bundespartei
Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands ist eine rechtsextremistische, vom
Gegründet
28. November 1964
Bundesamt und den Landesämtern für
Sitz
Berlin
Verfassungsschutz beobachtete Partei, die
sich in ihrem politischen und ideologischen
Mitglieder
7200 (Stand 2007)
Selbstverständnis positiv auf die NS-Diktatur
Vorsitzender
Udo Voigt
in Deutschland bezieht. Die ideologische
Stellvertretende
Holger Apfel
Grundlage der NPD ist ein auf rassistischen,
Vorsitzende
Jürgen Rieger
antisemitischen und nationalistischen VorSascha Roßmüller
stellungen beruhender völkischer GemeinGeneralsekretär
Peter Marx
schafts- bzw. Gesellschaftsbegriff. Ihre
Schatzmeister
Erwin Kemna
Ideologie der Ungleichwertigkeit1 führt die
Parteigliederung
16 Landesverbände,
NPD
zur
Ablehnung
parlamentarischKreisverbände
pluralistischer Systeme, die auf VolkssouveUnterorganisationen Junge Nationaldemokraten
ränität und Mehrheitsprinzip beruhen2. Die
(JN),
Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB) rechtsextreme NPD fordert stattdessen einen
autoritären Antipluralismus und unbedingte
Medien
Deutsche Stimme,
Unterordnung unter ihre Gemeinschaftsidee.
erscheint monatlich
Trotz anders lautender Beteuerungen ist die
Wahlergebnis
2005: 1,6 %
NPD somit keine demokratische Partei. Laut
Bundestagswahl
2002: 0,4%
Artikel 21 des Grundgesetzes der BRD
(www.bundesregierung.de/Anlage 760204/Grundgesetz.pdf) ist die Gründung einer
Partei lediglich an drei Voraussetzungen geknüpft: die innere Parteistruktur muss
demokratisch gegliedert sein, die Partei muss öffentlich Rechenschaft über ihre Finanzen
ablegen, die Partei darf die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die BRD nicht
gefährden oder abschaffen wollen. Eine Prüfung der tatsächlichen Inhalte einer Partei erfolgt
hingegen nicht. Der rassistischen, antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Agitation
der NPD lässt sich entnehmen, dass sie die Beseitigung der demokratischen und
rechtsstaatlichen Grundordnung und die Schaffung einer deutschen Volksgemeinschaft
anstrebt. Aus diesem Grund stellten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat beim
Bundesverfassungsgericht einen Antrag zum Verbot der NPD wegen Verfassungswidrigkeit.
Im Zuge des Verbotsverfahrens 2003 wurde argumentiert, „dass die NPD in so erheblichem
Maße nationalsozialistisch, antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich und antidemokratisch
geprägt und operativ ausgerichtet ist, dass für sie kein Raum sein darf, sich als Partei mit
allen damit verbundenen Privilegien an der politischen Willensbildung beteiligen zu können
und zu dürfen.“3 Der Antrag scheiterte schließlich nur auf Grund verfahrensrechtlicher Fehler
(„V-Männer“ des Verfassungsschutzes in Führungsgremien der NPD). Der NPD wurde
jedoch keine Verfassungstreue bescheinigt.
Basisdaten NPD – Bundespartei
1
2
3
aus der rassistischen Weltsicht folgt die Höherwertigkeit der weißen Rasse; aus dem Ethnopluralismus noch immer zumindest die
Vorherrschaft der europäischen Kultur
vgl. Stöss (2007): Rechtsextremismus im Wandel, S. 194 ff.
vgl. NPD-Verbotsantrag des Bundestags
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NPD – Landesverband Sachsen
Der NPD-Landesverband (LV) Sachsen besteht
seit 1990 und ist mit aktuell ca. 850 Mitgliedern
und derzeit 13 Kreisverbänden einer der stärksten
gegründet
1990
LV der BRD (der LV Bayern hat derzeit 950 Mitgl.).
Sitz
Dresden
Die seit 2005 erst stagnierende und dann in 2007
Mitglieder
850 (Stand 2007)
deutlich gesunkene Mitgliederzahl macht deutlich,
Vorsitzender
Winfried Petzold
dass die NPD an die stärker werdenden
Stellvertretende
Holger Apfel
autonomen Strukturen rechtsextremer KameradVorsitzende
Helmut Hermann
schaften und das Wahlbündnis rechtsextremer
Dr. Johannes Müller
und rechtskonservativer Parteien aus REP, DSU
Parteigliederung
14 Kreisverbände (KV- und Sächsischer Volkspartei „Bündnis für
Strukturen
gleichen
sich
sächsischer Verwaltungsreform Sachsen“ Mitglieder verliert. Die NPD ist seit den
an)
sächsischen Kommunalwahlen 2008 – zu der die
Unterorganisation
Junge
NPD in 128 Wahlkreisen mit 224 Kandidatinnen
Nationaldemokraten
und Kandidaten antrat – mit 44 Abgeordneten in
Sachsen
allen zehn Kreistagen vertreten, in fünf Kreistagen
Medien
Sachsenstimme, erscheint
sogar in Fraktionsstärke (Fraktionsstatus erhielt
unregelmäßig
die NPD allerdings lediglich in den drei Kreistagen:
Wahlergebnis
2004: 9,2%
Sächs.Schweiz-Osterzgebirge, Bautzen und ErzLandtagswahl
1999: 1,4%
gebirgskreis). Damit hat die Partei ihr Ergebnis im
Jahr 2008 gegenüber den Kreistagswahlen 2004 (13 Abgeordnete in 5 Landkreisen) mehr als
verdreifacht. Viele NPD-Abgeordnete verfügen allerdings (noch) nicht über ausreichende
Kenntnisse kommunaler Politik und Abläufe. Trotzdem schreitet die Verankerung von NPDStrukturen in Sachsen weiter voran. Dabei arbeiten eine Reihe von NPD-KVs offen und intensiv
mit AktivistInnen rechtsextremer Kameradschaften zusammen und sind dabei auch über die
Grenzen Sachsens hinweg (in anderen Bundesländern und in Tschechien) aktiv. Eine
länderübergreifende Zusammenarbeit besteht bspw. zwischen dem Kreisverband Meißen und
dem brandenburgischen Kreisverband Spreewald. Immer wieder waren in den letzten Jahren
sächsische NPD-Funktionäre in der tschechischen Republik oder in Ungarn aktiv.4
Bei der Landtagswahl am 19. September 2004 erhielt die NPD 9,2% und 12 Sitze im
Sächsischen Landtag. Dabei erzielte sie in einigen ihrer Hochburgen, insbesondere in der
Sächsischen Schweiz, zweistellige Wahlergebnisse. Für diesen Erfolg waren Vorfeldarbeiten in
den Jahren nach der bundesdeutschen Vereinigung notwendig. Dazu gehörte z.B. die
Verlegung des „Deutsche Stimme Verlags“ aus dem bayrischen Sinningen nach Riesa. In
Sachsen konnte somit ein wichtiges rechtsextremes Kommunikations-, Logistik- und
Medienzentrum etabliert werden. Diese Vorfeldarbeiten schlugen sich bereits in den guten
Ergebnissen der NPD bei den Landtagswahlen 1999 nieder und ebneten ihr 2004 den Zugang
zur sächsischen Parlamentsarbeit..
Basisdaten NPD – Landesverband Sachsen
4
Bspw. nahmen der Mitarbeiter der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Per Lennart Aae und die Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Chemnitz, Katrin
Köhler als offizielle NPD-Vertreter/in am 18. 08. 2008 an einer verbotenen Veranstaltung unter dem Titel „Tag der Freiheit“ der rechtsextremen Delnická
Strana (Arbeiterpartei) im tschechischen Hradec Kralove teil
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Entwicklung der NPD-Mitgliederzahlen in Deutschland und in Sachsen
Die NPD-Bundespartei verzeichnet seit 2003 einen
8000
stetigen Zuwachs ihrer
7200
7000
7000
Mitgliederzahlen. Mit 7200
6500 6500
6100
6000 6000
6000
Mitgliedern und 16 Landes6000
5300
5000
verbänden in 2007 ist sie
5000
4300
die einflussreichste rechts4000
3500
extreme Partei in Deutsch3000
land. Einer der stärksten
2000
Landesverbände ist nach
1000
wie vor Sachsen. Hier
0
wurde
das
jahrelange
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Sinken der Mitgliederzahlen 2004 durch die Wahl
Mitglieder der NPD in Sachsen sowie rechtsex. Kameradschaften
der NPD in den Säch1500
50
1400
sischen Landtag aufgehalten. Nach dem Einzug
1200
40
1100
der NPD-Fraktion in den
1000 1000
1000
1000
950
900
Landtag war deren politi900
850 30
900
29
800
25
24
sche Arbeit innerhalb der
23
22
22
22
20
20
rechtsextremen
Szene
20 20
600
17
16
nicht unumstritten. Kriti13
400 12 13
300
sche Verbalattacken aus
300
10
250 250
200
9
100 7
der Kameradschaftsszene
0
0
über die Themenwahl (zu
wenig soziale Themen, zu
viel Populismus) und über
Mitglieder
Kreisverbände
die „Selbstbedienungsmentalität“ der NPD-Abgeord-neten (zu hohe Diäten, zu große Autos) brachten zumindest aus
dem Bereich der Freien Kräfte den Mitgliederzuwachs zum Erliegen bzw. im vergangenen
Jahr erstmals wieder eine deutlich gesunkene Mitgliederzahl.
07
06
20
05
20
04
20
03
20
02
20
01
20
00
20
99
20
98
19
97
19
96
19
19
94
95
19
93
19
92
19
19
19
91
Mitglieder der NPD in der BRD
Nachdem die NPD ihre regionale Verankerung im Jahr 2007 mit dem Aufbau von
Kreisverbänden in allen 29 Landkreisen und kreisfreien Städten abgeschlossen hatte,
begann die NPD im zweiten Halbjahr 2007 ihre Strukturen denen nach der im Sommer 2008
vollzogenen Verwaltungsreform anzupassen. So erfolgten ab Oktober 2007
Zusammenschlüsse der KVs Plauen und Vogtland zum neuen KV Vogtland, in Ostsachsen
fusionierten im November 2007 die KVs Löbau/Zittau, Niederschlesischer Oberlausitzkreis
und Görlitz zum neuen KV Niederschlesien-Oberlausitz, etc. Mit derzeit 13 KVs ist dieser
Anpassungsprozess der NPD (nahezu) abgeschlossen. Dabei rät die sächsische NPD
insbesondere selbständigen Unternehmern von einem Eintritt in die NPD ab, um mögliche
wirtschaftliche Konsequenzen für diese zu vermeiden. Stattdessen sollen Unternehmer/innen
die Partei finanziell unterstützen. Die weitere Entwicklung der Mitgliederzahlen muss vor dem
Hintergrund dieser Strategie betrachtet werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass
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die durch den Austritt dreier NPD-Landtagsabgeordneter aus Partei und Fraktion im
Dezember 2005 ausgelöste parteiinterne Schwächung die Entwicklung der Mitgliederzahlen
negativ beeinflusst hat. (sollten in dem Zusammenhang auch Teile der DSU, Nitzsches Liste
und die Eid-Partei erwähnt werden?)
Darüber hinaus bemüht sich die NPD zunehmend, Frauen in ihre Parteiarbeit und die Arbeit
ihrer zahlreichen Umfeldorganisationen einzubinden, um auch für Wählerinnen attraktiver zu
werden. Zu diesem Zweck baut die NPD ihre Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“
aus und verfügt nun in Sachsen über vier diesbezügliche Stützpunkte.5
Umfeldstrukturen des Landesverbandes und der Landtagsfraktion der
NPD
Junge Nationaldemokraten
Die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) ist die Jugendorganisation der NPD mit Sitz im
thüringischen Bernburg. Die 1969 gegründete Organisation hat derzeit ca. 350 Mitglieder.
Bundesvorsitzender ist Michael Schäfer, der in dieser Funktion zugleich Mitglied des NPDParteivorstands ist. In Anlehnung an Ideologie und Parteiprogramm der NPD beschreibt die
JN ihr weltanschauliches Selbstverständnis in „25 Thesen zum Nationalismus“ (www.jnbuvo.de, Mai 2006). Danach muss nationalistische Politik auf das Wohlergehen des Volkes
gerichtet sein, das auf der „gemeinsamen, erlebten Abstammung, Überlieferung und der
Lebensauffassung“ beruht. Zudem wird der Gedanke der Gleichheit aller Menschen als
„Voraussetzung für die Bevormundung, Beeinflussung und Entmündigung der Menschen“
betrachtet. Die JN organisiert zahlreiche Veranstaltungen, wie z.B. den jährlich
stattfindenden „Europäischen Kongress der Jugend“, „Nationale Pfingstlager“ oder den „JNSachsentag“, die der Verbreitung ihrer Ideologie und der internationalen Vernetzung
rechtsextremer Akteure dienen. Nachdem der JN-Sachsentag im August 2008 vom
Bundesverfassungsgericht kurzfristig verboten worden war, kam es in Dresden zu mehreren
rechtsextremen Spontandemonstrationen mit erheblicher Gewaltbereitschaft.
Nationales Bündnis Dresden e.V.
Das Wahlbündnis „Nationales Bündnis Dresden e.V.“ (NB) wurde am 24. April 2003
gegründet und wird von Vertretern aus NPD, DVU, REP, JLO und freien Kräften getragen.
Bei der Kommunalwahl 2004 erreichte das NB 4% der Stimmen und entsandte drei
Abgeordnete in den Dresdner Stadtrat: Holger Apfel (nach dessen Umzug nach Riesa, das
NPD-Mitglied Brigitte Lauterbach), Wolfgang Schwarz (stellvertretender Vorsitzender des
NB, ehemals REP) und Hartmut Krien (ehemaliges Mitglied der evang. Studentengemeinde
Jena,
Geschäftsführer des
NB,
NPD-Mitglied und Bundesvorsitzender
der
Kommunalpolitischen Vereinigung der NPD). Die rechtsextremistische Ideologie des NB wird
in seinem Vereinsprogramm deutlich, das sich gegen „geschichtsverfälschende
Nachkriegspropaganda“ und „spendables Gutmenschengehabe“ richtet und „Vorrang für
deutsche Arbeitslose“ sowie die „schnellstmögliche Heimreise der (Asyl)-Kandidaten“
fordert.6
5
6
Diese Stützpunkte befinden sich in Görlitz, Dresden, Chemnitz und Plauen (Quelle LAfVS (2008(: VS Bericht 2007
Vgl.: www.nationales-buendnis-dresden.de/nbd_startseiten/vorstellung.html
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Deutsche Stimme Verlag
Die „Deutsche Stimme Verlagsgesellschaft mbH“ ist der Parteiverlag der NPD. Zu Beginn
des Jahres 2000 verlegte der bis dahin im oberbayrischen Sinningen angesiedelte Verlag
seinen Sitz nach Riesa. Auf dem Verlagsgelände in Riesa befinden sich Übernachtungssowie Feiermöglichkeiten und es ist Treff- und Ausgangspunkt für Szeneaktivitäten. Die
Parteizeitung „Deutsche Stimme“ erscheint seit 1976 monatlich, seit 1999 mit einer
Gesamtauflage von 10.000 Exemplaren (Quelle nennen! Eigenangaben oder LfV?).
Chefredakteur ist der sächsische NPD-Landes- und stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende
Holger Apfel. In den Artikeln und Kommentaren der „Deutschen Stimme“ schlägt sich die
rechtsextreme Ideologie der NPD nieder, die in Überschriften wie „Heraus zum 1. Mai: Arbeit
für alle Deutschen!“ (Ausgabe 04/2006) oder „Grenzen dicht!“ mit der Forderung eines
„Ausländerheimführungsgesetz und der Streichung des Grundrechtes auf Asyl“ (01/2006)
(etwas Aktuelles raussuchen) deutlich wird. Seit 2001 veranstaltet das Blatt regelmäßig das
„Deutsche Stimme Pressefest“, welches mit Ausnahme des Jahres 2002 in Sachsen
stattfand. Am „Pressefest“ im August 2004 in Mücka nahmen bspw. ca. 7000 Besucher/innen
teil. Zum vorerst letzten Pressefest 2006 im Dresdner Ortsteil Pappritz waren es noch
immerhin 4500 Besucher/innen. Hier traten neben prominenten Rednern aus dem
rechtsextremen Spektrum auch bekannte Rechtsrock-Bands und rechtsextreme
Liedermacher auf. Neben der Parteizeitung vertreibt der Verlag auch rechtsextreme
Tonträger, Videos und Szeneartikel.
Bildungswerk für Heimat und nationale Identität e. V.
Im seit April 2005 bestehenden, NPD-nahen „Bildungswerk für Heimat und nationale Identität
e.V.“ mit Sitz in Dresden soll „politische Bildungsarbeit“ im Sinne der NPD-Ideologie geleistet
werden. Insbesondere sollen Seminare und Vorträge der Öffentlichkeit die Inhalte der in
Anlehnung an die „Frankfurter Schule“ um Adorno und Horkheimer entwickelte „Dresdner
Schule“ vermitteln. Diese Intellektualisierungsbemühungen, die geistigen Grundlagen des
Weltbildes der NPD wissenschaftlich begründen zu wollen, blieben jedoch bisher erfolg- und
wirkungslos. Vorsitzender des „Bildungswerks“ ist Peter Dehoust, Chefredakteur und
Herausgeber der rechtsextremistischen Zeitschrift „Nation & Europa“, Beisitzer im Vorstand
der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ und Vorsitzender des „Fördervereins Vereinigte
Rechte“. Stellvertretender Vorsitzender ist Karl Richter, parlamentarischer Berater der NPDFraktion im sächsischen Landtag und Redakteur von „Nation & Europa“. Weiterhin aktiv in
diesem Zusammenhängen ist der NPD-Abgeordnete im Sächsischen Landtag Jürgen
Gansel.
Ring Nationaler Frauen (RNF)
Der RNF ist eine Unterorganisation für Frauen der rechtsextremen NPD und wurde im
September 2006 in Sotterhausen (Sachsen-Anhalt) gegründet. Laut Selbstdarstellung ist der
RNF Sprachrohr und Ansprechpartner für, wie sie sich selbst verharmlosend nennen,
“nationale Frauen”, unabhängig von einer NPD -Mitgliedschaft. Rechtsextreme Frauen sollen
durch den RNF stärker in die politische Arbeit einbezogen werden.
Wie viele Mitglieder der RNF hat, ist nicht bekannt. Initiatorinnen des Rings sind die
sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Gitta Schüßler, das niedersächsische NPD-Mitglied
Katharina Becker sowie Judith Rothe von der NPD Sachsen-Anhalt. Rothe ist die
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September 2008
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Lebenspartnerin des Neonazis und NPD-Mitglieds Enrico Marx. Die Vertreterin des RNF im
NPD-Bundesvorstand ist die Berliner NPD-Funktionärin Stella Hähnel, die Frau des NPDLiedermachers Jörg Hähnel. Als Geschäftsführerin arbeitet Jasmin Apfel, die Frau des NPDFunktionärs Holger Apfel.
NPD-Ergebnisse der sächsischen Kommunal- und Kreistagswahlen
1999, 2004 und 2008 im Vergleich
Wahlergebnisse der NPD in den sächsischen Kreistagen, Gemeinderäten und
Ortschaftsräten
2
1
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
1)
In Reinhardtsdorf-Schöna hätten 2004 entsprechend des Zweitstimmenergebnisses drei Abgeordnete der NPD in den Gemeinderat
einziehen können. Es standen jedoch nur zwei NPD-Mandatsträger zur Verfügung. Heute gibt es in der 1.600-Einwohner-Gemeinde eine
NPD-Ortsgruppe.
2) AFV ist die Abkürzung für das rechtskonservative Wahlbündnis Arbeit-Familie-Vaterland des CDU-Rechtsabweichlers Henry Nitzsche,
welches im Landkreis Bautzen auf Anhieb beinahe mit Fraktionsstatus in den Kreistag kam.
Bei den Kommunalwahlen in Sachsen am 08. Juni 2008 gelang es der sächsischen NPD, 44
Sitze in den nach der Verwaltungsreform verbliebenen 10 Kreistagen zu erringen. Dabei
erhielt die NPD in fünf der zehn Landkreise Fraktionsstärke , erhielt allerdings nur in dreien
von ihnen Fraktionsstatus. Strategische Schwerpunkte musste die NPD für ihren Wahlkampf
nicht mehr auswählen. Es gelang ihr stattdessen flächendeckend mit Plakaten und
Infomobilen/Infotischen Präsenz zu zeigen. Diese Materialschlacht unterschied die NPD sehr
deutlich von den demokratischen Parteien, die nicht mit solcher Präsenz für ihre Programme
und Kandidat/innen warben. Bereits im Ergebnis der Kommunalwahlen 1999 waren einige
der heutigen NPD-Hochburgen, wenn auch auf niedrigerem Ergebnisniveau, zu erkennen.
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Gegenüber den Kommunalwahlen 2004 konnte die NPD ihre Stimmenergebnisse in den
Kreistagen von 13 auf 44 Sitze mehr als verdreifachen. Mit ihren überdurchschnittlichen
Wahlergebnissen stachen erneut die NPD-Hochburgen Reinhardtsdorf-Schöna, Trebsen,
Sebnitz und Königstein hervor, die bereits in den vergangenen beiden Kommunalwahlen
überregional bekannt wurden. Dabei ist der Rückgang der Stimmenanteile in Königstein von
21 auf knapp 10% auf den Unfalltod des NPD-Vorzeigekandidaten und Inhaber eines
Fahrschulunternehmens Uwe Leichsenring, sowie auf einen Neuzuschnitt der Wahlkreise
zurückzuführen. Einzig in Wurzen Stadt musst die NPD trotz guter Ausgangslage deutliche
Stimmenverluste hinnehmen.
Bereits zur Kommunalwahl 2004 setzte die NPD ein Signal für ihren Kooperationswillen im
Rahmen ihrer rechtsextremen „Volksfrontstrategie“, indem sie auf einen Wahlantritt in
Dresden (zugunsten des von der NPD maßgeblich protegierten „Nationalen Bündnis
Dresden“), Chemnitz und Freital (zugunsten der REP, ) sowie in Plauen (zugunsten der
„Deutschen Partei – Die Freiheitlichen“) verzichtete. Bei den Kreistagswahlen 2008 trat die
NPD im Landkreis Nordsachsen mit einer offenen Liste an, auf welcher eine Reihe von
Vertretern der Kameradschaften dieser Region antraten. Die maßgeblich von der NPD
vorangetriebene Idee einer „Volksfront von Rechts“ versteht sich als „Gesamtbewegung des
Nationalen Widerstands“ und zielt auf die Kooperation von NPD, DVU und Angehörigen der
Kameradschaftsszene zur Vermeidung des Gegeneinanders rechtsextremer Parteien.
NPD-Ergebnisse der Landtagswahlen 2004 in Sachsen
Zweitstimmenergebnisse der NPD in den sächsischen Landtagswahlkreisen
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
Zweitstimmenergebnisse der NPD im Vergleich
1999
2004
Wahlkreis
Wahlkreis
(%)*
(%)*
Sächsische Schweiz
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3,5-3,1
15,1-11,8
Leipziger Land
1999
(%)*
2004
(%)*
1,1-0,7
10,1-6,1
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Annaberg
Riesa-Großenhain
Bautzen
Mittleres Erzgebirge
Stollberg
Aue-Schwarzenberg
Torgau-Oschatz
Niederschles. Oberlausitz
Kamenz
Döbeln
Löbau-Zittau
Vogtland
Weißeritzkreis
2,2
2,9-2,4
1,1-1,0
1,0
1,7
1,0-0,6
1,4
3,0-2,1
1,3-1,0
1,4
2,0-1,7
0,5-0,3
1,2
14,0
13,9-11,3
12,5-11,7
12,4
12,2
11,4-10,1
11,4
11,4-10,1
11,2-10,7
11,1
11,1-8,9
10,8-8,3
10,2-9,3
Muldental
Meißen
Chemnitzer Land
Görlitz
Freiberg
Zwickauer Land
Mittweida
Plauen
Hoyerswerda
Chemnitz
Delitzsch
Dresden
Zwickau
Leipzig
2,5-2,0
2,0-1,3
1,3-1,0
2,1
1,8-0,9
0,9-0,7
1,9-1,5
0,6
0,8
1,1-0,6
2,2
1,7-0,8
0,8
1,5-0,7
10,0-9,9
10,0-6,9
9,9-9,0
9,9
9,8-9,5
9,6-9,1
9,5-8,7
9,0
9,0
9,0-6,7
8,7
8,5-4,7
8,4
6,8-4,3
Land Sachsen
1,4
9,2
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
* Die Prozentspanne gibt die höchsten und niedrigsten Ergebnisse an, die in dem jeweiligen Wahlkreis erzielt
wurden.
190.909 Wähler gaben der NPD bei der Landtagswahl in Sachsen am 19. September 2004
ihre Stimme. Damit zog die NPD mit 9,2% der Stimmen und 12 Sitzen erstmals seit 1968
wieder in ein Landesparlament ein. Im Vergleich zu den Landtagswahlen 1999 (1,4%)
entspricht dieses Wahlergebnis mehr als dem Sechsfachen. Die NPD stellt damit die
viertstärkste Partei im sächsischen Landesparlament und ist nur knapp hinter der SPD
(9,8%) positioniert. Besonders große Wahlerfolge erzielte die NPD in den Wahlkreisen
Sächsische Schweiz, Annaberg, Riesa-Großenhain, Bautzen, Mittleres Erzgebirge und
Stollberg. Lediglich in den Großstädten Dresden und Leipzig wurde die Fünfprozentmarke
unterschritten. In etwa 60% aller sächsischen Gemeinden erzielte die NPD zweistellige
Wahlergebnisse. Jeder fünfte Wähler gab der NPD in Reinhardtsdorf-Schöna (Landkreis
Sächsische Schweiz), Jöhstadt (Landkreis Annaberg) und Weißig a. Raschütz (Landkreis
Riesa-Großenhain) seine Stimme.
Der Vergleich der Landtagswahlergebnisse zwischen 1999 und 2004 zeigt, dass schon 1999
vorhandene überdurchschnittliche Wählerpotenzial für die NPD in einzelnen sächsischen
Regionen. Auf Grundlage der Bewertung der Wahlergebnisse bei den letzten Bundestags-,
Landtags- und Kommunalwahlen in Sachsen zieht das Kulturbüro Sachsen e.V. den
Schluss, dass bei den sächsischen NPD-WählerInnen das StammwählerInnenpotenzial Bei
5 bis 7% anzusetzen ist.
Darüber hinaus sollte man bei der Interpretation der Ergebnisse der Landtagswahl 2004
auch im Blick behalten, dass es bei den Landtagswahlen 1999 noch keine Absprache
zwischen rechten Gruppierungen (Volksfrontstrategie) gab und sich die Stimmen auf NPD
(1,4%) und Republikaner (1,5%) verteilten. Zählt man die Partei „pro DM“ von Bolko
Hoffmann (2,1%) zu diesen von rechtsextremen Wertvorstellungen geprägten Gruppen
hinzu, kommt man auch 1999 schon auf 5% im extrem rechten Spektrum.
Abgeordnete der NPD im Sächsischen Landtag
Die NPD-Fraktion stellte ursprünglich 12 von insgesamt 124 im Landtag vertretenen
Abgeordneten. Durch die Austritte von Mirko Schmidt, Klaus Baier und Jürgen Schön im
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Dezember 2005 und den Ausschluss von Menzel im November 2006 hat sich diese Zahl
inzwischen auf 8 reduziert. Die drei ausgetretenen Abgeordneten kritisierten den autoritären
Führungsstil der NPD-Spitze sowie die zunehmende Ausrichtung der Partei am
Nationalsozialismus. Ihre Austritte begründeten sie u.a. damit, dass die NPD „Hitlerismus“
betreibe und ein „viertes Reich“ anstrebe. Das ist dahingehend erstaunlich, dass ihnen diese
Erkenntnis bei der Analyse des NPD-Wahlprogramms auch vor den Wahlen hätte deutlich
werden können.7
Holger Apfel
geb. 1970 in
Hildesheim
Beruf
Verlagskaufmann, Chefredakteur
im Deutsche Stimme Verlag
Dr. Johannes Müller
geb. 1969 in Dresden
Facharzt für Innere und
Allgemeinmedizin
Alexander Delle
geb. 1973 in Mutlangen
Bankkaufmann, Angestellter im
Deutsche Stimme Verlag
Jürgen W. Gansel
geb. 1974 in Opladen
Geschichts- und
Politikwissenschaftler, Redakteur
im Deutsche Stimme Verlag
René Depang
geb. 1967 in Sebnitz
Landwirt, Maler
nachgerückt für:
Peter Klose
geb. 1940 in Bernsdorf
Krobkeramwerker (Was ist das?
Ev. Schreibfehler?), Kran- und
Lokführer
Winfried Petzold
geb. 1943 in Breslau
Aufzugschlosser, Kaufmann
Gitta Schüßler
geb. 1961 in Burgstädt
Buchhändlerin, Bürokauffrau
Funktionen
stellv. Bundes- und Landesvorsitzender Sachsen,
Fraktionsvorsitzender im Sächsischen Landtag,
Vorsitzender des „Nationalen Bündnis Dresden“,
Stadtrat Dresden (ist er das überhaupt noch?)
Stadtrat Sebnitz, Kreisrat Sächsische Schweiz, stellv.
Fraktionsvorsitzender im Sächsischen Landtag,
parlamentarischer Geschäftsführer der NPDLandtagsfraktion,
stellv. Landesvorsitzender Sachsen
Stellvertretender Fraktionsvorsitzender,
Fraktionsschatzmeister, Mitglied im Landesvorstand
Sachsen
Mitglied im Bundes- und Landesvorstand Sachsen,
Mitglied im Fraktionsvostand der NPDLandtagsfraktion
NPD-Kreisvorsitzender von Dresden von 2002 bis
2007, Beisitzer im Vorstand des Nationalen Bündnisses
Dresden
2005 für U. Leichsenring nachgerückt
Mitgründer der REPs in der DDR, Vorsitzender des
REP-Kreisverbandes Zwickau, seit 1995 Mitglied der
NPD, MdL
2006 für Matthias Paul nachgerückt
1991-1993 REP-Landesvorsitzender Sachsen,
Landesvorsitzender NPD-Sachsen
Kreisgeschäftsführerin und Schatzmeisterin im
Kreisverband Chemnitz/Chemnitzer Land; Rolle im
RNF ergänzen: Bundessprecherin
Ehemalige NPD-Abgeordnete:
Mirko Schmidt
Anlagentechniker, Verwalter
(NPD Fraktion bis 2005)
geb. 1966 in Meißen
Klaus Baier
am 17.12.2005 Austritt aus Partei und Fraktion,
seitdem fraktionsloser Abgeordneter
Fahrzeugschlosser, Krankenpfleger
(NPD Fraktion bis 2005)
geb. 1960 in Annaberg
Jürgen Schön
Schriftsetzer
(NPD Fraktion bis 2005)
geb. 1948 in Leipzig
Matthias Paul
(NPD Fraktion bis 2006)
geb. 1977 in Meißen
7
Stadtrat und Kreisrat Meißen, Kreisvorsitzender
Meißen-Radebeul, Mitglied im Landesvorstand Sachsen
Stahlbetonbauer, Unternehmer
Stadtrat Annaberg-Buchholz, bis 2005 Mitglied im
Landesvorstand Sachsen
am 20.12.2005 Austritt aus Partei und Fraktion,
seitdem fraktionsloser Abgeordneter
stellv. Landesvorsitzender Sachsen, bis 2004 stellv.
Bundesvorsitzender
am 23.12.2005 Austritt aus Partei und Fraktion,
seitdem fraktionsloser Abgeordneter
Mitglied im Landesvorstand Sachsen,
Pressesprecher des Landesverbandes Sachsen
im November 2006 wegen Besitzes
Kinderpornografischer Bilder von allen Ämtern
Vgl. Memo des Kulturbüro Sachsen zum Ideologievergleich der NPD und der NSDAP, www.kulturbuero-sachsen.de/downloads.php4
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Klaus Jürgen Menzel
zurückgetreten
MdL
Landwirt
(NPD Fraktion bis 2006)
geb. 1940 in Bernsdorf
Uwe Leichsenring
Maschinenbauer, Fahrlehrer
Stadtrat und Kreisrat Königstein, Kreistag
Sächsische Schweiz, Geschäftsführer Kreisverband
Sächsische Schweiz, parlamentarischer Geschäftsführer
der Fraktion im Sächsischen Landtag
(NPD Fraktion bis 2006)
geb. 1967 in Sebnitz
gest. 2006 in Pirna
verstarb Ende August 2006 bei einem Verkehrsunfall
NPD-Ergebnisse der Bundestagswahlen 2005
Zweitstimmenergebnisse der NPD in den sächsischen Bundestagswahlkreisen
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
Zweitstimmenergebnisse der NPD im Vergleich
Wahlkreis
Sächsische Schweiz - Weißeritzkreis
Kamenz - Hoyerswerda - Großenhain
Bautzen - Weißwasser
Annaberg - Aue-Schwarzenberg
Freiberg - Mittlerer Erzgebirgskreis
Löbau-Zittau - Görlitz - Niesky
Döbeln - Mittweida - Meißen II
Delitzsch - Torgau-Oschatz - Riesa
Chemnitzer Land - Stollberg
Summe Sachsen
2002
(%)
2,2
1,5
2,0
2,3
2,2
2,0
1,7
1,4
2,1
2005
(%)
7,1
6,5
6,3
6,3
6,1
6,0
5,8
5,2
4,7
1,4
4,8
Wahlkreis
Vogtland - Plauen
Leipziger Land - Muldentalkreis
Dresden II - Meißen I
Zwickauer Land - Zwickau
Chemnitz
Leipzig I
Dresden I
Leipzig II
Summe BRD
2002
(%)
0,7
1,3
1,0
1,2
0,7
0,9
0,8
0,7
2005
(%)
4,6
4,4
4,1
3,6
3,2
3,0
2,6
2,2
0,5
1,6
Quelle: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen
Im Vergleich zu den vorhergegangenen Bundestagswahlen konnte die NPD bei der
Bundestagswahl am 18. September 2005 ihr Stimmenergebnis bundesweit (1,6%) sowie in
Sachsen (4,8%) verdreifachen und erzielte damit ihr bestes Ergebnis seit 1969. In 8 von 17
Wahlkreisen erzielte die NPD Ergebnisse von mehr als 5%. Spitzenreiter bildet dabei der
Wahlkreis Sächsische Schweiz-Weißeritzkreis mit 7,1% der Stimmen. In Leipzig und
Dresden blieb der Stimmenanteil für die NPD unter 3%. Bei der Betrachtung der einzelnen
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Kommunen stechen einige Ortschaften hervor, in denen die NPD bereits bei den
vergangenen Kommunal- und Landtagswahlen hohe Zustimmungsraten erhielt. Diese
Kommunen befinden sich vor allem in den Landkreisen Sächsische Schweiz, RiesaGroßenhain
und
Niederschlesischer
Oberlausitzkreis.
Zweistellige
Erstund
Zweitstimmenergebnisse erzielte die NPD allen voran in Reinhardtsdorf-Schöna
(Zweitstimme 14,4%, Erststimme 16,1%), Weißig a. Raschütz (Zweitstimme 14,1%,
Erststimme 12,4%) und Nauwalde (Zweitstimme 12,8%, Erststimme 14,2%).
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass die NPD ihren Erfolg im Vergleich zur Bundestagswahl
2002 weiter steigern konnte. Von einer Entwarnung, die NPD hätte die Fünfprozenthürde
und damit den Einzug in den Bundestag verfehlt, kann daher nicht die Rede sein. Mit Hilfe
der erheblichen staatlichen Wahlkampfkostenerstattung kann die NPD nun den Ausbau ihrer
Strukturen weiter vorantreiben. Die NPD hat somit ihre Zielstellungen erreicht, ihr Ergebnis
auszubauen, durch die Wahlkampfkostenerstattung ihre Parteikasse aufzufüllen, Themen
und Argumente der demokratischen Parteien aufzugreifen und für sich zu besetzen (vgl.
Heimat- bzw. Patriotismusdiskurs der sächsischen CDU, Fremdarbeiterdebatte von
Lafontaine) und eigene KandidatInnen bekannt zu machen und für kommende Wahlen
besser aufzustellen. Hier war insbesondere die im Herbst stattfindende Landtagswahl in
Mecklenburg-Vorpommern im Fokus der NPD-ParteistrategInnen.
Qualitative Auswirkungen der soziokulturellen Verankerung der NPD in
Sachsen
Die NPD Wahlerfolge sind in erster Linie eine Folge der soziokulturellen Verankerung
rechtsextremer Szenen in sächsischen Regionen; kein Denkzettel frustrierter Wähler
an die etablierten demokratischen Parteien.
Die NPD hat, gefördert durch die einmalige Aufbauarbeit westdeutscher Kader,
tragfähige Strukturen und funktionierende Vorfeldarbeit in Sachsen etabliert. Ihre
soziokulturelle Basisarbeit unterscheidet sie diametral von der DVU oder den REP.
Heute geht die Saat auf, die seit 15 Jahren gepflegt wird.
Der NPD-Wahlerfolg fußt auf einer strukturellen Verankerung rechtsextremer Milieus.
Zu den rechtsextremen Hochburgen zählen die Sächsische Schweiz, Ostsachsen, der
Muldentalkreis, Riesa-Großenhain, Annaberg und das Mittlere Erzgebirge.
Schon das Kommunalwahlergebnis der NPD vom 13. Juni 2004 war als Ausbau
vorhandener Hochburgen zu bewerten. Weitaus gefestigter geht die NPD aus den
Kommunalwahlen im Juni 2008 – ohne Hartz IV-Debatte - hervor. In fünf von zehn
Kreistagen erhält die NPD Fraktionsstärke und kann so auf extra Zuwendungen
staatlicher Förderung hoffen.
Rechtsextreme Wertvorstellungen sind zunehmend Bestandteil des täglichen Lebens in
sächsischen Regionen. Kameradschaften werden als etablierte Institutionen
wahrgenommen, dürfen beispielsweise Ordner für Volks- und Schützenfeste stellen.
Ein NPD-Mitglied ist als Übungsleiter im Fußball akzeptiert. Ortsansässige
Mittelständler mit offen rechtextremer Wertevorstellung sind integriert und wählbar.
Die soziokulturelle Verankerung ist eine Folge des langjährigen Einsickerns
rechtsextremen Gedankengutes über subkulturelle Mechanismen wie Musik, Lifestyle
und über Bildungs- und Schulungsveranstaltungen. Rechtsextreme Szenen schaffen
Gemeinschaftserlebnisse für Jung und Alt: über Brauchtumspflege, nordische Mythen
und nationale Jugendarbeit werden potenzielle Sympathisanten angesprochen.
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Kameradschaftsszenen gedeihen dort besonders gut, wo öffentliche jugendhilfliche
Angebote unterrepräsentiert sind und kommunale Verantwortungsträger kein
Problembewusstsein entwickeln.
Die NPD wird von BürgerInnen als Teil des demokratischen Parteienspektrums
wahrgenommen. Es liegt lokal wenig Verständnis für demokratische Strukturen und die
Notwendigkeit politisch-zivilgesellschaftlicher Auseinandersetzung vor.
Das gescheiterte NPD-Verbotverfahren wird von vielen BürgerInnen als „DemokratieGütesiegel“ missinterprätiert. Oft wird argumentiert, dass die NPD eine demokratische
Partei sein muss, da sie nicht verboten ist. Dabei werden die Gründe des Scheiterns
des Verbotsverfahrens in der Öffentlichkeit und den Medien nicht reflektiert.
Regionen mit gefestigten rechtsextremen (Kameradschafts-)Strukturen verzeichnen
hohen Beratungsbedarf für Mobile Beratungsteams, überdurchschnittliche
Wahlerfolge der NPD sowie überdurchschnittliche Zahlen von Betroffenen
rechtsextremer Gewalt.
Aufgrund der hohen Gefährdungslage und vielfältiger Beratungsanfragen aus den
rechtsextremen Hochburgen arbeiten in diesen Regionen seit Mitte der 1990er Jahre
demokratische zivilgesellschaftliche Initiativen. Seit 2001 haben die Mobilen
Beratungsteams des Kulturbüro Sachsen e.V. hier ihre Regionalbüros (Pirna,
Neukirchen, Großpösna) und arbeiten seit Anbeginn ihrer Arbeit in diesen Regionen
schwerpunktmäßig.
Gegenstrategien zur soziokulturellen Verankerung der NPD in Sachsen
Erfahrungen aus staatlicher und nichtstaatlicher Arbeit gegen Rechtsextremismus
zeigen, dass rechtsextreme Aktivitäten in Sachsen zurückgedrängt werden können,
wenn den Gruppierungen die logistische Basis entzogen und die demokratische
Zivilgesellschaft gefördert wird.
Die zivilgesellschaftliche Arbeit konnte „Wachstumskerne“ für demokratische Kultur
etablieren, die lokal verankert sind und Gelegenheiten für Demokratiebildung und
öffentlichen Diskurs bieten. Diese werden aber nur teilweise lokal gefördert.
Positive Ergebnisse, wie die Schließung des Jugendhauses des „Nationalen
Jugendblocks“ in Zittau, der Neuaufbau der Jugendarbeit in Bernsdorf, der
Dorfentwicklungsprozess in Reinhardtsdorf-Schöna, die Schließung des von
rechtsextremen Jugendlichen dominierten Jugendclubs in Berggießhübel, die Mobile
Jugendarbeit im Weißeritzkreis und im Landkreis Sächsische Schweiz, etc. zeigen,
dass
demokratische
Jugendarbeit
stattfinden
und
rechtsextreme
Dominanzverhältnisse
aufgebrochen
werden
können,
wenn
qualifizierte
jugendhilfliche Angebote und eine kommunale Problemwahrnehmung vorhanden
sind.
Dazu ist das Zusammenwirken verschiedener Fachbereiche und Verwaltungsstrukturen notwendig. Dazu gehören Mobile Beratung, lokale Initiativen, Polizei und
Staatsschutz, Jugendamt, Kommunal- bzw. Kreisparlament.
Die meisten Sympathisanten rechtsextremer Parteien sind politisch wenig informiert
und für Sachargumente unempfänglich. Sie fühlen sich von einfachen Lösungen und
griffigen Parolen angesprochen. Sachsen braucht daher eine Politik, die eine echte
Chance auf Veränderung von Meinungen, Mentalitäten und Wertvorstellungen
ermöglicht.
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