Dorgon-Buch 5: Die Insel Cartwheel

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Dorgon-Buch 5: Die Insel Cartwheel
D O R G O N
Band V
Die Insel Cartwheel
Hefte 40 bis 49
D O R G O N
Buch 5
Hefte 40 bis 49
Die Insel
Cartwheel
DIE FANSERIE DES PERRY RHODAN ONLINE CLUB
Im Jahre 1295 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist eine Zeit angebrochen, in
der es der Liga Freier Terraner wieder besser geht. Auch die Ereignisse um die
MORDRED liegen 4 Jahre zurück und der Schrecken, den diese Terrormacht
für eine kurze Zeit verbreitet hat, ist nicht mehr gegenwärtig.
Die erfolgreiche Expedition nach Dorgon unter Aurec, Homer G. Adams und
Joak Cascal hat nicht nur die Gefahr durch eine drohende Invasion aus
M 100 vereitelt, sondern auch in dem Volk der Dorgonen unter ihrem weisen
Herrscher Uleman neue Verbündete gefunden.
Die Gefahren sind noch lange nicht gebannt. Das Kristallimperium Arkons
greift nach den Sternen und die Gefahr durch Cau Thon und dessen Meister
ist immer noch allgegenwärtig.
Doch während dieser Zeit erscheint DORGON, der Hüter von M 100, und
wirbt in der Milchstraße für ein kosmisches Projekt, von dessen Erfolg das
Wohl und Wehe aller Intelligenzwesen abhängig seien. Die Völker der Milchstraße sollen in die 500 Lichtjahre entfernte Galaxis Cartwheel Vertreter
entsenden, die dort eine Festung gegen die Armeen Cau Thons und dessen
Meister MODROR errichten.
Doch MODROR schläft nicht. In der Galaxis Saggittor wird die alte Barriere
aktiviert und die Angst vor der Rückkehr Rodroms wächst. Die Superintelligenz SAGGITTORA wurde von Rodrom vernichtet. Aurec bleibt nichts
anderes übrig als DIE FLUCHT AUS SAGGITTOR...
DORGON – Buch 4 – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Autoren: Nils Hirseland, Dominik
Hauber, Tobias Schäfer, Ralf König und Jens Hirseland. Titelbild-Zeichner: Heiko Popp, Gerd Schenk, Nils Hirseland, K.G. Schimanski und Stefan
Lechner. Technischer Berater: Sebastian Schäfer. Druck: Rolf-Dieter Kaufhold. Lektorat, Nachbearbeitung: Klaus Wiehoff. Umsetzung in Endformate:
Alexander Nofftz. Satz: Xtory (SAXON, PDFLATEX). Internet: http://www.dorgon.de. eMail: [email protected]. Adresse: PROC c/o Nils Hirseland,
Redder 15, 23730 Sierksdorf. Copyright c 2001. Alle Rechte vorbehalten!
Heft 40
Flucht aus Saggittor
Aurec und sein Volk müssen fliehen - Rodroms Test!
von Nils Hirseland
Titelbild von Heiko Popp
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Flucht aus Saggittor
1.
Kampf um die Vernunft
Der Saggittone wanderte am Strand entlang,
lauschte dem Rauschen der Wellen und beobachtete die funkelnden Sterne am Himmel. Sie
wurden von Minute zu Minute blasser, denn
die Sonne ging über dem Horizont auf und das
blaurote Licht verdrängte den Schein der endlosen Planeten, Sonnen und Galaxien.
Aurec starrte ins Meer und dachte an Shel
Norkat. So schnell und geheimnisvoll, wie sie
gekommen war, so war sie auch wieder gegangen. Er konnte die Terranerin schon damals
nicht verstehen, als sie noch am Leben war. Ihre Unlogik hatte sich auch nach ihrem Tode und
als Konzept der Superintelligenz SAGGITTORA nicht geändert.
Seine Liebe war gegangen. Nun für immer.
Nie wieder würde er in ihrer Nähe sein, niemals ihre sinnlichen Lippen oder ihren erotischen Körper spüren.
Shel gehörte der Vergangenheit an.
»Ruhe in Frieden«, sagte Aurec entschlossen. Er ermahnte sich selbst, mit Shel Norkat
abzuschließen.
Schließe mit der Vergangenheit ab und nicht
mit deinem Leben, sprach er zu sich selbst.
Seine innere Stimme hatte recht! Der Saggittone hatte eine andere Aufgabe. Shel und sein
Vater waren ihm als Konzepte der Superintelligenz SAGGITTORA erschienen. Sie hatten ihn
vor einer drohenden Gefahr und dem Untergang
der gesamten Galaxis gewarnt.
Diese Aussagen durfte er nicht außer Acht
lassen. Aurec spürte, daß die beiden einst geliebten Menschen glaubwürdig waren. All die
seltsamen Ereignisse in den letzten Wochen
mußten etwas mit der Reaktivierung der Barriere zu tun haben.
Aurec schoß ein Name durch den Kopf.
Rodrom!
Für einen Moment schloß er die Augen und
dachte an die erste Begegnung mit der Roten
Entität.
*
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Ein roter Nebel stieg hinter einem Tresen
hervor. Die Erde begann zu beben, es folgte eine
heftige Explosion. Der Tresen flog in alle Richtungen davon, mit ihm die dahinter befindlichen
Bardamen.
Die Gäste sprangen panikartig auf und liefen
davon. Auch Rhodan und seine Begleiter standen auf und wollten das Restaurant verlassen,
dann erkannte Perry eine rote Gestalt in dem
Nebel.
»Eine Flucht nutzt dir nichts, Perry Rhodan«, sprach die rote Gestalt. »Wir werden dich
überall finden. Es gibt keinen Ausweg.«
Das Wesen war etwa zwei Meter groß und
in einen roten Mantel gekleidet. Das Gesicht
wurde von einem roten, ovalen Helm verdeckt.
Aus einem schwarzen Schlitz in Augenhöhe des
Helms schienen Flammen zu lodern..
»Wer oder was bist du?« wollte Rhodan wissen.
»Dein Schicksal«, antwortete die Kreatur.
»Ich verstehe nicht so ganz«, sagte Rhodan
zögerlich.
»Natürlich verstehst du nicht. Ihr niederen Wesen könnt doch nichts verstehen. Ich
bin Rodrom, Abgesandter und Inkarnation des
großen... Chaotarchs... MODROR!«
Rhodan saß damals der Schreck tief in den
Knochen. Warum wollten die Chaotarchen auf
einmal seinen Tod, fragte er sich.
»Ich nehme an, daß du uns auf diese ParaErde gebracht hast?«
»Ich bin beeindruckt über deine Intuition«,
sagte Rodrom spöttisch.
»Warum? Was haben wir dir oder Modror
getan?«
»Ihr existiert. Dies allein ist schon Grund genug, euch zu eliminieren. Aber du bist es, Rhodan. Die Leute der LONDON sind unwichtige
Ameisen. Du jedoch mußt dich noch immer vor
uns verantworten.«
»Warum? Was habe ich euch getan? Wir haben uns seit Jahrhunderten nicht in die Belange
der Chaotarchen eingemischt.«
Rodrom lachte diabolisch.
»Du kleiner Tor, es geht um V’Aupertir –
den Herren der Elemente. Seine Devolution
habt ihr zu verantworten. Nun kann ich endlich
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die ersehnte Rache nehmen für die schmähliche
Niederlage der Mächte des Chaos.«
Rhodan begriff nun, weshalb Rodrom gegen
ihn vorging. Er wollte sich für die Niederlage
des Dekalogs rächen. Rhodan bezweifelte, daß
er den Dekalog selbst rächen wollte, sondern
die Tatsache, daß die Mächte des Chaos gegen
Rhodan seinerzeit eine Schlappe erlitten hatten.
»Nun verstehe ich«, sagte Rhodan langsam.
»Gut, dann verstehst du auch, daß dein Ende gekommen ist. Ich beabsichtige, dich nicht
auf diesem Planeten dahinvegetieren zu lassen.
Nein, du wirst gejagt und erlegt werden, wie
Wild...«
»Ich sehe ein, daß du meinen Tod wünschst.
Aber laß die anderen in Ruhe. Die Passagiere
der LONDON und die Saggittonen haben nichts
mit deiner Rache zu tun. Du hast keine Beweggründe, gegen sie vorzugehen«, sagte Rhodan
energisch.
Rodrom machte eine Kopfbewegungen nach
oben.
»Du maßt dir an, die Beweggründe einer
dir weit überlegenen Entität nachvollziehen zu
können? Das ist lächerlich. Oder erwartest du
von einem Zwergpinseläffchen, daß es eine Logarithmik rechnen könnte?«
Rhodan wäre am liebsten diesem arroganten
Wesen an die Gurgel gegangen, doch er bezweifelte, daß Rodrom aus Materie bestand.
Der Rote ging auf Rhodan zu, bis er direkt
vor ihm Stand. »Die Kreaturen der Galaxis Saggittor, wie auch jene auf der LONDON, sind unwichtig.
Ich habe die Saggittonen dazu benutzt, die
LONDON in die Falle zu locken. Dolphus ist
einer meiner Handlanger.
Ich war es, der den Befehl zur Exekution
der Kanzlerfamilie gab. Alles nur, um die LONDON in die richtige Position zu bekommen,
um sie in dieses Universum zu bringen. Die
Saggittonen und Passagiere der LONDON waren nichts weiter als Bauern auf einem Schachbrett«, erklärte die rote Entität.
Rhodan schwieg.
»Ich gebe dir aber noch eine faire Chance.
Du mußt gegen fünf meiner besten Kämpfer
antreten. Sie werden dich auf diesem Planeten
jagen, bis entweder du oder aber sie tot sind.
Nils Hirseland
Da ich der festen Überzeugung bin, sie werden
nicht versagen, glaube ich, daß dein Ende gekommen ist. All die Jahrhunderte konntest du
immer wieder dem Tod ein Schnippchen schlagen, diesmal ist es zu spät. Du und deine Gefährten werdet nun euer Schicksal treffen.«
Rodrom löste sich wieder in Nebel auf. Zurück blieb eine verwüstete Bar. Es herrschte Totenstille.
*
Aurec öffnete wieder die Augen. Keine Silbe
der Worte Rodroms hatte der Saggittone vergessen. Auch nicht nach zehn langen Jahren.
Bis dato war ihm nirgendwo ein solch diabolisches Wesen begegnet. Wenn es tatsächlich so etwas, wie »das Böse« gab, dann mußte
Rodrom ein direkter Abgesandter dieser Macht
sein.
MODROR... Das war der Name seines Herren. Ein Chaotarch. Erst jetzt dachte Aurec
über die seltsame Betonung in Rodroms Worten nach. Es war ihm früher nicht aufgefallen.
Er sprach das Wort Chaotarch fast abfällig aus.
Aber warum?
Aurec faßte sich an die Schläfe und versuchte Herr über die Kopfschmerzen und Nachfolgeerscheinungen seines Rausches zu werden.
Plötzlich erschien ihm vor seinem geistigen
Auge das Bild Ulesias, jener wunderschönen
Dorgonin, die er auf Anhieb geliebt hatte. Doch
auch Ulesia war ihm vor vier Jahren gewaltsam
entrissen worden.
Wieder war er allein. Doch war er das wirklich? Er hatte zwar keine Gefährtin, doch Freunde in vielen Galaxien und ein Volk, für das er
verantwortlich war.
Er war somit bestimmt nicht das Paradebeispiel eines einsamen Wesens. Aurec wurde gebraucht und geliebt. Mit dieser Gewißheit sollte
es ihm doch möglich sein, die nötige Kraft für
den Kampf gegen Rodrom aufzubringen.
Aurec sank in die Knie und nahm etwas Sand
auf. Langsam ließ er die Körner durch die Finger seiner Hände rieseln. Der kalte Wind fuhr
ihm durch die Haare. Er besaß eine erfrischende Wirkung.
Flucht aus Saggittor
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Langsam erhob sich Aurec wieder und atmete die frische Seeluft tief ein. Dann gab er
sich einen innerlichen Impuls und verließ im
forschen Gang den Strand.
Der Prinz Saggittors hatte neue Energien gewonnen. Er war wieder der Alte!
2.
Hinter der Barriere
In der Stille des Alls deutete nichts auf die
schicksalhaften Stunden für die Galaxis Saggittor hin, die kurz bevor standen.
Ein Jäger unterbrach diese Ruhe und steuerte mit enormer Geschwindigkeit auf das gigantische Objekt mitten im Leerraum zu.
Das fünfzehn Kilometer lange asteroidenähnliche Keilraumschiff war jedoch winzig gegenüber dem planetengroßen Gebilde, daß es
umkreiste.
Die WORDON patrouillierte langsam um
das 100.000 Kilometer große karoförmige Etwas herum, an dem fieberhaft gearbeitet wurde.
Tausende von Schiffen waren an der Außenhülle verteilt. Die Fertigstellung war nur noch
eine Frage von Stunden gewesen.
Pestol, der Chefkonstrukteur dieses Monstrums, war ein achthundertjähriger Zievohne
aus der Galaxis Barym.
Die Hälfte seines Lebens hat er im Auftrage der Chaosmächte an diesem wohl größten
künstlichen Gebilde des Universums gebaut.
Nun war es vollendet und stand kurz vor seiner Taufe. Ein Gefühl von Ehrfurcht überkam
den Wissenschaftler, der eine fürstliche Entlohnung – die relative Unsterblichkeit – von seinem Auftraggeber bekommen hatte, um dieses
Gebilde zu konstruieren.
Er nannte es den SONNENHAMMER.
Dieser Name klang gigantisch, doch er beschrieb die Eigenschaften des SONNENHAMMERs bis auf den Punkt.
Die Zievohnen waren 1,70 Meter große humanoide Wesen mit einer lederartigen braunen
Haut. Sie erinnerten stark an die Hauris aus dem
Roten Universum Tarkan. Auf andere Wesen
wirkten die Zievohnen erschreckend und daher
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besaßen sie in der Galaxis Barym auch den Ruf
als Dämonen des Chaos.
Ein Ruf der viel Respekt mit sich brachte.
Im Grunde genommen waren sie auch Dämonen des Chaos, denn sie dienten einem der finstersten Mächte im Universum. Sie vollbrachten grauenvolle Taten für sie. Ja, sie hatten den
Namen verdient.
Pestol war kein Krieger, so wie viele anderen
seiner Artgenossen, die in jungen Jahren Barym
verließen, um in das Land Modror gebracht zu
werden.
Dort wurden sie konditioniert und kamen als
Elitesoldaten wieder. Sie waren ein Teil der gigantischen und unbesiegbaren Armee des Chaos.
Doch Pestol wollte keine Waffe in die Hand
nehmen. Er verabscheute den Konflikt zwischen einzelnen Wesen. Nein, er wollte schnell
und effektiv gewinnen.
Mit dem SONNENHAMMER hatte er dieses Ziel verwirklicht. Eine fliegende Festung,
größer als ein Gasriese und mit einer Zerstörungskraft, die sich keiner vorstellen konnte.
Niemand bis auf er selbst und seine Auftraggeber.
Pestol blickte auf sein Chronometer. Bald,
sagte er sich im Gedanken, bald...
*
Er war wieder in die Galaxis Saggittor zurückgekehrt. Eigentlich war er nur einen Wimpernschlag lang weg gewesen, zumindest aus
kosmischer Sicht.
Was waren schon Planetenjahr? Nichts! Für
ihn war es allerdings der längste Wimpernschlag gewesen, denn er brannte auf Rache.
Endlich wollte er dieses aufmüpfige Volk,
der Saggittonen, Holpigons und wie sie alle hießen, eine Lektion erteilen.
Sie sollten für ihre impertinente Einmischung bezahlen. Damals war er bereits mit der
Überwachung des Baus des SONNENHAMMERs beschäftig gewesen, doch sein Meister
verlangte zu dieser Zeit einen Bericht über die
Aktivitäten im Normaluniversum.
Rodrom sah sich bereits nach einem geeigneten Testfeld für den SONNENHAMMER
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um.
Er wählte er die Galaxis Saggittor und studierte derweil ihre Geschichte. Zur gleichen
Zeit verfolgte er ebenfalls den anbahnenden
Kampf zwischen Perry Rhodan und Shabazza.
Dieser hatte sich letztendlich als Versager herausgestellt.
Sie hatten allerdings bereits vor mehr als 25
Jahren ein Trojanisches Pferd in Rhodans nächster Nähe gestellt. Während Shabazza noch bemüht war, Perry Rhodan zu schlagen, hatte ein
anderer Diener seines Meisters bereits damit begonnen, eine Terrormacht zu errichten, die den
Auftakt des Kampfes zwischen Rhodan und den
Mächten des Chaos darstellen sollte.
Rodrom dachte mit Genugtuung über die Ereignisse der letzten Jahre nach. Sein Meister
war zufrieden, denn es hatte sich alles nach seinem Plan entwickelt.
Doch noch immer grämte ihn die Niederlage
durch Rhodan und die Saggittonen, die ihm vor
zehn Jahren in dieser Galaxis zugefügt worden
war.
Damals wollte er voller Ehrgeiz Rhodan jagen und zur Strecke bringen. Die besten Kämpfer in seiner Armee hatte er dafür auserkoren,
doch alle versagten und starben. Perry Rhodan und Aurec vernichteten sogar das geheime
Versteck der Kjollen, einem Hilfsvolk Rodroms
und seines Meisters.
Rodrom zog sich zurück und wiegelte damit die Saggittonen und Terraner in Sicherheit.
Doch er übte grausame Rache, als er das Raumschiff LONDON über einem Wasserplaneten
abschoß und versenkte. 11000 Galaktiker fanden dabei den Tod, doch Perry Rhodan überlebte. Er lebte... noch!
Doch auch Aurec hatte sich als gefährlicher
Widersacher erwiesen. Während Rhodan immer noch gegen Shabazza und dessen Meister
Torr Samaho kämpfte, aktivierte Rodrom im
Auftrage seines Meisters die erste Waffe: Die
MORDRED. Mit Hilfe des Sohnes des Chaos
Cau Thon, einem der ergebensten Diener seines Meisters MODROR, wurden nicht nur die
Dorgonen gegen die Terraner aufgebracht, sondern auch eine Terrororganisation gegründet,
die Camelot vernichten sollte. Zumindest sollte
sie Camelot schwächen, während die Dorgonen
Nils Hirseland
unter Kaiser Thesasian eine Invasion vorbereiteten.
Doch leider konnten Rhodan und Aurec zusammen mit Homer G. Adams, dem Somer Sam
und dem Terraner Joak Cascal die MORDRED
schlagen und ihr Trojanisches Pferd wandte
sich gegen sie; Cauthon Despair!
Ein Wesen, dem ein besonderes Schicksal
vorherbestimmt war, denn er sollte die alte Prophezeiung der Kosmokraten zu einem Ende
bringen.
Eine sehr vage Aussage, doch MODROR
wollte Despair auf seiner Seite wissen. Nachdem Aurec nun auch noch die Invasion der Dorgonen verhindert hatte und sogar einen Verbündeten in dem Volk der Entität DORGON fand,
konnte man immerhin Despair auf seine Seite
bringen und Cau Thon ging in die Offensive und
warb zwei neue Söhne des Chaos, die Rhodan
das Leben schwer machen sollten.
Doch während Cau Thon sich um Rhodan
kümmerte, war es Rodroms Auftrag gewesen,
den Bau des SONNENHAMMERs zu forcieren und den ersten Test durchzuführen. Nun war
dieser Tag gekommen und die Demonstration
der Macht des SONNENHAMMERs sollte in
Saggittor seinen Beginn finden.
3.
Retten, was zu retten ist
Zur allgemeinen Verwunderung tauchte Aurec in den frühen Morgenstunden im Regierungsgebäude auf. Er war rasiert, gewaschen
und trug eine schwarzrote Kombination mit einem Umhang.
Forschen Schrittes rannte er die Treppen
hoch und sah von der Benutzung des Antigravschachtes ab. Ein Teil seiner Gedanken kreiste
noch immer um Shel und Ulesia. Diese Erinnerungen füllten sein Herz immer noch mit Wehmut, doch es galt jetzt, sofort zu handeln.
Wenn Rodrom zurückgekehrt war, mußte er
sofort Gegenmaßnahmen einleiten.
Im Plenarsaal hielt der Senator einer Varniderwelt gerade eine Rede. Er stoppte sofort, als
er Aurec erkannte. Eine Geste der Freude und
Flucht aus Saggittor
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des Erstaunens spiegelte das Gesicht des Pflanzenwesens wieder.
Perus war weniger begeistert.
»Wachen! Schafft den Eindringling sofort
hier heraus«, brüllte er.
Doch niemand wagte es, Aurec anzufassen.
Der Saggittone trat vor Perus und bat ihn um
ein persönliches Gespräch.
Der Kanzler willigte ein und verließ mit dem
ehemaligen Kanzler den Saal. Sie ließen aufgeregt tuschelnde Senatoren zurück.
In einem Nebenraum angekommen, verlor
Aurec auch keine Zeit. Ohne große Umschweife begann er sofort Perus zu berichten.
»Ich weiß, was hinter der Barriere steckt«,
begann er warnend.
Sein Gegenüber musterte ihn mißtrauisch.
Perus merkte sofort, daß Aurec wieder gefaßt
und im Besitz seiner vollen Kräfte war.
»Rodrom ist zurückgekehrt. Er hat anscheinend den Plan, die Galaxis zu unterdrücken
oder...« Der Saggittone stockte für einen Moment. »...oder sie sogar zu vernichten.«
Perus mußte sich erst einmal setzen. Er dachte über Aurecs Worte nach. Dann nickte er verständnisvoll dem Prinzen Saggittors zu.
»Das sieht in der Tat schlimm aus. Wer hat
Euch das verraten?«
»Einer der Geister«, antwortete Aurec.
»Geister?« wiederholte Perus ungläubig.
»Die Erscheinungen. Sie sind Konzepte
SAGGITTORAs, die tatsächlich eine Superintelligenz ist«, erklärte Aurec weiter.
Perus legte ein seltsames Lächeln auf. Er
drückte auf einen Knopf. Sofort kamen vier Soldaten hereingestürmt, die von Waskoch angeführt wurden.
»Was soll das?« wollte Aurec wissen.
Perus lehnte sich zurück und grinste überlegen. Aurec wäre am liebsten sofort über diesen
arroganten und feisten Intriganten hergefallen,
der den Ernst der Lage nicht zu begreifen schien.
»Sie sind offensichtlich geistesgestört. Im
Interesse aller werden die Wachen Sie zu unserem Ärztestab eskortieren, der dann Ihre Unzurechnungsfähigkeit bescheinigen wird.«
Aurec schüttelte den Kopf.
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»Laßt mich vor dem Senat sprechen. Wir
sind alle in Gefahr!«
Perus schüttelte nur den Kopf und gab den
Wachen ein Zeichen. Aurec wollte sich wehren, doch Waskoch nahm einen Gummiknüppel
und stieß damit seinem Artgenossen in den Magen. Hustend brach Aurec zusammen und wurde von den Soldaten herausgeschliffen. Waskoch wandte sich an den amtierenden Kanzler
Saggittors.
»Tragt dafür Sorge, daß Aurec nie wieder
hier auftauchen wird«, befahl Perus.
Waskoch nickte zufrieden und folgte den
Wachen. Perus erhob sich und faltete die Hände
als er vor einem Fenster stand.
Er ignorierte die Warnungen Aurecs und
glaubte auch nicht an dessen Worte. Die meisten Erscheinungen waren verschwunden und
Perus würde es verstehen, Aurec als Wahnsinnigen vor dem Senat darzustellen.
Aurec letztes Kapitel wurde in seinen Augen
geschrieben und Perus wollte den letzten Punkt
darin setzen.
*
Die Aufmerksamkeit der Delegierten war
auf den hereinkommenden Kanzler Perus gerichtet. Jeder wartete gespannt auf die Erklärung des Regierungsoberhauptes. Perus ignorierte die Blicke und lief zielstrebig zum Podium.
Dann ließ er aufreizend langsam seinen
Blick über die Menge schweifen.
»Liebe Senatoren! Leider ist der ehemalige
Kanzler noch kränker als vermutet. Er ist dem
Schwachsinn anheim gefallen. Aurec behauptet
allen Ernstes, daß der Geist seiner vor knapp
zehn Jahren gestorbenen Geliebten zu ihm gesprochen hat«, sagte er mit geheuchelter Trauer.
Ein Raunen ging durch die Massen. Perus
triumphierte innerlich.
»Sie sagte ihm, daß der böse Rodrom wieder
da sei und uns alle an den Kragen will.«
Die Senatoren wirkten beunruhigt.
»Ich sage Ihnen, daß Aurec zuviel Merage konsumiert hat und ihm seine Sinne einen
Streich gespielt haben. Der ehemalige Kanzler
war nicht in der Verfassung vor Ihnen zu spre-
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chen. Deshalb habe ich im Einvernehmen mit
dem Verteidigungsminister Waskoch, Aurec in
Behandlung gegeben. Unsere besten Ärzte werden sich um ihn kümmern.«
Ein wildes Gemurmel brach aus. Einige mutmaßten, man wolle Aurec hintergehen, andere
waren von dem desolaten Zustand des ehemaligen Kaisers so entsetzt, daß sie den Worten Perus Glauben schenkten.
»Unter diesen Umständen ist es das Beste,
wenn wir Neuwahlen einberufen. Das Volk hat
zu entscheiden. Und es wird sich richtig entscheiden! Aurecs Zeit ist abgelaufen. Ich, Perus, werde Saggittor neue Impulse verleihen
und zu einer Macht ausbauen, der niemand in
diesem Universum gewachsen sein wird. Auch
ein Rodrom nicht!«
Als Perus seine Rede beendet hatte, wischte er sich mit einem Tuch den Schweiß von der
Stirn. Erschöpft stützte er sich am Rednerpult.
Erst nur wenige, dann immer mehr der Senatoren spendeten ihm Beifall.
Perus grinste triumphierend. Der Sieg schien ihm sicher. Nun mußte er nur noch Aurec
beseitigen. Das würde Waskoch übernehmen,
während die Delegierten zur nächsten Tagesordnung schritten.
*
Aurec lag vor Schmerzen gekrümmt in
der Ecke eines Raumes. Zwei muskelbepackte
Trötter fuchtelten bedrohlich mit ihren Schlagstöcken.
Waskoch stemmte die Arme in die Hüften
und lief wie ein Tiger um Aurec umher.
»So, der große Aurec am Boden!«
Aurec konnte diese Aussage nur mit einem
erschöpften Blick auf Waskoch erwidern.
»Einst waren Sie mein Vorbild, doch Ihre
verweichlichte und naive Einstellung hat mich
angewidert. Perus ist ein starker Mann. So, wie
es einst Dolphus war!«
Aurec versuchte sich aufzurappeln, doch er
sank wieder auf den Hosenboden. Er atmete
schwer und versuchte die Schmerzen zu unterdrücken, die ihm die Wachen zugefügt hatten.
»Dolphus war ein wahnsinniger Diktator«,
brachte der Saggittone hervor.
Nils Hirseland
Waskoch spuckte Aurec an und trat wie ein
Berserker gegen dessen Brust. Immer wieder
und wieder, solange bis Aurec nichts mehr tun
konnte, als hustend am Boden zu liegen.
»Ich werde Sie jetzt töten, Kanzler! Es
wird mir das reinste Vergnügen sein, das Volk
Saggittors von einem Parasiten zu befreien!«
fletschte Waskoch, der seine ganze Wut über
Aurecs Ideologie ausließ.
Waskoch nahm einen Schlagstock und
schlug mehrmals gegen ein Rohr damit, um zu
verdeutlichen, wie sehr die Schläge Aurec wehtun würden.
Bevor er ausholen konnte, rappelte sich Aurec auf und fegte mit einem Tritt gegen die Beine Waskoch zu Boden.
Doch an den beiden Tröttern kam er nicht
so schnell vorbei. Sie stellten sich demonstrativ vor die Tür und auch Waskoch rappelte sich
wieder auf.
Aurec konnte dem neuen Verteidigungsminister den Thermostrahler abnehmen und zielte
auf die drei Gegner.
»Meine Herren, ich würde nur sehr ungern
abdrücken, doch wenn sie mir keine andere
Wahl lassen...«
Waskoch bebte vor Wut, doch ihm blieb
nichts anderes übrig, als mit den beiden Tröttern zur Wand zu gehen.
»Wo wollen Sie denn noch hin, Aurec? Ihre Zeit ist abgelaufen. Sehen Sie das doch
ein«, versuchte Waskoch sein Gegenüber einzuschüchtern.
»Oh, ich glaube, daß das Universum noch
viel mit mir vor hat«, entgegnete Aurec mit einem Ansatz eines Lächelns.
Das Lächeln erstarb sofort.
»Und nun bitte ich Sie, sich umzudrehen und
sich auszuziehen.«
»Was?« rief Waskoch aufgeregt.
»Sie haben richtig gehört. Ausziehen!«
Widerwillig befolgten die Drei den Befehl
und zogen sich bis auf die Unterwäsche aus.
Waskoch lief beinahe rot an.
»Alles«, forderte Aurec.
»Sind Sie ein perverses Schwein?« wollte
Waskoch wissen.
»Nein, nur wird mich wohl keiner von Ihnen
nackt verfolgen«, antwortete er schnippisch.
D O R G O N
Flucht aus Saggittor
Waskoch verstand. Dann zog er auch seine
Unterwäsche aus und stand mit den beiden Tröttern vor Aurec, wie sie geschaffen wurden.
Aurec packte die Sachen und warf sie in
einen Konverter, der an der Wand eingebaut
war. Waskoch beobachtete das Schauspiel und
biß sich auf die Lippen.
»So, nun muß ich Sie alleine lassen«, verabschiedete sich Aurec und verließ hastig den
Raum.
Das Schloß schmolz er mit Hilfe des Thermostrahlers zusammen, so daß Waskoch und
die beiden Trötter festsaßen.
Aurec kommentierte die unfreiwillig komische Szene mit dem Hochziehen einer Augenbraue und lief in Richtung Plenarsaal.
*
Perus langweilte die Debatte über eine neue
Steuerreform. Einige Kolonien der Varnider beschwerten sich über die hohen Export- und
Importsteuern, die ihre Administrationen nicht
mehr tragen konnten.
Ein Aurec hätte sofort gefordert, die Steuern
zu senken. Doch Perus Fraktion war eindeutig
gegen eine Senkung.
Plötzlich öffnete sich die Tür und drei Gestalten betraten den Raum. Ein Raunen ging erneut durch den Saal. Perus drehte sich um und
war unangenehm überrascht, als er Serakan in
Begleitung eines Terraners und Holpigons erblickte.
»Wachen! Werft sie hinaus. Das sind Terroristen«, brüllte Perus aufgebracht.
»Laßt uns sprechen. Wir haben wichtige
Neuigkeiten«, rief Serakan und stürmte zum
Podium. Utzmuk und Sato Ambush folgten
ihm.
Die Wachen rührten sich nicht, sie hatten viel
zu viel Respekt vor Serakan. Sie glaubten nicht
daran, daß er gegen die Interessen der Republik
handelte.
Serakan ergriff sofort das Wort.
»Saggittonen, Varnider, Trötter, Multivons
und Holpigons«, begann er. »Es ist wahr. Die
Vermutungen haben sich bewahrheitet. Rodrom
befindet sich hinter der Barriere und bereitet
einen Schlag gegen die Galaxis vor!«
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Diese Worte erschütterten die Delegierten.
Serakan schenkten sie vorbehaltlos ihren Glauben, da er im Gegensatz zu Aurec nicht unangenehm aufgefallen war.
»Schwachsinn! Noch so ein Verrückter«,
brüllte Perus. Er fürchtete um seine Machtposition. Dabei erkannte er nicht, daß die Gefahr
durch Rodrom auch sein Ende bedeutete.
»Wir waren hinter der Barriere«, erklärte Serakan. »Der Theologe und Wissenschaftler Utzmuk befaßte sich seit Jahren mit der Suche nach
SAGGITTORA. Vor wenigen Tagen wurde er
fündig! SAGGITTORA existierte wirklich! Sie
war eine Superintelligenz und Schutzpatronin
Saggittors.«
Niemand wagte es mehr die Ansprache zu
stören. Alle Wesen im Saal hörten gebannt auf
die Worte des Kommandanten der SAGRITON.
»SAGGITTORA befand sich im Kampf gegen Rodrom. Mehr als einmal! Doch den finalen
Kampf hatte sie verloren. Wir trafen auf die Superintelligenz im Zentrum Saggittors. Sie stirbt!
Sie hat unkontrolliert Konzepte entlassen, welche uns als Erscheinungen vor der Gefahr durch
Rodrom warnten.«
Serakan machte eine Pause. Ihm wurde
schwindelig. Seine Beine zitterten und die Gesichtsfarbe wurde weiß. Er taumelte, doch Sato
Ambush ergriff die Initiative und stützte ihn.
Der Saggittone brauchte einige Momente, um sich wieder zu fassen. Der Gedanke
an SAGGITTORAs Worte, die den Untergang
Saggittors vorhersagten, war zuviel für den
Kommandanten. Er war in den letzten Tagen
bereits aus sich herausgewachsen, doch irgendwann waren seine Grenzen erreicht. Wenn er
nur daran dachte, daß all das bald der Vergangenheit angehörte...
Sato Ambush geleitete Serakan zu Utzmuk
und ergriff selbst das Wort.
»Ich bin Sato Ambush, Freund Aurecs und
Perry Rhodans. Ich trat in direkten Kontakt mit
der Entität SAGGITTORA, die sich in der Tat
in einem großen Kampf gegen Rodrom befand,
um Saggittor zu schützen.
Rodroms Kräfte waren überlegen und nichts
kann das Ende SAGGITTORAs jetzt noch aufhalten. Ebenso wie das Ende der Galaxis. Ich
schlage im Namen der Vernunft vor, sofort mit
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der Evakuierung zu beginnen, bevor es zu spät
ist.«
Perus lachte schrill auf und applaudierte. Er
war der einzige. Die anderen Wesen blieben ruhig und dachten über die Worte des Japaners
nach.
»Eine sehr gelungene Darbietung. Braucht
ihr noch mehr Beweise, daß Aurec und seine
Kumpanen geisteskrank sind?«
Der Saal füllte sich mit lautem Gemurmel.
Die Delegierten brüllten sich gegenseitig an und
versuchten ihre Meinung kund zu tun.
Ambush wußte nicht, ob die Saggittonen
schnell genug handelten. Jede Minute kostete
wahrscheinlich viele Leben, die nicht mehr evakuiert werden konnten.
»Warum senden wir nicht eine Flotte zur
Barriere und bekämpfen sie, wie wir es vor zehn
Jahren getan haben?« warf der Delegierte der
Trötter ein.
Er erntete Applaus.
»Wenn SAGGITTORA sie nicht besiegen
kann, können wir es in der kurzen Zeit auch
nicht«, wandte Ambush ein.
Perus schüttelte den Kopf. Er rief seine Leibwachen, die bedrohlich auf Ambush, Serakan
und Utzmuk zuliefen. Sie waren zu allem bereit. Ihre Kombistrahler waren nicht auf Paralyse gestellt.
Perus wollte diese lästigen Feinde endlich
loswerden!
»Wir sprechen dem Saggittonen, dem Terraner und unserem Bruder Utzmuk unser Vertrauen aus. Die Holpigons werden sofort mit der
Evakuierung beginnen«, sprach plötzlich der
Senator der Holpigons, Vochur.
Plötzlich kehrte wieder für kurze Zeit Ruhe
in den Saal ein. Die Politiker blickten zu dem
Abgeordneten der Moluskenwesen herüber.
»Die Ausführungen klingen logisch. Die Erscheinungen sind keine Trugbilder und auch
keine von Aurec inszenierte Kampagne gegen
Perus. Wir sollten sofort handeln und die Evakuierung aller Welten beginnen. Wir dürfen die
Gefährlichkeit Rodroms nicht unterschätzen!«
Utzmuk war froh über die Entscheidung
seines Artgenossen Vochur, Administrator der
Welt Horww. Diese Eigenschaft machte ihn
auch automatisch zum Stellvertreter des ober-
Nils Hirseland
sten Regenten der Holpigons.
Die anderen Völker hingegen zauderten. Die
Varnider, Trötter und Multivons brauchten mehr
Beweise, um so eine kostspielige und vielleicht
völlig unnötige Aktion zu starten. Viele befürchteten auch eine Massenpanik der Bevölkerung.
Letztendlich war es nicht einfach, der Gesamtbevölkerung den Untergang der Galaxis
mitzuteilen.
Perus ergriff wieder die Initiative. Er sprach
sich für eine erneute Tagung in zwei Tagen aus.
Bis dahin wollte er mehr Zeit gewinnen. Ambush legte Widerspruch ein, da die Zeit drängte,
doch der amtierende Kanzler machte dem Japaner unmißverständlich klar, daß ein Terraner
sich nicht die Politik der Saggittonen einzumischen hatte.
Ambush wußte, daß es wenig Sinn hatte, gegen Perus vorzugehen. Sie brauchten Aurecs
Hilfe.
Der Terraner wandte sich an Utzmuk und Serakan.
»Wir müssen zuerst Aurec finden. Wenn wir
ihn wieder wachrütteln können, haben wir auch
eine reale Möglichkeit den Senat zu überzeugen.«
Der Holpigon nickte zustimmend. Serakan
war weniger davon überzeugt.
»Aurec ist am Ende. Es hat keinen Sinn mehr
mit ihm zu sprechen«, wandte er ein. Er war tief
enttäuscht von seinem Freund und Vorbild.
»Wir haben keine andere Wahl«, meinte Ambush und verließ den Saal.
Utzmuk und Serakan wechselten einen vielsagenden Blick und folgten dem Asiaterraner
aus dem Regierungsgebäude.
Serakan aktivierte seinen Interkom, den er
aus Sicherheitsgründen im Plenarsaal hatte deaktiviert müssen. Während der Zeit im OfflineModus hatte der Interkom eine Nachricht empfangen und gespeichert.
Sie stammte von Aurec:
»Treuer Freund! Shel Norkat berichtete mir
von SAGGITTORA und Rodroms gefährlichen
Absichten. Wir müssen uns treffen. Da ich von
Waskoch verfolgt werde, sollten wir uns in der
Kneipe treffen, in der wir vor einer Woche den
Abend verbracht haben.«
Flucht aus Saggittor
D O R G O N
Serakan fühlte sich schuldig, als er die Nachricht laß. Er hatte den Glauben an Aurec zu
früh verloren. Nachdem er Ambush und Utzmuk die Nachricht vorgelesen hatte, machten
sie sich umgehend auf den Weg zum Raumhafenlokal.
4.
Vorbereitungen zum Test
Zwei Jäger brausten über die kraterförmige
Außenhülle der WORDON hinweg und bahnten sich ihren Weg über der Kommandozentrale
des gigantischen Schiffes.
Rodrom verfolgte die Manöver der beiden
Raumjäger. Anschließend drehte er sich um und
musterte die Besatzung seiner Kommandozentrale.
Zukthh, der langjährige Kommandant der
WORDRON stand an den Kontrollen, die einen
Statusbericht über den Bau des SONNENHAMMERs lieferten.
Zukthh war in einer grauen Kutte gekleidet,
unter der sich eine Rüstung verbarg. Auch er gehörte zu dem Volk der Zievohnen an und war
ein ausgezeichneter Soldat und Pilot, der sich
in vielen Schlachten hervorgetan hatte.
Die Hälfte seiner Crew bestand aus seinen
Artgenossen. Die andere Hälfte stammte von
verschiedenen Völkern, die aus vielen Galaxien des Reiches Modror stammten.
Darunter waren die schlangenartigen Lasaar,
die Vogelwesen der Atusar und die dreibeinigen
Rytar.
Die Raumlandetruppen bildeten die Legionen des Chaos. Sie bestanden aus seltsamen humanoiden Kreaturen, deren Exoskelett als organischer Panzer wirkte.
Niemand wußte genau, woher diese Soldaten
stammten, wessen Volk sie angehörten. Pestol
hatte einst die Vermutung geäußert, es seien die
rekrutierten Zievohnen, die in den näheren Bereich Modrors gebracht wurden, doch im Grund
genommen, wußte es niemand außer MODROR
selbst, Rodrom und die Söhne des Chaos.
Rodrom unterbrach die Überlegungen Zukthhs als er plötzlich direkt vor ihm stand. Der
15
Kommandant erschreckte sich innerlich, zeigte
seinem Herren jedoch nichts davon.
»Wie lange dauert es noch bis zur Fertigstellung des SONNENHAMMERs? «
Zukthh wirkte verlegen, da er Rodrom keine
genaue Antwort geben konnte. Jedoch war das
in seinen Augen Pestols Schuld.
»Der SONNENHAMMER ist zu 70 Prozent
fertiggestellt. Die Bewaffnung ist jedoch bereits
voll funktionsfähig, versicherte mir Pestol« erklärte der Kommandant der WORDON.
Rodrom wirkte jedoch wenig begeistert, sofern man irgendwie eine Gefühlsregung an diesem Wesen erkennen konnte.
»Stellen Sie mir unverzüglich eine Verbindung zu Pestol her!« befahl die Rote Entität
in einem wenig freundlichen Tonfall, der durch
das Knochenmark Zykkths ging.
»Ja, mein Meister. «
*
Pestol arbeitete fieberhaft an den letzten Vorbereitungen für die große Feuertaufe. Es durfte
ihm kein Fehler unterlaufen, sonst waren Jahrhunderte der Forschung umsonst und sein Leben war verwirkt.
Eine Projektion Rodroms erschien plötzlich
und ohne Vorankündigung vor dem Zievohnen,
der überrascht zurückwich.
»Was kann ich für Euch tun, Meister Rodrom? «
»Der SONNENHAMMER ist erst zu 70 Prozent fertiggestellt. Warum dauert das so unendlich lange? «
Pestol schwieg für einige Momente und
überlegte sich seine Antwort sehr genau. Jedes
falsche Wort konnte sein letztes gewesen sein.
Er versuchte Rodrom mit einem Lächeln zu
beschwichtigen.
»Herr, bei einem Gebilde dieser unglaublichen Größe ist es unmöglich, den SONNENHAMMER bis zum angestrebten Testtermin
fertigzustellen. Ich versichere Ihnen jedoch,
daß vom Antrieb über den Formenergieschutzschirm bis hin zu den Strahlungsprojektoren alles funktionstüchtig ist«, erklärte der dürre Humanoid aus der Galaxis Barym.
D O R G O N
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»Das hoffe ich für Sie! Sollte dieser Test
fehlschlagen, werde ich persönlich Ihre Exekution übernehmen, Pestol! «
Mit diesen klaren Worten löste sich das Holobild Rodroms auf. Pestol faßte sich an die
Stirn. Dort war kein Schweiß, denn die Zievohnen konnten nicht transpirieren. Ein heißkalter
Schauer lief ihm über den Rücken. Dann riß er
sich wieder zusammen und machte sich an die
Arbeit.
In nur zwei saggittonischen Tagen mußte alles einsatzbereit sein, sonst war er verloren.
*
Rodrom beobachtete die pulsierende rote
Sonne. Vier Planeten kreisten um diese Welt nahe dem Schwarzen Loch im Zentrum. Unweit
von hier befand sich einst das Heimatsystem der
Kjollen, einem Hilfsvolk der Mächte des Chaos,
die jedoch aufgrund ihrer Niederlage gegen die
Saggittonen von Rodrom vollständig vernichtet
wurden.
Die Inkarnation MODRORs war unnachgiebig. Versagen wurde auf der Stelle mit dem Tode bestraft.
Worte konnten die abgrundtiefe Bosheit dieses Wesens kaum beschreiben. Ein Mensch
konnte es nicht begreifen, warum ein Wesen so
viel Haß und negative Emotionen besaß wie Rodrom.
Die Rote Entität versank in eine Art Trance.
Er »lauschte« in das Universum und nahm die
sterbenden Impulse SAGGITTORAs wahr.
Die Superintelligenz war am Ende. Er spürte
die Angst der Milliarden von Bewußtseinen, die
in eine andere Dimension abdrifteten, ohne eine
Möglichkeit auf Rückkehr.
SAGGITTORA war dem mentalen Duell mit
Rodrom nicht gewachsen gewesen. Er hatte
sie im psionischen Kampf tödlich geschwächt.
Nichts konnte ihre Auflösung mehr verhindern.
Doch dies war nur der Anfang.
Plötzlich schreckte Rodrom hoch. Irgend etwas stimmte nicht! Er fühlte eine Präsenz, die
von größter Gefährlichkeit war.
»Er ist hier«, sprach er zu sich selbst.
Beunruhigt wandte sich Rodrom wieder dem
Kommandanten der WORDON zu, der durch-
Nils Hirseland
aus fühlte, daß etwas mit Rodrom nicht stimmte.
»Kommandant, informieren Sie Pestol, daß
der Test bereits in zehn Stunden saggittonischer
Zeitrechnung durchgeführt werden muß. Sollte
er versagen, wird er aus der Schleuse geworfen.
«
Zukthh war irritiert. »Meister? Sind zehn... «
»Wagen Sie es nicht noch einmal, meine
Befehle in Frage zu stellen, Kommandant!«
herrschte Rodrom den Zievohnen an.
Zukthh salutierte vor Rodrom und lief hastig
zur nächsten Funkanlage, um Pestol die Neuigkeiten zu übermitteln.
Rodrom lief wieder völlig ruhig und gefaßt
zum Panoramafenster der Kommandostation.
Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken
und esperte in das All hinaus.
»Ich spüre dich«, sagte er in Gedanken, ohne
eine Antwort zu erwarten. »Auch du wirst uns
dieses Mal nicht aufhalten können. Das Schicksal der Galaxis Saggittor ist besiegelt! «
5.
Auf der Flucht
Aurec hatte sich umgezogen und in einem
Hotel direkt neben der Kneipe, die als Treffpunkt fungieren sollte, ein Zimmer gemietet.
Dort harrte er der Dinge, bis er die drei Gestalten sah, die zum Lokal gingen. Es waren Sato Ambush, Utzmuk und Serakan.
Ein sehr seltsames Gespann, wie Aurec fand,
doch er vertraute den drei skurrilen Wesen am
meisten in dieser Galaxis.
Der Saggittone nahm einen Thermostrahler
und steckte ihn in seine schwarze Montur. Den
Umhang hatte er abgelegt. Aurec wollte auf keinen Fall das Risiko eingehen, erkannt zu werden. Er sah viel zu elegant mit dieser Kleidung für diese Gegend aus. Deshalb entschloß
sich der Prinz Saggittors, die Kombination etwas dreckig zu machen und ebenfalls auf die
Schulterstücke und die goldenen Knöpfe zu verzichten.
Es regnete. Trotz der paar Meter zum Eingang der Taverne wurde das Haar Aurecs völlig
durchnäßt.
Flucht aus Saggittor
D O R G O N
Er stürzte sich in das Getümmel der Besucher, um möglichst unerkannt zu bleiben. Langsam, aber zielstrebig ging er auf Serakan, Ambush und den Holpigon zu, die an der Theke auf
Aurec warteten.
»Benehmt euch ganz unauffällig«, forderte
Aurec und stellte sich neben sie.
»Es freut mich dich wiederzusehen, Aurec«,
begrüßte Sato Ambush seinen alten Freund.
Aurec erwiderte die freundliche Geste mit
einem Lächeln. Dann wurde er sofort wieder
ernst und begann von Shel Norkats Aussagen
zu berichten.
»Auch wir haben dieselben Informationen
von SAGGITTORA bekommen«, ergänzte Ambush Aurecs Ausführungen.
Aurec machte einen verdrossenen Eindruck.
»Das bedeutet, daß Saggittor in größter Gefahr ist. Wir müssen sofort die Barriere durchstoßen und Rodrom stoppen«, forderte der Prinz
Saggittors.
Ambush schüttelte den Kopf.
»Unmöglich. Die WORDON und hunderttausende andere Schiffe haben sich im Zentrum versammelt und bauen an etwas Gigantischem!«
Es kehrte für einen Moment Stille ein. Niemand wußte weiter. Nur die laute Musik des
Akustikautomaten war zu hören.
»Ich habe einen Vorschlag«, meldete sich
Utzmuk zu Wort »Die Holpigons werden mit
der Evakuierung der Völker beginnen, während
ihr versucht, Rodrom zu schlagen. «
Aurec war erfreut über die Hilfsbereitschaft
des Schneckenwesens. Doch die Lage war immer noch aussichtslos, solange nicht alle Völker mitzogen. Perus und Waskoch hatten die
Kontrolle über die Armee und Regierung. Was
konnte Aurec tun? Nichts! Nichts, außer...
»Wir kapern die SAGRITON«, schlug Aurec
vor.
Serakan blickte seinen Freund entsetzt an.
»Wir können doch nicht einfach das größte
Raumschiff in der Galaxis kapern. Wie sollen
wir das anstellen? «
Aurec grinste.
»Ganz einfach. Die Holpigons werden uns
unterstützen. Außerdem haben wir viele Anhänger, die mit Perus’ Politik nicht einverstan-
17
den sind. Du, Serakan, wirst sie anwerben. Wir
werden in fünf Stunden zuschlagen und haben
dann ein Machtmittel, um die Barriere zu erforschen«, erklärte der Prinz Saggittors.
Den anderen, insbesondere Serakan, war
nicht sonderlich wohl bei diesem Gedanken.
Aurecs Plan war mehr als verwegen und obendrein sehr gefährlich.
»Wir haben noch einen weiteren Trumpf«,
erzählte Aurec weiter. »Die SAGRITON besitzt
eine Schaltung, mit der ich die Syntroniken aller anderen Schiffe und dazugehörigen Robotern kontrollieren kann.
Diese Schaltung wurde nach der DolphusKrise eingesetzt, um derartige Mißbräuche zu
verhindern. Sie hört nur auf drei Personen: mich
selbst, dem Kommandanten der SAGRITON
und dem amtierenden Kanzler. Es reichen jedoch die Stimmencodes von zwei der drei Autorisierten völlig aus.«
Sato Ambush nickte wohlwollend über den
klug durchdachten Plan Aurecs. Er ergänzte,
daß man somit die Möglichkeit hätte, genügend
Raumschiffe für eine Evakuierung bereitzustellen. Aurec und Serakan konnten sich jedoch
nicht mit dem Gedanken anfreunden, Saggittor
aufzugeben. Diese Galaxis war ihre Heimat und
über 30 Billionen Lebewesen bevölkerten die
Sterneninsel.
Wie sollte man all diese retten? Selbst bei
einer zusammengenommenen Kapazität von
500.000 Schlachtschiffen aller Völker konnte
man vielleicht ein paar Milliarden retten, doch
niemals Billionen. Das war unmöglich!
Sie hatten keine Zeit, großartig über diese
Schwierigkeiten nachzudenken. Aurec gab das
Zeichen, sofort loszulegen. Serakan brach auf,
um in den Kasernen nach Verbündeten zu suchen. Utzmuk nahm sofort Kontakt mit dem
Botschafter der Holpigons, Vendoch auf. Ambush und Aurec wollten verschiedene Politiker
aufsuchen, um sie vor Perus und Rodrom zu
warnen. Weit kamen sie jedoch nicht.
Als sie den Raum verlassen wollten, standen
zwei Trötter und ein Saggittone vor sich. Aurec
erkannte sie sofort.
»Oh, ich hätte euch angezogen beinahe nicht
erkannt«, meinte er sarkastisch und versetzte,
bevor Waskoch etwas entgegnen konnte, einem
18
D O R G O N
Trötter einen Tritt in den Magen. Dann packte
er Ambush und lief durch die Menge zum nächsten Ausgang.
Waskoch verlor die Nerven und feuerte mit
einem Thermogewehr auf die Flüchtigen. Dabei
tötete er ein gutes Dutzend Unschuldige.
Aurec und Ambush konnten durch eine Hintertür fliehen. Der Japaner hatte jedoch Mühe,
mit dem Tempo des Saggittonen mitzuhalten.
»Was ist, Sato? Hast du nicht mehr deine Fähigkeit, dich zu entmaterialisieren?«
Der kleine Asiate verneinte.
»Dies war eine Fähigkeit, die ich in den Ebenen der Multiversen besaß. SAGGITTORA hat
mich wieder zu einem normalen Menschen gemacht... mit all seinen Schwächen«, keuchte der
Pararealist.
Aurec dachte auch über Satos Zellaktivator
nach, den er durch die Verschmelzung mit seinem Para-Ich Embuscade übernommen hatte.
Besaß er diesen Zellaktivator noch? Doch jetzt
war nicht die Zeit darüber nachzudenken, denn
Waskoch und seine beiden Trötter-Killer waren
den beiden schon dicht auf den Fersen.
Zwei Energieschüsse schlugen in einer
Wand seitlich von Aurec ein. Er warf sich zu
Boden und riß Ambush mit.
»Hätte ich doch bloß eine Waffe«, fluchte
Aurec.
»Das Ki könnte eine Waffe sein«, erklärte
Ambush.
Aurec schüttelte den Kopf und packte Ambush als er weiterlief. Sie rannten in eine kleine
Gasse.
»Ihr beiden rennt um den Block. Wir nehmen sie in die Zange«, befahl Waskoch. Er feuerte drei Salven auf die Flüchtigen, verfehlte sie
jedoch.
Die beiden Trötter teilten sich links und
rechts auf. Sie bahnte sich ihren Weg durch die
Passanten.
Aurec und Ambush hasteten durch den
schmalen Weg. Waskoch war vielleicht einhundert bis zweihundert Meter hinter ihnen.
Ein Zaun versperrte ihnen den Weg. Zu Aurecs Überraschung hüpfte Sato mit einem lauten Schrei an die obere Kante des Zauns und
stieg mühelos herüber, während der Saggittone
hochklettern mußte.
Nils Hirseland
Waskoch holte auf!
»Bleiben Sie stehen, Aurec. Ergeben Sie
sich!« brüllte der Offizier den beiden Flüchtigen hinterher. Natürlich machten weder Aurec
noch Ambush Anstalten, die auf eine Aufgabe
hindeuteten.
Brüllend stürzte sich Waskoch auf den Zaun
und kletterte in zwei Sätzen herüber. Dann lief
er, so schnell er konnte, hinter den beiden her,
die gerade eine Straße überquerten.
Dabei wurde Aurec von einem der Trötter angesprungen. Er warf den Prinzen Saggittors zu Boden und beide rangen mitten auf der
Straße. Gleiter zischten an ihnen vorbei. Aurec konnte dem Hundewesen zwei Faustschläge auf die Schnauze geben und stieß ihn weg.
Der Trötter wollte sofort hinter dem weglaufenden Saggittonen her, doch ein Lastengleiter versperrte ihm den Weg.
Waskoch konnte nur noch zusehen, wie die
beiden entkommen konnten. Der andere Trötter kam keuchend zu den beiden Offizieren und
schüttelte nur den Kopf.
Waskoch blickte einen der Trötter vielsagend
an. Dann nahm er seinen Thermostrahler und
schoß ihn nieder.
»Das ist der Lohn für Versager«, knirschte er
verächtlich zwischen seinen Zähnen hervor. Der
andere Trötter war zutiefst geschockt.
»Sind Sie wahnsinnig? Er war mein
Freund!«
Waskoch sah aus, als hätte ihm jemand gesagt, er war der größte Abschaum des Universums. Wütend richtete er die Waffe auf den anderen Trötter.
»Dann kannst du deinem Freund folgen!«
fletschte er und drückte ab. Zwei Passanten, welche die Schießerei mitverfolgt hatten,
schüchterte Waskoch ein. Er ließ sich ihre IDKarten zeigen und drohte, sie zu finden und zu
töten, sollten sie irgend etwas der Polizei sagen.
Die beiden Varnider versicherten, daß sie nichts
weitersagen würden.
Waskoch grinste kurz, dann rannte er davon.
Er aktivierte sein Interkomgerät.
»Offizier, lokalisieren Sie mich und schicken
Sie einen Gleiter zu mir«, befahl der Kommandant der SAGRITON und Verteidigungsminister.
Flucht aus Saggittor
D O R G O N
»Ach ja«, fügte er noch hinzu. »Ich gebe
Ihnen zwei ID-Codes durch. Finden Sie diese
Leute und eliminieren Sie sie. Es sind Feinde
des Volkes.«
6.
Die SAGRITON
Serakan war es in der Tat möglich gewesen,
innerhalb von nur zwei Stunden über dreihundert Freiwillige zu finden, die ihr Leben für Aurec und die Freiheit Saggittors opfern würden.
Aurec und Sato Ambush kamen völlig außer
Atem am vereinbarten Treffpunkt an.
Der Prinz Saggittors hielt es für nötig, eine
kleine Ansprache zu halten, um die Soldaten sowohl über die Gefährlichkeit als auch die Notwendigkeit ihrer Mission aufzuklären.
»Saggittonen! Noch nie war die Lage so
ernst wie jetzt! Rodrom und die Mächte des
Chaos sind wieder in der Galaxis und haben unsere Schutzpatronin, die Superintelligenz SAGGITTORA vernichtet!
Laut Aussage SAGGITTORAs wird Rodrom diese Galaxis vernichten. Deshalb müssen
wir schnell handeln. Perus und Waskoch sehen
nicht die Gefahr und denken nur an ihre eigene
Macht.
Wir müssen schnell und konsequent die
Raumschiffe in unsere Hand bringen. Zum
einen müssen wir die Evakuierung der vielen
Welten organisieren und zum anderen müssen
wir Rodrom die Stirn bieten!«
Die entschlossene Ansprache beeindruckte die Soldaten Saggittors. Sie jubelten ihrem
Kanzler zu, doch plötzlich waren die Soldaten
in ein gleißendes Flutlicht gebadet. Spacecopter
und Gleiter brausten über ihre Köpfe hinweg.
»Hier spricht der Verteidigungsminister
Waskoch. Sie sind umstellt. Ergeben Sie sich
oder Sie werden unverzüglich und ohne weitere
Warnung erschossen!«
Die Soldaten waren bereit für Aurec zu sterben, doch der Prinz Saggittors wollte kein weiteres Blutvergießen riskieren.
Er signalisierte die Kapitulation. Irgendwie
mußte Waskoch von dieser Aktion gewußt ha-
19
ben. Wahrscheinlich hatte er Serakan beschattet.
Einige hundert Soldaten stürmten den Platz
und nahmen die Soldaten, Serakan, Ambush
und Aurec fest. Waskochs Spacecopter landete
wenige Meter vor ihnen. Der arrogante Militär
lief entschlossen auf Aurec zu.
In seinem Gesicht spiegelte sich Genugtuung
wieder.
»Meuterei, Diebstahl und Aufwiegelung gegen die Regierung. Darauf wird neuerdings der
Tod stehen. Es wird mir eine Freude sein, Sie
selbst zu richten, Aurec«, sprach Waskoch kalt
und befahl seinen Wachen, die Gefangenen in
den Spacecopter zu bringen.
Von dort aus wurden sie in den Palast von
Perus gebracht. Waskoch lachte überlegen, jetzt
hatte er sein Ziel erreicht.
Er wußte nicht, wie unwichtig dieser Sieg
doch war.
7.
Der Test
Pestol wurde zu Rodrom zitiert. Der Zievohne lief eilenden Schrittes zur Kommandozentrale. Die große Tür öffnete sich und Zukthh warf
einen Blick auf seinen Artgenossen, der jedoch
wenig Angst vor Rodrom hatte. Denn er war im
Besitz erfreulicher Neuigkeiten.
Pestol lief den langen Gang zum Panoramafenster entlang, bis er vor dem roten Wesen
stand.
»Nun, Pestol?«
»Meister! Der SONNENHAMMER ist einsatzbereit. Wir können ihn sofort testen«, erklang die freudige Stimme Pestols, die sich
überschlug.
Rodrom drehte sich zu dem Zievohnen herum und betrachtete ihn durchdringend. Keine
Reaktion war zu erkennen, dann sprach er:
»Sehr gut, Baumeister! Bereiten Sie alles
vor. Wir werden den SONNENHAMMER an
der Sonne Zeptonis-Gamma anwenden!«
Was weder Pestol noch Zukthh wußten, war,
daß auf Zeptonis-Gamma die Superintelligenz
SAGGITTORA mit dem Tode rang.
D O R G O N
20
Rodrom wußte es jedoch. Nun wollte er seinen Sieg über die Superintelligenz voll auskosten. Die WORDON nahm Kurs auf das System. Pestol salutierte vor dem Roten und verließ das Keilschiff, um auf den SONNENHAMMER zu wechseln.
Das gigantische 100.000 Kilometer durchmessende Gebilde setzte sich in Bewegung. Ein
unglaubliches Bild bot sich den Beobachtern,
als dieser planetenübergroße SONNENHAMMER der WORDON folgte.
Pestol hatte die Kommandozentrale erreicht
und beobachtete das Schauspiel. Er war der Architekt dieses Wunderwerks des Universums.
»Lichtsprung vorbereiten«, befahl er.
Die Besatzung des SONNENHAMMERs
bestand hauptsächlich aus dem dreibeinigen
Rytar, die ein außergewöhnliches Verständnis
für Technik besaßen.
Der SONNENHAMMER bahnte sich seinen
Weg durch das System. Er hüllte ganze Gasriesen in Dunkelheit. Pestol kamen beinahe die
Tränen bei diesem Anblick. Er war stolz auf
sich und sehnte den Moment der Machtdemonstration dieser größten Waffen des Universums
entgegen.
Er hatte alle Tests abgeschlossen. Rein theoretisch funktionierte jedes Gerät an Bord des
SONNENHAMMERs.
Sie gingen in den Hyperraum, um nur nach
wenigen Minuten im Zeptonis-Gamma System
zu sein. Da lag sie vor ihnen: Eine blaue Sonne mit einem Durchmesser von 478.899 Kilometern. Alleine der Flug des SONNENHAMMERs in den Kern der Sonne hätte sie bereits vernichtet, doch das war nicht das Ziel des
SONNENHAMMERs. Er sollte nicht eine Sonne vernichten, nein, er sollte die ganze Galaxis
zerstören!
*
Rodrom setzte sich in den breiten Kommandosessel und beobachtete die blaue Sonne. Zukthh musterte seinen Kommandanten und
schien auf dessen Befehle zu warten.
Der SONNENHAMMER bahnte sich langsam seinen Weg zur Sonne. Er war nur noch drei
Millionen Kilometer von ihr entfernt.
Nils Hirseland
»Zukthh, halten Sie die WORDON jederzeit
für einen Sprung in den Hyperraum bereit«, befahl Rodrom, der gespannt den Flug des SONNENHAMMERS zur Sonne beobachtete.
In diesem Moment erschien eine Holodarstellung von Pestol. Der Zievohne machte einen
äußerst zufriedenen Eindruck.
»Meister, alles läuft nach Plan. Nur noch
zwei Millionen Kilometer bis zum Kontakt«, erklärte er.
Rodrom nickte schwach.
»Handeln Sie nach Ihrem Ermessen, Baumeister.«
Pestol nickte unterwürfig. Er gab den Rytar die Anweisungen, den Formenergieschutzschirm auf 40 Prozent Leistung einzustellen. In
seiner Überheblichkeit nahm Pestol an, daß diese Leistung zum Schutz vor den Sonnenenergien reichen müßte.
»Entfernung noch 1,5 Millionen Kilometer«,
erklang die Stimme Pestols durch die Lautsprecher auf der WORDON.
Der SONNENHAMMER näherte sich unaufhaltsam der Sonne.
»Eine Million Kilometer.«
Pestol gab den Rytar Bescheid, die Generatoren für die Hyperstrahlung-FusionsblockerTransistenten zu aktivieren. Ein Ruck ging
durch den SONNENHAMMER. Nun war er
voll funktionsfähig.
800.000 Kilometer... 700.000 Kilometer...
600.000 Kilometer... 500.000 Kilometer
»Formenergie auf 75 Prozent erhöhen«, forderte Pestol, um sicherzugehen, daß nichts passieren würde.
Rodrom saß immer noch bewegungslos auf
dem Kommandosessel und beobachtete den gewaltigen SONNENHAMMER. Die Zeit lief ab.
Es waren noch weniger als 100.000 Kilometer
Entfernung zu der blauen Sonne.
Dann war es soweit. Der SONNENHAMMER tauchte in die Sonne ein und verschwand
nach wenigen Sekunden.
Die visuelle Verbindung war erloschen.
Auch die Audioverbindung war kollabiert. Rodrom stand von seinem Sessel auf und lief zum
Panoramafenster.
Er senkte den Kopf leicht nach links und
wartete auf eine Reaktion. Doch nichts gesch-
D O R G O N
Flucht aus Saggittor
ah. Was war passiert? Hielt die Formenergie
des SONNEHAMMERs nicht stand? War Pestol unfähig?
Doch plötzlich gab es eine Reaktion...
*
Pestol befand sich mit dem SONNENHAMMER mitten in der Sonne. Das gigantische
Monstrum bahnte sich seinen Weg durch die
Korona, die Chromosphäre, die Photosphäre ins
Sonneninnere.
Könnte der Zievohne schwitzen, würde er es
sicher tun.
»Bericht«, rief er.
»Sämtliche Werte in Ordnung. Wir nähern
uns dem Sonnenkern«, erklärte ein Rytar. Je näher sie kamen, desto instabiler wurde das Sonneninnere. Der plötzliche Massegewinn sollte
sich verheerend für die Sonne auswirken.
Der SONNENHAMMER flog immer näher
zum Sonnenkern. Als er ihn erreicht hatte, war
es soweit.
Im Sonnenkern fanden die Kernfusionen
statt, die die Energien der Sonnen freiließen. Ein immer wiederkehrender Prozeß, der
Zeptonis-Gamma 2 Licht und Wärme spendete. Pestol spielte Gott und wollte diesen Prozeß
unterbinden.
»Hyperstrahlungsprojektoren ausfahren«,
befahl er.
In einer unglaublichen Hitze von knapp vierzehn Millionen Grad Celsius wurden sechs gigantische Antennen, geschützt von der speziellen Formenergie, ausgefahren.
Pestol beobachtete die Werte.
Dann aktivierte der die Hyperstrahlungsprojektoren. Sie entfalteten sofort ihre Wirkung
und unterbanden die Fusionsprozesse im Sonneninneren.
*
Die Sonne würde durch den unerwartet fehlenden Fusionsdruck kollabieren und zu einer
Supernova werden. Die Projektoren manipulierten die Hyperstrahlung der Sonne, die diese mit
Überlichtgeschwindigkeit verließen. Die soge-
21
nannten Hyperfrequenten-Fusionsblocker Transistenten richteten die modifizierte Hyperstrahlung der Sonne auf die nahegelegenen Sonnen.
Die Strahlung sorgte dafür, daß bei den beschossenen Sonnen die Fusionsprozesse ebenfalls zum Stillstand kamen.
Dieser Prozeß würde sich bei allen betroffenen Sonnen wiederholen und zu einem Lawineneffekt in der Galaxis führen.
Die Hyperstrahlungsprojektoren taten ihren
Dienst. Die freigewordene Energie trat in den
Hyperraum ein und bahnte sich den Weg zur
nächsten Sonne.
Die Sonne Zeptonis Gamma konnte den fehlenden Fusionsdruck nicht mehr kompensieren
und kollabierte zu einer Supernova.
»Raus hier!« brüllte Pestol.
Sofort beschleunigte der SONNENHAMMER und verließ innerhalb weniger Sekunden
die immer größer werdende Sonne, die drohte,
das gesamte Sonnensystem zu verschlingen.
Pestol blickte erregt hinter sich.
Es hat funktioniert! jubelte er in Gedanken.
In diesem Moment fühlte er sich mächtig, den
er war im Besitz der mächtigsten Waffe im Universum.
Pestol dachte nicht an den Schaden, den er
angerichtet hatte. Er dachte nicht an die vielen Billionen Lebewesen in Saggittor, die jetzt
sterben mußten, sollte seine mutierte Hyperfrequentierte Fusionsblocker Tranistenten tatsächlich die nächste Sonne erreichen und denselben
Prozeß wiederholen.
*
Rodrom ballte die Fäuste, als er die kollabierende Sonne sah. Der SONNENHAMMER
schoß aus dem blauen Riesen hervor und trat
sofort in den Hyperraum ein.
»Zukthh, kehren wir zum Zentrum zurück«,
befahl Rodrom.
Innerhalb weniger Sekunden hatte auch die
WORDON das sterbende System verlassen.
SAGGITTORA hatte diesen Angriff nicht überlebt. Sie löste sich vollständig auf und war Geschichte.
Zwei Siege hatte Rodrom innerhalb von
wenigen Momenten errungen. Es schien so,
D O R G O N
22
als funktionierte der SONNENHAMMER einwandfrei.
Das Hologramm von Pestol erschien.
»Sehr gut, Baumeister«, lobte Rodrom.
»Doch ist die Waffe auch ausgereift?«
Pestol grinste. Er aktivierte ein weiteres Holo. Sie stellte das benachbarte System dar. Die
Sonne schrumpfte kurzzeitig zusammen und
verging als Supernova, die das ganze System
mit sich riß.
Beweis genug für Rodrom, daß die mutierten
Strahlungen die Sonnen ebenfalls zum kollabieren brachten.
»Es ist vollbracht. Zukkth, informieren Sie
unsere Streitkräfte, daß wir Saggittor verlassen.
In nur zwei Wochen wird die ganze Galaxis zerstört sein. Nicht einmal er wird das verhindern
können. Dafür trage ich im Moment Sorge...«
Die WORDON und der SONNENHAMMER verließen die sterbende Galaxis. Hunderttausende von Schiffen folgten ihnen und ließen
Billionen Lebewesen ihrem Schicksal ausgeliefert zurück.
8.
Aurecs Exekution
Perus saß in einer Liege und ließ sich die
Füße massieren. Dabei las er die neuesten Entwicklungen auf dem Wirtschaftsmarkt. Es wurde Zeit, so dachte er, daß man die Wirtschaft
wesentlich freier aber auch härter gestalten sollte.
Er wurde in seinen Überlegungen von Waskoch gestört, der die große Holztür unsanft aufstieß und auf seinen Kanzler zulief.
»Ich will hoffen, Sie haben einen guten
Grund für Ihr Benehmen«, sprach Perus verdrossen.
Der oberste Militär lächelte zufrieden.
»Ich habe Aurec wiedergefunden«, erklärte
er stolz. »Noch viel besser ist die Tatsache, daß
mir ebenfalls Serakan, dieser Terraner und über
dreihundert Rebellen mit ihm in die Netze gegangen sind!«
Perus nickte wohlwollend.
»Sehr gut. Bereite die Hinrichtung Aurecs
vor!« befahl der skrupellose Kanzler. »Sie soll
Nils Hirseland
im Geheimen stattfinden und nicht an die Öffentlichkeit dringen. Den Medien sagen wir,
daß Aurec bei einem Fluchtversuch getötet wurde. Die anderen dreihundert werden ein Militärverfahren über sich ergehen lassen müssen.«
Waskoch salutierte und verließ den Raum so
stürmisch, wie er ihn betreten hatte. Perus faltete die Hände ineinander und dachte eine Weile
über alles nach.
Für einen kleinen Moment kam es ihm so
vor, als würde er eine Stimme hören, die zu ihm
sagte:
Weiche von diesem Kurs, mein Bruder. Die
Galaxis ist dem Untergang geweiht. Rette sie
und hilf nicht den Mächten des Chaos, die Katastrophe zu verschlimmern.
Was war das? Sein Gewissen?
Perus schüttelte verächtlich den Kopf. Irgendwelche Hirngespinste trieben ihn zu solchen Halluzinationen. Er mußte dringend mit
seinem Psychiater sprechen. Wenn Aurec tot
war, würde Perus erst einmal einen ausgedehnten Urlaub auf der Welt Sivirkus nahe des Zentrums machen. Dort gab es den besten Wein der
Galaxis.
Perus ahnte nicht, daß diese Welt in diesem
Moment gar nicht mehr existierte.
*
Aurec lief mit gefesselten Händen durch die
dunklen Kellerkorridore. Es war ihm klar, wo er
enden würde. Der Galgen stand in einem großen
Raum. Dort würde nun sein Leben ein Ende finden.
Waskoch lief neben dem Prinzen Saggittors
und verzog keine Miene. Sie erreichten den
Raum!
Aurec wurde unsanft auf das Podest gebracht. Der Strick wurde um seinen Hals gelegt.
So also starb der größte Regent Saggittors.
»Gibt es keine Anklage? Keinen letzten
Wunsch?« wollte Aurec wissen.
Waskoch spuckte Aurec als Antwort ins Gesicht. Dann gab er das Zeichen. Der Henker umfaßte den Hebel. Doch er zögerte. Seine Hände
fingen an zu zittern. Dann setzte er wieder ab.
D O R G O N
Flucht aus Saggittor
»Ich kann es nicht. Aurec ist ein Held. Wir
sind alle Mörder!« brüllte der Henker und sank
auf die Knie.
Waskoch schüttelte erbost den Kopf und
schoß den Henker mit seinem Thermostrahler
nieder. Aurec versuchte sich zu befreien. Waskoch stürmte auf den Podest, doch Aurec stieß
ihn mit den Beinen herunter.
Die anderen beiden Wachen zogen ihre Thermostrahler, zögerten jedoch auf den Prinzen
Saggittors zu schießen.
Der Versuch, sich von dem Strick zu befreien, schlug fehl. Während Waskoch noch benommen auf dem Boden lag, richtete sich der
angeschossene Henker auf und schnitt die Fesseln an Aurecs Händen durch, bevor er leblos
zusammenbrach.
Aurec stürzte sich auf Waskoch und schlug
ihn nieder. Die beiden Wachen standen unsicher an der Tür und wollten weder auf Aurec
noch auf Waskoch schießen. Aurec nahm dessen Thermostrahler und paralysierte die beiden
Wächter, bevor sie sich zu einer Entscheidung
durchringen konnten. Er lief durch den Korridor
und konnte sich an den anderen Wachen vorbeischleichen.
Aurecs Ziel war klar: Der Senat. Dort wollte
er vorsprechen und alle Delegierten vor der Gefahr Rodroms warnen. Doch hinter sich hörte er
bereits die Schritte und das Brüllen von Waskoch.
*
Aurec rannte durch die Korridore, bis er
einen Ausgang erreicht hatte. Inzwischen heulten die Alarmsirenen auf. Er überwältigte einen
heranstürmenden Saggittonen und kletterte auf
eine Notleiter, die zum Dach führte. Das Regierungsgebäude lag direkt daneben.
Waskoch verfolgte ihn und traf Aurec mit
einem gezielten Schuß an der rechten Schulter. Mit aller Mühe erreichte Aurec die vorletzte
Sprosse bis zum Dach, da packte Waskoch ihn
am Bein.
»Sie werden noch hier und heute sterben«,
brüllte der Offizier.
Aurec versuchte Waskoch mit Schlägen
und Tritten loszuwerden, doch es funktionier-
23
te nicht. Mit aller Kraft zog er sich hoch und
gelangte auf das Dach. Doch Waskoch konnte ebenfalls das Dach erreichen und griff Aurec
unverzüglich an.
Die beiden rangen um den Thermostrahler,
doch Waskoch konnte die Oberhand gewinnen.
Er trat Aurec in den Solarplexus und schnappte
sich den Strahler, den er nun auf den erschöpften ehemaligen Kanzler richtete.
»Nun ist es aus!«
In dem Moment brauste ein Gleiter über das
Dach. Ein Strahlenschuß löste sich.
»Nun hat es eingeschlagen«, sagte Waskoch
zufrieden.
Aurec tastete sich ab und schüttelte den
Kopf.
»Nein«, sagte er knapp.
Dann sah er das verschmorte Loch an Waskochs Brust. Aurec stand gelassen auf und deutete auf die Wunde, die Waskoch noch nicht
richtig realisiert hatte.
»Es hat bei Ihnen eingeschlagen.«
Waskoch bemerkte nun auch die Wunde und
den Schmerz. Er verdrehte die Augen und wollte noch etwas sagen, doch er brach zusammen
und blieb leblos auf dem Boden liegen. Aurec
blickte zum Gleiter. Serakan gab ihm ein Zeichen.
Aurec machte eine Geste des Dankes. Dann
landete der Gleiter auf dem Dach und Serakan
kam hastig herangeeilt.
»Im Zentrum ist die Hölle los. Die Sonnen
im Zentrum vergehen plötzlich zu Supernovae
und der Durchmesser der Zerstörung wird immer größer. Die Barriere ist erloschen, ein Sonnensystem nach dem anderen geht in den Untergang«, erklärte Serakan betroffen.
Aurec faßte sich kurz an die Schläfe und
massierte diese.
»SAGGITTORA und Shel hatten recht behalten. Der Untergang Saggittors ist unaufhaltsam. Wir müssen mit dem Rat sprechen.«
9.
Der jüngste Tag
Aurecs Rede war kurz und knapp. Der Rat
hatte keinerlei Zweifel an der Wahrheit der
24
D O R G O N
Worte. Die Völker waren in Panik. Evakuierungen der zentrumsnahen Systeme wurden sofort
veranlaßt. Die Holpigons gingen dabei mit einem guten Beispiel voran und hatten schon vor
Stunden viele Raumschiffe für die Evakuierung
vorbereitet.
Perus ließ sich im Senat nicht blicken. Er war
auch nicht in seiner Residenz. Es war, als hätte
sich der Kanzler bereits abgesetzt.
Aurec wurde seine Macht zurückgegeben.
Auf diese Würden hätte er auch gerne verzichtet, wenn damit Saggittor gerettet würde.
Sato Ambush trat während der Rede an die
Delegierten heran.
»Wissenschaftler aus allen Völkern haben
mit Hilfe meiner Wenigkeit die Dauer der Vernichtung Saggittors berechnet. Wenn sich der
Lawineneffekt in dieser Geschwindigkeit fortführt, dann wird die ganze Galaxis innerhalb
von zwei Wochen keine Sonne mehr besitzen.
Ich rate daher unverzüglich mit der Evakuierung zu beginnen«, erklärte Ambush.
Panik brach nun auch bei den Senatoren und
Abgeordneten aus. Sie waren ratlos. Hätten sie
auf Aurec gehört, hätte man ein paar Tage mehr
für die Rettung der Lebewesen gehabt. Jeder
war sich im klaren, daß viele Billionen ihr Leben lassen würden.
Aurec wirkte niedergeschlagen. Serakan,
Utzmuk und Ambush kümmerten sich um die
Evakuierung der Hauptwelten. Doch was sollte
mit den anderen Welten passieren? Man konnte
sie doch nicht ihrem Schicksal überlassen!
Aurec ballte die Fäuste zusammen und biß
sich auf die Lippe. Der Schmerz, der dabei entstand, war nichts im Vergleich zu dem Schmerz,
den er in seinem Herzen fühlte. Seine Heimat
würde untergehen.
Die Schuld daran trug Rodrom. Doch hinter Rodrom steckte noch jemand anderes. Aurec
kannte den Namen; MODROR.
MODROR war auch der Auftraggeber von
Cau Thon und Goshkan.
Warum wollte dieses Wesen den Untergang
aller Zivilisationen? Was hatten sie ihm getan?
Wie konnte ein Wesen nur so abgrundtief diabolisch sein? Warum halfen die Kosmokraten
nicht bei dieser Katastrophe?
»Befreie deine Gedanken von diesen Fragen.
Nils Hirseland
Die Antwort wirst du eines Tages finden«, hörte Aurec eine ihm nicht unbekannte Stimme. Er
fühlte eine positive Aura voller Reinheit, Güte
und Gerechtigkeit.
Neben ihm stand ein Mann mit einem langen
graubraunen Bart und langen Haaren in derselben Farbe. Er war in einem schlichten weißen
Gewand gekleidet und von einer leuchtenden
Aura umgeben.
»DORGON!« sagte Aurec fast erschrocken.
Der Mann lächelte gütig.
»Hab keine Angst um die Zukunft deines
Volkes, Aurec. Ich werde mich ihrer annehmen«, erklärte die Entität.
Aurec brauchte ein paar Sekunden, um zu
verstehen, was überhaupt vor sich ging. Er stand
auf und stellte sich direkt vor DORGON.
»Wie kannst du ihnen helfen? Kannst du dieses Desaster stoppen?«
DORGON schüttelte sein Haupt.
»Mein Freund, ich bin kein Magier. Ich kann
den Prozeß nicht aufhalten, aber ich kann dein
Volk retten. Höre mir gut zu.
Brich mit 500.000 Schiffen ausgewählter
Saggittonen, Trötter, Varnider, Holpigons und
Multivons auf und fliege zu einem Sternenportal, welches zwei Millionen Lichtjahre von Saggittor entfernt ist.
Durch diesen Transmitter begebt ihr euch
und gelangt zur Galaxis Cartwheel. Dort wird
eure neue Heimat sein. Zusammen mit etwa
50 anderen Völkern, darunter auch die Terraner und Dorgonen, werdet ihr Cartwheel neues Leben schenken und zu einer Festung gegen
MODRORs Armeen der Finsternis ausbauen.«
Aurec brachte beinahe keine Silbe mehr heraus.
»Und... und was wird aus den anderen?«
»Wie die verlorenen Konzepte SAGGITTORAs werde ich sie in mich aufnehmen. Dort
werden sie solange ein Teil von mir sein, bis
sie eine neue Bestimmung bekommen werden.
Sei unbesorgt, sie werden es bei mir gut haben«,
erklärte DORGON.
In diesem Moment betrat Utzmuk den Raum.
Er wirkte nicht überrascht, als er DORGON sah
– im Gegenteil, er kroch auf die Entität zu.
»Ich habe bereits mit Utzmuk gesprochen.
Ich habe viel Vertrauen in den klugen Holpigon.
Flucht aus Saggittor
D O R G O N
Er soll die Saggittonen in mir führen, während
du mit Serakan und Ambush nach Cartwheel
aufbrichst.«
Aurec war das nicht recht.
»Ich will bei dem Großteil meines Volkes
sein. Ich bin für sie verantwortlich«, wandte er
ein.
DORGON nickte verständnisvoll.
»Du sprichst mit reinem Herzen, mein
Freund. Doch dein Schicksal ist es, gegen
MODROR und seine apokalyptischen Höllenhunde zu kämpfen. Du und Perry Rhodan, ihr
seid vielleicht die letzte Hoffnung für das Universum.
Du hast gesehen, zu was MODROR in der
Lage ist. Sollen alle Galaxien dieses Schicksal
erleiden und MODROR in der Lage sein, das
Universum nach seinen Vorstellungen schaffen?
Das wäre das Ende aller Ordnung, allen Friedens, aller Freiheit und aller Liebe.«
DORGON war etwas besonderes. Das fühlte Aurec. So sprach kein Kosmokrat und keine Superintelligenz. Welche Entität kümmerte
sich schon um Liebe? Das wichtigste und höchste Gut im Universum.
»DORGON, was für ein Geisteswesen bist
du? Du wirkst anders als eine Superintelligenz
oder ein Kosmokrat«, forschte Aurec nach.
DORGON lächelte wieder gütig. Ein Lächeln, welches Aurec selbst in dieser schlimmen Situation ein Gefühl der Geborgenheit gab.
»Eines Tages wirst du es erfahren. Doch dafür ist noch nicht die Zeit gekommen. Machen
wir uns jetzt an die Arbeit.
Utzmuk? Bist du bereit?«
Der Holpigon verneigte sich als Zeichen der
Bereitschaft. In diesem Moment begann er sich
aufzulösen. DORGONs Aura weitete sich aus
und umhüllte den Holpigon.
»Aurec, es ist die Zeit des Abschieds. Ich
werde jetzt die Bevölkerung vieler Welten aufnehmen. Nur die Wesen der Welt Saggitton,
Horww, Varnid, Trott und Mulvok bleiben in
Saggittor. Diese mußt du zur Insel Cartwheel
zu bringen. Dort wirst du alles weitere erfahren. Bevor ich gehe, möchte dir noch jemand
auf wiedersehen sagen...«
Eine Gestalt trat aus dem Licht heraus. Es
war Shel Norkat. Aurec hatte mit den Tränen zu
25
kämpfen. Shel ergriff seine Hand. Dieses Mal
war sie warm.
»Shel, ich wünschte, ich hätte dich damals
nicht zurück zur LONDON geschickt. Es war
der größte Fehler meines Lebens«, gestand Aurec.
Shel lächelte.
»Es ist nun einmal passiert«, sagte sie. »Eines Tages werden wir uns in einer anderen Welt
wiedertreffen. Ich werde dort auf dich warten.
Doch der Tag der Begegnung wird in ferner Zukunft liegen. Jetzt rette dein Volk und das Universum vor MODROR und Rodrom. In deinem
Herzen werde ich immer bei dir sein...«
Mit diesen Worten verschwanden Shel Norkat und DORGON. Aurec blieb alleine im
Raum zurück.
Er brauchte eine Weile, um sich wieder zu
fassen. In tiefster Demut dachte er an das Wesen
DORGON. Es war mehr als nur eine Superintelligenz. Das hatte er bei diesem Gespräch deutlich gemerkt. DORGON war viel aufgeschlossener als noch in M 100 vor vier Jahren. Woran
lag das?
Aurec mußte später darüber nachdenken. Er
lief aus dem Raum und berichtete den Senatoren von der Botschaft DORGONs.
Sie wurde schnell bestätigt, denn nirgendwo,
außer auf den genannten Welten, befanden sich
noch Intelligenzwesen oder Tiere. Sie waren alle in DORGON aufgegangen, um eine andere
Bestimmung zu erfüllen.
Aurec hoffte, daß er sein Volk, Utzmuk und
Shel eines Tages wiedersehen würde. In seinem
Herzen glaubte er fest daran.
*
In den nächsten 10 Tagen wurden alle Welten
evakuiert. Insgesamt zwanzig Milliarden Wesen
wurden auf 500.000 Raumschiffen aller Größen
einquartiert.
Aurec befand sich auf der SAGRITON. Neben ihm beobachteten Sato Ambush und Serakan den Untergang der Sonne Saggitt.
Es gab keinen Saggittonen, der bei diesem
traurigen Anblick keine Träne vergoß. Niemand
nahm diese offene Trauer übel.
26
D O R G O N
Die Sonne Saggitt blähte sich auf und verhüllte alle Welten. Auch Saggitton blieb nicht
verschont. Die einstige Prachtstätte der Galaxis
existierte nicht mehr.
Aurec wandte sich an Serakan.
»Haben wir alle evakuiert?«
Serakan nickte traurig.
»Es gab nur eine Handvoll arme Seelen, die
in ihrer Heimat sterben wollten«, erklärte der
Kommandant der SAGRITON. »Perus haben
wir tot in seiner Residenz aufgefunden. Er hat
sich vergiftet.«
Aurec nahm diese Meldung mit unbewegter
Miene zur Kenntnis.
Sato Ambush trat an den Prinzen Saggittors
heran. Der Japaner wirkte wie immer ruhig und
ausgeglichen.
»Perus hat das ihm vorbestimmte Schicksal
erlitten. Dir und deinem Volk ist eine andere
Bestimmung vorhergesehen. DORGON hat uns
den Weg gewiesen.«
Aurec lächelte schwach.
»Ein seltsamer Weg. Zwanzig Milliarden
heimatlose Lebewesen, in 500.000 Raumschiffe gepfercht, sollen zu einer Insel fliegen. Und
dort? Wir müssen ganz von vorn anfangen...«
Ambush machte eine Geste der Geduld.
»DORGON wird für alles gesorgt haben.
Nils Hirseland
Vertraue mir. Ich werde ab jetzt an deiner Seite
sein, Aurec.«
Aurec war leicht verwundert.
»Das bedeutet, du bleibst in diesem Universum?«
Der Pararealist nickte.
Aurec war darüber höchst erfreut. Er ging
ein paar Schritte durch die Kommandostation
und betrachtete die Offiziere, Techniker und Arbeiter an den Kontrollen.
In seinem Herzen nahm er Abschied von M
64, dem Schwarzen Auge Saggittor. Er warf
einen letzten Blick auf die durch die Supernovae erhellte Galaxis.
Im nächsten Moment wandte er sich wieder
an Serakan.
»Laßt uns aufbrechen. Kurs auf das von
DORGON beschriebene Portal!« sprach Aurec.
»Ich hoffe, wir finden dort eine neue Heimat für
uns...«
Serakan leitete die Befehle weiter. Von der
SAGRITON angeführt setzte sich ein gewaltiger Pulk von über 500.000 Raumschiffen mit
heimatlosen Saggittonen an Bord in Bewegung.
Ihr Ziel war für sie ungewiß. Sie wußten nur
zwei Dinge: Terraner und Dorgonen schienen
dort zu leben und den Namen: Die Insel Cartwheel...
Heft 41
Die Insel
DORGON startet das Projekt - Millionen brechen auf
von Nils Hirseland und Dominik Hauber
Titelbild von Gerd Schenk
D O R G O N
Die Insel
Prolog.
Der Anfang der Insel
Die Reise eines Linguiden – Aus der Chronik Cartwheels:
Mein Name ist Jaaron Jargon. Ich stamme
von der bescheidenen aber anmutenden Welt
Lingora, der Hauptwelt meines Volkes der Linguiden.
Doch meine eigentliche Geburtsstätte war
eine andere. Gezeugt wurde ich auf Lingora,
aber das Licht der Welt erblickte ich auf einem
unbekannten Planeten, den meine Eltern Objursha nannten. Das Wort Objursha bedeutete
in der Sprache meines Volkes »Schöne Erde«!
Objursha befand sich nicht in der Milchstraße.
Eigentlich wußte niemand, wo sich diese Welt
befand.
Mein Vater und meine Mutter gehörten vor
110 Jahren einer Forschungseinheit an, die
nach neuen Kulturen außerhalb der Milchstraße suchen sollte. Mit dem Liga Freien Terraner
Explorerraumschiff BAWIS suchten sie die gesamte Lokale Gruppe nach Hinweisen erloschener und neuer Kulturen ab.
Dabei stießen sie nach achtmonatiger Forschung 5,6 Millionen Lichtjahre nördlich von
der Milchstraße auf eine Art gewaltigen Transmitter, der an das Sonnensechseck aus den Zeiten der Meister der Insel erinnerte. Als die BAWIS dieses Phänomen untersuchen wollte, gerieten sie in den Wirkungsbereich dieses Objektes und wurden transmittiert.
Sie strandeten in einer ihnen unbekannten
Galaxis. Nahe eines grünen Nebels befand sich
ein großer Planet, auf dem Leben angezeigt
wurde.
Sie beschloßen ihn anzufliegen, doch die
Triebwerke versagten, je näher sie dem Planeten kamen. So beschloß die Besatzung der BAWIS umzukehren und landete auf einem Planeten unweit von dem grünen Nebel entfernt.
Sie tauften ihn Objursha. Dort kam ich zur
Welt und verbrachte die ersten Wochen meines
Lebens auf Objursha.
Nach einigen Wochen erschien meinen Eltern ein geistiges Wesen voller Güte und Friedfertigkeit. Er sprach davon, dass sie durch das
29
Portal zurückkehren sollten und niemanden von
diesem Vorfall berichten sollten. Eines Tages
würden wir verstehen, warum wir nichts sagen
sollten. Dieses Wesen betonte, daß eines Tages
diese Galaxis zum Wohl der Freiheit und des
Friedens von Wesen aus unserer Galaxis besiedelt werden sollte.
Meine Eltern und die Besatzungsmitglieder
der BAWIS folgten der Aufforderung der Entität
und kehrten durch das Portal zurück.
Niemand sagte etwas den zuständigen Behörden und sie nahmen das Geheimnis mit in
ihr Grab. Da die meisten Besatzungsmitglieder
der BAWI-Linguiden waren, lag die Lebenserwartung nicht hoch. Die normale Lebenserwartung der Linguiden lag zwischenzeitlich bei 70
Jahren.
So lebte keiner von den vor 110 Jahren gestarteten Forschern mehr. Auch meine Eltern
nicht mehr, obwohl sie – wie auch ich – terranische Gene in sich hatten und so die Lebenserwartung höher lag, als die von reinrassigen
Linguiden.
Unsere Familie bestand aus TerranerLinguiden, die jedoch in der Tradition der Linguiden leben. Mit meinen 110 Jahren gehörte
ich zu den ältesten Linguiden auf Lingora. Ich
hoffe, der Allmächtige schenkt mir noch ein bis
zwei Jahrzehnte in Frieden und Harmonie.
In diesen Apriltagen im Jahre 1296 Neuer
Galaktischer Zeitrechnung lebte ich auf der terranischen Kolonialwelt Palerma, die im Jahre
2189 alter terranischer Zeitrechnung von zumeist italienischen Terranern besiedelt wurde.
Palerma lag 717 Lichtjahre von Terra entfernt und galt als ruhiger und idyllischer Fleck.
Seit den vier Jahren meines Daseins auf diesem
Planeten konnte ich die Eindrücke nur bestätigen. Ich wohnte in einer Villa auf einem kleinen
Berg mit Blick auf das Tal und das Dorf Tomba.
Die Weinreben und Beerensträucher blühen
in voller Pracht. Das Zwitschern der jungen Vögel in ihren Nestern und das Rauschen des Wassers an der Küste, das Lachen der Kinder und
der strahlende Himmel ließen die Tage auf Palermo wie die Tage in dem Paradis erscheinen.
Hier konnte man alle Gedanken um die Krise
durch das Kristallimperium oder die drohenden
Gefahren dieses Cau Thons vergessen.
D O R G O N
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An jenden Apriltagen saß ich an meinem
Buch über die vierzehn linguidischen Zellaktivatorträger uns stand kurz vor der Vollendung
meines Werkes.
An diesen Tagen ahnte ich noch nicht, was
auf mich und auf die Galaxis zukommen würde...
1.
Palarma
Nataly Jargon war eine ausgesprochen hübsche und attraktive Frau. Sie wirkte auf den ersten Blick wie eine wohlerzogene Dame ohne
irgendwie übertrieben vornehm oder gar eingebildet zu wirken. Sie war eine natürlich Schönheit mit einem bezaubernen Lächeln. Das fand
der Obstverkäufer auf dem Marktplatz des Dorfes Tomba auf alle Fälle.
Er war stets guter Laune, wenn die junge Jargon – die Nichte des bekannten linguidischen
Schriftstellers Jaaron Jargon – einkaufen kam.
Er wußte schon, was sie wollte. Das lag daran,
daß ihr Onkel stets auf die selbe Kost bedacht
war. Jaaron Jargon aß stets vier Bananen und
zwei Äpfel im Laufe des Tages.
Auch an diesem Tage natürlich. Der Verkäufer begrüßte Nataly freundlich und gab ihr die
bereits fertig eingepackten Früchte. Die Frau,
die Halblinguidin und Halbterranerin war und
daher für linguidische Verhältnisse sehr wenig
Haarwuchs hatte, lächelte den Terraner höflich
an und bedankte sich.
Ihre langen, glatten, dunkelblonden Haare
wehten im Wind und ließen das Herz des Verkäufers höherschlagen. Doch er wußte, daß er
an so eine Frau niemals herankommen würde.
Verträumt und verliebt blickte er ihr hinterher. Er fand, daß es ganz gut war, daß sie
mehr nach terranischer Linie geschlagen war.
Ihr Körper war wie ihr Wesen makellos. Sie war
resolut und sehr selbstbewußt.
»Naja, wenigstens sehe ich sie jeden Tag«,
murmelte der Terraner und schloß damit wieder
gedanklich mit Nataly Jargon ab, denn er wußte, daß er nie ein Teil von ihr sein würde. Denn
er war bereits seit 20 Jahren mit seiner Frau verheiratet und wüßte die, daß er jeden Tag von der
Nils Hirseland und Dominik Hauber
Jargon träumt, würde ihm etwas blühen.
*
Nataly fuhr mit dem Gleiter wieder zur Villa
auf der Anhöhe. Sie sah ihren Onkel auf der Terrasse sitzen und an seinem neuen Werk schreiben.
Er hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Biographie über die vierzehn Zellaktivatoträger von
Lingora zu schreiben. Er wollte den anderen
Galaktikern ihre Beweggründe und auch ihr Leben nach der Abgabe der Unsterblichkeitsspender nahebringen.
Ihr Onkel war ein sehr angesehener und beliebter Schriftsteller, der nichts mehr als die Ruhe liebte.
Nataly wurde als Tochter des Linguiden Borrom Jargon und der Terranerin Anne-Lee Nastov in England geboren.
Sie besuchte vornehme Privatschulen und
genoß eine gute Ausbildung. Jedoch war all das
der Abenteurerin zu langweilig und mit 18 riß
sie von zu Hause aus.
Ein Jahr später mußte sie jedoch aus finanziellen Nöten zurückkehren. Nutzte jedoch die
Chance, als ihr Onkel nach Terra zog, und zog
mit ihm zusammen, um ihn bei seiner Arbeit
zu unterstützen. Nataly war nur selten auf der
Hauptwelt der Linguiden und war mehr eine
Terranerin, dennoch fühlte sie sich ihrem Volk
verbunden.
Seit vier Jahren nun arbeitete sie mit ihrem
Onkel zusammen. Das war bereits die zweite
Zusammenarbeit, denn die erste endete nach einem halben Jahr. Nataly wollte durch die Welt
reisen um etwas zu erleben. Sie begegnete einigen Männern und versuchte eine neue Existenz
aufzubauen. Am ehesten hätte es mit dem terranischen Botschafter Lester Slote etwas werden können, doch er war Nataly zu langweilig und viel zu sehr mit der Politik beschäftigt – auch wenn er ein guter und fürsorglicher
Mensch war.
Erst als ihr Onkel nach Palarma zog, schloß
sie sich ihm wieder an. Seitdem versucht sie
sich als Reporterin und Managerin ihres Onkels.
Die Insel
D O R G O N
Nataly stieg aus dem Gleiter aus und wurde von der Haushälterin Arebi begrüßt. Die
schwergewichtige Afroterranerin nahm die Einkaufstaschen und trug sie in die Küche, um sich
gleich ans Mittagessen zumachen.
Nataly lief die Treppen hoch, um ihren Onkel zu begrüßen. Sie drückte ihm einen Kuß auf
die Wange und ließ sich in den Sonnenstuhl fallen.
»Wie weit bist du mit der Arbeit, Onkel Jargon?«
»Nun, mein Kind. Ich bin fast fertig«, erklärte der alte Linguide. Ich denke, dem Leser
wird dieses Buch sehr gefallen, und hoffe, damit
auch die Jugend der Milchstraße anzusprechen.
Etwas mehr Bildung könnte ihnen gut tun...«
Nataly lächelte. »Daß du immer die Welt
verbessern mußt!«
»Jeder muß seinen Beitrag zum Erhalt unserer moralischen und kulturellen Werte tun!« gab
Jargon leicht pickiert von sich. »Denkst du, ich
schreibe die Bücher des Geldes wegen oder des
Ansehens wegen?«
Nataly stand auf und streichelte das graue
Haar ihres Onkels. »Aber nein, Onkel. Das weiß
ich doch«, entgegnete sie mit einem gütigen Lächeln. »Ich wünschte, es gäbe mehr solche guten und aufrichtigen Menschen wie dich.«
»Wahr gesprochen, Nataly Jargon«, hörte sie
eine fremde Stimme. Erschreckt stand sie auf
und blickte eine schemenhafte Gestalt an. Sie
war männlich und von einer leuchtenden Aura
umgeben. Das Gesicht wirkte weise.
»Wer... wer sind Sie?« wollte sie wissen.
Auch Jargon war überrascht. Er stand auf
und ging etwas näher zu dem fremden Wesen
heran, welches auf eine seltsame Weise vertraut
auf ihn wirkte. Dennoch sagte er:
»Das ist Privatbesitz, mein Herr. Ich bitte
Sie, unverzüglich meine Terrasse zu verlassen.«
Der Fremde lächelte. »So lassen Sie mich
erst einmal mein Anliegen vortragen.«
»Warum sollte ich das?«
»Weil ich weiß, daß du auf Objursha geboren wurdest, und weil ich das Geheimnis deiner
Eltern kenne, die ihr Wort gehalten und niemals
von dem Portal berichtet haben.«
Jargon zuckte zusammen. Nataly sah ihn fragend an. Nicht einmal ihr hatte er das Geheim-
31
nis verraten. Er war der einzige aus der Famile, der es gewußt hatte. Jaaron war der einzige,
dem seine Eltern es erzählt hatten, da sie der
Auffassung waren, er hätte ein Anrecht auf den
Namen seines Geburtsplaneten.
»Ich sehe, dir ist der Name Objursha bekannt«, sprach die Entität. »Es ist deine Geburtswelt. Die Welt in jener fernen Galaxis, die
eines Tages von Wesen aus der Milchstraße besiedelt werden wird. Nun ist diese Zeit gekommen, mein Freund.«
»Wer sind Sie? Wovon sprecht ihr beide, Onkel Jaaron?« wollte Nataly wissen. Ihr sagte das
alles wenig.
»Mein Name ist DORGON. Ihr habt sicher
bereits von mir gehört...«
Nataly und Jaaron nickten stumm. Natürlich
war ihnen der Name dieser Entität ein Begriff.
DORGON war der Schutzpatron der gleichnamigen Galaxis, die die terranische Bezeichnung
M 100 hatte. Dort lebte das Volk der Dorgonen,
das vor mehr als vier Jahren Eroberungspläne
gegen die Milchstraße hatte.
Inzwischen waren sie Verbündete der Galaktiker und DORGON war auf der Erde erschienen und hatte von dem »Insel-Projekt« gesprochen. Auch Perry Rhodan hatte dazu bereits eine Erklärung abgegeben, sich jedoch von
diesem Projekt distanziert, von dem angeblich
Wohl und Wehe aller Intelligenzwesen abhängig war.
Doch was wollte DORGON nun hier? Kaum
hatte Nataly diese Frage zuende gedacht, hatte
sie ihr Onkel auch bereits ausgesprochen.
DORGON lächelte gütig. »Ich benötige Ihre
Hilfe, Jaaron Jargon. Ich bitte Sie an dem Projekt teilzunehmen. Brechen Sie auf in die Galaxis Cartwheel, die wir als Insel bezeichnen.
Seien Sie ein Teil des Kosmischen Projektes.«
Jaaron wußte nicht, was er sagen sollte. Erschöpft setzte er sich wieder auf seinen Stuhl
und atmete schwer. Sicher, er war mehr als geschmeichelt über das Angebot einer Superintelligenz oder was immer DORGON war, doch er
wollte Palarma nicht verlassen. Hier war seine
Heimat und hier fühlte er sich wohl. An diesem
Ort konnte er ruhig an seinen Büchern arbeiten.
Nataly hingegen war von dem Angebot angetan. Das schien das Abenteuer zu sein, auf das
32
D O R G O N
sie ihr ganzes junges Leben gewartet hatte.
»Nun?« sprach DORGON, ohne jedoch ungeduldig zu wirken.
Jaaron stand wieder auf und wirkte sichtlich
angegriffen.
»Das hier ist meine Heimat. Ich danke für
Ihr großzügiges und vertrauensvolles Angebot,
doch ich muß ablehnen.«
Nataly starrte ihn entsetzt an.
»Aber Onkel. Das kannst du doch nicht machen!«
»Mein Kind, halte dich bitte heraus«, sagte
Jargon zu seiner Nichte. Dann wandte er sich
wieder der Entität zu. »Bitte verstehen Sie meine Entscheidung.«
DORGON schien nicht sonderlich überrascht zu sein. Er trat auf Jaaron Jargon zu und
streckte ihm die Hand entgegen.
»Linguide, es ist dein Schicksal. Du bist in
der Galaxis Cartwheel geboren worden. Der
Planet, den ihr Objursha nennt, liegt in Cartwheel. Es war kein Zufall, sondern Bestimmung.
Du, Jaaron Jargon, sollst die Geschichte dieser Galaxis von nun an dokumentieren. Du
sollst der Nachwelt die Geschichten der heldenhaften Wesen verewigen, die aufgebrochen waren, um gegen die Armeen des Chaos zu kämpfen. Du sollst der Chronist Cartwheels werden!«
Diese Worte waren wie ein Schock für den
alten Linguiden. Es war sein Schicksal? War er
deshalb so alt geworden? War es alles ein Plan
DORGONs gewesen? Ähnlich wie die vierzehn
Friedensstifter war auch er ein Auserwählter einer Entität!
Fragend blickte er Nataly an, in deren Gesicht ebenfalls nur Ratlosigkeit stand. Beide
blickten sie zu DORGON, der immer noch seine Hand Jaaron entgegen hielt. Zögerlich nahm
der alte Arkonide die Hand des Geisteswesens.
Damit zeigte er sein Einverständnis. DORGON
lächelte.
»Bereite dich geistig auf deine Aufgabe vor,
mein Freund. In Kürze wirst du mehr erfahren.
Die Reise eines Linguiden hat begonnen«, erklärte DORGON und verschwand.
Jaaron und Nataly Jargon blickten noch eine
Weile auf die Stelle, wo DORGON gestanden
Nils Hirseland und Dominik Hauber
hatte. Sie wußten, daß ihr Leben jetzt eine neue
Bedeutung hatte.
*
Aus den Chroniken der Insel:
So geschah es, daß die Reise eines Linguiden einen Anfang nahm. Natalay – so stur und
abenteuerlustig wie sie war – beschloß, mich zu
begleiten.
Mein Aufbruch war auch gleichzeitig der Anfang der Chroniken der Insel. DORGON hatte seinen Aufruf an die Galaxis begonnen und
suchte heldenhafte Männer und Frauen für die
Besiedelung der Galaxis Cartwheel.
Um diese Wesen davon zu überzeugen, bedurfte es jedoch Hilfe von einer Symbolfigur der
Galaktiker. Er brauche die Hilfe von Perry Rhodan, denn auf sein Wort hörten viele...
2.
Terrania
So setzest du der ewig regen,
Der heilsam schaffenden Gewalt
Die kalte Teufelsfaust entgegen,
Die sich vergebens tückisch ballt!
Was anders suche zu beginnen,
Des Chaos wunderlicher Sohn!
Goethes Faust
*
»Und daher übergebe ich nun stolz das neue
Museum für terranische Geschichte der Öffentlichkeit! Wissen um die Vergangenheit schärft
das Bewußtsein in der Gegenwart, und ich denke, es wurde hier ein exzellentes Forum geschaffen, um allen – besonders der Jugend – das
Gewesene zu präsentieren.«
Begleitet vom Beifall der Zuschauer trat Perry Rhodan lächelnd vom Rednerpodest.
Strahlend hielt ihm ein etwas korpulenter,
äußerst behaarter Mann seine Pranke entgegen,
und der Unsterbliche fühlte seine Hand ergriffen und geschüttelt.
Die Insel
D O R G O N
Sidi Karim Viudes, seines Zeichens designierter Direktor der soeben eingeweihten Bildungsstätte, schien ganz begeistert. Der indischstämmige Terraner leitetete den Terranischen Residenten dann an den vielen hundert
Journalisten vorbei in einen der kleineren Ausstellungsräume, der, wie Rhodan bemerkte, an
diesem Tag offenbar als Konferenzzimmer verwendet wurde. Ein länglicher Glastisch, von etwa einem Dutzend Ledersesseln umgeben, war
speziell für die an diesem Tag anberaumte Besprechung hereingeschafft worden. Eigentlich
waren dies die Räumlichkeiten, die dem Themenbereich »Antike Mystik« zugeordnet worden waren – und das würden sie in ein paar
Stunden auch wieder sein.
Perry Rhodan befand sich alleine in dem
Raum, seine Gesprächspartner waren entweder
noch nicht eingetroffen oder noch im Vorraum
einen Begrüßungssekt oder – abhängig von den
jeweiligen Vorlieben – einen Begrüßungsvurguzz entgegennahmen.
Viudes hatte sich mittlerweile auch wieder
entfernt, um die anderen Konferenzteilnehmer
einzusammeln. Das gab Rhodan die Gelegenheit, sich die Vitrinen, Schautafeln und sonstigen Ausstellungsgegenstände etwas näher anzusehen. Eine Schautafel mit der Aufschrift
»Prä-Astronautik« schien ihm einen Blick wert.
Mit einem Stirnrunzeln überflog er die darauf
vorhandenen Informationen.
»Waren die Götter Astronauten? Die Vorstellung, daß in den Tiefen des Alls weitere bewohnte Welten existierten, war schon faszinierend genug, so daß sich im zweiten Jahrtausend
alter Zeitrechnung – und auch schon früher –
viele Menschen überlegten, ob die antiken Götter – ihr Vorhandensein vorausgesetzt – Astronauten gewesen sein könnten.
Der Gedanke, daß von dort intelligente Wesen in grauer Vorzeit die Erde besuchten und
die kulturelle oder gar die biologische Entwicklung der Menschheit beeinflußten, war für diese Menschen noch weit faszinierender. Wie wir
wissen, waren derartige Besuche – in welcher
Form auch immer – keine Seltenheit. Sprechen
nicht Mythen von Göttern, die in goldenen Barken oder Eiern vom Himmel herab auf die Erde kamen? Wirken nicht manche Darstellun-
33
gen auf Steinfriesen wie Abbilder von heutigen
Raumfahrern? Konnten unsere Vorfahren ohne
fremde technische Hilfe so gewaltige Steinbauten, wie etwa die Pyramide von Gizeh, überhaupt errichten?«
Verwirrt wandte sich Rhodan ab. Möglicherweise mußten viele der hier ausgestellten Informationen schon bald wieder aktualisiert werden, insbesondere aufgrund der Geschehnisse
während der Expedition auf Seshur.
Das sollte aber nicht seine Sorge sein.
Er grinste innerlich, als er sich vorstellte,
wie sich die zuständigen Leute die Haare raufen würden, sollte er sie explizit darauf hinweisen. In seiner Eigenschaft als Terranischer Resident würde er natürlich einen gewissen Druck
auf diese Personen ausüben, aber das war nicht
seine Art.
Seine Miene verfinsterte sich, als er eine andere an die Wand projizierte Auskunft bemerkte.
Das Chaos...
Mit versteinertem Gesichtsausdruck begann
er zu lesen.
»Chaos – ein Begriff, mit dem wir einen
chaotischen, unordentlichen und völlig katastrophalen Zustand definieren. Chaos – die uranfängliche Leere, die existierte, bevor es jegliche Ordnung im Universum gab und von dem
aus alle Dinge und Kreaturen abgingen, inklusive der Götter. Chaos, so die griechische Sage,
gebar einige Kinder in sich selbst wie zum Beispiel Erebus, Nyx, Eros und Gaia.«
Die Söhne des Chaos...
Rhodan fühlte sich etwas unbehaglich, aber
er schüttelte den Gedanken ab. Er hatte die Prophezeiung, die er fünf Jahre zuvor erhalten hatte, immer noch nicht vergessen. Zu gegenwärtig
war ihm noch die Erscheinung die alten Mannes, der vor seinen Augen einfach verbrannt
war. Rhodan war zwar für gewöhnlich kein Typ,
der allzuviel auf dunkle Vorhersagen und ähnliches gab. Dennoch hatte er mit seinen 3000 Jahren genügend Lebenserfahrung, um zu wissen,
daß immer ein Fünkchen Wahrheit darin enthalten sein konnte. Und er hatte in diesen 3000 Jahren auch zuviel Schreckliches erlebt, um auch
nur den scheinbar unbedeutensten möglichen
Gefahrenindikator unbeachtet zu lassen.
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D O R G O N
Dennoch, momentan hatte er wirklich andere
Probleme.
Rhodan wandte sich um und ließ sich in
einen der Sessel fallen. Das Kolloquium würde
unsagbar langweilig werden, das war ihm klar.
Im wesentlichen sollte darin über die Öffentlichkeitsarbeit des Museums gesprochen werden; staubtrockene Materie, zumal Rhodan der
Sinn danach gegenwärtig überhaupt nicht stand.
Ihm war allerdings von verschiedener Seite erklärt worden, daß eine Teilnahme an dem Meeting unumgänglich sei. Er selbst war nicht dieser Ansicht.
»Völlig richtig, Rhodan. Es gibt weitaus
wichtigere Dinge zu tun.«
Überrascht blickte Rhodan auf und blickte
in das Gesicht eines mittelgroßen Mannes. Der
Mann hatte lange, braune Haare und einen Vollbart. Außerdem war er in ein für terranische
Verhältnisse etwas seltsam Anmutendes weißes
Gewand gekleidet. Auch einem uneingeweihten Beobachter wäre allerdings aufgefallen, daß
dies kein gewöhnlicher Terraner war, denn er
war von einer hellen Aura umgeben.
DORGON!
Rhodan schluckte kurz, akzeptierte die Situation jedoch relativ rasch. Er ersparte sich verständlicherweise Fragen wie »Wie sind Sie hier
hereingekommen?« oder ähnliches.
Stattdessen schwieg er und wartete darauf,
daß die Entität den Anfang machte.
»Über die Geschichte können Sie sich später
noch unterhalten«, meinte DORGON lächelnd.
»Nun ist es aber erst einmal nötig, diese Geschichte zu schreiben.«
Rhodan atmete tief ein.
»Was wollen Sie diesmal?«
Das Wesen näherte sich dem Unsterblichen
bedächtig.
»Es ist an der Zeit, nun auch offiziell für das
Projekt zu werben. Ich möchte Sie bitten, das
zu tun. Darüber hinaus werden wir Raumschiffe benötigen...«
Rhodan schüttelte energisch den Kopf.
»Ich will dieses Projekt, soweit ich das kann,
unterstützen. Aber ich kann hier keine Raumschiffe entbehren, nicht einmal ein einziges. Die
Gefahr durch das arkonidische Kristallimperium wird immer größer, und ich brauche alle ver-
Nils Hirseland und Dominik Hauber
fügbaren Einheiten für einen eventuellen Angriff.«
DORGON lächelte mild und setzte sich in
einen der Ledersessel; nicht, daß die Entität das
nötig gehabt hätte, es war eher eine Art psychologische Maßnahme, um Rhodan ein Gefühl des
Vertrauens zu geben.
»Ich habe dafür volles Verständnis. Ich werde selbst Schiffe bringen...«
*
»Verdammt nochmal, Perry...«
Julian Tifflor hieb mit der Faust auf den
Schreibtisch, hinter dem Perry Rhodan saß.
Sein Gesicht war leicht rötlich angelaufen, ein
Anzeichen seiner offensichtlichen Verärgerung.
Mit zitternden Lippen und durchdringendem
Blick starrte er Rhodan an.
»Merkst du denn nicht, daß du dabei bist,
einen Fehler zum zweiten Mal zu machen?«
»Ich bin gerne bereit, mir deine Ausführungen anzuhören«, entgegnete Rhodan ruhig. Ihm
war keinerlei Erregung anzumerken.
»Perry, wir haben diese Diskussion so ähnlich schon einmal geführt, und das weißt du
auch.«
Rhodan nahm einen Schluck aus seinem
Kaffee und sah aus dem Panoramafenster der
Solaren Residenz. »Tiff... wir haben in den letzten Jahrtausenden so viele Diskussionen geführt, daß ich mich nicht mehr an jede einzelne
erinnern kann.«
Er räusperte sich.
»Dann werde ich deinem Gedächtnis mal etwas auf die Sprünge helfen«, entgegnete der
Residenz-Minister für Äußeres scharf. »Es war
vor einigen Jahren, als die MORDRED in der
Milchstraße wütete. Diese Geheimorganisation
– oder sollte ich besser sagen, terroristische Vereinigung – griff damals verschiedene Camelotbüros an und verübte fürchterliche Verbrechen.
Du willst mir doch nicht etwa erzählen, daß du
Sverigor schon vergessen hast?«
Die Souveränität fiel mit einem Mal von
Rhodan ab und er zuckte heftig zusammen. Die
Augen wurden ihm wäßrig, als er an das grauenhafte Massaker an der Bevölkerung Sverigors
zurückdachte.
Die Insel
D O R G O N
Der gesamte Planet war von den sogenannten Sternfusionsbomben der MORDRED zerstört worden. Genaugenommen stammte diese
Waffe von den Dorgonen, die sie der Organisation überlassen hatten. Jedenfalls hatten diese Bomben eine absolut verheerende Wirkung,
waren sie doch in ihrer Wirkungsweise eine
Weiterentwicklung der in der Milchstraße bekannten Arkonbomben.
Daß die Existenz dieses Planeten beendet
worden war, war schlimm genug. Nur wog
der Verlust von Milliarden von Leben weitaus
schwerer.
»Ich habe nicht vergessen, was mit Sverigor
passiert ist. Worauf willst du hinaus, Julian?«
fragte Rhodan gereizt.
Tifflor fühlte, daß er seinen Freund in die Enge gedrängt hatte und war für einen kleinen Augenblick sogar stolz, daß er Perry etwas von seiner schier endlosen Ruhe abgenommen hatte.
»Schon damals bist du lieber für irgendwelche Entitäten durch das Universum gekreuzt,
anstelle vor deinem eigenen Hof zu kehren!«
Die Worte Tifflors waren hart. Doch Tifflor wußte genau, dass er mit Rhodan so reden
konnte, ja Rhodan bat sogar stets um den ehrlichen Dialog unter seinen Freunden. Sie kannten
sich schon viel zu lange, um eingeschnappt zu
reagieren oder die Freundschaft ernsthaft durch
solche Streits zu gefährden.
»Das mag sein. Ich beabsichte auch nicht,
DORGONS Ruf zu folgen. Das werden andere tun«, erklärte Rhodan.
»Aber...«
»Nichts aber, Julian! Du vergißt, daß Cau
Thon und dessen ominöser Meister MODROR,
dessen Namen mir noch einiges sagt, sehr gefährlich sind. Ich hatte damals die Gefahr der
MORDRED außer Acht gelassen. Doch wer
zeichnet sich für alles verantwortlich? Cau
Thon! Deshalb müssen wir ihn bekämpfen!«
Julian wußte, daß Perry Rhodan im Grunde genommen Recht hatte. Doch er wünschte sich mehr Verantwortungsbewußtsein für die
inneren Angelegenheiten. Perry Rhodan konnte
nicht immer den Retter in der Not spielen.
Doch wenn nicht er, wer dann?
Tifflor biß sich auf die Lippen.
»Also gut. Dann übernehme ich den Job in
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Cartwheel!«
Rhodan glaubte, sich verhört zu haben. Er
blickte Tifflor verwundert an und rang nach den
Worten.
»Nun guck nicht so! Gib mir Cascal, Gucky,
die Leute von der IVANHOE und paar fähige
und vertrauenswürdige Politiker mit, dann regel
ich das schon. Jedoch kann ich nicht ständig da
sein. Das weißt du!«
Perry nickte stumm.
»Ich werde also als Residenz-Minister das
Projekt Cartwheel auf Seiten der Terraner überwachen«, meinte der Unsterbliche. »Allerdings
brauche ich einen Stellvertreter, wenn ich in der
Milchstraße bin.«
Rhodan überlegte kurz. Er blickte in seinen
Kaffee und forschte nach einen loyalen Stellvertreter. Alle anderen Zellaktivatorträger brauchte
er hier. Gucky war zu albern, Cascal zu militaristisch. Es benötigte jemanden mit Reife, Weisheit, Erfahrung und dem nötigen Charisma, um
vom Volk unterstützt zu werden.
*
Es waren einige Tage verstrichen. Perry Rhodan saß in seinem großen Büro und jonglierte mit Zahlen und Personen umher, die er für
das Insel-Projekt abgeben würde. Doch die Resonnanz war nach dem geistigen Aufruf DORGONs und der Werbekampagne innerhalb der
LFT durch die Regierung bereits immens!
Über drei Millionen Terraner, Oxtorner, Plophoser, Olymper, Ertruser und Espaler mit Pioniergeist hatten sich bereits gemeldet.
Viele schienen das Projekt zu begrüßen oder
waren bereits von DORGON kontaktiert worden. Die Zahlen stiegen minütlich.
Perry war gespannt, wie das Kristallimperium, die Blues, Akonen und anderen Völker der
Milchstraße reagieren würden.
Bis dato kam sehr wenig Resonnanz. Perry
Rhodan hoffte, daß es nicht nur ein Projekt der
Terraner werden würde, aber DORGON hatte seine Andeutungen gemacht, daß viele Völker ihre Abgesandten nach Cartwheel entsenden würden. Insgesamt 50 Völker!
Doch er fragte sich, wie DORGON Imperator Bostich I. überzeugen wollte. Dieser
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D O R G O N
Mann handelte nicht aus edlen Motiven. Er war
gefährlicher Nationalist und herzloser, machthungriger Arkonide!
Der Zellaktivatorträger glaubte nicht, daß
Bostich die Gefahr durch MODROR erkennen
würde.
MODROR...
Perry Rhodan kannte diesen Namen. Alles
schien langsam einen Sinn zu ergeben. Im Jahre 1285 NGZ traf Perry Rhodan zusammen
mit Aurec auf die Inkarnation MODRORs. Sie
nannte sich Rodrom und hielt eine Visite in einer Station des Chaos direkt im Zentrum Saggittors.
Rodrom war ehrgeizig und wollte Rhodan
zur Strecke bringen. Er ermordete Aurecs Familie, dessen Vater zu der Zeit Regent war. Ein
Putschist namens Dolphus wurde mit Rodroms
Unterstützung an die Spitze gesetzt.
Die Rote Entität versetzte den Luxusraumer
LONDON in ein Paralleluniversum. Dort wurden Aurec, Rosan Orbanashol, Wyll Nordment
und er selbst von fünf grausamen Söldner Rodroms gejagt. Nur der Hilfe von Sato Ambush,
der in dieser Parawelt gefangen war, konnte
man sie besiegen und Rodrom entkommen.
Man konnte es schaffen, Dolphus abzusetzen
und die Station der Chaosmächte zu vernichten. Rodrom verschwand, zerstörte allerdings
vorher die LONDON und schickte über 11.000
Seelen in den Tod.
Seitdem hatte Rhodan nie wieder etwas von
Rodrom gehört. Doch was waren 11 Jahre? Für
eine Entität nichts.
Soweit es Rhodan in Erinnerung hatte, bezeichnete Rodrom seinen Meister als Chaotarch, auch wenn er damals dieses Wort mit einer seltsamen Betonung aussprach. Auf jeden
Fall hatte man es mit den Mächten des Chaos
zu tun.
MODROR schien der Meister zu sein. Was
aus Rodrom geworden war, wußte Rhodan
nicht. Cau Thon schien wohl seine Stelle als
ausführendes Organ übernommen zu haben. Er
war gleichzeitig ein Sohn des Chaos. Einer seiner Diener war der Katrone Goshkan, von dem
Gal’Arn berichtet hatte.
Rhodan wußte, daß Cau Thon hinter der
MORDRED und den Invasionsplanungen Dor-
Nils Hirseland und Dominik Hauber
gons stand. Er wußte auch, daß Cau Thon und
Goshkan ein grausames Duo waren, das über
Leichen ging.
Sollte hinter ihnen die Macht MODRORs
stecken, was immer dieses Wesen auch war,
so sollte man den Worten DORGONs Glauben
schenken.
Rhodan erkannte mehr und mehr die drohende Gefahr. Er ermahnte sich, sich wieder auf die
Daten zu konzentrieren.
Julian Tifflor sollte der Repräsentant für alle
Terra-Völker werden. Ihm zur Seite stand Joak
Cascal als Militärberater. Gucky sollte zusammen mit Will Dean für die Sicherheit sorgen.
Dean sollte den TLD leiten.
Das waren allerdings viel zu wenig! Das
Aufsummen seiner Anlage riß Rhodan aus seinen Gedanken. Seine Sekretärin versuchte ihn
zu erreichen.
»Was gibt es?«
»Perry, ein Don Philippe Jaime de la Siniestro wünscht >eine Audienz<«, hörte er die
Stimme der terranischen Vorzimmerdame.
Rhodan dachte kurz nach, was der alte Spanier hier wollte. Dann akzeptierte er das Gesuch
und bat seine Sekräterin, den Marquese von Siniestro in sein Büro zu geleiten.
Der älteste Mensch der Welt war in eine
Kombination gekleidet, die zweifellos an die
Mode aus seiner Zeit angelehnt war.
Er setzte ein Grinsen auf und entblößte dabei
seine gelben Zähne, die schon ähnlich angegriffen wie seine faltige Haut wirkten.
Das interessierte jedoch Perry Rhodan wenig. Dem Marquese war die Rettung von
Gal’Arn und den jungen Galaktikern zu verdanken. Ohne seinen heldenhaften Einsatz auf Prosperohs Welt wären sie wahrscheinlich verloren
gewesen.
Rhodan stand auf und reichte dem Spanier
zur Begrüßung die Hand.
»Bitte setzen Sie sich doch.«
Der Marquese nahm das Angebot an und
setzte sich auf eine gemütliche Couch, die sich
seinem Gewicht, seiner Größe und momentanten Sitzlage anpaßte. Rhodan ließ sich in einen
Sessel gegenüber sinken.
»Wie geht es Ihnen? Ich habe schon viele
Berichte über Sie gelesen, Marquese. Die Pres-
Die Insel
D O R G O N
se behandelt Sie wie einen Helden«, begann
Rhodan.
Der Marquese wirkte geschmeichelt, sagte
aber: »Oh, ich bitte Sie, Señor! Das war doch
selbstverständlich. Schon damals habe ich alles
dafür getan, damit es den Menschen gut geht.«
Rhodan lächelte. Der Mann war ihm sympathisch. Er bewunderte ihn sogar heimlich.
Welcher Mensch aus dem 18. Jahrhundert hätte diesen Evolutionssprung unbeschadet überstanden? Diesem Mann gebührte viel Respekt.
Er mußte unglaublich intelligent und weltoffen
sein.
»Was führt Sie zu mir, Marquese?« fragte
Rhodan neugierig.
»Nun, es geht um das Insel-Projekt«, fing der
Spanier an zu erzählen. »Ich habe großes Interesse, Ihnen zu helfen. Was soll ich hier alleine? Ich habe keinen Menschen, keine Aufgabe. Deshalb biete ich Ihnen meine volle Mithilfe
an!«
Perry Rhodan war überrascht. Dieser Mann
schaffte es wirklich, noch mehr Respekt abzuverlangen.
Perry spielte mit einem altmodischen Flaschenöffner und grübelte, wie er den Marquese
einsetzen könnte.
»Ich will mich keineswegs in den Vordergrund drängen, doch war ich einst Beherrscher
von einem großen Teil Spaniens. Ich verstehe etwas von der Führung von Menschen und
vor allem habe ich das nötige Verantwortungsbewußtsein gegenüber meinen Schäfchen«, erklärte er und schlug sich damit selbst für eine
Führungsrolle vor.
Perry nickte stumm.
»Also gut, ich werde Sie an die Seite von Julian Tifflor stellen. Wir werden sehen, was er
mit Ihnen anfangen kann. Vielleicht ist ein Administratorposten für Sie drin.«
Der Marquese verneigte sich ergeben, hatte
aber noch etwas zu sagen.
»Der ehrenwerte Julian Tifflor kommt mit?
Welche Aufgabe wird ihm zuteil?«
»Er soll die Abgesandten der Terrawelten anführen«, meinte Rhodan knapp und legte den
Flaschenöffner wieder hin.
»Aber hat er denn keine Verpflichtungen in
der Milchstraße?« fragte der Marquese verwun-
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dert.
»Doch, deshalb wird er einen Stellvertreter
auf der Insel bekommen, der die meiste Arbeit
haben wird, aber Tifflor Rechenschaft ablegen
muß, wenn er die Insel besucht.«
Der Marquese grinste wieder. Rhodan fand
dieses Lächeln sonderbar, doch es lag wohl
an der seltsamen Erscheinung des Marquese.
Der Mann hätte, ohne ihm nahezutreten, eine Hauptrolle in einem Gruselfilm bekommen
können.
»Haben Sie schon diesen Stellvertreter benannt?«
»Nein!«
»Ach? Dürfte ich mich dann anbieten?«
Wieder war Perry Rhodan über diesen Mann
verblüfft. Wer würde so fordernd bei dem Terranischen Residenten ankommen? Doch auf der
anderen Seite gehörte viel Courage dazu. Außerdem schien der Marquese sein Anliegen sehr
ernst zu nehmen. Perry glaubte – ja, er war davon überzeugt –, daß er Marquese alles menschenmögliche tun würde, um die Aufgabe korrekt und gewissenhaft zu erfüllen.
Es war eine intuitive Entscheidung, ihm den
Posten als Stellvertreter Tifflors zu geben, doch
er vertraute dem ältesten Menschen der Welt.
Natürlich konnte der Marquese nicht schalten
und walten, wie er wollte. Tifflor würde genau
auf ihn aufpassen. Später sollte er von den Bürgern der Insel bestätigt werden.
Doch Perry Rhodan wußte noch nicht einmal, was die Wesen auf der Insel erwarten würde. Das sagte er dem Marquese ehrlich. Es
konnte auch gut sein, daß keine Politiker, sondern nur Militärs gebraucht wurden, da DORGON von einer Festung sprach.
Niemand wußte das! Bis jetzt hatten sich
aber auch viele Freiwillige aus der Wirtschaft
gemeldet. Sie wurden von DORGON kontaktiert. Es schien so, als würde auch eine funktionierende Infrastruktur und nicht nur Kasernen
gebraucht werden.
Perry Rhodan informierte Julian Tifflor über
seine Absicht, den Marquese von Siniestro mit
dieser Bürde zu beauftragen.
Der Residenz-Minister hatte keine Einwände. Er begrüßte die Entscheidung, da er genauso
von diesem alten Spanier beeindruckt war wie
D O R G O N
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Rhodan selbst.
Perry Rhodan berief noch an diesem Abend
eine Konferenz ein, die über die weiteren
Schritte der Besiedelung der Insel Klarheit verschaffen sollte.
Der April neigte sich dem Ende zu und niemand wußte, was der Mai bringen würde.
*
Die Solare Residenz schwebte majestätisch
über der Hauptstadt Terrania City. Es war nicht
nur ein gigantischer Anblick, sondern gab die
Solare Residenz den Bewohnern Terranias ein
Gefühl der Sicherheit. Wie ein schützender
Wächter lag die Residenz über Terrania.
Perry Rhodan stand in einem der Räume und
ließ den Blick über seine Stadt schweifen. Viele
Jahrtausende waren es her, als er hier zusammen mit Reginald Bull und vielen schon längst
gestorbenen Gefährten den Grundstein für diese
Stadt legte.
Langsam fanden sich die ersten zur Besprechung ein. Bully und Gucky betraten den Raum.
Der Mausbiber knabberte an einer Mohrrübe
und schlürfte ein Glas Orangensaft.
»Hey, was gibt es?« fragte er mit seiner piepsenden Stimme.
»Alles zu seiner Zeit«, antwortete Perry
knapp.
Gucky schwieg und teleportierte stattdessen
auf einen Sessel aus Formenergie. Bully schüttelte den Kopf. Es war ein Anzeichen, daß er
sich mal wieder über Gucky aufregte. Doch sie
kamen nicht zum Streiten, denn Julian Tifflor,
Joak Cascal und ein hochgewachsener Mann im
mittleren Alter erreichten den Raum.
Der Terraner trug eine hochdekorierte Ausgehuniform, wirkte adrett und sehr diszipliniert.
Er verbeugte sich vor den Anwesenden.
»Das ist Henry >Flakk< Portland. Einer der
besten Raumschiffkommandanten der LFT. Er
hat sehr beachtliche Erfolge im Kampf gegen
die Tolkaner vorzuweisen. Er ist ebenfalls ein
ausgezeichneter Stratege und ein loyaler Soldat«, erklärte Joak Cascal. »Ich werde ihn zu
meinem Militärattaché auf Cartwheel ernennen.«
Die Anwesenden begrüßten Portland. Per-
Nils Hirseland und Dominik Hauber
rys erste Einschätzung fiel sehr positiv aus. Der
Mann hatte eine ehrliche und gewissenhafte
Ausstrahlung.
Kurz danach betraten der Marquese von Siniestro, Jonathan Andrews und der Ritter der
Tiefe Gal’Arn den Raum.
»Gal’Arn, Marquese! Ich bin erfreut, daß Sie
meine Einladung angenommen haben«, begrüßte sie Perry Rhodan.
Auch Jonathan Andrews übersah er nicht.
»Sie gehören zu den Helden von Zerachon,
Mr. Andrews. Solche tapferen und intelligenten
Männer braucht die Galaxis«, lobte ihn Rhodan,
während sie sich die Hände schüttelten.
»Danke, Sir«, brachte der sonst so redegewandte Andrews verlegen heraus und wechselte
einen Blickkontakt mit Gal’Arn, der ihm zufrieden zunickte.
Mit dem Erscheinen von Xavier Jeamour
und Timo Zoltan war die Versammlung komplett. Rhodan begann ohne Umschweife mit
dem Thema: »Wir sind heute hier, um zu besprechen, welche Streitkräfte und Menschen
wir zur Insel entsenden.«
Er machte eine Kunstpause und blickte jedem der Anwesenden in die Augen und interpretierte aus ihren Blicken, daß sie die Lage genau richtig einschätzten.
»Julian Tifflor wird die Terravölker kommandieren. Der Marquese de la Siniestro, von
dem ich viel halte, wird sich politisch als TerraAdministrator und Stellvertreter Tifflors agieren. Ich nehme an, daß auch eine Infrastruktur
und eine Wirtschaftsstruktur benötigt wird und
nicht nur eine Militärbasis.«
Casal und Henry Portland sahen sich etwas
enttäuscht an. Sie dachten wohl beide, daß Zivilisten wenig dort zu suchen hätten.
Perry Rhodan fuhr fort: »Dennoch wird die
Insel wohl eine Festung darstellen. Dafür benötigen wir Militär. Joak Cascal wird das Oberkommando über die Streitkräfte bekommen.
Wen er in seinen Stab ernennt, überlasse ich
ihm.«
Cascal nickte zufrieden. Henry Portland
wußte, daß Cascal viel von ihm hielt und ihn
als Militäradjeutanten ernennen würde. Lieber
wäre es dem raubeinigen Terraner allerdings ge-
Die Insel
D O R G O N
wesen, wenn er ein Kommando über ein Raumschiff bekommen hätte.
Perry Rhodan ging um den runden Tisch
und sah kurz aus dem Fenster. Zwei Space-Jets
kreuzten seinen Blickwinkel. Dann wandte er
sich wieder den anderen zu.
»Die IVANHOE unter Xavier Jeamour wird
mit zur Insel fliegen. Das schlagkräftige Team
unter Jeamour, damit meine ich besonders Wallace, Dove und Lorif, sollten sehr hilfreich sein.
Die IVANHOE wird das Flaggschiff der TerraAbgesandten sein.«
Niemand sagte etwas. Alle hörten gespannt
auf die Anweisungen Perry Rhodans. Nur
Gucky mußte wieder einen Scherz unter die
Personen bringen. Er spielte den Schlafenden
und schnarchte laut, bis er von Perry ermahnt
wurde, sich zu benehmen.
Dann sagte der Terranische Resident: »Die
Terra Kolonien werden von einem autarken Administrator regiert. Wir halten es hier genauso
wie bei der LFT. Letztendlich stehen allerdings
alle Tifflor Rede und Antwort.
Gal’Arn wird als Berater mitfliegen. DORGON hatte bereits betont, daß er eine Schlüsselfigur ist.«
Der Ritter der Tiefe musterte Perry Rhodan.
Beide RdT respektierten sich und hatten große
Achtung vor einander.
»Timo Zoltan wird Wissenschaftsberater von
Tifflor«, erläuterte Rhodan. »Jetzt ist die Frage,
wieviel Streitkräfte wir schicken.«
In dem Moment erschien aus dem Nichts
DORGON. Plötzlich stand er im Raum und
ging auf die Anwesenden zu. Portland sprang
auf, doch Cascal beruhigte den Soldaten wieder. Langsam mußte man sich an die Auftritte
der Entität gewöhnen.
»Diese Frage will ich beantworten«, begann
DORGON.
Perry sah ihn mißtrauisch an.
»Zehn Milliarden Wesen terranischen Ursprungs sollen zur Insel aufbrechen. Die Arkoniden werden die gleiche Anzahl schicken,
ebenfalls wie die Blues. Die restlichen Völker
werden die Wesen entsenden, die sie entbehren
können.«
»Zehn Milliarden?« brüllte Bully aufgeregt
herum. »Das schaffen wir nie. Woher sollen wir
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die Raumschiffe für diese Massen besorgen?«
DORGON wirkte gelassen.
»Ich werde die Raumschiffe zur Verfügung
stellen. Sorgt für die Menschen, den Rest werde ich übernehmen. Wartet auf meine weiteren
Anweisungen oder Bitten.«
Mit diesen Worten verschwand DORGON
wieder. Perry Rhodan und Gal’Arn blickten
sich an.
»DORGON wird seine Gründe haben. Ich
habe Cau Thons und Goshkans Brutalität miterlebt. Wir sollten tun, was er sagt«, riet der Ritter
aus Shagor.
*
Aus den Chroniken der Insel:
Der Mai begann mit schweren Entscheidungen für die Wesen der Milchstraße. Milliarden
von Ihnen sollten aufbrechen, um eine fremde Galaxis zu bevölkern. Sie sollten eine Festung gegen die Armeen MODRORs errichten
und einer neuen Heimat Leben einhauchen. Die
Meldungen der Freiwilligen war sehr niedrig
im Vergleich zur Bevölkerungsgrößte der Milchstraße.
Verlangte DORGON unmögliches von den
Völkern?
Es schien so, doch ausgerechnet die Arkoniden brachten den Stein ins Rollen. DORGON
hatte Imperator Bostich kontaktiert und ihn –
genauso wie er es mit Perry Rhodan getan hatte
– gebeten, zehn Milliarden Vertreter Arkons und
seiner Kolonien nach Cartwheel zu schicken.
Imperator Bostich dachte viele Tage darüber
nach. Ihm war die Gefahr durch MODROR
gleichgültig. Er sah nur in Perry Rhodan eine
Gefahr und strebte die Regentschaft über die
gesamte Milchstraße an.
Und gerade dieser Machthunger brachte den
alten Arkoniden auf eine in seinen Augen grandiose Idee.
Warum erweiterte er nicht seinen Machtbereich? Die Arkoniden sollten langsam aber unaufhaltsam auch diese Galaxis Cartwheel besetzen.
Die Arkoniden konnten ohne Probleme 10
Milliarden arische Vertreter aus ihren Reihen
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D O R G O N
und direkten Kolonien wie Zalit abstellen. Hinzu kamen Völker wie Topsider, Antis, Aras und
Springer, die ebenfalls Untergebene Arkons waren.
Arkon würde den mächtigsten Block in der
neuen Galaxis darstellen und konnte Cartwheel
zu einer Militärbasis ausbauen von der er auch
die Milchstraße angreifen konnte.
Allerdings lag Cartwheel 500.000 Millionen
Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Angriffe würden Jahre dauern. Doch sicher hatte DORGON eine Möglichkeit des schnellen
Transports. Bostich vermutete eine Art Sonnentransmitter oder Heliotisches Bollwerk.
Er rief seine Militärs und Politiker zu sich.
Die Entscheidung, wer die Arkoniden in Cartwheel führen sollte, fiel auf den jungen Aristokraten und Beherrscher mehrerer Kolonien
Uwahn Jenmuhs.
Jenmuhs war nicht nur ein überzeugter Nationalist und arischer Arkonide, sondern in ihm
brante auch ein ganz persönlicher Haß gegen
die Terraner.
Sein Bruder Hajun Jenmuhs wurde auf der
LONDON II von Rosan Orbanashol-Nordment,
der verhaßten Halbarkonidin, und Uthe Scorbit getötet. Zwar war es Notwehr und ein verdientes Ende des scheußlichen Hajun Jenmuhs
gewesen, doch sein Zwillingsbruder haßte die
Terraner und besonders die beiden Frauen dafür. Er schwörte grausame Rache!
Als Mitte Mai DORGON einen erneuten Aufruf an alle Wesen in der Milchstraße startete,
kamen die Dinge ins Rollen.
»Völker der Milchstraße. Ich bitte euch, eure Abgesandten für die Insel am 30. Juni 1296
NGZ zu dem Sternhaufen 47-Tucani zu bringen.
Dort werden Hundertausende an Raumschiffen
für euch bereitstehen. Sie warten nur darauf,
bemannt zu werden. Ihr begebt euch dann 5,6
Millionen Lichtjahre nördlich von der Milchstraße zu einem Portal – einem Transmitter gewaltigen Ausmaßen, der euch zur Insel bringen
wird.
Das wird die stetige Verbindung zwischen
beiden Galaxien sein. So könnt Ihr die lange Distanz innerhalb von wenigen Tagen überbrücken.
Bereitet euch auf eine neue Heimat vor. Die
Nils Hirseland und Dominik Hauber
Insel Cartwheel muß besidelt werden. Macht
daraus eine zweite Milchstraße und eine starke
Festung, die gewappnet ist für den Kampf gegen
MODROR!
Alle Männer und Frauen, die an diesem Projekt teilnehmen, sind wahre Helden. Sie geben
viel auf, um selbstlos für das Gute zu streiten.
Doch sie werden belohnt werden, denn ihnen
wird ein Platz in dem, was ihr Elysium nennt,
gewiß sein.«
Diese beeindruckende Ansprache der Entität
DORGON war für viele der Anlaß, sich freiwillig zu melden.
Die Anzahl der Freiwilligen in der LFT, aber
auch in den anderen Mächtigkeitsballungen der
Galaxis, stieg an.
Deshalb sahen sich auch die Arkoniden gezwungen zu handeln. Sie konnten den Terranern
in nichts nachstehen.
Imperator Bostich I. und Uwahn Jenmuhs
trafen sich am 17. Mai 1296 NGZ zu einer
schicksalhaften Besprechung.
3.
Arkon
Das Arbeitszimmer von Imperator Bostich
glich einem Palast, in dem eine ganze Familie
hätte leben können.
Der Fußboden war verspiegelt und mit Mustern verziehrt. An der Wand hingen Gemälde von arkonidischen Künstlern, Portraits von
glorreichen Kaisern oder Schlachtschiffen. In
der Mitte des Saales stand ein großer Schreibtisch des Imperators. Dahinter hing ein Banner mit dem arkonidischen Emblem und dem
Schriftzug FAMUG. Rechts daneben war eine Holographie der Milchstraße abgebildet. Es
zeigte die Kolonien und Grenzen des gewaltigen Kristallimperiums an.
Bostich selbst saß in seinem Thron und wartete auf die Ankunft von Uwahn Jenmuhs. Die
Tür öffnete sich und zwei Offiziere marschierten steif in den Raum und salutierten vor ihrem
Imperator.
»Mein Imperator, Uwahn Jenmuhs bittet um
eine Audienz!« brüllte ein Unteroffizier und
schlug mit den Hacken zusammen.
Die Insel
D O R G O N
»Gewährt«, sprach Bostich knapp.
Die beiden Soldaten machten erneut eine Ehrenbezeugung und verließen den Raum. Einer
von ihnen kam mit Jenmuhs zurück und geleitete ihn zum Imperator des Kristallimperiums.
Jenmuhs war eine abstoßende Erscheinung.
Wie sein Zwillingsbruder war er fett, hatte lange, weiße, fettige Haare, eine blasse Haut und
ein unsympathisches Wesen. Er war in noblen
Gewändern gekleidet und trug einen Zierstock
mit sich.
Als er direkt vor dem Schreibtisch des Kaisers stand, verneigte er sich. In diesem Moment
schwebte ein positronischer Sessel zu Jenmuhs
und bot einen Platz an. Ächzend setzte sich der
schwergewichtige, aber sehr kleine Arkonide in
den angepaßten Sitz.
»Seien Sie willkommen, Uwahn Jenmuhs!«
begrüßte ihn Bostich.
»Es ist mir eine Ehre, daß Sie mir erneut eine Audienz gewähren. Es gibt Neuigkeiten über
die Insel, nehme ich an?«
Bostich nickte stumm.
»DORGON will, daß wir am 30. Juni unsere Männer nach 47-Tucani schicken. Sollten wir
das einfach so machen?«
»Die Terraner werden es tun. Jedoch wird
ihr Anteil an eigenen Schiffen sehr niedrig sein.
Laut meinem Geheimdienst werden sie nur
5.000 Kampfeinheiten mitschicken. Wir werden das fünffache entsenden!«
Die Entschlossenheit in Bostichs Worten war
unüberhörbar. Jenmuhs bewunderte den Imperator. Der Tod von Theta von Ariga war ein
Segen für Arkon. Diese Frau hatte es niemals
verstanden, ein richtiges Imperium aufzubauen. Anfangs hatten die Quartermagins versucht,
Bostich zu kontrollieren. Doch dieser Arkonide war stark. Er war ein typisches Abbild eines
überlegenen Herrenmenschen. Zuerst spielte er
mit, dann entledigte er sich seiner Feinde, die
versuchten ihn zu kontrollieren.
Bostich konnte die Massen bewegen und hatte die Sympathie des ganzen arkonidischen Volkes hinter sich. Ja, sie würden in den Tod gehen für ihren Imperator. Jenmuhs kamen beinahe die Tränen vor Ehrfurcht. Umso mehr stolz
war er, daß Bostich ihn auserwählt hatte, die Arkoniden in Cartwheel zu führen.
41
»Mit diesem Aufgebot sind wir sicherlich
die größte Fraktion, mein Imperator«, stimmte
Jenmuhs zu.
»Wir wissen nicht, was uns in Cartwheel erwartet. Ich setze viel auf Sie, Jenmuhs.«
»Ich werde mich würdig erweisen. Mir ist zu
Ohren gekommen, daß der fähige Mascant Terz
von Eskor und der junge zalitische Administratorsohn Toran Ebur mich begleiten werden. Ich
erachte die beiden als äußert loyal und fähig.«
Bostich stimmte ihm zu.
»Vergeßt nicht, Jenmuhs. Ihr reist dorthin,
um das Reich auszuweiten. Lassen Sie sich ruhig etwas Zeit und sehen Sie, wie sich die Dinge entwickeln. Dann schlagen Sie im richtigen
Moment zu. Ich denke, Sie können dann auch
Ihre persönlichen Rechnungen begleichen, ist
es nicht so?«
Jenmuhs zitterte vor Erregung.
»Ja, so ist es! Mein Bruder war zwar ein mieses Schwein, doch er war ein Arkonide. Dieser terranische Müll und dieses Halbblut hatten nicht das Recht ihn zu töten. Dafür will ich
Vergeltung! Niemand schändet die Familie derer Jenmuhs. Ich werde meine Rache bekommen und wenn ich dafür alle Terraner selbst töten müßte!«
Bostich lachte laut auf. Er applaudierte für
diese Ansprach von Jenmuhs. Dann stand der
Imperator auf und blickte auf die Holographie
der Milchstraße.
»Eines Tages wird all das uns gehören. Damit meine ich das arkonidische Volk. Es ist unser Anrecht, das Erbe unserer Vorfahren wieder
zurückzuerobern. Es gibt eigentlich nur noch
ein Hindernis.«
Er wandte sich wieder Jenmuhs zu, der gespannt zuhörte.
»Perry Rhodan und die Terraner. Rhodan ist
stark. Vielleicht können wir Cartwheel nutzen,
um ihn zu schwächen. Vielleicht kann uns auch
dieser Cau Thon helfen, Rhodan zu vernichten.
Ich bin sicher, wir können mit ihm einen Handel
ausmachen. Denn wenn Rhodan und die Terraner fallen, gehört die Milchstraße uns.
Sie können Ihren Beitrag leisten, Uwahn
Jenmuhs. Sie können arkonidische Geschichte
schreiben.«
Jenmuhs stand voller Stolz auf. Er hob die
D O R G O N
42
Hand zur Ehrenbezeugung und schrie: »Ich
werde Euch nicht enttäuschen, mein Imperator.
Ich werde Cartwheel in das arkonidische Kristallimperium einverleiben und den Kampf gegen das Untermenschentum der Terraner fortführen!«
Bostich nickte zufrieden. Jenmuhs war sehr
sadistisch und ein unangenehmer Zeitgenosse,
auch wenn er sich vor dem Imperator zu benehmen wußte, doch er war ein eingefleischter und
loyaler Anhänger Bostichs und des Imperiums.
Mit ihm hatte er einen guten Mann auf der
Insel, der den Terraner und allen anderen sehr
gefährlichen werden wurde.
*
Aus den Chroniken Cartwheels:
Und so gaben die Arkoniden am 20. Mai
1296 NGZ bekannt, daß sie sechs Milliarden
Arkoniden, Zaliter und andere Kolonisten entsenden würden. Bostich bestimmte auch über
die Anzahl der anderen Völker. Die Antis sollten 580.000 Vertreter entsenden, die Aras fünf
Millionen Wesen, die Springer dreizehn Millionen und die Topsider 50 Millionen Abgesandte.
Damit waren die Völker des Kristallimperiums mit über sechs Milliarden Wesen die stärkste Fraktion. Sofort setzten auch die anderen
Völker nach. Es entbrannte eine Art Wettaufgebot für die Insel. Plötzlich stieg das Interesse an
der Insel und kein Volk wollte nicht mit dabei
sein.
Die Gründe für die Interessen waren sehr
verschieden. So wollten Terraner, Akonen, Haluter und Posbis eindeutig DORGONs Plan verfolgen. Die Arkoniden wollten nur die Insel erobern und die anderen Völker wie die Blues
wollten ein Stück des Kuchens abhaben. Sie befürchteten, eine entscheidene Wendung zu verpassen.
Die Blues toppten das Aufgebot der Arkoniden und stellten zehn Milliarden Gataser und
Apaser bereit.
Die Terraner und ihre Kolonien konnten am
1. Juni knapp über fünf Milliarden Wesen aufbieten. Mehr war nicht möglich. Die Haluter
entsanden 2000 Vertreter ihres Volkes, der Anzahl ihrer Gesamtbevölkerung nach mehr als
Nils Hirseland und Dominik Hauber
angemessen.
Die Posbis offerierten zehn Millionen der
künstlichen Wesen für das Projekt mit der Option, im Notfall noch mehr zu produzieren.
Die Akonen bildeten mit 800.000 Millionen
Wesen die viertstärkste Fraktion.
Und auch mein Volk, die Linguiden, wollten
10.000 Artgenossen zur Insel schicken. Ich persönlich war sehr froh über diese Geste und hoffte, daß mein Volk wieder mehr an Bedeutung
gewann.
Am meisten überraschte die Milchstraßenvölker die hohe Beteiligung der Überschweren.
Mit zehn Millionen Wesen boten sie ein beträchtliches Aufgebot, das nicht von jedem gerne gesehen wurde, denn die Geschichte der umweltangepaßten Kolonisten der Springer war
alles andere als gut.
Doch das Interesse eines Wesens war besonder auf das Volk der Überschweren gerichtet.
Keiner ahnte zu diesem Zeitpunkt, daß der naive Auszubildende bei SHORNE INDUSTRY mit
dem Namen Siddus in Wirklichkeit der Vierte
Sohn des Chaos Leticron war und bereits an
dem Scheitern des Projektes DORGONs arbeitete.
Leticron wurde von Cau Thon aus seinem
PEW-Gefängnis in den Ruinen der Stahlfestung
Titan befreit und übernahm den Körper des
infantilen Siddus, der jedoch mit körperlichen
und mutantischen Attributen beschenkt war.
Innerhalb kürzester Zeit übernahm Leticron
die Kontrolle über die Galactic Guardians
auf Terra und begann, etliche überschwerische
Guardians für das Projekt zu melden. Er wollte loyale Truppen dort wissen, um seinen Plan
durchzuführen.
Jedoch brauchte er starke Verbündete, um
seinen Plan umzusetzen. Er beschloß, den korrupten Michael Shorne auszuwählen. Dieser
Terraner tat für Geld alles.
Leticron mußte ihn jedoch zuerst beeindrucken. Siddus war ein Schwächling, der nicht
einmal seine Schuhe zubinden konnte. Shorne hatte sicherlich kein Respekt für den Überschweren und auch keine Verwendung auf der
Insel für ihn.
So manipulierte Leticron einige Zahlen in
der Buchhaltung und schob die Schuld auf den
D O R G O N
Die Insel
Chefbuchhalter, den er natürlich bei Shorne
meldete.
Zum Dank setzte Shorne den Überschweren
als Hauptrevisor ein. Ein Posten, den Leticron
völlig unbedeutend fand, doch er war näher an
Shorne herangerückt.
4.
Terrania
Leticron ging durch die Büroräume der
SHORNE INDUSTRY-Hauptfiliale. Ein gewaltiger Wolkenkratzer mit gigantischer Holoschrift sorgte dafür, daß niemand das Gebäude
übersah. Leticron beeindruckte es wenig.
Er ließ die letzten Tage Revue passieren. Der
Vierte Sohn des Chaos hatte ein Abkommen mit
dem Anführer der Galactic Guardians geschlossen, nachdem er den Chef der Terrororganisation auf der Erde getötet hatte.
Die Guardians stellten Leticron mehrere tausend Überschwere zur Verfügung. Dafür sorgte
der Pariczaner für ein Geschäft zwischen Michael Shorne und den Guardians. Da große Teile der BASIS in Hand der Guardians waren und
dort Geschäfte wie Glücksspiel und Prostitution
geführt wurden, war Shorne schon immer daran
interessiert gewesen, sich in das Geschäft einzuklinken. Den Guardians fehlte die Kreativität
und der Deckmantel der Legalität, den Shorne
besaß.
Leticron hatte ein Treffen zwischen Shorne
und dem Überschweren Karutzes organisiert.
Mehr wollte er darüber auch nicht wissen, denn
ihm war das Geschäft letztendlich egal. Er wollte zur Insel und dort Macht erlangen.
Michael Shorne war hoch zufrieden über die
Aktivitäten von Siddus, der sich nun Nor Citel – Leticron rückwärts – nannte und mit einer
Art Aha-Effekt seinen plötzlichen Sinneswandel begründete.
Shorne war keineswegs mißtrauisch. Er hatte gehofft, daß der Überschwere sein Potential
erkannte und es nutzte.
Natürlich ahnte der Terraner nicht die wahren Motive. Leticron wurde zu Shorne zitiert.
Auf dem Weg dorthin traf er den ehemaligen Abteilungsleiter und Vorgesetzten von Sid-
43
dus, Wilhelm Romm. Aus Siddus Erinnerungen
wußte Leticron, daß Romm ein überaus korrekter und auch zuweilen außerordentlich spießiger
Mitarbeiter war, der Siddus oft ermahnt hatte.
Leticron stellte sich Romm provozierend in
den Weg.
»Na, du alter ekliger Fettsack!« sprach er abfällig.
»Sagen Sie, Siddus, sind Sie noch ganz bei
Trost?« antwortete Romm ungehalten.
Zwar war Siddus mehr oder minder sein Vorgesetzter, doch diese Respektlosigkeit war ihm
entschieden zuviel.
Leticron wandte seine mutantischen Fähigkeiten der Metagruppierung an. Er verfomte
den Magen leicht und fügte Romm damit höllische Magenschmerzen zu. Der Plophoser sank
in die Knie und versuchte, die Schmerzen zu
kontrollieren.
»Oh? Jetzt sehen Sie ja gar nicht so überlegen aus, Romm? Stillgestanden! Aufstehen,
Marsch Marsch, mein Fettsack? Oh, können Sie
das nicht?«
Romm wäre am liebsten aufgesprungen und
hätte den Überschweren einen Kinnhaken verpaßt, doch die Schmerzen und die Vernunft waren stärker.
Leticron lachte diabolisch.
»Sei froh, du niederes terranisches Schwein,
daß ich dich am leben lasse«, sagte er voller
Verachtung und ließ Romm mit den Schmerzen alleine. Leticron beendete das leichte Verformen des Magens und beendete somit auch
die Schmerzen.
Voller Arroganz ging er in Shornes Büro.
Auch Thomas Zchmitt befand sich dort. Michael Shorne begrüßte Siddus mit einem Lächeln.
»Ah, da haben wir ja unseren hervorragenden neuen Verfechter von SHORNE INDUSTRY. Ich habe Kontakt mit dem Überschweren aufgenommen. Thomas wird während meiner Abwesenheit die Geschäfte und Verhandlungen führen. Ich glaube, da stehen wir vor einem großen Deal – Dank Ihnen!«
Shorne grinste über beide Wangen.
Leticron verstand nicht so recht. »Was meinen Sie mit Ihrer Abwesenheit?« wollte er
wissen. Shorne aktivierte wie aufs Stichwort
D O R G O N
44
eine Holografie. Sie zeigte die Zahlen der
Cartwheel-Pioniere.
»Ich werde auch an dem Projekt teilnehmen.
Warum? Ganz einfach. Die Leute müssen versorgt werden. Mit Lebensmitteln, Genußmitteln
und jede Menge Luxusgüter. SHORNE INDUSTRY wird die Wirtschaft auf der Insel ankurbeln und anführen. Dazu benötigt es meiner Hilfe! Das wird das Geschäft des Jahrtausends.«
Leticron verstand jetzt. Die Idee von Shorne
war nicht schlecht. Wenn er es besser anstellte
als mit der LONDON II würde er Erfolg haben.
Nun hatte Leticron auch seine Mitfluggelegenheit nach Cartwheel. Außerdem hatte er einen
mächtigen Verbündeten.
»Ich möchte Sie begleiten, Shorne«, sprach
Leticron.
Shorne nickte kurz.
»Einverstanden. Ich kann Sie dort gebrauchen, Siddus.«
»Nor Citel.«
»Oh, entschuldigen Sie, Nor Citel!«
Leticron ging ein paar Schritte auf Michael Shorne zu. Der riesige Überschwere wirkte
bedrohlich und flößte selbst den gewissenlosen
Geschäftsmann Respekt ein.
»Sie werden sehen, ich kann Ihnen noch sehr
nützlich sein...«
In Leticrons Augen flackerte es diabolisch
auf. Dann setzte er zu einem Lächeln an. Ein
Lächeln über seine eigene Überlegenheit.
In Gedanken dachte er an Perry Rhodan.
Bald würde er Rhodan vernichten... bald!
*
Aus den Chroniken Cartwheels:
In den ersten Junitagen wurden die letzten
Vorbereitungen getroffen. Trägerschiffe für die
Siedler wurden bereitgestellt, die Sachen gepackt und seelische Betreuung der baldigen Bewohner der Insel wurde von den Regierungen
vorgenommen.
Ein gewaltiger organisatorischer Aufwand,
der jedoch gemeistert werden mußte. Perry
Rhodan verlangte im Juni viel von seinen Beamten, doch es ging um ein kosmisches Projekt.
DORGON erschien noch wenige Male und versicherte, daß die Siedler nur ihre persönlichen
Nils Hirseland und Dominik Hauber
Sachen mitnehmen sollten, da er selbst für den
Rest sorgen sollte.
Natürlich wurden auch viele Bauraumschiffe und Transporter mit Materialien und Nahrungsmitteln dabei. Kein Volk wollte nackt in
der Insel dastehen.
Insgesamt schickten die Terraner 10.729
Raumschiffe zur Insel. Viele der Siedler solltenin Transportern nach 47-Tucani gebracht
werden, um auf die von DORGON zur Verfügung gestellten Schiffe umzusiedeln.
Die Arkoniden stellen über 50.000 Raumschiffe bereit. Sie demonstrierten ihre Macht mit
riesigen Paraden und Aufmärschen ihrer Streitkräfte.
Imperator Bostich erhöhte den Bekanntheitsgrad von Uwahn Jenmuhs um ein Vielfaches.
Er setzte viel auf den adligen Arkoniden. Seine Worte waren: »Volk von Arkon! Wir brechen
nach Cartwheel auf und folgen dem Ruf einer
Entität! Wir werden zeigen, welche dominierende Stärke unser Volk besitzt und aus der Insel
eine Festung zum Schutze Arkons und der ganzen Welt machen!
Ich fordere von den anderen Völkern eine eiserne Disziplin, Ehrlichkeit und den ungebrochene Willen, die Milchstraße und unsere Wesen
zu schützen. Wir Arkoniden werden nicht klein
beigeben. Wir sind hart wie Arkonstahl, zäh wie
Haluter und wild und entschlossen wie der gefährlichste Okrill.
Uwahn Jenmuhs wird den göttlichen Imperator auf der Insel vertreten. Seine Ideologie harmoniert mit meiner und ich bin felsenfest davon
überzeugt, daß er Arkon zu neuem Ruhm auf der
Insel führen wird!
Für Arkons Macht und Glorie!«
Diese Rede beeindruckte das Volk Arkons
und schockierte die anderen Völker. Bostich
weckte zwar den Anschein, als handelte er im
galaktischen Interesse, doch jeder wußte, daß
die Arkoniden machtgierige Wesen waren. Auf
sie mußte man am meisten aufpassen.
Aus diesem Grund entschloß sich neben den
vielen hunderten Privatfirmen wie SHORNE
INDUSTRY eine private Organisation ihre Vertreter nach Cartwheel zu schicken.
Es war die Neue USO.
D O R G O N
Die Insel
5.
Die letzten Vorbereitungen
Jan Scorbit war ziemlich aufgeregt. Monkey
und Homer G. Adams persönlich wollten den
jungen Terraner sprechen. Der Zellaktivatorträger Homer G. Adams und der Oxtorner Monkey
waren die Anführer der Neuen United Stars Organisation.
Jan Scorbit war 1,86 Meter groß, wog 90 Kilogramm und von kräftiger Statur. Er war der
Zwillingsbruder von Remus Scorbit.
Jan Scorbits Kindheit verlief sehr ruhig und
normal, genauso wie bei seinem Bruder. Im Gegensatz zu Remus hatte er jedoch bis dato nicht
das Glück gehabt, seine Traumfrau zu finden
und entschloß sich so mehr auf die Arbeit zu
konzentrieren.
Nach Schulabschluß war er unentschlossen
und begann eine Lehre bei der Galaxiskasse, die
ihn jedoch sehr wenig ausfüllte. Er kam dahinter, daß ein Vorstandsmitglied Politiker bestach
und überführte ihn. Dies war jedoch nicht so
leicht und er half dem Terranischen Liga-Dienst
ein großes Stück beim verhaften des Bankers.
Danach war er so sehr vom Geheimdienst
angetan, daß er unbedingt Agent werden wollte,
doch Jan wurde von den bürokratischen Verantwortlichen abgelehnt, mit einer scheinheiligen
Begründung.
Wütend entschloß er sich, erst einmal fortzuziehen, blieb jedoch noch eine Weile auf Terra,
als er hörte, daß sein Bruder und seine Schwägerin auf der LONDON II entführt wurden.
Nachdem sie gerettet wurden, verabschiedete er sich von ihnen und zog durch die Milchstraße. Dort feierte er eigentlich nur und war
fast jeden Tag heillos betrunken. Erst nach dem
erneuten Verschwinden seiner Familie (Remus
und Uthe) besann er sich und wollte etwas verändern. Da er einen Haß auf den TLD hatte, versuchte er sich woanders zu bewerben und wurde
von der Neuen USO aufgenommen.
Schnell arbeitete sich Jan Scorbit hoch und
wurde ein hochdekorierter Major der USO.
Vor dem Büro warteten ihm zwei vertraute
Gesichter. Es waren Sam Tyler und sein Gefährte Chris Japar.
45
Tyler lehnte wie üblich gelassen an der Wand
und spielte mit seiner Thermomaschinenpistole,
während Chris Japar genüßlich einen Hot Dog
verzehrte.
»Hi Jungs, wollt ihr auch zu den Chefs?«
erkundigte sich Jan Scorbit und schüttelte die
Hände seiner Partner.
Tyler machte einen gelangweilten Eindruck.
»Ja, irgendwas wollen Teleskopauge und der
Knacker von uns. Ich hoffe, es ist ein Auftrag.
Mir wird nämlich langweilig.«
Tyler war eine typische Söldnerseele, doch
sein Herz schlug auf dem rechten Fleck. Zusammen mit Chris Japar hatte er außerordentliche
Verdienste während der DORGON-Expedition
geleistet. Doch der TLD war ihm zu spießig
und bürokratisch. Er wollte ungebundener sein.
Deshalb schloß er sich der Neuen USO an.
Natürlich hatte er auch hier seine Vorschriften und Pflichten, an die sich Tyler halten mußte, doch war der ganze Apparat wesentlich unkomplizierter als der von Beamten zerfressene
Terranische Liga-Dienst, fand Sam Tyler.
Ein Offizier trat aus der Kabine und bat die
drei USO-Agenten herein. Der Raum war recht
dunkel und farblos. Er war spartanisch eingerichtet und wirkte auf Scorbit ziemlich trist, da
nicht einmal eine Pflanze in dem Raum stand.
Monkey und Adams saßen an einem runden schwarzen Tisch. Die Oberfläche war verchromt und spiegelte die Decke wieder.
Monkey wirkte wie immer sehr diszipliniert
und zurückhaltend. Fast strahlte er schon Kälte aus, doch die anderen kannten ihn besser. Er
begrüßte seine drei Agenten und bot ihn einen
Platz an.
»Meine Herren, ich hoffe, es geht euch gut.
Ihr hattet ja auch lange Zeit, um euch auszuruhen, oder?«
Monkey deutete ein Lächeln an. Tyler nickte mürrisch: »Meinen Zeigefinger juckt es gewaltig. Er muß mal wieder auf einen Abzug
drücken.«
Adams schüttelte erbost den Kopf: »Sie sind
nicht hier, um zu töten, sondern um für Frieden
zu kämpfen. Wir sind eine Art galaktische Feuerwehr und müssen uns auf unsere Feuerwehrleute verlassen können, verstanden?«
Tylker nickte mit einem seltsamen Grinsen.
46
D O R G O N
Jan Scorbit beobachtete Monkey. Der Oxtorner
schaute auf den Tisch und schien zu warten, bis
Adams fertig war. Dann begann er zu sprechen:
»Ich habe euch drei ausgewählt, da ihr die verdammt besten von uns seid!«
Scorbit bedankte sich für die Blumen. Tyler
hingegen verzog keine Miene bei dem Kompliment. Manchmal verstand Jan diesen Terraner
nicht.
»Deshalb werdet ihr an dem Insel Projekt
teilnehmen. Die Neue USO wird sich mit knapp
2.000 Einheiten und über 100.000 Mann an der
Aktion beteiligen. Nur sehr gut geschultes Personal wird mitfliegen. Hier sind die Koordinaten einer Welt auf der Insel, die ihr anfliegt. Dort
wird eure neue Station sein. Jan Scorbit übernimmt das Kommando, Tyler wird sein Stellvertreter.«
Die drei waren wie erschlagen von der Ansprache. Fragend blickte Jan Scorbit zu Homer
G. Adams, der ihm nur lächelnd zunickte. Jan
schien noch nicht ganz die Situation erfaßt zu
haben. Monkey hatte ihn zum Leiter der Neuen
USO in Cartwheel ernannt. Eine ganz schöne
Ehre für den jungen Scorbit.
Tyler nickte zufrieden und auch Chris Japar
freute sich, daß es endlich wieder etwas zu tun
gab.
»Ach ja, Jan Scorbit«, begann Homer G.
Adams. Scorbit blickte ihn mit einem Fragezeichen in den Augen an. »Ihr Bruder und ihre
Schwägerin werden auch nach Cartwheel fliegen. Sie schließen sich unseren terranischen
Freunden an. Es wäre dennoch ratsamer, Stillschweigen zu bewahren. Die Neue USO sollte
undercover arbeiten.«
Jan Scorbit verstand genau. Auch wenn es
ihm ziemlich schwer fiel. Nach der Rückkehr
von Remus und Uthe hatte er noch keinen Kontakt zu ihnen gehabt. Die Neue USO sollte weiterhin versteckt agieren und so wenig Kontakt
zu anderen haben, wie nur möglich. Die Tatsache, daß Remus und Uthe zudem eng in Verbindung mit den Gefährten Perry Rhodans standen,
war um so schlimmer.
Natürlich war Perry Rhodan kein Feind.
Ganz im Gegenteil! Doch Monkey und Adams
wollten die Neue USO erst einmal aufbauen.
Rhodan hätte sich eingemischt. Das wollten
Nils Hirseland und Dominik Hauber
beide nicht. Viele ehemalige Cameloter waren
am Aufbau der Neuen USO beteiligt.
Ein Interkomgespräch störte die Besprechung. Jan Scorbit hatte noch viele Fragen.
Doch letztendlich wußte Monkey wohl auch
nicht die Antworten. Niemand wußte, was sie
auf der Insel erwarten würde.
Mit großem Staunen registrierte Jan Scorbit
das Hologramm einer Frau, die so schön wie ein
Gemälde war. Sie hatte lange rotbraun gelockte
Haare, feuerrote Augen und eine Ausstrahlung,
der man sich nicht entziehen konnte.
»Rosan Orbanashol-Nordment!« zischte
Adams verwundert.
»Hallo, Homer. Wie geht es dir?« erkundigte
sie sich freundlich.
»Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Hast
du dir unser Angebot überlegt? Du weißt, wir
könnten dich und Wyll Nordment hier sehr gut
gebrauchen. Wir haben gerade mit Jan Scorbit,
Sam Tyler und Chris Japar über euch gesprochen. Eine Aufgabe in Cartwheel wäre sicherlich sehr gut für euch.«
Rosan lächelte. Dann wurde sie wieder ernst
und seufzte. »Eigentlich habe ich von Abenteuern genug. Die beiden Odyssees mit den beiden
LONDON-Raumschiffen waren mir Abenteuer
genug«, erklärte sie etwas bedrückt.
Homer G. Adams wirkte ebenfalls genknickt. Er hätte gerne Rosan und Wyll bei der
Neuen USO gewußt. Sie waren sehr fähige und
loyale Mitstreiter. Doch er verstand die Entscheidung. Adams wußte, welche Qualen die
Passagiere der LONDON erlitten hatten.
»Ich verstehe dich, Rosan. Auch wenn es
sehr betrüblich ist. Viele Grüße an Wyll«, verabschiedete sich Homer G. Adams.
»Danke für dein Verständnis. Vielleicht
wenn die Dinge anders liegen... Viel Glück.«
Das Holobild von Rosan OrbanasholNordment erlosch. Adams blickte noch eine
Weile auf die Stelle, wo die Holografie erloschen war. Dann trat Yart Fulgen in den Raum
und brachte Monkey ein paar Neuigkeiten.
»Wir haben 1710 Raumschiffe aufgetrieben.
Wie du weißt, wirft unsere Produktionsanlage,
die wir erst seit einem Jahr in Betrieb haben
noch nicht so viel ab. Es hat also einiges gekostet...«
D O R G O N
Die Insel
Verlegen schaute der alte Fulgen auf Homer
G. Adams, der mürrisch die Rechnungen prüfte.
»Wenn Bostich uns nicht erledigt, dann eure
Verschwendungssucht«, murmelte er in gespieltem Gram und unterschrieb die Rechnung.
Monkey nickte Scorbit zu.
»Ihr habt eure Instruktionen, Männer. Fulgen
stellt euch 1710 Schiffe und 317.910 Männer
und Frauen zur Verfügung. Besiedelt den Planeten und handelt in unserem Interesse.«
Die drei hatten verstanden und machten sich
sofort daran, ihre Sachen zu packen. Scorbit bekam von Yart Fulgen die Unterlagen mit den
Schiffen und Personen. Da kam eine ganze
Menge Arbeit auf ihn zu. Doch das hatte er sich
schon immer gewünscht.
Fulgen und Scorbit gingen noch eine Weile
einen Korridor entlang. Jan fragte: »Woher habt
ihr eigentlich die Koordinaten?«
Fulgen grinste: »Von DORGON höchstpersönlich. Als Monkey, Adams und ich beim Mittagessen waren, stand der Heilige plötzlich vor
uns und gab uns die Instruktionen.«
Scorbit war verblüfft.
»Er hält also viel von der Neuen USO?«
Fulgen nickte.
»Wie es aussieht, sind wir mit dem Segen
von ES und DORGON unterwegs. Da kann uns
eigentlich gar nichts passieren.«
Scorbit verstand noch nicht, was ES mit der
Sache zu tun hatte, doch ihm war schon etwas
wohler zumute. Trotzdem mußte er sich jetzt
auf seine Aufgabe konzentrieren. Er hatte die
Pflicht die Neue USO würdig in Cartwheel zu
leiten und sie auch dort zu einer galaktischen
Feuerwehr zu machen.
*
Aus den Chroniken Cartwheels:
Der 30. Juni 1296 NGZ war angebrochen.
Eines der größten Projekte wurde gestartet.
Über 30 Milliarden Wesen aus der Milchstraße brachen auf, um die Insel zu besiedeln. Eine Galaxis die über 500.000 Lichtjahre von der
Milchstraße entfernt war und den Namen Cartwheel trug.
Diese 30 Milliarden Lebewesen folgten dem
Ruf DORGONs. Sie wollten der Galaxis neu-
47
es Leben einhauchen und sie zu einer Festung
gegen die Armeen des MODROR ausbauen. Jeder wußte, daß es durchaus zu Kampfaktionen
gegen die Mächte des Chaos kommen konnte.
Doch sie gingen dieses Los ein. Sie waren Helden, Pioniere. Doch es gab welche, die darauf
hofften, in der neuen Galaxis schnell and Geld
und Macht zu gelangen. Es waren gescheiterte Existenzen, die auf eine neue Chance hofften. Und es gab welche, die von Anfang an nicht
an dem Projekt teilnehmen wollten, sondern nur
ihre Machtgelüste befriedigen wollten.
Tausende Transportschiffe machten sich auf
den Weg nach 47-Tucani. Die Terraner, die Arkoniden, die Blues, die Akonen, die Unither, die
Posbis, die Topsider, Oxtorner, Springer, Swoon
und anderen Völker.
Dort befanden sich gigantische Trägerschiffe mit einem Kantenlänge von 10 Kilometer pro
Raumschiff. Diese konnten in der Tat die 30 Milliarden Wesen problemlos transportieren. Und
so geschah es! Innerhalb von nur zwei Tagen
siedelten die 30 Milliarden Wesen auf die Trägerschiffe um, die von knapp 200.000 Raumschiffen aus der Milchstraße begleitet wurden.
Perry Rhodan verfolgte von der LEIF
ERICSSON aus das Unterfangen. Er gab Julian Tifflor, Joak Cascal und dem Marquese von
Siniestro, die sich auf der IVANHOE befanden,
letzte Anweisungen.
Dann erschien auf allen Monitoren und auf
allen Kommandostationen das Bild des Initiators dieses Projektes: DORGON!
Und er sprach: »Völker der Milchstraße! Es
ist soweit! Brecht jetzt zum Portal auf. Dort werdet ihr auf die Raumschiffe der Maahks, Kartanin, Gurrads, Perlians, Tefroder und Hauri treffen, die ebenfalls an der Kolonisierung Cartwheels teilnehmen werden. Fliegt durch das
Portal und ihr erreicht Cartwheel.
Jeder, der umkehren will, kann dies sofort
tun. Doch begreift, daß ihr etwas Gutes tut. Ihr
seid Auserwählte im Kampf gegen eine Macht,
deren Stärke unvollstellbar ist, dessen Machthunger keine Grenzen kennt und dessen Rücksichtslosigkeit unübertroffen ist. Diese Macht
heißt MODROR.
Verhelft Cartwheel zu neuem Leben! Erschafft gemeinsam eine blühende Galaxis voller
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D O R G O N
Harmonie und Liebe. Doch errichtet auch eine
Bastion, die mit voller Härte gegen die Armeen
des Chaos vorgeht. Denn in Cartwheel wird eines Tages die Entscheidung fallen, so ist es prophezeit und so wird es passieren.
Doch auch ihr Wesen in der Milchstraße seid
achtsam. Die vier apokalyptischen Reiter des
Bösen sind unter euch. Sie sind überall und wir
müssen sie bekämpfen, sonst werden sie unser
aller Untergang sein.
Doch nun... brecht auf! Wir werden uns in
Cartwheel sehen, meine Freunde.«
Mit diesen Worten verschwand DORGON
wieder. Die Raumschiffe traten den 5,6 Millionen Lichtjahre langen Weg zum gigantischen
Portal an.
Perry Rhodan und Imperator Bostich I. befanden sich in ihren Raumschiffen und beobachteten das gewaltige Schauspiel des Aufbruchs in
47-Tucani. Die beiden mächtigsten Männer der
Milchstraße wünschten ihren Männern Glück,
wenn auch Perry Rhodan jedem einzelnen Wesen von ganzem Herzen wünschte, heil wieder
zurückzukehren und Bostich nur die Eroberung
der Insel im Sinne hatte.
Nachdem auch das letzte Transporterschiffe
in den Hyperraum verschwunden war, verließen
die Raumschiffe den Sektor und steuerten zu ihren Heimatwelten zurück, während sich 30 Milliarden Wesen auf dem Weg nach Cartwheel befanden.
Nach vier Tagen Reise waren sie endlich an
den Koordinaten angekommen. Dort trafen sich
auf über 400.000 Raumschiffe von Völkern aus
Andromeda, den Magellanischen Wolken und
Hangay.
Die Gedanken aller richteten sich auf die
Nils Hirseland und Dominik Hauber
Zukunft. Sie war ungewiß. Vielen bereitete sie
Angst, vielen Hoffnung und Zuversicht, viele
wußten einfach nicht, was sie erwarten sollten.
Dann war der Moment gekommen. Das gigantische Portal erschien mittem im Nichts. Man
könnte es mit einer Art Schwarzen Lochen vergleichen, doch es war ein künstlicher Transmitter mit einem Durchmesser von über vier Milliarden Kilometer. Zu jeder Himmelsrichtung
schwebten große Projektoren, die Energie aus
dem Hyperraum abzapften und so den Transmitter versorgten.
Gemeinsam schwebten die Schiffe vor diesem Transmitter.
Alle warteten gespannt, wer den ersten
Schritt machen würde. Alle blickten gebannt
auf den Transmitter – Julian Tifflor, Joak Cascal, der Marquese von Siniestro, Xavier Jeamour, Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif, Uthe
und Remus Scorbit, Anica und Jaquine, Henry
Portland, Neve Prometh, Anya Guuze, Krizan
Bulrich, Roppert Nakkhole, Jezzica Tazum, Jan
Scorbit, Sam Tyler, Chris Japar, Michael Shorne, Leticron, Uwahn Jenmuhs und all die anderen Milliarden Wesen.
Dann faßte Gal’Arn einen Entschluß. Er
blickte Jonathan Andrews und Jaktar an, die genau wußten, was ihr Meister vorhatte. Und die
TERSAL flog als erste durch den Transmitter.
Dann folgte die IVANHOE und kurzerhand der
Rest der Schiffe.
Der Weg durch das Portal war getan. Doch
was würde sie erwarten? Nun bewegte sich
auch unser Schiff auf die Barriere zu. Nataly
sah mich an. Ich glaubte, etwas Angst in ihren
Augen zu erkennen. Dann flogen wir durch und
der Schleier der Nacht hüllte sich über uns...
Heft 42
Eine neue Heimat
50 Völker auf der Insel - Die Kolonisierung beginnt
von Tobias Schäfer
Titelbild von Nils Hirseland
D O R G O N
Eine neue Heimat
1.
Unendliche Weiten...
Die gigantische Armada schwebte in relativem Stillstand einige Milliarden Kilometer vor
der einsam im Leerraum stehenden Sonne. Reglos verharrten die 50.000 Transporterraumchiffe, die DORGON geschickt hatte, um über 40
Milliarden Wesen aus der Lokalen Gruppe zur
Insel zu transportieren.
Nun war es an der Zeit, den großen Sprung
zu wagen. Der riesige Sternentransmitter war
justiert, doch noch zögerten die Wesen. Alle
standen sie vor den Panoramafenstern und Hologrammen, verabschiedeten sich still von ihrer
Heimat.
Nicht jeder sah der Zukunft ruhig entgegen,
manch einer hegte Zweifel an dieser Mission,
andere hatten Machtgelüste... So, wie ein sadistisch veranlagter Arkonide in der Luxuskabine
eines der Transportschiffe. Er stand nicht ruhig
vor dem Schirm. Er ging aufgeregt durch den
Raum und schmiedete Pläne. Er fluchte über
die scheinbare Unentschlossenheit der Völker.
Er verstand nicht ihre Beweggründe, ihre Gefühle. Er wollte endlich mit der Eroberung der
fremden Galaxis beginnen.
Auf einem anderen Schiff stand ein hochgewachsener Terraner, dem nicht der Abschied
schwerfiel, sondern der sich Sorgen um die
Zukunft machte. Ihm fiel es nicht leicht zu
glauben, dass diese verschiedenen Völker ein
friedliches Miteinander finden konnten. Zu viele Zerwürfnisse gab es schon in der eigenen
Milchstraße – und das seit Jahrtausenden.
Derartigen verantwortungsbewussten Gedanken hingen auch die Verantwortlichen vieler anderer Völker nach. Und alle warteten sie
auf das Zeichen zum Aufbruch. Zum Aufbruch
in eine neue Welt, dem Ruf einer Superintelligenz folgend, die vor dem Untergang des Universums warnte.
*
Es kam dann doch unerwartet. Kein Signal
warnte vor dem Aufbruch, aber langsam setzten
sich die Schiffe in Bewegung. Zuerst die TER-
51
SAL, die von dem Ritter der Tiefe aus Shagor
Gal’Arn kommandiert wurde. Gal’Arn bereitete sich auf seine Aufgabe vor, dem Vertrauen
Perry Rhodans und DORGONs gerecht zu werden und verantwortungsvollen Einfluss auf das
Geschehen in der Insel zu nehmen.
Topsider, Gurrads, Kartanin und Blues verschwanden nacheinander durch den Transmitter. Akonen, Unither, Tefroder und Hauris folgten rasch.
Auf einigen arkonidischen Schiffen setzte eine verstärkte Unruhe ein. Man glaubte sich zurückgesetzt, des Vorranges beraubt. Doch da
waren auch die Arkoniden samt ihrer Kolonialvölker verschwunden. Maahks, Posbis und
Überschwere wurden gefolgt von den Terranern, Ertrusern, Oxtornern und anderen Terravölkern. Den Transportern folgten die Privatverbände der Neuen USO und anderer Privatorganisationen.
*
Wirtschaft! – Seit er von dem Projekt gehört
hatte, konnte Michael Shorne an nichts anderes
mehr denken als an die absolute wirtschaftliche
Kontrolle der Insel. Macht und Reichtum wären die unausbleibliche Folge, auch politischer
Einfluss konnte dann nicht ausbleiben. Michael
Shorne streckte sich auf seinem weichen Lager.
Er achtete nicht auf das grandiose Schauspiel
der gewaltigen Energien, das sich im Raum abspielte. Er sah sich schon als eigentlichen Herrscher der Insel, der aus dem Hintergrund die Fäden zog und die Abhängigkeit der einzelnen Systeme immer mehr steigerte.
*
Rache! – Cau Thon hatte ihm die Gelegenheit gegeben, und er würde sie bis zum Letzten
nutzen. Dabei war er nicht direkt an Zeit gebunden, denn er war relativ unsterblich, ebenso wie
sein Erzfeind Perry Rhodan, dem seine Rache
galt. Er war ein Sohn des Chaos. Er würde langsam vorgehen und so das Leiden Rhodans verlängern. Als Erstes würde er das Projekt zerstören. Diesem Akt galt Leticrons Aufmerksam-
D O R G O N
52
keit. Kein verschwendeter Gedanke an die bevorstehende Reise.
*
Macht! – Die neue Heimat sollte ihm allein unterstehen. Uwahn Jenmuhs wusste, dass
es seine Aufgabe war, die neue arkonidische
Blütezeit ins Leben zu rufen. Die Insel würde
die Quelle aller arkonidischen Macht sein – das
Rückgrad des neuen Imperiums, das sich immer
weiter ausdehnen würde.
*
Joaquin Manuel Cascal entspannte sich, als
das Schiff den Gegenpol des Transmitters verließ. Er bemerkte, dass er sich in unbewusster Erwartung eines starken Entmaterialisierungsschmerzes vollständig verkrampft hatte.
Der Schock war ausgeblieben, und nun stand
die galaktische Flotte dicht vor einem Sonnenriesen, der den Gegenpol zum Kunsttransmitter
gebildet hatte.
Der Mann mit dem schwarzen Lockenhaar
fand in die Wirklichkeit zurück. Als militärischer Leiter der Mission war ihm auch für
diesen ersten Einsatz das Kommando über
die IVANHOE übertragen worden. Xavier Jeamour, der ständige Kommandant, akzeptierte
diese Bevormundung in ungewöhnlichen Situationen. Standardsituationen überließ ihm Cascal.
»Ortung, genaue Darstellung der Umgebung! Sämtliche Stationen zur Statusmeldung!«
Während die einzelnen Klarmeldungen einliefen, entstand auf dem Panoramaschirm das
sie umgebende Bild. Dazu liefen einige Daten
neben den Bildern ab, aus denen Cascal ersehen konnte, dass in einer Entfernung von fast
fünf Lichtjahren zwei weitere Sonnen standen.
Außerdem lag ein merkwürdiges grünes Leuchten im Raum.
»Ortung, Auswertung des grünen Leuchtens,
bitte!« Cascals Stimme klang ein wenig ungeduldig.
»Kommandant, es handelt sich um einen
grün strahlenden Nebel, der sich über einige
Tobias Schäfer
Lichtjahre hinweg erstreckt. Das Leuchten entsteht wahrscheinlich durch die merkwürdige
Beschaffenheit der Materie. Sie ist für das Licht
der umliegenden Sterne durchlässig, scheint jedoch das Spektrum aufzuspalten und nur dem
mittleren Teil, eben der grünen Farbe, den normalen Weg zu ermöglichen, während die anderen Bestandteile entweder absorbiert oder reflektiert werden. Wir sind uns jedoch noch nicht
vollständig über die Richtigkeit unserer These
sicher.« Die schwankende Stimme des Mannes
bestätigte seine letzten Worte.
»Hm, das sieht ja fürs Erste nicht schlecht
aus«, brummte der Mann aus der Zeit des Solaren Imperiums. »Man könnte annehmen, in einer absolut friedfertigen Galaxis herausgekommen...«
»Ortung! Kommandant, das musst du dir ansehen! Seit wenigen Sekunden tauchen überall in der Galaxis unbekannte Raumschiffe auf!
Plötzlich wimmelt es hier wie in einem Ameisenhaufen!« Die sich überschlagende Stimme
des Ortungsoffiziers klang auf das Äußerste erregt.
»In die Zentrale überspielen!« rief Cascal
nervös. So hatte er sich ihre Ankunft nicht vorgestellt. Nach DORGONs Beschreibungen hatte er eine absolut unbevölkerte Kleingalaxis erwartet. Und nun das!
Ein Panoramahologramm zeigte das Zentrum der Insel. Es wurden immer mehr, der Zustrom wollte kein Ende nehmen.
»Hier Funkzentrale! Kommandant, wir haben quasi den Kontakt zu den übrigen Einheiten
verloren!« Auch in der Funkzentrale herrschte Chaos. »Seit es hier das geballte Schiffstreffen gibt, herrscht ein Wirrwarr von Funksprüchen auf allen Frequenzen, das ein Durchkommen einzelner Nachrichten unmöglich macht.
Wir haben alle Sendungen eingestellt, vielleicht
schaffen die Anderen das auch bald, damit wieder ein geregelter Verkehr stattfinden kann!«
»Ortung! Wir haben die Kollision mehrerer
Raumschiffe registriert!«
»Funkzentrale! Notrufe aus grün-beta-98!«
»Ortung! Erneut Schiffe havariert!«
»Das ist ja die Hölle!« stöhnte Cascal. »Wer
soll in diesem Chaos wieder für Ordnung sorgen, wenn keine vernünftigen Funknachrichten
Eine neue Heimat
D O R G O N
empfangen werden können und sich die Schiffe
gegenseitig rammen? So eng kann das hier doch
auch nicht sein!«
»Funkzentrale! Notrufe verstummen...«
»Ortung! Wir messen ein starkes Energiefeld, dass...«
»Maschinenraum! Kommandant, unsere
Maschinen reagieren nicht mehr! Irgendwas
hemmt unsere Energieentfaltung und blockiert
unsere Optionen!«
»Kommandant an Ortung!« Cascal verfiel
jetzt selbst auch diesem Chaos. »Was sagten Sie
von diesem Energiefeld? Hat das was mit den
Beobachtungen des Maschinenstands zu tun?«
»Das kann nicht ausgeschlossen werden!
Das Energiefeld fängt die Schiffe ein und sortiert sie...«
»Was soll das heißen, es sortiert die Schiffe?«
»Nunja, es scheint wie ein Gitterwerk zu
sein, nein, eher wie ein Drahtgewebe, in dessen
Maschen die Schiffe gehalten werden, so dass
sie nicht mehr kollidieren können und alle einen
einheitlichen Kurs verfolgen.«
»Kann der Ursprung des Feldes registriert
werden?«
»Nein, hab ich schon versucht, es scheint
einfach nur zu existieren«, sagte der Ortungsspezialist resignierend. »Es sei denn, diese
kaum wahrnehmbare, lineare Verbindung zu
dieser Riesensonne...«
Plötzlich erscholl eine Stimme, die jedes Besatzungsmitglied hörte, ja die in der gesamten
Flotte und in den fremdartigen Raumern zu hören war. Eine geistige Stimme, deren Erscheinungsart an ES erinnerte.
»Völker der Insel! Ihr steht im Zentrum eurer
neuen Heimat. Das Energiefeld, das ihr sicherlich geortet habt, diente dazu, den vorläufigen
Kurs festzulegen. Ich werde es in wenigen Augenblicken wieder deaktivieren. Bitte lasst euch
fürs Erste von mir leiten, bis ich die Insel vollständig eurer Obhut übergebe!«
»DORGON!« rief Cascal beeindruckt. »Natürlich hat die Entität für Ordnung gesorgt, bevor das Projekt so kurz nach seinem Start scheitern konnte. Wer sonst hätte dieses gewaltige
Maschenfeld erzeugen können?«
Kurze Zeit herrschte Schweigen in der
53
großen Kommandozentrale. Jeder betrachtete
staunend das Schauspiel, das sich in der näheren
Umgebung des Schiffes abspielte. Die riesigen
Schiffe änderten ohne ersichtlichen Grund ihren Kurs, pendelten kurz und kaum bemerkbar
hin und her und folgten einem vorgeschriebenen Kurs, dem mittlerweile auch die IVANHOE
angepasst war. Langsam ordnete sich das Chaos, das die gewaltige Menge der Raumer verursacht hatte, als sie mit den verschiedensten Kursen das PORTAL verließen.
»Joak, was sagst du zu den Fremdraumern?«
Unbemerkt hatte Sandal Tolk die Zentrale betreten. »Wo die nur alle herkommen? Ich vermute, dass es die Siedlungsschiffe der anderen auserwählten Völker sind, von denen DORGON gesprochen hat.«
»Da kannst du Recht haben. Vielleicht sollten wir versuchen, sie zu identifizieren.« Eine steile Falte bildete sich auf Cascals Stirn.
»Sind das da nicht die Eierschiffe der Cappins?
Ortungszentrale, ich erwarte eine vollständige
Analyse der hier versammelten Völker umgehend im Besprechungsraum I! Sandal, rufe alle
Verantwortlichen dorthin, ich glaube, wir werden einige Überraschungen erleben!« Mit diesen Worten verließ er die Zentrale und begab
sich in die Kantine, um einen Happen zu sich
zu nehmen.
Als er nach einer Stunde den Besprechungsraum erreichte, waren die Expeditionsleiter
schon versammelt und in der Analyse vertieft.
»Darf ich um Aufklärung bitten? Timo, welche Resultate hat die Ortung zu bieten?«
»Wir haben die Schiffe weitgehend identifiziert und katalogisiert«, begann Zoltan seine
Ausführungen. »Wie zu erwarten war, sind die
friedlichen Nonggo ebenfalls anwesend.« Seine
Gesichtszüge nahmen einen zweifelnden Ausdruck an. »Jedoch war es ein Schock für mich,
Schiffe der Dscherro auszumachen...«
»Wie bitte? DORGON hat uns die Dscherro
auf den Hals gehetzt? Das kann ja wohl nicht
sein Ernst sein!« Cascals Augen weiteten sich
entsetzt.
»Ich denke, DORGON wird schon seine
Gründe haben«, warf Julian Tifflor begütigend
ein. »Schließlich geht es darum, eine schlagkräftige Armee aufzustellen. Dafür sind die
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D O R G O N
Dscherro allerdings wie geschaffen.«
»Okay, man wird sich mit ihnen arrangieren
müssen.« Cascal schüttelte sich kurz, wie um
die Gedanken an die Dscherro von sich zu weisen. »Weiter!«
»Galornen, Zentrifaal, Dorgonen...«
»DORGON wird nicht gerade auf das Volk
seiner Mächtigkeitsballung verzichten. Als er
uns in Dorgon das erste Mal begegnete, sprach
er außerdem von der kosmischen Bedeutung der
Dorgonen.«
Der Interkom summte. Nachdem Cascal ihn
aktiviert hatte, erschien das Gesicht des diensthabenden Funkchefs.
»Soeben ist ein großer Verband der Völker
ESTARTUs aufgetaucht. Der Somer Sruel Allok Mok entrichtet seine Grüße. Er war positiv
überrascht, die Galaktiker mit einem ebenfalls
nicht geringen Aufgebot vorzufinden. Für Cascal und Tifflor hat er eine betrübliche Kunde:
Der Meistersänger Salaam Siin starb vor drei
Jahren an Herzversagen. Sam freut sich auf ein
Wiedersehen.«
»Danke.« Cascal schaltete ab. Der Tod des
Meistersängers hatte ihn stärker berührt, als er
sich eingestehen wollte. Seine Stimmung erreichte einen lokalen Tiefpunkt, als er erfuhr,
dass auch die Hauptintelligenzen der Galaxis M
87 erschienen waren – die Okefenokees, auch
bekannt als die Konstrukteure des Zentrums, ihre Kampftruppe, die Dumfries und die Bestien,
die Pelewon und Mooghs.
»Was hat sich DORGON dabei gedacht?!«
fragte Cascal zweifelnd. »Die Todfeinde aus M
87 gepaart sowohl mit friedliebenden Wesen
aus zahlreichen Galaxien, als auch mit den kriegerischen Dscherro! Wo soll das hinführen? Ich
kann mir nicht vorstellen, dass diese Ansammlung verschiedenartigster Wesen ohne große
Auseinandersetzungen bestehen kann. Schon
die galaktischen Wesen... Allein die Menschen
führen noch immer Kriege miteinander!« Er
blickte den Versammelten in die Augen. Überall stieß er auf nachdenkliches Schweigen. Die
führende Entität schien entweder tatsächlich an
die Vernunft aller Wesen zu glauben, so dass ein
Zusammenleben möglich wäre, oder sie wusste nichts von den Zerwürfnissen, die zwischen
einigen Völkern standen. Dagegen sprach aber
Tobias Schäfer
die Tatsache, dass alle Völker bereits Kontakt
mit Perry Rhodan hatten und DORGON derjenige war, der sie ausgewählt hatte. Er kannte also die Zusammenhänge. Ebenfalls unbegreiflich erschien es, dass sich Wesen wie Bestien und Dumfries zu ein und demselben Projekt zusammenfanden. Da musste etwas dahinterstecken, von dem die Terraner keine Ahnung
hatten.
»Diese Grübeleien führen auch nicht weiter!« Tifflor setzte der gedrückten Stimmung
ein Ende. »Wir werden uns ausruhen, solange DORGON keine Ziele angibt oder sich anderweitig meldet. Für die kommenden Arbeiten werden wir womöglich unsere gesamte Geisteskapazität benötigen. Selbst wenn alles friedlich abläuft wird noch eine Menge diplomatische Arbeit auf uns zukommen. Also, nutzen
wir die Zeit der Ruhe!«
*
Nach einigen Tagen schweigenden Dahintreibens der Transport- und Kriegsschiffe kehrte
die Ordnung auch in anderen Bereichen wieder
ein, wie im Funkverkehr. Die Völker hatten ihre
Gedanken ausgetauscht und warteten ungeduldig auf weitere Anweisungen DORGONs. Bereits mehrere Aufklärer hatten die Flotten verlassen wollen, jedoch war es nicht möglich gewesen, aus dem Bereich des Ballungszentrums
der Schiffe herauszukommen. Nun herrschte
überall gespanntes Schweigen.
2.
Die erste Zusammenkunft
»Wir sind uns ein wenig unsicher, ob diese
Wesen sich vertragen können.«
Tifflor stand von seinem Platz am Besprechungstisch auf und ging auf das sphärenhaft
leuchtende Wesen zu, das mitten im Raum zu
schweben schien. Sie hatten eine weitere Besprechung vorgehabt, als DORGON plötzlich
erschienen war. Sie hatten ihre Zweifel vorgetragen, doch die Entität schien sich keine Sorgen zu machen.
Eine neue Heimat
D O R G O N
»Wir werden feststellen, dass diese vernunftbegabten Wesen friedlich nebeneinander leben
können«, gab sie beruhigende Auskunft. »Doch
macht euch darum keine Sorgen. Jetzt ist erst
einmal wichtig, die nächsten Aktionen abzustimmen. Zu diesem Zweck schickt eure Repräsentanten auf die Welt Paxus. Sie liegt ungefähr
zehn Lichtjahre von hier entfernt. Genauere Daten findet ihr ab jetzt in euren Speichern. Sendet
nur ein kleines Boot. Ihr werdet unterwegs die
Abgesandten der anderen Völker treffen. Seid
bedacht, Paxus in fünf Stunden zu erreichen.«
Das Wesen war verschwunden. Nachdem
sich das Erstaunen über die plötzliche Aktivität
DORGONs gelegt hatte, atmeten alle erleichtert auf. Endlich ging es weiter! Nun würden
sie die Einzelheiten des Projekts erfahren. Tifflor ließ eine Space-Jet klar machen und beauftragte Mathew Wallace und seine Crew mit der
Führung der Jet. Er glaubte nicht, dass während
ihrer Abwesenheit wichtige Ereignisse auftreten würden, übergab jedoch für diesen Fall das
terranische Oberkommando an Xavier Jeamour.
Eine Stunde später wurde die Jet ausgeschleust. Als Repräsentanten der terranischen
Kolonien und Terras waren der Marquese, Joak
Cascal und Julian Tifflor an Bord.
Vor ihnen lag die gewaltige Ansammlung der
Schiffe. Milliarden Wesen benötigten Millionen
Schiffe, die für ihren sicheren und bequemen
Transport sorgten. Fast fünfzig Völker waren
hier versammelt.
»Mathew, jetzt kannst du mal wieder beweisen, was ein guter Pilot ist.« Cascals Augen funkelten ironisch. »Sich durch dieses Gewirr zu
schlängeln ist sicher nicht jedermanns Sache.«
»Das ist doch kein Problem...«
»Klar, durch kommen wir, aber wie wär’s
mal ohne Kollision?«
Hastig wich er einem Kaffeebecher aus, der
sich offensichtlich selbstständig gemacht hatte.
»Vielen Dank für die Einladung, aber ich hab
schon einen Becher!«
»Oh, keine Ursache!« Wallace musste gegen seinen Willen grinsen. Gegen diesen Cascal kam man nicht ohne weiteres an. Dann musste er sich auch schon konzentrieren, denn immer wieder schob sich ein gewaltiger Schatten
in den Kurs des Bootes. Doch Wallace vollführ-
55
te glänzende Manöver, die das Schiff immer ungefährdet um die Hindernisse brachten. Cascal
grinste zufrieden. Dieser Mann war ein echtes
Talent, das stellte sein Kennerauge sofort fest.
Gefahrlos erreichten sie die äußeren Bereiche der Ballung und beschleunigten mit der
vollen Leistung der Triebwerke, bis Wallace
bei halber Lichtgeschwindigkeit das Metagravtriebwerk aktivierte und Zielkurs auf Paxus
setzte. Mit ihnen flogen mehrere Schiffe der
gleichen Größenordnung, welche die Vertreter
der anderen Völker beförderten. Nur ein Schiff
war etwas gewaltiger. Es war von arkonidischen
Schiffsbauern entworfen und konstruiert worden, Uwahn Jenmuhs befehligte es. Der ehrgeizige Arkonide konnte nicht umhin, seine
Machtambitionen deutlich darzustellen. Tifflor
hatte nur ein verachtendes Hüsteln für dieses
Gehabe übrig.
Pünktlich erreichten sie ihr Ziel. Paxus war
ein schöner Planet, erdähnlich, jedoch etwas
kleiner bei einem Durchmesser von 12.357
Kilometern. Die drei Kontinente teilten sich
die verschiedenen Klimazonen gut ein. Während Wallace den Planeten mehrmals umkreiste, konnten alle Daten gesammelt werden.
Der äquatoriale Kontinent hieß Peschull, wie
aus den Daten zu ersehen war, die DORGON
in ihrem Zentralrechner installiert hatte. Seine Durchschnittstemperaturen lagen bei 40◦ C,
weite Savannen erstreckten sich über die Landschaft, bevölkert von einer vielfältigen Tierwelt.
Die heißesten Zonen waren durch große Wüstenflächen gekennzeichnet, die stark an die Sahara erinnerten.
»Freunde, das, was ihr direkt unter uns
erkennen könnt«, erklärte der Ortungsoffizier
Mandine Tatzk, »ist der karge Südpolkontinent
Mechtor. Ich denke, den brauchen wir nicht
weiter zu erforschen.«
»Ungemütlich dort!« Ein Schaudern lief
über den Rücken des alten Spaniers. »Da würde
ich schon eher auf Peschull einziehen...«
Plötzlich stieß Tifflor einen ungläubigen Ruf
aus.
»Wie ist das möglich? Schaut mal auf den
Kontinent unter uns! Sind das da nicht Wohnanlagen und andere Gebäude?«
»Eine Stadt! Wir befinden uns über einer rie-
D O R G O N
56
sigen Stadt!« Erstauntes Gemurmel wurde laut.
Tatsächlich befand sich auf dem dritten Kontinent Erisor, dessen mildes Klima bei einer
Durchschnittstemperatur von 15◦ C eine wirklich saftig grüne Vegetation ermöglichte, eine
gigantische Stadt. Sie erstreckte sich fast über
den gesamten Kontinent. Sie bestand aus zusammenhängenden Stadtteilen, die immer wieder von Grünflächen und Wäldern unterbrochen waren. Riesige, prunkvolle architektonische Meisterwerke bildeten die Gebäude verschiedenster Stilrichtungen und Größenordnungen. Es schien so, als ob sich hier die Architekten der unterschiedlichsten Völker ein Stelldichein gegeben und eine Stadt geschaffen hätten, die den Bedürfnissen einer Vielzahl an Völkern angepasst war. Es gab Trichterbauten, die
an arkonidische Architektur erinnerten, riesige Wohntürme nach terranischem Stil oder die
eher flachen Bauten der Blues. Es gab auch Gebiete, deren Baustil äußerst fremdartig war, so
dass keiner der Galaktiker eine Verbindung zu
einem Volk herstellen konnte.
*
Sie saßen überwältigt in ihrer Jet, die auf einem riesigen Raumhafen niedergegangen war.
Schweigend ließen die sieben Wesen ihre
Blicke über das weite Landefeld gleiten. Dabei war seit ihrer Landung nicht mehr allzuviel
zu sehen. Ihr Sichtfeld wurde durch die mächtigen Rümpfe gigantischer Schlachtschiffe regelrecht versperrt. Das Feld war besetzt mit ungefähr 200.000 Schlachtschiffen. Diesen Anblick
hatten sie nicht erwartet und benötigten deshalb
eine geraume Zeit, um ihre Überraschung zu
überwinden. Sie hatten während des Landeanfluges festgestellt, dass die riesige Stadt völlig
unbewohnt war. Das gleiche galt auch für die
Raumschiffe. Herrenlos, so schien es, warteten
sie auf ihre neuen Besitzer. Und zwischen ihnen
waren an die fünfzig Raumboote zu Boden gegangen, um die Abgesandten der auserwählten
Völker zusammenzubringen.
»Hervorragende Organisation, würde ich sagen!« Der spanische Graf zeigte sich sehr beeindruckt, ebenso wie Joak Cascal, der schon
einige bewundernde Ausdrücke hervorgebracht
Tobias Schäfer
hatte.
»Jetzt fehlen nur noch die Wesen, um dieses
Städtchen zu beleben. DORGON scheint sich
große Mühe gegeben zu haben, um uns die Umsiedlung so einfach wie möglich zu gestalten.
Wahrscheinlich nimmt er an, dass wir dann sofort mit dem Aufbau der Schutzmacht für das
bekannte Universum beginnen werden.«
»Ich glaube noch nicht an das, was ich sehe.«
Tifflor beäugte immer wieder misstrauisch die
Abbildungen der Stadt. »Wenn es wirklich nicht
nur den Anschein der Perfektion hat, sondern
tatsächlich so perfekt ist, dann habe ich die Superintelligenzen noch immer unterschätzt. Dieser Planet ist einfach perfekt als Zentralplanet
eines multikulturellen Staates.«
»Sei nicht so pessimistisch, sondern lass uns
erstmal Sam begrüßen! Siehst du ihn? Er hat
seinen Raumer schon verlassen. Kommt, lassen
wir ihn nicht warten.«
Don Philippe, Cascal und Tifflor verließen
eilig die Jet, während Wallace und seine Crew
sich auf eine längere Wartezeit vorbereiteten.
Als Erstes bereitete Alton Klaron, der Feuerleitoffizier, eine warme, wohlriechende Speise zu...
Auf dem Landefeld war es indessen zu einer herzlichen Begrüßungsszene zwischen den
Galaktikern und dem Somer gekommen. Bei ihnen stand der Dorgone Titus Jusilus sowie der
halutische Abgesandte Goz Kongan. Es begann
ein reger Austausch der bisher gemachten Erfahrungen und natürlich ein erstes Kennenlernen der späteren Verhandlungspartner. Der Dorgone konnte sich noch gut an Cascal und Sam
erinnern, die in seiner Galaxis berühmt geworden waren, da es maßgeblich ihrer Hilfe zu verdanken war, dass Dorgon von der imperialen
Schreckens- und Gewaltherrschaft befreit worden war.
Als ein donnerndes Gebrüll ertönte, drehten
sich die Versammelten um. Die lange Gestalt eines Nonggo wurde brutal zur Seite gefegt und
die grüne, gehörnte Gestalt von Taka Kudon erschien. Gedrungen und kraftstrotzend bewegte
er sich wieder auf den Nonggo zu.
»Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn
diese Wesen ihre Emotionen nicht zügeln können?« Besorgt wandte sich Sam an Cascal. »Sie
dir das am Beispiel des Nonggo an. Dieses
D O R G O N
Eine neue Heimat
Wesen hat doch gar keine Chance, sich gegen
ein solch selbstbewusst auftretendes Kraftpaket
durchzusetzen!«
»Vielleicht können wir die Auseinandersetzung friedlich lösen!« Cascal wandte sich an
Kongan. »Was halten Sie davon? Ich kann mir
vorstellen, dass Sie dem Dscherro den nötigen
Respekt abverlangen, um ihn zur Räson zu bringen.«
Wortlos drehte sich der Haluter um und ging
hochaufgerichtet auf die Gruppe zu. In seinen
rotglühenden Augen war nur kurz das belustigte Funkeln aufgeblitzt, welches Cascal bewies, dass er die richtige Abwechslung gefunden hatte. Inzwischen wich der Nonggo ängstlich immer weiter zurück, während der Anführer der Dscherro-Horden schnaufend und brüllend auf ihn zu maschierte. Der Nonggo verschwand plötzlich hinter dem Teleskopbein eines der Schlachtschiffe. Taka Kudon grunzte erstaunt und bog um die Ecke – und stand dem
riesenhaften Haluter gegenüber, der mindestens
doppelt so groß wie er war.
»Ich nehme an, Sie erlaubten sich nur einen
kleine Spaß mit unserem Freund. Wenn Sie
das nächste Mal Ihre Aggressionen loswerden
möchten, wenden Sie sich vertrauensvoll an
mich. Mein Name ist Goz Kongan, und ich stehe Ihnen gern zur Verfügung.«
Ob diesem mit freundlicher Stimme und
in höflichem Ton vorgetragenen Hinweis, den
Nonggo zukünftig nicht mehr zu belästigen,
knurrte der Dscherro akzeptierend und wandte sich nach einem respektvollen Blick auf die
gigantische Gestalt des Haluters dem Ausgang
des Raumhafens zu.
Erstaunt blickten sich die Galaktiker und
Sam an. Ein solches Verhalten hatten sie nach
ihren Erfahrungen von keinem Dscherro erwartet. Tifflor zuckte mit den Achseln und bedeutete den Anderen, sich dem Zug der Abgesandten
anzuschließen.
3.
Dunkel
Einige Stunden zuvor:
57
»Ich habe alle Abgesandten der ausgewählten Völker gebeten, sich in höchstens fünf Stunden auf Paxus einzufinden. Die Daten findet ihr
in euren Speichern. Michael Shorne, auch den
Beobachtern ist es gestattet, an der Versammlung teilzunehmen. Wenn ihr der Versammlung
beiwohnen wollt, kommt mit einem kleinen
Boot und schließt euch den Abgesandten an...«
Sobald DORGON verschwunden war, ließ
Shorne eine kleine Yacht bereitstellen.
»Nor Citel, du wirst mich sicherlich begleiten wollen«, wandte er sich an den Überschweren, der ihn bei seinem Vorhaben, die Wirtschaft
zu kontrollieren, bisher mit guten Ideen und
großem Engagement unterstützt hatte.
»Selbstverständlich. Ich bin gespannt zu erfahren, welche Vorstellungen mein Volk in diese Insel getrieben hat.« Ein diabolisches Grinsen huschte so schnell über sein Gesicht, dass
Shorne nichts davon bemerkte. »Außerdem bin
ich stark an dem genauen Zweck dieses Projekts
interessiert...«
Shorne, der nicht wusste, welchem Wesen er
wirklich den Weg ebnete, zweifelte keine Sekunde an Nor Citels Loyalität.
*
Der Flug dauerte etwas länger als vier Stunden. Leticron führte die Yacht als Pilot. Er interessierte sich nicht für die Monde des Planeten Paxus. Er steuerte an dem äußersten Mond
Betan vorbei, dessen saturnähnliche Ringe in
dem Licht der Sonne glänzten. Den beiden folgenden Monden Setan und Etan schenkte er gar
keine Aufmerksamkeit. Seine Gedanken waren
woanders. Sein Volk wurde derzeit von dem
Parcizaner Wursus angeführt. Es sollte die Rolle der Herrenrasse erst in der Insel, später auch
in der Milchstraße übernehmen. Es sollte sein
Werkzeug werden, das Werkzeug eines Sohnes
des Chaos!
4.
Paxus - Die Welt der
Entscheidungen
»Wohin mag man uns führen?«
58
D O R G O N
Eigentlich erwartete der Dorgone gar keine
Antwort. Es war ihm klar, dass sie nun ein Regierungsgebäude aufsuchen und dort von DORGON die Einzelheiten erfahren würden.
Sie gingen an riesigen Gebäuden vorüber.
Cascal und Don Philippe kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus – der alte Spanier
hatte erst wenige Bauwerke dieser Art gesehen
und Cascal konnte es nicht fassen, dass sie in
dieser absolut fremden Galaxie Städte vorfanden, die sicherlich gut mit Terrania City konkurrieren konnten. Tifflor ging äußerlich unbeeindruckt die Straßen entlang. Innerlich suchte er
nach einem Grund für seine Zweifel. Er konnte
sich nicht damit anfreunden, dass DORGON eine derartig perfekte Infrastruktur aufgebaut hatte und so eine Galaxis verschiedenen Völkern
einfach zur Verfügung stellte. Wenn es so auf allen Planeten aussah, konnte man quasi landen,
einziehen und so weiterleben wie in der alten
Heimat. Unbegreiflich!
»Seht euch jenes gigantische... Teil dort mal
an!« Dem Ex- Offizier aus imperialer Zeit fehlten die Worte für dieses imposante Bauwerk,
das sich vor ihnen in den Himmel reckte.
Vergleichbar nur mit den Palästen der Dorgonen stand es majestätisch da und wachte über
den Planeten.
»Das Lebenszentrum einer Welt, vielleicht
sogar dieser Insel!« Nun brach auch Tifflors Begeisterung durch. »Hier werden die zukünftigen Ratsmitglieder und alle Mitarbeiter der Regierung sitzen und ihre Entscheidungen fällen.
Hier befindet sich wahrlich das Herz des Planeten!«
Eine akustische Stimme forderte die Delegierten der Völker auf, sich in das Gebäude zu
begeben und den Richtungsangaben weiterhin
zu folgen. So gelangten sie in einen Saal, dessen einzig sichtbarer Einrichtungsgegenstand
ein großer, runder Tisch war, um den sich recht
bequeme Sitzgelegenheiten gruppierten und für
jede Spezies die richtige Form annahmen. Viele
der Wesen hatten schon Platz genommen und
waren in angeregte Unterhaltungen verstrickt.
Tifflor hörte aus einigen Gesprächen die Begeisterung über diese Stadt heraus. Andere Stimmen registrierte er, konnte aber kein Wort verstehen. Es herrschte eine unglaubliche Laut-
Tobias Schäfer
stärke in dem Saal. Da saßen die Vertreter der
Maahks, umgeben von Sphären aus MethanAmmoniak- Gasen, neben den Abgesandten der
Posbis. Diesen Wesen vertraute Tifflor, schon
lange Zeit bestand die Freundschaft oder das
Bündnis zwischen den Völkern. Ewige Konflikte gab es jedoch mit den Arkoniden. Tifflor ließ
seine misstrauischen Blicke über die Delegation Uwahn Jenmuhs’ gleiten, die ihm gegenüber ihre Plätze eingenommen hatte. Es schien ein ganzer militärischer Stab dabei zu sein.
Sie machten einen wenig vertrauenerweckenden Eindruck. Wenn sie die gleichen Ambitionen hatten wie in der heimatlichen Milchstraße,
konnten es gefährliche Gegner werden.
Dagegen war es respektheischend, wie entspannt die Vertreter aus M 87 beieinander saßen. Tifflor hatte noch gut im Gedächtnis, mit
welchem Hass die Dumfrieflotten unter okefenokeeischer Leitung die Uleb aus der Kleinen Magellanschen Wolke vernichtet hatten.
Damals hatten sie schon die in M 87 lebenden Mooghs mit sogenannten Novabomben bekämpft und viele Sonnen zerstört. Aber auch die
Bestien waren nicht kleinlich gewesen, wenn es
darum ging, andere Lebewesen zu unterjochen
oder zu bekämpfen. Ihre Brutalität hatte ihnen
ihre Bezeichnung gebracht, die ihnen noch immer anhaftete. Die derzeitigen Hauptvölker der
Bestien waren die Mooghs und die Pelewon, die
sich durch unterschiedliche Struktur und Farbgebung der Hautschuppen unterschieden. Nun
saßen sie einträchtig beieinander, der Führer der
Okefenokees, Carjul, und der gewaltige Herrscher der Bestien, Torsor. Bei diesem Anblick
schüttelte auch Cascal ungläubig den Kopf.
»Eine Szene, die beweist, dass vernunftbegabte Wesen immer zu friedlichen Lösungen ihrer Konflikte fähig sind!« sagte er bedächtig zu
Tifflor.
»Du hast Recht – in diesem Fall«, schränkte
Tifflor ein. »Aber nicht jedes Volk wird diesen
Weg gehen können. Und bei vielen Völkern ist
der Weg dorthin noch sehr weit und beschwerlich.«
»Ruhe jetzt, DORGON erscheint! Ich bin gespannt auf seine Ausführungen.«
Tatsächlich entstand an der einen Seite des
Tisches jenes bläuliche Leuchten, das die An-
Eine neue Heimat
D O R G O N
kunft einer Entität ankündigte. Daraus schälte
sich die Gestalt eines Weisen Mannes hervor
– wenigstens für die Humanoiden als solcher
sichtbar. Tifflor konnte sich vorstellen, dass jedem Wesen eine passende Gestalt erschien.
»Herzlich willkommen in der Insel.« Sanft
klang seine Stimme auf. »Ein herzliches Willkommen jedem Volk, dessen Vertreter hier anwesend sind!«
»Jedem Volk? Ich kann nicht verstehen, dass
man die Dscherro hier zugelassen hat!«
Nach diesem Ausspruch, Tifflor konnte später nicht mehr sagen, wer ihn von sich gegeben
hatte, brach ein unbeschreiblicher Tumult los.
Taka Kudon sprang sofort brüllend auf und donnerte die Fäuste auf den Tisch.
»Wer spricht so abwertend negativ von den
bedeutendsten Wesen des Universums? Ich verlange, dass dieses minderwertige Volk aus dem
Bund gestoßen wird!«
»Die Terraner haben geheime Maßnahmen
ergriffen, um eine Machtposition zu schaffen,
die ihnen die absolute Macht einbrächte!« Der
hinterhältige Arkonide Jenmuhs nutzte die Unruhen, um die Terraner, die er als größte Gegner ansah, in Misskredit zu bringen. Tifflor warf
ihm einen verächtlichen Blick zu und sah rasch
zu DORGON hinüber, der unberührt die Szene
beobachtete. Ihm war es ein Rätsel, warum die
Entität noch nicht eingriff.
Die Tefroder beschwerten sich über die Haluter und Gurrads, die Perlians waren mit der
Anwesenheit der Bestien nicht einverstanden
und die Nonggo brachten ihre Zweifel an der
Zuverlässigkeit der gewalttätigen Völker wie
der Dscherro vor. Auch Cascal konnte nicht umhin, in einer kurzen Pause seine Zweifel an der
Gemeinschaftsfähigkeit zum Ausdruck zu bringen. DORGON registrierte alle Argumente und
hielt sich ansonsten vollkommen zurück.
»Nach welchem Verfahren und welchen Kriterien wurde die Auswahl der Völker denn
bewerkstelligt?« wollte Don Philippe wissen.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein
Zufallsverfahren war, denn dazu bestehen zu
große Verbindungen zwischen einzelnen Völkern. Wie kam man jedoch zu dem Ergebnis, dass sich alle hier Versammelten untereinander respektieren oder zumindest akzeptieren
59
würden? Es bestehen derartig viele Differenzen zwischen uns allen, dass mit einheitlichen
Meinungen nicht gerechnet werden kann! Ein
Zusammenleben wird sich als äußerst schwierig herausstellen. Zumal man nicht annehmen
kann, dass jedes der unterschiedlichen Wesen
und Spezies ausschließlich dem Projekt dienen
wird und nicht versucht, sich und das eigen Volk
in den Vordergrund zu rücken oder anderweitige Machtgelüste zu befriedigen!«
Erneut begannen verschiedene Vertreter mit
lautstarken Protesten oder Zustimmungen, denen schließlich DORGON Einhalt gebot.
»Mit der Zeit werdet ihr meine Beweggründe verstehen und achten. Jedes der ausgewählten Völker besitzt eigene Vorzüge und Eigenschaften, die dem kosmischen Projekt zum Vorteil gereichen werden. Die Völker kennen sich
untereinander, kennen die Schwächen und Stärken der Anderen. Sie ergänzen sich vorzüglich
in allen Bereichen und haben alle einen gemeinsamen Wesenszug, manchmal stärker ausgeprägt, manchmal weniger oder in modifizierter Form: Sie kämpfen entschlossen und willensstark für ihre Sache. Der Plan, aus dem
das Projekt entstanden ist, vertraut der Möglichkeit, dass sich alle diese Völker – so verschieden sie auch sein mögen – für eine gemeinsame Sache begeistern, einsetzen und verbünden oder sogar verbinden können. Aus dieser Verbindung werden die besten Streiter für
die Sicherheit des Lebens im Universum hervorgehen. Die Anwesenheit eines jeden Volkes
ist berechtigt. Auch die der Dscherro, wie betont werden sollte, da viele Wesen noch daran
zweifeln. Ich sprach von Streitern, von herausragenden Streitern. Wie alle Anwesenden zugeben werden, besitzen die Dscherro wirklich
herausragende Kämpfereigenschaften. Sie werden eine wichtige Stütze des Projekts werden,
denn das Unheil, das uns zu diesen ungewöhnlichen Taten zwingt, wird nicht vor diesem Teil
des Universums halt machen. Kämpfer werden
eine wichtige Rolle spielen. Kämpfer vom Format der Dscherro, der Pelewon oder der Mooghs. Man wird sie alle dringend benötigen, kein
Volk ist sinnlos anwesend. Terraner, Cappins,
Dorgonen oder Akonen, alle verfügen über ein
ausgeprägtes logisches Urteilsvermögen. Auch
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D O R G O N
darauf wird es ankommen, auf die Organisation und die Kombination aller verschiedener
Fähigkeiten. Vergesst niemals, dass das gesamte Leben im Universum bedroht ist und dieses
Projekt zu seinem Schutz erdacht und gestartet
wurde! Mit diesem Bewusstsein wird das Zusammenwachsen der Völker erleichtert werden.
Die Verantwortung für alles Leben liegt in eurem Handeln! Jedes Volk verteidigt nicht nur
unbekannte Wesen, sondern arbeitet aktiv an
der Erhaltung des eigenen Daseins, dem Schutz
des eigenen Volkes und dem aller friedliebenden Völker!«
Die eindringliche Stimme DORGONs drang
in die Gedanken aller Versammelten. In diesem
Moment spürten alle die Gefahren, und alle waren bereit, für die Gemeinschaft und das Universum zu handeln. Tifflor registrierte erstaunt,
dass die allgemeine Aggressivität nachgelassen hatte und einer alles umfassenden Spannung Platz machte, von den Worten der Superintelligenz ausgelöst. DORGON appellierte
an die Vernunft der Intelligenzen und erinnerte an die Brutalität von Cau Thons Vorgehen,
sowie an die hinterhältig diabolische Vernichtungsgewohnheit von ihm und seinen Schergen.
Er schilderte die bekannten Übergriffe dieses
Wesens, dessen Ziele nicht nur für bestimmte
Zivilisationen oder Wesen, sondern für das gesamte Universum äußerst bedrohlich waren.
Tifflor staunte über die Endgültigkeit, mit
der die Entität das Schicksal allen Lebens darstellte. Es schien ihm so, als bedeutete die
Existenz von Cau Thon und seinem Meister
MODROR nicht nur eine unbeschreibliche Gefahr für sie, die Normalsterblichen, sondern in
gleichem Maße auch für jene, die unglaublich
Mächtigen, die Geisteswesen wie Superintelligenzen und Kosmokraten.
Jedoch konnte er eines mit absoluter Sicherheit sagen: Jenes Volk, welches sich bewusst
aus diesem Konflikt um die allgemeine Existenz
heraushalten würde, begänne mit der eigenen
Vernichtung, schaufle sich sein eigenes Grab!
Nach dieser Ansprache herrschte mehrere
Minuten lang tiefstes Schweigen unter den Delegierten. Beeindruckt hing jeder seinen Gedanken nach und versuchte, die Worte DORGONs
in jedem Verhältnis zu verstehen. Tifflor er-
Tobias Schäfer
kannte, dass momentan die Wirkung der Rede
vollständig den vermutlichen Erwartungen der
Superintelligenz entsprach. Die Wesen fühlten
sich verbunden, da ihrer aller Existenz bedroht
war. Dieses Phänomen kannte Tifflor. Schon
immer hatten sich verschiedene Interessengemeinschaften plötzlich geeinigt, wenn eine größere und bedrohlichere Gefahr für alle entstand. Jedoch hatte er noch nie eine Verbindung
in dieser Größenordnung miterlebt. Und doch
konnte er seine anfängliche Skepsis nicht auflösen. Seine vieltausendjährige Erfahrung ließ
ihn noch immer an der Dauerhaftigkeit einer
solchen Verbindung zweifeln. Zu deutlich standen noch Erinnerungen von Konflikten vor seinen Augen, die auch andere Völker nicht vergessen haben konnten. Und die Gefahr, von der
DORGON sprach, lag vielleicht noch viele Generationen entfernt. Diese Wesen dachten und
handelten ja nach ganz anderem Zeitempfinden
als organische Lebewesen. Tifflor befürchtete,
dass in kurzer Zeit die alten Rivalitäten zwischen den Völkern wieder aufleben und sie ihrem alten Drang nach Selbstbestätigung folgen
würden.
Vor jedem Delegierten erschienen Datenträger auf der Tischoberfläche.
»Ihr kennt nun alle Gründe für die Zusammenstellung der Völker und überhaupt das Entstehen des Projekts. Die Datenträger beinhalten
alle wichtigen Daten der Insel, vor allem die
Koordinaten eurer zukünftigen Heimatsysteme.
Dort werdet ihr jeweils eine auf eure Kultur abgestimmte komplette Infrastruktur vorfinden, es
wird nichts fehlen, was man zum Leben braucht
und außerdem, um sich wohl zu fühlen.«
Tifflor glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.
Hatte DORGON eben vollständige Infrastrukturen gesagt? Konnte es wahr sein, dass jeder
bewohnbare Planet bereits ausgebaut und zivilisiert war?
»Es wird an euch liegen, wie lange ihr benötigt, euch hier einzuleben. Es ist jedoch unumgänglich, dass ihr euch untereinander verständigt und eng zusammenarbeitet.«
D O R G O N
Eine neue Heimat
5.
Warnung
Julian Tifflor, LFT- Botschafter in der Insel
Was mich eigentlich am meisten überrascht
hatte, war die absolute Perfektion, mit der
DORGON alles organisiert hatte. Nun lag alles Weitere an uns. Mich überkam ein schauriges Gefühl, als ich an die Schwierigkeiten dachte, die nun auf uns zukommen würden. Eine
friedliche Verständigung sollte meiner Ansicht
nach zwar möglich, aber nicht einfach sein. Versuch mal, dich mit einem Dscherro friedlich
zu verständigen! DORGON hatte ja Recht, die
Dscherro und die Bestien waren außergewöhnliche Kämpfer. Was aber, wenn sie ihre Vorrangstellung in unserer Streitmacht ausnutzten,
um uns zu unterjochen oder zu eliminieren? Ich
wusste, dass wir enorm vorsichtig sein und sehr
behutsam vorgehen mussten, wenn wir hier eine
Entwicklung in unserem Sinne fördern wollten.
Die Diskussion wollte vorerst kein Ende
nehmen. DORGONs Wunsch, dass wir eine beachtlich starke Militärpräsenz aufbauen sollten,
fiel auf guten Boden. Als er diesen Wunsch vorbrachte, blitzte es in vielen Augen auf. Ich beobachtete vordringlich den machtgierigen Arkoniden. Sein Gesicht spannte sich, und seine Hände verkrampften sich unwillkürlich. Im
nächsten Augenblick sprang er auf. Ich tauschte einen schnellen Blick mit Joak, unserem militärischen Leiter. Er machte sich auch so seine
Gedanken.
»Ich und mein Stab sind der Ansicht«, begann Jenmuhs, »dass es wohl das geringste Problem darstellen sollte, mächtige Flotten bereit
zu stellen. Man beachte jedoch, dass wir zu der
Erkenntnis kamen, dass nur unter arkonidischer
Führung eine solche Aktion akzeptabel wäre.
Unsere Erfahrungen auf dieser Ebene prädestinieren uns geradezu dafür.«
Meine Güte, so konnte er doch nicht mit
Erfolgen rechnen! Hatte der junge Mann noch
nie etwas von den Regeln der Diplomatie gehört? Glaubte er wirklich, die Völker würden
auf seinen Vorschlag eingehen? Nicht nur ich
war erstaunt über diese Unverfrorenheit. Auch
in Joaks Augen blitzte es belustigt, aber auch
61
besorgt auf. Er hatte ebenfalls erkannt, dass dieser Arkonide ein negatives Ziel anstrebte.
»Wir glauben nicht, dass wir uns den kümmerlichen Wesen der arkonidischen Menschheit
beugen würden!«
Das klang nach der grölenden Stimme der
riesigen Bestie Torsor. In ihrem blauen Kampfanzug und mit einer beachtlichen Größe von
5,50 Metern ging von der Gestalt eine düster
bedrohliche Aura aus. Taka Kudon, der wilde
Dscherro, donnerte seine beipflichtenden Geräusche in den Raum. Ich empfand es als lästig,
immer mit diesen rücksichtslosen Wesen in einem Raum sitzen zu müssen. Sobald sie ihren
Mund öffneten, konnte man sicher sein, mit einem beachtlichen Gehörschaden davon zu kommen. Dagegen verhielten sich die Haluter sehr
human. Sie hatten es gelernt, in Gesellschaft
schwächerer Wesen ihre Stimmorgane im Zaum
zu halten. Das und viele andere Aspekte machten sie mir viel sympathischer.
Über diese Gedankengänge hatte ich einen
Teil der Unterhaltung verpasst. Es ging immer noch um die militärische Rüstung. Gerade hatte Joak eingeworfen, dass auch er kein
wirkliches Problem darin sah. Er schloss sich
Jenmuhs’ Meinung an, was diesen erstaunt aufblicken ließ. Ich lächelte wissend. Joak erinnerte mich an mich selbst, als ich im Solaren Imperium als Solarmarschall für die militärische
Macht zuständig gewesen war. Oft hatte ich unvernünftig erscheinende Meinungen vertreten,
zum Teil, um den Gegner zu verwirren, aber
auch um die Herren Rhodan und Atlan mit der
Realität zu konfrontieren und so auf das Wesentliche aufmerksam zu machen. Joak handelte oft aus ähnlichen Gründen und musste sich
anschließend mit dem Unverständnis seiner Gesprächspartner auseinander setzen.
Neben mir räusperte sich der Abgesandte aus
Siom Som, der Somer Sruel Allok Mok. Der
eigenartige Name hatte uns veranlasst, ihn einfach Sam zu nennen. Und er nahm es uns nicht
übel. Jetzt schien das friedliebende blaue Vogelwesen etwas auf dem Herzen zu haben.
»Wenn ich die Lage richtig einschätze, wird
es zu einem Wettrüsten zwischen den Mächten kommen.« Besorgt blickte er in die Runde. »Sieh mal, sie können sich schon jetzt fast
62
D O R G O N
in die Haare kriegen«, ich musste grinsen, als
er unbewusst diesen terranischen Ausdruck benutzte, »obwohl sie alle der Meinung sind, keine Probleme in der Rüstung zu sehen. Und auch
wir werden nicht davor zurück können, diesem
Rüstwahn zu entgehen, wenn wir eine ausgeglichene Machtverteilung wollen. Das war schon
immer ein Problem und scheint sich auch hier
anzubahnen.«
Er hatte Recht. Ich musste ihm zustimmen
und dachte an die Zeit, als auf Terra noch vergleichbare Zustände herrschten. Allerdings in
kleineren Ausmaßen. Ich wandte mich an DORGON und berichtete ihm von unseren Befürchtungen. Die Entität schien anderer Meinung zu
sein.
»Vertraut der Vernunft dieser Wesen. Vielleicht wird es anfangs Probleme geben. Doch es
sind tatsächlich vernünftige Intelligenzen, auch
wenn sie sich nicht immer so verhalten. Sie werden einsehen, dass sie gemeinsam mehr erreichen können.«
»Ich kann dir nicht vollständig zustimmen.«
Ich musste ihm widersprechen, denn ich sah
nicht in jedem der hier Anwesenden ein vernünftiges Wesen. Und das sagte ich ihm auch.
»Ja, bei einigen wird die Entwicklung vielleicht etwas länger dauern. Aber glaub mir, alle
diese Völker sind im Grunde vernunftbegabt.«
Unbefriedigt kehrte ich auf meinen Platz
zurück. Der Somer mochte meinem besorgten
Blick ansehen, das DORGON nicht so reagiert
hatte, wie ich es mir gewünscht hätte. Er sagte
jedoch kein Wort dazu.
Ich blickte auf, als DORGON sich anschickte, weitere Erklärungen abzugeben. Wahrscheinlich würde er letzte Instruktionen geben
und dann verschwinden.
»Ich sehe, es liegt noch ein Stück Arbeit vor
euch. Doch ich glaube nicht, dass ihr scheitern
werdet. Ich persönlich werde mich nun entfernen, denn es warten noch andere Aufgaben auf
mich. Doch werde ich euch eine Kontaktperson
zurücklassen, die mich auf dem Laufenden hält
und bei Schwierigkeiten eingreifen kann...«
Neben ihm erkannte ich den Schemen eines
humanoiden Wesens, das immer mehr an Klarheit gewann und immer deutlicher sichtbar wurde. Dann erkannte ich das Gesicht und stieß er-
Tobias Schäfer
staunt die Luft zwischen meinen Zähnen aus.
Doch was hatte ich erwartet? Wir wussten doch
mittlerweile, wer DORGONs terranisches Konzept war.
Besorgt warf ich einen Blick zu Joak hinüber. Auf seinem Gesicht spiegelten sich seine
Gefühle wider. Er war ebenso erstaunt wie ich,
Nadine Schneider zu erkennen, doch musste er
sicherlich einige Erinnerungen an ihre Freundschaft abschütteln, die es ihm nicht leicht machten, sie als unnahbare Kontaktperson zu einer
Entität zu akzeptieren.
Ein Raunen ging durch die Versammlung.
Nicht jeder war einverstanden mit dieser Maßnahme DORGONs, die in ihren Augen hart an
Kontrolle grenzte. DORGON hatte noch etwas
zu sagen.
»Die Insel soll demokratisch regiert werden,
wobei ich euch nicht vorschreiben will, wie die
einzelnen Völker ihre eigenen Kolonien verwalten. Doch hier auf Paxus soll der Regierungssitz aller Völker entstehen. Hier sollten die Entscheidungen gefällt werden, die für das große
Projekt von Bedeutung sind.
Aus den autarken Regierungen soll ein Rat
gewählt werden, der über die Geschicke aller
Völker wachen wird. Dieser Rat wird nicht von
einem bestimmten Volk gestellt, sondern aus
der Gemeinschaft gewählt werden. In diesem
Projekt ist es von aller größter Wichtigkeit, dass
alle Völker zusammen arbeiten. Wie ich schon
mehrfach betonte, kann nur durch Zusammenarbeit der Einzug des Chaos verhindert werden.
Bekämpft ihr euch gegenseitig, werdet ihr erst
dem Chaos anheimfallen, bis schließlich alles
Leben im Universum verlöschen wird.«
Ohne weitere Worte verschwand die Entität
und ließ eine verwirrte und tief betroffene Versammlung zurück. Unsere Aufgabe würde nun
sein, einen Rat zu bilden, der DORGONs Vorstellungen entsprach. Ich sah schwere Zeiten
auf uns zukommen.
6.
Cartwheel
Die Galaxis Cartwheel hatte einen größeren
Durchmesser als die Milchstraße. Betrachtete
Eine neue Heimat
D O R G O N
man aber ausschließlich den Bereich der Galaxis, der von Sonnen und bewohnbaren Planeten
gebildet wurde, und ließ man die Wasserstoffsphäre, die diesen Kern in Form eines weiten
Ringes umgab, außer acht, so betrug die Ausdehnung der Insel nur 8000 mal 6000 Lichtjahre – eine kleine, scheibenförmige Galaxis, deren
Aussehen zu ihrem Namen geführt hatte.
Der Kern umfasste etwa 10.000 Sonnensysteme, von denen nur knapp 700 bewohnbar waren. Diese siebenhundert Systeme waren
in den Datenspeichern DORGONs beschrieben
und unter den Völkern verteilt worden. Außerdem konnte man den Speichern genaueste Daten über die Insel entnehmen.
Es mußte außerhalb des Kernes sicherlich
auch viele bewohnbare Welten geben, doch diese waren nicht von DORGON vorbereitet worden.
DORGON hatte mit Hilfe einiger Verbündeten diese Galaxis erschaffen und den Gegebenheiten angepasst, die den Völkern entsprachen
und die vom Projekt vorgegeben wurden. Auf
relativ kleinem Raum, der den Völkern verbot,
sich zu ignorieren, sondern sie eher zur Zusammenarbeit zwang, war dieses künstliche Gebilde entstanden. Die Dichte schaffte viele Berührungspunkte und gewährte einen besseren Überblick als riesige Bereiche.
Jedem Volk wurden bestimmte Systeme oder
Planeten zugewiesen. Sie verfügten sämtliche
über den Völkern individuell angepasste Infrastrukturen und Städte. DORGON war darauf
bedacht gewesen, den Völkern, die dieses Projekt ermöglichten, eine perfekte zweite Heimat zu bieten. Die Welten entsprachen in ihrem Aufbau der Zentrumswelt Paxus, konnten
also sofort besiedelt werden. Es gab keine aufwendigen Bauarbeiten. Es schien, als wären die
Wesen von einem Haus ins nächste gegangen.
Nichts erinnerte an eine fremde Galaxie, Cartwheel war besser bekannt als die eigene Milchstraße – Dank der Unterlagen DORGONs.
In der Zentrale der IVANHOE saßen die
Mannschaften vor ihren Kontrollen. Eine erwartungsvolle Spannung hatte sich aufgebaut, seit
man an der Spitze der terranischen Verbände
das Zentrum verlassen hatte.
»Wann werden wir unser System errei-
63
chen?« Der Marquese durchbrach das Schweigen. Die Köpfe der nächstsitzenden Offiziere
ruckten herum und fixierten fragend ihren Kommandanten.
Jeamour hatte bisher schweigend in seinem
Sessel gesessen. Jetzt wurde er abrupt aus seinen Gedanken gerissen. Mit einer verwirrten
Geste wischte er sich über das Gesicht und
wandte sich um. Langsam klärten sich seine
Blicke.
»Wie bitte?« Er brauchte eine Weile, bis er
sich vollständig gesammelt hatte.
»EINSTEIN, eine genaue Berechnung der
Reisedauer bis zum Zielsystem, bitte!«
Das leistungsfähige Bordgehirn meldete sich
nach kaum messbarer Zeit.
»Die IVANHOE wird in 24 Minuten und sekundären 12 Sekunden die äußere Region des
Planetensystems erreichen!«
Nicht nur der Marquese blickte bei dieser
eigenwilligen Modifikation der Äußerung erstaunt auf. Auch Jeamour musste einmal mehr
den Kopf schütteln. Ihre Bordsyntronik besaß
so etwas wie ein Eigenbewusstsein und gab individuell gefärbte Kommentare, die zum Teil
sogar über einen leichten Touch von Humor verfügten.
Das kleine System, das die Terraner von
DORGON als Hauptsystem zugewiesen bekommen hatten, lag 1350 Lichtjahre von der
Zentralwelt Paxus entfernt. Es umfasste sieben Planeten, von denen nur drei für die Menschen von Wichtigkeit waren. Der zweite wies
die größte Ähnlichkeit zur Erde auf. Er hatte
einen Durchmesser von 8.589 Kilometern, seine Schwerkraft betrug 1 g. Vier Kontinente und
zwei eisbedeckte Pole beherrschten das äußere Bild der Welt. Der dritte Planet besaß einen
Durchmesser von 4.999 Kilometern, war damit
also etwa halb so groß wie der zweite. Man
konnte ihn am ehesten mit dem solaren Mars
vergleichen, obwohl er mit seinen drei Kontinenten und den beiden Polen eine andere Gestalt hatte. Auch auf dieser Welt herrschte die
gewohnte Schwerkraft von einem Gravo. Hier
zeigte sich deutlich die Manipulation DORGONs.
Der fünfte Planet sollte laut DORGON von
den Halutern besiedelt werden. Er besaß eben-
D O R G O N
64
falls eine Sauerstoffatmosphäre, war jedoch mit
nur 0,53 g eine relativ leichte Welt. Sein Durchmesser betrug nur 1.213 Kilometer, und seine
Oberfläche zeigte neben den beiden Polen nur
einen Kontinent.
Wie Jeamour gehört hatte, besaß dieser Planet schon seinen Namen: Small Halut.
»Ein außergewöhnliches Ereignis, das wir
hier miterleben«, flüsterte der Marquese ergriffen. »Ein weiterer großer Schritt für die
Menschheit, die gemeinsame Initiative gegen
kosmische Gefahren!«
Jeamour nickte nachdenklich.
»Mankind!«
»Wie bitte?«
»Wir werden unsere neue Hauptwelt Mankind taufen, bezeichnend für die Wünsche und
Träume der Menschheit, die keine Strapazen
scheuen würde, um ihrer Art gerecht zu werden!«
Don Philippe blickte Jeamour forschend an
und erkannte die Wünsche des Kommandanten
in seinen glänzenden Augen.
»Darf ich fragen, ob Sie sich auch für den
dritten Planeten einen Namen überlegt haben?«
»Nein, der wird zu gegebener Zeit gesucht,
denke ich. Ob der zweite tatsächlich Mankind
genannt wird, hängt außerdem ganz von den
Einsatzleitern ab.«
»Also auch von mir!« stellte Don Philippe befriedigt fest. »Somit besitze ich die Vollmacht, den dritten Planeten zu benennen. Hiermit taufe ich ihn feierlich auf den Namen Siniestro! Gedenk meiner alten Heimat soll dieser
Planet ihren Namen tragen!«
7.
7. Mensch - Emotion Ungeduld?
Remus Scorbit
»Geh mir aus dem Weg!«
Die kleine Reinigungseinheit glitt hastig zur
Seite. Das war auch gut so, denn ich hatte schon
blind vor unbeherrschter Wut nach einem Golfschläger gegriffen, um sie manuell zu entfernen.
Ich hatte es eilig. Ich wusste doch selbst, wie
ungern man auf seine Verabredung wartete.
Tobias Schäfer
»Remus!«
Konnte man hier nicht eine Minute verweilen, ohne gleich wieder eingespannt zu werden?
Das war doch meine Frau, der wieder irgendwas
eingefallen war, das noch schnell erledigt werden musste.
»Was?!« herrschte ich sie darum an.
Ich hatte mich so schnell umgedreht, dass
meine Golftasche einen Tisch abräumte.
»Scheiße! Wer stellt mir hier immer alles in
den Weg? Immer, wenn ich weg will, passiert
so ein Unsinn!«
Ist doch war! Wer kann behaupten, diese Situation nicht zu kennen? Als Kind und junger
Erwachsener ist es am schlimmsten. Dann steht
die Mutter da und drückt einem eine Arbeit
nach der anderen auf. Ein eigener Haushalt ist
nicht viel besser, wenn man liiert ist.
»Was ist jetzt noch? Du weißt, dass ich dringend zum Golfen muss! Also bitte, fass’ dich
kurz!«
»Remus, was ist bloß los?« Besorgt klang
sie, meine Uthe. Aber konnte sie nicht selbst sehen, was los war?
»Ich will weg, das ist los!« Wenn heute alle so langsam waren, konnte das ja noch heiter
werden.
»Okay, geh du ruhig mal zum Golfen und
reagier’ dich ab. Ich hab ja auch besseres zu tun,
als dir nachzulaufen!«
Uups....
Egal jetzt, ich musste los. Mein Partner würde auch nicht ewig warten. Er befand sich in der
gleichen Lage wie wir.
Vor einer Woche waren wir in unserem neuen Heimatsystem angekommen. Die Verantwortlichen hatten die Planeten getauft, soweit
sie wichtig für uns waren. Mankind war der
zweite Planet und war vergleichbar mit der Erde. Er besaß einen Mond, der Lunar genannt
worden war. Etwas einfallslos fand ich den
Namen der Hauptstadt: New Terrania. Naja,
man konnte ja nicht andauernd mit bedeutungsschweren Namen dienen, das sah ich ja ein.
Der dritte Planet hieß Siniestro, seine beiden Monde Mechos und Jariba. Der alte Spanier konnte wohl seine Abstammung nicht verleugnen. Jedoch auch hier die traditionelle Anlehnung des Hauptstadtnamens an die alten Na-
Eine neue Heimat
D O R G O N
men Terras. Don Philippe schien dem Planeten seinen Stempel aufdrücken zu wollen. Seine
Hauptstadt hieß New Madrid!
Seit nun einer Woche wurden alle möglichen
Sachen geregelt und organisiert, die mit der Besiedlung der Welten zusammen hingen. Kein
Wunder, dass jeder von uns bis aufs Äußerste
gereizt war! Absolut tatenlos mussten wir hier
rumhängen.
Ich hatte tief in Gedanken versunken die
Sportanlage der IVANHOE erreicht. Mein
Golfpartner, Jonathan Andrews, stand unruhig
vor dem Court und rauchte.
»Remus, ich komme grad von Gal’Arn. Es
geht looos!«
Seine blendend gute Laune ließ mich sofort
die Auseinandersetzung mit Uthe vergessen. Es
geht los! Das konnte nur heißen, dass bald die
Besiedlung beginnen würde!
»Endlich! Du glaubst gar nicht, was wir gelitten haben!«
Jonathan grinste glücklich.
»Bleibst du jetzt doch bei uns, oder wie
kommt es sonst, dass du dich so mit mir freust?«
Ein Schatten glitt für Augenblicke über sein
Gesicht – er war Schüler Gal’Arns, er konnte
nicht sesshaft werden!
»Komm, lass’ uns anfangen! Laut Joak Cascal beginnt die Übermittlung der genauen Pläne
in fünf Stunden...«
8.
Die letzten Vorbereitungen
Gal’Arn saß ruhig in seinem Gliedersessel
aus Formenergie, der sich jeder Bewegung perfekt anpasste. Er war der Diskussion bisher interessiert gefolgt, hatte sich jedoch nicht eingemischt. Ihm wurde bewusst, dass diese Wesen
keine Hilfe in organisatorischer Hinsicht benötigten.
Gerade führte Julian Tifflor das Wort.
»Wir sind uns also einig, dass die Grundzüge der Planung beibehalten werden sollen.«
Sein Blick suchte Cascal. »Joak, diese Aufgabe
wird wahrscheinlich die schwerste und verantwortungsvollste, die du jemals erhalten hast. Ich
65
weiß, dass es nicht immer leicht ist, die militärische Stärke mit der diplomatischen Geschicklichkeit in Einklang zu bringen.
Jedoch bin ich sicher, dass ein derart erfahrener Mann wie du jedes Problem zu lösen im
Stande ist.«
»Die militärische Kontrolle zu führen bedeutet: Rüstung, Ausbildung, Strategie und Taktik,
sowie natürlich den Bezug zur Politik zu wahren und in ihrem Sinne zu handeln.« Cascals
Stimme klang ernst und gespannt. »Ich kann
mich noch gut an die Vorgehensweise zu meiner Zeit erinnern. Damals war die solare Flotte
zum wichtigsten Teil ein Demonstrationsinstrument. Sie hat ihre Dienste gut geleistet.«
»Als Terramarschall stehen dir alle Vollmachten zur Verfügung, die sich aus der Notwendigkeit zum optimalen Einsatz der Flotte
ergeben. Selbstverständlich kann dir das Kommando zu jeder Zeit aberkannt werden, doch
das steht nicht zur Debatte.«
»Don Philippe, Sie werden als mein Stellvertreter Terra-Administrator des terranischen
Einflussbereichs in Cartwheel. Ihr Hauptsitz
wird Siniestro sein, wie geplant. Das Parlament
auf Mankind dient den normalen Regierungsgeschäften, wie schon seit langem bekannt.«
In diesem Moment ertönte ein leises Knallen. Erschrocken zuckten die Teilnehmer der
Konferenz zusammen. Cascal war versucht,
Gucky dafür verantwortlich zu machen, dessen
Teleportationen ähnliche Geräusche verursachten. Doch der Mausbiber saß erstaunlich ruhig
auf seinem Platz.
Und dann sahen sie es. Im Hintergrund des
Raumes war ein leise schimmernder Schemen
entstanden. Er besaß die Form eines humanoiden Körpers, seine Konturen wurden verwischt
durch die schillernde Sphäre, die ihn umgab.
»Gal’Arn ist der Abgesandte der Elaren. Ihm
als Ritter der Tiefe obliegt die Aufgabe, euch
in allen Entscheidungen zu unterstützen. Vertraut seiner Weisheit, unterlasst es niemals, ihn
zu konsultieren. Vertraut Gal’Arn!«
Wie erstarrt blickte die Versammlung auf
den Punkt, an dem sich das Wesen Augenblicke
zuvor noch befunden hatte. Schließlich war es
Cascal, der die Stille unterbrach.
»DORGON«, murmelte er. »Die Entität hat
D O R G O N
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sich nach ihrer Ansprache auf Paxus endgültig
verabschiedet. Wenn sie nun zu dieser weiteren
Äußerung bereit war, müssen wir davon ausgehen, dass sie von hoher Wichtigkeit war.«
»Gal’Arn scheint in den Plänen der Superintelligenz eine gewisse Schlüsselposition zu besitzen, wenn sie darauf besteht, dass wir ihn
als Berater zu jeder Entscheidung ziehen. Dabei hatten wir dieses noch mit Perry Rhodan besprochen.« Tifflor sah zu dem Elaren hinüber.
Gal’Arn blickte auf. »Damit hätten wir soweit alles geklärt. Was noch unklar ist, wird sich
in den nächsten Stunden aufklären.
Ich bleibe also ebenfalls wie verabredet in
der Insel. Ich werde für euch immer erreichbar
sein, selbst wenn ich nicht persönlich anwesend
sein sollte. Aber das Nähere kommt zu gegebener Zeit.
Jetzt lasst uns die Welten bevölkern, die
Menschen haben lange genug gewartet!«
Diese Worte lösten die spürbare Spannung,
die sich nach dem Auftauchen DORGONs in
dem Raum gebildet hatte. Erleichtert atmeten
die Männer auf.
9.
Anpfiff...
Remus Scorbit
Es war lange her, dass ich so viele Besatzungsmitglieder und Passagiere zu Gesicht bekommen hatte. Wir standen dichtgedrängt in
einer der großen Messen der IVANHOE und
lauschten gebannt den Worten des Mannes, dessen Hologramm jetzt vor uns auf einem Podest
erschienen war. Julian Tifflor, der Leiter des
gesamten Unternehmens aus terranischer Sicht,
bat mit einer Geste die Leute um Aufmerksamkeit. Da fiel mir wieder einmal auf, wie jung
der Mann wirkte. Wenn ich mich richtig erinnerte, war er in einem Alter von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, als sein biologisches Alter
konserviert wurde. Und trotz seines Aussehens
übertraf er uns alle, was Lebenserfahrung und
Weisheit betraf.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen,
als der Zellaktivatorträger zu sprechen anfing.
Seine Stimme wurde getragen von der Energie
Tobias Schäfer
und Willenskraft, die diesen Mann auszeichneten.
»Es ist soweit! Morgen beginnen wir mit der
Besiedlung dieses Systems. Die Verantwortlichen und ich haben uns während der letzten Zeit
alle Einzelheiten eines großen Planes überlegt,
mit dessen Hilfe wir eine reibungslose Ausschiffung zu bewerkstelligen hoffen.«
Ich musste grinsen, als er jene Pause machte,
die jeder Redner an dieser Stelle gemacht hätte.
Doch ich war so fasziniert, dass ich schnell wieder nur auf seine nächsten Worte wartete – wie
die anderen Wesen in meiner Nähe.
»Wir werden genaue Informationen über die
Gegenden der Planeten, die Landschaften, Temperaturzonen und dergleichen herausgeben, so
dass jeder seine besonderen Wünsche über die
Bordterminals angeben kann. EINSTEIN wird
diese Angaben koordinieren und ihnen nach
Möglichkeit entsprechen. Ich bin überzeugt,
dass jeder die ideale Behausung finden wird.
Des weiteren koordinieren wir die Gestaltung des Aktiven-Zirkels. Damit ist der Bereich
in direkter Nähe des Regierungsgebäudes gemeint, den jene Männer und Frauen beziehen
sollen, die mit der Regierung zu tun haben oder
anderweitig aktiv einbezogen werden sollen.
Dazu gehören unter anderem Raumschiffsbesatzungen und ihre Familien, Abwehrspezialisten, Wissenschaftler und Privatpersonen, deren Einbeziehung geplant oder vorauszusehen
ist.«
Wieso bekam ich bei diesen Worten nur so
ein merkwürdiges Gefühl? Die Projektion von
Tifflors Augen schienen mich direkt anzustarren. Obwohl das unmöglich war, fühlte ich mich
unbehaglich. Ich wechselte einen raschen Blick
mit Uthe. Schon allein die Tatsache, dass auch
sie in diesem Moment zu mir blickte, sagte mir
genug. Sie hatte es ebenfalls gefühlt. Kamen
wieder Abenteuer auf uns zu, die unser Leben
bedrohen konnten?
Tifflor sprach weiter. Was nun folgte, interessierte mich nicht mehr, denn es betraf mich
nicht mehr. Ich war mir sicher, dass meine Vermutung stimmte.
Auf dem Weg zu meinem Quartier traf ich
mit unverhofft mit Jonathan zusammen. Der
junge Mann schien mich schon eine geraume
D O R G O N
Eine neue Heimat
Weile gesucht zu haben, denn er atmete erleichtert auf, als er mich sah. Ich war jedoch viel zu
sehr in Gedanken versunken, als dass ich ihn
hätte bemerken können. So gingen wir schweigend nebeneinander her.
Einige Minuten vergingen. Wollte er etwas
besonderes von mir, oder bemerkte er, dass ich
die nächsten Sekunden noch zu meiner Sammlung benötigen würde?
Dann brach er das Schweigen.
»Du weißt es schon.«
»Nein, aber ich ahne es. Gal’Arn?«
Andrews nickte.
Ich verstand. Gal’Arn, der Elare, der Ritter
der Tiefe! Er war unversehens in die Situation
gedrängt worden, unter Fremden Völkern den
Ruhenden Pol zu bilden. Wir hatten ihn erlebt.
Wir hatten gemeinsam viele Abenteuer bestanden. Es war nur zu verständlich, dass der einsame Mann, der viele seiner Freunde verloren
hatte, nun seine letzten Bekannten in seiner Nähe haben wollte. Das allerdings bedeutete, dass
wir – wie ich es geahnt hatte – stärker in die Sache eingebunden werden sollten. Gal’Arn vertraute uns. Er würde sich wahrscheinlich häufig
mit uns in Verbindung setzen. Ich sah harte Zeiten auf uns zukommen!
*
23.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon,
3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren
...konnte eindeutig festgestellt werden, dass
die initiierende Entität, DORGON, die innenpolitischen Gegebenheiten zwischen den einzelnen
Völkern bei der Ausarbeitung des Besiedlungskonzepts für die Insel durchaus nicht vergessen
hatte, sondern bis auf das Genaueste beachtete. Die terraloyalen Völker wurden in direkter Nachbarschaft zueinander angesiedelt. Es
handelte sich vordringlich um Völker terranischer Abstammung wie Oxtorner, Epsaler, Ertruser, Plophoser, olympische Freihändler und
andere. Eine Ausnahme waren die Ferronen,
die nur indirekt über lemurische Kolonisationen
mit den Terranern verwandt waren, sowie die
Haluter, die sogar im terranischen Hauptsystem
67
ihre Heimat fanden. Beide Völker sind jedoch
seit frühester terranischer Geschichte Verbündete und loyale Freunde in diesem Gefüge (vgl.
Altterranische Chroniken, Erster Fernflug Perry
Rhodans).
Dieses Ballungszentrum eines Interessenverbandes erhielt alsbald eine individuelle Bezeichnung. Ein Terranischer Block entstand...
*
»Start!«
Die Passagierjet verließ pünktlich den kleinen Hangar der IVANHOE und nahm Kurs auf
den blaugrünen Planeten. Sie wurde vollautomatisch manövriert, denn in dem herrschenden
Gedränge von Verbindungsbooten und Raumern rund um Mankind hätte der menschliche Pilot versagen müssen. In alle Richtungen heizten
die kleinen und großen Maschinen, die Menschen und Gegenstände ihren neuen Behausungen zuführten.
Uthe Scorbit blickte starr geradeaus durch
das Panoramafenster. Sie wurde von der gleichen Nervosität erfasst wie Milliarden andere
Wesen, die nun mit der Besiedlung der Welten
begannen.
Uthe blickte sich um. Hinten in der Kanzel
saßen die beiden Zechonin Anica und Jaquine.
Die beiden jungen Frauen hatten am meisten
mit ihren Gefühlen zu kämpfen. Bis vor wenigen Wochen hatten sie nicht gewusst, dass sie
nicht die einzigen intelligenten Wesen im Universum waren. Und nun befanden sie sich weit
abseits des Sektors, in dem ihre Heimatgalaxis
zu finden war. Ihre einzigen Bekannten waren
die Scorbits, an die sie sich in jedem Fall halten
mussten.
Neben Uthe saß ihr Mann, scheinbar völlig
ruhig. Doch sie kannte ihn besser.
»Wir hätten schon lange da sein können!«
Uthe erwiderte nichts darauf. Sie wusste,
dass er eigentlich Recht hatte. Wären sie durch
einen der Transmitter gegangen, läge ihr Häuschen jetzt tatsächlich bereits vor ihnen. Doch
aus Rücksicht auf die beiden Zechonin hatten sie auf diesen Komfort verzichtet und sich
wie die meisten Menschen per Raumboot zum
Planeten bringen lassen. Bis sie dort ankamen,
68
D O R G O N
würde noch einige Zeit vergehen. Und sie würden sich daran gewöhnen müssen, auf verschiedene Dinge zu verzichten, denn die beiden
Mädchen würden auch weiterhin bei ihnen bleiben.
Eine Stunde später war es soweit. Die Jet
setzte auf dem Raumhafen des Regierungsgebäudes auf Mankind auf. Unzählige Roboter
verschiedenster Größen quirlten zwischen den
Beinen der gelandeten Verkehrsboote herum,
in dem Bestreben, den Neuankömmlingen ihr
Gepäck abzunehmen und sowieso die Laderäume zu leeren. Ein ständiges Summen erfüllte
die warme, etwas metallen schmeckende Luft
der neuen Welt. Uthe blickte interessiert den
schwer beladenen Robotträgern nach, die sich
vollbeladen systematisch verteilten Schächten
näherten und ihre Lasten in ihnen verschwinden
ließen.
Als die drei Frauen und der Mann einen
dieser Schächte passierten, konnten sie erkennen, dass knapp einen Meter unter der Bodenoberfläche das Entmaterialisierungsfeld eines
Abfertigungstransmitters glühte. Uthe erkannte erstaunt, dass die robotischen Einrichtungen Möglichkeiten haben mussten, die Frachtstücke dem jeweiligen Haushalt zuordnen zu
können. Demnach waren ihnen bereits individuelle Unterscheidungskriterien der Neuankömmlinge bekannt. Außerdem mussten entsprechende Hinweise an oder in den Gepäckstücken vorhanden sein.
Plötzlich tauchte ein Antigravgleiter auf und
lud die Vier mit geöffneten Türen zum Einsteigen ein. Auch hier hatten sie keine Möglichkeit,
ihr Ziel anzugeben. Der Autopilot beschleunigte den Gleiter unbeeinflusst.
»Es muss hier ein ausgeklügeltes
Informations- und Kontrollsystem geben, von
dem jede robotische Einheit ihre Informationen
bezieht.« Remus hatte also ebenfalls versucht,
die Perfektion der Abfertigung zu analysieren. »Demnach besteht die Möglichkeit, dass
das Besiedlungsprogramm nicht ausschließlich von Cascal und den anderen Verantwortlichen stammt, sondern von den lokalen Einheiten unterstützt wird. Wahrscheinlich wurde
die Auswertung der Wohnwünsche von EINSTEIN auf diese Rechner übertragen, die sich
Tobias Schäfer
nun um die richtige Unterbringung kümmern,
denn sie müssen ja am besten wissen, wo die
gewünschten Bedingungen anzutreffen sind.«
Wie die Gepäckstücke den einzelnen Wesen
zugeordnet wurden, konnte sich Uthe nun nach
Remus’ Ausführungen auch vorstellen. Dazu
mussten die Kontrolleinheiten des Raumhafens
während des Entladungsvorgangs die individuellen Impulse der Ankömmlinge registriert und
als Versandgrundlage für die Fracht benutzt haben. Die Lieferdaten wurden dann den Speichern entnommen, in denen das Ziel der Neuen verankert war. Ein einfaches System, wenn
die nötigen Abfertigungsanlagen zur Verfügung
standen.
Der Gleiter hielt nach dreiminütigem Flug
vor einer geräumigen Behausung, die von einem kleinen Garten umgeben war. Hier wuchsen alle möglichen Ziergewächse ebenso wie
zahlreiche Gemüsesorten und Obstpflanzen.
Uthe fühlte sich zurückversetzt in jene frühe
Zeit ihres Lebens, als sie noch in der Ruhe des
bürgerlichen Lebens gelebt hatte und von den
Gefahren des Universums nichts wusste.
Plötzlich fühlte sie einen stechenden
Schmerz durch ihren Kopf ziehen, als reiße
jemand alle Haare gleichzeitig einzeln heraus.
Stöhnend fuhr sie mit den Händen zu den Schläfen und sank langsam in sich zusammen.
Beunruhigt beugte sich Remus über sie und
versuchte, ihr wieder aufzuhelfen. Erst nach
mehrmaligen Bemühungen gelang es ihm. Er
führte sie in ihr neues Heim und ließ sie von
dem hausinternen Medokit untersuchen. Die
Diagnose lautete auf Stress und befahl einige
Stunden Ruhe. Aufatmend verabreichte Remus
seiner Frau die angebotenen Medikamente und
legte sie in ein Bett. Er wusste seit ihren Abenteuern mit Gal’Arn von einer leichten Reizbarkeit seiner Frau, wenn sie von fremden Welten, Atmosphären und Sonnen beeinflusst wurde. Hinzu kamen die lange Reise und die vielfältigen Eindrücke, die sie bereits in dieser Galaxis gesammelt hatten.
Mit einem missbilligenden Blick auf die
Zechonin verließ er den Raum und schlenderte
durch ihr neues Heim. Ihm war gar nicht recht,
dass die beiden Mädchen, die sie aus der Gewalt
von Prosperoh befreit hatten, sie auf Schritt und
Eine neue Heimat
D O R G O N
Tritt begleiteten, quasi eine Wohn- und Lebensgemeinschaft mit ihnen gebildet hatten. Hauptsächlich störte ihn ihre Unselbstständigkeit. Sie
waren auf ihn und seine Frau angewiesen, außer ihnen hatten sie keine Bekannten unter den
Galaktikern oder jetzt in der Insel.
Seufzend wandte er sich um und streunte
durch das Haus. Die geschmackvolle Einrichtung erstaunte ihn, denn sie entsprach genau seinen Vorstellungen. Dazu war das Haus nicht allzu groß, so dass eine gemütliche Atmosphäre
entstand. Es waren sogar komplett eingerichtete
Kinderzimmer vorhanden! Sollte das eine Aufforderung sein?
»Remus!«
Die geschwächte Stimme seiner Frau riss ihn
aus den Gedanken. Eilig begab er sich an ihr Lager – eine formenergetische Liege, bequem wie
man es sich nur vorstellen konnte und mit allen
Servomechanismen der Moderne ausgestattet.
»Remus, lass uns nach Hause fahren!« In ihrer Stimme klang die Resignation einer Seele
mit, die sich ihrer Schwächen durchaus bewusst
war, jedoch diese auf Dauer nicht überwinden
zu können glaubte.
»Komm zu dir, Schatz!« Remus hatte die
Krise sofort bemerkt und versuchte, seine Frau
zu unterstützen. »Es ist für niemanden leicht,
seine Heimat mit einer fremden Welt zu vertauschen – auch für mich nicht! Wir haben uns
jedoch freiwillig dazu bereit erklärt, Gal’Arn
zählt auf uns!«
»Mir wird schlecht, wenn ich nur an diese
Sonne denke...«
Ruhig saß Remus da und hielt ihre Hand. Er
ahnte, dass dies die schwerste Krise sein würde,
die sie psychisch durchzustehen hatten.
»Die Erde... !« flüsterte sie matt. »Ich kann
sie deutlich sehen... die tiefblauen, beherrschenden Meere, die eisbedeckten Pole! Kleine, paradiesische Inselgruppen zwischen den großen
Kontinenten...«
Er streichelte liebevoll ihre Wange und küsste sie auf die Stirn.
»Die Erde und der Frieden verlangt, dass der
Mensch Opfer bringt, ihn zu erhalten. Unser
Opfer ist die Abwesenheit von der Heimat!«
Draußen wurde es rasch dunkel. Remus
programmierte die syntronische Schlafkontrol-
69
le und kuschelte sich an seine Frau. Minuten
später war das Haus zum ersten Mal von Geräuschen schlafender Menschen erfüllt – Ruhe
und Frieden legte sich über die Welt.
*
25.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon,
3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren
...war die Besiedlung in vollem Gange. Die
Organisation musste als Produkt von kombinierter Kreativität des Menschen mit robotischer Genauigkeit der Syntroniken entstanden
sein. Es gab bisher nur wenige kleine Pannen, die allesamt auf emotionelle Starrköpfigkeit oder Verschleißerscheinungen im verwendeten Material zurück zu führen waren. Menschen strömten regelrecht aus den Transportraumern, wurden individuell abgefertigt und zu
ihren Wohnungen befördert. Groß angelegte Informationskampagnen sorgten für die Findung
in das Alltagsleben, das nun langsam seinen
Start nahm. Bis auf wenige Ausnahmen erhielten die Auswanderer entsprechende Tätigkeitsfelder wie seinerzeit auf der Erde und den anderen Heimatwelten.
Die meisten Menschen hatten sich nach einer
überstandenen Nacht in ihrer neuen Umgebung
soweit akklimatisiert, dass sie ihre Tätigkeiten
aufnehmen konnten. So wurde die Kapazität der
Abfertigung ständig gesteigert, denn die Unterstützung der Maschinen durch organische Intelligenzen war nicht zu verachten, und sie wuchs
ständig...
*
»Verbindungsshuttle Tr-31LI-12 von der D1.2 nach Siniestro klar zum Flug«, schnarrte die unmodulierte Stimmenimmitation des
einfachen Bordrechners. Jaaron Jargon nickte
zufrieden und erwartungsvoll, während seine
Nichte Nataly leise seufzte und die Arme verschränkte. In Gedanken suchte sie nach Möglichkeiten, Kontakte nach Mankind zu knüpfen,
um öfter mehr Zeit dort zu verbringen.
D O R G O N
70
»Dieses Zentralbewusstsein der Normalen«,
nörgelte ihr Onkel, der schon im gehobenen Alter stand. »Ich würde in dieser Masse eingehen!
Der Mensch muss sich auch mal von der Wichtigkeit und Popularität des Zentrums lösen können. Hoffentlich erkennst du bald die Wahrheit
in meinen Worten!«
»Ich fühle mich abgeschnitten von der
Hauptebene der Entwicklung!« beklagte sie
sich. »Und du musst zugeben, dass es auf Mankind ebenfalls dezentrale Wohnmöglichkeiten
gegeben hätte! Damit wäre für dich die Abgelegenheit gegeben, und ich müsste nicht absolut
ab vom Schuss mein Dasein fristen. Auf einem
einzigen Planeten ist es leichter, von einem Ort
zum nächsten zu kommen, als wenn es sich bei
den Orten nicht nur um Orte als solche, sondern
gar um Welten handelt!«
»Du redest wirr, mein Kind.« Der Alte legte
ihr begütigend die Hand auf den Arm. »Jedoch
werde ich dir nicht verbieten, deine Freunde zu
treffen und deine Freude zu haben. Nur halt dich
ein wenig zurück, verlass mich nicht gleich, ja?
Du bist meine letzte Verwandte, mein letztes
vertrautes Wesen.«
Nataly blickte ihm in die Augen. Nein, sie
konnte ihn nicht verlassen – noch nicht...
Der alte Historiker richtete sich ächzend auf.
Der lange Flug hatte ihn geschwächt. Doch das
störte ihn nicht, wenn er an die Aufgabe dachte, die ihm von einem mächtigen Wesen gegeben worden war. Er hatte die ersten Treffen auf
Paxus miterlebt. Dort hatte er die nötigen Kontakte geknüpft, um die Aufgabe DORGONs zu
dessen Zufriedenheit und zur Zufriedenheit aller Völker lösen zu können.
Eilig begab er sich in einen Raum seiner neuen Wohnung, der wie sein Arbeitszimmer eingerichtet war. Dort ließ er sich ohne zu zögern
in den großen Sessel fallen und begann sofort
mit der Analyse seiner bisherigen Aufzeichnungen. Allzu weit kam er heute allerdings nicht
mehr, zu sehr hatte sein Körper unter der Reise
gelitten und er schlief bereits wenige Minuten
später ein...
*
25.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrech-
Tobias Schäfer
nung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon,
3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren
...ging hervor, dass den Arkoniden und ihren Verbündeten ebenfalls eine geballte Siedlungszone gestellt wurde. Nur 1800 Lichtjahre von Mankind entfernt, etwa 2500 Lichtjahre südlich von Paxus gelegen. Entweder in gemeinsamen Systemen oder wenigstens in direkter Nachbarschaft siedelten dort Aras, Zaliter,
Antis und Mehandor-Sippen. Die Naats erhielten keinen eigenen Planeten, denn auch hier
setzte sich die arrogante Mentalität der Arkoniden durch: Entsprechend dem Vorbild aus der
Milchstraße wurden sie auf der neuen Welt Arkon V angesiedelt, wo ungefähr erträgliche Bedingungen herrschten. Zu dieser arkonidischen
Allianz zählten auch die echsenartigen Topsider. Der Sprachgebrauch der Insulaner prägte den Begriff Arkonidischer Block, konträr in
seiner Einstellung zum bekannten Terranischen
Block...
*
Rhonda saß im Wohnzimmer und starrte verdrießlich in eine Ecke. Sie war erst seit zwei Tagen hier und langweilte sich schon. Wie sollte
das nur weitergehen?
Plötzlich blickte sie auf.
Ihr Mann Henry Portland kam zur Tür herein. Erschöpft warf er die ID-Karte auf einen
Beistelltisch und entledigte sich seines Mantels.
Rhonda ging zu ihm und gab ihrem Mann
zur Begrüßung einen Kuß auf die Stirn.
»Wie war dein Tag, Liebling?«
Müde ließ sich Flakk Portland in den Sessel
fallen und rieb sich die Augen.
»Alles sehr anstrengend«, erzählte er verdrossen. »Cascal und ich sind dabei, die Soldaten einzuquartieren, den Stab festzulegen,
die Standorte der Kasernen zu bestimmen, die
Schiffe mit fähigen Soldaten zu besetzen und
sie entsprechend im Terra-Block zu verteilen.
Sehr viel Papierkram...«
Rhonda hörte gespannt zu.
»Aber das ist doch eine spannende Sache.
Du bist ein sehr bedeutender Mann, Flakk. Das
D O R G O N
Eine neue Heimat
ist die Chance, auf die wir immer gewartet haben. Du hast sogar mit Perry Rhodan persönlich
gesprochen, als wir noch in der Milchstraße waren.«
Flakk nickte schwach. Irgendwie war dieser
Job nicht das richtige für ihn. Er wollte lieber
ein Raumschiff kommandieren. Doch natürlich
wollte er weder Rhodan noch Cascal enttäuschen. Außerdem war er ein Soldat, der seine
Befehle zu befolgen hatte.
»Wir müssen vielmehr überlegen, was ich
die ganze Zeit über tun werde«, seufzte Rhonda.
»Ich fühle mich so alleine. Keine unserer Freunde sind mitgekommen und ich habe bis jetzt keine Leute kennengelernt.«
»Wir sind doch erst wenige Tage hier, Rhonda!« stellte Flakk fast schon ungehalten fest.
Er konnte das ewige Nörgeln seiner Frau nicht
mehr hören.
»Denk doch auch einmal an mich. Nicht immer nur an deine Arbeit, Flakk!«
»Wenn alles seinen gewohnten Gang nimmt,
dann können wir auch mehr tun. Aber im Moment habe ich keine Zeit.«
Frustriert zog Portland wieder seinen Mantel an und kehrte zur Arbeit zurück. Da hatte er
wenigstens seine Ruhe.
Rhonda blickte ihm verständnislos hinterher
und schenkte sich ein Glas Wein ein. Sonst hatte
sie ja nichts zu tun.
*
28.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon,
3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren
...hatte der Führer der Arkoniden die Benennung der Hauptplaneten übernommen. Neben
der Hauptwelt »Bostich« wurden die Militärplaneten nach altarkonidischem Vorbild »Arkon IV« bis »Arkon VI« getauft. Die wichtigste Nachricht, spiegelte sie doch die Einstellung
des imperialen Vertreters wider, war die Nachricht von einer weiteren Welt, die seinen Namen
erhielt: Jenmuhs.
Ein ausgesprochen schlauer Zug DORGONs
war die Ansiedlung der Linguiden zwischen den
beiden großen Machtblöcken der Terraner und
71
der Arkoniden. Dieses friedliebende Volk besiedelte als einziges die brodelnde Zone, kein weiteres System erhielt neue Bewohner. Die so entstandene Pufferzone wurde von den Terranern
aufatmend registriert, denn ihnen lag tatsächlich an einem friedlichen Zusammenleben mit
allen anwesenden Völkern, um dem großen Projekt der Entität zur Verwirklichung zu verhelfen
und damit nicht nur sich selbst, sondern ebenso
andere Völker und vielleicht das gesamte Universum vor dem prophezeiten Chaos zu schützen...
*
Behäbig bewegte sich die Gestalt durch
sehr luxuriös eingerichtete Räume. Nur 1,51 m
klein, mit einer für Arkoniden ungewöhnlicher
Speckschicht, die ihm ein Gewicht von 120 kg
bei einer Schwerkraft von 1 g normal bescherte,
schien es eher, als würde er rollen denn laufen.
Doch Terz von Eskor hütete sich vor Äußerungen dieser Art. Er wusste, dass Uwahn Jenmuhs
darauf äußerst empfindlich reagierte, brutal reagierte. Der kleine Sadist forderte die Menschen
seiner Umgebung regelrecht heraus, damit er sie
nachher leiden sehen konnte.
»Mir scheint, dieser seltsame DORGON ist
ein verweichlichtes Wesen mit utopischen Vorstellungen!« setzte Jenmuhs wieder an. »Das
Universum bedroht! Das ich nicht lache! Und
diese popelige Galaxis mit ihren Bewohnern ist
dazu geschaffen, es zu retten!«
»Vielleicht ist da was Wahres dran, Erhabener!«
Jenmuhs grinste überheblich.
»Ja ich weiß, dir kann man so was erzählen,
und du glaubst es! So wie die anderen Minderbemittelten, die Terraner allen voran!« Er holte mit einer großartigen Geste aus und legte
sich die Hand auf die dicke Brust. »Ein Herrscher von meinem Format jedoch weist derartige Hirngespinste mit aller Energie von sich.
Möge den armen Würmchen diese Weisheit irgendwann von nutzen sein!«
Ächzend setzte er sich in einen prunkvollen
Sessel.
»Terz, mein Lieber! Hast du diesen Kerl, der
mir vorhin über den Weg lief, exekutieren las-
D O R G O N
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sen? Und eine Aufnahme für heute Abend davon gemacht?«
Der Angesprochene nickte geekelt, doch der
Dicke gluckste vor Begeisterung.
»Meine Größe wird sich schnell im Gedankengut der Völker verfestigt haben! Komm,
Terz, setz dich ruhig.« Demütig gehorchte der
Arkonide. Es war am Besten für das eigene Leben, wenn der Imperator recht hatte.
»Man müsste mal was anderes machen«,
überlegte Jenmuhs laut, abrupt das Thema
wechselnd. »Immer nur das gleiche Verfahren
wird irgendwann auch auffällig. Wenn ich die
Herrscher einfach psychischem Druck aussetze? Ich meine, wenn meine Psychologen ihr
Handwerk so gut verstehen wie ich meines,
dann dürfte es für sie kein Problem sein, mit
Psychoterror an der Erweiterung des neuen Reiches zu arbeiten...«
So schwelgte er in Träumen, die bei ihm
rasch in ernste Pläne umschlagen konnten.
»Terz, du darfst mir deine Meinung dazu sagen!«
Terz von Eskor richtete sich etwas auf und
sagte leise: »Ich bewundere Eure planerischen
Fähigkeiten, Erhabener! Nur glaube ich, dass
diese Art von Eroberungsmaßnahmen um viele Zeiteinheiten länger dauern würden.«
»Das weiß ich, denn meine Überlegungen
dienten nur deiner Überprüfung!« sagte der Widerling mit schneidender Arroganz in der Stimme. »Du hast knapp bestanden. Du kannst gehen!«
Der jüngere Arkonide richtete sich rasch auf,
verbeugte sich demütig und ging gebückt zur
Tür.
»Halt! Morgen um diese Zeit erwarte ich Ergebnisse!«
*
29.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon,
3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren
...war die weitere Aufteilung der Galaxis bekannt. Nordwestlich von Mankind, angrenzend
an den Terranischen Block lagen die Systeme,
die DORGON den Völkern aus Estartu zuge-
Tobias Schäfer
teilt hatte. Sruel Allok Mok als Vertreter der
Völker aus Siom Som war bekannt als Freund
und Verbündeter der Terraner, so dass aus dieser Konstellation keine Probleme entstanden.
Eher Gegenteiliges war der Fall, denn die Völker ESTARTUs vertraten ebenfalls den eigentlichen Sinn des kosmischen Projekts.
Die aus der Eastside der Milchstraße stammenden Blues fanden ihr neues Gebiet in der
Westside von Cartwheel, gemeinsam mit weiteren Völkern. Ihnen war es nur recht, dass sie in
gebührendem Abstand zu den Arkoniden siedeln
konnten. Ob ihre Position jedoch von Vorteil
war, musste sich erst noch herausstellen, denn
auf der Nordwestseite der Galaxis wurden weitere als gewalttätig bekannte Völker ansässig –
unter ihnen waren wohl die Dscherro die unheimlichsten, neben ihnen fanden auch die Hauris und Überschweren ihre neue Heimat hier,
in der Nähe der Völker ESTARTUs. Auffällige
Raummerkmale gab es wenige, die einzige Besonderheit war ein kleiner Nebel, der die Nordseite markierte...
*
Es war an der Zeit, aktiv zu werden. Sein
Volk benötigte wieder eine starke, führende
Hand. Dies war sein erstes Ziel auf dem Weg
zur Rache. Er musste erst seine eigene Position
stärken und festigen, dann konnte er sich langsam auf sein Hauptziel konzentrieren.
Leticron, in dem Körper des Überschweren
Siddus, verzog sein Gesicht, das nun einer entstellten diabolischen Grimasse glich. Obwohl er
den Plan des Ersten Sohn des Chaos nicht vollständig verstand, hatte er keine Bedenken, seinen Teil zum Erfolg beizutragen – schließlich
hatte Cau Thon ihm ein neues Leben in Freiheit geschenkt und ihn so zu seinem Werkzeug
gemacht. Und die Rache war sein!
Nur mühsam gelang ihm die Rückkehr in
die Realität. Als er sich umblickte, fand er sich
in einem Stadtteil wieder, der seinem Ziel nahe lag. Alles klar, jetzt war es nicht mehr weit.
Er war auf dem Weg zum vorläufigen Büro
von Michael Shorne, dem Wirtschaftsriesen, als
dessen Stellvertreter er zur Insel aufgebrochen
war. Anerkennend nickte Nor’Citel, als er die
Eine neue Heimat
D O R G O N
weithin sichtbaren Reklame- und Werbeanimationen bemerkte, von ihnen förmlich erschlagen wurde. Shorne machte sich bereits breit.
Und dabei befanden sie sich erst seit drei Tagen auf dieser Welt! Der Terraner musste schon
im voraus geplant haben, wenn nach drei Tagen bereits die gesamte Stadt und wahrscheinlich noch viel mehr von seinen Animationen erstrahlte. Nor’Citel konnte nicht umhin, diesen
Geschäftsgeist zu bewundern.
Weithin sichtbar leuchtete das neue Symbol
von SHORNE INDUSTRY über die Stadt – eine flach ausgestreckte Hand, auf der sich eine scheibenförmige Galaxis drehte: Cartwheel.
Shorne zeigte hier deutlich, in welche Richtung
seine Ambitionen gingen.
Nor’Citel bewegte sich gemächlich auf das
protzige Bauwerk zu. Davor hielt er kurz inne
und legte den Kopf in den Nacken. Dort oben
stand er jetzt am Fenster und bewunderte seine
Genialität. Der Überschwere grinste spöttisch.
Solange er die Völker schwächte und ausbeutete war nichts gegen seine Maßnahmen einzuwenden. Um so bereitwilliger würden sie ihm
folgen, wenn es an der Zeit war.
Er durchschritt die formenergetische Wand,
deren Sensormechanismen ihn als des Zutritts
befugt identifiziert hatten und eine semipermeable Strukturlücke öffneten. Dabei war die Energie gleichgepolt mit seinen Individualimpulsen, kein Körper anderer Frequenz konnte diese Strukturlücke durchdringen. Innerhalb des
Gebäudes wurde er von einem zielgerichteten
Antigravfeld erfasst und auf direktestem Weg
zum Chef der Firma transportiert. Dieser Service wurde nur jenen wenigen wichtigen Persönlichkeiten zuteil, die erstens das Vertrauen
Shornes besaßen und zweitens von ihm erwartet wurden. Unerwarteter Besuch war hier nahezu unmöglich, zu viele Sicherungen verhinderten das unbefugte Eindringen. Shorne verstand
es perfekt, sich abzusichern und eventuellen unüberlegten Taten vielleicht unzufriedener Kunden vorzubeugen. Bisher hatte es noch niemand
geschafft, ohne seine Einwilligung bis zu ihm
vorzudringen.
Als Nor’Citel aus dem Feld entlassen wurde, fiel ihm wieder auf, wie weit die persönliche oder nachträgliche Einrichtung schon fort-
73
geschritten war. Drei Tage der Anwesenheit hatten gereicht, um dem Gebäude einen hochpersönlichen Touch zu verleihen. Überall standen,
hingen oder lagen Gegenstände, Grafiken und
Bodenbeläge, die vom übermäßigen Reichtum
des Mannes und der Firma zeugten.
In einem weichen, bequem aussehenden Sofa saß der Mann, der die Firma zu diesem
Machtfaktor ausgebaut hatte. Mit 184 cm ein
Mann durchschnittlicher Größe, die schwarzen
Haare korrekt gegelt. Der Hausanzug von Krugo Bross musste ein kleineres Vermögen wert
sein. Neben ihm lag noch der kleine Ball, den
er häufig zu kneten pflegte.
»Ich bin positiv überrascht!«
Nor’Citel ging unpersönlich lächelnd auf die
Couch zu und reichte Shorne, der sich lässig
erhob, die Hand. Dabei ging er derart vorsichtig und höflich vor, dass Shorne nichts von seinen gewaltigen Körperkräften bemerkte. Obwohl Shorne einen außergewöhnlich athletischen Eindruck machte, musste er um einiges
schwächer sein als der Überschwere. Nor’Citel
hatte sich angewöhnt, gute Beziehungen, die
er jetzt noch benötigte, nicht durch übermäßige Kraftakte zu zerstören. Später würde er das
natürlich nicht mehr nötig haben. Keiner würde
ihm mehr die Hand schütteln – ob nun gewollt
oder nicht. Er würde der unpersönliche Herrscher werden, jedem Kontakt fern.
Shorne deutete auf eine weitere Couch, nicht
weniger gemütlich als die eigene, doch für das
Gewicht eines Überschweren eher geeignet.
»Gut, dass Sie kommen«, eröffnete er das
Gespräch. In der Firma hatte sich wieder die alte Form der Anrede durchgesetzt, die bei weitem nicht so persönlich war und zu mehr Respekt der Beteiligten untereinander führte.
»Meine Pläne sind weitgehend fertig gediehen. Ich werde mich so bald wie möglich aktiv betätigen. Der Vorsprung muss gehalten und
ausgebaut werden! Nur noch einige Jahre, vielleicht, und die Galaxis ist unser!«
Nor’Citel erlaubte sich ein zurückhaltendes
Lächeln. Natürlich wusste er, dass Shorne nicht
im Traum daran dachte, ihn an seinen Geschäften und Erfolgen zu beteiligen.
»Ich zweifle nicht an dem Erfolg! Der Plan
entspricht ganz meinen Vorstellungen.«
74
D O R G O N
Shorne stand auf und trat an die Glassitwand,
die ihm den Blick über die gigantische Stadt
freigab. Euphorisch breitete er die Arme aus.
»Es gibt keine Abwehr! Ahnungslos werden
sie mir in die Fänge laufen. Ich werde mich
rasant ausbreiten. Das wird ihnen noch keinen
Grund zum Eingreifen liefern. Dann werde ich
langsam meinen Einfluss in die einzelnen Politiksphären und in den Bevölkerungsschichten
erweitern. Und wenn es dann soweit ist, werden
sie sich hüten, meine Position anzugreifen. Das
wäre ihr Untergang, und sie werden es wissen!«
Shorne wandte sich um. Da saß der Überschwere auf der Couch, ein winziges kaltes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Shorne lief
es eiskalt den Rücken herunter. Ihm war dieser
Mann noch immer unheimlich, obwohl er bereits hervorragende Arbeit für Shorne geleistet
hatte.
Shorne fuhr fort, seine Pläne genauer darzustellen.
»Es wird eine Wandlung in der Wirtschaft
stattfinden. Die bisherigen sozialen Strukturen
werden verschwinden und der absoluten Marktwirtschaft das Feld räumen. Das Individuum
wird endlich wieder dazu gebracht, seine gesamte Leistung in den Dienst der Wirtschaft
zu stellen. Arbeitszeitlimit ist Schnee von gestern!« Stolz machte er eine Pause, um die
Wirkung des alten Sprichwortes zu beobachten.
»Und der Mensch kann arbeiten, solange und
soviel ihm beliebt oder soviel und so hart es
seine Lebenserhaltung fordert. Der totale Kapitalismus wird ein Comeback feiern, wie es niemand mehr geglaubt hätte!
SHORNE INDUSTRY ist das Symbol der
Macht, ich werde durch die Beherrschung des
Marktes nicht mehr aufzuhalten sein! Mein
Reichtum wird mir auch die letzten Türen zur
Macht über die Insel öffnen. Und dann behaupte nochmal einer, Politik sei unabhängig von der
Wirtschaft!«
Hämisch grinsend blickte er in die Ferne.
Macht! Er konnte die magische Anziehungskraft fast körperlich fühlen, aber er konnte ihr
nicht widerstehen. Auf diese Chance hatte er
seit langen Jahren gewartet. Cartwheel würde
sein Sprungbrett zu großer, galaxisübergreifender Macht sein!
Tobias Schäfer
Er erinnerte sich, dass da ja noch Nor’Citel
war. Weshalb war er eigentlich gekommen? Er
drehte sich zu dem Riesen um.
»Was halten Sie davon?«
»Der Plan ist vielversprechend.« Nor’Citel
nickte überzeugt. »Doch ist meine Aufgabe eine
andere. Ich habe Sie soweit unterstützt, wie es
mir möglich war. Dafür haben Sie mir die Reise hierher ermöglicht. Eine Hand wäscht hier
also die andere. Wir bildeten eine gute Gemeinschaft«
»Sie reden so, als wollten Sie uns verlassen?!
Es wäre doch schade um diese Erfolgsgemeinschaft, von der Sie eben sprachen! Aber ist das
der Grund Ihres Erscheinens?«
Leticron nickte stumm und wartete auf eine
Reaktion.
»Ich verstehe Sie nur teilweise. Was bewegt
Sie, mich zu verlassen, wenn Sie von der Qualität meines Planes überzeugt sind? Welche Aufgabe kann mehr bieten als diese?«
»Es ist richtig, das können Sie nicht verstehen. Es handelt sich um eine Sache, die außer
mir nur noch einer Person bekannt ist. Und es
betrifft eine persönliche Schmach, die mir zugefügt wurde. Es ist mein Ziel, meine Rache zu
vollziehen. Was danach ist, steht in den Sternen,
aber ich werde Sie nicht vergessen. Leben Sie
wohl!«
Unbewegt drehte er sich um und verließ die
Zentrale der Firma, einen beeindruckten Shorne zurücklassend. Sein nächstes Ziel hieß New
Paricza.
10.
Der 30. Juni 1296 NGZ
Eine Woche war vergangen, seit die Besiedlung der Planeten begonnen hatte. Joak Cascal konnte stolz auf die Leistung der Organisation blicken. Es hatte so gut wie keine Pannen gegeben, eigentlich müssten alle Menschen
wunschgemäß versorgt sein. Es hatte jedenfalls
noch keine Beschwerden gegeben, nicht einmal
Rückfragen. Es schien so, als warteten die Menschen auf weitere Informationen durch die Verantwortlichen.
Eine neue Heimat
D O R G O N
Der Terramarschall nickte. Für heute Abend
war eine erste Besprechung angesetzt worden,
die erste seit der gelungenen Besiedlung der
Welten. Die nächsten Schritte sollten besprochen, Aufgaben und Verantwortungsbereiche
vergeben werden. Cascal hatte schon eine gewisse Vorstellung vom Verlauf der Sitzung,
denn ihm waren alle Fakten bekannt. Seufzend
ließ er sich von den Energiefeldern tragen, massieren und pflegen. Es war eine anstrengende
Woche gewesen.
Vor zwei Tagen war Julian Tifflor bereits
wieder zur Milchstraße aufgebrochen. Er war
zwar der eigentliche Vorstehende dieses Projekts, jedenfalls aus terranischer Sicht, TerraAdministrator in Cartwheel mit dem Stellvertreter Don Philippe. Doch auch in der Milchstraße warteten Aufgaben auf ihn, er war von
seinen dortigen Pflichten nicht entbunden. Daher würde er vordringlich dort leben, so oft
wie möglich jedoch nach Cartwheel kommen,
um die Verbindung aufrecht zu erhalten und
seine Erfahrung in den Dienst des Projekts zu
stellen. Während seiner Abwesenheit fungierte
der Marquese als politischer Vorsitzender, Joak
Cascal war für Sicherheit und Rüstung verantwortlich.
Um 16.30 Uhr cartwheelscher Standardzeit
betrat Cascal frisch und ausgeruht den Konferenzraum 1.2 im Terra-Parlament auf Mankind. Verblüfft verhielt er im Schritt, als er
die bereits vollständig anwesenden Verantwortlichen erblickte. An dem runden, schwarz glänzenden Tisch saß ganz hinten der Marquese
von Siniestro, in angeregtem Gespräch mit Sandal Tolk vertieft, der sich anscheinend nicht
klar darüber war, ob er seine linke Augenbraue
besser hochziehen konnte als die rechte. Am
großen Panoramafenster standen Timo Zoltan,
der Chefwissenschaftler Mankinds, Irwan Dove, der Sicherheitschef der IVANHOE, Xavier
Jeamour, der Kommandant der IVANHOE und
Mathew Wallace, der Chef der Beibootflottillen
der IVANHOE. Die Gefährten aus den DorgonEinsätzen legten einen gut gelaunten Ausdruck
an den Tag. Ihr Lachen schallte hin und wieder
von den Wänden wider. Der Somer Sruel Allok
Mok, kurz Sam, saß neben Henry >Flakk< Portland auf der Tischkarte und glättete sein Ge-
75
fieder, während Flakk eine alte Raumfahrergeschichte erzählte. Und schließlich – in trauter
Dreisamkeit – Uthe und Remus Scorbit bei dem
Elaren Gal’Arn. Sie spielten sogar Karten!
Anscheinend hatte keiner bemerkt, dass Cascal den Raum betreten hatte. Eigentlich hatte er
das auch noch gar nicht richtig. Er stand immer
noch total verdattert in der offenen Tür, die immer wieder versuchte zu zu gleiten, aber stets
an seinem verlängerten Rücken scheiterte.
»Was ist denn hier los?« stieß Joak schließlich hervor.
Da hatten sie es bemerkt. Das Stimmengewirr verstärkte sich noch, jeder rief ihm seine
Glückwünsche zu seinem ach so pünktlichen
Erscheinen zu.
»Anscheinend war ich nicht pünktlich.«
Langsam fasste er sich wieder und trat wenigstens aus der sich unablässig schließenden Tür
heraus, was mit einem johlenden Applaus belohnt wurde. »Danke, Leute. Aber kann mir
jetzt mal einer von euch Komikern erklären,
was hier gespielt wird?«
»Wir spielen MauMau, ich weiß nicht, was
die anderen spielen!« Gal’Arn blickte ihn todernst an. »Dieses Spiel ist übrigens sehr interessant, du solltest es auch ma...«
»Schluss jetzt!« Cascal lachte schallend, und
Gal’Arn stimmte herzhaft ein. »Okay, es scheint
als sei ich um eine gewisse Zeitspanne zu spät
gekommen. Aber wieso hat mich niemand benachrichtigt?«
»Naja, hätten wir ja, wenn du überhaupt
nicht gekommen wärst! Aber bisher sahen wir
das als willkommene Pause an!« Uthe mischte
ruhig weiter.
Cascal stöhnte auf. »Ach ja, willkommene
Pause, was? Und ich ackere mich die ganze Zeit
ab!«
Wallace lachte höhnisch.
»Von wegen! Geschlafen hast du!«
»Hm, ja, aber hattet ihr nichts zu tun, als hier
herum zu blödeln?«
»Mach dir nichts draus, Joak, wir sehen über
deine Fehler gerne hinweg«, fiel Don lächelnd
ein. »Und nun lasst uns anfangen!«
Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden,
so dass Cascals Frage unbeantwortet blieb. Er
übersah dies mit einem heimlichen Lächeln.
76
D O R G O N
»Ja, Leute, jetzt sitzen wir hier«, begann er.
»Die erste Phase des Planes ist geglückt – die
Besiedlung ist sehr zufrieden stellend verlaufen
und erfolgreich abgeschlossen. Die Menschen
leben so wie zuvor jahrelang auf Terra und anderen Welten der Milchstraße. Noch ist alles ruhig. Aber ich glaube, jeder von uns weiß, dass
es nicht immer so bleiben wird. Deshalb sollten
wir jetzt langsam, überlegt und zielstrebig die
nächsten Schritte einleiten, die zu einem stabilen Gerüst führen, von dem aus wir das kosmische Projekt einleiten können.«
»Die Menschen warten auf neue Instruktionen und Informationen!«
»Richtig, Flakk! Deshalb werden wir sie
auch nicht lange warten lassen. Ich denke, diese Aufgabe übernimmt Don. Gal’Arn und Jonathan... Wo ist Jonathan überhaupt?«
»Er kommt gleich wieder«, warf Arn ein.
»Als du dich nicht sehen ließest schickte ich ihn
nach einigen Getränken.«
»Na gut. Also, wir alle können uns darüber
freuen, wie akribisch DORGON uns unterstützt
hat und welche perfekten Zustände wir hier
vorfanden. Es wird uns und den Menschen sicherlich leicht fallen, hier die normalen Zustände wie in unserer Heimat, also was Handelsrouten, -planeten und dergleichen betrifft, zu
schaffen. Die Organisation eines Staates ist da
schon schwieriger. Unsere kleine hier anwesende Gruppe wird in der ersten Zeit die Hauptlast zu tragen haben, und auf jedem wird die
gleiche Verantwortung liegen. Sie wird sicher
nicht immer leicht zu tragen sein, wird wahrscheinlich oftmals stärker drücken als in der
Milchstraße, wo alles seinen relativ geordneten Gang lief, doch ist jeder von uns in der
Lage, diesem Druck standzuhalten. Ich glaube,
dass der Aufbau eines sicheren und angesehenen Staatssystems nicht so einfach sein wird,
wie wir uns das ursprünglich vorgestellt haben.
Tobias Schäfer
Deshalb muss sich jeder von uns auf den anderen und vor allem auf jeden anderen verlassen
können, um reinen Gewissens handeln zu können. Jedem muss die Unterstützung der anderen
sicher sein. Es muss ein reger Informationsaustausch herrschen, regelmäßige Sitzungen veranstaltet werden und Aufzeichnungen davon müssen jedem zugänglich sein.«
Cascal machte eine kurze Pause, nahm ein
Glas Wasser von Jonathan Andrews entgegen
und nickte ihm grüßend zu. Dann fuhr er fort:
»Je länger ich darüber nachdenke, desto
schwieriger scheint mir die Situation tatsächlich zu sein. Dscherro und Arkoniden werden
nicht einfach zu handhaben sein, auch die Überschweren werden sicherlich nicht nur Ruhe halten. Aber es ist jetzt schon sicher, dass wir ein
besonderes Augenmerk auf die Dscherro und
Arkoniden haben müssen!«
»Was hältst du von den Bestien aus M 87?«
warf Wallace kritisch ein. »Meiner Ansicht
nach sind sie nicht weniger gefährlich. Dieser Torsor hat eine außergewöhnlich böse Ausstrahlung, wenn ich das mal so sagen darf. Irgendwas stimmt mit ihm nicht.«
»Du hast Recht, natürlich. Diesen drei Völkern sollte unsere Hauptaufmerksamkeit gelten.
Unsere Diplomaten, vordringlich der Marquese und Sam, müssen unbedingt in den Rat von
Paxus gelangen. Ich kann mir vorstellen, wie
schwer das werden kann, aber denkt daran, dass
es nicht in unserem Interesse liegen kann, wenn
Uwahn Jenmuhs oder Taka Kudon Entscheidungsgewalt in dem kosmischen Projekt erhielten. Es ist schon völlig ausreichend, dass sie
Völker und Systeme befehligen können! Haltet
euch das immer vor Augen! Wir streben eine
Insel des Friedens und der Einheit an, die sich
nur zum Schutz der Völker und des Universums
kriegerisch, militärisch betätigt!«
Heft 43
Auf der Insel
Die Saggittonen besiedeln die neue Kleingalaxis - Streit unter den Völkern
von Ralf König
Titelbild von Reiner Strucke
Auf der Insel
D O R G O N
Prolog.
Mitte Juli, 1296 NGZ
Jimmy Jenkins rieb sich die Hände. Die neue
Galaxis war vielversprechend, erwies sich als
eine Art Goldgrube, die ihm eine Menge Geld
eingebracht hatte. Und eigentlich waren sie erst
zwei Wochen hier. Wenn die Geschäfte so weiterliefen, dann würden sie sicher innerhalb des
ersten Jahres reich sein.
So hatte er sich das vorgestellt. Ein neuer Planet, eine neue Galaxis und eine Menge
Menschen, die alle nach den alten Gütern suchen würden. Warum auch nicht, schließlich
war man an einem Ort, in den man sich erst einmal einleben mußte. Und das konnte man immer noch am leichtesten, indem man sich mit
Dingen eindeckte, die man auch von zu Hause
kannte.
Jenkins hatte eine einfache Strategie. Er bot
seine Waren in einem gemieteten Laden in New
Terrania an, aber auch über das INSELNET, ein
Netzwerk, das in dem neuen Gebilde eine ähnliche Struktur wie zu Hause schuf. So mußten die
Menschen nicht auf gewohntes verzichten, auch
wenn die Inhalte naturgemäß anders waren, als
über GALORS.
Wie auch immer, sein Laden im INSELNET
war ein voller Erfolg gewesen. Antiquitäten aus
Terrania fanden immensen Absatz und er hatte
fast schon Probleme, für Nachschub zu sorgen.
Da kam ihm das Angebot von SHORNE INDUSTRIES ganz recht. Der Industriegigant bot
ihm an, den Vertrieb über INSELNET und seinen Laden zu übernehmen, während das große
Unternehmen für den großen Nachschub sorgen
wollte. Jenkins nahm an und schloß einen Vertrag mit Shorne persönlich, der sich den erfolgreichen Geschäftsmann bei den Verhandlungen
genau angesehen hatte. Jenkins war das nicht so
richtig aufgefallen, er war immer noch der Meinung, einen tollen Deal gemacht zu haben.
Und indem er sich auf das Direktmarketing
über INSELNET konzentrierte, sparte er sich
eine Menge, denn die meisten Kosten würde
SHORNE tragen müssen.
Andererseits würden sie auch eine Menge
der Einnahmen bekommen. Jenkins hatte da-
79
für einiges an Vorleistungen erbringen müssen,
machte sich darüber aber weniger Sorgen, denn
im Augenblick schien alles nach Plan zu laufen. Wenn sich die Voraussetzungen nicht änderten, dann würde er nach Ablauf eines Jahres
so viel Geld haben, daß er nach Terra zurückkehren und dort das Leben genießen konnte.
Oder sich irgendwo einen paradiesischen, aber
unbewohnten Planeten zulegen konnte, auf dem
er sein Leben weiterleben konnte.
Zufrieden nickte Jenkins seinem Spiegelbild
zu, das sich in der Eingangstür spiegelte.
*
Er ahnte nicht, daß im selben Augenblick
ein anderer Terraner in einem anderen Büro, in
der obersten Etage eines Hochhauses, vor einem Panoramafenster stand und über das blühende New Terrania hinwegblickte.
Die Sonne strahlte und brachte einige der
Glasbauten zum glitzern, warm war es draußen, in diesen Breiten des Planeten herrschte ein
Sommer, der so genau zur Stimmung von Michael Shorne paßte, daß dem sonst eher ernst
blickenden Industrieboß ein Grinsen ins Gesicht stieg.
Er knetete seinen Knetball diesmal mit besonderer Hingabe, verfolgte die Flugbahn eines
Gleiters, der gerade steil aufsteigend im Himmel über der Stadt verschwand und verglich die
Flugbahn mit der Bahn, die seine Gewinnkurve bald beschreiben würde, wenn er so weitermachte, wie er im Augenblick anfing.
Um die ersten erfolgreichen Geschäfte in der
neuen Siedlung hatte er sich noch persönlich
gekümmert, jetzt aber würden seine Schergen
loslegen und in seinem Sinne weitermachen. Er
drehte sich langsam um und ging zu seinem
Schreibtisch. Eine Grafik wurde über die Platte
projiziert, die New Terrania in einer schematischen Zeichnung darstellte.
Weitere Grafiken stellten dar, wie viele der
Geschäfte in New Terrania ihm bereits gehörten oder in Kooperation mit ihm arbeiteten. Im
Augenblick lautete die Zahl auf der Grafik 27
Danach würden über Strohmänner weitere
Händler überall in der Insel in sein Netz gehen und früher oder später ein Netzwerk bilden,
D O R G O N
80
das es ihm ermöglichte, den gesamten Handel
in dieser Kleingalaxis zu kontrollieren.
Und das alles vollkommen unbemerkt von
der neuen Regierung, denen wohl ein Homer
G. Adams im Augenblick fehlte, die gerade erst
dabei waren, eine Regierung überhaupt aufzubauen und solche wichtigen Regierungsstellen
wie ein Kartellamt oder eine Finanzverwaltung
noch gar nicht bieten konnten.
Wie angenehm, dachte Shorne und ließ sich
in seinem Sessel nieder.
Wenn alles dann in seinem Besitz sein würde, dann würde er die Preise diktieren und damit auch seine Gewinne auf eine Art und Weise
optimieren können, von der jeder Unternehmer
nur träumen konnte.
Eine Sekunde lang gab er sich seinen Träumereien hin, dann konzentrierte er sich auf weitere Meldungen, die aus allen Teilen des terranischen Einflußbereichs hereinkamen.
Die Zukunft sah ziemlich sonnig aus. Shorne
hoffte, daß das auch so bleiben würde.
1.
Schwierigkeiten
Julian Tifflor blickte sich um. Irgendwie kam
er sich verloren vor in der großen Halle, die
im neuen Regierungspalast der Hauptstadt des
Terra-Blocks gelegen war. Eine Menge Menschen umgab ihn und bildete ein Chaos, das seinesgleichen suchte. Das war nun nicht wirklich
verwunderlich. Ein Projekt wie die Schaffung
der Insel hatte es in der Geschichte der Milchstraße noch nie gegeben. Das Ergebnis dieses
Experiments würde eine Galaxie sein, die in
vielen Bereichen eine genaue Kopie der Milchstraße war, allerdings ergänzt durch eine Menge Völker, die aus anderen Galaxien oder sogar
Mächtigkeitsballungen kamen. Was DORGON
damit bezweckte, war niemandem so richtig
klar. Und das würde sich auch noch eine ganze Weile nicht ändern.
Tiff gab sich einen Ruck und folgte dem
Strom der Menschen, die durch die Empfangshalle seines Regierungsgebäudes rannten. Im
Augenblick fühlte er sich nicht wirklich als der
neue Regierungschef des Terra-Blocks. Mehr
Ralf König
wie ein Verwalter, dem eine Verwaltung fehlte. Und das war mit Sicherheit das Schlimmste,
was einem Verwalter fehlen konnte.
Er erreichte den zentralen Antigrav und ließ
sich in den obersten Stock des Gebäudes tragen.
Seit der Erfindung des Aufzuges war es in terranischen Herrschafts- und Verwaltungsgebäuden
üblich, daß der Chef oben saß und angenehmerweise hatte DORGON ihnen in den vorbereiteten Städten des Terra-Blocks auch sehr terranische Lebensweisen ermöglicht, so daß es in
einigen Bereichen durchaus möglich war, sich
wie zu Hause zu fühlen.
Das lag daran, daß DORGON, die Superintelligenz aus der Mächtigkeitsballung der Dorgonen, nicht nur eine riesige Sterneninsel neu
belebt hatten, sondern auf den einzelnen Planeten nicht nur Städte, sondern eine auf das jeweilig dort lebende Volk abgestimmte Infrastruktur gleich mitgeliefert hatte. Das setzte voraus,
daß DORGON sehr viel über die an dieser Aktion beteiligten Völker wußte. Und das traf definitv auch zu, wie Tifflor am Beispiel seines
kleinen Sternenreiches erkennen konnte. Was
DORGON hingegen plante, konnte er nicht erkennen. Aber das würde sich sicher bald zeigen.
Tifflor verschwendete einen Augenblick an
tiefergehende Gedanken über seine Motivation, DORGON zu helfen. Vermutlich war es
ein großer Fehler, sich einfach so blauäugig in
die Hand einer Superintelligenz zu begeben, die
man bis vor kurzem noch nicht einmal gekannt
hatte. Nun, mittlerweile kannte man sie und
DORGON hatte sich als sehr positive SI erwiesen. Andererseits war Tiff sich durchaus nach
den Geschehnissen am PULS darüber im klaren, daß positiv wohl nicht gut bedeuten mußte. Die Kosmokraten hatten sich jedenfalls als
wesentlich weniger verläßliche Verbündete erwiesen, als der ehemalige Ritter der Tiefe Perry
Rhodan und die anderen ZAC-Träger gedacht
hätten. Tifflor war sich nicht sicher, ob Perrys
Entscheidung die richtige gewesen war. In seinem Bereich, der dem eines Thoregon sicher
nicht gleich stand, war es etwas einfacher, eine Entscheidung zu treffen. Aber Tifflor war
sich darüber im klaren, daß es einen ungeheuren
Vertrauensvorschuß seitens der an dieser Aktion beteiligten Völker bedeutete, einfach so dem
Auf der Insel
D O R G O N
Aufruf von DORGON zu folgen.
Eine Entscheidung war getroffen worden.
Tifflor bezweifelte, daß sie jemals wieder Rückgängig zu machen war. Und das bedeutete, daß
er einfach weitermachen mußte. Einfach damit beginnen mußte, diesem Block eine Regierung zu geben, eine Verwaltung, die den Namen
auch verdiente. Und daß er einfach dafür sorgen
mußte, in diesem Teil der neu geschaffenen terranischen Liga eine stabile Ordnung zu schaffen.
Zögernd betrat er sein Büro. Die Glassitwand auf der gegenüberliegenden Seite gewährte ihm einen Überblick über seine neue Stadt
New Terrania, die nicht in allen Punkten mit
dem Terrania, das er kannte und das seine
Heimat war, übereinstimmte. Aber das machte
nichts. Eine neue Heimat mußte man sich eben
erst verdienen. Das betraf nicht nur die Errichtung einer neuen Verwaltung, sondern auch die
gesamte Einstellung, die man zu einem solchen
neuen Heimatort gewinnen mußte.
Er wandte sich von der beeindruckenden Kulisse der Skyline dieser neuen Stadt ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. Jetzt mußte er
sich erst einmal vor Augen führen, was am nötigsten war. Dann würde sich sicher langsam
aber sicher alles fügen. Vor allem durfte er nicht
den Fehler machen, alles selber machen zu wollen. Stellvertreter und Verantwortliche für alle
möglichen Ressorts waren zu suchen. Langsam,
Schritt für Schritt, würde sich so eine neue Verwaltung automatisch etablieren. Und dabei hatten sie nicht einmal wirklich so viel Zeit.
Seufzend ließ sich Tifflor eine Darstellung
der zu besetzenden Posten geben. Dabei fiel ihm
auf, daß sie viel zu wenige gute Politiker auf der
Insel hatten. Das würde ein Problem werden.
Eine politische Führung mochte ihre Schwächen haben, aber sie war trotzdem eine Notwendigkeit in einer funktionierenden Demokratie.
Immerhin hatten sie einen Administrator.
Der Marquese von Siniestro mochte ein Relikt aus der Vergangenheit sein und einige sehr
merkwürdige Angewohnheiten mitgebracht haben, aber immerhin erschien er als Vertrauenswürdig. Tifflor fällte seine erste Entscheidung. Er beschloß, dem Administrator wesentlich mehr Macht zu verleihen, als ursprünglich
81
geplant. Damit würden sie wenigstens einen Politiker haben, der diesen Namen auch verdiente.
Dann widmete er sich der Besetzungsliste
und ließ seine Gedanken schweifen. Gesichter
huschten durch sein Hirn, er dachte über ihre
Fähigkeiten nach und wo sie sich am besten
verwenden lassen würden. Jahrhundertelanges
Training und eine Menge Erfahrung halfen ihm
dabei.
Langsam aber sicher bildete sich eine Struktur heraus, eine Hierarchie und die Liste der
nicht besetzten Positionen wurde immer kürzer.
Dabei war sich Tifflor durchaus darüber im klaren, daß er nicht in jedem Fall mit einer automatischen Zustimmung der Kandidaten rechnen
konnte. Aber das machte nichts. Als Unsterblicher besaß er Erfahrungen im Umgang mit
Menschen. Er konnte sie manipulieren, wenn es
sein müßte. Er würde davon sicher keinen Gebrauch machen, wenn es nicht unbedingt nötig
war. Die Superintelligenz hatte allerdings klar
gemacht, daß ein schnelles Handeln unumgänglich sein würde. Und die anderen Machtblöcke
der Insel schliefen nicht. An ihnen würde er sich
messen müssen und vor allem der Block, den
Arkon bildete, erschien dem terranischen Verwalter am gefährlichsten.
Langsam wurde Tifflor klar, worauf er sich
eingelassen hatte. Andere würden sicher weniger Rücksichten nehmen, so etwas wie Humanität war von ihnen wohl nicht zu erwarten. Diese
neue Galaxis stellte ein Machtvakuum dar und
der schnellste würde die meiste Macht gewinnen können. Also konnte er sich zumindest am
Anfang wenig Rücksichten erlauben.
Nach einigen Stunden konzentrierter Arbeit
erhob sich der Verwalter. Er hatte seine Liste
weitgehend komplett. Was jetzt noch nicht besetzt war, konnte noch warten.
Er drehte sich um und ließ seine Blicke
über die Stadt schweifen. Innerlich sammelte er
Kraft, denn nun würde der eigentlich schwierige Teil der Operation kommen, nämlich jeden
einzelnen der Kandidaten zu sich zu bitten und
ihm klar zu machen, was seine Aufgabe war.
Und ihm darüber hinaus die Motivation geben,
seine Aufgabe mit aller Kraft zu erfüllen. Und
bei einigen, ihnen das Gefühl zu geben, daß sie
dieser Aufgabe auch wirklich gewachsen wa-
D O R G O N
82
ren. Tiff schauderte bei dem Gedanken an so
manche Person und die Verwendung, der er sie
zuzuführen gedachte. Das würde kein Vergnügen werden. Er straffte sich und wandte sich
um.
»Syntron, bitte Rufe Cascal zu mir«, wies er
die zentrale Recheneinheit der Verwaltung an.
Das würde eher zu den leichteren Aufgaben
zählen, dachte er, während er eher am Rande die
Bestätigung des Rechners registrierte.
Er stellte sich hinter seinem Schreibtisch auf
und wartete. Es dauerte nicht lange, da öffnete
sich die Tür.
*
Sams Blicke schweiften über die Dächer von
Paxus, einer prunkvollen Stadt, die nach dem
Planeten benannt war. Das besondere an dieser
Stadt war, daß sie architektonisch mit nichts in
der bekannten Milchstraße zu vergleichen war,
nicht einmal mit einem parlamentarischen Begegnungspark, wie es das Mirkandol auf Arkon
I darstellte.
Und doch hatte es eine ähnliche Funktion.
Die Bauwerke dieser Stadt entsprachen jeweils
der Architektur des Volkes, dessen Vertreter
darin auch residierte. So war gewährleistet, daß
die jeweiligen Bewohner sich auch wohl darin
fühlten.
Sam befand sich in der Nähe des Palastes,
in dem das Parlament der neuen galaktischen
Vertretung der Insel residieren sollte. Wenn er
an die Probleme dachte, die in der Galaxis vollkommen normal waren, dann fragte er sich, was
sich DORGON bei dieser Einrichtung gedacht
hatte, denn eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, daß die Völker dieser Galaxis sich besser verstanden als in der Milchstraße. Abgesehen davon, daß die gleichen Problemgruppen
auch hier aufeinandertreffen würden, würden
sicher die neu hinzugekommenen neue Probleme bereiten. Das sah nach einer Aufgabe aus,
die kaum zu bewältigen war.
Trotzdem war der Diplomat bereit, sich diesem Problem zu stellen. Auf Paxus sollten sich
all die Völker bald zum ersten Mal treffen.
Schon heute waren viele von ihnen hier anzutreffen, und so stellte dieser Planet einen
Ralf König
Schmelztiegel dar, wie er in der gesamten bekannten Milchstraße auch nur an einem einzigen Ort zu finden war, nämlich dem Mirkandol.
Ähnlichkeiten in der Konzeption waren kaum
zu verkennen.
Trotzdem stand der Somer vor einem gewaltigen Problem. Noch war nicht klar, wie das
neue Parlament der Insel aussehen sollte, also welche Vertreter darin sitzen würden und
wie die Verwaltung organisiert war. Hier – wie
an vielen anderen Stellen in dieser Galaxis –
stand man vor denselben Problemen, von unterschiedlichen Menschen auf unterschiedliche
Weise gelöst. Nur im Unterschied zu den anderen Machtgruppen, sollte hier eben eine Einrichtung geschaffen werden, die eine gemeinsame Regierung repräsentierte. Wie so etwas aussehen sollte, darüber war man sich schon in der
Milchstraße nicht einig. Mochten auch die meisten anwesenden Völker einer Meinung sein,
es reichten nur wenige Quertreiber, um einen
Kompromiss unmöglich zu machen.
Sam genoß den Anblick der Stadt, die auf
dem Kontinent Erisor gelegen war. Mit einer
Durchschnittstemperatur von 15◦ ein eher warmer Kontinent. Hätte Sam die Erde genauer gekannt, hätte er sich an die Insel Irland erinnert
gefühlt. Viel Grün, zum Teil in herrlichen Parklandschaften gelegen. Ein angenehm mildes
Klima, hin und wieder regnerisch, aber überwiegend sonnig. Jedenfalls wesentlich mehr, als
das in Irland der Fall gewesen wäre.
Alles in allem ein Kontinent, auf dem sich
viele der Terraner sicher sehr wohl fühlen würde, soweit der Somer sie bisher kennen gelernt
hatte. Von allen Völkern der Milchstraße waren
die Terraner auch das ihm bekannteste, so daß
er über andere wenig Aussagen treffen konnte.
Auf jeden Fall erinnerte die Wetterlage im
Augenblick an einen Frühling auf Terra, an einem warmen, sonnigen Tag, der aber immer
noch das Gefühl der Kühle erahnen ließ, die bis
vor kurzem noch geherrscht hatte.
Sam liebte den Frühling. Er schloß die Augen und sog die frische, leicht kühle Luft in die
Nase. Sein vogelartiger Körper machte einige
ruckhafte Bewegungen, er flatterte kurz mit den
Flügeln, als wolle er sich in die Luft erheben. Er
öffnete die Augen und entließ die Luft aus sei-
Auf der Insel
D O R G O N
nen Lungen. Ruhig atmend drehte er sich um.
Nach außen hin wirkte er, wie ein alter, weißer
buddhistischer Mönch, dessen fast schon überirdische Ruhe nichts erschüttern konnte. Innerlich sah es allerdings gänzlich anders aus. Für
einen Augenblick fragte er sich, ob das bei diesen Mönchen auf Terra auch so gewesen war.
Dann gab er sich einen Ruck. Langsam schritt
er durch die weit geöffneten Flügeltüren ins Innere des großen Parlamentssaales von Paxus,
wo sich bald die Völker der Insel versammeln
würden.
Steil ansteigende Ränge, deren einzelne Logen dazu geeignet waren, die Vertreter des jeweiligen Volkes darin aufzunehmen, stiegen
ringsherum in Richtung der Decke des Raumes,
die sie aber nie erreichten. In der Mitte war das
Rednerpult angebracht. Wenn ein Redner darauf stehen würde, dann würde es für die Zuschauer so aussehen, als wende er sich genau
ihnen zu. Dabei war es vollkommen egal, wie
der Redner stand oder in welche Richtung er
sich während seiner Rede drehte. Nur so war
es möglich, eine solche Anordnung einzuhalten.
Sam schritt durch den leeren Saal und erreichte das Rednerpult. Im Augenblick würde man
seinen Rücken auch erkennen können, dieser
besondere Effekt würde erst aktiviert werden,
wenn auch eine Versammlung in dieser Halle
stattfand.
Der Somer hatte das Humanidrom meist nur
in alten Aufzeichnungen gesehen, das lange
Jahrhunderte das Galaktikum beinhaltet hatte.
In mancherlei Beziehung hatte der Parlamentssaal ähnlich ausgesehen wie dieser Raum. Auch
wenn einige der besonderen Effekte in diesem
nicht vorgekommen waren.
Bilder dieser Zeit hafteten noch im Gehirn
des Somers. Er erinnerte sich daran, wie lebendig der Saal, angefüllt mit all diesen Lebewesen, gewirkt hatte. Aber er erinnerte sich auch
daran, welches Unbehagen in diesem Raum oft
geherrscht hatte, wenn wieder einmal die verschiedenen Interessen der Völker zusammengeprallt waren. Dieser kurze Moment des Nachdenkens ließ ihn diese Aufgabe in einem vollkommen neuen Licht sehen. Es würde eine
schöne Aufgabe werden, zusammen mit allen
anderen Völkern eine stabile Verwaltung in die-
83
sem Teil des Universums zu etablieren. Es würde aber auch eine sehr schwere Aufgabe werden. Wer ihm in diesem Augenblick in die Augen geschaut hätte, der hätte einerseits ein Funkeln darin erkennen können, andererseits aber
auch den Eindruck gehabt, der Somer wäre
plötzlich um Jahre gealtert. In diesem Augenblick verstand der Somer zum ersten Mal wirklich, was der Terraner Perry Rhodan all die Jahre, als er das Galaktikum zu einen versucht hatte, geleistet hatte. Und er zollte ihm Bewunderung dafür, daß er an dieser Aufgabe nicht zerbrochen war.
Schweigend wandte er sich ab und verließ
den Raum. Hinter ihm versank der nunmehr
wieder leere Raum in Schweigen. Dunkelheit
senkte sich über ihn, als sich die Tür geschlossen hatte. Nicht sehr lange würde es dauern,
dann würde die erste Sitzung in ihm stattfinden.
*
Als Leticron seinen Fuß zum ersten Mal auf
den Boden der Welt New Paricza setzte, zog er
unwillkürlich Vergleiche mit dem Planeten, der
seine Heimat war. Die neue Welt schnitt dabei
schlecht ab, aber das war kaum verwunderlich.
Die Heimat war selbst in diesen Zeiten, in denen die Galaxis, das gesamte Universum eine
Heimat für jedes Lebewesen darstellte, immer
noch ein Begriff, der nur mit einem Ort verknüpft wurde, nämlich mit dem Ort der eigenen
Geburt. Aber dieser Ort war weit entfernt, deshalb mußte Leticron und mußten auch die anderen Mitgliedsvölker der Insel mit dem leben,
was sie erhielten. Und wie ein Terraner schon an
einem anderen Ort der Insel gedacht hatte, war
auch dem Überschweren durchaus klar, daß sie
sich die neue Heimat erst verdienen mußten.
Es war alles nur eine Frage der Perspektive,
dachte sich der Pariczaner. Während all die anderen sich damit beschäftigten, wie sie die Insel
zu einem sicheren Ort machen konnten, auf dem
zu leben für jedes Wesen eine Freude war, überlegte sich der Überschwere, wie er diese Galaxis in seine Hand bekommen konnte.
Damals, als er noch in der Milchstraße zum
ersten Hetran erkoren worden war und damit die
Nachfolge des Schwächlings Perry Rhodan an-
84
D O R G O N
getreten hatte, war das alles sehr viel einfacher
gewesen. Mit den Laren hatte er eine Macht hinter sich gehabt, die es wesentlich erleichterte,
Kontrolle über eine ganze Galaxis auszuüben.
Und auch wenn diese Galaxis im bewohnten
Raum wesentlich kleiner war, als die heimatliche Milchstraße, handelte es sich doch um ein
Gebiet, in dem man nicht einfach kommen und
Ansprüche erheben konnte.
Nein, man mußte sich seine Macht mühsam
erarbeiten oder besser erkämpfen, wie es den
Gepflogenheiten seines Volkes entsprach. Das
alles hatte sich der Überschwere in seinem neuen Körper bereits klar gemacht, als er noch
an seinem Platz auf dem Schiff gewesen war,
das sie alle in die neue Heimat gebracht hatte.
Jetzt saß er einem hochrangigen Vertreter jener Macht gegenüber, vor der man sich in der
Milchstraße fürchtete und die auch hinter den
Machenschaften in der BASIS steckten.
Der Pariczaner ihm gegenüber war ein eher
schwächlicher Vertreter seines Volkes. Das betraf zum einen schon einmal seinen Körperbau.
Er war kleiner als der durchschnittliche Überschwere und sein Körper war auch bei weitem
nicht so muskulös. An die Gegebenheiten einer Extremwelt gewöhnt, war er durchaus in
der Lage, seine Ansprüche auch mit körperlicher Gewalt durchzusetzen. In einer Organisation wie den Galactic Guardians, die nicht nur
aus Überschweren sondern auch aus anderen
Völkern der Galaxis bestand und deren Ziele
sich mit dem Gemeinwohl eines so hochstehenden sozialen Gebildes wie der Milchstraße
nicht einmal annäherungsweise deckten, mußte man allerdings schon besondere Qualifikationen aufweisen, wollte man eine Position wie die
des Überschweren erreichen. Er war zum neuen Herrscher über alle Galactic Guardians erkoren worden, die in der Insel ihr Unwesen treiben
sollten. Und damit war er zu einem wertvollen
Verbündeten für Leticron geworden.
Nor’Citel, wie er sich in seinem neuen Körper, den er diesem Jungen abgenommen hatte,
nannte, lehnte sich schweigend zurück. Worte
waren zwischen ihnen nicht mehr nötig. Der
Pariczaner hatte seine psionischen Fähigkeiten
eingesetzt und es so erreicht, daß die Guardians
in seinem Sinne beeinflußt waren. Der Über-
Ralf König
schwere hatte eigentlich Bedenken, seine Fähigkeiten einzusetzen. Die Bewunderung, die
ihm entgegengebracht wurde, war zwar durchaus angenehm und seinen Plänen förderlich, andererseits lenkte es die Opfer teilweise aber
auch zu sehr ab. Bei den Guardians war ihm
das aber egal, denn sie dienten ihm nur als Mittel zum Zweck, dem Zweck nämlich, an andere, wesentlich wichtigere Persönlichkeiten heranzukommen.
In diesem Fall an Wursus, den Anführer aller Überschweren in der Insel. Diesen wollte
er treffen, mit diesem wollte er sich als erstes
auseinandersetzen. Die Überschweren waren in
der Milchstraße nicht bekannt für besondere Fähigkeiten in der Demokratie. Demnach war es
kaum verwunderlich, daß auch auf New Parizca
ein eher feudales System herrschte. Wursus war
der unumschränkte Herrscher über alle Überschweren und gegen ihn anzutreten würde Leticron zwar in große Gefahr bringen, aber es
würde ihm auch große Achtung bei den anderen Angehörigen des Volkes verschaffen, wenn
er den Corun of New Paricza herausforderte und
in einem Zweikampf möglicherweise sogar besiegen konnte.
Diese Form der Herausforderung bezeichnete der Überschwere als Coru’Scar. Es gab
bestimmte Riten und Traditionen, die das
Coru’Scar begleiteten. Leticron kannte sie alle noch aus lange vergangener Zeit und er war
sich einigermaßen sicher, daß die derzeitigen
Herrscher von Paricza - oder auch New Paricza,
was das betrifft - nicht wirklich wußten, was dahintersteckte. Und so marschierte er einfach in
die Residenz des Corun of New Paricza. Er trat
vor den Herrscher hin und konfrontierte ihn mit
den traditionellen Worten, die das Coru’Scar
zur Folge haben mußten, wollte der Herrscher
nicht sein Gesicht verlieren.
»Ar’Chara ta Coru’Scar«, stieß er hervor.
Und er registrierte mit Befriedigung, wie sich
die lindgrüne Farbe im Gesicht des Überschweren in ein leichtes blaßgrün verwandelte.
Sicher hatte er niemals damit gerechnet, sich
mit einer solchen Herausforderung auseinanderzusetzen. Aber nun war das »Ich fordere
dich zum Zweikampf« ausgesprochen und er
hatte nur eine Chance. Er mußte die Herausfor-
Auf der Insel
D O R G O N
derung annehmen und den Zweikampf wählen.
Eine Weigerung hätte unweigerlich zur Folge,
daß er mit Schimpf und Schande aus seinem
Amt gejagt worden wäre und das wollte der
Herrscher der Überschweren in der Insel nicht
riskieren.
Langsam erhob sich der Corun of New Paricza und trat dem Herausforderer entgegen.
Das verhaltene Lächeln, das er die ganze Zeit
über im Gesicht trug, war wie weggewischt. Der
1,94 m große Corun, der stattliche 168 Kilogramm auf die Waage brachte und eine beeindruckende Muskulatur aufzuweisen hatte, ging
auf den Überschweren zu und blickte ihm in die
Augen. Leticron hatte keine Mühe, seine Kräfte unter Kontrolle zu halten. Die Bewunderung
setzte beim Gegner nur nach zähem Ringen ein
und war in einer solchen Situation, in der der
Herrscher von seinem Hofstaat umgeben in Sicherheit war, nicht möglich. Ruhig stand er, auf
die Erwiderung des Herrschers wartend. Wursus sprach die traditionellen Worte aus.
»Coru’Scar mech trana te sia«, artikulierte
er. »Der Zweikampf möge beginnen.«
Leticron neigte das Haupt.
»Nor’Citel«, stellte er sich, der Tradition folgend, vor.
»Wursus«, antwortete der Corun.
Ein Adjutant trat neben Leticron, eben jener Anführer der Galactic Guardians. Maylpanczer selbst hätte kaum größere Verblüffung in
das Antlitz des Anführers zaubern können, oder
gar der legendäre Leticron, als er den Guardian erkannte. Natürlich wußte der Corun um die
Identität des Gangsterbosses. Unter den Überschweren, die von je her einen schlechten Ruf
als Söldner hatten, kannte man solche Verwirrungen nicht. Lemaylar, der Überschwere, nickte dem Corun kurz zu. Ein weiterer Überschwerer stellte sich schräg hinter dem Herrscher auf
und reichte ihm eine Waffe.
»Das Tor’Sachar soll unsere Waffe sein«, bestimmte der Herausgeforderte, wie es der Tradition seines Volkes entsprach.
Leticron nickte nur. In Wahrheit war es ihm
egal, mit welcher Waffe man ihn angreifen
wollte. Er konnte mit ihnen allen kämpfen, vor
allem mit den sehr alten Waffen seines Volkes.
Und in den letzten Wochen hatte er fleißig ge-
85
übt.
Er nahm eine der Waffen entgegen, die einem langen Stab glichen, der zwei Spitze enden hatte. Die Enden waren so gebogen, daß sie
immer in Richtung des Gegners zeigen konnten
und außerdem messerscharf. Man wollte von ihnen nicht getroffen werden.
Die Griffschalen des Kampfstabes lagen in
der Mitte, dicht beieinander, und ermöglichten
es einem geübten Kämpfer, die Waffe schnell
und elegant zu schenken. Nur um dem Corun
zu zeigen, daß er es mit einem schweren Gegner zu tun haben würde, schwang Leticron die
Waffe zweimal um seinen Körper und stieß das
eine Ende dann hart auf den Boden. Locker stütze er sich auf den Schaft der Waffe und blickte
den Herrscher erwartungsvoll an.
»Laßt uns auf den Kampfplatz gehen«, meinte Wursus.
Er drehte sich um und schritt furchtlos aus
der Tür. Der Kampfplatz befand sich im Freien
und glich einer steinernen Plattform, die allerdings blitzblank war. Um die Plattform lag ein
Graben, der seine Gefährlichkeit daraus bezog,
daß er mit einer Säure gefüllt war, die den Verlierer des Zweikampfes sofort auflösen würde.
Damit entfiel selbst das Wegschaffen der Leiche.
Furchtlos trat der Herausforderer als erstes
auf die Planke, die über den Graben führte. Der
Herrscher folgte ihm auf dem Fuße und nahm
die Grundstellung des Tor’Sachar Kampfes ein.
Leticron stand entspannt, den Kampfstab
quer vor dem Körper. Er blickte in die Augen des Gegners und erwartete seinen Angriff.
Als Herausgeforderter hatte Wursus den ersten
Schlag.
Als Wursus ausholte, riß Leticron den
Kampfstab hoch, um den Hieb des Gegners zu
blocken. Der reagierte blitzschnell, riß den Stab
herum und stieß mit der anderen Spitze von unten zu.
Letictron, der einen sehr konzentrierten Eindruck machte, wich einen Schritt zurück. Die
Bewegung wirkte wie ein sanftes Gleiten. Wie
beiläufig machte er die Bewegung rückgängig
und blockte den zurückschwingenden Stab des
Coruns.
Er riß die eigenen Waffe hoch und traf das
86
D O R G O N
Gesicht des Gegners mit der Spitze. Ein Blutstropfen quoll hervor und mit einem Aufschrei
sprang der Corun zurück.
Leticron stand still, gab dem Gegner Gelegenheit, seinen Schock zu überwinden. Offensichtlich hatte Wursus nicht damit gerechnet,
einen ebenbürtigen Gegner in dem jungen Herausforderer zu finden. Er konnte ja nicht wissen,
daß der in dem Körper wohnende Geist sehr viel
älter war.
Schweigen herrschte um das Rund, die anwesenden Überschweren wußten im Augenblick nicht, wie sie sich verhalten sollten. Jubeln war wohl nicht angesagt, wenn der Herrscher gerade dabei war, eine Niederlage zu erleiden. Andererseits mußten sie ihn irgendwie
anfeuern, da der Herausforderer sich aber als so
gut erwies, hatten sie Furcht, er könne der neue
Herrscher werden und deshalb zogen sie es lieber vor, zu schweigen.
Tödliche Stille breitete sich in dem Rund
aus, nicht einmal das Rascheln der Gewänder
war noch zu hören. Wursus spürte die Stimmung und erkannte langsam, daß sein Gegenüber wesentlich gefährlicher war, als er gedacht
hatte. Niemals konnte ein junger Mensch wie
sein Gegner solche Kraft haben und über solche Fähigkeiten verfügen. Das erforderte jahrelanges Training, das ein so junger Mensch noch
nicht haben konnte!
»Wer bist du?« stieß er hervor. »Du weißt
doch, daß das Coru’Scar die volle Wahrheit erfordert.«
Der Überschwere zauberte ein Lächeln auf
sein Gesicht, das dem Corun den Angstschweiß
auf die Stirn trieb.
»Ich bin Nor’Citel. Drehe den Namen herum, dann weißt du, wer sich dahinter verbirgt.«
Er hatte leise gesprochen. Wursus dachte
einen Augenblick nach und wurde blaß. Dann
lächelte er und entspannte sich.
»Du kannst es nicht sein, denn er ist tot.«
»Eingesperrt in einen PEW-Block«, stieß der
Überschwere hervor und spuckte auf den blanken Boden. »Jahrhundertelang dazu gezwungen, in diesem Block zu verharren, zu keiner
Bewegung fähig, nicht auf geistiger und vor allem nicht auf körperlicher Ebene. Jetzt wurde
ich von einem höheren Wesen befreit! Jetzt will
Ralf König
ich mir meinen Titel wieder zurückholen. Ich
bin Corun!«
Die Zuschauer hatten von dem leisten Zwiegespräch nichts verstanden. Sie standen immer noch wie erstarrt und warteten auf weitere
Handlungen.
»Du bist gerade rechtzeitig wiedergekommen, Leticron«, flüsterte der Corun. »Rechtzeitig dafür, das Metall des Tor’Sachar zu spüren
zu bekommen und daran zu sterben.«
»Rede nicht«, meinte der Überschwere ruhig. »Verteidige dich.«
Wortlos begann er damit, den Kampfstab
kreisen zu lassen und deckte den Corun mit einer Serie von harten Hieben ein.
Schritt für Schritt wich der Mann zurück, bis
er mit dem Rücken zum Abgrund stand. Blitzschnell ließ sich der schwerfällig erscheinende Überschwere zu Boden gleiten und ließ das
Bein unter den Körper des Gegners wirbeln.
Sein Fuß hakte sich bei dem Gegner ein und
brachte ihn zu Fall.
Der Corun konnte sich gerade noch durch
eine schnelle Drehung vor einem Sturz in das
Säurebad retten. Dafür stieß er sofort mit der
unteren Spitze des Kampfstabes zu und erwischte Leticron am rechten Knöchel. Die Spitze durchdrang den Fuß des Überschweren, der
aufstöhnend zu Boden ging. Hart schlug er von
innen gegen den Schaft der Waffe und trieb damit die Spitze wieder aus dem Fleisch. Dafür
knickte er mit dem Bein ein und landete auf
dem rechten Knie. Er konnte nicht mehr aufstehen, der Fuß wollte ihn nicht mehr tragen.
Leticron erkannte, daß er ein schnelles Ende
machen mußte. Sonst würde diese kleine Narr
seinen großen Traum zunichte machen. Der aus
ferner Vergangenheit stammende Überschwere
ließ kein Auge von seinem Gegner, der sich
langsam erhob und den Kampfstab in die richtige Position brachte, um ihn ernsthaft zu verletzen. Blut tropfte aus der Wunde des Pariczaners
heraus auf den Boden.
Leticron stöhnte auf und verstummte. Einen
Augenblick nahm er sich Zeit, konzentrierte
sich auf den Gegner, der mit langsam gleitenden
Bewegungen um ihn schlich, in seinen Rücken
zu kommen versuchte. Dann sammelte er alle
Kraft für einen entscheidenden Angriff.
Auf der Insel
D O R G O N
Als der Hieb kam, der ihn töten sollte, rollte
er sich so schnell über die Schulter, daß selbst
die Zuschauer verblüfft aufstöhnten. Dann kam
er auf die Knie, ließ das Tor’Sachar wirbeln
und traf mit tödlicher Präzision den Kehlkopf
des Gegners, der nicht verstand, wohin Leticron
verschwunden war.
Verblüffung zeichnete sich auf dem Gesicht
ab, die Augen traten leicht hervor und Blut
pulsierte aus einer klaffenden Wunde, als Leticron die Waffe daraus hervorzog. Unbarmherzig blickte er auf den Herrscher, der auf die
Knie brach. Die Waffe entfiel seinen kraftlos
werdenden Fingern.
Leticron verharrte auf einem Knie und überließ es dem Gegner, mit seinem näher rückenden Ende klarzukommen. Ein Corun lebte in
einem Umfeld ständiger Gewalt und ständiger
Gefahr. Dieser Corun hatte sicher schon anderen Überschweren das Sterben erleichtert. Aber
ebenso sicher war der eigenen Tod für ihn ein
Ereignis, das noch in weiter Ferne lag. Das alles
ließ sich aus den entsetzt aufgerissenen Augen
des dem Tode Geweihten entnehmen. Die Tradition besagte, daß die Planke erst wieder eingesetzt werden durfte, wenn nur noch einer der
Kämpfer am Leben war.
Und dieser Fall trat nun ein.
Der Sieger vollzog das letzte Ritual. Er kroch
über den Boden auf den Toten zu und packte in
sein Haar. Als er die Hand daraus hervorzog,
umklammerte er das mit wertvollen Brillianten
besetzte Netz des Herrschers und hielt es triumphierend in die Höhe. Damit war der Sieg endlich der Seine.
Leticron ließ sich erschöpft auf den Boden
sinken. Er wartete auf die Ärzte, die ihn nun erst
einmal versorgten. In der Zeit, die er brauchte, um vollständig wiederhergestellt zu werden,
durfte ihn niemand zu einem weiteren Kampf
herausfordern. Sonst hätte der Gegner auch sehr
leichtes Spiel gehabt. Leticron wußte die alten
Regeln für sich zu nutzen.
Und er hatte den ersten Schritt zum Corun of
Insel gemacht. Lange würde es nicht mehr dauern. Der zweite Schritt stand unmittelbar bevor.
87
2.
Verhandlungen
Der Unsterbliche Julian Tifflor gönnte sich
einen Augenblick der Ruhe. Eigentlich hatte er
diese Zeit nicht, deshalb würde er die komplette
Meditation der Upanishad nicht schaffen. Aber
er brauchte eine Pause und deshalb ließ er den
Zugang zu seinem Büro für eine halbe Stunde
sperren.
Tifflor ging auf die Knie nieder und atmete
mehrmals tief durch. Er stützte locker die Hände auf die Oberschenkel und ließ sich langsam
in einen Zustand der Trance gleiten. Dabei hatte
er ständig ein Bauwerk vor Augen, das vor vielen Jahrhunderten eine wichtige Rollen in seinem Leben gespielt hatte. Ein blaues, von innen
heraus leuchtendes Gebilde, so erschien es zumindest, auf dem höchsten Berggipfel Terras.
Ein Bauwerk, das an ein Schloß erinnerte, mit
verspielt erscheinenden, kleinen Türmen.
Tschomolungma, durchfuhr es den Terraner
wie ein Elektroschock. Er verlor nicht die Konzentration, die er benötigte, um zumindest die
erste Stufe der Upanishad zu erreichen. Panisha Somodrag Yag Veda erschien vor dem geistigen Auge des Unsterblichen und erzählte von
der Geschichte der Upanischad. Er betonte, wie
wertvoll die Errichtung dieser ersten Heldenschule in der Milchstraße für alle Völker war,
deren oberstes Ziel die Weihe zum ewigen Krieger sein würde. Und er verkündete die Lehre
des Permanenten Konflikts.
Julian Tifflor verdrängte diesen negativen
Aspekt seiner Ausbildung. Bezwungen von Kodexmolekülen hatte er sich in diese Ausbildung
gestürzt und war der erste menschliche Absolvent der Lehre der Upanishad gewesen. Zusammen mit einem anderen Menschen.
Nia Selegris, durchzuckte es ihn. Zusammen
mit ihr hatte er die höchsten Weihen eines Ewigen Kriegers erreicht. Zusammen mit ihr war er
von den Kodexmolekülen befreit worden. Und
zusammen mit ihr hatte er einen großen Teil seines Lebens verbracht.
Er schüttelte diese Gedanken ab und ließ sich
langsam von den eigenen Gedanken in Bereich
entführen, die jenseits des eigenen Fleisches ge-
88
D O R G O N
legen waren.
Charimchar, dachte er, als er einen Zustand
erreichte, der vergleichbar war mit dem eines
buddhistischen Mönches oder Fakirs, der seinen
Körper vollendet kontrollieren konnte.
Konzentriert näherte er sich der zweiten Stufe, die er für das bevorstehende Gespräch benötigte. Wenn ihn jemand beobachtet hätte, hätte
er niemals erkennen können, was sich in dem
Körper dieses Unsterblichen abspielte. Er hätte
niemals nachvollziehen können, was den Ewigen Krieger auszeichnete. Nicht die Philosophie des Permanenten Konflikts gefiel dem Unsterblichen so gut. Es war diese philosophische
Lehre, deren Inhalte eine reife vermittelten, die
kaum ein Mensch, ja kaum ein Unsterblicher
in diesem Universum auf sich vereinigen konnte. Schüler ESTARTUs, die zu dieser Zeit verschollen war. Ein Stellenwert, der unglaublich
viel bedeutete. Eine Lehre, die in diesen unsicheren Zeiten eines Thoregon, einer Superintelligenz DORGON, die nicht sagte, was sie wollte, von einer ungeheuren Wichtigkeit waren.
Tifflor folgte dem Pfad seiner Gedanken, bis
er eine Schwelle erreichte, die über den Geist
hinaus ging.
Chargonchar, dachte er, als er einen Zustand
erreichte, der mit nichts vergleichbar war, was
ein Mensch mit seinen Meditationstechniken jemals erreicht hatte. Einen Zustand, der eigentlich dazu diente, die Persönlichkeit des Shad,
des Schülers einer Upanishad zu festigen, bis
er ein Charisma erlangt, das es ihm in gewissem
Maße erlaubte, ein anderes Wesen zu beeinflussen. Eine Tatsache, die Tifflor in dem nun folgenden Gespräch zu nutzen gedachte.
Langsam erhob er sich, sein Gesicht zeigte
einen abseitigen Ausdruck, der allerdings nicht
erschreckend wirkte. Eher entrückt. Und er wies
den Syntron an, Uthe Scorbit zu ihm zu bitten.
Seine Blicke richteten sich auf den wolkenlosen
Himmel über dem neuen Terrania, das er mehr
und mehr zu lieben begann. Es war ein Stück
weit seine Stadt, genauso, wie Terrania auf der
Erde ein Stück weit die Stadt des Perry Rhodan
war.
Und in diesem Augenblick, mit auf den Händen verschränkten Armen, wirkte der aus dem
terranische New York stammende Terraner wie
Ralf König
der Galaktiker Perry Rhodan.
Er drehte sich zu Uthe Scorbit um, die energisch den Raum betreten hatte. Als sie seiner
ansichtig wurde, lächelte sie ihm freundlich zu.
Er nickte nur knapp und bat sie, Platz zu nehmen.
Ein leises Gefühl des Unbehagens durchlief die Terranerin, als der Unsterbliche vor
dem Schreibtisch stehenblieb. Irgend etwas war
in seinem Blick, das anders war, als gewohnt.
Sie konnte es nicht lokalisieren. Sie lies sich
von Tifflor nicht weiter nervös machen und beschloß dieses merkwürdige Gefühl zu ignorieren.
»Ich brauche deine Hilfe«, begann Tifflor. Er
setzte ihr auseinander, wozu er sie benötigte,
was sie entsetzt mit dem Kopf schütteln ließ.
»Ich will das aber nicht«, meinte sie, als hätte er sie gebeten, seine Frau zu werden. Dabei
sollte sie nur die Geschicke dieser Machtgruppe
mitgestalten helfen und als Sozialbeauftragte an
seiner Seite stehen.
»Das kann ich mir vorstellen«, meinte der
Terraner.
Er ließ sich langsam in dem Sessel ihr gegenüber nieder. Die bequeme Sitzecke kam ihr
plötzlich so unbequem wie eine Holzbank vor.
Sie fühlte sich von seinem Blick seziert und
wußte nicht, wie sie dem sehr alten Terraner
in die Augenblicken sollte. Er schien das auch
nicht zu erwarten, denn er sagte zunächst nichts
weiter. Da jedoch erinnerte er sie an die beiden Zechonninen, die immer noch im Hause der
Scorbits wohnten. Ihre aufopfernde Hilfe hatte ihm gezeigt, daß sie die richtige Einstellung
für eine verantwortungsvolle Aufgabe wie diese mitbrachte. Deshalb bat er sie erneut darum,
diese Stelle anzutreten.
Seine ganze Erscheinung erschien ihr anders
als sonst. Sie schüttelte wieder den Kopf, allerdings mit schwindendem Widerstand.
Chargonchar, dachte der Terraner mit einem
Schmunzeln, das allerdings nicht den Weg in
sein Gesicht fand, sondern irgendwo hinter der
undurchdringlichen Fassade, die er sich aufgesetzt hatte, hängenblieb. Nur das, was er vermitteln wollte, drang nach außen. Nur das, was seinen Willen unterstützte. Nur das, was er zeigen
wollte. Und im Augenblick vermittelte er den
D O R G O N
Auf der Insel
tiefen Ernst, den sein Ansinnen bedeutete und
den sie zu spüren bekam.
Sie verlor ihre Angst und ihr Widerstand begann langsam, dahin zu schmelzen. Sie senkte
für einen Augenblick den Kopf, dann blickte sie
ihm fest in die Augen.
»Einverstanden, Julian«, meinte sie.
Zögernd zunächst, dann immer sicherer werdend, akzeptierte sie sein Angebot und nahm
ihm damit eine weitere Last von seiner Seele. Eine Sozialbeauftragte hatte der neue TerraBlock nun. Weitere Positionen mußten besetzt
werden und die Spannung, die ihn erfüllte, das
innere Gleichgewicht, das ihn immer noch im
Griff hielt, ließ ihn nicht in Jubel ausbrechen,
nicht einmal ein befreites lachen brach aus ihm
hervor. Er lächelte nur ganz leicht angedeutet
und erhob sich. Er drückte ihr die Hand und
nickte ihr zu.
»Du wirst es nicht bereuen«, meinte er. Dann
führte er sie hinaus und überließ es dem Servo,
ihr das neue Büro zu zeigen, das nun ihren Aufgabenbereich ausmachte.
Die Tür glitt lautlos aus der Wand zurück
und er ließ es zu, daß der Zustand der Entrückung langsam von ihm abfiel.
*
Jonathan Andrews schlenderte gelangweilt
durch den Park und hing seinen Gedanken nach.
Fast wäre er direkt in einen entgegenkommenden Mann gelaufen, der sich auf den zweiten
Blick als Matthew Wallace erwies.
Der Schotte kam aus der anderen Richtung
und schien ebenfalls in Gedanken versunken.
Der leicht sonnige Tag und das angenehme Klima dieser Welt hatten sie beide etwas Träge gemacht.
Andrews entschuldigte sich wortreich und
begrüßte den Freund. Trotz ihrer unterschiedlichen Arbeitsbereiche, trafen sie sich in letzter
Zeit öfter.
Andrews hatte sich entschlossen, auch an
diesem neuen Ort für den Ritter der Tiefe
Gal’Arn zu arbeiten und in seinem Dienst zu
verbleiben. Das hinderte ihn allerdings nicht
daran, seinen Kontakt zu Marya Jost zu intensivieren. Wallace überraschte das nicht wirklich.
89
Schließlich hatte Andrews schon einen schlechten Ruf, was seinen Schlag bei den Frauen anging. Der ursprünglich aus Schleswig-Holstein
stammende Terraner hatte nicht nur ein ungeheures Glück beim weiblichen Geschlecht,
dank einer Transportlieferung nach Gäa, wo
er eigentlich einen Mercedes-Gleiter abliefern
sollte, hatte er auch die intergalaktischen Kontakte knüpfen können, mit denen er immer noch
angab. Nun hatte er es sogar geschafft, mit
Gal’Arn an dem Insel-Projekt teilzunehmen.
Wallace schmunzelte, als er an die abenteuerliche Odyssee des jungen Terraners dachte.
Aber auch seine eigenen Wege waren in den
letzten Jahren nicht kontinuierlich geradeaus
gegangen. Nach dem Ende des Aufenthalts in
Dorgon hatte er zusammen mit anderen Mitgliedern der IVANHOE einige Abenteuer erlebt
und war dann wieder auf das Schiff zurückgekehrt. Heute arbeitete die alte Besatzung wieder zusammen und wie es sich gehörte, hatten sie auch in diesem Zyklus schon wieder eine Space-Jet zu Schrott geflogen. Naja, manche
Dinge änderten sich eben nie.
Remus Scorbit rannte an ihnen vorbei und
nickte ihnen nur kurz zu.
»Keine Zeit«, stöhnte er. »Cascal hat gerufen. Er muß noch einige dringende Dinge erledigen, bei denen ich ihm helfen soll...«
Wallace und Andrews bestätigten kurz, dann
genossen sie wieder den sonnigen Tag. Das geschah in letzter Zeit nicht allzu häufig. Der Aufbau der Verwaltung hatte Vorrang vor geregelten Arbeitszeiten und selbst in einem Zeitalter, als Roboter viele Dinge übernehmen konnten und Syntroniken den Hauptteil der mechanischen Arbeit erledigten – niemand mußte heute
mehr Texte von Hand eintippen und auch die
Kommunikation war mit diesen Maschinen wesentlich einfacher, als in den alten Zeiten der
prästellaren Zeit.
Trotzdem mußte eine solche Verwaltung
auch erst einmal funktionieren und viele Dinge
beeinflußte immer noch der Mensch, auch wenn
es nur deshalb war, damit die Maschinen nicht
vollends alles übernahmen und der Mensch zum
Sklaven seiner eigenen Automation wurde.
Wallace unterbrach seine Gedanken. Er
wollte in diesen Augenblicken der Ruhe nicht
D O R G O N
90
über die Arbeit nachdenken.
»Wie geht es eigentlich Marya?« wandte er
sich an Andrews, der nur für einen Augenblick
verlegen wurde.
*
Cascal wanderte nervös in der Zentrale der
stellaren Verwaltung umher. Er blickte auf die
Bildschirme und ließ sich den Stand der Einsatzbereitschaft der Flotte anzeigen. Er war
nicht unzufrieden, als er die Werte sah. Fast alle
Schiffe, die auf dem langen Flug von der Milchstraße zum Portal, dem gigantischen Kunsttransmitter, der zu Insel führte, Maschinenschäden erlitten hatten, waren langsam wieder in
der Lage, an den Manövern der anderen Schiffe teilzunehmen. Zwar gehörte der Terra-Block
nicht zu den stärksten Fraktionen, die Bewaffnung der Erde war in den Zeiten eines erstarkten
Arkon auch nicht unwichtig. Aber da die Arkoniden auch eine Menge Schiffe mit in diese
Galaxis genommen hatten, waren einige terranische Raumschiffe abgezogen worden.
Auf den Raumhäfen von Mankind, Siniestro
und all den anderen Welten standen Tausende von Raumschiffen, die den Terra-Block mit
knapp 50.000 zusätzlichen Einheiten erstärkte.
Insgesamt lag man bei 60.000 Einheiten.
Ein weiterer Befehl Cascals war es, die Produktionsanlagen zu besetzen und mit dem Bau
von neuen Raumschiffen zu beginnen. Tifflor
hatte festgestellt, daß jedes Volk mit 50.000
Raumschiffen ihrer Bauart beschenkt wurde.
Die Arkoniden bildeten keine Ausnahme, das
bedeutete, sie hatten einen Vorsprung.
SHORNE INDUSTRY erklärte sich sofort
bereit, die Anlagen mit Personal zu besetzen
und die Produktion zu beginnen. Cascal war
dieser Shorne zuwider, doch er hatte die Mittel, um den Terra-Block wirtschaftlich schnell
an die Spitze zu katapultieren. Das Militär hatte
durch die Produktion von Raumschiffen einen
großen Vorteil davon.
Remus Scorbit hatte sich zusammen mit
Berndt Goss der Ausbildung der ersten Kadetten angenommen, also auch der Nachwuchs für
die Flotte war gesichert.
Die Kadettenschule war unweit des Raum-
Ralf König
hafens untergebracht und die Kadetten trainierten und exerzierten in streng abgeschlossenen
Bereichen für den Einsatz in der terranischen
Flotte. Soweit sah es ja ganz gut aus. Aber dem
Terraner war durchaus klar, daß diese Sicherheit eher zweifelhafter Natur war. Insofern war
er ganz froh, daß derzeit gerade Ruhe in der Insel herrschte. Er hoffte, daß das auch noch eine
Weile so bleiben würde.
Auch wußte Remus Scorbit nicht, ob er überhaupt der richtige für diese Aufgabe war. Er besaß keine militärische Ausbildung und sah sich
mehr als Organisator und Zivilist an und überließ Berndt Goss die Ausbildung der ersten hundert Kadetten.
Flakk Portland sollte sich derweil um den
Bau einer richtigen Militärakademie kümmern,
die den Arbeitstitel »Redhorse Point« trug.
*
Der Konferenzraum sah anders aus, als noch
vor einigen Tagen. Sam blickte auf die Ränge,
die sich langsam füllten. Die Vertreter der InselVölker traten nach und nach ein, wurden von
Kabinen in Empfang genommen, die bereits am
Eingang warteten und in ihre jeweiligen Ehrenlogen geflogen. Alle wichtigen Völker waren
anwesend.
Julian Tifflor betrat den Raum und sah sich
um. Bisher hatte Sam mit dem Terraner noch
nicht so viel zu tun gehabt, aber seit Beginn
des Insel-Projekts hatten sie angefangen, sich
kennen zu lernen. Tifflor war ein guter Diplomat, wie der Somer neidlos feststellen mußte.
Er hatte eine besondere Ausstrahlung, nicht immer allerdings, sondern nur dann, wenn er es
benötigt. Das war dem Somer schon aufgefallen, aber er wußte nicht, wie der Mensch das
machte. Wenn er wollte, konnte er jedenfalls auf
Menschen in einer Weise wirken, die fast schon
unheimlich war. Und nicht nur auf Menschen,
sondern auch auf andere Völker verfehlte seine
besondere Aura ihre Wirkung nicht.
Auch jetzt, in diesem Augenblick, umgab
ihn etwas besonderes. Gemessenen Schrittes
näherte er sich dem Somer und schüttelte ihm
nach terranischer Sitte vorsichtig den Flügel.
Auf der Insel
D O R G O N
»Ich grüße dich, mein Freund.« Seine Stimme war leise, angenehm und trotzdem gut zu
verstehen. Er verstand es, zu wirken.
»Ich freue mich, dich im Paxus-Parlament
Willkommen zu heißen«, antwortete der Somer.
Seine Stimme kam ihm wie ein unmelodisches
Krächzen vor, verglichen mit der des Terraners.
»Wie gefällt es euch in eurem Lebensbereich?«
Das jungenhafte Leuchten in den Augen des
alten Wesens zeigte ihm, daß er seine neue Rolle genoß. Lange Jahre hatte er eine fast gefährliche Rolle in diesem Universum gespielt, oder
gar keine. Je nachdem, was höhere Mächte gerade bestimmt hatten.
Tifflor wußte aber durchaus, sich in Szene zu setzen. Er war ein Verhandlungspartner,
der jedem Gegner Respekt abnötigte. Er war
ein Streiter für den Frieden und ein geborener
Staatsmann. Er war auch schon als der Nachfolger Perry Rhodans gehandelt worden, als dieser
noch Großadministrator war. Das allein zeigte
schon, daß dieser Terraner wahre Größe besaß.
Trotzdem wurde er immer wieder in Einsätze
geschickt, die ihm eine Bedeutung in zweiter
Reihe verlieh.
Und er trug diese Rolle mit einer Gelassenheit, als wäre es das Normalste der Welt.
Und wahrscheinlich war es das auch. Jeder der
Unsterblichen war sich seiner besonderen Verantwortung, die aus dem Zellaktivatorchip und
dem damit verbundenen hohen Alter und der
großen Erfahrung verbunden war, durchaus bewußt.
Nach kurzer, gedämpfter Unterhaltung
wandte sich der Terraner seiner Loge zu und
schwebte in die den Terranern zugewiesene Nische.
Sam sah den arkonidischen Vertreter und registrierte mit einiger Verwunderung, daß die
Arkoniden tatsächlich den Kristalladministrator
zu dieser Besprechung geschickt hatten. Der direkte Vertreter Bostichs auf der Insel, Uwahn
Jenmuhs. Der Arkonide verursachte ein unbehagliches Gefühl in dem Somer. Seine Augen
funkelten in einem Glanz, der verhieß, daß diese
Verhandlungen nicht ohne die Arkoniden möglich waren und seine Gesten bewiesen, daß er
sich für das wichtigste Wesen in diesem Raum
hielt.
91
Langsam kehrte Ruhe in dem großen Raum
ein. Sam blickte sich unbehaglich um. Er erkannte, daß sein Einsatz unmittelbar bevorstand. Er trat in die Mitte des Raumes und stellte
ich der Versammlung. Er räusperte sich nicht,
stand einfach locker vor allen Versammelten,
die ihm alle ins Gesicht blickten, auch diejenigen, die hinter ihm angeordnet waren. Und er
blickte in Gesichter erfahrener Diplomaten. Das
bedeutete aber auch, daß es in diesem Raum,
ähnlich wie im Galaktikum, zu zähen Verhandlungen kommen würde, endlosem Reden und
Zerreden von Ideen und Einwänden, die jeglicher Grundlage entbehrten und nur dem Eigeninteressen eines jeden Machtbereiches entsprachen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß dieses Projekt ein Abbild der Milchstraße werden würde, dann konnte man es in diesem Raum sehen.
Und Sam merkte, wie er langsam in die richtige Stimmung kam. Seine Pulsfrequenz erhöhte sich leicht, er stellte sich all den Blicken und
konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die anstehenden Probleme.
Er eröffnete die erste Sitzung des PaxusParlaments.
*
Und er verfluchte diese erste Sitzung schon
kurz nach der Eröffnung. Zuerst hatte er in seiner Rede alle anwesenden Völker persönlich
begrüßt. Er mußte dabei darauf achten, jedes
der Völker auch wirklich persönlich anzusprechen. Und die Reihenfolge entsprach der Wichtigkeit, die jedem der Blocks beigemessen wurde. Dabei konnten schon genug Fehler passieren und es war Sam durchaus nicht entgangen,
wie zornig Jenmuhs geblickt hatte, als die Terraner vor ihm begrüßt worden waren.
Die wahren Probleme waren dann aber aufgekommen, als er das Modell für das InselParlament vorgestellt hatte. Er dachte dabei an
eine Einrichtung, die eine Art Regierung dieser Welt darstellen sollte. Paritätisch gewählte
Vertreter sollten das Parlament insgesamt bilden. Aus den Mitglieder eines Volkes sollte einer ausgewählt werden, der in einer Art Regierungsrat seinen Sitz finden würde und aus des-
92
D O R G O N
sen Mitte sollten vier Vertreter erwählt werden,
die die Insel dann in letzter Konsequenz – natürlich in Abstimmung mit dem Gesamtrat – regieren würden.
Die meisten Vertreter erklärten sich mit diesem Vorgehen einverstanden. Aber bestimmte Völker, die ihre Machtinteressen durch diese Vorschlag gefährdet sahen, sprachen sich
dagegen aus. An vorderster Front waren hier
die Arkoniden zu nennen, die sich dem Vorschlag vehement entgegenstellten. Aber auch
die Blues wehrten sich heftig. Besonders enttäuschte den Somer, daß auch die Dorgonen offensichtlich ein Problem mit diesem Vorgehen
hatten. Und so schleppten sich die Verhandlungen über mehrere Stunden dahin und anstatt
wertvolle Arbeit zu leisten, wurden all die Vorschläge, die in mühsamer Kleinarbeit ausgearbeitet worden waren, zerredet wo es nur ging.
Bis Tifflor aufstand und Sam in der Mitte des
Raumes beistand. Er hielt eine Rede darüber,
wie anstehende Probleme zu behandeln seien
und schaffte es in der Tat, Aufmerksamkeit zu
erregen. Man hörte ihm zu, wollte sich aber immer noch nicht auf die angeregten Punkte einlassen.
Schließlich einigte man sich darauf, die Sitzung erst einmal zu vertagen. In Verhandlungen einzelner Völker miteinander hoffte man,
Probleme erst einmal lösen zu können, ohne
längere Diskussionen hinnehmen zu müssen.
Und so trennte sich das provisorische Parlament
nach seiner ersten Sitzung ohne großes Ergebnis. Die Angehörigen der einzelnen Völker verließen das Parlament und betraten die Parks und
Gärten. Einige zogen sich in ihre Botschaftsbereiche zurück, andere zogen es vor, in den Gärten umherzuwandern und dabei erste Gespräche
untereinander zu führen und mit diesen Ergebnissen, kleineren Bündnissen und Absprachen
dann auf einer ganz neuen Basis verhandeln zu
können.
Sam blickte den Abgeordneten hinterher und
schüttelte leicht den Kopf. Er hätte sich denken
können, daß es nicht so einfach werden würde. Nicht mit all diesen Vertretern humanoider
Rassen, denen eigene Interessen immer wichtiger schienen, als gemeinsame Interessen. Aber
er konnte andererseits auch nicht zu hart urtei-
Ralf König
len. Sein eigenes Volk war in der Vergangenheit
kaum anders gewesen.
Trotzdem war er mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Er beschloß, erst einmal Gespräche mit
dem Terra-Block zu führen um bei weiteren
Verhandlungen einige Rückendeckung aufbieten zu können. Offenkundig ging es ohne diese
nicht.
*
Anya Guuze blickte trübsinnig in ihr Glas.
Sylke stand neben ihr und flirtete ungeniert mit
einem Raumsoldaten, der an der Bar lehnte. Sie
widmete der Freundin nur einen Seitenblick,
ließ sich von ihrer schlechten Laune aber nicht
weiter anstecken.
Die Inselbar am Rande des Raumhafens war,
wie immer um diese Zeit, gut gefüllt. Wilde
Musik drang an die Ohren der jungen Terranerin, die bei den Raumkadetten diente und
sich dort zur Kommandostationsoffizieren ausbilden ließ. Andere ihrer Klassenkameraden
waren ebenfalls Teil dieser Einheit, unter anderem Neve Prometh, die Anya schon während
der gemeinsamen Zeit auf der Erde des öfteren
auf die Nerven gegangen war. Und auch hier,
fernab der Heimat, wollte man nicht akzeptieren, daß sie die beste und vor allem schönste
dieser Einheit war.
Die ehemaligen Klassenkameraden des
Überschweren Siddus hatte es auch nach Cartwheel gezogen. Ursprünglich war es Neve
Promeths Idee, doch auch die anderen waren
schnell begeistert. Da im Mai die Beendigung
der Bürokommunikationsausbildung war und
der größte Teil bestanden hatte, bewarben sie
sich für die Insel als Freiwillige. Da man viele
Freiwillige suchte, wurden sie auch genommen
und begannen eine Ausbildung als Kadetten
in der LFT-Sternenflotte, wobei sie wenige im
Militär, als mehr in der Adminstration eines
Raumschiffes eingesetzt wurden.
Anya schüttelte zornig das Haupt und biß
sich auf die Unterlippe. Sie ignorierte einen aufdringlichen Soldaten, der ihr gerade den Hof
machte und deutete nur wortlos auf ihre Rangabzeichen, die sie als Unteroffiziersanwärterin
auswiesen. Der Soldat verzog sich daraufhin
Auf der Insel
D O R G O N
wortlos und widmete sich lieber wieder Frauen, die nicht nur zum Trübsal blasen in diesen
Club gekommen waren.
»Ach nein«, hörte Anya ihre Freundin Sylke
gerade begeistert aufstöhnen. »Sternenstaub?
Wie kommst du denn an das Zeug? Ich dachte,
das hätten wir in der Milchstraße zurückgelassen.«
»Das schon«, meinte der andere Soldat.
»Aber die Aras haben wir ja mitgenommen. Die
können auch hier gute Ware liefern. Also, was
ist nun, willst du eine Prise von dem Zeug?«
Sylke zögerte nur einen Augenblick.
Sie wußte zwar, daß der Genuß dieser Droge
starke Halluzinationen hervorrief und auf Dauer der Gesundheit eher abträglich war, aber sie
war jung und wie alle jungen Menschen hielt
sie sich ohnehin für unsterblich. Also nickte sie
und nahm offen eine Prise von der Droge. Sie
stieß Anya an, die sich nur einen Augenblick
zierte und dann ebenfalls zur Droge griff. Kurz
bevor sie sich den Staub zuführte, warf sie noch
einen Blick in eine Nische nicht weit entfernt, in
der einige Soldaten der Bodentruppen am Feiern waren.
Frauen waren auch dabei. Aber nicht sie und
das machte ihr sehr zu schaffen. Denn bei den
Raumsoldaten war nicht nur Roppert Nakkhole dabei, sondern auch Krizan »The Bush« Bulrich. Sie haßte ihn. Eigentlich haßte sie ihn nicht
wirklich, aber sie war wütend, weil er es gewagt, hatte, mit ihr Schluß zu machen. Er mit
ihr! Das mußte man sich einmal vorstellen! Wie
konnte er es nur wagen.
Die Droge begann zu wirken und erlaubte
ihr, das Geschehen mit mehr Gleichgültigkeit
zu sehen. Langsam regte sie sich ab und wurde
ruhiger. Sie warf nur noch einen kurzen Blick in
Richtung der feiernden Raumsoldaten, bei denen der Vurguzz in Strömen floß, dann wandte
sie sich einem Kerl zu, der sich ihr genähert hatte und einen Drink nahm. Sie lehnte sich an ihn
und ließ ihren Fingernagel über seine stark behaarte Brust gleiten. Seine Kombination klaffte
vorne fast bis zum Schritt auseinander und zeigte mehr, als sie verbarg. Anya genoß das und
schaute dem Kerl in die Augen, der ungerührt
zurück blickte.
»Was treibt dich denn hierher?«
93
Ihre Stimme war nicht im geringsten unsicher, aber an ihren Augen sah er, daß sie auf
Drogen war. Es störte ihn nicht. Drogen waren in diesen Zeiten in gewissen Kreisen durchaus normal. Ordnung schaffen konnten im Augenblick nur sehr wenige Menschen in diesem Machtbereich und vermutlich würden einige der Ausbilder die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn sie sehen würden, welche Parties hier so gefeiert wurden.
Noch konnten sie das nicht. Noch konnte
man sich fast ungestört amüsieren. Und der Soldat beschloß, das noch zu genießen, solange es
möglich war. Er legte seinen Arm um die junge
Frau und küßte sie wild. Sie erwiderte diesen
Kuß und schaffte es endlich, ihren Ex-Freund
aus ihren Gedanken zu verdrängen.
*
Gleichzeitig saßen Remus Scorbit und Uthe
gerade in einem der besseren Lokale in der Nähe des Zentrums. Sie waren nicht allein in diesem Restaurant. Einer der Ausbilder aus Remus’ Einheit begleitete sie, nachdem Scorbit
ihn zum Essen eingeladen hatte.
Helge von Hahn war einmal der Freund von
Uthes Schwester gewesen. Das war noch auf
der Erde und schon länger her. Aber aus verschiedenen Gründen würde sich Remus immer
an ihn erinnern. Denn er war kein besonders
freundlicher Zeitgenosse gewesen. Im Gegenteil, er erwies sich als eher brutaler Mensch, der
es tatsächlich fertig brachte, seine Frau zu verprügeln.
Dies war äußerst ungewöhnlich in diese Zeiten der Psychohygiene und Remus hatte sich
immer darüber gewundert, wie es von Hahn gelungen war, allen Schwierigkeiten aus dem Weg
zu gehen. Aber auch in diesen Zeiten war es immer gut, wenn man die richtigen Leute in den
richtigen Positionen kannte.
Networking nannte man das, und von Hahn
hatte das schon immer recht gut verstanden.
In einem solchen Projekt, vor allem in einer
schweren Zeit, wo die wirklich guten Leute auf
der Erde und in der Milchstraße gebraucht wurden, war es schwierig, Menschen wie ihn außen
vor zu halten und deshalb hatte sich Remus ent-
94
D O R G O N
schlossen, mit dem Mann eine Art Burgfrieden
zu schließen. In der letzten Zeit arbeiteten sie
auch gut zusammen, die Ausbildung der Kadetten ging recht gut vor sich und sie hatten auch
wenig Probleme mit den jungen Menschen.
Deshalb hatte sich Remus zu diesem gemeinsamen Essen entschlossen.
Uthe war darüber nicht sonderlich begeistert
gewesen. Im Gegenteil, sie stand dem Mann,
der ihrer Schwester solche Probleme bereitet
hatte, eher reserviert gegenüber. Sie traute ihm
nicht und hielt ihn für intrigant. Aber Remus
hatte es geschafft, ihr seinen Standpunkt klarzulegen. Deshalb hatte sie sich entschlossen, den
Abend so gut es ging zu genießen. Und es schien auch ein angenehmer Abend werden zu wollen. Das Restaurant war nicht nur ein besonders
eingerichtetes Bauwerk, das sogar auf Terra zu
einigem Staunen angeregt hätte, auch das Unterhaltungsprogramm konnten sich sehen lassen. Und das Essen war einfach nur hervorragend.
Aus dem nichts heraus materialisierten die
Künstler auf der Bühne und begannen, Musik
zu machen oder Kunststücke vorzuführen. Immer wieder erschien ein etwas merkwürdig erscheinender kleiner Mann mit einem großen
Schnauzbart, der den nächsten Showact ankündigte und die Menschen in dem Restaurant
spendeten Applaus. Dann kündigte der Mann
das besondere Ereignis an, weswegen das AnhaltersInn zu einem der Besonderheiten auf diesem Planeten geworden war. Es simulierte den
Untergang des Universums und schaffte auf diese Weise eine geradezu unheimliche Atmosphäre. Es war schon ein Wunder, daß es gelungen
war, einen Platz hier zu reservieren. Aber vermutlich war es geschehen, weil sie beide Teil
der Regierung waren. Von Seiten der Geschäftsleitung aus wollte man ihnen wohl einen gefallen tun. Deshalb kamen Remus und Uthe zusammen mit ihrem Gast in den besonderen Genuß eines solchen Ereignisses.
Doch Uthe störte die Gesellschaft von Helge von Hahn. Der Unteroffiziersanwärter versuchte Remus davon zu überzeugen, auch ins
Militär zu gehen und selbst eine Ausbildung zu
machen, anstelle einen Organisationsposten zur
Bewachung der Ausbildung zu übernehmen.
Ralf König
Helge von Hahn sprach von Patriotismus und
gesundem Menschenverstand, den die Blauen
oder andere Wesen nicht besaßen.
Remus schienen die Worte zu gefallen, Uthe
hingegen war angewidert.
*
Leticron spazierte durch einen der Gärten,
der fast wirkte, als wäre er New Paricza entnommen und direkt hier eingeflogen worden.
Natürlich war er das nicht. Er war aber trotzdem
auf eine Weise ästhetisch, die sogar dem Überschweren ein erfreuliches Gefühl zu entlocken
vermochte.
Die Folgen des Coru’Scar hatte er mittlerweile überwunden. Nun wollte er sich auf einen
zweiten Teil des Planes konzentrieren, der ihm
über kurz oder lang die Herrschaft über das
gesamte Insel-System verschaffen würde. Er
nahm eine Einladung von Taka Kudon an, dem
Herrscher der Dscherro, die aus unerfindlichen
Gründen ebenfalls Teil der Insel waren.
Taka Kudon hatte sein Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Pariczaner bekundet. Bereits in den wenigen Amtswochen von Wursus
gab es Konferenzen mit den Dscherro und Hauri, die eine Allianz bilden wollten.
Leticron wollte diese Gedanken wieder aufleben lassen und konnte die Dscherro und Hauri sicherlich als Faktoten gebrauchen. Natürlich hatte er kein wirkliches Interesse an einem
Bündnis, doch er mußte sich ihrer bedienen, um
voran zu kommen.
Leticron rückte seinen Anzug zurecht, der
eher an einen Kampfanzug erinnerte, als besonders geeignet für einen Empfang zu sein. Aber
bei der besonderen Art, die der Gastgeben bevorzugte, war es sicher ratsam, sich nicht allzusehr in Schale zu werfen. Man konnte schließlich nie wissen.
Der Pariczaner schickte sich an, mit seinem
Gefolge die Liegenschaften der Überschweren
zu verlassen und näherte sich dem Areal der
Dscherro, die einen wildwuchernden Dschungel um ihre Burg wachsen ließen. Zwischen den
Bäumen hindurch konnte man gerade noch so
zu der Dscherro-Burg kommen und Leticron
betrat die Burg der Dscherro mit einem ge-
D O R G O N
Auf der Insel
mischten Gefühl. Einerseits fühlte er sich fast
wie zu Hause, weil er bereits an der ganzen
Ausstrahlung der Gehörnten verspürte, daß sie
eher von seiner Art waren. Nicht so wie diese
Diplomaten, die nichts anderes taten, als zu reden, anstatt endlich zu handeln. Paricza brauchte Platz, sein Volk wollte mehr von dieser Sterneninsel besitzen. Genaugenommen den ganzen Bereich. Dieses Ziel war aber noch in weiter Ferne. Die Party mit den Dscherro hingegen
lag nahe und konnte sehr wichtig für sie werden, wenn es ihm gelang, den Dscherro entsprechend zu beeinflussen.
*
Julian Tifflor und der Somer Sam standen auf
der einen Seite des Raumes vor einer terranischen Delegation. Auf der anderen Seite standen Jenmuhs und Michael Shorne in trauter Einigkeit, die man ihnen so nicht zugetraut hätte.
Weitere Vertreter der terranischen Verwaltung
waren ebenfalls anwesend, unter anderem auch
Uthe Scorbit. Sam war klar, daß die Terraner
und die Arkoniden sehr wichtig in diesem Ringen um eine Einigung waren. Wenn beide Völker an einem Strang ziehen würden, dann würden die anderen wohl kaum nein sagen. Dies
hatte er mit Tifflor besprochen, der sich nicht
gegen die Pläne des Somers stellen wollte, weil
er ähnliche Gedanken bereits gehabt hatte.
Die Atmosphäre in diesem Raum war gespannt. Nicht nur die Politik der Insel in der
Zukunft war ein Streitpunkt zwischen den Anwesenden auch die zukünftige Geschäftspolitik
war ein Thema, deshalb war auch Shorne, der
als führender Unternehmer dieser Galaxis gelten konnte, anwesends. Uthe Scorbit wollte besonders auf ihn einwirken, um ihn zu einer für
die Menschen verträglicheren Geschäftspolitik
bringen zu können. Bisher hatte sie sich allerdings die Zähne an ihm ausgebissen. Der Unternehmer war eiskalt und ließ sich nichts einreden. Uthe war schon nahe daran, aufzugeben.
Gleichzeitig verhandelten Sam, Tifflor, Don
Phillipe de la Siniestro und Jenmuhs um die
neue Regierungsform in der Galaxis. Jenmuhs
wehrte sich vehement dagegen, eine Regierung
zu akzeptieren, der eventuell auch Terraner an-
95
gehören würden. Als Uthe ihre Verhandlungen
mit Shorne unterbrach, weil sie zu keinem Ergebnis kamen und sich Tifflor und Sam zugesellte, verdüsterte sich das Gesicht des Arkoniden plötzlich. Er verschloß sich wie eine Auster
und verweigerte die Fortsetzung der Verhandlungen. Keiner verstand wirklich, was dahintersteckte.
Uthe hätte es sich denken können, aber auch
sie verdrängte die Erinnerungen an die unseelige Fahrt der LONDON II, deren Ende nicht
nur das Ende eines Schiffes sondern auch vieler
Wesen der Galaxis gewesen war. Einer der Toten war der Bruder des arkonidischen Botschafters, der damals versucht hatte, das Schiff erst
in den Untergang zu führen und nur von Rosan
Orbanashol-Nordment und Uthe Scorbit daran
gehindert werden konnte. Nicht zuletzt den beiden Frauen war der Tod seines Bruders zu verdanken. Und nicht zuletzt aus diesem Grunde,
verweigerte Jenmuhs die Fortführung der Verhandlungen.
Tifflor unterbrach seine Versuche, mit dem
Arkoniden zu einer Einigung zu kommen ,weil
eine Nachricht eingetroffen war. Da im Augenblick nur die wichtigsten Nachrichten zu ihm
durchgestellt wurden, wußte der Terraner, daß
etwas bedeutsames geschehen war. Er rief die
Nachricht ab und winkte dann dem Somer. Zusammen verabschiedeten sie sich von den Anwesenden und machten sie so schnell es die
Höflichkeit erlaubte auf den Weg nach draußen.
Uthe wollte ihnen folgen, sah sich aber
plötzlich von Jenmuhs abgedrängt. Sie konnte
sich nicht dagegen wehren und merkte auch mit
entsetzen, daß sie plötzlich allein zu sein schienen. Erschreckt blickte sie sich um beschloß
dann aber, das Problem direkt anzugehen.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte sie
freundlich den Arkoniden, dem man seinen Haß
förmlich ansehen konnte.
Schweigend musterte der Arkonide sie. Seine Hände zitterten, er ballte sie langsam zu Fäusten und entspannte sie dann ebenso langsam
wieder. Er beherrschte sich mühsam aber sie erkannte, daß er kurz davor war, ihr Gewalt anzutun.
»Mein Bruder...« preßte er hervor. »Waren
Sie nicht auf der LONDON II?«
96
D O R G O N
Langsam dämmerte ihr, was dieser Mensch
meinte. Sie nickte langsam und begann zu verstehen.
»Sie sind der Bruder von Hajun Jenmuhs«,
stieß sie hervor.
Jenmuhs nickte. Er wollte noch etwas sagen,
wurde aber unterbrochen, als Anica den Raum
betrat und Uthe in einer unangenehmen Situation vorfand. Sie blickte den Arkoniden verständnislos an, der einen Schritt zurücktrat, als er
Anica gewahrte.
Nur für einen Augenblick streifte sein Blick
ihr Gesicht. Die Ebenmäßigkeit dieser Gesichtszüge, die schlanke Gestalt der jungen Frau
und ihr sanftes Lächeln schienen ihn besonders
zu berühren.
Uthe musterte ihn genau und verstand, daß er
Anica offenbar besonders anziehend fand. Vielleicht deshalb konnte er seine Augen kaum von
ihr nehmen. Vielleicht genoß er vor allem ihre puppenartige, fast filigrane Erscheinung. Besonders arkonidisch wirkte sie jedenfalls nicht,
das konnte es also nicht sein.
Jedenfalls ließ er von ihr ab und das war
ihr vor allem wichtig. Das junge Mädchen warf
einen verständnislosen Blick auf den Arkoniden, als der aber nichts weiter sagte sondern
Anstalten machte, rot zu werden, wandte sie
sich Uthe zu.
»Ich wollte dich abholen. Ich hoffe, ich störe
nicht?«
Erstaunlich, dachte Uthe. Normalerweise
war das Mädchen eher zurückhaltend und naiv,
daß sie so sensibel auf diese Situation reagieren
würde, rang ihr leichtes Erstaunen ab.
Sie schüttelte den Kopf.
»Du störst nicht. Ich wollte sowieso gerade
gehen. Wenn du erlaubst, verabschiede ich mich
nun von Ihnen, Uwahn Jenmuhs. Ich wünsche
noch angenehme Verhandlungen und ich wünsche uns allen, daß wir sehr bald zu einer Einigung kommen.«
Wiederum verblüffte der Arkonide sie, indem er lediglich mit dem Kopf nickte und sich
dann wortlos umwandte. So verpaßte er den
Auftritt von Remus, der angerannt kam und
Uthe wichtige Neuigkeiten persönlich überbrachte.
»Das Portal...« keuchte er. Er atmete tief
Ralf König
durch und vollendete dann den Satz. »Das Portal ist aktiv geworden. Aurec ist auf der Insel
angekommen. Und er hat eine gewaltige Flotte mitgebracht. In unserer Galaxis sind soeben
500.000 Raumschiffe der Saggittonen materialisiert.«
*
Die Flotte der Saggittonen war auf der Insel
materialisiert und sie war ebenfalls durch das
Portal gekommen. Sam hatte sich als einziger
so etwas schon gedacht, er war fast sicher gewesen, daß DORGON noch mehr solcher Stationen kannte, deshalb hatte er das Portal besonders überwachen lassen.
Der Somer hatte die Beteiligung der Saggittonen vermißt. Daß sie jedoch mit diesem Aufgebot ankamen, war unerwartet.
Er erwartete die Flotte des Saggittonen über
Paxus, denn diese Welt, die das Zentrum der Insel sein sollte, würde die erste Station der Saggittonen sein. Hier würden sie erfahren, wohin
sie ihre Schiffe lenken durften, hier würde man
ihnen mitteilen, welches Sternenreich das ihre
werden würde.
Sam, Tifflor und Don Philippe erwarteten die
Ankunft der gewaltigen Flotte, die ein solches
Ausmaß hatte, daß man sie vom Boden dieser
Welt aus erkennen können würde, wenn sie einmal eingetroffen war. Und die drei Wesen hatten
nicht lange zu warten, bis sich am Himmel am
hellen Tag Sternschnuppen sehen ließen, die in
großer Zahl über den Himmel dahinglitten, ohne jemals zu verglühen. Sie hielten nur einfach
irgendwann an, verließen die Atmosphäre wieder und suchten sich eine Parkposition. Dieses
kleine Feuerwerk war ein Gruß des großen Saggittonen an alle Wesen auf Paxus.
Nur ein einzelnes Beiboot löste sich aus der
Flotte. Es landete unweit der drei Wesen auf
dem großen Raumhafen, auf dem immer noch
200.000 Schiffe DORGONs auf ihre Bestimmung warteten.
Aurec verließ das Schiff und lief über das
Flugfeld. Bevor er die Terraner erreichen konnte, flimmerte die Luft vor dem Saggittonen. Tifflor, Sam und Don Philippe hatten mittlerweile
den Saggittonen fast erreicht. Alle vier hielten
Auf der Insel
D O R G O N
abrupt an und starrten auf die Gestalt, die sich
aus der Luft zu schälen schien.
»Ein Glück, daß Cascal nicht hier ist«, meinte Tifflor trocken, als er die schlanke Gestalt der
Botin DORGONs erkannte.
Nadine Schneider materialisierte auf dem
Flugfeld, nur kurz nach Paxus geschickt von der
Wesenheit, deren Beschlüsse man noch immer
nicht ganz verstand.
»Aurec«, sprach die junge Frau. »Du findest
die Koordinaten deiner neuen Heimat im Syntron deines Schiffes. DORGON freut sich, auch
die Saggittonen auf der Insel begrüßen zu dürfen. Vergeßt nicht, daß DORGON sich um dein
Volk kümmern wird!«
Sie wandte sich allen zu und sprach nochmals zu den Menschen und Wesen, die sich
langsam in immer größeren Gruppen auf dem
Flugfeld versammelten und die Worte der Botin
hörten.
»Jetzt sind alle Völker auf der Insel versammelt. Ich wünsche euch allen viel Erfolg darin,
eure Welten einzurichten und ein gemeinsames
Parlament zu etablieren. Es wird nicht mehr lange dauern. Dann wird sich DORGON wieder
bei euch melden.«
Bevor jemand etwas sagen konnte, löste sich
die Gestalt der jungen Frau in Nichts auf. Es
war nicht wie eine Teleportation, bei der die
Luft mit einem Knall in das entstandene Vakuum stürzt. Der Vorgang spielte sich vollkommen lautlos ab, so als öffne sich eine kleine
Schleuse, durch die sie aus dieser Welt trat und
in ein unbegreifliches Irgendwo überwechselte.
Es wirkte fast wie der distanzlose Schritt, als
sich die Botin von dieser Welt verabschiedete
und die Wesen allein mit ihrer Aufgaben zurückließ.
Aurec verschwendete die Zeit nicht mit langen Reden.
»Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Viele Milliarden Saggittonen wollen eine neue Heimat finden. Viele Milliarden Wesen in 500.000
Raumschiffen. Wenn wir unsere Welt bezogen
und eine provisorische Regierung gebildet haben, dann melde ich mich wieder. Ihr seid aber
gerne dazu eingeladen, euch auch in unserem
neuen System sehen zu lassen.«
Ohne ein weitere Wort wandte sich der Sag-
97
gittone um und betrat sein Beiboot wieder. Es
schwang sich in die Höhe und ließ die Atmosphäre dieser Welt schnell hinter sich. Kurz
nach dem Einschleusen des Saggittonen setzte
sich die gewaltige Flotte wieder in Marsch, um
ihre Welt zu besiedeln.
Epilog.
Aurec
Auf dem Weg zu seinem System hatte er
über Holographie Sam, Tifflor und einigen anderen Völkern erklärt, was in Saggittor passiert war. Die Gefahr durch MODROR hatte
neue Formen angenommen, denn er war in der
Lage eine ganze Galaxis zu vernichten. Auch
wenn DORGON half, die restlichen Lebewesen
zu retten, so mußte doch die Superintelligenz
SAGGITTORA sterben. Die Gefolgsleute von
MODROR schienen mehr und mehr zu werden.
Nicht nur Cau Thon und Goshkan zählten zu ihnen, nun auch die Rote Entität Rodrom, die bereits früher gefürchtet war.
Aurec hoffte, mit seinen Erlebnissen etwas
Licht in das Dunkel zu bringen. Sam und Tifflor reagierten schockiert auf diese Nachricht
und sicherten den Flüchtlingen vollste Unterstützung zu.
Auch die estartischen Völker, Dorgonen und
Akonen erkannten die gefährliche Situation.
Die Arkoniden jedoch sahen in den Saggittonen
nur eine weitere Großmacht, die ihre Machtgelüste behindern könnte.
Es würden noch harte Zeiten auf die Insel zukommen.
Aurec hatte keine Ahnung von Vorgängen,
die sich in der gesamten Galaxis abspielten.
Aber er konnte sich vorstellen, daß es bei den
anderen Völkern, die immerhin schon etwas
länger hier waren, inzwischen etwas ruhiger geworden war. Er selbst rannte durch die Zentralverwaltung seines neuen Hauptplaneten, der
den gleichen Namen trug, wie sein Alter. »Saggitton« war die Hauptwelt dieses neuen Reiches. Und er hatte die Absicht, diese Vertretung
in ein genaues Abbild dieses alten Saggitton zu
verwandeln, das er hinter sich gelassen hatte.
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D O R G O N
Aurec hatte im Augenblick wenig Gelegenheit, über seine alte Welt und seine alten Probleme nachzudenken. Im Gegenteil, derzeit mußte er sich vollkommen auf die neuen
Probleme konzentrieren. Sie waren noch nicht
lange in diesem Planetensystem angekommen.
Die meisten Raumschiffe seines Volkes waren
noch nicht einmal in einer stabilen Umlaufbahn
angekommen. Die Saggittonen darin warteten
noch darauf, auf einem Planeten landen zu dürfen und auszusteigen.
Andere waren da schon etwas weiter, nicht
nur in der Ausführung all der anfallenden Arbeiten, die bei der Neuerrichtung einer solchen
Welt auf ein Volk zukamen. Vor allem hatten sie
auch einen leichten zeitlichen Vorsprung, denn
bis vor sehr kurzem mußte der Prinz des saggittonischen Reiches noch sehr um sein Königreich fürchten. Mittlerweile hatten sich einige
der Wogen wieder geglättet und sein Volk konnte aufatmen, denn die Umstürzler hatten es nicht
geschafft, die Herrschaft über Saggitton an sich
zu reißen.
Doch die Flucht aus der sterbenden Galaxis Saggittor lag jedem einzelnen wie ein Felsbrocken auf dem Herzen. Aurecs Gedanken
kreisten um die vielen hunderte Milliarden Lebewesen, die DORGON in sich aufgenommen
hatte. Was wurde aus ihnen?
Doch jetzt mußte er sich um seine übriggebliebenen Artgenossen kümmern.
Da war es kein Wunder, daß auch auf Saggitton noch nicht alles perfekt war. Hunderte von Millionen von Lebewesen warteten geduldig darauf, bis sie ihr Schiff endlich verlassen konnten und ihre wenigen Habseligkeiten, die sie auf diese weite Reise mitgenommen
hatten, auch wirklich in den ihnen zugewiesenen Häusern unterkamen. Die Schiffe landeten
in mehreren Gruppen, entluden nach und nach
die Fracht und ließen die Lebewesen aussteigen. Dann hoben sie wieder ab und suchten sich
einen Platz, wo das Schiff für einen längeren
Zeitraum liegen konnte.
Auf dem Raumhafen der neuen Welt
herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Aurec
befand sich zwar im Verwaltungsgebäude, aber
er konnte auf vielen Hologrammen einen Überblick über die Lage gewinnen.
Ralf König
500.000 Raumschiffe umfaßte der Verband.
Der größte einzelne Verband auf der Insel, wie
sich Aurec klarmachte. Für einen Moment erschauerte er, als ihm klar wurde, was das für
sein Volk bedeutete. Und gleichzeitig verspürte er stolz auf die Wesen, die mit ihm dieses
Wagnis eingegangen waren. Trotz der Zustände, die mittlerweile auf den Schiffen herrschen
mußten, konnte er niemanden hören, der sich
beklagte.
Sie hatten auch keine andere Wahl. Diese
Galaxis mußte ihr neue Heimat werden. Ihre
Galaxis war dem Chaos zum Opfer gefallen.
Alle faßten mit an. Nachdem sie die Schiffe
verlassen hatten und in den Straßen der Stadt
verschwanden, ihre Häuser erreicht und ihre
Habseligkeiten notdürftig untergebracht hatten,
verließen sie fast alle die Häuser wieder und
meldeten sich am Raumhafen freiwillig, um den
anderen beim Entladen der Schiffe zu helfen
oder sie in der neuen Stadt zu ihrem neuen
Wohnort zu führen. Alle arbeiteten zusammen
und wirkten wie eine große Einheit. Die Aufgabe, eine neue Stabilität fern der Heimat zu
erschaffen schweißte offensichtlich alle zusammen und der Prinz mußte nicht extra darauf hinweisen, wie wichtig ein solches Verhalten auch
war.
Fünf Systeme waren ihnen zugewiesen worden. Auf anderen Schirmen konnte er erkennen,
daß sich in den anderen Systemen in wesentlich
kleinerem Umfang ähnliche Szenen abspielten
und ein Lächeln zuckte über sein Gesicht.
»Prinz, wir haben Probleme.«
Trotz der angespannten Situation kein lautes Rufen und Schreien, sondern nur ein leiser, sachlicher Hinweis. Fast schon unglaublich,
was eine gemeinsame Herausforderung aus einem Volk machen konnte, das noch vor sehr
kurzem damit beschäftigt gewesen war, einen
Bürgerkrieg auszutragen.
Er löste sich aus seiner Erstarrung, wandte
sich dem Mann zu, der hinter ihm stand und eine Liste in der Hand hielt. Konzentriert blickte er auf das Blatt, das man ihm hinhielt und
gab einige leise Anweisungen, die prompt ausgeführt wurden. Es schien alles perfekt in diesem Teil der Galaxis. Aber die Gegner und politischen Unruhestifter schliefen sicher auch in
Auf der Insel
D O R G O N
dieser neuen Galaxis nicht. Wer würde seinen
Machtbereich am schnellsten geordnet und abgesichert haben? Wie lange würde es dauern,
bis in dieser Galaxis wirklich Stabilität einkehrte? Alle beteiligten waren sich darüber im Klaren gewesen, als das Projekt begonnen hatte.
Solange einzelne Völker noch in der Einrichtungsphase waren, konnte am meisten schiefgehen.
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Aurec hoffte auf seine Freunde, denn um dieses Problem konnte er sich im Augenblick nicht
kümmern.
Zusammen mit Serakan und Sato Ambush
mußte er seinen Artgenossen helfen, sich in der
neuen Heimat einzufinden.
Und er setzte darauf, daß man ein Volk, das
über so viele Raumschiffe verfügte, vorläufig in
Ruhe lassen würde.
100
D O R G O N
Ralf König
Heft 44
Die Helfer Ijarkors
Die Saggittonen besiedeln die neue Kleingalaxis - Streit unter den Völkern
von Tobias Schäfer
Titelbild von Klaus.G.Schimanski
D O R G O N
Die Helfer Ijarkors
Prolog.
Auf der Insel
»...ist es ihnen gelungen, 20.000.000.000
Wesen zu retten...«
»...beginnen die Besiedlung...«
»...zehn Systeme zu ihrer Verfügung gestellt,
keine geringe Menge bei der Ausdehnung der
Insel. Die saggittonischen Völker unter ihrem
Kanzler Aurec, der Perry Rhodans persönlicher
Freund ist, stehen vor einem absoluten Neuanfang. Im Gegensatz zu den anderen anwesenden Völkern gibt es für sie keine Möglichkeit zur
Umkehr...«
»...sollte nicht vergessen, wo die Sympathien der Saggittonen liegen! Ihre zahlenmäßige
Stärke lässt sie zu einem gewaltigen Machtfaktor werden, der auf der falschen Seite zu einer
Bedrohung werden kann! Und sind die Terraner
uns wohlgesonnen? Verweigern sie nicht vielmehr noch immer die Anerkennung der arkonidischen Vorherrschaft?«
*
Er stieß zischend die Luft aus und lehnte
sich erregt nach vorne. Er fühlte die plötzliche
Feuchtigkeit seiner Augen, erkannte das Hologramm des Nachrichtensprechers kurz nur verschwommen, bis er mit einer unwilligen Bewegung über die Augen wischte.
»Das ist es! Wir brauchen die Saggittonen
nicht! Werft sie wieder raus! Keiner kommt ungerufen auf unsere Insel!«
Unbewusst hatte er das flimmerfrei im Raum
stehende Holo als Person interpretiert, der er
seine heftige Gestikulierung widmete. Mit aggressivem Gesichtsausdruck und zornigen Bewegungen stand es ihm gegenüber. Er sah die
blitzenden Augen, in dem verzerrten Gesicht zu
Schlitzen geworden, und fühlte die Welle der
aggressiven Ablehnung zu sich Überschlagen.
»Raus mit ihnen!« wiederholte er fordernd.
Hinter ihm begannen seine Kollegen und
die anderen Anwesenden zu grölen. Drohungen
wurden ausgestoßen, die nichts gutes für die
Saggittonen ahnen ließen. Er wandte sich um.
Erhitzte Gesichter, manche durch übermäßigen
103
Alkoholkonsum zusätzlich gerötet, starrten an
ihm vorbei auf den Nachrichtensprecher.
»Wo kommen die überhaupt her?«
»Keine Ahnung, aber diese Terrajünger werden sowieso nur Ärger machen, das kennt man
ja! Wenn man sie erstmal reingelassen hat, machen sie sich breit wie Ungeziefer und verseuchen die Gegend.«
»Und gleich zehn Systeme! Welcher Kanalratte ist diese Suffidee gekommen? Sofort absetzen sollte man den!«
»Wieso dulden wir das eigentlich? Wer hat
sie eingeladen, wenn nicht die Terraner, die
Schwächlinge, die nichts anderes im Kopf haben als stinkend die arkonidische Position zu
verpesten!«
Ja, das waren sie, Menschen arkonidischer
Abstammung mit einer gehörigen Portion Überlegenheit allen anderen Wesen gegenüber.
Sein Blick fiel auf eine junge Frau, die wie
eine wildgewordene Katze durch die Gegend
sprang, immer wieder die Fäuste in die Luft
stieß und dabei lautstark ihren Unmut äußerte. Ihr weißblondes Haar hing in Strähnen von
ihrem Kopf und bildete einen herrlichen Kontrast zu den glühenden Wangen, über denen die
großen roten Augen nun zornig glitzerten. Ganz
offensichtlich war er nicht der einzige, der so
dachte...
1.
1. August 1296 NGZ
Ein Grollen lag in der Luft, als wolle der Planet bersten. Singend schwangen Fenster in den
Häusern der großen Stadt, Gegenstände vibrierten und rutschten zur Seite.
Und dann erhellte ein gewaltiges Schauspiel die Nachthalbkugel des Planeten. Gleißende Triebwerksströme unter himmelaufstrebenden Schiffen beleuchteten die Stadt fast taghell,
als auch der letzte Schlafende erwacht war.
Nicht wenige starrten ungläubig in den Himmel, den Schiffen nach, die bisher einen großen
Teil des nahen Raumhafens belegt hatten. Es
mussten tausende sein! Und sie waren gleichzeitig gestartet, strebten langsam dem freien
D O R G O N
104
Raum entgegen, wo sie sich ebenso langsam
formierten.
Dieses Schauspiel war auch nicht für ein
Volk normal, dass bereits seit Jahrtausenden
den Raum beherrschte. Staunend blickten die
meisten hinauf, nur wenige waren sich bewusst,
dass die Hafenkontrolle unmöglich die Genehmigung für diesen Massenstart gegeben haben
konnte.
Dann klang ein Murmeln auf, wanderte rasend schnell durch die Menge, erreichte in Sekundenbruchteilen jedes Wesen der Stadt, bis es
jeder wusste: Die Pterus waren gestartet!
*
Ich konnte es nicht fassen.
Da hatten wir grade die Einreise der Saggittonen heil überstanden, die Völker hatten sich
beruhigt, selbst wir Arkoniden hielten uns an
die Worte DORGONs. Und nun fingen diese
Pterus wieder mit der ganzen Sache an! Was sie
genau planten, wussten wir noch nicht, aber immerhin handelte es sich um Wesen, die Jahrtausendelang nur Krieg gekannt hatten und noch
immer sehr kriegerisch waren. Konnten wir also davon ausgehen, dass sie nicht in friedlicher
Absicht gestartet waren?
Ich vertrat diese Ansicht, auch wenn Evrius
noch nicht davon überzeugt war.
»Schließlich wurden auch die Pterus von
DORGON zu dem großen Projekt gerufen«, argumentierte er gerade.
Ich verzog mein Gesicht.
»Das zeigt doch umso deutlicher, was es von
der Kriegsstärke der Pterus hält, wenn es sie sogar trotz ihrer üblen Vergangenheit einbezieht
und ganz Cartwheel dieser Gefahr aussetzt!«
Ich war in meiner Erregung lauter geworden.
Dieser Evrius zeigte sich manchmal ein bisschen zu naiv. »Und selbst wenn DORGON aus
einem anderen Grund handelte, was könnte ein
ganzes Volk dazu bringen, gleichzeitig einen
Planeten, ihre Heimat, zu räumen?«
»Nun, Akhaho da Purok, ob du Recht hast
oder nicht, wird sich schnell herausstellen. Obwohl natürlich nicht alle Pterus gestartet sind;
offensichtlich sind es an die 8.000 Schiffe, mit
denen der Großteil unterwegs ist. Wir schätzen
Tobias Schäfer
sie so auf 4.000.000 Wesen. Damit wären vier
fünftel aller Pterus der Insel unterwegs – wohin
auch immer.«
Evrius stellte eine Interkomverbindung zum
Hauptfunk her und verlangte eine Leitung zum
Flaggschiff der Pterus, die noch immer über
dem Planeten weilten.
Mir war das alles sehr suspekt. Ein einziger
Feuerschlag aus allen Kanonen, und wir waren einmal gewesen. Daher war ich mit Evrius
Handlung einverstanden, der Klarheit in die Sache bringen wollte.
Ein imposantes Holo baute sich auf. Es war
198 cm groß und sehr breit gebaut. Feinschuppige, in grellem Grün leuchtende Haut umspannte fest die sehnigen Muskeln. Stechend
schwarzgelbe Augen starrten in den Raum, umfassten mit einem Blick die Anwesenden und
konzentrierte sich dann auf Evrius. Ich hatte das
Gefühl, dass der Echsenabkömmling mich in
dem ersten Sekundenbruchteil förmlich seziert
hatte.
Überlegen lächelte ich. Sollte er sich fragen,
wie ein Arkonide an die Seite eines Ophalers
gelangte. Ich musterte ihn eingehend. Mir entging auch nicht das fanatische Glitzern in seinen Augen, die nun unverwandt auf Evrius gerichtet waren.
Als er anfing zu sprechen, lief mir ein Schauder über den Rücken. Diese kratzend tiefe Stimme, die vor verhaltener Brutalität wummerte,
spiegelte genauso viel von seinem Innern wider
wie der Ausdruck seiner Augen.
»Ich habe auf deinen Anruf gewartet, Ophaler!« Spott und Hohn schwangen als spitze Affront herüber. »Wir haben uns entschlossen,
diesen Planeten zu verlassen, diese verfaulte
Kugel degenerierter Ignoranz! Wir werden uns
nicht von diesem Strudel mit in den Abgrund
ziehen lassen. Die Wahl ist bereits getroffen,
wir stehen kurz vor dem Aufbruch. Kannst du
dir einen besseren Namen für unsere Welt vorstellen als Upanishad?«
Nicht nur ich zuckte zusammen. Das letzte Wort hatte er seltsam betont, mit tiefster
Inbrunst hervorgestoßen. Rasch blickte ich zu
Evrius. Dem Ophaler schien dieses Wort einen
Stich versetzt zu haben, er blickte nur ungläubig
auf die Gestalt des Kriegers.
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
»Du bist Saron, nicht wahr?« fragte er
schließlich. »Ich hätte mir denken sollen, dass
du keine Ruhe lässt. Seit wann planst du diesen
Auftritt bereits?«
Ich war leicht erstaunt. Warum resignierte
der Ophaler? Kannte er den jungen Pterus, wie
seine Worte ahnen ließen?
»Ich möchte dich trotzdem bitten, dir das
noch einmal zu überlegen«, wagte er den letzten Versuch. »Denk an DORGONs Aufruf! Nur
ein Miteinander kann dem Projekt tatsächliche
und produktive Rechnung tragen!«
»Da winselt er also um unsere Gunst!« Saron
grinste hämisch. Die gewaltigen Saurierkiefer
knackten. War das der Grund, warum er noch
nicht fort war? Wollte er seine Gegner demütigen?
Ich schüttelte nervös den Kopf. Bisher gab es
hier noch keinen Gegner, oder?
»Pass auf, du alter Eierkopf! Ich bin die
Keimzelle des Neuen permanenten Konflikts!
Niemand wird sich mir in den Weg stellen können, denn wir folgen den Ewigen Kriegern!
Ich weiß, dass es für euch keine Rettung gibt,
warum sollte ich verhandeln oder mir auch nur
eure Wünsche oder Bitten anhören? Upanishad
wartet, eure Unterlegenheit wird euch in die
Knie zwingen, der permanente Konflikt wird
wieder leben und uns zu neuer Macht verhelfen!«
Mit einer fahrigen Geste seiner viergliedrigen Hand unterbrach er die Verbindung. Dröhnend hallte die Stimme nach, als das Holo verschwand. Ich wusste nicht, was ich von dieser
Aussage halten sollte, doch auf Evrius schien
sie einen enormen Eindruck gemacht zu haben.
»Der permanente Konflikt! Das darf nicht
geschehen! Unendliches Leid würde über die
Völker der Insel kommen. Wir dürfen das nicht
geschehen lassen!«
Ja, ich hatte auch den Fanatismus in dem
anscheinend noch recht jungen Pterus gespürt.
Wenn man ihm den richtigen Nährboden gab,
würde er nicht mehr zu tilgen sein. Ich konnte mir gut vorstellen, wie diese Krieger auf bewohnten Welten hausen würden. Nein, Evrius
hatte Recht, das durften wir nicht zulassen!
105
2.
Zwischenspiel
Morgens regnete es. Jedenfalls kam es mir
so vor, als würde mich jeden Morgen während
meiner Trainingsrunde eine dicke Wolkenbank
begleiten. Und kaum war ich fertig, schien die
Sonne aus allen Knopflöchern.
Heute war es wieder so. Ich stand um die 7.
Stunde des Tages auf und verließ meine Wohnung. Ein leidlich blauer Himmel ließ mich
hoffen, den Teufelskreis durchbrochen zu haben. Also lief ich los. Rechts und links blühten
moderne Kombinationspflanzen, die sich des
Nachts in strahlend leuchtende Objekte verwandelten. Tagsüber zeigten sie eine perfekt natürliche Schönheit und stimmten die Psyche der
Menschen positiv.
Ich grinste verärgert, als ich die ersten Tropfen in meinem Gesicht spürte. Es konnte ja auch
keinen Tag geben, an dem ich nicht durchnässt
nach Hause gekommen wäre. Wütend trat ich
eine Blume um und macht kehrt. Ich hatte keine Lust mehr.
*
Nervös zuckten meine Finger, die den
Kamm hielten. Ich starrte in den Spiegel und
sah die gleichmäßig trainierte, stattliche Figur
eines jungen Mannes. Eigentlich konnte ich
voll und ganz zufrieden sein. Meine fingerlangen weißen Haare bekam ich jetzt auch in den
Griff. Ich hatte sie mit einem elastic gel fixiert
und gekonnt wirr gestaltet; die gebräunte Haut
kontrastierte ausgezeichnet. Meine roten Augen
wirkten ruhig, ich wusste um ihre Anziehungskraft. Und trotz alledem... naja, das kannte man
ja. Nicht selten kam es vor, dass die ersten Dates
diese Unruhe in mir weckten.
Ich hatte Falbela mehrmals gesehen. Es handelte sich jedes Mal um eine politische Veranstaltung zum Eintreffen der Saggittonen. Seit
sie sich hier befanden, verlief kaum ein Abend
ohne derartige Debatten. Falbela hatte sich
schließlich an mich gewendet. Immerhin hatte
ich sie seit mehreren Tagen eingehend betrachtet, was ihr nicht verborgen bleiben konnte.
106
D O R G O N
Mädchen haben irgendwie ein deutliches Gespür dafür.
Hm, aus unserem ersten Gespräch hatte sich
dann ein Interesse entwickelt, das es zu befriedigen gab. Unsere erste Verabredung würde uns
heute wieder zusammenführen.
Ich zuckte zusammen. Überrascht musste
ich feststellen, dass mir eben ein unheimliches
Kribbeln durch den Bauch gelaufen war. War es
etwa bereits so schlimm? Heftig tränten plötzlich meine Augen. Ich musste los, aber war ich
schon soweit? Ein letzter prüfender Blick in den
Spiegel, dann war ich unterwegs.
Der Ort war nicht weit entfernt. Ich konnte
also laufen. Nur nicht die Kleidung durcheinander bringen, die Frisur schützen und den Atem
frischen.
Mit weit ausgreifenden Schritten eilte ich der
rauchigen Kneipe entgegen, die bisher auch unseren politischen Treffen gedient hatte und eine heimelige Atmosphäre verbreitete. Ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen!
Etwas zittrig waren meine Finger, als ich ein
Kaugummi aus der Tasche fummelte und in den
Mund schob. Noch ein paar Schritte und ich war
da. Ich blieb neben einem Gleiter stehen und
blickte noch einmal prüfend in die spiegelnden
Fenster.
Dann kann es ja los gehen, dachte ich.
Langsam, festen Schrittes, betrat ich das
Imperia. Gelbliches, verrauchtes Licht erhellte den gemütlichen Raum kaum, in abgetrennten Zimmern, wusste ich, waren verschiedene
multimediale Amüsements untergebracht. Hier
vorne standen nur die altertümlich anmutenden manuell zu bewegenden Spielgeräte. Einige
runde Tischchen aus Holz mit passenden Stühlen standen auf einer hölzernen Diele, die Bar
lief fast eine ganze Wand entlang.
Meine suchenden Blicke fanden schnell ihr
Ziel: Ganz in schwarz gekleidet, lässig an einem Tisch sitzend, den Kopf in die verschränkten Hände gestützt, sah sie mich an – Falbela.
Ein tiefgründiges Lächeln erreichte mich
und ließ mich schaudern. Ich grinste zurück und
schritt langsam zu ihr hinüber. Die langen Beine hatte sie übereinander geschlagen. Der kurze
Rock gewährte tiefe Einblicke. Ich konzentrierte mich auf den Tisch und hoffte, dass sie meine
Tobias Schäfer
Blicke nicht bemerkt habe.
»Du bist früh dran«, sagte ich, als ich mich
zu ihr hinabbeugte und einen Kuss auf ihre
Wange hauchte.
Ich duftete ihr herrliches Parfum, fühlte die
weiche Haut unter meinen Lippen, spürte einen
Schauer der Erregung durch meinen Körper laufen.
»Ich weiß...« Ihre Lippen zitterten kaum
merklich. »Aber umso besser. Jetzt haben wir
mehr Zeit, um...«
Ich verspürte ein heftiges Ziehen im Kopf,
dann schien etwas zu explodieren. Vor meinen Augen flimmerten tausend Farben, die reale Umgebung verschwand. Und dann wusste ich
es wieder.
3.
Der Krieger der Pterus
Die Augen fingen an zu tränen, ständig zuckten seine Nickhäute. Zwar hatte er sich wieder
unter Kontrolle und setzte seine planerischen
Fähigkeiten ein, jedoch war ihm bewusst, dass
er dem Gegner um Längen hinterher war. Er befand sich allein in einem brennenden Haus, seine Leute waren vermutlich verstreut. Es würde schwierig sein, die schlagkräftige Gruppe
wieder zusammenzuführen. Der Gegner jedoch
war sowohl ausrüstungstechnisch als auch personell überlegen, wenn er tatsächlich mit zwanzig Leuten aufgetaucht war.
Über den Kommunikator versuchte Trodam,
einen Kontakt herzustellen. Die gewaltigen Kiefermuskeln spannten sich, die aggressiv leuchtenden Augen verengten sich noch stärker. Trodam fühlte sein Blut in Wallung geraten. Zu lange schon hatte Saron sie mit Versprechungen
auf Kampf ruhig gehalten. Es wurde tatsächlich
Zeit, dass sie sich austoben konnten.
Mühsam erinnerte sich Trodam zurück. Vor
einigen Tagen war er von den Vorstellungen Sarons angesteckt worden, hatte sich ihnen gebeugt und den Kampf herbeizusehnen begonnen. Nun war er derartig erhitzt, dass es ihn ungeheure Anstrengungen kostete, seine Aggressionen zu beherrschen.
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
Saron wollte noch warten, bis sich auch
die Terraner direkt von seiner Unbelehrbarkeit
überzeugt hatten. Dann wollte er seine Krieger
auf ein Ziel loslassen.
Unwillig brummte Trodam. Er konnte und
wollte seinen Zorn nicht mehr unterdrücken. Er
wollte sich gerade auf den Kommandosessel zu
bewegen, als der Schirm aufleuchtete und den
winzigen Kopf eines dieser minderwertigen Geschöpfe, einen Terraner, zeigte.
»Ah, noch jemand, der meine Rache fürchtet!« Trodam beobachtete, wie Saron sich vor
Überheblichkeit beinahe unterkühlte.
»Ich bin Julian Tifflor, Botschafter der LFT
in Cartwheel«, entgegnete der Mann. »Ich bin
gekommen, um mich persönlich von eurem
Aufbruch zu überzeugen. Aus welchen Gründen treibt es dein Volk von dem zugewiesenen
Planeten, Saron?«
Trodam spürte fast körperlich den überlegenen Intellekt des Terraners. Auch Saron musste
es fühlen, doch ließ er sich nichts anmerken.
»Terraner, du hast es bereits ausgedrückt:
Die zugewiesenen Planeten! Wir sind ein mächtiges freies Volk. Ich möchte denjenigen kennen
lernen, der uns irgendetwas zuweisen könnte.
Ich würde die Kröte zertreten, wie ich alle jene
zertreten werde, die sich uns in den Weg stellen!«
Trodam grölte zustimmend, gleichzeitig
meldeten sich ein Dutzend andere Krieger aus
der Zentrale der KÖRCK.
»Wollen Sie wirklich für Massaker verantwortlich sein, die jenen aus den Zeiten des permanenten Konflikts gleichen?« Ein anderes Wesen war auf dem Schirm erschienen. Ein Somer,
blau gefiedert und mit klugen Augen auf Saron
blickend.
»Sruel Allok Mok!« grinste Saron. »Ich hatte
gehofft, dass du vorbeischauen würdest, um mir
zu huldigen. Schließlich stammen wir aus der
gleichen Mächtigkeitsballung. Ich werde den
permanenten Konflikt wieder aufleben lassen,
verlass dich drauf! Upanishad wird unsere Basis
und Heimat sein, niemand wird unserer Wiederkehr an die Spitze der Macht Einhalt gebieten
können. Wir werden jeden Widerstand im Keim
ersticken, und wir werden schon bald damit beginnen!«
107
Damit schaltete er ab. Grölend feierte ihn die
Menge um Trodam, der sich eines bewundernden Gefühls nicht erwehren konnte.
»Jetzt geht es los, Männer!« schrie Saron.
»Unser Ziel liegt fest, die nähere Umgebung
von Upanishad muss gesäubert werden! Auf
nach Oden, beenden wir den Frieden der Ophaler!«
Tosender Beifall hallte ihm entgegen. Der
Kurs war bereits vorbereitet, die Flotte setzte
sich in Bewegung.
Trodam viel in das schallende Gelächter des
Kommandanten ein, nachdem dieser erwähnt
hatte, wie gern er doch jetzt die Gesichter der
Terraner und Somer sehen würde. Dann verschwanden sie im Überraum.
*
Wie ein Stein fiel er dem Boden entgegen.
Der Luftwiderstand riss an seinem Einsatzanzug, rasend schnell kam der Boden näher. Neben ihm fielen sie zu Tausenden herab. Es gab
keine erkennbaren Unterschiede, und er konnte
die Gesichter nicht erkennen, da er viel zu weit
von ihnen entfernt war.
Ruhig bereitete er sich auf die Landung vor.
In zweihundert Metern Höhe setzte die Antigravautomatik ein und bremste seinen Fall. Kurz
über dem Boden wurde er genau wie alle anderen auf ungefähr acht km/h in der Horizontalen beschleunigt, dann deaktivierte sich die Anlage. Trodam begann noch in der Luft zu laufen, es gab kein Zögern bei der Landung, die
pterusischen Kämpfer vergeudeten keine Zeit.
Trodam wandte sich nach links, einer kleineren Siedlung zu, in der zirka zweihundert Ophaler wohnten. Ihm zur Seite liefen vier weitere
Mitglieder des Kommandos. Alle verspürten sie
den gewaltigen Drang nach Kampf, nach Tod.
Brüllend brachen sie geschlossen durch die
Umzäunung der Siedlung und rannten die ersten zehn Ophaler einfach um. Ihre Kampfstiefel hinterließen dabei tiefe Wunden in den tonnenartigen Rümpfen.
Trodam gab das Zeichen. Die rasenden
Kämpfer lösten ihre Formation auf und drangen weiter in das Dorf ein, stets darauf bedacht, den direkten Sichtkontakt untereinander
108
D O R G O N
nicht zu verlieren. Es konnte gefährlich werden,
wenn es mehreren Ophalern gelang, einen Chor
zu bilden, dessen hypnotische Klänge einen einzelnen Pterus außer Gefecht zu setzen in der Lage waren. Aber es schien so, als seien die friedlichen Wesen viel zu erschrocken, als dass sich
jemand genügend hätte konzentrieren können.
So wurde ihnen nur vereinzelt auf konventionelle Art Widerstand entgegengesetzt.
Trodam sah, wie sein linker Mitstreiter eines dieser Sängerwesen mit gewaltigem Krach
an die nächste Wand schmetterte, dann musste
er sich kurzfristig mit fünf Ophalern gleichzeitig beschäftigen. Ein gewaltiger Hieb mit dem
Lauf seines Strahlers zerschmetterte den Eierkopf des ersten Gegners, während ein rückwärtiger Tritt den zweiten gegen einen spitzen Pfahl
schleuderte, wo er zuckend hängen blieb. Dann
traf ein schmerzhafter Stoß seinen Rücken, der
ihn brüllend zu Boden gehen ließ. Im Fallen
warf er sich jedoch bereits herum und nahm den
Angreifer unter Feuer, der mit einem massiven
Sportinstrument nach seinem Kopf geschlagen
und ihn knapp verfehlt hatte.
Kaum berührte er den Boden, rollte er sich
auch schon ab und kam wieder auf die Beine,
als sich eine Schlinge um seinen Hals wickelte.
Während Trodam das Seil mit einem Ruck zerriss und sich mit einem riesigen Sprung auf die
beiden letzten direkten Gegner warf, überlegte
er erstaunt, wie schnell sich die einfachen Menschen doch organisiert hatten und sich mit solcher Vehemenz verteidigten. Seine Hände zerbrachen das Genick des einen Mannes, dem anderen schlug er seine gewaltigen Zähne in den
Hals und schloss die ungemein kräftigen Kiefer.
Zwei Stunden dauerte das Massaker bereits,
als sich eine alarmierende Meldung unter den
Angreifern verbreitete. Mitten in der heißesten
Phase des Kampfes waren unbekannte Raumschiffe erschienen und hatten eigene Kampftruppen ausgeschleust, die mit hoher Organisation und bester technischer Ausstattung in den
Kampf eingriffen und die Pterus bekämpften,
wo sie auf sie trafen.
Über Trodam zuckte ein Blitz durch den
Himmel. Misstrauisch warf er einen Blick hinauf. War dort eine Raumschlacht im Gange? Wenn der Gegner tatsächlich mit eigenen
Tobias Schäfer
Raumern gekommen war, musste Saron natürlich reagieren und wenigstens versuchen, die
gelandeten Soldaten wieder aufzunehmen.
Der Blutrausch war vergangen. Trodam sah
plötzlich klar und deutlich die eigene Niederlage auf sich zukommen. Ruhig blieb er stehen
und überlegte. Wenn er sich mit einer kleinen
Gruppe umgeben konnte, hatten sie vielleicht
eine Chance, den Landungstruppen solange zu
begegnen, bis Saron sie abholen ließ. Also rief
er seine vier Mitstreiter wieder zu sich und erläuterte seinen Plan.
»Wir müssen unauffällig verschwinden. Von
den Ophalern droht uns keine Gefahr. Wenn wir
uns hier oder in einem anderen Ort mitten unter
ihnen einquartieren, müssten wir lange genug
durchhalten können.«
»Warum verschwinden wir nicht in einen
Wald oder ein Gebirge, wo wir uns in Höhlen
verstecken können?«
Herablassend blickte Trodam den Sprecher
an.
»Ich gehe davon aus, dass der Gegner über
die Möglichkeit verfügt, ein Lebewesen aufzuspüren. Hier unter den Ophalern schützt uns
die Ausstrahlung der Masse besser als eine meterdicke Felswand. Jedoch sollten wir uns eine
Siedlung suchen, die wir noch nicht angegriffen
haben!«
Er grinste bei diesen Worten, drehte sich um
und feuerte mit dem Handstrahler auf eines der
Häuser, bis es in lodernden Flammen stand.
Johlend folgten seine Begleiter diesem Beispiel, mit dem Ziel, ihr Zerstörungswerk zu
vollenden.
»Achtung, Leute!« Mitten durch die brennende Siedlung kam ein weiterer Pterus gestürmt, die Augen angstvoll geweitet, vollkommen kraftlos durch die lange Hatz.
»Es sind die Helfer Ijarkors! Sie sind mir
dicht auf den Fersen! Helft mir, versteckt euch,
es gibt keine Gegenwehr!«
Trodam sprang hinzu und packte den erschöpften Mann am Kragen.
»Was sagst du? Mann, beruhige dich erstmal! Woher kommst du?«
»Von dort!« Der Krieger deutete hinter sich.
»Wir waren zehn, die waren zwanzig, aber ganz
verschieden... Somer, Pterus, Elfahder... Bes-
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
sere Bewaffnung als wir... in die Enge getrieben... kein Entkommen, nur ich konnte durchbrechen...«
Angst flackerte noch immer in seinen Augen.
»Wir müssen fort, müssen fliehen von dieser
Welt, bevor...«
Röchelnd erschlaffte er in Trodams Klauen.
Der Krieger ließ ihn fallen und sprang in das
nächste der brennenden Häuser. Ein tödlicher
Energiestrahl hatte den Flüchtling erwischt, die
Helfer Ijarkors schwärmten in die Siedlung.
Während er versuchte, zwischen den Trümmern zu verschwinden, überlegte Trodam, was
es mit diesen mysteriösen Helfern auf sich hatte. Dem Namen nach zu urteilen handelte es
sich um eine Gruppe oder eine Vereinigung von
Wesen, die ein anderes Wesen, eben jenen Ijarkor, nach Kräften unterstützten. Ob es diesen
Ijarkor noch gab oder nicht ließ sich nicht sagen, vielleicht war er schon seit Jahren oder
Jahrzehnten verstorben.
Auf jeden Fall schienen sie über starke Waffen zu verfügen, wenn die Krieger der Pterus
keine Chance gegen sie hatten. Er musste mit
seinen Leuten in Kontakt treten und einen gemeinsamen Durchbruch versuchen.
Durch verqualmte Gänge versuchte Trodam,
sich seinen Weg zu bahnen. Dabei wurde ihm
bewusst, dass keiner der Kameraden antwortete.
Langsam arbeitete er sich auf einen Eingang
zu, immer mit einer Feindberührung rechnend.
Der Qualm biss in seiner Lunge.
Er erreichte die Öffnung und streckte Vorsichtig seinen Kopf um die Ecke. Erschrocken
sprang er zurück, als er sich der enormen Höhe
bewusst wurde, in der er sich befand. Anscheinend war er auf seiner Flucht unbewusst einige
Etagen nach oben gelangt. Grimmig ließ er sich
auf den Boden sinken und kroch wieder nach
vorn, stets auf ausreichende Deckung gegen den
Boden bedacht.
Drüben, auf der anderen Seite der Siedlung,
blitzte es grell auf. Kurz darauf schoss ein gewaltiger Flammenstrahl in den Himmel. Trodam nahm an, dass dort soeben einer seiner
Krieger sein Leben hatte lassen müssen. Dann
entdeckte er nicht weit von sich entfernt eine Gruppe von Pterus, die ein Haus einkrei-
109
sten und dann langsam vorstießen. Trodams besorgter Blick glitt an dem Haus empor. Tatsächlich entdeckte er zwei seiner Männer. Sie hatten
die Gegner noch nicht bemerkt. Trodam wollte
schreien, wollte sie warnen, doch sein Selbsterhaltungstrieb hinderte ihn daran, denn schließlich würde es dem Gegner verraten, wo er sich
befand. Er stöhnte und wandte sich ab. Wie
es schien musste er alleine klarkommen. Dann
kam ihm ein Gedanke, ein vielleicht rettender Einfall für die beiden eingeschlossenen. In
diesem Getöse von zusammenstürzenden Häusern und den Flammen konnten einzelne Schüsse leicht unbemerkt bleiben. Rasch wandte er
sich wieder der Öffnung zu und richtete seinen
Strahler aus. Deutlich konnte er die Gegner in
der Zieloptik erkennen.
»Das würde ich lassen!«
Erschrocken zuckte Trodam zusammen. Die
energische Stimme war hinter ihm erklungen!
»Bitte dreh dich doch zu mir um! Und leg
vorher die Waffe sichtbar neben dich!«
Langsam folgte er dem Befehl. Rasend überschlugen sich seine Gedanken, um einen Ausweg zu finden. Vor ihm stand ein Somer, eigentlich lächerlich mit seinen hundertfünfzig Zentimetern Größe. Trodam musterte ihn ironisch.
»Und? Was fangen wir beide nun an?«
»Das kommt ganz auf dich an!« entgegnete
das Vogelwesen grimmig. »Du kannst aufgeben
und mich begleiten, oder du kannst hier bleiben...«
Ein donnernder Knall ließ die Wände erzittern, Steinbröckchen lösten sich aus der Decke
und fielen zu Boden. Trodam reagierte sofort.
Er warf sich auf den Somer und griff nach seinem Hals. Doch so einfach, wie er es sich vorgestellt hatte, war der Gegner nicht zu überwältigen. Geschickt wich er aus und schlug dem
Pterus kraftvoll den Lauf des Strahlgewehrs in
den Rumpf. Stöhnend sackte Trodam zusammen. Im Fallen griff er noch einmal zu und erwischte den Strahler. Ein kräftiger Ruck und
die Waffe wechselte ihren Besitzer. Der Triumph ließ ihn den Schmerz sofort vergessen. Er
wälzte sich herum und sah den Somer nach seinem Strahler hechten. Mit unbewegtem Gesicht
drückte er der den Abzug.
D O R G O N
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4.
Zwischenspiel
Tobias Schäfer
Ich starrte ihr hinterher. Hinreißend!
*
Da saß ich nun, mir gegenüber eine bezaubernde Frau, und wurde von früherem Wissen
überschwemmt. Es wurde höchste Zeit, dass ich
diese Welt verließ. Mein Chef wartete auf einen
Bericht, und die Ereignisse der letzten Zeit waren tatsächlich angetan, meine Besorgnis noch
zu steigern.
Auf der anderen Seite war hier der Anfang
einer Romanze entstanden, die ich ungern aufgeben wollte. Ja, dieses romantische hin und
her war von meiner Einsatzleitung geplant gewesen, um mir den Zugang zu den tiefsten
Beweggründen der Arkoniden zu verschaffen.
Doch musste man da nicht damit rechnen, dass
sich aus einer Zweckromanze wirkliche Gefühle entwickelten, die auch nach der Reaktivierung der wirklichen Persönlichkeit bestehen
blieben? Was konnte ich tun?
»...ist bloß los mit dir?« drangen die Worte
Falbelas in mein Bewusstsein.
Ich registrierte den besorgten Ausdruck ihrer
wundervollen Augen und geriet schon wieder in
Gewissensnöte.
»Was? Wie bitte?« Ich schüttelte verwirrt
den Kopf. »Nichts, ich war grad etwas abwesend.«
»Ja, das hab ich wohl bemerkt! Geht es dir
wirklich gut?«
Ich nahm Falbelas Hand und küsste sie.
»Ich liebe dich, aber es ist ein Ereignis eingetreten, das mich zwingt, diesen Planeten so
schnell wie möglich zu verlassen!«
Sie entzog mir ihre Hand und sah mich konsterniert an.
»Was gibt es für einen Gleitermechaniker für
Gründe, seinen Heimatort zu verlassen? Verheimlichst du mir etwas?«
»Es ist ein politischer Auftrag.« Ich sah
mich gezwungen, ihr gewisse Dinge mitzuteilen, wenn ich sie nicht vollkommen vor den
Kopf stoßen wollte. »Wenn ich zurückkehre,
kann ich dir die Einzelheiten verraten. Bitte
glaube mir, ich habe das nicht so geplant.«
Schweigend blickte sie mir noch sekundenlang in die Augen, dann verließ sie das Lokal.
Mein Name ist Akhaho da Purok. Ich bin
gebürtiger Arkonide von der Kristallwelt. Ich
bin zweiundzwanzig Jahre alt, hundertsiebenundneunzig Zentimeter groß und sechsundachtzig Kilogramm schwer (unter terranischen Verhältnissen). Im Gegensatz zu vielen meiner Artgenossen trage ich mein weißes Haar daumenlang geschnitten und kunstvoll wirr gestaltet.
Mit den medialen Affronten gegen Terra,
ausgehend von arkonidischen Völkern, kann ich
mich nicht identifizieren. Ich versuche, immer
nach der Wahrheit zu suchen. Diese Einstellung
ließ mich das Arkonsystem verlassen. Bestätigung fand ich schließlich in der Neuen USO, in
der ich seither als Agent tätig bin.
In Cartwheel sollte ich die Stimmung der Arkoniden beobachten, bis sich Unregelmäßigkeiten einstellten. Das war jetzt soweit...
*
»Seit sich die Saggittonen hier befinden und
ihre knapp zehn Systeme besiedeln, regt sich
der Unwille auf den arkonidischen Welten.«
Ich stand vor dem Verantwortlichen der nUSO in Cartwheel, ein Terraner, 185 Zentimeter
groß, mit braunem Haar und braunen Augen. Er
war etwa drei Jahre älter als ich und benahm
sich außerordentlich höflich.
»Ja, die Proteste der Arkoniden waren nicht
zu überhören.« Nachdenklich strich sich der
Chef ein Haar hinter das Ohr. »Sie scheinen
Angst vor der Masse zu haben. Offensichtlich
hatten sie sich bisher für allen überlegen gehalten. Ich nehme an, sie argumentieren mit Aurecs Freundschaft zu Rhodan, richtig?«
Ich nickte. Eigentlich war ich ein wenig enttäuscht. Welchen Zweck hatte mein Einsatz gehabt, wenn bereits alles bekannt war, was ich zu
berichten hatte?
»Tut mir leid, Akhaho, aber niemand hat diese Wendung erwartet. Ein Ereignis wie das Auftauchen der Saggittonen wirft große Kreise. Es
rief die Ablehnung der Arkoniden und auch an-
D O R G O N
Die Helfer Ijarkors
derer Völker so schnell hervor, dass uns das
nicht entgehen konnte. Fast stündlich gibt es
Protestrufe über Hyperkom, sogar offene Drohungen hat es schon gegeben!«
»Was gedenkt Aurec zu unternehmen?«
fragte ich gespannt.
»Nun, er wird in zwei Stunden eine Rede an
die Völker richten. Die Terraner werden alles
tun um ihn zu unterstützen. Falls es zu Eskalationen kommt, werden wir eingreifen müssen.
Aber wir dürfen eines nicht vergessen. Es
hat einen Grund, warum Aurec hier ist. Wenn
MODROR die Macht besitzt eine ganze Galaxis innerhalb weniger Tage zu zerstören, dann
haben wir weitaus größere Problem als diese
kleinlichen innergalaktischen Auseinandersetzungen!«
*
Das charismatische Gesicht Aurecs erschien auf den Nachrichtenschirmen in der gesamten Galaxis. Seine braunen Augen leuchteten
kraftvoll, das schwarze Haar lag glatt zurückgekämmt am Kopf.
Die Kamera schwenkte kurz durch den
Raum. Im Hintergrund standen Julian Tifflor
und der Dorgone Titus Jusilus sowie Gal’Arn
und einige andere Vertreter cartwheelscher Völker. Deutlich war die erwartungsvolle Spannung auf ihren Gesichtern zu erkennen. Dann
erschien Aurec wieder im Bild. Einen Moment
zögerte er noch, dann erhob er die Stimme. Ihr
fester, volltönender Klang war auf allen Planeten und Raumschiffen in der Insel zu hören.
»Wir alle sind miteinander verwandt. Nicht
unbedingt körperlich. Unser Geist verbindet
uns. Wir sind Wesen mit Intelligenz. Unsere Intelligenz ist das Band der Verwandtschaft. Sie
ermöglicht uns ein friedliches Zusammenleben,
denn wir sind alle gleichberechtigt. Und wir alle kämpfen gegen feindlich gesonnene Gewalten, gegen Kräfte, deren Machtmittel den unseren überlegen sind. Darum sind wir hier.
Wir, damit meine ich jetzt die Völker
aus Saggittor, meiner Heimat. Wir bitten um
freundliche Aufnahme in dem Kreis der Verbündeten, die sich dem Chaos entgegenstellen.
Euer Feind, den abzuwehren ihr euch zur Auf-
111
gabe gestellt habt, dieser Feind vernichtete meine Heimatgalaxis. Abermilliarden Wesen fanden ihr Ende, Familien wurden getrennt, Kinder
brutal ihrer Mütter entrissen.
Eine gigantische Entladung, deren Ursache
wir noch nicht genau wissen, im Zentrum Saggittors stürzte unsere Heimat in den Untergang.
Wir wären bis auf eine diese hier in Cartwheel
angekommenen fernflugtauglicher Schiffe alle
untergegangen! Die gesamten Völker einer ganzen Galaxie waren dem Tode nahe.
Es gab eine höhere Intelligenz, die einigen
von uns einen Ausweg bot. DORGON rettete
die Seelen der Zurückgelassenen. Er nahm ihre
Bewußtseien auf und versprach mir, eines Tages
mein Volk wiederzusehen. Wann das sein wird,
weiß ich nicht.
Wir sind heimatlos, doch ist in jedem einzelnen von uns der feste Wille, die Mächte, die
uns ins Unglück stürzten, mit jeder Faser unserer Kräfte zu bekämpfen.
Das Schicksal Saggittors kann auch das
Schicksal der Milchstraße werden. Auch von
M 87, Dorgon, den estartischen Galaxien,
DaGlausch und Andromeda. Niemand ist vor
MODRORs Armeen sicher!
Die Errichtung dieser Festung Cartwheel ergibt mehr und mehr einen Sinn.
Nehmt uns auf! Lasst uns an eurer Seite
streiten gegen die Gewalten, die auch euren Familien ähnliches Leid zufügen wollen, die keine eurer Galaxien verschonen wollen. Gebt uns
eine neue Heimat! Gebt uns Freundschaft! Wir
werden uns nicht gegen die Gemeinschaft stellen, sondern für den Frieden in diesem Teil des
Universums streiten. Mit euch!«
Stille erfüllte für die nächsten Minuten den
Raum. Die gleiche Stille herrschte vor den Videoempfängern, die überall in Cartwheel diese
ergreifende Rede übertragen hatten.
Dann schwenkte die Kamera wieder herum
und erfasste das Gesicht eines Vogelwesens, eines Somers. Sruel Allok Mok, der Diplomat aus
Siom Som hatte sich erhoben.
»Brüder und Schwestern! Noch nie standen
wir vor einer Verantwortung, die der heutigen
auch nur annähernd gleich kam! Vor uns stehen die Überreste einer ganzen Galaxis! Nicht
als Forderer, sondern als Bittsteller. Sie bitten
112
D O R G O N
um unsere Hilfe, unsere Freundschaft. Unser
Freund Aurec, der sich bereits für die Milchstraße aufopferungsvoll engagiert hat, ist mit seinem Volk in eine Not geraten, die für uns verpflichtend ist. Wir werden ihnen hier eine neue
Heimat geben, wir werden sie mit Freundschaft
begrüßen und in Frieden mit ihnen leben!«
Wenige Stunden später waren die Vertreter
aller Völker im Parlament von Paxus versammelt. Noch einmal schilderte Aurec die Verzweiflung seines Volkes und die Gefahren durch
MODROR.
Sam verdeutlichte die Situation mit dem
Ausspruch: »Die Gefahr MODRORs ist weitaus
größer als eine eventuelle Einschränkung oder
Unsicherheit bestimmter Völker in Cartwheel
aufgrund des Erscheinens der Saggittonen. Wir
brauchen sie als Freunde und Mitstreiter.
Die Tür öffnete sich und ließ eine Gestalt
ein, die inzwischen wohlbekannt in der Insel
war. Nadine Schneider, das terranische Konzept
DORGONs!
Sie war die Abgsandte DORGONs und verweilte noch auf der Insel.
»Nun ist es an der Zeit«, hob sie an, »die
Wünsche DORGONs zu offenbaren. Die Völker Saggittors werden unzweifelhaft ihren Platz
in der Insel ausfüllen. DORGON hat sich uneingeschränkt dafür eingesetzt, die Wesen vor
der sicheren Vernichtung zu bewahren. Es ist
sein ausdrücklicher Wunsch, die Saggittonen in
Cartwheel anzusiedeln und in das Projekt zu integrieren! Denn es sind die Gefahren, die Saggittor vernichteten, denen das Projekt begegnen
soll!«
Ruhig drehte sie sich um und ging in Richtung Tür. Langsam verblasste sie und verschwand.
Tifflor richtete sich auf.
»Ich habe nie an der Richtigkeit eurer Anwesenheit gezweifelt, Aurec. Natürlich kannst du
voll auf die Unterstützung der Terraner zählen.
Wir haben deine Loyalität und Freundschaft
nicht vergessen. Und wir wissen, dass wir in
den Saggittonen gute Freunde finden werden.«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich im
Raum. Die meisten Völker schienen das
Schicksal der Saggittonen zu verstehen. Und
nach Schneiders Ansprache schwanden bei vie-
Tobias Schäfer
len auch die letzten Bedenken. Nur wenige aggressive Vertreter schielten weiterhin misstrauisch nach Aurec. Allen voran fühlte Jenmuhs
seine Macht durch diese gewaltige Flotte bedroht.
Sam meldete sich wieder zu Wort.
»Wenn meine Beobachtungen stimmen, sind
jetzt so gut wie alle Planeten besiedelt. Es gibt
einige Ausnahmen, doch glaube ich trotzdem,
dass nun alle eingebundenen Völker anwesend
sind. Es ist an der Zeit, das Projekt in die nächste Phase zu leiten. Nach dem Wunsch DORGONs soll die Autarkie der einzelnen Völker
nicht beschnitten werden, doch für die großen
Belange der Insel soll eine demokratische Wahl
das Parlament ernennen. Ist es nicht wirklich
soweit, dass sich die Völker an einer Abstimmung beteiligen können?«
»Nun, ich denke, wir können eine Abstimmung unter uns regeln.« Unerwartet war Aurec
aufgestanden. »Ich bin der Ansicht, dass unser
werter Sruel Allok Mok von allen Anwesenden
der geeignete Paxus-Resident ist! Vorbehaltlos
prüft er stets alle Daten und Argumente, bevor er Entscheidungen für oder gegen eine Sache fällt. Ein gerechter und loyaler Mann, der
dem Projekt und dem friedlichen Leben in Cartwheel dient!«
In den ausbrechenden Tumult hinein rief
Sam seine einstweilige Ablehnung. Man konnte ihm ansehen, dass er von Aurecs Worten sehr
geschmeichelt war, doch blieb er seinem Vorsatz treu, alle Völker direkt in die Entscheidung
mit einzubeziehen und Wahlen zu veranstalten.
Der Dorgone Jusilus riet zur Festlegung eines Termins.
»Man darf die Sache nicht zu weit hinausschieben, denn sonst kommt immer irgend etwas dazwischen, und einzelne Völker fühlen
sich benachteiligt. Wenn wir dem jetzt vorbeugen, indem wir gemeinsam einen Termin festlegen, wird die Sache schnell über die Bühne gehen. Ich würde vorschlagen, die Frist auf zwei
Wochen festzulegen.«
Es gab keine Einwände. Nur Uwahn Jenmuhs murmelte etwas von zu kurzer Frist.
»Der Modus sollte folgender sein«, mischte
sich der Akone Mirus Traban ein. »Jedes Volk
wählt einen Vertreter in das Parlament. Dann
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
sind hier alle Völker gleichberechtigt vertreten. Aus diesen Vertretern wird ein vierköpfiger
Paxus-Rat und der Paxus-Resident gewählt.«
Zustimmendes Nicken in den Reihen der
Abgeordneten. Diesmal konnte Jenmuhs nicht
an sich halten.
»Fünf Leute können unmöglich die oberste
Macht haben«, protestierte er. »Das ist doch ein
ausgekochtes Spiel von den Terranern! Nur ein
einzelner ist in der Lage, konsequent genug zu
handeln! Wir müssen eine Regierung nach dem
Vorbild der Arkoniden schaffen! Ich kann nicht
zulassen, dass hier ein Komplott von Terrajüngern durchgesetzt wird! Ich werde mein Volk
anweisen, die Wahl zu sabotieren.«
Während Tifflor heftig protestierte und sich
vehement gegen die Anschuldigungen sträubte,
lehnte sich Aurec gelassen zurück. Das ewige
Beispiel von Opposition: erstmal immer dagegen...
5.
Die Helfer Ijarkors
Will Dean schüttelte energisch den Kopf.
»Nein, Leute, das können wir nicht auf die
leichte Schulter nehmen! Wir alle wissen um
die Ereignisse auf Oden. Und ich erinnere mich
noch lebhaft an das Eingreifen der Helfer in
Siom-Som. Es kann kein Zweifel bestehen: Es
handelt sich eindeutig um die gleiche Organisation, die dort dem somer-dorgonischen Komplott ein Ende setzte und die Unterstützung der
Dorgon-Mission einleitete.
Schon in Sams Heimat habe ich den Einfluss
Ijarkors Mythos auf die estartischen Völker gespürt. Wenn die Helfer hier in Cartwheel jetzt
wieder auftauchen und das Gerücht verbreiten,
ihr Namensgeber, der Ewige Krieger Ijarkor lebe noch, wird das wenigstens im ESTARTUBereich für gewaltigen Eindruck sorgen.«
Nachdenklich nickten die Anwesenden. Tifflor war einer von denen gewesen, die erst einmal abwarten wollten, wie sich die Dinge um
jene Helfer entwickelten. Als Aktivatorträger
hatte er eine andere Auffassung von der Zeit als
seine Mitstreiter, die nicht die gleiche Geduld
aufbringen konnten wie er.
113
»Wir müssen auf jeden Fall herausfinden,
was es mit diesem Ijarkor auf sich hat, da gebe ich Will vollkommen Recht.« Der jugendlich
aussehende Terraner lenkte ein. »Unbekannte
Machtfaktoren sollte man nicht unerforscht lassen, und die Wirkung des plötzlich aufgetauchten Mythos auf die anderen Völker, vordringlich Arkoniden, ist ein Aspekt, der in unserer
Politik wichtig werden kann.
Es ist ja schon erstaunlich, mit welch enormer Geschwindigkeit sich das Gerücht in der
Insel verbreitet hat. Ob es sich dabei um einen
Trick der Helfer handelt, um ihre Machtposition zu stärken, oder welchen Wahrheitsgehalt es
wirklich hat, das herauszufinden ist nun unsere
Aufgabe.«
Will Dean richtete sich auf.
»Ich glaube, das ist eine Aufgabe, die der
TLD der Insel übernehmen sollte. Ich werde
mich persönlich nach Estartu begeben und versuchen, mit den Helfern Verbindung aufzunehmen.«
Tifflor nickte beipflichtend.
»Dasselbe hatte ich gerade vorschlagen wollen. Und vergiss nicht: Es gibt mindestens eine
Person in Cartwheel, die Ijarkor gesehen haben
will. Unter Umständen kümmerst du dich auch
darum. Der Ophaler wird sich immer noch auf
Oden aufhalten, nehme ich an.«
*
Atemlos lehnte Dean an der Mauer. Angenehm kühl fühlte er das Material in seinem
Nacken. Erschöpft drehte er sich um und stützte
sich mit schweißnasser Stirn gegen die Wand.
Wie hatte er nur annehmen können, die Kontaktaufnahme zu den Helfern Ijarkors leicht zu
erzielen?
Seit drei Tagen war er nun bereits unterwegs,
gejagt von verschiedenen Organisationen, Geheimdiensten der Arkoniden, Dscherro und Pariczaner, auch verschiedene Interessengruppen
der Estartischen Völker ließen ihn kaum zur
Ruhe kommen.
Was machte er falsch? Er hatte sich vor dem
Einsatz mehrere Stützpunkte anlegen lassen;
bei seiner Ankunft die Verbindungsleute kontaktiert. Er hatte eine Maske getragen, doch im
114
D O R G O N
Laufe der erfolglosen Tage hatte er sich ihrer
entledigt.
Langsam beruhigte Dean sich wieder. Seine
Atmung wurde gleichmäßig und flach, wie er es
gewohnt war. Dann sah er sich um.
Er befand sich in einer dunklen Seitengasse,
ein Mond spendete spärliches Licht. Wie sollte
er jemals die richtigen Personen finden, die ihm
weiterhelfen konnten?
»Terraner!«
Der unerwartete Ruf schreckte ihn auf. Blitzartig hatte er eine Waffe gezogen und sich hinter
einem Vorsprung zu Boden geworfen.
»Bleiben Sie ruhig!«
Seine Augen versuchten in der Dunkelheit
den Sprecher zu entdecken, doch ohne Erfolg.
Der helle Klang der Stimme ließ sich nicht zuordnen. Verwirrt sah Dean sich um.
»Gehen Sie langsam diese Gasse hinunter,
ungefähr hundertfünfzig Schritte! Ich werde Sie
erwarten. Keine Sorge, ich bin kein Feind.«
»Wer sind Sie?«
Deans geflüsterte Worte erhielten keine Antwort. Der Fremde war verschwunden. Dean
fluchte unterdrückt. Er konnte sich doch nicht
einfach diesem Fremden anvertrauen! Wenn sie
ihm eine Falle stellen wollten? Hm, dann hätten sie sofort schießen können. Er hatte so verträumt an der Wand gelehnt, dass er die Annäherung des Fremden nicht bemerkt hatte.
Seufzend erhob er sich und folgte der Gasse. Die Waffe hielt er schussbereit in der Linken, er schlich sich dicht an der linken Häuserfront entlang. Nach gut hundert Metern erreichte er eine Öffnung in der Mauer. Ein schwacher
Lichtschein fiel hindurch und ließ die Umrisse des Exoskeletts eines Elfahders sichtbar werden. Dean blieb im Schatten stehen. Die Waffe
behielt er vorsichtshalber in der Hand.
»Elfahder!«
Er konnte keine Bewegung entdecken, nur
einige der stachelartigen Segmente klirrten leise.
»Terraner, folgen Sie mir.«
Der Elfahder wandte sich um und verschwand durch eine Seitentür. Dean zögerte
kurz, dann zuckte er mit den Schultern und folgte dem Wesen. Wenn er vorwärts kommen wollte, musste er etwas riskieren.
Tobias Schäfer
Hinter der Tür begann ein enger Gang, der
in die Tiefe führte. Will Dean war unbehaglich zumute, als er den Gang betrat und die
Tür sich hinter ihm schloss. Vorsichtig folgte er
dem klirrenden Geräusch des vor ihm gehenden
Molluskenwesens in seiner Allzweckrüstung.
Er kannte die Elfahder als loyale und friedfertige Wesen, die in den ESTARTU-Galaxien über
den Frieden wachten. In ihm keimte ein Verdacht auf. Wahrscheinlich hatte er nichts zu befürchten.
Schließlich erreichte er eine weitere Tür,
hinter der ein relativ geräumiger Hohlraum zum
Vorschein kam, der gemütlich als auch zweckdienlich eingerichtet war. Grinsend bemerkte
Dean, dass er sich im Bereich eines Agenten
befand. Seine Erwartungen wurden auch nicht
enttäuscht.
»Terraner«, begann der Fremde. »Ich will
nicht lange um den Grund meines Auftauchens
herumreden. Ich habe Sie in den letzten Tagen
beobachtet. Sie scheinen auf der Suche nach etwas oder jemandem zu sein.«
Er machte eine kurze Pause. Seine wohltönende Stimme beruhigte den TLD-Agenten.
»Obwohl Sie nicht viel erreichen konnten,
sondern sich eher gegenteilig in verschiedene
Verfolgungsgeschichten verstrickten, war doch
nicht zu übersehen, dass Sie trotz der offensichtlichen Gefahr immer wieder in bestimmte
Bereiche vordrangen, um vielleicht doch noch
positive Ergebnisse zu erzielen.
Durch die Ereignisse um und auf Oden bin
ich zu dem Schluss gekommen, dass Sie sich
auf der Suche nach Hinweisen auf die Helfer
Ijarkors befinden.«
Dean nickte. So etwas hatte er erwartet.
»Das ist korrekt. Mein Name ist Will Dean.
Ich bin vom Terranischen Liga Dienst in Cartwheel.«
»Ich heiße Garrus. Wie Sie richtig vermuten, bin ich ein Helfer Ijarkors. Erwarten Sie
jedoch nicht, dass ich Ihnen die Geheimnisse unserer Organisation verrate! Ich habe Kontakt mit Ihnen aufgenommen, um die Verständigung zwischen uns und den Terranern einzuleiten. Wir sind der Ansicht, dass die Richtung,
die ihr eingeschlagen habt, sowohl ethisch als
auch logisch die richtige ist und dem großen
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
Plan DORGONs entspricht.«
Nachdenklich betrachtete Dean die grün
leuchtenden Punkte hinter den Schlitzen in der
Igelrüstung.
»Sie sind doch nicht nur auf Estartu, um mit
mir Kontakt aufzunehmen? Ich meine, das hätte
man einfacher haben können, ohne sich in Gefahr zu bringen. Und die Art, wie Sie mich kontaktierten, spricht auch für meine Vermutung.«
»Sie haben Recht, natürlich ist unser Aufeinandertreffen rein zufällig. Ich nehme an, dass
die Öffentlichkeit nicht von Ihrem Einsatz wusste? Niemand konnte Sie also hier erwarten.
Nein, ich habe selbst einen Auftrag zu erledigen.«
Gespannt beugte Dean sich vor.
»Die Fanatiker um Saron können sich nicht
offiziell mit Waffen und dergleichen versorgen,
also beschaffen sie sich die Sachen auf illegale
Art. Hier auf Estartu soll heute noch die Übergabe stattfinden. Ich habe mit einer ausgewählten Gruppe den Auftrag, diese Waffenlieferung
zu verhindern.«
»Hm.« Dean konnte sich vorstellen, welches
Wagnis eine kleine Truppe einging, die Gangsterbanden zu behindern suchte. »Und trotzdem
nahmen Sie heute Kontakt mit mir auf?«
»Ich wollte die Möglichkeit nicht ungenutzt
verstreichen lassen, und immerhin könnte es
sein, dass wir in Schwierigkeiten geraten und
unser Leben lassen müssen. Ich wollte auf jeden Fall erst mit Ihnen gesprochen haben.«
Der Terraner zögerte nur kurz, dann hatte er
seinen Entschluss gefasst.
»Ich werde mich anschließen! Diese Sache
ist auch für den TLD von großem Wert. Mit den
hier gemachten Erfahrungen kann später konkreter auf entsprechende Situationen reagiert
werden. Sind Sie einverstanden?«
Statt einer Antwort wandte der Elfahder sich
um und entnahm einem Schrank verschiedene
Unterlagen, die er nun vor Dean ausbreitete.
»Dieses sind Karten, die uns die Umgebung
zeigen, in der die Sache laufen wird. Jede Handlung von uns wurde exakt berechnet. Natürlich
bleibt der übliche Unsicherheitsfaktor, aber wir
vertrauen der Initiative des guten Agenten.«
Dean vertiefte sich in die Pläne, ließ sich die
Hologramme vorspielen und verinnerlichte alle
115
Daten.
Kurz nach Mitternacht brachen die beiden
auf. Garrus Gruppe hatte sich in die Reihen
der Waffenschieber infiltriert und befand sich
bereits vor Ort. Dean und Garrus erreichten
den Raumhafen durch einen üblichen Personentransmitter und entschwanden unbemerkt der
großen Abfertigungshalle. Sie näherten sich einer kleineren Lagerhalle und versteckten sich
hinter Frachtgegenständen. In einiger Entfernung landete ein großes kugelförmiges Raumschiff.
Und während Dean noch überlegte, was
ein terranisches Raumschiff auf Estartu wollte,
noch dazu um diese Zeit, kamen aus der Dunkelheit verschiedene unauffällige Gestalten auf
die Halle zu.
Sie verteilten sich und untersuchten einige
der Transportkisten. Dean brach der Schweiß
aus. Hatte Garrus ihm nicht erklärt, dass einige
Kisten nur mit waffenähnlichem Schrott gefüllt
waren? Garrus schien ganz die Ruhe selbst zu
sein. Dean hätte jetzt zu gern gewusst, wie es
innerhalb des Exoskeletts aussah.
Der gefährliche Moment ging vorüber. Eine
Gruppe von zehn Pterus erschien in dem Hangartor. Garrus zuckte kurz zusammen, dann lag
er wieder unbewegt da. Es wurde ernst!
Leise schlichen sie an der Wand entlang, um
den Pterus in den Rücken zu kommen. Der Terraner war erstaunt, wie leise sich der Igelpanzer
bewegen ließ.
Die Schmuggler schleppten eine Kiste heran, gerade als Dean und der Elfahder den Ausgang erreichten. Noch hatten sie keine Deckung
gefunden, doch zwei von Garrus Leuten zückten plötzlich die Waffen und begannen, wild
zu feuern. Mit einem Schrei warf sich Garrus
von hinten auf die Pterus. Seine kleine Gruppe befand sich bereits im verzweifelten Rückzugsgefecht, als Dean begriff, was hier geschah. Anscheinend waren die Pterus kurz vor der
Entdeckung der Sachlage von den Helfern angegriffen worden, die den kleinen verbliebenen
Vorteil noch nutzen wollten. Hoffnungslos unterlegen verging ein Helfer nach dem anderen
in den Hochenergiestrahlen der Pterus, die sich
schnell gefangen hatten.
Dean hatte sich hinter eine Kiste geworfen
116
D O R G O N
und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Er
war zwar nur wenige Schritte vom Ausgang entfernt, doch tobte auch dort ein heftiges Gefecht.
Garrus war bereits in den ersten Augenblicken von einem der anderen Waffenschieber
getroffen worden. Seine Rüstung lag schief am
Boden, der molluskoide Körper war teilweise
aus einer Öffnung geflossen und dort von den
Hitzestrahlen verschmort.
Ein Summen dicht an Deans Kopf schreckte
ihn auf. Er wusste, dass eine flimmernde Abstrahlmündung direkt auf seinen Hinterkopf gerichtet war. Langsam hob er die Hände. Der
Blitz zuckte überraschend an ihm vorbei. Dean ließ sich sofort fallen und rollte herum. Hinter ihm lag ein Pterus mit der aktivierten Waffe in der Hand. Ein Strahl hatte ihn getroffen.
Gehetzt sprang Dean auf und rannte durch eine
kleine Seitenöffnung ins Freie, wo er von drei
Männern in Empfang genommen wurde, die ihn
in die Mitte nahmen und in den Nachthimmel
aufstiegen.
Erstaunt registrierte Dean, dass es wirklich
Männer nach seinem Verständnis waren, nämlich Terraner! Hatten sie den Pterus im letzten Moment erschossen? Doch woher kamen sie
und wer waren sie?
Flach flogen sie über das Gelände dahin,
auf jenes Kugelschiff zu, das Dean bei ihrer
Ankunft registriert hatte. Unten explodierte die
Lagerhalle in einer grellen Leuchterscheinung,
und die Druckwelle wirbelte die vier Männer
durcheinander, so dass Dean beinahe Hören und
Sehen verging. Dann durchquerten sie eine unsichtbare Strukturlücke im Schirm des Schiffes,
jedenfalls endeten die Wirbel abrupt. Der Agent
überlegte, in wessen Hände er wohl geraten sein
mochte. Terranisch waren sie, das hatte er einwandfrei festgestellt. Woher sie jedoch kamen
und was sie wollten, konnte er sich nicht vorstellen. Immerhin hatten sie ihn vor dem sicheren Tod gerettet.
Eine Luke öffnete sich, die Männer schwebten hinein. Sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, ließen sie Dean los. Die
geschlossene Luke verhinderte sowieso erstmal
jeden hypothetischen Fluchtversuch.
Die Fremden klappten ihre Raumhelme zurück. Als der letzte den seinen lüftete, erstarrte
Tobias Schäfer
Dean.
»Remus? Remus Scorbit? Hast du zugenommen, Junge?«
Der Fremde lächelte schief. Es konnte nicht
Remus Scorbit sein, denn der weilte auf Mankind und ließ sich in Politik und Militär unterrichten. Dean fielen erst jetzt die winzigen
Unterschiede auf. Der Fremde besaß die etwas
ruhigeren Gesichtszüge, dabei wirkte er etwas
kräftiger als Remus. Auch seine Gestik wies
kleine Unterschiede auf.
»Nein, nicht Remus. Mein Name ist Jan
Scorbit.«
Dean blickte erstaunt auf. Er hatte von Remus’ Zwillingsbruder Jan gehört. Doch laut Remus war Jan von seinen Reisen nicht zurückgekehrt, er galt als verschollen.
»Kannst du mir das erklären? Und wie ich
dein heutiges Auftauchen deuten soll?«
»Erstmal ein herzliches Willkommen an
Bord der LARRY RANDALL! Bitte folge mir
in die Zentrale, es gibt noch eine Kleinigkeit zu
erledigen!«
Durch den kleinen Transmitter gelangten sie
schnell in den Mittelpunkt des Schiffes. Dean
bemerkte erstaunt, dass sie sich bereits im All
befanden. Nicht weit vor ihnen flog ein zweites
Schiff.
Jan Scorbit drehte sich lächelnd zu dem dunkelhäutigen Terraner um.
»Das dort ist das Schiff, mit dem die
Schmuggelware aus dem System geschafft werden sollte. Es wird nicht weit kommen.«
Will Dean wollte gerade fragen, wie er
das meinte, als sich die RANDALL plötzlich
schüttelte. Gleichzeitig verschwand das fremde Schiff von den Schirmen und machte einer
kurzlebigen Sonne Platz.
»Warum habt ihr das gemacht?« Schockiert
starrte Dean auf den Schirm, wo die expandierenden Gase zu sehen waren.
»Die Schweinebande hatte es verdient!« sagte eine harte Stimme hinter ihm.
Dean drehte sich um. Er hatte gar nicht bemerkt, wie das Schott zur Feuerleitzentrale geöffnet wurde. In der Öffnung standen zwei alte
Bekannte von ihm. Chris Japar lehnte lässig in
dem Schottrahmen und grinste, Sam Tyler stand
breitbeinig davor. Seine Miene schien eingefro-
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
ren, doch seine Augen funkelten gefährlich.
»Will, es tut mir leid«, fiel Scorbit erklärend
ein, »dass euer Wiedersehen unter diesen Umständen erfolgen musste. Aber wenn du die Pterus näher kennen lernst, wirst du merken, dass
mit ihnen nicht zu spaßen ist. Tyler handelte auf
meine Anweisung, als er das Schiff vernichtete.«
»Auf deine Anweisung? Du bist hier der
Chef? Ich kann nicht ganz verstehen, wieso du
so hart durchgreifen lässt.«
»Na schön, setz dich. Ich erzähle dir meine
Geschichte.«
Will erfuhr, dass Jan während seiner Reisen
durch die Milchstraße schließlich auf Agenten
der Neuen USO traftund sich ihnen anaschloss.
Er hatte festgestellt, dass sein bisheriges Leben
keinen Sinn hatte, doch wollte er endlich etwas
bewegen.
Durch vortreffliche Dienste und das richtige
Gefühl für Außergewöhnliches stieg er schnell
in der USO auf. Als schließlich das Projekt der
Insel gestartet wurde, schickte Monkey ihn als
Befehlshaber der Insel-USO los, die Organisation auch in Cartwheel zu etablieren.
»Allerdings kann ich dir nicht sagen, wo wir
unsere Zelte aufgeschlagen haben.«
Der Aufbau der Neuen USO war streng geheim, also konnte Jan Scorbit sich nicht seinen
beiden Verwandten Remus und Uthe offenbaren, die ihn noch immer für verschollen hielten.
»Momentan observiere ich die neuen Upanishad. Sie bereiten mir gewisse Sorgen. Ihre
Waffenschieberei konnte ich verhindern, auch
dank der Helfer Ijarkors um Garrus.«
»Gut, die Herren USO-Spezialisten gehen
also ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem unauffälligen Töten nach, während wir vom TLD
versuchen, diplomatische Wege zu beschreiten!
Gibt es für euch eigentlich auch andere Möglichkeiten, eure Zwistigkeiten beizulegen? Oder
habt ihr auf eurem Basisplaneten eine riesige
Arena, in der ihr Barbaren jeden Streit austobt?«
In Deans Augen war ein ironisches Funkeln
getreten, als er die Leute reizte.
»Mach bloß keinen Lauten, Kleiner!« Unerwartet hatte sich Japar eingemischt. »Ihr Weichköppe vom TLD habt überhaupt keine Ahnung
117
von der wirklichen Agententätigkeit! Wenn ich
da an die Arkon-Einsätze denke...«
Will Dean fing an zu lachen und klopfte dem
Kämpfer auf die Schulter.
»Nichts für ungut, Chris! Natürlich haben
beide Organisationen ihre Stärken und Schwächen! Und deshalb«, wandte er sich an Scorbit, »schlage ich eine Kooperation zwischen uns
vor, zumal wir ja die gleichen Ziele verfolgen.
Oder täusche ich mich, wenn ich davon ausgehe, dass ihr hier das Kosmische Projekt unterstützen wollt?«
Scorbit schüttelte den Kopf.
»Gut. Also auf gute Zusammenarbeit! Übrigens, auf Oden gibt es noch jemanden, der uns
vielleicht weiterhelfen könnte...«
Der Chef der USO blickte ihn kurz an, dann
wandte er sich an den Piloten.
»Kurs Oden!«
6.
Mankind, 22. August 1296
NGZ
Eine große Menschenmenge hatte sich am
Raumhafen von New Terrania eingefunden. Gebannt starrten sie in die Wolken, wo jeden Augenblick das große Schiff erkennbar werden
musste.
Auch Julian Tifflor und Don Phillippe de
la Siniestro waren anwesend. Sie als politische
Vertreter der cartwheeler Menschheit erwarteten den Terranischen Residenten Perry Rhodan,
den Sechsten Boten Thoregons. Vor wenigen
Stunden war er durch den zentralen Sonnentransmitter angekommen und befand sich nun
auf dem Weg nach Mankind, der Hauptwelt der
LFT.
Ein Raunen ging durch die Menge. Tifflor
hob wieder den Blick und erkannte einen kleinen schwarzen Punkt am Himmel, der schnell
größer wurde und dabei an Konturen gewann.
Es war ein kleiner Raumer, wie sie häufig zwischen Paxus und Mankind pendelten.
Zwischen den beiden Delegierten flimmerte
die Luft, dann wurde die kleine Mausbibergestalt von Gucky sichtbar, der wieder den bequemeren Weg gewählt hatte.
118
D O R G O N
»Tach, Langer!« rief er fröhlich und ließ seinen Nagezahn blitzen. Dann maß er den Marquese mit einem langen Blick, bis er auch ihn
begrüßte.
Tifflor war nicht überrascht, dass der Ilt es
nicht auf dem Raumer aushielt und vor Rhodan
auftauchen musste.
Inzwischen war das Schiff gelandet und
Rhodan entstieg ihm über die projizierte Gangway. Die Menge jubelte ihm zu, während er
gemessenen Schritts auf die kleine Gruppe zuging. Er hob die Rechte und winkte freundlich
zurück, dann stand er auch schon vor Tifflor.
»Hallo, Tiff!« Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er einem seiner ältesten Freunde und Wegbegleiter auf die Schulter
klopfte.
Tifflor erwiderte den kumpelhaften Gruß.
»Und, wie war die Reise, Chef?«
»Oh, sehr angenehm! Und beeindruckend,
welche Entfernung dieses Portal zu überbrücken im Stande ist, nicht wahr?«
Sie hatten sich schon auf einen bereitstehenden Gleiter zu bewegt, den sie jetzt bestiegen
und Richtung Regierungszentrum flogen. Rhodan wandte sich an den alten Spanier.
»Don, ich bin gespannt zu erfahren, wie Sie
hier die diplomatischen Angelegenheiten regeln! Aber das kann noch warten, bis wir da
sind. Ich muss dem saggittonischen Kanzler
beistehen, in dieser harten Phase für sein Volk.
Die Nachricht über die Zerstörung Saggittors
war ein Schock für mich. Ich habe Rodrom in
bester Erinnerung.«
Betrübtes Schweigen breitete sich im Gleiter
aus. Keiner war bisher über den Schock hinweg
gekommen, den die Vernichtung Saggittors in
ihnen ausgelöst hatte.
Das große Gebäude wirkte eigentlich recht
einfach auf die beiden Besucher. Trotzdem verbreitete es den Hauch von kunstvoller Schönheit, die den Stimmungstiefpunkt wieder ein
wenig hoben.
Aurec kam dem Terraner entgegengeeilt und
begrüßte ihn freudig.
»Ich bin glücklich über eure Ankunft! Nach
den langen Jahren ist es schön, den guten
Freund wieder zu treffen.«
»Und was ist mit mir?« kreischte Gucky auf-
Tobias Schäfer
dringlich. »Seit wir hier sind, hat sich noch niemand um mein Nackenfell gekümmert! Dabei
habe ich es wirklich mal wieder nötig, dass
mich einer krault!«
Aurec und Rhodan grinsten.
»Ich glaube, der Kleine wird sich schon jemanden suchen. Du musst dieses Gezeter nicht
als Aufforderung verstehen!«
Gucky starrte Rhodan wütend an.
»Jaja, lacht ihr mal! Wir sehen uns später!«
rief er und teleportierte.
Die Männer betraten einen Raum und ließen sich in die Energiepolster fallen. Inzwischen hatten sich auch Gal’Arn und Jonathan
Andrews sowie Remus Scorbit und Henry Portland dazu gesellt.
Perry blickte den Saggittonen ernst an.
»Aurec, mein Freund!« Bitterkeit schwang
in seiner Stimme mit. »Es fällt mir nicht leicht,
wenn ich dich bitte, mir den Untergang Saggittors zu schildern.«
Aurecs Augen verschleierten sich kurz, dann
hatte er sich wieder in der Gewalt. Ausführlich,
wenn auch manchmal stockend, berichtete er
von Rodroms Rückkehr, dem Tod SAGGITTORAS bis schließlich zur Vernichtung der Galaxis mit Milliarden ihrer Einwohner.
Die Stimmung war gedrückt, jeder hing seinen Gedanken nach oder versuchte, die Erzählung zu verarbeiten. Schließlich richtete Rhodan sich wieder auf.
»Danke, Aurec. Ich kann es kaum glauben,
was du erzählst. Es erscheint mir fast wie ein
Test! Ein Test vor dem großen Einsatz.«
Erschrocken richteten die Anwesenden sich
auf.
»Wie meinst du das?« fragte Remus Scorbit.
»Denkst du etwa an einen Zusammenhang zwischen Saggittor und Cartwheel?«
»Cartwheel oder der Milchstraße, unserer
Heimat.« Rhodan nickte bedeutungsvoll. »Immerhin wollte Rodrom mich und andere Terraner auf der LONDON vernichten! Und seit einigen Jahren macht uns in der Milchstraße Cau
Thon Schwierigkeiten.«
Rhodan schaute in erstaunte Gesichter, als er
fortfuhr:
»Höhere Mächte sind die Herren beider Wesen. Ihre Handlungen richten sich gegen die
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
Menschheit – wobei Rodrom sich mehr auf
mich persönlich konzentrierte. Die düstere, rote Aura beider Wesen verbindet sie außerdem
und legt den Schluss nahe, dass es ein gemeinsames Ziel gibt. Ihr Meister ist MODROR. Was
er ist wissen wir nicht. Ich vermute ein Chaotarch... aber das würde gegen das Abkommen
in DaGlausch verstoßen.
Wie dem auch sei!
Tiff, Don, bitte berichtet mir, was bisher in
Cartwheel passierte!«
Der Marquese und Tifflor begannen mit ihrem Bericht. Vor allem Don Phillippe entpuppte
sich als ausdauernder Erzähler, der keine Kleinigkeit vergaß. Tifflor beschränkte sich schließlich darauf, die Themen zu wechseln, damit der
Spanier sich nicht zu sehr in einer Sache verbiss.
Rhodan hörte aufmerksam zu, stellte einige
wenige Fragen und schuf sich ein klares Bild
von den Verhältnissen. Die kontroversen Arkoniden, die Entstehung der neuen Upanishad, das
Auftauchen der Helfer Ijarkors, die Probleme
bei der Wahl einer übergreifenden Regierung –
alles nahm er konzentriert auf und verarbeitete
es.
Zwei Stunden später, nachdem er sich mehrere wichtige Ereignisse im Hologramm angeschaut hatte, wusste er, dass hier nicht alles
so glatt lief wie DORGON es sich vorgestellt
hatte. Zwar gab es keine unlösbaren Probleme, aber der ideelle Gedanke von einer völligen Einheit ließ sich offensichtlich nicht einfach verwirklichen. Immerhin waren die Völker auch in ihrer Heimat nicht immer miteinander befreundet oder friedlich verbunden. Rhodan empfand es allerdings als erstaunlich, dass
es bisher nicht größere Krawalle gegeben hatte.
»Freunde, ich werde mich noch mit Gucky
einige Tage hier in der neuen Galaxis aufhalten.
Zeit genug für Verhandlungen und Planungen
also...«
»Ich werde wieder nicht gefragt!« ereiferte
sich der Mausbiber, der zur Sekunde im Raum
erschienen war. »Typisch! Kaum ist man in der
Fremde und schaut sich mal die tollen Sachen
an, wird schon wieder über den eigenen Kopf
hinweg entschieden!«
Rhodan grinste.
119
»Na gut, also: Ich bleibe noch einige Tage
hier, und Gucky kann ruhig schon wieder nach
Hause!«
»Sicherlich! Das fehlte ja gerade noch, dass
ich dich hier allein sitzen lasse! Ich bleibe! Außerdem müssen Remus und ich mal wieder unsere philosophische Poolsession wiederholen«
Remus blickte verlegen auf den Boden.
Ein erlösendes Gelächter entspannte die Gesichter der Anwesenden und ließ sie für einen
Augenblick vergessen, dass vielfältige Probleme ihrer harrten.
7.
Lauf der Dinge
Dunkelblondes Haar wallte lang über den
Arm auf die Liege hinab. Der kleine Kopf war
schräg auf die offene Hand gestützt, zierlich
streckte sich der anziehende Körper. Die großen
braunen Augen waren auf ein Buch gerichtet,
das vor der Frau lag. Ausdruckslos war ihr sonst
so natürlich schönes Gesicht, die Augen folgten
gelangweilt den Zeilen. Wie kam ihr Onkel nur
auf die Idee, sie mit der Studie uralter Literatur
zu beschäftigen?
Aufstöhnend klappte Nataly Jargon das
Buch zu und richtete sich auf. Tag ein Tag aus
war sie nun damit beschäftigt, alte Bücher zu
wälzen! Wo blieben da ihre Freizeit und die
Aufregung, die sie so brauchte wie die Luft zum
Atmen?
Sie stürmte aus ihrem Zimmer und rief laut
den Namen ihres Onkels, während sie sich auf
die Suche nach ihm begab.
In dem allgemeinen Aufenthaltsraum fand
sie ihn schließlich, wie er die gemütliche
Sitzecke aufräumte.
»Jaaron, ich kann nicht mehr! Es tut mir leid,
aber ich muss jetzt wirklich langsam mal aus
dem Haus raus, etwas erleben! Schließlich hätte
ich auch in der Milchstraße ausschließlich lesen
können!«
Jaaron blickte ihr in die Augen, dann nickte
er.
»Ich habe das erwartet«, sagte er mit ruhiger
Stimme. »Ich will nicht betrübt sein, dass ich
eine gute Mitarbeiterin verliere. Natürlich kann
120
D O R G O N
ich dich nicht halten. Doch bin ich so sehr in
meine Arbeit als Chronist vertieft, dass ich keine Zeit für andere Arbeiten finde.
Nun, dem werde ich Abhilfe schaffen. Deshalb habe ich uns für heute Besuch geladen. Ah,
da ist er schon! Einen Moment.«
Der automatische Besuchsmelder hatte sich
aktiviert, und Jaaron Jargon verließ das Zimmer, um seine Gäste in Empfang zu nehmen.
»Nataly, das ist der Reporter Robert Mohlburry mit seiner Tochter Janela«, stellte er sie
vor. »Robert, Janela, meine Nichte Nataly.«
Freundlich begrüßten sie einander, und Nataly fand sie bereits sympathisch. Der Reporter
machte einen etwas exzentrischen Eindruck, da
er ausgefallene Kleidung trug und sich auch ansonsten versuchte, von der Masse abzuheben.
Er stellte sich noch einmal extra als Speaky
vor mit der Begründung, dass ihn seine Freunde so nannten, um seine Funktion als Reporter
zu würdigen. Seine Tochter sah ebenfalls nett
aus und lachte Nataly so offen an, dass sie sofort den Eindruck einer guten Freundin bekam.
Jaaron führte sie in den Aufenthaltsraum und
verteilte kühle Getränke. Sie machten es sich
bequem und fingen leichte Unterhaltungen an,
die eine gelockerte Atmosphäre schafften. Dann
räusperte sich Jaaron.
»Robert, wir haben bereits ansatzweise über
mein Anliegen gesprochen. Ich will es noch einmal kurz umreißen.
Meine Nichte möchte selbstständig werden,
einen eigenen Beruf erlernen, die Galaxis kennen lernen. Ich kann es ihr nicht verübeln,
in diesem Alter sollte man stets die eigenen
Wünsche zu erfüllen suchen. Doch brauche ich
weiterhin Unterstützung bei meiner Arbeit als
Chroniker der Insel! Und da kommst du ins
Spiel. Ich könnte deine Erfahrung als Reporter nutzen, indem ich dich durch die Galaxis schicke, damit du Impressionen der Völker
und der Systeme sammelst und mir weitergeben
kannst. Als Reporter bist du dazu geradezu prädestiniert. Und dein Ruf eilt dir weit voraus. Ich
hätte keine Bedenken, deine Eindrücke als die
meinen anzusehen.
Nataly könnte dann tun und lassen, was sie
wollte, deine Tochter ist wahrscheinlich auch in
dieser Phase. Ob sie sich zusammenschließen
Tobias Schäfer
oder nicht, ist ihre Sache.
Nun, was meint ihr?«
Grinsend weidete er sich an Natalys erstauntem Gesicht. Sie war zu keinem Wort fähig,
sondern starrte ihn nur an.
Robert Speaky Mohlburry dagegen strahlte
übers ganze Gesicht und stimmte sofort zu.
»Das ist genau eine Aufgabe von der Art,
wie ich sie mir seit langem vorstelle! Die Systeme durchreisen, Völker näher kennen lernen
und dabei reportieren! Eine großartige Vorstellung!«
Endlich kam Nataly wieder zu sich.
»Onkel, ist das dein Ernst? Ich darf wirklich weg, und du bist nicht böse, sondern sogar
froh darüber? Wenn du dich nicht mit mir freust,
bleib ich hier!«
Jaaron schüttelte den Kopf.
»Mein Kind, wie ich schon sagte: Jeder muss
seinen eigenen Weg finden. Ich wäre froh, wenn
du es geschafft hättest!«
»Jaaron, kann ich gleich mit der Einarbeitung beginnen?« erkundigte sich Speaky ungeduldig. »Sag mir, worauf ich zu achten habe,
dann mache ich mich an die Arbeit!«
*
»Ich bin ganz aufgeregt!« Nataly hielt den
Umschlag in den Händen und alberte herum. Janela erkannte jedoch deutlich die Nervosität in
ihren Augen, und ihre Finger zitterten ebenfalls.
»Beruhige dich erstmal!« rief Janela eindringlich. »Ich bin sicher, dass sie dich nehmen,
schließlich bist du ja nicht irgendwer, sondern
die Nichte des Chronikers der Insel!«
»Du hast Recht. Ich bin schon wieder da.«
Nataly öffnete den Umschlag, in dem die
Antwort auf ihre Bewerbung enthalten war. Sie
wollte die Stelle als Beamtin, neue Erfahrungen
sammeln und selbstständig leben.
Der erste Blick auf die Folie ernüchterte sie.
Fassungslos überflog die halbe Linguidin den
Text ein zweites Mal. Dann sank sie bleich in
einen Sessel, der sich automatisch gebildet hatte.
»Nein! Das kann nicht wahr sein!«
Kraftlos lies sie die Hand mit dem Blatt sinken. Erschüttert nahm es Janela aus ihrer Hand
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
und las es schnell durch.
»Aufgrund des zu geringen Erfahrungsstandes müssen wir dir leider eine Absage erteilen.
Wir danken jedoch für dein Interesse und hoffen, dass du weiterhin in diesem Bereich arbeitest.« Janela faltete die Folie zusammen und gab
sie der Freundin wieder. »Das ist natürlich ein
unwiderlegbares Argument. Du solltest es dir
nicht so zu Herzen nehmen. Schließlich bist du
noch jung!«
An diesem Abend wandelte Nataly allein
durch die Parks, die Alleen und die Straßen der
Stadt. Unbewusst lenkte sie ihre Schritte zum
Regierungsbezirk. So schlenderte sie in Gedanken versunken dahin, bis sie schließlich einen
Mann anrempelte.
»Oh, Entschuldigung!« murmelte sie und
blickte auf.
Die braunen Augen fesselten sie, zogen sie
sofort in ihren Bann. Der Mann war nur durchschnittlich groß, aber von sportlicher Statur, mit
schönem schwarzen Haar. Sie erkannte ihn sofort. Vor nicht allzu langer Zeit war er in allen
Videoempfängern der Insel zu sehen gewesen,
als er seine große Ansprache hielt, den Aufruf
zur Hilfe und Freundschaft für sein leidgeprüftes Volk.
Vor ihr stand Aurec, der Kanzler der Saggittonen.
Ein Schimmer von Bewunderung erschien in
seinen Augen. Offensichtlich hatte er Gefallen
an ihr gefunden. Das bewiesen auch seine ersten Worte.
»Darf ich Sie zum Essen einladen? Ich kenne hier in der Nähe eine gemütliche Kneipe,
in der man ungestört seine Mahlzeit einnehmen
und sich dem Gespräch widmen kann. Nun, was
meinen Sie?«
Leicht errötend senkte Nataly den Kopf, aber
nur, um ihn sofort darauf wieder zu heben und
dem Saggittonen mit feurigen Augen anzusehen.
»Nehmen Sie immer eine Entschuldigung einer Frau mit der Einladung zum essen an?«
fragte sie neugierig.
Aurec grinste.
»Nein, nur bei wunderschönen Frauen, die
die Nichten des Chronisten von Cartwheel
sind.«
121
»Ah«, machte Nataly überrascht und lächelte
verlegen.
»So eine Einladung würde ich niemals ablehnen.«
Er bot ihr ganz nach terranischer Sitte den
Arm und geleitete sie in eine winzige Kneipe in
der Nähe, wo tatsächlich niemand aufschaute,
als der berühmte Mann eintrat. Sie nahmen an
einem kleinen Tisch in einer gemütlichen Ecke
Platz und ließen die Atmosphäre auf sich wirken.
Die beiden erzählten sich viel. Insbesondere
berichtete Aurec von den Erlebnissen der letzten Tage auf Saggittor. Nataly hatte viel Verständnis und gab dem Saggittonen das Gefühl,
es sehr ehrlich zu meinen. Sie hatte eine sehr
sympathische und warme Ausstrahlung.
Im Laufe des Abends erzählte Nataly dem
Kanzler von ihrer misslungenen Bewerbung auf
die Stelle einer Beamten. Mittlerweile hatte er
herausgefunden, dass sie gerade dabei war, sich
von dem behüteten Heim des Onkels zu lösen,
um Erfahrungen zu sammeln und das Leben zu
genießen.
»In meinen Regierungsbüros auf Paxus ist
noch immer die Stelle der Sekretärin im Werbebereich unbesetzt. Ich denke, eine dynamische
und intelligente Frau wie Sie es sind, könnte
diese Position als Sprungbrett für ihre Karriere
nutzen.«
Schon wieder war sie fassungslos.
»Sie bieten mir eine Stellung auf Paxus, als
Sekretärin? Ist das Ihr Ernst? Das wäre für viele Frauen ein Traumjob, und ausgerechnet ich
soll ihn erhalten? Gerade noch wurde mir der
Mangel an Erfahrung zur Ursache einer Ablehnung!«
»Naja, ich habe nicht gesagt, dass dieser Job
einfach sein wird. Aber es handelt sich sowieso
in dieser neuen Galaxis um völlige Erneuerungen, so dass jeder unerfahren auf der Position
wäre. Und Ihnen traue ich es zu, die Aufgaben
zu meistern, die diese Einstellung mit sich bringen würden.«
Nataly schwieg nachdenklich. In der Nähe
dieses Mannes zu sein, war schon eine Ehre
und große Herausforderung. Außerdem hegte
sie große Sympathien für den Saggittonen.
D O R G O N
122
»Selbstverständlich würde ich Ihnen und Ihrem Onkel eine große Villa zur Verfügung stehen, so dass ihr gut auf Paxus leben könnt. Sie
können es sich überlegen, mein Angebot gilt
morgen noch immer!«
Jaaron war so begeistert von dieser Aussicht,
dass er Nataly beschwor, so früh wie möglich
bei Aurec anzurufen mit herzlichstem Dank anzunehmen.
8.
Upanishad
Die Hologramme zeigten uns das Bild des
Planeten. Er besaß fünf Kontinente, von denen allerdings nur einer bewohnt war. Mmius, großflächig von Vegetation beherrscht,
Durchschnittstemperatur von 24◦ C; Schwerkraft 0,745 g. Die Hauptstadt hieß Siiiraaad, außer ihr gab es wenige umliegende Dörfer, die
allerdings nach dem Überfall der Pterus zerstört
waren. Unser Ziel war also die Hauptstadt.
Wenn der Terraner Dean Recht hatte, gab es
auf Oden einen Ophaler, der Ijarkor gesehen haben wolle! Das war eine Spur, der wir unbedingt
folgen mussten, auch wenn sie noch so unglaubhaft klang.
»Akhaho!«
Die energische Stimme des USO-Chefs riss
mich aus meinen Betrachtungen.
»Ja?«
»Suche dir noch zwei Männer aus, die uns
begleiten! Ansonsten kommen noch Japar und
Tyler mit. Und unser TLD-Mann, wenn ich
mich nicht irre?!«
Kommentarlos überprüfte der Agent den Sitz
seiner Kombination. Ich verließ die Zentrale
und suchte das Mannschaftsterminal auf, um
mir zwei Männer auszusuchen. Aus welchen
Gründen wir sieben Leute sein sollten, verstand
ich nicht, aber die Gedanken der Chefs sind
stets unergründlich.
Ich dachte an Falbela. Wie es ihr wohl momentan gehen mochte? Ich nahm mir vor, nach
der Auflösung des Upanishad-Konflikts Urlaub
einzureichen und nach Bostich zu reisen. Diese Schönheit wollte ich nicht zu lange warten
lassen!
Tobias Schäfer
Meine beiden Männer standen bereits in voller Schutzmontur an der Polschleuse, als wir ankamen. Die LARRY RANDALL landete gerade
auf dem kleinen Raumfeld der Hauptstadt.
Mit einem bereitgestellten Gleiter jagten wir
der nahen Stadt entgegen. Wie wir erwartet hatten, befand sich der Ophaler in der Obhut elfahdischer Soldaten, doch dank Deans Identität als
TLD-Agent wurden wir binnen kürzester Zeit
vorgelassen.
Da saß er auf dem formenergetischen Sessel,
wenn man das so nennen wollte. Seine rote, borkige Haut vermittelte den Eindruck einer mumienhaften Salbung, seine Tonnenbrust wölbte
sich über seinen Lungen.
»Ich kenne euer Anliegen.« Der organische
Sprachmodulator gab herrlich klangvolle Töne
von sich. »Ich habe leider unvorsichtig damit
geprahlt, den Ewigen Krieger Ijarkor gesehen
zu haben. Nun, es ist tatsächlich war.«
Dean beugte sich vor. Ich sah das misstrauische Glitzern seiner Augen. Meine Leute und
ich hatten uns im Raum verteilt, ich beherrschte
den Ein- und Ausgang.
»Wie kannst du so sicher sein, dass es Ijarkor war, den du gesehen hast?« Deans Stimme
klang ungeduldig.
»Nun, wenn euch das etwas wert ist: Ich
schwöre auf das Leben meiner Mutter, dass es
Ijarkor war. Ich weiß es einfach! Als er vor mir
stand, fühlte ich es. Es gibt keine Zweifel.«
»Hast du Beweise für deine Behauptung?«
»Natürlich nicht! Oder hätte ich ihn um eine
Genprobe bitten sollen?«
»Und natürlich hast du ihn auch noch nie zuvor gesehen, richtig?«
Resigniert nickte der alte Ophaler. Es schien unmöglich, den Fremden zu überzeugen. Ich
bemerkte seine verzweifelten Blicke, aber auch
das Funkeln in den Augen meiner Chefs. Hier
stimmte doch irgendetwas nicht!
»Außer in alten Berichten. Aber ich weiß
es!«
Dean winkte ab. Ich nickte meinen Männern
zu. Wir zogen uns bereits aus dem Raum zurück.
»Sackgasse!«
Zerknirscht musste sich der Terraner eingestehen, dass seine Informationen auch nicht
D O R G O N
Die Helfer Ijarkors
weitergeholfen hatten. Die ganze Angelegenheit blieb ein undurchsichtiger Fall.
Wir begaben uns zurück an Bord der RANDALL. Es war schon alles für den Start vorbereitet, so dass Scorbit nur noch den Befehl geben musste. Das große Raumschiff hob leicht
wie eine Feder ab und strebte dem Weltraum zu.
Die Hologramme zeigten weit und breit kein
Hindernis, alles verlief planmäßig. Doch waren
dort, ganz in unserer Nähe, nicht drei fast unsichtbare Strukturen zu sehen? Ich erstarrte regelrecht, als sich aus der Schwärze des Raums
drei große Schiffe schälten, die sofort das Feuer
eröffneten. Ein Schrei gellte durch die Zentrale.
»Die Pterus! Feuer frei und Ausweichmanöver! Katastrophenalarm!«
Jan Scorbit hatte unglaublich schnell reagiert. Ich hatte die Bewegung gar nicht registriert, mit der er die Schutzschirme aktiviert
hatte. Trotzdem war ein Strahlschuss durchgekommen, der eines der Gravojets weggeschossen hatte. Unsere Manövrierfähigkeit war dadurch um ein zehntel reduziert worden, und die
Pterus befanden sich sowieso in der Überzahl.
Panik wollte nach mir greifen, doch ich sah die
Einsatzleiter ruhig dastehen und fühlte die Aura
der Gelassenheit, die sie ausstrahlten.
»Tyler, sofort an die Geschütze!« drang Jans
Stimme in meine Gedanken. Sam Tyler war
bereits auf dem Weg in die Feuerleitzentrale.
Augenblicke später lag unser Feuer viel platzierter, die Angreifer bekamen Schwierigkeiten. Doch unsere Schirme konnten den Punktbeschuss auch nicht mehr ewig aushalten, und
egal, was der Pilot versuchte, wir entkamen dem
Kreuzfeuer nicht. Ich sah bereits unser Ende nahen und wünschte mich weit weg, nach Bostich,
in die Arme einer arkonidischen Schönheit, in
Falbelas Arme...
*
In dieser hoffnungslosen Situation tauchten
plötzlich zehn weitere Schiffe auf. An Bord der
LARRY RANDALL hallte ein Aufschrei durch
alle Räume. Das musste das Ende sein!
Doch innerhalb weniger Minuten merkten
alle, wie sehr sie sich getäuscht hatten. Nicht
sie waren das Ziel der Fremden, sondern die
123
Angreifer, die Pterusraumer! Es war mehr ein
kurzer Feuerschlag der zehn Schiffe denn ein
wirklicher Kampf, dann waren die Pterus Vergangenheit.
Nicht nur Jan Scorbit wischte sich an Bord
der RANDALL den Schweiß von der Stirn. Es
gab wohl kein Besatzungsmitglied, das noch an
einen glücklichen Ausgang des Kampfes gedacht hatte. Und nun war es geschehen! Mit einem geringfügigen Schaden am Antrieb waren
sie dem Tod entgangen.
Eine Verbindung zu den Fremden wurde hergestellt. Das Wesen, das als Holo erschien,
lehnte alle Danksagungen ab und bat nur um eine Audienz mit den Anführern des Schiffes. Die
Hauptakteure der letzten Zeit, Jan Scorbit als
Anführer der USO, Sam Tyler als erfolgreicher
Agent und Kanonier sowie Will Dean als TLDAgent schickten sich an, der Einladung zu entsprechen und an Bord des bezeichneten Schiffes
zu gehen.
Gespannt betraten die drei das fremde Schiff.
Es war ihnen natürlich klar, dass sie es mit Einheiten der Helfer Ijarkors zu tun hatten. Doch
ein Aufgebot von zehn Schiffen hatten sie noch
nicht entdeckt. Hier bahnte sich etwas Besonderes an.
In der Empfangshalle, ein leer stehender
Hangar, erwartete sie nur ein einziges Wesen.
Erstaunt starrten sie es an. Eingehüllt in eine
zerfetzte Kutte, die Gliedmaßen teilweise von
Stoffen umhüllt, erinnerte es stark an eine mumifizierte Leiche, auch wenn es offensichtlich
ein Pterus war – ein sehr alter Vertreter dieses
kriegerischen Volkes, wie sie feststellen konnten. Seine Haut glänzte nicht mehr, wirkte vertrocknet und eingefallen. Das Gesicht war am
stärksten betroffen, die Haut wirkte fast staubig.
»Willkommen an Bord!« Eine äußerst raue,
verbrauchte Stimme begrüßte sie. »Bitte, mit
wem habe ich es zu tun?«
Jan Scorbit trat vor.
»Mein Name ist Jan Scorbit, ich bin Anführer einer Organisation, die sich Neue USO
nennt und die für die Interessen des Projekts
eintritt, wo sie nur kann. Dieses ist einer meiner besten Leute, Sam Tyler. Und hier zu meiner Linken steht Will Dean, der beste Agent des
Terranischen Liga Dienstes.«
124
D O R G O N
Man konnte Tyler ansehen, dass er ungeduldig wurde.
»Ich nenne mich Ijarkor.«
Diese einfachen Worte lösten eine starke Reaktion aus. Dean nickte nachdenklich, als habe
er derartiges erwartet. Sam Tyler und Scorbit jedoch prallten zurück und stießen einen ungläubigen Laut aus.
»Ijarkor? Alter Mann, der Ewige Krieger ist
ein Mythos!« ereiferte sich Scorbit. »Es wird
zwar von einem Pterus gesprochen, der Ijarkor
sein soll, aber die Ewigen Krieger existieren
schon lange nicht mehr! Wer bist du wirklich?«
»Folgt mir erstmal in eine Kabine. Ich bin
nicht mehr dazu in der Lage, lange Diskussionen im Stand zu führen.«
Er drehte sich um und ging zielstrebig, aber
mit unruhigen Schritten auf ein Schott zu.
Schnell folgten ihm die drei Terraner, die bisher
noch an einen Spaß glaubten und schnell hinter
die Sache kommen wollten.
Keiner hatte ein Auge für die Zimmereinrichtung. Sie ließen sich einfach in die formenergetischen Sessel fallen und starrten den
Alten an.
»Als ich entdeckte, dass ich Ewigkeiten von
den Animateuren benutzt und getäuscht worden
war, beschloss ich, Buße an den Völkern der
ESTARTU-Galaxien zu tun. Ich sammelte Helfer um mich, die mit mir dafür sorgen sollten,
den Permanenten Konflikt nie wieder entstehen
zu lassen.
Um meine Buße möglichst lange vollziehen
zu können, begebe ich mich immer wieder für
längere Zeit in ein Stasefeld, dass mich vor
dem Zellverfall bewahrt. Ich kann es immer nur
kurzzeitig verlassen, denn sonst setzt der Verfall schnell wieder ein. Es gibt Mikroorganismen, die einen Pteruskörper quasi in Stase halten können, ihm also eine relative Unsterblichkeit verleihen. Allerdings tun sie nur wenige Tage ihre Wirkung, dann muss erneut die künstliche Stase aufgesucht werden, um den Verfall zu
verhindern.
Seit Jahrhunderten friste ich in dieser Art
mein Dasein, immer bedacht, Buße an ESTARTU und ihren Völkern zu tun. Es ist meine Aufgabe, auch hier in der Insel für die Einhaltung
ihrer Gesetze zu sorgen, den Permanenten Kon-
Tobias Schäfer
flikt zu verhindern. DORGON selbst schickte
mich hierher, und gab mir damit eine Aufgabe,
die für mich das Lebensziel bedeuten kann – der
Schutz der Insel!«
Ironisch wandte sich Tyler an seine Begleiter.
»Sagt mal, habe eigentlich nur ich den Eindruck, dass bei diesem Kerl hier oben etwas
nicht stimmt?« Er tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe.
»Hm, vielleicht sollten wir eine Untersuchung auf seinen Geisteszustand veranlassen«,
stimmte Scorbit zu. Er schüttelte den Kopf und
betrachtete den Pterus abschätzend. »Ob er einer Nervenklinik entlaufen ist?«
»Hey, Jan, Sam!« empörte sich Dean. »Wir
sind Gäste dieses Mannes, und selbst wenn ihr
seiner Geschichte nicht glaubt, ist etwas mehr
Höflichkeit angebracht! Schließlich hat er uns
das Leben gerettet! Im Übrigen halte ich es für
ziemlich wahrscheinlich, dass er die Wahrheit
sagt.«
Die beiden verzogen erstaunt das Gesicht.
Sam Tyler wandte sich demonstrativ ab und
widmete sich ausgiebig der gegenüberliegenden
Wand.
»Will«, fing Scorbit wieder an. »Du glaubst
doch nicht wirklich an diese Sache? Mikroorganismen, die Unsterblichkeit bringen? Schau ihn
dir doch an! Ich wette, wir alle haben sein Äußeres als erstes mit einer altägyptischen Mumie
verglichen!«
Will winkte ab.
»Du hast seine Erklärungen diesbezüglich
gehört.«
Einige Minuten lang herrschte Schweigen.
Dann räusperte sich der Alte.
»Wenn die Herren fertig sind mit der Diskussion über meine Glaubwürdigkeit, dann würde
ich gerne auf den Grund meiner Einladung zu
sprechen kommen. Meine Organisation handelt
momentan indirekt im Auftrag DORGONs. Wir
wollen das Projekt zu einem Erfolg geleiten.
Das Auftauchen Sarons und seiner neuen Upanishad zwingt uns sekundär in unsere alte Rolle
zurück. Wir können nicht zusehen, wie der Permanente Konflikt wieder auflebt.
Unsere Informanten haben herausgefunden,
dass Saron einen Großangriff mit seiner ge-
D O R G O N
Die Helfer Ijarkors
samten Flotte auf Estartu plant. Das würde ein
unglaubliches Gemetzel geben, wenn wir dem
nicht Einhalt gebieten können. Saron wird versuchen, Sruel Allok Mok und Evrius umzubringen und die Macht über Estartu an sich zu
reißen. Leider verfügen wir nicht allein über
die Mittel, eine Schlacht in diesem Ausmaß zu
schlagen. Es liegt in unserem Interesse, die Terraner und die USO als Partner zu gewinnen. Wir
alle verfolgen die gleichen Ziele.«
Er machte eine Pause und blickte die Männer
der Reihe nach an. Dean nickte überzeugt, auch
Scorbit blickte ernst drein. Tyler schien unbeteiligt dabei zu sitzen.
»Wir müssen eine schlagkräftige Flotte bilden, die es mit Sarons Schiffen aufnehmen
kann. Wir müssen Estartu verteidigen!«
»Du hast Recht, wenn du uns um Mitarbeit
bittest.« Dean lehnte sich zurück. »Ich möchte allerdings den offenen Konflikt vermeiden.
Wenn wir bereits in den ersten Wochen seit der
Besiedlung der Insel mit Gewalt gegeneinander
vorgehen, sehe ich keine große Chance für das
Projekt.«
»Ich bin der gleichen Ansicht. Wir sollten versuchen, nicht dem Überfall zu begegnen, sondern den Urheber kaltzustellen. Starten
wir ein Kommandounternehmen, dessen Ziel
die Entführung Sarons von Upanishad ist! Ich
bin überzeugt, die Pterus werden leichter unter Druck zu setzen sein, wenn ihnen ihr fanatischer Anführer fehlt.«
Damit hatte Scorbit den Anstoß gegeben.
Binnen einer Stunde hatten die beiden Geheimdienstler einen groben Plan entwickelt, der den
Pterus in Erstaunen versetzte. Dean gab sich zuversichtlich.
»Wenn du uns die Position von Upanishad
mitteilen kannst, werden wir den Konflikt bald
gelöst haben.«
Das tat Ijarkor auch. Damit verabschiedete er
sich. Es war Zeit, sich auszuruhen.
*
Zwei Tage später näherte sich ein kleines
Raumboot dem fremden Planeten. Nur sieben
Männer befanden sich an Bord.
Unangefochten landeten sie in der Nähe der
125
kleinen Hauptstadt. Das Boot ließen sie unter
einem Antiortungssystem zurück und machten
sich dann auf den Weg. Am Landeplatz waren sie auf einen Agenten Ijarkors getroffen, der
sie nun durch Untergrundsysteme und Geheimtransmitterverbindungen dem Regierungspalast
nahe brachte.
»Jeden Tag gegen 14.00 Uhr PlanetenStandard durchquert Saron die große Vorhalle
des Regierungspalastes, um seine private Kantine zu erreichen, wo er mit seinen treuesten Mitarbeitern zu speisen pflegt.«
Der Agent flüsterte fast, denn sie befanden
sich momentan in einer dichten Menschenmenge, die dem Einkaufszentrum zustrebte. Es befand sich hinter dem Palast, in dem Gedränge
fielen sie nicht auf, wenn sie sich auf ihn zu bewegten.
Mit zügigem Schritt bildeten Tyler und Japar
die Front, drei Männer sicherten hinten ab. Ihre
Waffen trugen sie noch in der Kleidung verborgen, ebenso wie die Projektoren von Deflektorund Individualschirmen und die Antigravaggregate.
Das Regierungsgebäude schien im ersten
Eindruck ungesichert, doch bemerkten die Terraner schnell, dass überall verborgene Detektoren angebracht waren. Sie wollten sich unsichtbar in die Halle schleichen, doch kaum
durchschritten sie die Portale, gellte auch schon
ein interner Alarm, und an die zwanzig Pterus
stürmten in den Raum. Saron wurde sofort abgedeckt, doch Sam Tyler reagierte unglaublich
schnell. Er riss seinen Strahler hoch und fegte die Pterus von den Füßen, die Saron aus der
Gefahrenzone bringen wollten.
Ein heftiger Kampf entbrannte. Chris Japar
und Sam Tyler hatten sofort kompromisslos gehandelt, als sie bemerkten, dass ihre Tarnung
aufgeflogen war. Sich gegenseitig Feuerschutz
gebend rannten sie von Deckung zu Deckung
und schickten den Verteidigern konzentriertes
Feuer entgegen. Zehn Pterus vergingen schon
im ersten Ansturm, die anderen hatten ebenfalls
Deckungsmöglichkeiten gefunden.
Die drei Agenten von Scorbit hatten sich Sarons bemächtigt und schirmten ihn geschickt
gegen vor den Verteidigern ab, die ihn um jeden Preis befreien wollten. Rasend schnell füll-
126
D O R G O N
te sich die Halle mit beißendem Rauch und stinkiger Hitze.
»Sam! Kümmere dich um den Transmitter!
Hier wird es bald zu heiß!« Jan überschrie den
Kampflärm. Sam Tyler zog sich vorsichtig zurück und verschwand durch eine Tür. Der Helfer folgte ihm rasch und unterstützte ihn auf der
Suche nach dem Besuchertransmitter, der ihnen
zur Flucht dienen sollte.
Inzwischen zogen sich auch die drei USOLeute mit ihrer wertvollen Beute zurück. Dean, Japar und Scorbit deckten die Flucht, bis die
Nachricht von Tyler eintraf. Er hatte den Transmitter remoduliert, seine Frequenz war auf die
ihres eigenen Fluchttransmitters an Bord des
Bootes angepasst.
Dean feuerte eine Garbe auf die Deckungen
der Gegner, dass diese vor den Splittern fliehen
mussten, dann entfernten sie sich im Laufschritt
durch den Gang. Brüllend folgten ihnen Augenblicke später die Pterus.
Tobias Schäfer
9.
Das Ultimatum
Jan Scorbit hatte sich erboten, den Gefangenen nach Estartu zu bringen und der dortigen Gerichtsbarkeit zu übergeben. Dort wurde
er nach wenigen Stunden verurteilt, denn Evrius hatte kein Interesse an langen Verhandlungen
bei der klaren Sachlage.
»Saron, nach dem Gesetz der ESTARTUGalaxien hast du dich unzweifelhaft des Hochverrats schuldig gemacht. Die Entführung einer Unzahl an Raumschiffen will ich nicht mit
aufführen, denn deine Verbrechen an den Wesen der Welt Oden wiegen um einiges schwerer.
Tausendfacher Mord in seiner brutalsten Form!
Nach den estartischen Gesetzen spreche ich
dich schuldig und verurteile dich zu einhundert
Jahren Gefängnis. Ein äußerst gnädiges Urteil!«
*
»Schneller! Sie holen auf!«
Japar stolperte, schlug lang hin und rutschte
bäuchlings in einen kleinen Raum hinein.
»Steh auf, du Nilpferd!« schrie ihn sein
Kollege an. Tyler stand vor dem eingeschalteten Transmitter und scheuchte die Männer hindurch. Als letzter ging er, hinterließ jedoch eine kleine Bombe, die das Steuergerät mit einer
kleinen Explosion zerstörte.
Eilig aktivierte Scorbit den Transmitter an
Bord des Kleinstraumschiffes. Die drei Agenten gingen als erstes, Saron in ihrer Mitte. Wieder war Tyler der Letzte. Er konnte sich noch
überzeugen, dass die Selbstvernichtungsanlage
aktiv war, bevor er an Bord der RANDALL aus
dem Empfänger trat.
Ein grinsender Chris Japar empfing ihn.
»Nilpferd, was?«
Es gab einen dumpfen Laut, als Tylers Oberschenkel Bekanntschaft mit Japars Knie machte. Aufstöhnend hüpfte er durch den Raum und
fluchte. Und Dean konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Da hatte der hartgesottene
Mann mal sein Fett weg gekriegt. Er würde die
nächsten Minuten nicht richtig laufen können.
»Ihr wisst, was auf euch zukommen kann!«
Die knarrende, raue Stimme des uralten Pterus, der sich Ijarkor nannte, wurde von den
großen Sendern des Schiffes abgestrahlt. Das
Holo des ehemaligen Ewigen Kriegers erschien
wohl in allen Funkräumen auf Upanishad und
verlangte den besiegten Pterus Ehrfurcht ab.
»Es ist lange her, dass ich über Siom Som
herrschte. Doch seid gewiss, ich habe nicht vergessen, wie lebenden Wesen dieses Leben zur
Qual gemacht werden kann! Ich habe nicht vor,
euch zum Frieden zu zwingen, aber ich werde nicht zulassen, dass ihr euch weiterhin gegen die Ordnung der Insel stellt und versucht,
dem Permanenten Konflikt neues Leben einzuhauchen! Ich habe mir vor Jahrtausenden zum
Ziel gesetzt, den Konflikt auf ewig zu verbannen!
Binnen zwei Wochen ist euer Planet offen für
alle Lebewesen Cartwheels, ihr werdet euch der
allgemeinen Politik anpassen und ein normales
Leben führen, zum Wohl des großen Projekts!
Nur deshalb seid ihr hier! Nur um eure Heimat
zu verteidigen und dem Chaos den Zugriff zu
verwehren! Ihr habt die Verantwortung mit eurer freiwilligen Meldung auf euch genommen,
Die Helfer Ijarkors
D O R G O N
nun tragt sie auch! Und verlasst euch drauf: Ich
werde in regelmäßigen Abständen wiederkommen! Ich werde über euch wachen, so wie ich
über ganz Cartwheel wache.«
Weiterhin zogen die Schiffe der Helfer ihre
Bahnen um Upanishad. Sie würden darüber wachen, dass das Ultimatum erfüllt wurde.
Auf der estartischen Hauptwelt Estartu trafen unterdessen Julian Tifflor, Sam, Aurec und
Evrius zusammen.
»Es stimmt mich zuversichtlich, dass wir
es auch hier auf der Insel schaffen, den Bund
der drei Galaxien von der Milchstraße, Saggittor und Siom Som aufrecht zu erhalten.« Sam
reichte jedem der Männer die Hand. »Wir können uns glücklich schätzen, in der Organisation
der Helfer einen so wichtigen Verbündeten gefunden zu haben. Ob ihr Anführer nun Ijarkor
ist oder ob er sich nur für diesen ausgibt, spielt
endlich keine Rolle. Er verfolgt identische Ziele
wie der Terra-Block, Saggittor und Estartu, das
ist die Hauptsache. Ich denke, wir können ihm
die Befriedung der Pterus getrost überlassen.«
10.
Unheilvolles Treffen
Hochaufgerichtet stand der schlanke Terraner in der Mitte einer Gruppe Männer und Frauen. Seine grauen Augen zeigten Respekt und
Achtung vor den Leistungen dieser Menschen,
die dabei waren, die größte menschliche Siedlung der Geschichte zu führen und in ein Projekt von universeller Bedeutung einzubinden.
Perry Rhodan hatte sich nicht zu viel versprochen. Im Gegenteil, die Sache machte gute
Fortschritte.
»Ich bin freudig überrascht. Eigentlich hatte
ich mit starken Problemen gerechnet. Die Arkoniden verhalten sich noch verhältnismäßig ruhig, es scheint auch keine akuten Intrigen zu geben.
127
Nun ja, die Pterus unter Saron waren wohl
ein Ausrutsche.« Er sah sich um und blickte in
nachdenkliche Gesichter. »Ich werde wohl noch
bleiben, bis die Wahlen vorüber sind. Ihr wisst
ja, ich würde mich Aurecs Meinung anschließen und unseren Freund Sam als obersten Generalsekretär vorschlagen. Ich hoffe, dass sich
die Mehrheit der Abgeordneten zu dieser Einsicht bewegen lässt. Wenn Sam den Paxus-Rat
leitet, können wir sicher sein, dass die eigentlichen Interessen, das große Projekt, nicht aus
den Augen verloren werden. Ich kenne Sam als
gerechten und weisen Mann.«
Die Menschen nickten. Rhodan hatte vor den
versammelten Abgeordneten der Völker seine
Gedanken erläutert. Ihm schwebte ein Rat von
insgesamt fünf Personen vor, von einem Generalsekretär geleitet, dem die Entscheidungsgewalt übertragen werden sollte. Die übrigen Delegierten sollten das Parlament bilden. Da sie
sich vorher schon auf den ähnlichen Vorschlag
von Aurec geeinigt hatten, fiel es ihnen nicht
schwer, Rhodans Worte zu beherzigen.
Die Wahlen sollten nun endlich stattfinden.
Der Termin war auf den neunundzwanzigsten
August angesetzt. In drei Tagen war es soweit.
»Ich habe noch ein Treffen mit dem Anführer der Pariczaner vor den Wahlen. Nor’Citel erwartet mich auf New Paricza, wir heute Abend
besprechen das Weitere.« Er machte eine kurze
Pause. »Ich bin gespannt, was er jetzt von mir
will. Hm...«
Die Gruppe löste sich auf. Jeder war mit den
Gedanken bei der bevorstehenden Wahl. Sie
hatten ihre Hoffnung auf Don Phillippe de la Siniestro gelegt. Der alte gerissene Spanier sollte
möglichst in den Rat, ebenso wie Sam und Aurec. Aber das war bereits eine traumhafte Komposition.
Rhodan ahnte nicht, dass in der Zwischenzeit ein Überschwerer auf New Paricza in einem Sessel saß und hämisch grinste, als er an
Rhodan dachte. Leticron hatte alles in die Wege
geleitet. Mochte der Terraner kommen...
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D O R G O N
Tobias Schäfer
Heft 45
Machtkämpfe
Jeder will die Macht - die Wahlen auf der Insel
von Jens Hirseland
Titelbild von Klaus.G.Schimanski
D O R G O N
Machtkämpfe
1.
Das Treffen
Perry Rhodan wurde sentimental, als er das
Gesicht des Asiaterraners sah. Die kleine Gestalt im Kimono ging auf den Terranischen Residenten zu und strahlte Ruhe und Frieden aus.
Über den Lippen huschte ein Lächeln.
»Es ist eine Freude dich wiederzusehen, Sato
Ambush!« sprach Perry Rhodan bedächtig.
Die beiden Freunde umarmten sich herzlich.
Sato war es ein wenig unangenehm, doch er
blickte darüber hinweg.
Perry Rhodan hatte Sato Ambush seit den
Vorfällen in Saggittor im Jahre 1285 NGZ nicht
mehr gesehen. Über zehn Jahre waren vergangen und es war ein Wunder, daß er überhaupt Ambush in den Wirren der Paralelluniversen wiederfand. Nach dem erneuten Verschwinden Ambushs hatte Perry nicht mehr mit einem Wiedersehen gerechnet. Doch das Schicksal hatte es anders gewollt.
Sato Ambush schilderte Perry Rhodan erneut
die Vorfälle um Saggittor. Vieles wußte Rhodan
bereits von Aurec. Sato Ambush schilderte die
Erlebnisse hinter dem Zentrum und um SAGGITTORA.
Rhodan war beeindruckt und schockiert zugleich. Auch richtete sich seine Aufmerksamkeit auf das Schicksal des Pararealisten. Er hatte viel durchmachen müssen, bevor er endlich
wieder Zuhause war. Zumindest in seinem eigenen Universum.
»Was sind deine Zukunftspläne?« wollte
Rhodan wissen.
Der Japaner faltete die Hände und schien
sehr entspannt zu sein.
»Zuerst will ich nach Hause! Ich will Japan
wiedersehen, Tibet und all die ruhigen und besinnlichen Orte der Erde. Ich will die Luft Terras atmen und wieder Sushi essen.«
Rhodan mußte lachen. Auch Ambush lachte
herzlich.
»Danach werde ich nach neuen Aufgaben
suchen und hoffen, daß ihr welche für mich
habt. Vielleicht auf der Insel?«
Perry nickte.
»Wir werden mit Sicherheit etwas für dich
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finden. Wissenschaftler deines Kalibers brauchen wir in dieser neuen Galaxis. Aber ruhe
dich erst einmal aus. Besuche die Erde und gewinne neue Energie, alter Freund.«
Ambush wirkte zufrieden. Er stellte klar, daß
die Pause nicht allzulange dauern dürfte, denn
er war sich sicher, daß Aurec und die anderen,
seine Hilfe benötigten.
Sato wollte Perry Rhodan auf seinem Heimflug begleiten. Dieser stand sehr bald an, da Imperator Bostich politischen Druck auf die Liga
Freier Terraner ausübte und Reginald Bull die
Hilfe von Perry Rhodan brauchte.
Das erinnerte Rhodan an ein Treffen mit einem Staatsoberhaupt, auf das er sich gefreut
hatte. Da er allerdings noch heute abfliegen
mußte, hatte er die unerfreuliche Aufgabe, das
Treffen abzusagen.
*
Der Überschwere sah aus dem Fenster des
Gebäudes, das hoch über der Stadt türmte. Es
war das Hauptquartier der Pariczaner. Der Mutant ließ seinen Blick über die unzähligen Gebäude der Großstadt schweifen.
Voller Ungeduld wartete Nor’Citel alias Leticron, der in dem Körper des jungen Überschweren Siddus wohnte, auf das Eintreffen seines verhaßten Feindes Perry Rhodan.
Endlich würde er ihm gegenüberstehen!
Haß und Wut stiegen in Leticron auf, wenn
er an den Zellaktivatorträger dachte. Immer
wieder hatten Rhodan und seine Terraner über
die Pariczaner gesiegt. Doch dieses Mal würde
Leticron der Sieger sein. Er hatte ein Treffen mit
Rhodan in seinem Amtssitz vereinbart und der
Terraner wurde in wenigen Minuten erwartet.
Für einen Augenblick spielte der Mutant mit
dem Gedanken, sich Rhodan bei seinem Eintreffen erkennen zu geben und ihn anschließend zu töten. Doch er verwarf diese verlockende Möglichkeit. Nein, Rhodan sollte leiden. Er
sollte miterleben, wie seine geliebte Menschheit untergehen würde.
Doch dazu bedurfte es eines Langzeitplans.
Leticron besaß nun mächtige Verbündete, die
ihn in seinem Kampf unterstützten. Jedoch
schon einmal hatte er Verbündete gehabt, die
132
D O R G O N
ihn nur benutzen wollten. Er bedauerte es, daß
Hotrenor-Taak und Maylpancer schon lange tot
waren. Es wäre ihm eine Freude gewesen, diese
beiden, die an seinem Leid mit schuld waren, zu
vernichten.
Perry Rhodan lebte allerdings noch!
Und eines Tages würde er seine Rache zu
spüren bekommen. Bis dahin hieß es für Leticron Geduld zu haben und Taktik anzuwenden,
um seine Ziele zu erreichen. Dazu galt es die
Macht im Paxus-Rat zu gewinnen. Es gab genug machthungrige Subjekte, die nach persönlicher Macht und Bereicherung strebten. Leticron
verachtete sie. Für ihn waren sie nur Insekten.
Nur solange sie ihm nützlich waren, würde
er sich ihrer bedienen. Taka Kudon und seine
primitiven Dscherro waren solche Ameisen. Sie
waren willige Helfer. Doch die Dscherro bildeten nur den Anfang. Es galt, noch mehr Verbündete zu gewinnen.
Leticron wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als plötzlich ein Geräusch ihn ablenkte.
Es war das Visiphon. Leticron ging heran. Es
war sein Adjutant.
»Ja, was gibt es, Tonkvar?«
»Herr, Perry Rhodan wünscht ein Gespräch.«
»Durchstellen«, befahl Leticron knapp.
Was konnte Rhodan wollen? Er sollte doch
in wenigen Minuten hier erscheinen.
Kurz darauf erschien Rhodans Gesicht auf
dem Bildschirm.
»Ich grüße Sie, Resident«, begann Leticron
alias Nor’Citel höflich.
»Auch ich grüße Sie, Corun. Leider habe
ich schlechte Neuigkeiten. Aufgrund politischer
Umstände, die meine sofortige Abreise erfordern, muß ich unser geplantes Treffen bedauerlicherweise absagen.«
Nur mühsam gelang es Leticron sich zu beherrschen.
»Das ist... wirklich bedauerlich, Resident.
Ich hatte mich schon so sehr auf unser Treffen
gefreut...«
»Leider gibt es in der Milchstraße Schwierigkeiten mit dem Kristallimperium«, versicherte Rhodan. »Imperator Bostich läßt mal wieder
die Muskeln spielen. Meine Anwesenheit auf
Terra ist unumgänglich. Aber Residenzminister
Jens Hirseland
Tifflor wird noch bleiben. Sie können sich jederzeit an ihn wenden.«
»Das werde ich, darauf können Sie sich verlassen«, erwiderte Leticron zweideutig. Ich hoffe, daß wir uns doch noch eines Tages begegnen
werden...«
»Das hoffe ich auch. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Ratswahl. Auf Wiedersehen,
Nor’Citel.«
»Auf Wiedersehen, Rhodan.«
Rhodans Gesicht verschwand vom Bildschirm. Wutentbrannt zerschlug Leticron das
Visiphon.
»Wir werden uns wiedersehen, Perry Rhodan! Wir werden uns wiedersehen.«
2.
Mankind
Marya stand in der Küche und war dabei
das Abendessen zuzubereiten, als es an der Tür
summte.
»Machst du mal auf, Marya?« rief Jonathan
Andrews aus dem Nebenzimmer. »Das muß
Gal’Arn sein!«
»Was denn noch alles? Bin ich hier Empfangsdame und Köchin zugleich? Kann nicht
einer von deinen nichtsnutzigen Kumpanen die
Tür aufmachen?«
Als Marya keine Antwort erhielt, ging sie
fluchend selbst zur Tür. Es paßte ihr überhaupt
nicht, daß Jonathan vor kurzem einen Wohngemeinschaft mit dem Terraner Mathew Wallace,
dem Oxtorner Irwan Dove und dem Posbi Lorif gebildet hatte. Viel lieber hätte sie »Johnny«,
wie sie Andrews nannte, für sich allein gehabt.
Statt dessen mußte sie ständig Doves Belehrungen über sich ergehen lassen, wenn sie seiner Meinung nach etwas falsch machte.
Der Gipfel jedoch war, als Lorif ich ihrem Schlafzimmer beim Geschlechtsakt erschien und bat zusehen zu dürfen, um Studien betreiben zu können. Und nun kam auch dieser
Stimmungstöter Gal’Arn, Johnnys sogenannter
Meister, der einem jede Partystimmung vermiesen konnte.
Für Marya war Gal’Arn nichts weiter als
einen asozialer Spinner, der keinen anständigen
Machtkämpfe
D O R G O N
Beruf gefunden hatte. Sie hoffte, Jonathan eines Tages wieder auf den rechten Weg zu bringen. Johnny gehörte ihr allein und sie war nicht
gewillt, ihn mit jemandem zu teilen, am allerwenigsten mit solch schrägen Typen. Widerwillig öffnete Marya die Tür. Es war der erwartete
Gal’Arn, der vor der Tür stand.
»Guten Abend, Marya«, sprach Gal’Arn
freundlich.
»Tag, ehrwürdiger Meister«, grüßte Marya
spöttisch zurück.
Gal’Arn bedachte sie mit einem strengen
Blick, was die junge Frau die Augen verdrehen
ließ.
Marya führte Gal’Arn ins Eßzimmer.
»Da ist der Tisch. Das Essen kommt gleich«,
sagte sie mürrisch.
Nun kamen auch Jonathan, Irwan und Lorif ins Zimmer und begrüßten Gal’Arn freundlich. Mathew Wallace war heute abend auf der
IVANHOE und mußte einige Wartungen an der
JAY JAY durchführen. Er wollte jedoch jeden
Moment wieder zurück sein.
Dann begab man sich zu Tisch und Marya
servierte das Essen. Es gab ein altes terranisches
Gericht namens Gulasch.
»Bei uns kommt im Moment nur noch Rindfleisch auf den Tisch, seitdem in der Milchstraße Schweinewahnsinn ausgebrochen ist«, sagte
Marya.
»Auf Rindfleisch konnte man sich auch nicht
immer verlassen«, belehrte sie Lorif.
»So gab es im frühen 21. Jahrhundert die
Seuche BSE, auch Rinderwahnsinn genannt.
Sie konnte auch auf Menschen übertragen werden und verursachte geistigen Verfall.«
»Wie bei den Braunhauers«, warf Jonathan
ein. »Vielleicht haben die dieses BTX...«
»BSE! Nun, bei den Braunhauers scheint
es sich mehr um natürlichen geistigen Verfall, sogenannter seniler Demenz, vorangetrieben durch Vererbung in Verbindung mit Spirituosen zu handeln«, meinte Lorif.
»Doch um auf die Qualität der Lebensmittel zurückzukommen: Im 24. Jahrhundert gab
es sogenannten Fischschwachsinn und im 32.
Jahrhundert gab es Hühnerirrsinn auf Plophos,
und auch Schildkröten...«
»Halt die Klappe! Das interessiert uns doch
133
gar nicht!« unterbrach Marya den Posbi abrupt.
»Oh!« machte Lorif nur.
Zum erstenmal hatte es dem Posbi die Sprache verschlagen.
»Mit solchen Ausführungen verdirbst du uns
den Appetit«, gab Jonathan seiner Freundin
recht.
»Das war nicht meine Absicht. Ich wollte lediglich auf die Gefahren von Verzehr organischer Lebewesen hinweisen.«
»Können wir jetzt endlich mit dem Essen
beginnen?« maulte Marya. »Bis du mit deinen
langweiligen Vorträgen fertig bist, ist es nämlich kalt!«
Gal’Arn registrierte, daß Marya ziemlich gereizt auf seinen Besuch reagierte. Er führte dies
auf ihren Egoismus zurück, den er schon des
öfteren festgestellt hatte. Gal’Arn war stets bemüht, anderen Wesen vorurteilslos zu begegnen. Bei Marya konnte er sich jedoch eines
schlechten Gefühls nicht erwehren.
»Jede Spezies hat ihre Eigenheiten«, meinte der Ritter der Tiefe. »Wir müssen alle lernen
dies zu respektieren, wenn wir auf der Insel miteinander auskommen wollen.«
»Das ist ja lächerlich«, meckerte Marya.
»Wenn ich nur an diese ekligen behaarten Linguiden denke oder diese kleinen, widerwärtigen Swoons oder die stinkenden Springer, wird
mir ganz anders. Wir Terraner müssen darauf
achten, daß unsere Interessen gewahrt bleiben!«
Marya lachte schrill auf. »Die sollen mit uns auf
einer Stufe stehen? Ist ja lächerlich!«
Gal’Arn bemühte sich, ruhig zu bleiben.
»Deine Einstellung ist beklagenswert. Würden alle deine oberflächliche und dümmliche
Meinung vertreten, würde es früher oder später
Krieg geben.
Es war schon immer der Fehler vieler Wesen sich überlegen zu fühlen, nur weil man die
anderen Kulturen nicht verstand.
Diese Barbarei muß endlich überwunden
werden. Das war auch das Ziel DORGONs, darum hat die Superintelligenz all diese Völker zusammengerufen.
Nur vereint können sie die schweren Aufgaben bewältigen, die vor ihnen liegen. Arroganz
und Rassismus sind dabei völlig fehl am Platze.
Wer nicht fähig ist, mit anderen Kulturen zu-
134
D O R G O N
sammenzuleben, der sollte besser die Insel verlassen.«
»Richtig, dem stimme ich zu«, nickte Irwan
Dove und warf Marya einen bösen Blick zu.
»Was sagst du dazu, Johnny?« fragte Marya
in der Erwartung Jonathan würde ihr beipflichten.
»Gal’Arn hat Recht, Liebling. Aber wir sollten jetzt endlich essen«, antwortete Andrews jedoch.
Marya wollte aufbegehren, besann sich aber
eines besseren, da sie ahnte, daß sie den kürzeren ziehen würde. Statt dessen lachte sie schrill.
»Natürlich, Johnny, wir wollen uns doch von
Politik nicht den Abend verderben lassen. Also,
greift zu!«
Nach dem delikaten Abendessen bat
Gal’Arn Jonathan, mit ihm auf den Balkon zu
gehen.
Als sie draußen standen, sagte der Ritter:
»Ich muß mit dir allein sprechen, Jonathan.«
»Ja, was gibt es, Meister?«
»Es geht um Marya.«
Jonathan machte ein erstauntes Gesicht.
»Was ist mit ihr?«
»Sie ist nicht gut für dich. Du solltest dich
von ihr trennen.«
Jonathan reagierte erregt. Das hatte Gal’Arn
befürchtet.
»Wie kommst du denn darauf? Hat dir ihr
Essen nicht geschmeckt?«
»Das Essen war ausgezeichnet. Aber darum
geht es nicht. Es geht um ihre Ausstrahlung, die
sich negativ auf dich auszuwirken droht. Ich habe sie beobachtet. Sie verachtet Irwan und Lorif
und sie haßt mich. Ihre Einstellung gegen andere Lebewesen ist beklagenswert und sie hat
einen schlechten Einfluß auf dich. Sie wird versuchen, dich vom rechten Weg abzubringen.«
Jonathan schüttelte den Kopf.
»Das ist doch Unsinn. Ich liebe Marya! Sie
ist die Frau meines Lebens!«
»Sie ist pures Gift für dich«, entgegnete
Gal’Arn ruhig.
»Marya und ich gehören zusammen und niemand wird sich zwischen uns stellen!«
»Wie du meinst. Du warst auf einem guten
Weg. Es wäre bedauerlich, wenn dich etwas davon abbringen würde.«
Jens Hirseland
»Das wird nicht geschehen, Gal’Arn. Sei unbesorgt«, gab sich Jonathan versöhnlich. »Marya ist etwas temperamentvoll, aber sie ist absolut vertrauenswürdig.«
»Wie du meinst«, lenkte der Ritter der Tiefe
ein.
Insgeheim war er jedoch nicht davon überzeugt.
3.
Politik
Immer näher rückte das Datum des Wahltages. Bei allen Völkern wurde der Wahlkampf
erbittert geführt. Die Vorwahlen dienten dazu,
das Paxus-Parlament vom Volk wählen zu lassen. Das Parlament wählte dann wiederum in
zwei Wahlgängen den Paxus-Rat. Besonders
der Arkonide Uwahn Jenmuhs schlug auf die
nationalistische Trommel. Sein Ziel war, Arkon
zur vorherrschenden Nation der Insel zu machen.
An seiner Wahl gab es keine Zweifel. Bei
den Angehörigen der LFT waren viele Politiker
kleinerer Parteien in der Hoffnung auf die Insel
gekommen, dort aus der Wahl und den gegebenen Verhältnissen Kapital schlagen zu können.
Leute, die auf Terra gescheitert waren und
sich nun ein Comeback erhofften, wie z.B. Solder Brand, der vor Jahren zur Wahl des Ersten Terraners angetreten war, jedoch gegen die
inzwischen verstorbene Paola Daschmagan gescheitert war. Auf der Insel hoffte der ehemalige Vorsitzende der Liberalen Einheit die Pionierstimmung für sich nutzen zu können und so
zum Paxus-Rat aufzusteigen.
Seine Taktik war wiederum auf Nationalismus und Stärke ausgerichtet. Brand wollte damit zum Gegengewicht von Jenmuhs werden
und warnte davor, daß die Arkoniden und die
Dscherro eine Bedrohung für die terranischen
Welten werden konnten.
Damit rannte er bei vielen Terranern und
LFT-Angehörigen offene Türen ein. Die unmittelbare Nachbarschaft und die schlechten Erfahrungen mit diesen Völkern beunruhigten die
Bürger. Und das auch nicht zu Unrecht, wie die
Machtkämpfe
D O R G O N
Vergangenheit gezeigt hatte. Solder Brand nutzte diese Ängste und versprach, im Falle seiner
Wahl dafür zu sorgen, die LFT-Völker vor fremden Aggressoren zu schützen.
Von Tag zu Tag verbesserten sich Solder
Brands Umfragewerte. Brand ging auch recht
geschickt vor, indem er die ständige Medienpräsenz nutzte. Er nahm oft an Talkshows teil und
besuchte die Insassen einer Fernsehshow, die
sich in einem Raumschiff-Container befanden
und dort rund um die Uhr vom Publikum beobachtet werden konnten. Dies alles half Brand,
seine Popularität zu steigern und allmählich zur
Gefahr für Julian Tifflors Wahl zum Paxus-Rat
zu werden, denn die steigenden Umfragewerte Brands sorgten gleichzeitig für schlechtere
Werte bei Julian Tifflor und seiner Partei.
Dies registrierte der Marquese von Siniestro,
der als Tifflor Stellvertreter fungierte mit großer
Besorgnis. Der alte Spanier hatte sich erhofft,
im Sog von Tifflor zu Macht auf Mankind und
später auf der Insel zu gelangen. Don Phillipe
saß in seinem prächtigen Büro, das er sich im
barocken Stil eingerichtet hatte und grübelte,
wie man gegen Solder Brand vorgehen konnte, als seine Sekretärin, eine wohlproportionierte Blondine, eintrat.
»Herr Marquese!« säuselte sie.
Don Philippe erschrak.
»Was ist denn, Jenny? Ich hatte gesagt, daß
ich nicht gestört werden will!« sagte der Marquese herrisch.
»Verzeihung, Don Philippe. Aber hier ist ein
Mann, der sie dringend sprechen möchte.«
»So, und wer?«
Jenny machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Oh, daß hab ich vergessen zu fragen, hihi!«
kicherte sie.
Der Marquese war sichtlich bemüht, nicht
die Fassung zu verlieren. Aber er beruhigte sich
schnell wieder. Immerhin hatte er Jenny nicht
wegen geistigen Qualitäten als Sekretärin eingestellt, sondern wegen ihrer äußeren Reize.
Außerdem konnte sie gut Kaffee kochen. Trotzdem fragte er sich manchmal, ob es nicht besser
gewesen wäre, eine richtige Sekretärin zu engagieren.
»Ich lasse bitten.«
»Hä?« fragte Jenny ratlos.
135
»Bring ihn rein!« fauchte der Marquese.
Kurz darauf trat ein stattlicher, dunkelhaariger Mann ein. Don Philippe erkannte ihn sofort
wieder.
»Michael Shorne, wie schön sie wiederzusehen«, entfuhr es dem Marquese überrascht.
Shorne winkte lässig ab.
»Ich hatte geschäftlich hier in der Nähe zu
tun. Da dachte, ich sehe mal vorbei wie es Ihnen so geht.«
»Nehmen Sie doch Platz.«
Shorne setzte sich in den gegenüberliegenden Sessel.
»Nun, was kann ich für Sie tun, Shorne?«
»Ich glaube, daß ich eher etwas für sie tun
kann. Sie erinnern sich vielleicht, daß ich bei
unserer letzten Begegnung versprach, Ihnen zu
helfen, wenn die Zeit gekommen sei. Ich glaube, jetzt ist es soweit.«
Der Marquese tat überrascht.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Solder Brand. Seine Werte steigen – Ihre,
bzw. Tifflors, sinken.«
Don Philippe nickte grimmig.
»Mit seiner populistischen Hetze fängt er die
Leute, wie der Rattenfänger von Hameln.«
Shorne zuckte mit den Schultern.
»Och, ich finde seine Taktik ganz gut. Er ist
halt eher darauf gekommen. Was soll’s. Allerdings schädigen Leute wie er den Wirtschaftskreislauf. Darum ist er mir ein Dorn im Auge.
Die Ex- und Importe würden drastisch zurückgehen, wenn der Kerl an die Macht kommt. Außerdem ist er nicht käuflich.«
Don Philippe war erstaunt.
»Ein Politiker, der nicht käuflich ist? Sind
Sie sicher?«
»Ja, ich hab’s schon versucht.«
»Und?«
Shorne seufzte.
»Er hat mich rausgeschmissen.«
»Rausgeschmissen? Das ist ja unerhört!«
»Er sagte, er wäre schon einmal von einem
Industriellen benutzt worden. Das bereut er sein
Leben lang und darum wird er sich nie mehr benutzen lassen. Ein Arrangement mit ihm können wir also vergessen. Solche Leute sind gefährlich.«
Der Spanier nickte.
136
D O R G O N
»Stimmt, Menschen die sich nicht kaufen
lassen, kann man nicht trauen.«
Shorne lächelte verständnisvoll.
»Sie sagen es, Marquese.«
»Was also sollen wir gegen ihn unternehmen?« wollte der Spanier wissen.
Shorne lehnte sich zurück und lächelte süffisant.
»Nun, wir müssen seinen Ruf untergraben.
Am besten, indem wir nachweisen, daß er sich
doch kaufen läßt.«
Der Marquese zuckte mit den Schultern, um
seine Ratlosigkeit auszudrücken.
»Und wie, wenn er nicht will?«
»Ich kenne einige Bankiers und Buchhalter,
die das für mich übernehmen. Sie werden dafür
sorgen, daß auf Brands Konto nicht unbeträchtliche Summen transferiert werden. So bekommt
er einen hübschen, kleinen Spendenskandal, der
ihn beschäftigen wird. Zusätzlich werden wir
ihm ein paar Drogen unterschieben.«
»Das gefällt mir. Das wird ihn garantiert zurückwerfen. Aber Drogen? Ist das nicht zu brisant für uns?«
»Ich kenne jemanden, der das für uns deichseln wird. Er wartet draußen.«
Der Marquese machte eine gebieterische Geste.
»Dann holen sie ihn herein.«
Shorne stand auf und kehrte nach kurzer Zeit
mit einem grauhaarigen Mann mittleren Alters
zurück.
»Das ist Harry McSweet von der neugegründeten Polizei von Mankind. Harry hat schon oft
erfolgreich für mich gearbeitet und ist sehr zuverlässig.«
Der Polizist verbeugte sich knapp vor dem
Marquese.
»Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen,
Sir. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Ich
hoffe, daß ich auch Ihnen in Zukunft gute Dienste leisten kann.«
Don Philippe war davon sehr angetan.
»Ich bin sehr erfreut. Hat Sie Mr. Shorne bereits unterrichtet?«
»Ja, Sir. Ich und ein Kollege stehen bereit,
den Plan auszuführen«, versicherte McSweet
jovial.
Jens Hirseland
»Gut, ihre Mitarbeit wird angemessen honoriert werden. Ich habe mit Mr. Shorne noch einiges zu besprechen. Sie dürfen sich jetzt entfernen.«
»Danke, Sir.«
McSweet verbeugte sich und verließ das Büro.
»Der Mann gefällt mir. Also gut, machen wir
es.«
Shorne setzte sich wieder.
»Nun, da wären noch einige Details zu besprechen.«
Den Marquese beschlich ein ungutes Gefühl.
»So? Was denn?«
»Die Gegenleistung dafür, daß ich Ihnen
Brand aus dem Weg schaffe und Ihnen die Tür
zur Macht öffne.«
Don Philippe seufzte.
»Das war zu befürchten. Was verlangen
Sie?«
Shorne lächelte kalt.
»Nicht viel. Die Exklusivrechte für diverse Vermarktungen, Wirtschaftliche und steuerliche Vorteile und vor allem keine Behinderungen durch irgendwelche sozialen Idealisten wie
die Scorbits.«
Der Marquese zeigte sich nicht sonderlich
begeistert.
»Sie unterschätzen meinen Einfluß. Das habe ich nicht allein zu entscheiden. Ich weiß
nicht, ob das möglich ist«, sträubte er sich.
Shorne erhob sich.
»Schade, dann wird wohl Solder Brand die
Wahl gewinnen«, sagte er in gleichgültigem
Tonfall. »Tja, dann muß er eben die Annehmlichkeiten der Macht genießen...«
Der Marquese erschrak.
»Andererseits werde ich natürlich tun, was in
meiner Macht steht. Ich bin sicher, daß sich eine
Lösung finden läßt«, versicherte der alte Mann.
»Und Shorne Industries wird natürlich auf jeden Fall bevorzugt behandelt werden«
Shorne lächelte zufrieden.
»Sehen Sie. Ich wußte doch, daß man sich
auf Sie verlassen kann. Ich werde sogleich meine ›Wahlkampfspende‹ an Solder Brand überweisen lassen. Um den Rest kümmert sich Harry.«
D O R G O N
Machtkämpfe
Shorne verabschiedete sich und Don Philippe sah sich eine Nachrichtensendung an, in
der gerade ein strahlender Solder Brand gezeigt
wurde.
»Dir wird das Lachen bald vergehen«, freute
sich der Marquese.
*
Spät am Abend kehrte Solder Brand gut gelaunt in sein Appartement in New Terrania zurück.
Der Wahlkampf lief gut und daher war der
liberale Politiker bester Laune. Kaum war er zu
Hause angekommen, als es an der Tür läutete.
Brand öffnete. Vor ihm standen zwei Männer.
»Solder Brand?« fragte der ältere von beiden.
»Ja, selbstverständlich«, antwortete der Politiker, leicht irritiert darüber, daß man ihn nicht
zu kennen schien.
»Ich bin Polizeioffizier McSweet, dies ist
mein Kollege Rannigan.«
»Was kann ich für sie tun?« fragte Brand irritiert.
»Bei uns ist ein Hinweis eingegangen, daß
bei Ihnen Drogen gelagert werden. Wir müssen
diesem Hinweis nachgehen, Sir. Reine Routine.«
Brand glaubte sich verhört zu haben.
»Drogen bei mir? Das ist ja lächerlich!« rief
er.
»Wollen sie Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten?« fragte Rannigan, ein dunkelhaariger, leicht untersetzter Mann, aggressiv.
»Keineswegs. Im Gegenteil, ich bitte darum, daß Sie sich umsehen. Ich bin ein bekannter Politiker und wahrscheinlich schon bald Ihr
Staatsoberhaupt. Ich habe nichts zu verbergen«,
erklärte Brand selbstbewußt.
»Sieh dich um«, wies McSweet seinen jüngeren Kollegen an.
»Ich verstehe gar nicht, wie sie darauf kommen«, beklagte sich Brand bei McSweet, während sie in die Wohnung gingen.
»Es war ein anonymer Hinweis«, erklärte
McSweet freundlich. »Ich bin sicher, da ist
nichts dran, aber es ist unsere Pflicht, der Sache
nachzugehen.«
137
Während sich Brand mit McSweet unterhielt
und dadurch abgelenkt war, begab sich Rannigan ins Schlafzimmer. Unbemerkt holte er aus
seiner Jackentasche einen Beutel mit verbotenem Rauschgift hervor und versteckte es in Solder Brands Nachttisch. Dann tat er so, als würde er das Schlafzimmer durchsuchen. Als McSweet mit Brand ins Schlafzimmer kam, »entdeckte« Rannigan das Päckchen.
»Hier, ich hab’ was gefunden, Harry!« rief er
und holte das Päckchen hervor und übergab es
seinem Vorgesetzten, der kurz daran schnüffelte.
»Grüner Koks von Altair III und verbotene
Ekstase-Pillen. Das ist ziemlich heißer Stoff,
Brand. Ich muß sie leider wegen unerlaubten
Drogenbesitzes festnehmen.«
»Aber, aber das gehört mir nicht! Das hat
man mir untergeschoben!« protestierte Brand.
»Natürlich«, sagte McSweet sarkastisch.
»So glauben Sie mir doch! Ich bin ein mächtiger Mann, der viele Feinde hat!«
»Das wird sich auf dem Revier klären.«
Ehe sich Brand versah, wurde er von den beiden Polizisten abgeführt.
*
Für die Medien war Brands Verhaftung natürlich ein gefundenes Fressen. Es dauerte nicht
lange, bis alle Nachrichtenstationen darüber
groß und breit berichteten. Gegen Kaution kam
Brand wieder auf freien Fuß.
Doch kaum war er frei, platzte die nächste
Bombe. Die Polizei entdeckte – wiederum nach
einem anonymen Hinweis – Einzahlungen auf
Brands Konto in Millionenhöhe. Brand geriet
nun in den Medien in Verdacht, ein Drogenhändler großen Stils zu sein. Natürlich berief
Brand schnellstens eine Pressekonferenz ein, in
der er seine Unschuld versicherte und von einem Komplott sprach.
Sicherlich war das sehr forsche Vorgehen der
Polizisten eine seltsame Sache. Brand protestierte, daß man ihn einfach in seiner Wohnung
überfallen hatte, doch es wurde geschickt als
Nacht- und Nebelaktion der Polizei dargestellt,
die mit Erfolg gekrönt war.
D O R G O N
138
Doch es half alles nichts, Michael Shornes
Leute hatten ganze Arbeit geleistet, die Umfragewerte Brands gingen dramatisch zurück. Der
Umstand, daß Brand schon einmal in eine Politaffäre verwickelt war, gab dem Politiker der
Liberalen Einheit den Rest.
Eine politische Karriere war eindeutig am
Ende!
*
Don Philippe sah sich mit Wonne die Nachrichtensendungen an und freute sich von ganzen
Herzen darüber.
»Michael Shorne auf Leitung 1«, säuselte
Jennys Stimme durch den Lautsprecher.
»Stell ihn durch, meine Liebe«, gebot der
Spanier gutgelaunt.
Kurz darauf erschien Michael Shornes Gesicht auf dem Bildschirm.
»Nun, Marquese, was sagen Sie?«
»Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen, verehrter Shorne. Unsere Umfragewerte steigen von
Stunde zu Stunde.«
»Sie werden die Wahl gewinnen«, sagte
Shorne zuversichtlich und fügte mit drohendem
Unterton hinzu: »Vergessen Sie aber nie, wem
Sie das zu verdanken haben.«
»Selbstverständlich nicht«, versicherte der
Marquese und verabschiedete sich von Shorne.
Beunruhigt lehnte sich Don Philippe in seinen Sessel zurück. Michael Shorne war ein gefährlicher Mann. Er würde sich vor ihm in acht
nehmen müssen.
*
Einige Tage vergingen und die Umfrageergebnisse blieben stabil. Solder Brand schien
keine Bedrohung mehr darzustellen. Julian Tifflor bat den Marquese ihn aufzusuchen, was der
alte Spanier auch umgehend tat. Tifflor begrüßte den alten Spanier in seinem Büro.
»Guten Tag, Marquese, ich hoffe es geht Ihnen gut.«
»Danke, bestens.«
Tifflor und Don Philippe nahmen Platz an
Tifflors Schreibtisch.
Jens Hirseland
»Ich habe leider schlechte Neuigkeiten. Ich
habe Nachricht von Perry erhalten. Die politische Lage innerhalb der Milchstraße hat sich
verschlechtert. Imperator Bostich macht mal
wieder Ärger. Daher hält Perry meine Anwesenheit als Außenminister für dringend erforderlich.«
Don Philippe machte ein betroffenes Gesicht.
»Heißt das, Sie werden uns verlassen?«
»Ja, leider.«
»So kurz vor den Wahlen? Was soll aus uns
werden?«
Tifflor sah den Marquese auffordern an.
»Sie werden für mich kandidieren.«
»Ich? Nein!«
Tifflor lächelte.
»Doch. Sie haben sich als vertrauenswürdig
erwiesen und im Wahlkampf viele Pluspunkte
bei den Wählern gemacht. Sie haben viel Lebenserfahrung und haben sich hervorragend in
die heutige Zeit eingelebt. Damit haben Sie bewiesen, daß Sie krisenfest sind. Ich bin überzeugt, daß Sie die Wahl gewinnen. Mankind
braucht Sie, Marquese.«
Don Philippe war sichtlich geschmeichelt.
Ein Traum wurde für ihn wahr.
»Nun, wenn das so ist, kann ich natürlich
nicht ablehnen. Ich bin einverstanden.«
»Da Solder Brand sich selbst ausgeknockt
hat, wird die Konkurrenz bei den Vorwahlen
nicht allzu groß werden«, meinte Tifflor nachdenklich. »Ich kann es einfach nicht fassen, daß
Brand mit Drogen handeln soll...«
Der Marquese machte ein betrübtes Gesicht.
»Das kann ich auch nicht begreifen«, sagte
Don Philippe heuchlerisch. »Aber es steht nicht
jedem Menschen ins Gesicht geschrieben, ob er
ein Verbrecher ist.«
Julian nickte.
»Da haben Sie recht. Nun, die Zeit drängt.
Ich werde heute abend noch eine Rede halten,
Ihre Kandidatur bekanntgeben und Ihnen das
volle Vertrauen aussprechen. Bis zur Wahl des
Paxus-Rates werde ich noch bleiben und Sie unterstützen. Danach muß ich aufbrechen.«
Don Philippe verbeugte sich nach alter Sitte.
»Welche Ehre! Ich verspreche, ich werde
D O R G O N
Machtkämpfe
mich Ihres Vertrauens würdig erweisen, Señior«, gelobte er.
*
Wenige Tage später fanden die Vorwahlen
statt, in denen das Parlament von Mankind gewählt wurde. Durch Julian Tifflors Einsatz und
Solder Brands Absturz gewannen der Marquese und seine Partei die Wahl deutlich vor den
anderen Parteien und Bewerbern. Don Philippe
hatte es verstanden, sich bei den Wählern beliebt zu machen. Der alte Spanier würde nun in
die Wahl zum Paxus-Rat gehen.
Auch die anderen Völker hatten ihre Vertreter für den Paxus-Rat – je nach Verfassung –
aufgestellt, abgesehen von den Dscherro, die
wahrscheinlich nicht einmal wußten, was eine Verfassung war. So traten für Arkon Uwahn
Jenmuhs, für die Überschweren Nor’Citel, die
Akonen Mirus Traban, für die Blues Trüüzek
Ywill, die Kartanin Vh-iss-K’ass, die Haluter
Goz Kongan, die Maahks Grek-1, die M 87Völker Carjul (mit Ausnahme der Pelewon, die
Torsor entsandten) und die ESTARTU-Völker
der Salaam Sin Enkel Evrius an. Taka Kudon
hatte sich für die Dscherro in einem Zweikampf
gegen seinen Gegenkandidaten durchgesetzt.
Jedes Volk entsandte nun einen Vertreter in
das Paxus-Parlament, insgesamt 50 Delegierte,
da die Pterus aufgrund der Vorfälle um Oden
vorerst ausgeschlossen wurden. Nach der Bildung des Paxus-Parlamentes, welches seinen
Sitz auf der galaktischen Hauptwelt Paxus hatte, sollte in zwei Tagen der Rat gewählt werden,
welcher dann die Oberste Instanz auf der Insel
bildete.
4.
Die linguidische Terranerin
Nataly Jargon sah aus dem Fenster ihres
Büros im Zentrum von New Terrania. Sehnsüchtig ließ sie ihren Blick über die Parkanlagen schweifen. Eigentlich war der Tag viel
zu schön, um zu arbeiten. Doch sie hatte sich
den Job in der Public Relations-Abteilung gewünscht, in der sie für Aurec arbeiten konnte.
139
Als sich die Gelegenheit für sie bot, hatte sie
zugegriffen.
Nun saß sie seit Stunden an ihrem Arbeitsplatz und las eine Rede, die für Aurec geschrieben worden war, Korrektur. Irgendwie gefiel ihr
die Rede nicht, so oft sie sie auch las. Sie wirkte kalt und leblos. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß sie bei dem einfachen Bürger ankam.
Es fehlten moralische Aspekte. Nataly beschloß
daher, die Rede an einigen Stellen umzuschreiben und somit lebendiger zu gestalten.
Sie ahnte allerdings schon, daß es Probleme mit ihrem Chefredakteur Peter Kessel geben würde. Kessel war ein unfreundlicher, mürrischer Mann. Er war dick und schlampig gekleidet. Ständig hatte er etwas an Nataly auszusetzen. Nie hatte sie ihn ein freundliches Wort
sagen hören. Kessel legte Wert darauf, daß alles
immer so blieb, wie es war und das sich bloß
nichts änderte. Darum war Nataly schon einige Male mit ihm aneinandergeraten. Als Nataly
mit der Änderung der Rede fertig war, reichte
sie diese bei Kessel ein. So war der Dienstweg.
Der Chefredakteur gab dann meistens die Rede
frei.
Es dauerte nicht lange, da wurde Nataly ins
Kessels Büro bestellt. Sie ahnte schon, was auf
sie zukam, aber sie war fest entschlossen ihre
Meinung zu vertreten.
Kessel saß schwitzend und schniefend hinter seinem Schreibtisch. Sein Kopf war rot wie
eine Tomate. Das signalisierte Nataly höchste
Alarmstufe. Doch Kessel war nicht allein. In
einem Sessel saß Aurec, der ihr zunickte. Der
Saggittone studierte offensichtlich gerade ihre
umgeänderte Rede.
»Haben Sie das geschrieben?« fragte Kessel
japsend.
»Ja«, sagte Nataly nur.
Kessel konnte sich nur mühsam beherrschen.
»Das geben Sie auch noch zu! Wie können
Sie es wagen eine Rede, die ich selbst verfaßt
habe, eigenmächtig umzuändern?«
»Nun, ich hielt es für notwendig. Es fehlte die soziale Komponente, der moralische
Aspekt. Die Rede war irgendwie kalt und gefühllos.«
Kessels Kopf lief knallrot an. Nataly fürchtete, er würde platzen.
140
D O R G O N
»Typisch Frau! Immer gefühlsduselig! Aber
das war das letzte mal, daß Sie sich gegen
mich aufgelehnt haben! Sie sind entlassen! Machen Sie, daß Sie hier wegkommen!« schrie der
Chefredakteur heraus.
»Einen Moment mal, Kessel«, mischte sich
nun Aurec ein.
»Ich finde, Nataly hat völlig recht. Die neue
Rede ist viel besser. Es gibt keinen Grund, daß
Sie so grob zu ihr sind.«
Kessel schnappte nach Luft. Innerlich brodelte es in ihm. Aber der Chefredakteur war
nicht der Mann, der sich mit Vorgesetzten anlegte.
»Gewiß, wie Sie meinen«, stimmte er daher
zu.
»Entschuldigen Sie sich bei Nataly.«
Kessel glaubte sich verhört zu haben.
»Ich soll was?«
Aurec sah ihn auffordernd an. Der beleibte
Mann konnte dem Blick des Saggittonen nicht
lange standhalten.
»Sehr wohl«, stimmte er zu und wandte sich
an Nataly, die sich ein Lachen nur mühsam verkneifen konnte. Fast hatte sie Mitleid mit Kessel.
»Es tut mir leid«, preßte Kessel mühsam hervor.
»Schon vergessen«, sagte Nataly lächelnd.
Aurec wandte sich wieder an den Chefredakteur.
»In Zukunft wird Nataly die Reden ausarbeiten und mir persönlich vorlegen. Ist das klar?«
Kessel sah aus, als würde er Aurec am liebten anspringen und erwürgen. Doch statt dessen
nickte er nur.
»Ja, völlig klar.«
Der Saggittone wandte sich nun Nataly zu.
»Ich glaube wir müssen noch einige Dinge
besprechen. Darf ich Sie zum Essen einladen?«
Nataly nickte strahlend.
»Mit dem größten Vergnügen, Aurec.«
Sie verließen das Büro und sahen Kessels
haßerfülltes Gesicht nicht mehr.
»Verfluchte Linguidin!« zischte er.
Jens Hirseland
5.
Gefallen und gerichtet
Auch auf dem Planeten Estartu sann ein Wesen auf Rache. Dieses Wesen war jedoch ungleich gefährlicher. Es war Saron, der fanatische Pterus, der von den terranischen Agenten Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler entführt worden war und der Justiz der ESTARTUVölker ausgeliefert wurde. Wegen Mordes und
Hochverrat hatte man Saron zu hundert Jahren
Gefängnis verurteilt, ohne Aussicht auf vorzeitige Begnadigung. Seitdem schwor Saron den
drei Terranern bittere Rache. Wieder einmal
erging sich der Pterus, der im Gefängnis der
Hauptstadt inhaftiert war, in Haßtiraden gegen
seine Feinde, als sich der Zellentür öffnete und
drei schwerbewaffnete Wärter, alle vom Volk
der Elfahder, eintraten.
»Was wollt ihr? Wieso stört ihr mich? Glaubt
ihr, der mächtige Saron würde den Hof kehren
oder andere niedrige Arbeit verrichten?« fauchte er die Ankömmlinge an.
Der Ranghöchste der Wärter verneigte sich
und sagte spöttisch:
»Verzeiht, hoher Herr, daß wir Euch in Eurem Palast stören.«
Die drei Wärter lachten Saron aus.
»Du wirst verlegt. Ins neugebaute Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel Paakor. Dann
kannst du den dortigen Behörden auf die Nerven gehen.«
Saron wurden Handschellen angelegt. Dann
brachte man ihn in den Hof, wo ein Gleiter zum
Abtransport bereitstand. Die Wärter legten ihre
Thermostrahler drohend auf Saron an.
»So sehr fürchtet ihr mich?« fragte Saron
spöttisch.
»Los, einsteigen«, trieb ihn ein Wärter an.
Im Gleiter befanden sich noch der Pilot und
der Co-Pilot, so daß sich insgesamt sechs Passagiere an Bord der Fähre befanden.
Kurz darauf startete der Gleiter und hob ab.
Saron war verzweifelt. Zum ersten mal in
seinem Leben wußte er nicht mehr weiter. Wenn
man ihn erst einmal in das neue Hochsicherheitsgefängnis gebracht hatte, gab es kein Entkommen mehr.
D O R G O N
Machtkämpfe
Nachdem sie eine halbe Stunde unterwegs
waren, zog plötzlich einer der drei Wärter seinen Strahler und schoß damit auf seinen völlig
überraschten Kollegen, der tot zusammenbrach.
Ehe der zweite Wärter reagieren konnte, wurde
auch er niedergeschossen.
Der Schußwechsel blieb auch den Piloten
nicht verborgen.
»Das stimmt was nicht! Ich werde Hilfe anfordern!« rief der Co-Pilot dem Piloten der Fähre zu.
Doch bevor der Co-Pilot die HyperkomAnlage aktivieren konnte, zog der Pilot eine
Projektilwaffe hervor und schoß ihm damit in
den Kopf. Der Co-Pilot war sofort tot.
Währenddessen befreite der verräterische
Wärter Saron von seinen Fesseln.
»Du bist frei. Wir landen gleich. Hier in der
Nähe wartet ein Raumschiff auf uns. Bevor die
Behörden reagieren können, bist du in Sicherheit«, erklärte er dem verdutzten Pterus.
»Ich danke dir, Freund.«
»Bedanke dich bei meinem Auftraggeber.
Der hat mich bezahlt«, erwiderte de Wärter kalt.
»Wer hat dich geschickt? Meine Pterus?«
wollte Saron wissen.
»Das wirst du erfahren, wenn wir am Ziel
sind. Jetzt setz dich hin und verhalte dich ruhig.«
Saron gehorchte, doch in seinem Gehirn arbeitete es fieberhaft. Es konnten nur getreue Anhänger sein, die ihn befreiten. Allerdings wären
sie selbst gekommen und hätten keine Profikiller engagiert.
Wenige Minuten später landete die Fähre
in einem Talkessel. Eiligst brachten die beiden Profikiller ihren Passagier zu einem bereitstehenden Raumschiff. Per Fernzündung wurde
die Transportfähre, mit den Leichen an Bord,
zerstört. Dann hob das Raumschiff ab und verschwand in den Weiten des Weltraums.
6.
Allianzen
Saron wußte noch immer nicht, wohin die
Reise ging. Man hatte ihn sofort in eine Kabine
141
gebracht. Diese war ziemlich spartanisch eingerichtet. Dies ließ auf ein Kriegervolk schließen.
Der Pterus bekam aber kein Besatzungsmitglied
zu sehen. Essen, Getränke und Kleidung wurden ihm von Robotern gebracht. Als Saron sein
Mahl verzehrt hatte, wurde er sehr müde und
schlief ein.
Er erwachte erst wieder, als er geweckt wurde. Saron erschrak. Vor ihm tauchte ein ausgemergeltes Gesicht auf, das einem Totenkopf ähnelte.
Das Wesen entblößte seine Zähne, was ihm
einem Totenkopf noch ähnlicher machte.
»Willkommen auf Hauron, verehrter Saron.
Mein Herr erwartet dich bereits.«
Hauron also. Die Welt der Hauris.
»Und wer ist dein Herr?« fragte Saron, noch
leicht erschöpft.
»Ab-e-Metul, der Führer des großen Volkes
der Hauris.«
Saron nickte. Offensichtlich hatte man höchster Stelle Interesse an ihm. Das konnte ihm nur
zum Vorteil gereichen.
Saron erhob sich von seinem Lager.
»Bring mich zu deinem Herren«, verlangte
er.
Der Hauri wies ihm dem Weg.
»Bitte folge mir.«
Saron wurde dem Hauri durch einen kargen,
finsteren Palast geführt. Dieses Ambiente gefiel
ihm. Hauris und Pterus hatten einige Dinge gemeinsam. Saron wurde in eine Art mittelalterlichen Thronsaal geführt. Dort erwartete ihn Abe-Metul, der Führer der Hauris auf der Insel.
»Mein lieber Saron!« empfing ihn der Hauri
freundlich. »Ich freue mich, dich wohlauf begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, es geht dir gut.«
Saron machte eine knappe Verbeugung.
»Ich danke dir für meine Rettung. Sie war
meisterhaft durchgeführt.«
Ab-e-Metul lachte.
»Ja, diese dummen Narren auf Estartu wissen immer noch nicht, was überhaupt geschehen ist. Wenn wir Glück haben, denken sie, du
wärst mit der Fähre abgestürzt. Laß uns Platz
nehmen.«
Die beiden setzten sich an eine große, gedeckte Tafel.
142
D O R G O N
»Ich habe Spezialitäten der Pterus für dich
kommen lassen. Ich selbst bevorzuge das gute, einfache Mahl unserer glorreichen Vorfahren, die dem Herrn Heptamer dienten – Poona
und Urkhituu.«
»Bist du ein Anhänger des Hexameron?«
fragte Saron.
Ab-e-Metul nickte eifrig.
»Ja, ich verehre den Herrn Heptamer und
seine Fürsten. Leider fielen zwei von ihnen
im Kampf gegen die verhaßten Terraner. Sie
und die Nachfahren der verdammten HangayEmigranten sind unsere Feinde.«
Saron nickte grimmig.
»Auch ich hasse die Terraner und bin begierig, mich an ihnen zu rächen. Besonders an drei
von ihnen.«
Ab-e-Metul entblößte sein Gebiß.
»Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler nehme ich. Du siehst, ich bin bestens informiert.
Du wirst dazu Gelegenheit bekommen. Hauris
und Pterus sind natürliche Verbündete. Das Hexameron und die Philosophie des permanenten
Konflikts haben viel gemeinsam. Ich bin auf die
Insel gekommen, um hier das Hexameron neu
auferstehen zu lassen. Der Herr Heptamer soll
sich auch auf dieses Universum ausbreiten und
es vernichten!«
Der Hauri hatte sich in Rage geredet und
trank nun erst mal einen Schluck Poona.
Sarons Ansicht nach war Ab-e-Metul ein religiöser Fanatiker, dessen Irrlehre für Saron keinen Sinn ergab. Wie sollte man über ein zerstörtes Universum herrschen? Darum war es
doch widersinnig seinen Untergang zu betreiben. Doch die Hauris waren nützliche Verbündete. Eine Koalition mit ihnen konnte Saron
helfen, seine Ziele vielleicht doch noch zu verwirklichen.
»Dabei kann ein ewiger Krieg nur nützlich
sein«, meinte er.
Ab-e-Metul nickte zustimmend.
»Ich wußte, daß wir uns verstehen, Saron.«
»Mein Vorschlag wäre, als erstes eine geheime Terrororganisation aufzubauen, die sich
über die ganze Insel ausbreiten soll, um den dekadenten Völkern einzuheizen«, erläuterte Saron seinen Plan.
Ab-e-Metul lachte.
Jens Hirseland
»Das Wort ›einheizen‹ gefällt mir. Ich bin
einverstanden. Ich werde dich, wenn auch noch
inoffiziell, voll unterstützen.«
Saron hob triumphierend seinen Becher.
»Auf das Hexameron und den permanenten
Konflikt.«
*
Doch nicht nur Saron und Ab-e-Metul
schmiedeten finstere Pläne im Geheimen. Auch
Letricron war bemüht, weitere Verbündete für
seine Ambitionen zu finden. Deshalb reiste er
zum Planeten Bostich, um sich dort mit Uwahn
Jenmuhs, dem Anführer der Arkoniden, zu treffen.
Jenmuhs, der Bruder des berüchtigten Hajun
Jenmuhs, empfing den Überschweren in seiner
prunkvollen Residenz.
»Mein lieber Jenmuhs, ich danke Ihnen, daß
Sie Zeit hatten, mich zu empfangen«, begann
Leticron alias Nor’Citel höflich.
Jenmuhs saß auf seinen Thron und blickte
sich gelangweilt um.
»Ja, dafür können Sie mir auch wirklich
dankbar sein, Überschwerer«, sagte der feiste
Arkonide. »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann
und meine Zeit ist kostbar. Ich kann sie nicht für
jedermann vergeuden. Daher werden Sie Verständnis haben, wenn mein Fußpfleger sich um
die Schönheit meiner Füße kümmert.«
Angewidert sah Leticron zu, wie ein Diener
die feisten, schwabbeligen Füße des Arkoniden
behandelte und die Fußnägel pedikürte.
»Dann wollen wir gleich zur Sache kommen.
Ich bin hier, um Ihnen ein Bündnis gegen den
Terra-Block vorzuschlagen. Ich habe bereits eine Allianz mit den Dscherro geschlossen. Wenn
wir nun einen Dreierpakt schließen, könnten
wir zur mächtigsten Militär-Allianz werden.«
Jenmuhs gähnte.
»Gewiß, es wird ein Gehirn für diese Allianz
benötigt, das euch wilde Barbaren anführt. Das
sehe ich ein.«
»Ich dachte an eine Partnerschaft zu gleichen Teilen zwischen Paricza und Arkon. Die
Dscherro werden sich unterordnen. Sie sind nur
an Beute interessiert.«
Machtkämpfe
D O R G O N
Jenmuhs wurde wütend und bewegte seine
Füße. Das hätte er nicht tun sollen, da der Fußpfleger ihm nun versehentlich in den großen
Zeh schnitt. Jenmuhs schrie quiekend auf.
»Du miese Kröte! Mein schöner Fuß! Dafür
wirst du bezahlen!« brüllte er den Fußpfleger
an.
»Verzeihen Sie, Herr, es war nicht meine
Schuld.«
»Dann wird es auch nicht meine Schuld sein,
was jetzt mit dir geschieht«, sagte der fette Arkonide drohend.
»Sie sollten an Ihre Wahl zum Paxus-Rat
denken. Vor der Wahl können Sie sich keine Affäre leisten«, sagte Nor’Citel beschwörend.
Dies brachte Jenmuhs zur Besinnung. Was
Nor’Citel gesagt hatte, war zweifellos richtig.
Darum machte er nun gute Miene zum bösen
Spiel.
»Nun gut, heute ist dein Glückstag, Diener.
Ich vergebe dir. Du darfst dich entfernen«, gebot er großmütig.
Sichtlich erleichtert verabschiedete der Diener sich. Jenmuhs wandte sich wieder seinem
Gast zu.
»Mein lieber Nor’Citel, was Sie sagen ist
richtig. Wir werden ein Bündnis schließen, so
wie Sie es für richtig halten. Doch nun muß ich
meinen armen Fuß behandeln lassen. Wir werden uns möglich bald wiedertreffen.«
Damit war Leticron vorerst zufrieden. Außerdem war er froh, daß er die abstoßend häßlichen Füße des Arkoniden nicht mehr länger
sehen mußte.
Als sich Nor’Citel verabschiedet hatte, ließ
Jenmuhs seinen Fuß von seinem Bauchaufschneider behandeln. Dem unachtsamen Diener
würde er seinen Fehler eines Tages heimzahlen.
Doch im Moment mußte er an seine Wahl denken. Jenmuhs war sich nicht sicher, ob er auch
wirklich zum Paxus-Rat gewählt werden würde.
Die Konkurrenz war stark. Darum nahm er sich
vor, allen Satellitenvölker wie den Aras, Zalitern, Antis, Springer und Topsidern unmißverständlich klarzumachen, daß sie gefälligst ihn
zu wählen hatten. Der Arkonide besaß genügend Druckmittel, um sich durchzusetzen.
Wenn er erst Paxus-Rat war, konnte er gnadenlos gegen seine Feinde vorgehen. Besonders
143
Uthe Scorbit sollte seine Macht zu spüren bekommen. Er haßte die Terranerin von ganzem
Herzen, weil sie am Tod seines Bruders beteiligt war. Er hatte seinen Bruder, den er für zu
weich hielt, zwar nie leiden können, aber das
gab einer Barbarin noch lange nicht das Recht,
ihn ohne seine Erlaubnis umzubringen. Außerdem war Uthe mit Anica befreundet, dem bezaubernsten Wesen, dem Jenmuhs je begegnet
war. Er hatte große Pläne mit Anica. Er wollte
sie besitzen, nur er allein. Später dann würde er
mit den Scorbits abrechnen und sie langsam zu
Tode quälen. Doch vorerst mußte er sich notgedrungen an die Gesetze halten. Aber er wollte
Anica wiedersehen. Er beschloß einen Ball zu
veranstalten, zu dem er sie einladen würde. Und
nicht nur sie...
*
Am nächsten Tag wurde im Trivid bekannt
gegeben, daß Uwahn Jenmuhs im November eine Feier geben würde. Sämtliche Politiker und
wichtige Persönlichkeiten der Terraner, Saggittonen, Dorgonen, Pariczaner und Blues waren
eingeladen.
Auch Uthe Scorbit erhielt eine solche Einladung. Sie wurde ihr zugestellt, als sie in einer
Besprechung mit dem Marquese war. Neugierig
öffnete sie den Brief.
»Etwas ernstes?« fragte der Marquese sie.
»Wie man’s nimmt. Eine Einladung zum
Ball von Uwahn Jenmuhs für mich und Anica.
Remus wird allerdings nicht erwähnt.«
Der Marquese wirkte irritiert.
»Werden Sie hingehen, Marquese?« wollte
Uthe wissen.
»Ich habe überhaupt keine Einladung erhalten. Seltsam, daß dieser Arkonide mich übergeht«, sagte Don Philippe beleidigt.
»Ich weiß gar nicht, ob ich ohne meinen
Mann überhaupt hingehe. Dieser Jenmuhs hat
anscheinend genau solche Manieren wie sein
Bruder.«
»Sie kennen Jenmuhs näher?« erkundigte
sich der alte Spanier.
»Seinen Bruder haben wir kennenlernen
müssen.«
D O R G O N
144
Uthe erzählte dem Marquese, was sich auf
der LONDON II damals zugetragen hatte.
»Das ist ja unglaublich, was ich da höre. Ich
würde Ihnen raten, dort lieber nicht hinzugehen, mein Kind. Denn ein altes Sprichwort sagt:
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«, meinte
Don Philippe.
7.
Alltägliche Probleme
Nach der Tagung fuhr Uthe nach Hause. Sie
hatte sich vorgenommen, Jenmuhs abzusagen.
Sie freute sich den Abend mit Remus verbringen zu können. Ihr Mann hatte versprochen,
heute für das Essen zu sorgen. Darauf freute
sich Uthe sehr, denn es war doch ein anstrengender Tag gewesen.
Als Uthe nach Hause kam, gab es zu ihrer
Verwunderung weder etwas zu essen noch war
Remus anwesend. Es war immerhin schon 20
Uhr. Da Remus noch nicht einmal mit der Zubereitung begonnen hatte, blieb Uthe nichts anderes übrig, als selbst das Essen zu kochen.
Die Stunden vergingen, Remus erschien jedoch immer noch nicht. Uthe begann, sich Sorgen zu machen. Gerade als sie die Polizei benachrichtigen wollte, öffnete sich die Tür und
Remus wankte mit schleppenden Schritten herein. Besorgt eilte Uthe zu ihm.
»Remus, was ist passiert? Bist du verletzt?«
»M... mir g... geht’s g... gut«, lallte Remus.
Uthe roch sofort den Alkoholschwall, der ihr
entgegenkam.
»Du bist ja total besoffen! Ich habe stundenlang auf dich gewartet und mir Sorgen gemacht!
Ganz zu schweigen davon, daß du versprochen
hast, heute zu kochen. Das Essen, das ich gekocht habe ist inzwischen kalt!«
»Oh! Bitte nicht von Essen reden«, flehte Remus.
»Wo warst du?«
»Ich bin mit H... Helge u... und Helge u...
unterwegs ge... gewesen. Sie ha... hatten mich
eingeladen«, versuchte Remus zu erklären.
»Schon wieder diese beiden dummen
Nichtsnutze!« keifte Uthe. »Ich sehe es nicht
gerne, wenn du dich mit denen abgibst!«
Jens Hirseland
»Sie sind meine Freunde!«
»Schöne Freunde. Nun gut, auch ich habe
meine Freunde. Ich bin zum Empfang des arkonidischen Statthalters eingeladen. Du allerdings nicht. Ich wollte ja zuerst absagen, aber
nun werde ich doch hingehen.«
»Ich glaub’, mir wird schlecht«, seufzte Remus. Dann zog er sich zum WC zurück.
*
Am nächsten Morgen war Uthe immer noch
beleidigt und fuhr grußlos in ihr Büro. Während
der leidende Remus zu Hause saß. Am späten
Nachmittag läutete es an der Tür. Remus öffnete. Seine beiden Zechbrüder Helge von Hahn
und Helge Weslyn standen vor der Tür und kamen unaufgefordert herein.
»Heil, Kamerad, wie geht’s?« fragte von
Hahn.
»Ach, nicht so gut«, antwortete Remus und
erzählte von seinem Ehestreit.
»Das Beste gegen Kummer und Sorgen ist,
einen draufzumachen. Stimmt’s, Kamerad Weslyn?« fragte von Hahn seinen Kumpel, einen
bulligen, nicht sehr intelligent wirkenden Soldaten.
»Genau!« stimmte Helge Weslyn zu.
Es dauerte nicht lange, dann hatten Helge
und Helge Remus überredet mit ihm wieder
auf eine Zechtour zu gehen. Der Alkohol floß
in Strömen und zwei Stunden nach Mitternacht
wankten die drei durch die Stadt nach Hause.
»Ich muß machen, daß ich nach Hause komme, sonst erschlägt mich meine Alte«, lallte Remus.
»Ach was, Kamerad. Der Mann sollte der
Herr im Haus sein. So wie es früher einmal
war«, meinte Helge von Hahn.
»Früher war sowieso alles besser. Da war
das Solare Imperium noch die Nummer Eins in
der Milchstraße und die Arkoniden waren gerade noch imstande alleine auf’s Klo zu gehen!
Stimmt’s, Kamerad Weslyn?«
»Genau!« stimmte Helge Weslyn wiederum
zu.
Helge begann lauthals Soldatenlieder zu singen. Weslyn stimmte mit ein. Gemeinsam grölten sie »Ob’s stürmt oder schneit«. Unglück-
D O R G O N
Machtkämpfe
licherweise kam ihnen in der einsamen Straße
ein Blue entgegen. Helge von Hahn verstummte und ging drohend auf den Blue zu.
»Kann ich dir behilflich sein?« fragte der
Blue freundlich.
»Was fällt dir ein mich zu duzen, du Dreckstück! Ich kann mich nicht erinnern dir das erlaubt zu haben. Ihr Ausländer glaubt wohl, ihr
könnt euch alles erlauben! Ihr könnt froh sein,
daß wir Terraner so großzügig sind und euch
unsere Straßen benutzen lassen!«
»Du hast wohl zuviel getrunken, Terraner.
Ich werde das Gespräch beenden.«
Der Blue ließ Helge stehen und ging weiter.
Jetzt wurde von Hahn erst richtig wütend.
»Die werde ich deine Frechheiten schon austreiben, Tellerkopf!« schrie er. Dann stürzte er
sich auf den körperlich unterlegenen und riß ihn
zu Boden. Dann begann er auf den Blue einzuschlagen. Jetzt erst begriff Remus den Ernst der
Lage.
»Helge, hör auf damit! Das darfst du nicht
tun!«
Doch von Hahn hörte nicht auf Remus und
malträtierte den Blue weiterhin mit Schlägen
und Tritten.
»Helge, hör auf!« rief Remus.
Er wollte dem Blue zu Hilfe eilen, doch der
bullige Weslyn hielt ihn fest. Remus war noch
zu betrunken, um sich loszureißen.
»Du, Kamerad von Hahn, ich glaube das
reicht jetzt«, meinte Weslyn.
Von Hahn gab einen grunzenden Laut von
sich. Endlich ließ er von seinem Opfer ab.
»Laßt uns lieber verschwinden«, riet Weslyn.
Remus blickte auf den Blue, der sich vor
Schmerzen krümmte. Noch nie hatte er sich so
geschämt. Doch er besaß nicht die Courage zurückzubleiben und rannte nach Hause.
*
Am nächsten Morgen schämte sich Remus
noch mehr. Er schwieg aber Uthe gegenüber,
die ohnehin nicht besonders gut auf ihn zu sprechen war. In den Nachrichten wurde nichts über
die Schlägerei gebracht. Wahrscheinlich hatte
der Blue zuviel Angst gehabt, um von Hahn
145
anzuzeigen. Remus begann sich zu fragen, ob
Uthe mit ihrer Einschätzung von Hahn und
Weslyn nicht doch recht hatte.
8.
Rache
Remus Bruder Jan Scorbit hatte andere Sorgen. Er traf sich mit Will Dean und Sam Tyler in
New Terrania zu einer Lagebesprechung. Will
Dean klärte die beiden anderen über die neuesten Nachrichten auf.
»Wie wir gestern von den Behörden auf Estartu erfuhren, ist Saron ausgebrochen. An Bord
der abgestürzten Raumfähre befanden sich nur
drei elfahdische Leichen. Saron und zwei weitere Elfahder sind verschwunden.«
»Die haben ihn befreit. Garantiert Profis«,
mutmaßte Tyler mit finsterer Miene.
»Das ist anzunehmen. Wahrscheinlich treue
Anhänger Sarons von Upanishad. Die Behörden von Estartu suchen auf dem ganzen Planeten nach ihm«, erklärte Will Dean.
»Pah! Saron ist doch längst weg von Estartu«, meinte Sam Tyler. »Die haben ihn garantiert sofort weggebracht.«
»Das fürchte ich auch.«
Will wandte sich an Jan Scorbit.
»Ich schlage vor, daß der TLD und die Neue
USO sich diesmal nicht gegenseitig behindern,
sondern zusammenarbeiten.«
»Das klingt vernünftig. Wo sollen wir mit
der Suche beginnen?« fragte Jan.
»Nun, ich werde auf Estartu beginnen nach
Spuren zu suchen. Vielleicht irren wir uns und
er befindet sich doch dort. Ich will kein Risiko
eingehen. Du, Jan, suchst auf Upanishad, Tyler
auf Oden und Chris auf Som-Som. Dies scheinen mir die geeignetsten Orte zu sein, wo er
untertauchen könnte. Er wird sicherlich versuchen, wieder eine neue Organisation aufzubauen.«
Sam Tyler holte seinen Strahler hervor und
streichelte ihn.
»Wenn ich den Kerl finde, mache ich eine
Handtasche aus ihm«, gelobte er grimmig.
»Tyler, wir werden uns an Recht und Gesetz
halten«, ermahnte ihn Will Dean.
D O R G O N
146
»Okay, reg dich nicht auf.«
*
Bereits wenige Stunden später waren alle
vier unterwegs zu ihren Einsatzorten. Chris Japar war Som-Som zugeteilt worden, auf denen 14 Millionen Lebewesen wohnten. Unter
ihnen vielleicht Saron. Chris machte zunächst
die Upanishad-Schule von Som-Som ausfindig.
Dorthin würde sich Saron bestimmt zuerst wenden, um Hilfe zu suchen oder neue Leute anzuwerben.
Die Schule befand sich am Rande der Hauptstadt. Gegenüber befand sich ein Wald. Chris
beschloß, sich dort auf die Lauer zu legen. Die
Behörden wollte er nicht um Hilfe bitten, da er
nicht sicher war ob sich nicht auch auf SomSom Sympathisanten von Saron unter der Polizei befanden.
Mit einem, mit modernster Technik ausgestatteten Okular begab sich Chris auf Beobachtungsposten. Lange Zeit geschah nicht außergewöhnliches und Japar fürchtete, er hätte sich
umsonst in die Wildnis begeben. Dann jedoch,
kurz nach Mitternacht, wurde Chris von dem
tosenden Triebwerk eines Raumschiffs aufgeschreckt, welches am Rande der UpanishadSchule auf einem freien Feld aufsetzte. Japar
bemerkte sofort, daß es sich nicht um ein typisches Raumschiff der Pterus handelte. Chris
beobachtete durch sein Okular, wie die Besatzungsmitglieder ausstiegen. Japar erkannte sofort, welcher Rasse die Insassen angehörten.
Es waren Hauris. Sechs bewaffnete Männer
stiegen aus, dann folgte ein siebter – Saron.
Chris hatte ihn gefunden. Aber was hatte Saron mit Hauris zu tun? Chris holte seinen Hyperkomgerät hervor und nahm Verbindung mit
dem nächsten TLD-Büro auf.
»Mr. Japar. Was gibt es?« meldete sich ein
Nachrichtenoffizier.
»Ich habe das gesuchte Objekt gefunden. Ich
wiederhole: Ich habe das gesuchte Objekt gefunden. Informieren sie unverzüglich Tyler, Dean und Scorbit. Sie sollen unverzüglich nach
Som-Som kommen. Der Gesuchte befindet sich
in Begleitung von Hauris in der UpanishadSchule.«
Jens Hirseland
»Gut, Mr. Japar. Aber Sie sollten abwarten,
bis die Verstärkung eingetroffen ist«, riet der
Offizier.
»Negativ, ich bleibe dran, sonst geht er uns
noch durch die Lappen«, lehnte Chris ab. »Außerdem muß ich herausfinden, was die Hauris
damit zu tun haben. Benachrichtigen Sie sofort
die anderen. Sie sollen sich mit mir in Verbindung setzten, wenn sie eingetroffen sind.«
»In Ordnung. Ich werde sie so schnell wie
möglich informieren. Ende.«
»Ende.«
Chris schaltete das Gerät aus und beobachtete weiter. Saron ging auf die Schule zu, doch es
fehlten zwei der Hauris, die ihn eskortiert hatten.
Plötzlich fühlte Japar ein Stück hartes Metall
auf seinem Rücken.
»Nun, Terraner, hast du gefunden wonach du
gesucht hast?« vernahm Chris die rauhe Stimme
eines Hauris.
Ein zweiter tauchte vor ihm auf. Nun wußte er, wo die beiden geblieben waren. Sie hatten
ihn angepeilt und ausgetrickst wie einen Anfänger. Chris sah noch, wie einer der Hauris auf ihn
anlegte, dann war nichts mehr.
*
Am nächsten Tag trafen Will Dean, Sam Tyler und Jan Scorbit auf Som-Som ein. Vergeblich hatten sie die ganze Nacht versucht Kontakt
mit Chris Japar herzustellen, doch es hatte keine Antwort gegeben. Beunruhigt suchten sie die
Polizeidienststelle der Hauptstadt Sokur auf.
Dort empfing sie der Polizeipräsident, ein
Somer.
»Herzlich willkommen auf Som-Som. Ich
bin Polizeipräsident Pankhor«, begrüßte der Somer die Terraner.
Tyler verzog unwillig das Gesicht.
»Quatsch nicht, Mann. Wir suchen unseren Freund. Wir müssen sofort die UpanishadSchule stürmen.«
Pankhor wirkte sichtlich ungehalten.
»Noch gebe ich hier die Befehle«, erwiderte
er pikiert.
»Tyler, Sie vergessen sich!« rief Will Dean.
Machtkämpfe
D O R G O N
Dann wandte er sich dem Polizeipräsidenten
zu.
»Ich muß mich für meinen Kollegen entschuldigen. Wir haben Grund zu der Annahme,
daß einer unserer Agenten in Gefahr ist. Er hat
gegen Mitternacht gemeldet, daß der gesuchte
Schwerverbrecher Saron sich in der UpanishadSchule am Rande der Hauptstadt befindet. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört Außerdem wurde uns berichtet, daß Hauris in die
Sache verwickelt sind.«
»TLD und Neue USO bitten die Behörden
von Som-Som um Hilfe bei der Ergreifung Sarons«, fügte Jan Scorbit hinzu.
»Selbstverständlich werden wir euch behilflich sein«, gab sich Pankhor versöhnlich.
»Auch auf unserem Planeten wird Saron gesucht. Wir werden so schnell wie möglich zur
Upanishad-Schule aufbrechen.«
Es dauerte jedoch eine gute Stunde bis Pankhor und seine Einheit einsatzbereit war. Mit einem großen Aufgebot von 200 Mann, Gleitern
und Panzerfahrzeugen rückten die Somer zur
Upanishad-Schule vor.
»Da könnte man denen ja gleich eine Nachricht schicken, daß wir kommen«, murrte Tyler.
Dean und Scorbit hatten ihn noch nie so
nervös gesehen. Chris Japar war Tylers bester
und wohl auch einziger Freund, um den er sich
große Sorgen machte.
Als das massive Polizeiaufgebot die Schule
erreichte, war jedoch kein Raumschiff zu sehen. Es regte sich nichts. Die Schule wirkte verlassen. Pankhor gab Befehl, daß hundert Polizisten in die Schule vorrücken sollten. Tyler, Dean und Scorbit schlossen sich ihnen mit gezückten Waffen an. Das Tor zur Schule war offen.
Die Räume leer. Die drei Agenten und einige
Somer-Polizisten drangen in den Hauptsaal vor.
Dort stand, in der Mitte des Saales, eine große
Tafel und auf lag ein menschlicher Körper –
Chris Japar.
»Chris!« schrie Tyler auf und rannte zu seinem Freund. Doch es kam jede Hilfe zu spät.
Japar war tot. Sein Körper war übel zugerichtet worden, man hatte ihn gefoltert. Auf Japars
Leiche klebte ein Zettel. Dean nahm ihn an sich
und las ihn.
Das war der erste von euch!
147
Niemand entkommt Sarons Rache!
Dean, Scorbit und Tyler, ihr werdet genauso
sterben wie euer schwacher Freund!
Tyler war den Tränen nahe. Nie hatte man
ihn so emotional erlebt.
»Tut mir leid um Chris, Sam«, sagte Dean
betreten.
»Den Pterus wird es leid tun!« brüllte Tyler
voller Wut. »Und den Hauris! Ich werde jeden
töten, der sich mir in den Weg stellt! Ich werde Chris rächen und wenn ich selber dabei verrecke!«
»Sie können nicht ein ganzes Volk für ein
paar Verbrecher verantwortlich machen«, gab
Jan Scorbit zu bedenken.
Tyler sah ihn haßerfüllt an.
»Saron und seine ganze Bande werden krepieren! Ich warne euch, stellt euch mir nicht in
den Weg, wenn ich mit denen abrechne«
»Jetzt müssen wir kühlen Kopf bewahren«,
meinte Dean. »Saron ist weg und mit ihm die
Upanishad-Schüler. Er braucht sie, weil er etwas vorhat. Wir müssen herausfinden, was es
ist.«
Ein Somer meldete, daß die ganze Schule
durchsucht worden war und das sich niemand
mehr in ihr aufhielt. Saron und seine Anhänger waren offenbar schon vor Stunden geflohen.
Der gefährliche Pterus war ihnen wieder entkommen. Dean fürchtete, daß man schon bald
wieder von ihm hören würde.
*
Saron hingegen triumphierte. Der erste Teil
seiner Rache war geglückt. Er hatte geahnt, daß
Tyler, Scorbit, Dean und Japar nach ihm fahnden würden. Es war ihm sehr recht gewesen,
daß ihm Chris Japar als erster über den Weg
gelaufen war. Er hatte ihn persönlich gefoltert
und getötet. Auch seine Freunde würden so enden. Doch dies allein war noch nicht genug. Er
hatte seine getreuen Anhänger aus der Schule
geholt, um seinen ersten großen Terror-Plan zu
verwirklichen.
Saron befand sich mit seinen Anhängern
wieder an Bord des Hauri-Schiffes. Er hatte
Som-Som durch den Zwischenfall mit Japar
schneller wieder verlassen müssen als geplant,
148
D O R G O N
denn ihm war klar, daß der Terraner seine Kollegen sofort alarmiert hatte. Doch das war ihm
seine Rache wert. Es hatte dann alles so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hatte.
Saron nahm nun Kontakt zu Ab-e-Metul auf.
Das ausgemergelte Gesicht des Hauris erschien
auf dem Bildschirm.
»Ich grüße dich, Ab-e-Metul«, begann Saron.
»Sei auch du gegrüßt, Saron. Lief alles nach
Plan?« fragte der Hauri.
Saron berichtete ihm von dem Vorfall mit Japar.
»Wir müssen nun vorsichtig sein. Es kann
sein, daß der TLD und die Neue USO jetzt ahnen, daß ein Zusammenhang mit uns besteht«,
schloß Saron.
»Das können sie kaum beweisen. Ich kann ja
nicht für die Rechtschaffenheit jedes einzelnen
meines Volkes garantieren. Hast du nun genug
Männer für dein Vorhaben?«
»Ja, Ab-e-Metul. Ich habe meine besten
Schüler geholt. Dank dir haben wir genug
Sprengstoff um den halben Planeten zu zerstören.«
Ab-e-Metul lächelte finster.
»Die Zerstörung des Paxus-Parlament wird
ein Schlag sein, von dem sich die anderen Völker nicht so schnell erholen werden«, sinnierte
der Hauri. »Die Hauris und die Pterus werden
das Machtvakuum ausnutzen und die Führung
übernehmen. Und dann wird die Insel den Weg
des Herrn Heptamer gehen!«
Das glaube ich kaum. Wenn ich mit den anderen fertig bin, kommst du dran, dachte Saron.
Doch noch brauchte er die Unterstützung des
fanatischen Hauri. Saron verabschiedete sich
und lehnte sich in seinen Sessel zurück. Sein
Plan war genial. Nach der Wahl würden alle
Paxus-Räte und das Paxus-Parlament sich zur
konstituierenden Sitzung zusammenfinden. Saron würde sie alle mit einem Schlag auslöschen.
Dann würde ihn niemand mehr aufhalten können, die Philosophie des Kriegerkultes und des
Permanenten Konflikts über die Insel zu tragen.
Jens Hirseland
9.
Die Wahlen
Auf Paxus standen die entscheidenden
Wahlen kurz bevor. Die Delegierten trafen sich
zum Meinungsaustausch und versuchten sich
ihre Interessen zu sichern. Selbstverständlich
war auch der Marquese gekommen, der sich
Hoffnungen machte, einen der vier Ratsplätze
zu erhalten.
Don Philippe hatte sein diplomatisches Talent, welches er aus dem 18.Jahrhundert mitgebracht hatte, geschickt eingesetzt und schon einige Delegierte auf seine Seite gebracht. Auch
der Botschafter der Posbis, Bastaarn, war von
dem alten Spanier durchaus angetan.
»Verehrter Marquese, Sie dürfen meiner
Stimme gewiß sein«, sagte Bastaarn. »Ich habe
selten einen so interessanten Humanoiden getroffen wie Sie«.
»Oh, vielen Dank«, erwiderte der Marquese
geschmeichelt.
Bastaarn zeigte auf einen weiteren Posbi,
der hinter ihm stand. Dieser Posbi besaß eine
schlanke, humanoide Form und trug ein rotes
Gewand.
»Darf ich Ihnen XZHKLÖ57789543278
vorstellen?«
»Äh?« machte der Marquese nur.
»Zu Diensten«, sagte der vorgestellte Posbi
mit einschmeichelner Stimme.
»Sie sollten wissen, daß unser Botschafter
den Leuten gerne Honig ums Maul schmiert,
wie man bei euch Terranern zu sagen pflegt.
Aber Lügen nennt man ja in der Politik Diplomatie.«
»Ach ja? Willst du damit sagen, daß ich auch
lüge?« fragte der Marquese provokant.
»Natürlich, sonst wären Sie ja kein guter Politiker«, erwiderte der Posbi.
»Sie müssen entschuldigen, Marquese, aber
XZHKLÖ57789543278 hat eine sehr direkte
Art«, bedauerte Botschafter Bastaarn.
»Das macht nichts. Seine Offenheit ist direkt
erfrischend«, winkte der Marquese ab.
»Ich habe gehört, Sie suchen einen Berater.
XZH...«
»Bitte kürzer«, unterbrach Don Phillipe.
D O R G O N
Machtkämpfe
»Nun XZH möchte sich später mal politisch
betätigen. Doch vorher will er von den Menschen lernen. Er ist ein Bewunderer menschlicher Metaphern und als Ratgeber sicher von
großem Wert. Er verfügt über eine umfassende Datenbank mit allen wichtigen Kenntnissen
der menschlichen Geschichte und allem anderen was man für politische Zwecke benötigt.«
Don Philippe überlegte.
»Das könnte mir nützlich sein. Vieles in dieser Zeit ist mir doch noch sehr fremd, wenngleich ich mir das nicht anmerken lasse.«
»Dann lassen Sie mich in Ihre Dienste treten, Marquese. Ich koste nicht mal Geld«, bot
XZHKLÖ57789543278 an.
»Also gut, dann bleibt mir keine andere
Wahl. Aber nur, wenn du dir einen anderen Namen zulegst, mein Freund.«
»Und welchen?«
»Ich werde dich Diabolo nennen. Das klingt
spanischer als XYZ sowieso.«
Der Posbi verneigte sich.
»Wie Sie wünschen.«
Auch Bastaarn war zufrieden.
»Ab sofort steht Diabolo in Ihren Diensten.«
»Sehr gut. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit«, sagte Don Phillipe.
»Doch jetzt müssen Sie mich entschuldigen.
Ich muß noch etwas ›lügen‹, um meine Ratswahl zu sichern«, fügte der Spanier hinzu und
wandte sich einigen anderen Delegierten zu.
Die beiden Posbis blickten ihm nach.
»Ist er nicht herrlich verschlagen? Wir können noch viel von ihm lernen«, schwärmte Diabolo.
149
Natürlich versprach jeder der Kandidaten den
Delegierten in den offiziellen Reden das Blaue
vom Himmel, wie es ja die meisten Politiker bekanntlich immer taten.
Was hinter verschlossenen Türen vereinbart wurde, konnte man nur erahnen. Schließlich hatten alle Kandidaten ihre letzten Wahlreden abgeschlossen und die Delegierten des
Paxus-Parlamentes konnten zum ersten Wahlgang schreiten.
Nach kurzer Auszählung ergab sich für den
ersten Wahlgang, daß sich Uwahn Jenmuhs,
Aurec, Don Philippe, Nor’Citel, Charif Parrul, Jaques de Cosgaigne, Mirus Traban, Carjul,
Evrius, Mephis Grohn, Goz Kongan und Torsor
für den zweiten Wahlgang qualifizierten.
Alle anderen schieden aus der Wahl aus. Nun
begannen die Vorbereitungen für den zweiten
Wahlgang. Die vier mit den meisten Stimmen
würden in den Paxus-Rat einziehen, die darauffolgenden vier wurden automatisch zu deren Stellvertretern. Als große Überraschung galt
das gute Ergebnis von Jaques de Gosgaigne,
dem Delegierten von Olymp. Don Philippe war
damit nicht zufrieden, denn er fürchtete Gosgaigne könnte ihm Stimmen abnehmen, da der
Freihändler einen Wahlkampf in ähnlichen aristokratischen Stil geführt hatte wie er selbst.
»Nicht zu fassen. Ich möchte wissen, was
er seinen Wählern bezahlt hat!« regte sich
der Marquese gegenüber seinem neuen Berater
Diabolo auf.
»Aber Marquese, haben Sie denn Ihren Wählern etwa zu wenig bezahlt?« fragte der Posbi
sarkastisch.
Nun war der Spanier sprachlos.
*
*
Am nächsten Tag begann nun endlich die
entscheidende Wahl für den Paxus-Rat. Zunächst sollte Sruel-Allok-Mok als Generalsekretär des Rates bestätigt werden, woran es
nicht den geringsten Zweifel gab. Spannender
gestalte sich da schon die Wahl der vier PaxusRäte, die von den insgesamt 51 Delegierten in
zwei Wahlgängen bestimmt werden sollten. Dabei konnte im ersten Wahlgang jeder jeden wählen. Die zwölf mit den meisten Stimmen wurden dann für den zweiten Wahlgang nominiert.
Leticron war mit dem ersten Wahlgang
durchaus zufrieden. Er hatte es klar in den zweiten Wahlgang geschafft, was er hauptsächlich
den Stimmen der Stimmberechtigten des Dreieckimperiums zu verdanken hatte. Nun wurde
es jedoch schwieriger.
Auch Aurec war dem Verlauf der Wahl zufrieden.
»Das haben wir Ihrem Einsatz zu verdanken,
Nataly«, lobte er die Halblinguidin.
D O R G O N
150
»Ihr Charme war daran auch nicht ganz unbeteiligt«, gab Nataly lächelnd zurück.
»Ich hoffe, Sie schaffen es, Aurec. Die Insel
braucht jemanden wie Sie.«
In der Pause wurde auch das Ergebnis zur
Wahl des Generalsekretärs bekannt gegeben.
Sam erhielt 91,1 Prozent der Stimmen und war
somit im Amt bestätigt. Die Spannung für die
Ratswahl stieg.
Schließlich wurde der zweite Wahlgang eröffnet und alle Delegierten schritten zur geheimen Wahl per Knopfdruck. Die Stimmberechtigten tätigten ihre Wahl und schon wenige Minuten später stand das Ergebnis fest und die
Wahl war entschieden.
Don Philippe hatte sich tatsächlich durchgesetzt und war sogar stärkstes Mitglied im PaxusRat. Was für ein Aufstieg für den alten Spanier, der darüber mehr als erfreut war. Ihm folgten Uwahn Jenmuhs, Aurec und Nor’Citel nach.
Mirus Traban, Goz Kongan, Charif Parrul und
Jaques de Gosgaigne wurden zu Stellvertretern
ernannt, die allesamt bei wichtigen Fragen hinzugezogen werden konnten. Sruel-Allok-Mok
übernahm den Vorsitz des Paxus-Rates.
*
Leticron war hochzufrieden. Er hatte sein erstes Ziel erreicht. Neben ihm schäumte jedoch
Uwahn Jenmuhs vor Wut.
»Ich fasse es nicht! Diese alte, häßliche Mumie hat eine Stimme mehr als ich bekommen!
Immer diese verdammten Terraner!«
»Beruhigen Sie sich. Unsere Stunde wird
kommen«, versprach der Überschwere.
Jens Hirseland
Auch Aurec und Nataly waren hocherfreut
über ihren grandiosen Erfolg.
»Ich wußte, daß Sie es schaffen würden«,
freute sich die Halblinguidin.
»Ohne Ihre Hilfe wäre es nicht so leicht gewesen«, lobte Aurec sie.
Der Marquese öffnete zur Feier des Tages
eine Flasche Champagner. Er und sein neuer
Berater Diabolo standen auf den Balkon des
Paxus-Regierungsgebäudes. Julian Tifflor gesellte sich zu ihnen.
»Mein lieber Don Philippe, ich muß Ihnen
gratulieren«, sagte der Außenminister der LFT.
»Sie haben sich hervorragend geschlagen. Besser hätte ich es auch nicht machen können.«
»Ohne Ihre Hilfe hätte ich es bestimmt nicht
geschafft«, erwiderte Don Philippe jovial.
»Nun, ich beneide Sie nicht. Es wird nicht
leicht sein mit all den Völkern auszukommen.
Nehmen Sie sich vor Uwahn Jenmuhs in Acht.
Er ist machtgierig.«
»Ich werde mein bestes tun«, versicherte der
Spanier.
»Leider muß ich Sie nun verlassen. Mein
Schiff in Richtung Heimat geht morgen früh.
Ich wünsche Ihnen alles Gute, Marquese.«
»Danke, Senor Tifflor. Auch Ihnen wünsche
ich eine gute Reise.«
Tifflor bedankte sich und ging. Der Marquese füllte sich neuen Champagner in sein Glas.
»Sieht so aus als würdest du mir Glück bringen, Diabolo.«
»Man kann Ihnen gratulieren, Marquese. Sie
haben viel erreicht«, lobte der Posbi.
Don Philippe lächelte und hob sein Glas.
»Das, mein Freund Diabolo, ist erst der Anfang. Auf uns.«
Heft 46
Die Stunde des Spaniers
Der Marquese von Siniestro als gefeierter Held - auf seinen Schultern ruht die Hoffnung
von Jens Hirseland
Titelbild von Stefan Lechner
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
1.
Nach der Wahl
Einige Tage nach der Wahl des Paxus-Rates
waren die Stimmungen der Völker gemischt.
Noch wußte niemand, was die einzelnen Repräsentanten für den kleinen Mann bringen würden. Während Aurec und Sam große Sympathien genossen, sahen es viele nichtarkonidische Völker als besorgniserregend an, den unberechenbaren Uwahn Jenmuhs im Paxus-Rat
zu wissen. Die Rolle von Nor’Citel und dem
Marquese von Siniestro war den meisten noch
unklar.
Hochzufrieden mit sich und der Welt ging
der Marquese in das Regierungsgebäude des
neugewählten Paxus-Rates, dem er nun selbst
angehörte. Mehr noch, als gewählter Repräsentant mit den meisten Stimmen war er auch
Stellvertreter des Generalsekretärs Sruell Allok
Mok, genannt Sam, und oberster Regent des
Terra-Blocks.
Als erstes hatte Don Philippe Joaquin Manuel Cascal zu seinem Stellvertreter und zum
Oberbefehlshaber der Terra-Block-Streitkräfte
ernannt und ihn in den Rang eines TerraMarschalls erhoben. Cascal war ihm von Julian Tifflor empfohlen worden, außerdem war er
ihm durchaus sympathisch, da dessen Vorfahren
auch einst Spanier waren.
Der alte Spanier war mit Sam verabredet, um
ein Konsolidierungsgespräch zu führen. Außerdem sollten erste Gesetze auf den Weg gebracht
werden.
Begleitet wurde Don Philippe von seinem
neuen Berater, dem Posbi Diabolo. Der Marquese hatte den seltsamen Roboter so genannt,
weil er sich dessen richtigen Namen, der nur aus
Nummern und Buchstaben bestand, nicht merken konnte. Er war froh, daß er diesen Berater
hatte, denn obwohl sich Don Philippe gut in der
für ihn neuen Welt zurechtfand, war ihm vieles
dennoch fremd.
Vor allem die Mentalität der außerirdischen
Wesen war ihm oftmals fremd, darum konnte er
einen Berater wie Diabolo, der sich bestens damit auskannte, sehr gut gebrauchen. Die Mentalität der Menschen hatte sich in den vergange-
153
nen Jahrtausenden eigentlich nur wenig geändert, wie der Spanier fand.
Noch immer gab es skrupellose, machtbesessene Leute, die ihre eigenen Interessen über jene des Gemeinwohls stellten. Allerdings war es
heutzutage schwieriger. Es gab Regeln, an die
sich auch ein Politiker halten mußte.
Zu seiner Zeit, im ausgehenden 18. Jahrhundert, konnte man das Volk nach Belieben tyrannisieren und ausbeuten, heute mußte man subtiler vorgehen und durfte sich keinen Gesetzesverstoß nachweisen lassen, sonst konnte die politische Karriere schnell zu Ende sein. Ansonsten war man als Politiker jedoch bestens versorgt und mit hervorragenden Privilegien ausgestattet.
»Diabolo, mein Freund, ich möchte ein rauschendes Fest zu Ehren meines Sieges geben.
Du wirst das für mich organisieren.«
»Wie Sie wünschen, Marquese. Und wer,
meinen Sie, wird zu diesem Fest kommen?«
fragte der Posbi.
Don Philippe meinte in Diabolos Tonfall
Sarkasmus zu hören. Der Posbi war in der Lage,
seine Stimme dementsprechend zu modulieren.
Manchmal glaubte der Spanier, der Posbi würde ihn nicht ernst nehmen, war sich aber dessen
nicht sicher. Zweifellos war der Roboter exzentrisch, vielleicht sogar ein wenig verrückt.
»Selbstverständlich alle diejenigen, welche
Rang und Namen haben«, belehrte er Diabolo.
»Wie Sie wünschen.«
Als die beiden das Vorzimmer des PaxusGeneralsekretärs betraten, wurden sie von einem Somer höflich begrüßt und in Sams Amtszimmer geleitet.
»Der Generalsekretär erwartet Sie bereits,
Paxus-Rat«, sagte der Somer.
Der Marquese entblößte seine gelben Zähne
zu einem Lächeln. Dann kam ihnen Sam entgegen, um sie begrüßen.
»Herzlich willkommen, Marquese. Ich freue
mich, Sie begrüßen zu dürfen und gratuliere Ihnen zu Ihrer Wahl.«
Don Philippe machte eine salbungsvolle Geste mit der Hand und verneigte sich.
»Vielen Dank, Señor Generalsekretär. Auch
Ihnen mein herzlichster Glückwunsch zu Ihrer
Wahl.«
D O R G O N
154
Der Spanier deutete auf Diabolo.
»Darf ich Ihnen Diabolo vorstellen? Er ist
von nun an meine rechte Hand und mein Berater in allen Fragen.«
»Ich bin erfreut zu sehen, wie gut Sie schon
mit anderen Rassen zusammenarbeiten, Marquese. Ich freue mich Sie kennenzulernen, Diabolo. Bitte nehmen Sie doch Platz.«
Sie setzten sich an Sams geräumigen
Schreibtisch.
»Wie beurteilen Sie den Ausgang der Wahl,
Marquese?« fragte Sam.
»Positiv, Herr Generalsekretär. Überaus positiv«, erwiderte Don Philippe.
Der Blick des Somers wurde streng.
»Ich leider nicht so sehr. Ich hätte lieber
die Abgesandten der Haluter, Blues, Akonen
oder der Dorgonen im Rat gesehen als diesen
unberechenbaren, renitenten Uwahn Jenmuhs
oder den schwer einzuschätzenden Überschweren. Nun, mit den Arkoniden mußten wir rechnen aber Nor’Citels Wahl kommt schon überraschend.«
»Sie haben recht. Das habe ich in meiner
Freude noch gar nicht bedacht«, gab sich Don
Philippe zerknirscht, obwohl ihn das im Moment eher wenig kümmerte.
»Nun, ich hoffe, daß ich meinen sozialen
Finanz- und Wirtschaftsplan dennoch durchsetzen kann. Aurec und ich haben ihn nach dem
saggittonischen Vorbild ausgearbeitet. Ich hoffe
dabei auf Ihre Unterstützung, denn der soziale
Frieden und die Gerechtigkeit auf der Insel sind
für das Zusammenleben aller Wesen von größter Bedeutung. Wir dürfen nicht zulassen, daß
einige wenige die Mehrheit ausbeuten, wie das
leider schon oft in der Vergangenheit der Fall
war.«
Der Somer reichte Don Philippe und Diabolo
einen Entwurf seines Finanzplans, den die beiden aufmerksam studierten. Er hatte folgenden
Inhalt:
*
Der Staat versorgt alle Bürger mit einem
Mindestentgelt, von dem sie problemlos leben
können. Grundsatz ist, daß kein Wesen auf der
Insel notleiden muß. Dazu gehört, daß jedes
Jens Hirseland
Wesen ausreichende Mengen an Nahrung, Bekleidung, eine Wohnung, Kommunikationsmittel
und geistige Freiheit besitzt.
Von diesem Entgelt sind keinerlei Steuern,
noch irgendwelche Abgaben zu zahlen.
Darüber hinaus kann sich jedes Wesen um
eine Arbeit bemühen, die ihn mit Freude und
Kreativität ausfüllt. Sobald diese Arbeit angenommen wurde, gelten die üblichen tariflichen
und gewerkschaftlichen Gesetze der sozialen
Marktwirtschaft. Das Einkommen ist zu versteuern, Sozialabgaben sind zu entrichten.
Tätigkeiten, die nicht von Lebewesen wahrgenommen werden können, werden von Robotern ausgeübt. Sollte sich ein Wesen für diese Tätigkeit bewerben, so muß der Arbeitgeber
ihn, wenn die Voraussetzungen gegeben sind,
annehmen und darf nicht die Maschine vorziehen. (Ausnahmeregelungen gelten für Posbis, da
diese intelligente Lebewesen sind).
Die Arbeitsverteilung für notwendige Maßnahmen auf der Insel, um den Plan DORGONs
gerecht zu werden, übernimmt die Regierung.
Die Bürger werden befragt und ihre Fähigkeiten sondiert. Dementsprechend werden sie –
wenn sie damit einverstanden sind – für einen
Beruf vorgeschlagen. Das soll dem Zweck dienen, daß Potential nicht ungenutzt bleiben darf
und keine Unzufriedenheit aufgrund falscher
Arbeitsplätze entsteht.
*
»Nun, was halten Sie davon, Marquese?«
fragte Sam.
»Das klingt sehr modern. Zu meiner Zeit waren wir leider noch nicht so fortschrittlich. Was
sagst du dazu, Diabolo?« gab Don Philippe die
Frage an seinen Berater weiter.
»Ich halte den Plan für gut. Er sichert den
sozialen Frieden. Es freut mich auch besonders,
daß man an die Posbis gedacht hat. Sie sollten
dem Plan zustimmen«, riet der Posbi.
Dem Spanier war viel an der Gunst des Generalsekretärs gelegen. Er hoffte so seinen Einfluß noch vergrößern zu können. Darum nahm
er Diabolos Rat an, auch wenn ihm ein etwas
weniger humaner Plan besser gefallen hätte.
»Gut, dann werde ich zustimmen.«
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
»Ich kann also auf Ihre Stimme zählen?
Auch Aurec hat mir Unterstützung zugesagt.
Ich befürchte, daß der machthungrige Jenmuhs
einen weniger humanen Plan einbringen wird.«
»Natürlich können Sie auf mich zählen, Generalsekretär. Auch mir ist daran gelegen, daß
es der Bevölkerung gut geht.«
Sam nickte.
»Das freut mich, Marquese. Ich habe diesbezüglich strenge moralische Ansichten. Nichts
ist mir mehr zuwider als Machthunger und
Geldgier. Wir sind gewählt worden, um dem
Volk zu dienen und nicht das Volk uns. Ich werde jeden bekämpfen, der versucht, die Bevölkerung zu betrügen. Es hat schon zu viele verlogene Politiker gegeben, die nur darauf aus waren ihr Bankkonto zu füllen. Leider gibt es noch
einen zweiten Plan, der das ganze Gegenteil von
unserem ist. Er wurde von dem Industriellen
Michael Shorne ausgearbeitet. Er wird sicherlich von Uwahn Jenmuhs und Nor’Citel unterstützt werden. Aber wenn Sie unserem Plan zustimmen, können wir ihn durchsetzen.«
Der Marquese nickte eifrig.
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich bin auf
Ihrer Seite. Doch nun muß ich leider gehen.
Dringende Termine erwarten mich.«
Die drei erhoben sich von ihren Plätzen.
»Das kann ich gut verstehen«, meinte Sam.
»Es erwartet uns viel Arbeit und viele Probleme, die es zu lösen gilt.«
»Dennoch sollten wir die Freuden des Lebens nicht ganz außer acht lassen. Ich möchte
sie zu einem kleinen Fest einladen, das ich in
einigen Tagen aus Anlaß unserer Wahl geben
werde«, lud der Marquese Sam ein.
»Einverstanden, ich komme gern.«
Als Don Philippe und Diabolo zurück zu ihrem Gleiter gingen, musterte der Posbi den alten
Terraner aufdringlich.
»Was ist denn?« fragte der Marquese ungehalten.
»Haben Sie wirklich ernst gemeint, was
Sie dem Generalsekretär gesagt haben?« fragte Diabolo mit skeptischem Unterton.
Der Marquese gab sich entrüstet.
»Selbstverständlich. Laß uns jetzt endlich
gehen«, erwiderte der alte Spanier und ging
weiter.
155
»Wer’s glaubt«, sagte Diabolo zu sich selbst.
2.
Unheilige Allianzen
Auch an anderer Stelle freute man sich über
den Ausgang der Wahl. Leticron alias Nor’Citel
traf sich mit den Anführer der Hauri, Ab-eMetul, und dem Anführer der Dscherro, Taka
Kudon, um in Leticrons Residenz auf New Paricza den Wahlsieg zu feiern. Der Anführer der
Überschweren führte seine Gäste durch seine
vor kurzem fertiggestellte Burg, ein düsteres
Gemäuer, das einer waffenstarrenden Festung
glich. Von außen ähnelte die Burg Leticrons alter Stahlfestung auf Titan während der Besatzungszeit der Laren und wirkte eher mittelalterlich antiquiert. Unterirdisch jedoch hatte Leticron modernste Gerätschaften und Techniken
eingebaut sowie Hangars, Raketenabschußrampen, Waffenlager und geheime Fabriken angelegt. Ab-e-Metul zeigte sich beeindruckt, von
Taka Kudon ließ sich keine Reaktion anmerken.
»Sehr beeindruckend«, lobte der Hauri höflich.
»Das ist erst der Anfang«, sinnierte Leticron.
Taka Kudon gab einen lauten Rülpser von
sich.
»Ich hoffe, das heißt in der Sprache der
Dscherro, daß Sie beeindruckt sind, Taka«, sagte Nor’Citel ungehalten.
Der Dscherro schüttelte den Kopf.
»Das heißt, ich habe Hunger und Durst.«
Leticronverdrehte die Augen, sagte dann
aber höflich: »Was bin ich doch für ein schlechter Gastgeber. Im großen Saal stehen Erfrischungen bereit. Folgen Sie mir!«
Der Überschwere führte seine Gäste in den
Festsaal der Burg. Dort wurden ihnen Getränke
serviert. Leticron hob seinen Becher.
»Auf unseren Wahlsieg«, sagte Leticron.
»Also ich tue das mit dieser Wahl alles nicht
verstehen. Bei uns Dscherro gibt einen Kampf
auf Leben und Tod, wenn einer der Anführer
sein will. Wir Dscherro fürchten weder Kampf
noch Tod! Koscha, Dscherro! Koscha!«, rief Taka Kudon in seiner primitiven Art.
156
D O R G O N
Leticronhätte diesem Barbaren, den er verachtete, am liebsten zurechtgewiesen. Aber
noch brauchte er die Dscherro für seine Pläne.
Er hatte mit den Dscherro und Hauris einen
Handel getroffen. Einen inoffiziellen Pakt zum
Vorteil aller drei Zivilisationen. Metul und Kudon schenkten Leticron ihre Stimmen. Inklusive den Footen hatte Leticron mit seiner eigenen
Stimme vier Wähler gehabt, was ausreichte, um
in die nächste Runde zu ziehen.
Seine Rechnung ging auf und er saß im
Paxus-Rat. Natürlich hatte er seinen Alliierten
bevorzugte Behandlung versprochen.
»Es wird bald neue Aufgaben für die Dscherro geben, Taka. Habt nur Geduld.«
»Geduld, pah! Geduld ist was für Memmen!« rief der Dscherro, der offenbar schon etwas zuviel getrunken hatte.
Leticronüberging die Bemerkung des Takas.
»Es ist nun an der Zeit, meine Freunde, daß
ich euch einen weiteren Verbündeten vorstelle,
den ich für unsere geheime Allianz gewinnen
konnte. Er hat uns bei der Wahl entscheidend
unterstützt.«
Leticronerhob sich von seinem Stuhl und
öffnete eine Tür. Herein kam eine riesige Gestalt, es war ein Pelewon. Die Pelewon waren
wie Haluter sehr groß gebaut, besaßen vier Arme, zwei stämmige Beine und drei Augen.
Torsorwar noch wuchtiger als die anderen.
Mit 5,50 Meter und einer Schulterbreite von
3,50 war er ein wahrer Gigant, der seines gleichen suchte. Er trug einen blauen Kampfanzug.
Die drei Augen leuchteten in einem Feuerrot.
»Torsor!« rief Ab-e-Metul überrascht aus.
Taka Kudon grunzte nur.
»Ich grüße euch«, sagte der Pelewon.
»Sei uns willkommen, Torsor«, entgegnete
Leticron.
Die Pelewons lebten im Dusty QueenSystem vor den Konstrukteuren des Zentrums
versteckt. Als es dort im Jahr 2436 alter terranischer Zeitrechnung zur Katastrophe kam,
überlebten nur wenige Pelewons. Sie stellten für
die Beherrscher von M 87 keine Gefahr mehr
dar und waren im Jahr 1143 NGZ wieder auf
rund 100 Millionen Individuen angewachsen,
von denen ein Drittel auf Yanyok lebte, der Rest
auf einem guten Dutzend von Kolonialwelten.
Jens Hirseland
Die Nachkommen der Bestien waren in das
Völkergemisch ihrer Galaxis integriert und besaßen auch dessen technischen Standard. Ihre Vermehrung war das Ergebnis einer Mutation, die aus den ursprünglich eingeschlechtlichen Wesen zweigeschlechtliche mit einer hohen Fortpflanzungsrate machte. Der Herrscher
der Hauptweit Yanyok bezeichnete sich als König, die Kolonien waren seine Lehenschaften,
wie Fürstentümer.
Diese friedliche Politik änderte sich jedoch,
als bekannt wurde, daß einige Mooghs und
Pelewon sich in einem unbekannten System
versteckt gehalten hatten. Diese noch eingeschlechtlichen Wesen waren direkte Nachfahren der Bestien und konnten sich nur schwer integrieren. Die Mooghs zettelten immer wieder
Aufstände an.
Im Jahre 1212 NGZ kam es dann zu einem
Angriff von Pelewon und Mooghs auf einen
Planeten mit Dumfries, wobei auch zwei Okefenokees sterben. Aus Rache ließ der hohe Admiral Carjul ein Strafbataillon zusammenstellen, welches Yanyok in Schutt und Asche legte.
Über 80 Millionen Pelewon fanden bei diesem
Massaker den Tod.
Die Okefenokees waren anfangs über diese
Untat entsetzt, jedoch war die Angst vor einer
Wiederauferstehung der Bestien zu groß. Carjul
schwang sich zu einem der obersten Konstrukteure des Zentrums auf und setzte alles daran, die Rechte der Bestien-Nachfahren zu beschneiden. Die Pelewon wurden in ihr Reich
eingepfercht, ihre Raumschiffe wurden konfisziert und jegliche moderne Technik wurde ihnen bei Androhung der Todesstrafe verboten.
Die Unzufriedenheit unter den BestienNachfahren wuchs, insbesondere, da die zweigeschlechtlichen Pelewons nicht für den Überfall ihrer Artgenossen verantwortlich gemacht
werden konnten. Daher war der Haß auf die
Dumfries und Okefenokees besonders groß,
denn die 80 Millionen Pelewons waren schuldlos gestorben. Trotzdem entbrannten Kriege
zwischen den Bestien und den Pelewon. Die alten Bestien versuchten sich zu klonen, was ihnen jedoch nicht gelang. Nur ein Prototyp wurde entworfen – der 5,50 Meter große Torsor, der
an einen Uleb erinnerte. Torsor war hochintelli-
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
gent und einigte das Volk. Er schürte den Haß
auf die KdZ und ihren Hilfsvölkern.
Langsam bauten sie den Widerstand auf und
begannen, sich selbst heimlich zu klonen, da die
KdZ strenge Auflagen auferlegt hatten, was die
Fortpflanzung anbelangte. Die »normalen« Pelewons befanden sich in tiefer Melancholie und
Trauer, da sie nun Ausgestoßene waren, doch
Torsor gibt ihnen Mut.
Im Jahre 1296 NGZ gab es durch den Einsatz
des Klonverfahrens knapp 60 Millionen eingeschlechtliche Bestien-Nachfahren und knapp 15
Millionen Pelewon, die immer noch unterdrückt
und von den Dumfries bedroht wurden. Die
Bestien-Nachfahren wurden auch von DORGON gefragt, ob sie an dem Projekt teilnehmen wollten. Die KdZ willigten ein, damit man
einen Großteil der Bestien nicht mehr in M 87
hatte. Torsor verfolgte den Plan, in Cartwheel
ein neues Reich für die Pelewon zu errichten.
»Ich bin gekommen um euch eine Allianz
mit dem mächtigen Volk der Pelewon anzubieten«, verkündete Torsor. »Eure Feinde sollen
auch unsere Feinde sein und unsere Feinde die
euren!«
Nor’Citellächelte.
»Ich nehme an, du meinst die Okefenokees
und ihre Vasallen.«
»Ja! Die Pelewon haben es satt, in ständiger
Furcht vor der Unterdrückung der Konstrukteure des Zentrums zu leben«, erklärte Torsor
grimmig. »Hier auf der Insel bietet sich uns
die Möglichkeit, ihr Joch abzuschütteln und ein
neues, mächtiges Reich zu gründen. Werdet ihr
uns dabei helfen?«
»Wir sind gern bereit, eine Allianz mit euch
einzugehen. Nicht wahr, meine Freunde?« fragte Leticron mit drohendem Unterton in Richtung Ab-e-Metul und Taka Kudon.
Der Dscherro sprang von seinem Sitz, trommelte sich mit beiden Fäusten auf die Brust und
schrie:
»Koscha, Dscherro! Koscha! Koscha!«
»Das heißt wohl, er ist einverstanden«, erklärte Leticron.
»Was ist mit dir, Ab-e-Metul?«
Der Hauri erhob sich von seinem Sitz und
entblößte das Gebiß.
»Auch ich bin einverstanden. Ich mache aber
157
darauf aufmerksam, daß das Volk der Hauri
ebenfalls mächtige Verbündete auf seiner Seite
hat.«
»So, und wen?« fragte Leticron erstaunt.
Dieser Aspekt war ihm neu.
»Ich habe ein Bündnis mit dem Pterus Saron
und seinen Anhängern geschlossen. Er wird uns
von großem Nutzen sein.«
Leticronverzog spöttisch das Gesicht.
»Wie denn? Er hat seine Macht verloren und
ist auf der Flucht.«
»Nicht mehr lange. Saron und ich haben den
Plan gefaßt, den gesamten Paxus-Rat zu töten.
Die Vorbereitungen laufen bereits«, verkündete
der Hauri voller Stolz.
Nor’CitelsMiene verfinsterte sich.
»So, der gesamte Paxus-Rat also, ja?« fragte
er kalt.
»Ja, der gesamte Rat soll mit einer gewaltigen Bombe vernichtet werden und mit ihm der
halbe Planet.«
Leticronwurde wütend.
»Dann ist euch vielleicht entgangen, daß
auch ich nun zum Paxus-Rat gehöre?!« brüllte
er.
Ab-e-Metulwich entsetzt zurück.
»Aber an dich haben wir dabei doch gar
nicht gedacht«, beeilte sich der Hauri zu versichern.
»Den Eindruck habe ich allerdings auch«,
bemerkte der Überschwere zweideutig.
»Damit in Zukunft eines klar ist: Ich habe
hier das Sagen und kein anderer! Nicht du und
auch nicht Saron! Ich dulde keine eigenmächtigen Aktionen hinter meinem Rücken! Alle Aktionen müssen vorher mit mir abgesprochen und
koordiniert werden – ist das klar?«
Drohend schritt Leticron auf den verängstigten Hauri zu, der zurückwich.
»Ja, Nor’Citel, vollkommen klar«, versicherte Ab-e-Metul kleinlaut. »Es steckte keine böse Absicht dahinter. Ich wollte dich nur überraschen.«
»Das ist dir auch gelungen«, spottete Leticron.
»Wenn ich dich dadurch verärgert haben
sollte, bitte ich um Vergebung.«
Leticronberuhigte sich wieder.
D O R G O N
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»Nun gut, ich vergebe dir. Allerdings werden wir den Plan abändern. Anstatt den Rat zu
vernichten, wird Saron ihn entführen. Ich, der
als einziger nicht anwesend ist, werde dann den
Rat durch geschickte Verhandlungen wieder befreien und dadurch große Popularität erlangen,
was meinen weiteren Plänen sehr nützlich sein
dürfte. Du, Ab-e-Metul, wirst Saron darüber informieren und ihn bei seinen Aktionen überwachen. Wehe ihm und wehe dir, Hauri, wenn er
sich meinen Plänen widersetzt. Verstanden?«
»Ja, Nor’Citel, ich habe verstanden«, versicherte der Hauri.
»Gut, dann sei dir vergeben.«
Erleichtert ließ sich Ab-e-Metul in seinen
Sessel sinken, während Leticron sich wieder
Torsor zuwandte.
»Laßt uns nun unser neues Bündnis besiegeln. Mit vereinten Kräften werden wir unsere
verhaßten Feinde vernichten.«
3.
Der Aufstieg des Spaniers
Unterdessen hatte Diabolo auf New Terrania
einen PR-Feldzug gestartet, um den Marquese
noch bekannter und beliebter zu machen. Der
alte Spanier war Stammgast in allen namhaften
Talk- und Unterhaltungsshows. Er stattete auch
den Bewohnern eines Raumcontainers, die dort
ein Jahr unter Beobachtung leben mußten und
von denen einer nach dem anderen nominiert
wurde und später ausschied bis nur der Sieger
übrigblieb, einen Besuch ab.
Ein Angebot, beim internationalen Schlagerfestival aufzutreten, lehnte der Spanier auf Anraten Diabolos jedoch ab. Statt dessen spendete er große Summen für Kranke und Bedürftige
und präsentierte sich als Beschützer des kleinen
Mannes und volksnaher Politiker. So stieg die
Popularität es Marquese auch bei den anderen
Völkern mehr und mehr an.
Einige Tage später veranstaltete Don Philippe ein rauschendes Fest, daß er ganz im alten
spanischen Stil des 18. Jahrhunderts inszenierte, was seine Gäste durchaus begeisterte. Neben
Sam und Aurec waren alle anderen befreundeten Politiker und Prominente gekommen.
Jens Hirseland
Auch Michael Shorne hatte es sich nicht nehmen lassen zu erscheinen. Der Marquese begrüßte ihn freudig.
»Mein lieber Shorne. Wie schön, daß Sie
Zeit hatten zu kommen.«
»Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, Ihnen persönlich zu Ihrer Wahl zu gratulieren.
Wie Sie sich erinnern, habe ich Ihren Wahlkampf massiv unterstützt«, sagte Shorne mit
ironischem Unterton, was dem aufmerksamen
Diabolo nicht entging.
Der Posbi beschloß, Shorne aufmerksam zu
beobachten. Schon immer hatten ihn die Terraner und ihre Geschichte fasziniert – besonders
ihre Winkelzüge und Strategien, mit denen sie
oft in der Vergangenheit ihre Kämpfe gewonnen, aber auch großen Schaden angerichtet hatten. Der Marquese bot Diabolo die Gelegenheit,
von den Terranern zu lernen. Außerdem war der
alte Spanier ein lebendes Denkmal, lebendige
Geschichte sozusagen. Das alles reizte Diabolo.
»Für Ihre Hilfe bin ich Ihnen sehr verbunden. Ich werde mich bemühen, meinem Wählerauftrag gerecht zu werden«, versicherte Don
Philippe freundlich.
Shorneblickte ihn kalt an.
»Das will ich hoffen. Sie haben mir ein Versprechen gegeben. Ich verlange, daß sie dieses
jetzt einlösen.«
»Nun, ich will ihre Anregungen gerne prüfen.«
»Wenn Sie mit Ihrem Gefasel fertig sind,
will ich mit Ihnen unter vier Augen sprechen.
Ich habe meinen Wirtschaftsplan fertig ausgearbeitet und will ihn Ihnen vorlegen.«
Erschrocken über Shornes kalten Blick, gab
Don Philippe nach.
»Nun gut, sehen wir uns mal an, was sie ausgearbeitet haben.«
Der Marquese und Shorne begaben sich in
das rustikal eingerichtete Arbeitszimmer und
setzten sich dort. Shorne übergab dem alten
Spanier einen Entwurf seines Wirtschaftsplans,
den dieser aufmerksam studierte.
*
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
Der Staat dient nur als Verwaltung, der die
Gewährleistung des Wirtschaftskreislaufs und
somit den Fortbestand der Menschheit garantiert. Daneben muß sich die Regierung um die
bürokratischen Abläufe kümmern, wie Außenpolitik, Verkehr, Justiz usw. Dies wird von den
Konzernen finanziert.
Die Wirtschaft wird primäres Ziel des
menschlichen Treibens und alles ist ihr unterzuordnen. Jedes Lebewesen braucht Arbeit und
muß spätestens mit erreichen der Volljährigkeit eine Ausbildung begonnen haben. Im Falle
einer Arbeitslosigkeit muß es monatliche Bußgelder bezahlen. Kann es dies nicht, muß es
Zwangsarbeit leisten. Sozialhilfe und Arbeitslosengeld wird es nicht mehr geben. Als Grundsatz gilt: Der Bürger ist einzig und allein für
sich verantwortlich.
Das Solidaritätsprinzip wird abgeschafft.
Krankenversicherungen, Rentenversicherungen, Solidarzuschlag für Kolonien und Arbeitslosenversicherungen werden nicht mehr vom
Bürger verlangt. Er muß selbst zusehen wie er
zu Recht kommt. Steuern werden ebenfalls abgeschafft, da der Staat die Bürger nicht mehr
unterstützen muß. Die Städte, Planeten und
Systeme können von Unternehmern erworben
und verwaltet werden. Als rechtliche Grundlage dieser Konzernreiche dienen die allgemeinen
Geschäftsbedingungen der einzelnen Unternehmen.
Die Arbeitszeit kann auf bis zu zwanzig Stunden pro Tag angehoben werden, was natürlich
planetenbezogen ist. Urlaub wird nur noch bis
zu zwei Wochen genehmigt, alle Feiertage bis
auf Weihnachten werden abgeschafft. Der religiöse Aspekt ist ohnehin nebensächlich, da sowie niemand mehr an Gottheiten glaubt. Weihnachten hat jedoch einen wirtschaftlichen Nutzen und ist daher wichtig. Alle Gewerkschaften
werden abgeschafft. Dementsprechend werden
die Gesetze geändert bzw. neue Gesetze verfaßt, da auf der Insel andere Bedingungen als
in der Milchstraße herrschen. Renten werden
abgeschafft (siehe oben) um Kosten zu sparen.
Jeder muß sich selbst ein Altersgeld ansparen.
Die Arbeitsdauer wird auf 150 Jahre angehoben. Jeder, der in den Ruhestand versetzt werden möchte, muß sich von seinem Betriebsarzt
159
untersuchen lassen und die Arbeitsunfähigkeit
muß festgestellt werden. Bei Krankheit werden
Urlaubstage abgezogen, das Gehalt gestrichen
und mit Gefängnis gedroht, sollte man nicht innerhalb einer Woche wieder genesen. Sonstige
tarifliche Vergünstigungen bleiben dem Arbeitgeber überlassen.
Als Verwaltungsorgan dient der oberste Vorstand, der eine Aktiengesellschaft ist. Als Vorsitz wird der mächtigste Unternehmer auf der
Insel eingesetzt werden.
*
Als der Marquese den Entwurf zu Ende gelesen hatte, mußte er tief durchatmen. Shorne griff eiskalt nach der Macht über die Insel. Denn wer der mächtigste Unternehmer sein
würde, der den Vorsitz über die Insel führen
würde, war dem Spanier klar – Michael Shorne selbst. Zwar waren Shornes Vorschläge zu
Zeiten des Marquese im alten Spanien durchaus
normal gewesen – alle Macht gehörte damals
dem Adel und das Volk wurde brutal ausgebeutet – doch ihm war klar, daß man heutzutage
ganz andere Regeln geschaffen hatte, die Shorne für sich und sein Klientel wieder abschaffen
wollte. Außerdem sollte die Regierung, welcher
er ja auch selbst angehörte, in ihrer Macht beschnitten werden, das kam für den Marquese
nicht in Frage.
»Nun?« fragte Shorne nur.
»Mein lieber Freund, sosehr ich Ihren Plan
auch schätze, muß ich ihn leider ablehnen. Ich
habe bereits Generalsekretär Sruell Allok Mok
und Ratsmitglied Aurec meine Zusage zu deren
Wirtschaftsplan gegeben.«
Shornesprang wütend auf.
»Ich muß sie wohl daran erinnern, daß ich es
war, der Ihnen zu Ihrem Amt verholfen hat! Ohne meine Hilfe wäre Solder Brand jetzt an Ihrer
Stelle!«
Der Marquese machte eine abwehrende Geste.
»Ich will nicht leugnen, daß Sie mir eine
große Hilfe waren. Aber ein klein wenig haben
meine Fähigkeiten und meine Ausstrahlung ja
wohl auch dazu beigetragen«, wehrte sich der
Spanier.
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D O R G O N
Shorneverzog spöttisch die Mundwinkel.
»Die Ausstrahlung einer Mumie. Wie dem
auch sei. Sie vergessen, daß ich zwei Polizisten
auf meiner Lohnliste habe. Sie erinnern sich
vielleicht an Officer McSweet und Officer Rannigan?«
»Gewiß«, sagte Don Philippe betreten.
»Wenn Sie mich nicht unterstützen und sich
als undankbar erweisen, werde ich die Solder
Brand-Sache gegen Sie verwenden. Ich kann
Sie genauso ausschalten wie diesen dämlichen
Brand, wenn Sie nicht tun was ich will.«
»Sie brauchen mir nicht zu drohen. Es geht
darum, daß ich dem Generalsekretär mein Wort
gegeben habe.«
»Na und? Dann brechen Sie es eben wieder.
Das ist Politik.«
Don Philippe überlegte krampfhaft, doch er
fand keinen Ausweg. Shorne hatte ihn in der
Hand. Wenn seine Verbindung an dem BrandSkandal publik wurde, blieb ihm nur der Rücktritt.
»Schon gut, schon gut! Sie kriegen was sie
wollen, Shorne. Ich stimme für Ihren Plan und
werde sie dann zum Finanz und Wirtschaftsminister ernennen.«
Shornewar zufrieden. Er war überzeugt davon im Recht zu sein. Für ihn waren Geld und
Macht die Grundpfeiler der Gesellschaft. Jeder
hatte sich dem Wachstum und den Konjunkturdaten unterzuordnen, denn nur die Wirtschaft
garantierte Wohlstand und Frieden. Leider hatte sich die Machtposition der Wirtschaft zu ungunsten der Industriellen verschoben, seit Perry
Rhodan Resident geworden war.
Rhodan wollte beiden Seiten gerecht werden, während unter der Regierung Paola Daschmagans die großen Konzerne bevorzugt behandelt worden waren. Für Shorne war das ein
Rückschlag, zumal weder Rhodan noch der Erste Terraner korrumpierbar waren. Shorne traute niemanden, den man nicht mit Geld kaufen
konnte.
Er hoffte, auf der Insel nun eine Politik, die
vollkommen auf die Wirtschaft und die Großunternehmen ausgerichtet war, betreiben zu können. Shorne war überzeugt, daß ihm das auch
gelang. Selbst die Arkoniden würden irgendwann einsehen müssen, daß sie mit ihrer ag-
Jens Hirseland
gressiven Politik im Endeffekt dem Handel und
damit letztendlich sich selbst schaden würden.
Shorne war überzeugt, Uwahn Jenmuhs von seiner Ansicht überzeugen zu können, da er diesen
praktischer und materieller einschätzte als den
unberechenbaren Imperator Bostich, der von einem großarkonidischen Reich träumte.
Doch die Milchstraße war weit und die Insel war für Shorne eine Galaxis der unbegrenzten Möglichkeiten, wie seinerzeit Amerika für
die Pioniere. Wenn sich einige Völker dagegen
stellen sollten, würden sie eben enden wie die
Indianer im alten Amerika.
»Sehen Sie, Don Philippe. Ich wußte doch,
daß Sie vernünftig werden würden. Es wird zu
Ihrem großen finanziellen Vorteil sein, das verspreche ich Ihnen.« Shorne war einen Blick auf
seinen Armbandchronometer. »Leider muß ich
Ihre reizende Party nun verlassen, Marquese. Es
gibt noch viel zu tun für mich. Auf Wiedersehen!«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ
Shorne dann das Arbeitszimmer.
»Wiedersehen«, sagte Don Philippe lahm.
»Und auf Wiedersehen, Sam und Aurec, auf
Wiedersehen, Wähler, auf wiedersehen Macht
und Einfluß...«
Kurz darauf betrat Diabolo den Raum.
»Hast du alles mitbekommen?« fragte ihn
der alte Spanier.
»Ja, Marquese. Ich habe das Gespräch heimlich mitverfolgt. Sehr praktisch, daß man vom
Nebenzimmer aus via Bildschirm alles mitbekommen konnte.«
»Das nützt mir gar nichts.«
»Wer weiß...«
Der Marquese winkte klagend ab.
»Ach! Shorne hat mich in der Hand. Hätte
ich mich doch bloß nicht auf die Sache mit Solder Brand eingelassen.«
»Erzählen Sie mir davon«, bat Diabolo.
Don Philippe berichtete, was es mit der Solder Brand-Affäre auf sich hatte und wie er darin
verwickelt war.
»Die Idee war taktisch sicher richtig, wenn
auch moralisch verwerflich. Sie haben den Fehler gemacht sich von Shorne einspannen zu lassen. Andererseits hatten Sie nur eine passive
Rolle dabei.«
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
»Das wird Generalsekretär Sam schon genügen. Er hat sehr strenge Ansichten, der reinste
Moralapostel! Wenn das herauskommt, bin ich
bei ihm unten durch, aber auch, wenn ich für
Shorne stimme. Was für ein Dilemma!« jammerte der Spanier. Schlurfend ging er zu seinem
Sessel, ließ sich hineinfallen und stöhnte. »Mir
wird nichts anderes übrig bleiben als für Shorne
zu stimmen.«
4.
Das Attentat
Am nächsten Tag hatte der Paxus-Rat seine
konstituierende Sitzung einberäumt. Dies war
der Moment, in dem Saron zuschlagen wollte.
Er hatte geplant, alle Ratsmitglieder und deren
Stellvertreter auf einmal zu erwischen und somit die Insel ins Chaos zu stürzen.
Das daraus entstehende Machtvakuum wollte er für sich nutzen.
Den Zugang in das Regierungsgebäude sollte ihm Ab-e-Metul ermöglichen. Dann würde er
mit zwanzig seiner besten Upanishad-Kämpfer
dort mehrere Bomben deponieren und wieder
verschwinden. Später dann würde Saron genüßlich den Knopf drücken, der die Bomben detonieren ließ und seinen Plan vollendete. Danach
würde er sich Sam Tyler, Will Dean und Jan
Scorbit ausgiebig widmen.
Mit Hilfe der haurischen Delegation war
man bereits unerkannt nach Paxus gelangt. Nun
wartete Saron auf Ab-e-Metul, der sie in das
Regierungsgebäude bringen würde.
Im Moment befanden sich Saron und seine Anhänger in einem haurischen Schiff auf
dem Raumhafen von Paxus. Alle Vorbereitungen waren getroffen worden, als sich ein Schott
öffnete und Ab-e-Metul eintraf.
Saronerhob sich von seinem Sitz, um den
Hauri zu begrüßen.
»Wie schön dich zu sehen, ehrwürdiger Abe-Metul. Wir warten bereits voller Ungeduld
auf dich.«
Der Hauri wirkte betreten, was Saron sofort
auffiel.
»Stimmt etwas nicht?«
161
»Ich hatte ein Treffen mit Nor’Citel, unserem wichtigsten Verbündeten«, berichtete Abe-Metul. »Er ist gegen eine Sprengung des
Regierungsgebäudes, da er selbst zum PaxusRat gehört. Statt dessen wünscht er, daß die
Ratsmitglieder entführt werden. Dann wird
Nor’Citel sie gegen ein hohes Lösegeld austauschen.«
Saronglaubte, sich verhört zu haben.
»Was? Er wünscht! Was hat Nor’Citel schon
zu wünschen? Ich bin Saron, Vollender des Permanenten Konflikts! Ich höre nicht auf einen
korrupten Politiker!« schrie er voller Wut.
Ab-e-Metulgebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt.
»Mein lieber Freund, du unterschätzt
Nor’Citel offenbar. Er hat die Pelewon und die
Dscherro auf seiner Seite und auch die Hauri werden ihm folgen, denn nur eine Vereinte
Allianz kann es gegen die terranischen und arkonidischen Bastarde aufnehmen. Wir dürfen
Nor’Citel nicht verärgern. Er plant in großen
Maßstäben. Wir müssen einen Schritt nach dem
anderen gehen.«
Saronmerkte, daß er Ab-e-Metul nicht würde
umstimmen können. Die Furcht des Hauri vor
dem Überschweren war deutlich zu spüren. Er
beruhigte sich wieder.
»Selbstverständlich hatte ich nicht vor,
Nor’Citel ebenfalls zu töten. Wir brauchen
schließlich Verbündete. Du hast recht«, lenkte
der Pterus ein.
Ab-e-Metulentblößte sein Gebiß zu einem
Lächeln.
»Ich wußte, daß wir uns einigen werden.
Nun erläutere ich dir den neuen Plan und dann
schleuse ich dich und deine Männer in das Regierungsgebäude ein.«
Saronnickte, doch insgeheim nahm er sich
vor, den ursprünglichen Plan durchzuführen. Er
würde den Rat eben vorher entführen, dann das
Lösegeld kassieren und danach die Politiker
trotzdem töten. Nor’Citel würde dann statt als
strahlender Held als Verlierer dastehen. Ab-eMetul verriet er nichts von seinem Plan, denn
er brauchte ihn, um ins Regierungsgebäude zu
D O R G O N
162
gelangen.
*
Währenddessen lief die Fahndung nach Saron weiterhin auf Hochtouren. Will Dean, Jan
Scorbit und Sam Tyler trafen sich in New Terrania mit dem Mausbiber Gucky, den sie bei der
Jagd auf Saron um Hilfe bitten wollten. Nachdem sie ihm die Situation geschildert hatten,
war er auch sofort mit dabei.
»Klar helfe ich euch. Ist doch Ehrensache.
Das Universum ist voll mit Gräbern von Schurken, die sich mit dem >Überallzugleichtöter<
angelegt haben«, lobte sich Gucky selbst.
»Das gefällt mir. Saron soll ein schönes,
großes Grab bekommen«, sagte Tyler finster.
»Damit das ein für allemal klar ist, Tyler:
Wir wollen Saron lebend haben!« stellte Will
Dean klar.
Tyler blickte ihn nur böse an.
»Daß wir uns an Recht und Gesetz halten, ist
ja wohl klar«, fügte Jan Scorbit hinzu.
»Dann sind wir uns ja einig. Wann geht’s
los?« wollte Gucky wissen.
»Wir haben Grund zu der Annahme, daß Saron mit den Hauris zusammenarbeitet«, erklärte
Will Dean. »Unser ermordeter Freund Chris Japar hat beobachtet, daß Saron von einem haurischen Raumschiff nach Upanishad gebracht
wurde. Dort hat er sich einige seiner Anhänger
zu Hilfe geholt und ist mit unbekanntem Ziel
verschwunden.«
»Dann ist er vielleicht auf Hauron«, mutmaßte Gucky.
»Das wäre natürlich möglich. Unsere Agenten dort arbeiten auf Hochtouren, konnten bislang aber keine Spur von ihm entdecken« berichtete Jan. »Zu der Zeit, als Saron jedoch auf
Upanishad gesichtet wurde, ist nur ein haurisches Raumschiff in Richtung Upanishad gestartet, ein Privatraumer von Ab-e-Metul!«
»Dem Anführer der Hauris?« fragte Gucky.
»Ja.«
»Dann sollte man vielleicht den mal beobachten. Vielleicht führt er uns zu dem Gesuchten. Weiß man zufällig, wo sich das alte Klappergestell momentan befindet?«
Jens Hirseland
»Ab-e-Metul befand sich bis gestern auf
New Paricza, wo er Nor’Citel besuchte. Dann
flog er nach Paxus, was keine Überraschung ist,
weil die konstituierende Sitzung des Rates und
des Parlaments bevorstehen«, sagte Will Dean.
Gucky lehnte sich zurück und dachte nach.
»Das riecht ja geradezu nach einer perfiden interplanetaren Verschwörung«, meinte der
Mausbiber. Doch plötzlich wurde der Ilt ernst.
»Was wäre, wenn Saron und Ab-e-Metul sich
verbündet hätten und versuchen würden den
Paxus-Rat auszuschalten? Alle Ratsmitglieder
auf einen Haufen, da könnte man doch...«
Abrupt stand Gucky auf.
»Was meinst du, Gucky?« wollte Dean wissen.
»Ich meine, daß wir sofort nach Paxus fliegen sollten.«
*
Gucky ahnte noch nicht, wie recht er hatte. Ab-e-Metul hatte Saron und seine Anhänger
in das riesige Gebäude des Paxus-Parlaments
geschmuggelt, was nicht weiter schwierig war.
Da Ab-e-Metul diplomatische Immunität genoß, wurden seine Privaträume innerhalb des
Gebäudes natürlich nicht durchsucht. So war
es ein leichtes, einen tragbaren Transmitter dort
unterzubringen, um dann Saron und seine Leute
nach und nach einzuschleusen. Die Pterus gaben sich als Bedienstete aus. Zwar hatten die
Pterus keinen Sitz im Parlament bekommen,
aber einige arbeiteten dort für den Delegierten
der Elfahder, der insgeheim mit Saron sympathisierte. In Ab-e-Metuls Raum bereiteten sich
Saron und seine Männer auf die bevorstehende
Aktion vor. Der Hauri erklärte Saron noch einmal Leticrons Plan.
»Der Rat müßte sich nun versammelt haben.
Nor’Citel wird sich beim Generalsekretär entschuldigen lassen und ihm mitteilen, daß er später kommt. Natürlich wird man auf ihn warten.
Sicher wird der dekadente Arkonide sich etwas
zu essen bestellen. Dieses >Essen< werdet ihr
liefern. Nachdem ihr die Wache ausgeschaltet
habt und den Rat in eure Gewalt gebracht habt,
werdet ihr mit dem Transmitter auf eines meiner
Schiffe gehen und in ein vorbereites Versteck
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
fliegen, wo ihr dann die weiteren Befehle von
Nor’Citel abwartet. Hast du das verstanden, Saron?«
Der Pterus nickte. »Sicher.«
»Unser elfahdischer Verbindungsmann wird
dafür sorgen, daß die Kommunikation im Gebäude lahmgelegt wird.«
»Ausgezeichnet. Der Plan hat nur einen
Schönheitsfehler«, meinte der Pterus mit seltsamem Unterton.
»Welchen?«, fragte Ab-e-Metul erstaunt.
»Saron empfängt keine Befehle, er gibt sie.«
Ohne die Antwort des Hauris abzuwarten,
zog Saron einen Thermostrahler unter seiner
Kombination hervor und schoß Ab-e-Metul nieder.
*
Währenddessen versammelten sich die
Paxus-Räte zu ihrer konstituierenden Sitzung
unter dem Vorsitz von Generalsekretär Sam.
Einer jedoch fehlte – Nor’Citel.
Als sich Sam, Don Philippe, Aurec und
Uwahn Jenmuhs an den Konferenztisch setzten,
erhielt der Generalsekretär eine Nachricht von
seinem Sekretär.
»Eine Nachricht von Rat Nor’Citel«, meldete dieser.
»Auf den Schirm, bitte«, bat Sam.
Kurz darauf erschien das Gesicht des Pariczaners.
»Wir warten bereits voller Ungeduld auf Sie,
Rat Nor’Citel.«
»Ich muß mich leider entschuldigen, Herr
Generalsekretär. Leider hat mein Schiff technische Probleme, daher verzögert sich die Landung um etwa eine halbe Stunde«, entschuldigte sich der Pariczaner. »Sowie ich gelandet bin,
werde ich so schnell wie möglich zu Ihnen kommen. Am besten Sie fangen schon ohne mich
an.«
»Wir werden selbstverständlich auf Sie warten, Nor’Citel. Eine halbe Stunde können wir
überbrücken«, entschied Sam.
»Vielen Dank. Ich hoffe, bald bei Ihnen zu
sein.«
Leticronlächelte. Sein Plan schien zu funktionieren. Er hoffte nur, daß Ab-e-Metul Saron
163
Respekt beigebracht hatte.
*
»Nun, meine Herren, die Ankunft von
Nor’Citel verzögert sich um etwa eine halbe
Stunde. Wir müssen also noch etwas warten«,
erklärte Sam den drei Ratsmitgliedern.
»Das macht nichts«, versicherte Aurec.
»So etwas kann vorkommen«, meinte auch
der Marquese.
»Das finde ich nicht. Jetzt müssen wir wegen diesem Halbwilden auch noch warten!« beschwerte sich Uwahn Jenmuhs. »Na ja, während wir auf diesen Fettkloß warten, kann ich
ja was essen. Ich bin halb verhungert!«
Aurecbetrachtete seinen Sitznachbarn mißmutig. Verhungert sah Jenmuhs gewiß nicht
aus.
»Ich werde mir einen kleinen Snack bestellen. Am besten Spanferkel«, beschloß der übergewichtige Arkonide.
*
Gucky, Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler hatten sich bereits per Transmitter nach Paxus in das dortige Hauptquartier des TLD begeben.
Dean befahl dem Kommunikationstechniker, Verbindung mit Generalsekretär Sam oder
Paxus-Rat Aurec herzustellen.
»Tut mir leid. Wir bekommen keine Verbindung. Scheint wohl eine Störung zu sein«,
meinte der Techniker.
Will war darüber sehr beunruhigt.
»Da scheint irgend etwas nicht zu stimmen«,
sagte er zu den anderen. »Ich werde die Sicherheitskräfte auf Paxus informieren.«
Sam Tyler nickte grimmig und streichelte
zärtlich seinen Thermostrahler.
»Wir haben ihn. Bald fällt die Entscheidung.«
*
164
D O R G O N
Jenmuhsgab seine Bestellung auf, die jedoch
nicht vom Bedienservice entgegengenommen
wurde, sondern von Saron.
»Es ist soweit. Bereitet euch vor, meine Krieger«, befahl er seinen zwanzig Kämpfern.
Der Pterus warf dem toten Ab-e-Metul, der
auf dem Fußboden lag, einen verächtlichen
Blick zu.
»Du elender Vasall, du hast es nicht besser
verdient. Dein Nor’Citel wird sich noch wundern.«
Zur Tarnung hatte man sich mehrere Servierwagen kommen lassen, die man nun zum
Konferenzraum schob. Zwei Sicherheitsbeamte, beides Terraner, standen vor dem Eingang,
daneben saß eine Sekretärin an einem Schreibtisch.
»Wir bringen das Mahl für den erlauchten
Uwahn Jenmuhs«, erklärte Saron den Beamten, die ungläubig auf die Servierwagen und die
zwanzig begleitenden Kellner blickten.
»Meine Güte, das alles für den? Der läßt
sich’s aber gutgehen.«
»Das Servieren erfordert viel Aufwand«, erklärte Saron.
»Was gibt es denn?«, fragte der zweite Beamte, der ziemlich korpulent wirkte, neugierig.
Als die beiden Beamten abgelenkt waren,
gab Saron seinen Kämpfern einen Wink. Daraufhin zogen vier von ihnen Messer hervor, mit
denen sie die beiden Beamten blitzschnell töteten. Die anderen holten ihre Thermostrahler
hervor und schossen auf die Sekretärin, die aufschrie und tot zusammenbrach. Mit gezückten
Waffen stießen die Pterus die Tür auf und drangen in den Konferenzsaal ein.
»Keine Bewegung oder ihr seid des Todes!«
rief Saron den verblüfften Ratsmitgliedern zu.
»Was soll das, ihr Mistviecher! Wo bleibt
mein Essen? Ich lasse euch auspeitschen, ihr
Widerlinge!« giftete Jenmuhs, der den Ernst der
Lage offenbar noch nicht erkannt hatte.
Saronversetzte Jenmuhs einen Schlag in
dessen korpulenten Unterleib. Jenmuhs brach
schreiend zusammen.
»Bitte nicht schießen, Señores, wir ergeben
uns!« rief der Marquese ängstlich.
»Saron! Das wird Sie teuer zu stehen kommen«, sagte Sam unfreundlich.
Jens Hirseland
Der Pterus fuchtelte wild mit seiner Waffe
herum.
»Aber vorher verreckt ihr alle!« rief er und
wandte sich an seine Leute.
»Fünf Mann bewachen diese Jammergestalten hier. Der Rest sichert den Ausgang. Wir
bringen sie zum Transmitter.«
»Damit kommen Sie nicht durch, Saron. Sie
kommen nie hier heraus«, meinte Aurec.
Saronsah ihn höhnisch an.
»So, meinst du? Ich bin ja auch hier reingekommen. Und auf demselben Weg kommen wir
auch wieder hinaus.«
*
Gucky und die Agenten waren bereits auf
dem Weg zum Parlamentsgebäude. Dean hatte
das Kommando über die Sicherheitskräfte übernommen.
Auch Joak Cascal war verständigt worden
und befand sich bereits auf dem Weg. Dean befahl dem Kommandanten der Sicherheitskräfte,
sich sofort zum Konferenzsaal zu begeben.
*
»Los, wir gehen jetzt«, forderte Saron die
Geiseln auf.
Uwahn Jenmuhs hatte sich wieder aufgerappelt und den Ernst der Lage erkannt. Händeringend ging er auf den Pterus zu.
»Bitte verschonen Sie mich, Saron! Nehmen
Sie von mir aus die anderen, aber verschonen
Sie mich!« flehte er.
»Abgelehnt. Ihr kommt alle mit. Eigentlich
wollte ich euch alle töten, aber das würde zu
schnell gehen. Ich werde erst Lösegeld für euch
kassieren und euch dann qualvoll töten«, sagte
Saron voller Haß.
»Nein! Bitte nicht mich! Ich habe Geld, viel
Geld! Ich bin noch zu jung, um zu sterben!«
schrie Jenmuhs.
Saronverpaßte dem Arkoniden einen Tritt in
den Unterleib, woraufhin Jenmuhs quiekend zusammenbrach.
Aurecund Sam sahen verächtlich auf den Politiker hinab.
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
»Wenn es um Geld geht, könnte man sich
doch einigen«, unternahm der Marquese einen
Versuch, doch der Pterus wies ihn barsch ab.
»Ihr Politiker glaubt, es ließe sich alles mit
Geld regeln. Früher, als ihr Politiker noch Kriege angezettelt habt, wart ihr noch nützlich, denn
ihr dientet damit dem Permanenten Konflikt.
Jetzt seid ihr nur noch verweichlicht. Aber ich
werde dafür sorgen, daß der Krieg wieder Vater
aller Dinge sein wird. Dann wird endlich wieder
nur der Stärkste überleben und das schwache
Fleisch der Gesellschaft wird abgeschnitten.«
Der Marquese schüttelte den Kopf. Mit dem
Pterus konnte man nicht diskutieren. Er war ein
wahnsinniger Fanatiker.
»Steh auf, Jenmuhs!« rief Saron dem jammernden Arkoniden zu.
»Nein, ich will nicht!« schrie Jenmuhs weinerlich.
Saronbefahl zwei seiner Leute den Arkoniden aufzuhelfen. Zappelnd und schreiend wurde er wieder auf die Füße gestellt.
»Los jetzt, wir haben genug Zeit verloren!«
Plötzlich ertönten Schüsse aus Richtung des
Korridors. Einer von Sarons Leuten kam in den
Konferenzsaal gerannt.
»Was ist, Brack?«
»Meister, die Sicherheitskräfte sind da! Sie
versperren uns den Weg. Wir haben das Feuer
eröffnet, aber es sind zu viele. Wir haben schon
fünf Tote zu beklagen!«
»Ich werde zu ihnen sprechen. Der fette Arkonide wird uns Deckung geben«, befahl Saron.
Jenmuhsschrie nach Leibeskräften, doch die
drohenden Waffen ließen ihn gehorchen.
Saronließ Jenmuhs durch den Korridor vorangehen. Dort wurde geschossen. Mehrere Tote
und Verletzte lagen herum. Zwei weitere Pterus
waren gefallen.
»Feuer einstellen!« rief Will Dean, als er
Jenmuhs und Saron erkannte.
Gleich darauf hörte das Feuergefecht auf.
»Sehr vernünftig, Dean! Ich habe den Generalsekretär und die Paxus-Räte Aurec, Don
Philippe de la Siniestro und diesen schleimigen Fettmolch hier in meiner Gewalt! Ich verlange eine Milliarde Galax Lösegeld und freies Geleit. Auf dem Dach des Gebäudes werdet ihr einen Gleiter für uns bereitstellen. Das
165
alles innerhalb von zwei Stunden. Wenn nicht,
wird nach Ablauf dieser Frist die erste Geisel
erschossen. Weitere Verhandlungen sind sinnlos.«
»Wir werden tun, was Sie verlangen«, versicherte Dean.
Saronzog sich mit seinen Leuten wieder zum
Vorzimmer zurück. Dean befahl seinen Leuten,
sich keinesfalls weiter vorzuwagen. Dann ging
er zu Gucky und den anderen. Inzwischen waren auch Joak Cascal und Nor’Citel eingetroffen.
»Wie konnte das nur passieren?« fragte Cascal bestürzt.
»Wir haben Ab-e-Metul tot in seinem Raum
gefunden. Wahrscheinlich hat Saron ihn benutzt, um hier hineinzugelangen«, erklärte Jan
Scorbit. »Mit Hilfe eines tragbaren Transmitters
wurden die Pterus hineingeschmuggelt – aber
jetzt kommen sie nicht mehr heraus.«
»Was ist mit den Räten?« wollte Cascal wissen.
»Saron hat sie und den Generalsekretär gefangengenommen«, berichtete Will Dean. »Sie
leben, aber wenn wir nicht innerhalb von zwei
Stunden Saron einen Fluchtgleiter mit einer
Milliarde Galax übergeben, will er sie töten.«
»Saron wird sie so oder so töten«, mutmaßte
Tyler.
»Das fürchte ich auch. Welch ein Glück, daß
Sie nicht da waren, Nor’Citel. Sonst hätte er
jetzt alle Räte als Geiseln«, meinte Joak Cascal.
»Ja, ein glücklicher Zufall. Wir hatten technische Probleme an Bord meines Schiffes. Ein
paar Minuten eher und ich wäre auch in der
Gewalt der Terroristen«, log Leticron. Innerlich
schäumte der Überschwere. Saron hatte sich
ihm in dreister Weise widersetzt und auch noch
seinen wichtigen Verbündeten Ab-e-Metul getötet.
»Was sollen wir jetzt tun?« fragte Cascal.
»Stürmen und die Geiseln heraushauen«,
schlug Tyler vor.
»Das ist viel zu gefährlich. Saron hat noch
dreizehn Leute. Die können wir nicht alle niederkämpfen, ohne das einer von ihnen Gelegenheit hat, die Geiseln zu töten«, gab Jan zu Bedenken.
Tyler zuckte mit den Schultern.
D O R G O N
166
»Berufsrisiko.«
»Blind zu stürmen, halte ich ebenfalls für zu
gefährlich«, meinte Cascal.
»Ich finde, Mr. Tyler hat recht. Nur ein
Sturmangriff kann die Geiseln noch retten«,
schlug Leticron vor.
Dabei hatte er den Hintergedanken, daß Saron bei der Befreiungsaktion getötet wurde. Saron mußte sterben, denn er wußte von Ab-eMetul, daß Nor’Citel in die Verschwörung gegen den Paxus-Rat verwickelt war. Sollten dabei die Ratsmitglieder umkommen, war ihm das
eigentlich ganz recht, denn mit den Stellvertreten würde Leticron leichter fertigwerden.
»Es muß doch einen anderen Ausweg geben«, meinte Cascal.
Gucky trat mit stolzgeschwellter Brust hervor.
»Den gibt es. Nämlich mich, den Superhelden schlechthin. Saron weiß nichts von meiner
Anwesenheit hier. Das werde ich nutzen und ihn
von hinten angreifen, während ihr frontal angreift.«
»Das ist die beste Idee. Ich bin dabei«, meinte Tyler.
»Es ist ziemlich gefährlich, Gucky«, überlegte Cascal. »Es könnte immer noch einer der
Wachen übrigbleiben der dich erschießt oder
die Geiseln.«
»Ohne Risiko geht es nun mal nicht. Außerdem läuft uns die Zeit davon«, fand Gucky.
»Also gut. Bereitet alles vor«, gab Cascal
nach.
»Aber keine unnötigen Risiken! Das gilt besonders für dich, Gucky!«
»Bin ich schon jemals unnötige Risiken eingegangen?« tat Gucky entrüstet.
Bevor Cascal antworten konnte, war Gucky
schon verschwunden.
*
Im Konferenzsaal herrschte gespanntes
Schweigen. Der Marquese machte noch einen
Versuch, die Angelegenheit diplomatisch zu lösen. Wenn Saron schon keinen logischen Argumenten zugänglich war, dann vielleicht seine
Leute.
Jens Hirseland
»Verehrte Pterus, ich spreche zu euch als
Paxus-Rat der Insel und damit im Namen aller Völker. Ich möchte euch bitten, die Waffen
ruhen zu lassen und aufzugeben. Es hat schon
genug Tote gegeben. Sollen denn eure Familien und euer ganzes Volk unter all dem leiden?
Doch noch ist es nicht zu spät. Laßt uns gehen
und ich verspreche, daß ich mich dafür einsetzen werde, daß das Volk der Pterus einen Sitz
im Parlament erhält und gleichberechtigt in die
Familie der Insel-Völker aufgenommen wird.
Ebenso werde ich mich dafür einsetzen, daß eure Strafe milde ausfallen wird.«
Die fünf Wachen, welche die Geiseln bewachten, wurden hellhörig.
»Kannst du das machen, Terraner?« fragte
einer.
»Gewiß doch. Aber ihr müßt euch schnell
entscheiden«, sagte der Marquese.
Die Pterus schienen mit sich zu kämpfen. Saron wurde aufmerksam.
»Geht auf eure Plätze! Hört nicht auf die Lügen dieser alten Vogelscheuche! Er ist Politiker,
die versprechen alles, nur um an der Macht zu
bleiben!« rief der Pterus wütend.
»Immer noch besser als ein feiger Mörder«,
gab der Marquese wütend zurück.
Doch er bereute seinen Ausspruch sogleich,
denn er hatte den Pterus noch wütender gemacht.
»Jetzt reicht es mir. Die zwei Stunden sind
ohnehin gleich um. Ich werde dich als ersten töten!«
Saronlegte seinen Strahler auf den ängstlichen Spanier an. Der Marquese schloß mit seinem Leben ab. Sollte es nun so enden, nach alldem was er durchgemacht hatte? Das hatte er
nicht verdient.
»Stirb!« rief Saron.
Doch als der Pterus abdrücken wollte, materialisierte eine kleine, pelzige Gestalt im Raum.
Kurz darauf wurde Saron der Strahler aus der
Hand gerissen. Der Strahler machte sich selbstständig und feuerte auf die völlig verwirrten
Pterus. Einer wurde an der Schulter getroffen
und ging zu Boden.
»Ein Geist!« riefen die anderen ängstlich
und wollten hinauslaufen.
»Ihr Idioten, das ist ein Teleporter! Tötet
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
ihn!« befahl Saron.
Doch da ertönte Kampflärm vom Korridor
her. Die Sicherheitskräfte, angeführt von Sam
Tyler, griffen an und paralysierten die Pterus.
Die vier Pterus stürmten den Angreifern entgegen, doch Sam Tyler tötete die vier mit einer
Salve. Tyler hatte als einziger auf Paralysestrahlung verzichtet.
Saronbegriff, daß er verloren hatte. Gucky
war inzwischen mit dem Marquese und Sam
wegteleportiert, kam wieder zurück und wollte
sich Aurec und Uwahn holen.
»Bring erst Jenmuhs in Sicherheit. Der wiegt
das Doppelte. Ich bleibe hier«, rief Aurec, der
sich inzwischen Sarons Strahler geholt hatte,
Gucky zu.
»Ja, nimm mich! Nimm mich!« forderte
Jenmuhs.
»Was sind denn das für Angebote? Aber bitte, wenn’s sein muß«, sagte der Ilt und nahm
den Arkoniden an der Hand.
»Ich bin gleich zurück. Dann kommst du
dran!« rief Gucky dem Pterus noch zu, bevor
er verschwand.
Saronöffnete die Tür zum Balkon und rannte
hinaus, als Sam Tyler in den Raum stürmte und
sofort auf den Pterus schoß, ihn aber verfehlte.
»Aus dir mache ich eine Handtasche!« rief
Tyler drohend und stürmte auf Saron zu.
Dieser hatte jedoch mit dem Angriff gerechnet und fing Tyler mit einem gezielten Tritt ab
und entwaffnete ihn. Durch die Anwendung der
Upanishad-Techniken war der Pterus dem Terraner überlegen und schwächte ich mit gezielten
Schlägen und Tritten immer mehr. Aurec traute
sich nicht auf Saron zu schießen, da er fürchtete Sam Tyler zu treffen. Tyler geriet mehr und
mehr in die Defensive, wurde schließlich von
Saron niedergeschlagen und blieb benommen
am Boden liegen.
Nun wollte Aurec eingreifen und rannte zum
Balkon, doch der Pterus hatte ihn erwartet und
stürzte sich mit einem Sprung auf den Saggittonen. Mit zwei gezielten, harten Schlägen hatte
er Aurec niedergerungen und ihm den Strahler
abgenommen. Mit der Waffe in der Hand ging
Saron auf Tyler zu.
»Jetzt habe ich dich endlich. Du bist der
nächste, der sterben wird. Danach kommen De-
167
an und Scorbit ran. Eigentlich wollte ich dich
ja bis zum Schluß aufheben, aber was soll man
machen? Es kommt wie es kommt. Siehst du
nun endlich, wie überlegen Upanishad-Krieger
euch allen sind? Wieviel besser wir kämpfen
können? Das mußt du zugeben. Ja, gib es zu!
Sage mir, daß ich dir überlegen bin, dann
werde ich dich schnell und schmerzlos töten!«
Saronstieg auf das breite Geländer des Balkons und richtete die Waffe auf den Terraner.
»Also, gibt du es zu?«
Tyler richtete sich etwas auf.
»Okay, ich geb’s zu. Ich gebe zu, daß du ein
verdammtes Arschloch bist.«
Saronwar außer sich vor Wut, doch bevor er
die Waffe abfeuern konnte, sprang Tyler überraschend auf und versetzte dem Pterus einen harten Schlag. Saron verlor das Gleichgewicht und
stürzte in die Tiefe. Zur gleichen Zeit materialisierte Gucky auf dem Balkon neben Aurec, der
alles mitangesehen hatte.
»Gucky, fang ihn ab! Schnell!« rief der Saggittone.
Der Mausbiber reagierte sofort und fing den
schreienden Pterus ab, bevor er auf dem Boden
aufschlagen konnte.
»Bist du sicher, daß ich ihn retten soll, Aurec?« fragte der Ilt.
»Selbstverständlich. Die Gerichte sollen
über ihn entscheiden«, erwiderte der Saggittone.
»Blödsinn! Laß ihn krepieren! Er hat’s verdient!« rief Tyler.
Gucky hörte lieber auf Aurec und zog den
Pterus telekinetisch empor. Inzwischen waren
auch zwei bewaffnete Sicherheitsleute auf den
Balkon gekommen, um Saron zu verhaften.
Gucky ließ den Terroristen über das Geländer
schweben und setzte ihn vorsichtig ab.
»Ihr Schwächlinge! Ihr werdet untergehen,
wegen eurer schwachen, menschlichen Prinzipien«, höhnte Saron, der sich keineswegs dankbar erwies.
In diesem Augenblick entriß Sam Tyler einem der Polizisten seinen Strahler und feuerte
ihn voller Inbrunst auf Saron ab, der von den
Energiesalven tödlich getroffen wurde. Gucky
spürte keine Lebensimpulse in dem Pterus und
ließ konsterniert die Leiche fallen.
D O R G O N
168
Mit versteinerten Mienen beobachteten Aurec und Gucky das Geschehen. Tyler ließ die
Waffe sinken und wurde widerstandslos von
den beiden Polizisten überwältigt.
»Das war für Chris, du Arschloch!« rief Tyler hinunter zu dem toten Saron.
Aurecwandte sich dem Terraner zu.
»Bei allem Verständnis für Trauer um Ihren Freund, Tyler, verspreche ich Ihnen, daß Sie
sich für diese Tat zu verantworten haben«, sagte
der Saggittone kalt.
Tyler grinste nur und wurde abgeführt.
Inzwischen waren auch Will Dean und Jan
Scorbit dazugekommen und meldeten das erfolgreiche Ende der Aktion.
»Wir haben von den dreizehn Pterus neun
paralysiert und gefangengenommen. Vier wurden allerdings von Tyler erschossen. Er hat, gegen den Befehl gehandelt, nicht den Paralysator
zu benutzen«, berichtete Will Dean.
»Ich verstehe nicht, daß ein Profi wie er so
ausrasten kann«, meinte Jan Scorbit.
»Er wird sich dafür zu verantworten haben«,
sagte Aurec mit finsterer Miene.
»Dir aber haben wir für unsere Befreiung zu
danken, und das ohne große Verluste«, wandte
er sich Gucky zu.
»Tja, was soll nur aus euch werden, wenn
ich wieder weg muß. Ohne mich seid ihr doch
vollkommen hilflos«, lobte sich Gucky.
»Da hast du recht«, lachte Will Dean.
»So ganz ohne Verluste ging es leider doch
nicht«, schränkte Gucky ein.
»Was meinst du?«, fragte Aurec besorgt.
»Jenmuhs Hose ist draufgegangen. Die war
nämlich voll.«
Jetzt mußte auch Aurec lachen.
5.
Wiedersehen macht Freude
Zwei Tage später wurde Jan Scorbit von
seinem Bruder Remus und seiner Schwägerin
Uthe zu einer Willkommensfeier eingeladen, an
der auch Jonathan Andrews, Matthew Wallace,
Aurec, sowie Anica und Jaquine teilnahmen.
Die Stimmung war ausgelassen und man feierte
das glückliche Ende des Geiseldramas.
Jens Hirseland
Nachdem die Neue USO sich dem TLD und
nach der Aktion auf Paxus auch zwangsläufig dem Terra-Block und Saggittor offenbarte,
konnte Jan Scorbit die Masken fallen lassen und
seine Familie wiedersehen.
Jan wurde sehr herzlich aufgenommen und
schloß schnell Freundschaft mit Andrews und
Wallace.
»Schade, daß ich nicht dabei war. Diesem
Saron hätte ich es schon gezeigt«, meinte Jonathan.
»Sei froh darüber. Saron war ein äußerst unangenehmer Gegner«, entgegnete Jan.
»Das kann ich nur bestätigen«, fand auch
Aurec, der sich dabei die noch schmerzenden
Rippen hielt.
Da läutete es an der Tür.
»Nanu? Wer kann das sein? Wir haben doch
niemanden mehr eingeladen?« wunderte sich
Remus.
»Hoffentlich nicht wieder dein gräßlicher
Freund Helge von Hahn. Den schmeiße ich sofort wieder raus«, drohte Uthe und ging an die
Tür.
Als sie öffnete, war sie sehr überrascht. Vor
ihr stand – Yasmin Weydner. Neben ihr stand
eine junge Frau und hinter dieser – Uthe konnte
es kaum fassen – Ottilie und Karl-Adolf Braunhauer in Begleitung einer älteren Frau.
»Yasmin, welch eine Überraschung!«
Uthewußte nicht recht, ob sie sich freuen
oder ärgern sollte.
»Ja, ich bin’s wirklich. Darf ich dir meine
Freundin Ivon Abrinsky vorstellen?«
»Tag«, sagte die blonde, leicht untersetzte
junge Frau.
»Wir sind heute in New Terrania angekommen. Wir kommen direkt von Old Terra und
dachten wir überraschen euch einfach, bevor
wir unsere Unterkünfte aufsuchen«, erklärte
Yasmin.
»Na, die Überraschung ist euch gelungen«,
sagte Uthe in Anspielung auf die Braunhauers.
»Achja, die Braunhauers kennst du ja bestens. Sie waren mit uns auf demselben Raumschiff und wollten es sich nicht nehmen lassen,
euch ebenfalls zu begrüßen.«
»Guten Tag, Ulrike«, sagte Frau Braunhauer.
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
»Uthe, Frau Braunhauer, Uthe!« wurde sie
von Uthe korrigiert.
»Achso, na ja, was soll’s.«
»Können wir nicht endlich mal reingehen?«
fragte Karl-Adolf Braunhauer ungehalten.
Der Terraner machte ein unglückliches Gesicht und faßte sich an sein Herz.
»Natürlich, Vatichen. Vatichen geht es heute
wieder sehr schlecht«, erklärte Ottilie.
»Eigentlich ging es ihm, während der Reise,
jeden Tag schlecht«, seufzte Yasmin.
Uthekonnte sich denken, was sie die letzte
Zeit durchgemacht hatte.
»Nun sei mal nicht so keck! Vatichen war
schließlich im Krieg gegen Momo und hat sich
da viele Krankheiten geholt. Jetzt muß er dringend auf’s Klo wegen seinem Blasenleiden.
Vatichen muß unbedingt seine Windeln wechseln«, verkündete Frau Braunhauer in einer
Lautstärke, daß man es durch den ganzen Hausflur hören konnte.
Mit hochrotem Kopf betrat Karl-Adolf die
Wohnung der Scorbits und begab sich sogleich
in das Bad. Uthe blieb nichts anderes übrig
als alle hereinzubitten. Die Frau, die mit den
Braunhauers gekommen war, musterte Uthe
mißtrauisch.
»Willst du mich nicht mal vorstellen, Ottilie?« fragte sie unfreundlich.
»Achja natürlich. Das hätte ich ja fast vergessen. Das ist Vatichens Cousine Inge Bohmar.
Sie ist nicht gesund und darum begleiten wir
sie hierher nach, nach... Dings. Inge besitzt eine große Firma, die Vatichen jetzt für sie leitet,
weil sie doch krank ist«, erklärte Ottilie Braunhauer umständlich.
»Du hast Werner und Bandit vergessen, Ottilie!« protestierte Inge Bohmar energisch und
wandte sich dann Uthe zu. »Das ist hier ist mein
Mann Werner Bohmar und das ist unser Hund
Bandit. Sitz, Bandit, sei ruhig!«
Utheregistrierte fassungslos, daß die Frau
mit jemandem redete, der gar nicht vorhanden
war. Sie sah weder einen Mann noch einen
Hund. Dennoch tat die Frau so, als wären diese vorhanden. Uthe fragte gar nicht erst, woran
Inge Bohmar litt – sie konnte es sich denken.
Als Karl-Adolf seinen Toilettengang beendet
hatte, ging Uthe mit den zahlreichen neuen Gä-
169
sten ins Wohnzimmer, wo sie sich den entsetzten Blick von Remus und Jonathan Andrews
ausgesetzt sah.
»Nein, nicht die schon wieder!« jammerte
Remus und schlug die Hände über dem Kopf
zusammen.
Plötzlich fiel Ottilie Braunhauer zu Boden.
»Ich bin gestürzt! Ich bin gestürzt!« schrie
sie.
»Bandit, ich habe dir doch gesagt, du sollst
nicht immer allen Leuten vor die Füße laufen!«
meckerte Inge Bohmar ihren imaginären Hund
an.
Ich fürchte, dieser Abend ist gelaufen, dachte
Uthe konsterniert.
6.
Eine Entscheidung des
Gewissens
Auch der Marquese verlebte keinen erfreulichen Abend. Am nächsten Morgen stand die
Abstimmung über das zukünftige Wirtschaftskonzept der Insel bevor. Von Shorne wußte er,
daß dieser auf die Stimmen von Uwahn Jenmuhs und Nor’Citel zählen konnte. Aurec und
Sam würden natürlich für ihr Konzept stimmen.
Also hing die Entscheidung allein von ihm ab,
und beide Seiten rechneten fest mit ihm.
Die Taktik des Marquese war klar gewesen,
eine bürgernahe, gerechte, soziale Politik hatte
er auf seinen Publicity-Veranstaltungen immer
wieder versprochen.
Doch Shorne hatte ihn in der Hand. Egal, wie
er auch stimmte, seine gerade erst begonnene
politische Karriere schien schon wieder beendet
zu sein.
Don Philippe saß gedankenverloren in seinem antiken Sessel vor einem altmodischen Kamin und suchte nach einem Ausweg, doch er
fand keinen.
Nach einer unruhigen Nacht begab sich der
Marquese zusammen mit Diabolo zum Regierungsgebäude. Durch das Geiseldrama hatte
Don Philippe zwei Tage Zeit gewonnen, doch
nun schlug die Stunde der Wahrheit.
»Ach, Diabolo, was soll ich nur tun?« fragte
er seinen Berater ohne wirklich einen Ausweg
170
D O R G O N
zu erwarten.
»Das kann ich Ihnen sagen. Stimmen Sie für
Sam, so wie Sie es ihm versprochen haben«, riet
ihm der Posbi.
»Dann bin ich erledigt. Shorne wird meine Mitwisserschaft an der Brand-Affäre schonungslos aufdecken.«
»Abwarten, Marquese. Das ist auch für ihn
riskant. Vertrauen Sie mir. Ich weiß, was richtig
für Sie ist«, sagte Diabolo geheimnisvoll.
»Na gut, dann will ich eben untergehen,
wie es sich für einen spanischen Edelmann geziemt«, gab der Marquese nach.
»Sehr gut. Ich habe noch etwas zu erledigen.
Aber keine Sorge, ich werde im rechten Moment wieder da sein.«
Diaboloverabschiedete sich und ging mit unbekanntem Ziel davon.
Don Philippe begab sich in den Konferenzsaal, in dem sich schon Sam, Aurec, Jenmuhs
und Nor’Citel versammelt hatten. Als der Spanier Platz genommen hatte, erhob sich Sam.
»Verehrte Mitglieder des Paxus-Rates, ich
begrüße Sie zu unserer ersten Sitzung und hoffe auf gute Zusammenarbeit«, erklärte der Generalsekretär des Paxus-Rates. »Unsere erste
Entscheidung gilt der Ausrichtung der Wirtschaft innerhalb der Insel. Wie Sie wissen, stehen zwei verschiedene Modelle zur Disposition.
Zum einen ein Konzept, das von mir und Aurec entwickelt wurde, zum anderen das Modell,
welches von dem Industriemagnaten Michael
Shorne entwickelt wurde. Ich habe Mr. Shorne
hierher gebeten, damit er vor der Abstimmung
noch einmal zu Ihnen sprechen kann.«
»Sehr schön«, freute sich Uwahn Jenmuhs.
Für ihn war der Fall klar. Shorne hatte
ihm große finanzielle Entschädigungen versprochen, wenn er für ihn stimmte, außerdem hielt
er den Plan des Somer und des Saggittonen für
zu verweichlicht.
Kurz darauf trat Michael Shorne ein. Der
Marquese musterte den Industriellen mit Unbehagen.
»Sehr geehrte Ratsmitglieder. Ich will nicht
viele Worte machen. Sie alle haben das von mir
und anderen führenden Unternehmern ausgearbeitete Wirtschafts- und Finanzkonzept erhalten und studieren können. Ich halte die Zustim-
Jens Hirseland
mung zu diesem Konzept für unumgänglich.
Wenn die Insel wettbewerbsfähig mit anderen
Galaxien sein will, sie sogar übertreffen will,
müssen alle Anstrengungen auf das Wachstum
gelegt werden. Dazu müssen eben von allen
Bürgern Opfer gebracht werden. Wer sich nicht
anpassen kann, muß die Insel eben wieder verlassen. Nur mit einem radikalen Wirtschaftskurs können wir der Insel Wohlstand und damit
Frieden bringen. Mehr habe ich dazu nicht zu
sagen.«
Shornewar sichtlich gut gelaunt. Er war sich
seiner Sache vollkommen sicher. Der Marquese kämpfte mit sich. Sollte er nicht doch lieber
Shorne nachgeben? Er hätte es sich dann zwar
mit Sam und Aurec verscherzt, dafür hatte er jedoch die mächtige Wirtschaftslobby auf seiner
Seite. Don Philippe wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als sich Sam wieder erhob.
»Vielen Dank, Mr. Shorne. Leider kann ich
Ihren Standpunkt nicht teilen. Nicht alle Kulturen huldigen der Marktwirtschaft mit solchem
Enthusiasmus wie manche Terraner. Ich halte das saggittonische Konzept für ein Konzept,
aus dem geistige Reife und nicht nackte Habgier spricht. Wenn wir ein System einführen, in
dem es Sieger und Besiegte gibt, werden wir nie
zu einem friedlichen Miteinander finden und
DORGONs Aufgabe erfüllen können. Und um
die Erfüllung dieser Aufgabe, die uns gestellt
wurde, geht es. Darum sind wir hier und nicht
um eine zweifelhafte Wettbewerbsfähigkeit rein
materieller Natur zu erreichen. Ich danke Ihnen
für Ihre Aufmerksamkeit, verehrte Ratsmitglieder.
Kommen wir nun zur Abstimmung. Mr.
Shorne, nehmen Sie solange draußen Platz. Ich
lasse Sie rufen, wenn das Ergebnis der Abstimmung bekannt gegeben wird.«
Shorneverließ den Konferenzraum und der
Rat begann mit der Abstimmung.
»Ich stimme für den saggittonischen Plan«,
begann Sam.
»Ich ebenso«, sagte Aurec.
»Wie überraschend!« höhnte Jenmuhs. »Ich
aber nicht. Ich stimme für Shorne.«
»Und Sie, Nor’Citel?« fragte der Generalsekretär.
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
»Ich stimme ebenfalls für Shorne«, antwortete Leticron.
»Nun kommt es auf Sie an, Marquese.«
Don Philippe zögerte.
»Marquese, wir benötigen Ihre Stimme«, erinnerte ihn Sam.
»Ich ich stimme für den Vorschlag von Sam
und Aurec«, brachte der alte Spanier mühsam
hervor.
Jenmuhswirkte enttäuscht. Nor’Citel blieb
regungslos. Sam und Aurec waren zufrieden.
»Ich stelle also fest, daß der saggittonische
Wirtschaftsplan mit 3:2 Stimmen angenommen
wurde«, sagte der Generalsekretär.
Kurz darauf wurde Michael Shorne herbeigerufen. Mit ihm betrat auch Diabolo den Konferenzraum. Don Philippe saß wie ein Häufchen
Elend auf seinem Stuhl. Jeden Moment erwarte
er das Ende seiner politischen Laufbahn.
»Mr. Shorne, ich muß Ihnen mitteilen, daß
Ihr Plan mit 3:2 Stimmen abgelehnt wurde. Der
saggittonische Wirtschaftsplan wird auf der Insel eingeführt«, teilte Sam dem Wirtschaftsmagnaten mit.
Shornereagierte wütend. »Seid ihr wahnsinnig? Das ist der Untergang der Insel!« Shornes Blick traf den Marquese. »Sie haben gegen mich gestimmt, Sie Dummkopf! Das werden Sie bereuen! Ich werde sie fertigmachen!«
»Mit solchen Drohungen sollten Sie lieber vorsichtig sein, Mr. Shorne«, sagte Diabolo. »Sie schrecken vor nichts zurück, um ihre
Machtpläne zu verwirklichen. Sie wollten den
Marquese erpressen, damit er für Ihren Plan
stimmt. Aber der Marquese hat Courage bewiesen, denn im Gegensatz zu Ihnen liegt ihm das
Wohl des Volkes am Herzen.«
»Das ist wahr! Shorne hat versucht mich zu
erpressen und mich bedroht«, warf Don Philippe ein.
»Das ist ja lächerlich«, wehrte sich Shorne.
»Sie haben Solder Brand Drogen untergeschoben, um ihn auszuschalten.«
»Damit wollten Sie den Marquese erpressen,
weil Sie dachten, er würde einen Skandal vermeiden wollen«, sagte Diabolo. »In Wirklichkeit waren Sie derjenige, der Brand ruiniert hat.
Und das kann ich beweisen. Sie haben es nämlich selbst zugegeben!«
171
Der Posbi holte einen Datenträger hervor
und steckte ihn in ein Abspielgerät. Ein Bild
von Shorne erschien. Es war aus dem Gespräch,
das Shorne vor einigen Tagen mit Don Philippe
geführt hatte.
»Ich kann sie genauso ausschalten wie diesen dämlichen Brand, wenn Sie nicht tun was
ich will«, hörte man Michael Shorne sagen.
»Das ist nur die Spitze des Eisberges«, erklärte Diabolo. »Michael Shorne ist durch und
durch korrupt und würde alles tun, um an die
Macht zu gelangen. Ich habe auch diverse Aussagen ehemaliger Mitarbeiter gesammelt, die
belegen, wie gefährlich Mr. Shorne ist.«
»Das ist alles gelogen! Ihr werdet das alle
noch bereuen!« rief Shorne.
»Seien Sie lieber still, Shorne. Ich bin empört über Ihr Verhalten. Hier liegt offensichtlich
ein Erpressungsversuch gegen einen Paxus-Rat
vor. Das genügt, um eine Untersuchung gegen
Sie einzuleiten«, sagte Sam.
Da öffnete sich die Tür und zwei Männer, die
sich als Polizeibeamte auswiesen, traten ein.
Der Marquese erstarre. Es waren die Officers
McSweet und Rannigan, die für Shorne arbeiteten. Dieser lächelte triumphierend, doch das
Lachen verging ihm, als McSweet zu sprechen
begann.
»Meine Herren, entschuldigen Sie bitte unser Eindringen, aber es liegt ein Haftbefehl gegen Michael Shorne vor. Bei einer Hausdurchsuchung hat man belastendes Material sichergestellt. Mr. Shorne wird beschuldigt, mit Drogen
zu handeln.«
»Das ist ja wohl ein Witz!« schrie Shorne.
Allerdings konnte er nichts gegen die beiden
vorbringen, ohne sich selbst zu belasten.
»Es ist genug, Shorne. Wesen wie Sie machen mich krank. Officers, tun Sie Ihre Pflicht.«
Unter den erstaunten Blicken des Marquese
wurde Michael Shorne verhaftet und abgeführt.
Voller Haß sah er den Marquese an.
»Wir sprechen uns noch«, drohte er, bevor er
den Raum verließ.
»Ein gräßlicher Mensch«, sagte Don Philippe.
»Ich bin froh, daß er Sie nicht erpressen
konnte. Das zeugt von einem starken Charakter,
Marquese«, lobte Sam.
D O R G O N
172
Don Philippe lächelte geschmeichelt. Sam
ahnte ja nicht, wie kurz der Marquese davor
stand, für Shornes Plan zu stimmen.
»Eine alte Tugend meiner Familie. Ich wollte nichts publik werden lassen, um zu vermeiden, daß der Rat in einen Skandal hineingezogen wird«, log der Spanier.
Nun ergriff Nor’Citel das Wort.
»Unter diesen Umständen beantrage ich eine neue Abstimmung, da ich keinesfalls für den
Plan dieses Verbrechers stimmen möchte.«
»Sind alle damit einverstanden?« fragte
Sam.
Bis auf Uwahn Jenmuhs waren alle einverstanden.
»Der Antrag wurde mit 4:1 Stimmen angenommen. Wir stimmen also noch mal ab«, stellte der Generalsekretär fest.
Die neue Abstimmung endete mit 4:1 Stimmen für den saggittonischen Wirtschaftsplan.
Nur Uwahn Jenmuhs hielt trotzig an seiner Meinung fest. Damit waren die Weichen für die Zukunft gestellt.
*
Wütend reiste Leticron wieder nach Paricza
in seine Burg zurück. Durch die Dummheit
seiner sogenannten Verbündeten war er keinen
Schritt weitergekommen. Saron hatte durch seine Eigenmächtigkeit seinen Plan zunichte gemacht, an Popularität und Einfluß zu gewinnen.
Statt dessen waren nun Aurec und der Marquese
angesehener denn je. Außerdem hatte er durch
den Tod Ab-e-Metuls die Hauris als Verbündete
vorerst verloren, denn er wußte nicht wer Metuls Nachfolger werden würde und wie dieser
zu Nor’Citel stehen würde. Der Anführer der
Pariczaner wurde von seinem Adjutanten Poleycra empfangen.
»Hatten Sie Erfolg, Corun?« fragte er.
»Nein, Shornes Plan ist gescheitert, weil dieser geldgeile Idiot über seine eigenen Intrigen
gestolpert ist. Ab-e-Metul wiederum wurde das
Opfer seiner Dummheit und Saron das Opfer
seiner Eitelkeit. Mit solch wertvollen Verbündeten werden wir es weit bringen, Poleycra!«
meinte Nor’Citel voller Sarkasmus.
»Aber wir haben noch die Dscherro und die
Jens Hirseland
Pelewon, Corun.«
»Die Dscherro? Das sind wilde Tiere, nichts
weiter. Die sind nur für einfachste Aufgaben zu
gebrauchen. Auf die Pelewon setzte ich hingegen große Hoffnung. Ich muß versuchen mit
diesem elenden Fettsack Uwahn Jenmuhs ein
Bündnis abzuschließen. Doch das wird nicht
einfach sein, denn er ist genauso dumm und arrogant wie er fett ist.«
»Wenn es einem gelingt, dann Ihnen,
Corun«, glaubte Poleycra voller Zuversicht.
»Zunächst muß ich versuchen mich beliebt
zu machen, denn solange man mir im Rat mißtraut, komme ich nicht weiter. Ich werde mir
einen guten Plan überlegen.«
Leticronwar guten Mutes, daß sich die Lage
doch noch entscheidend zu seinen Gunsten verändern würde.
*
Don Phillipe und Diabolo waren ebenfalls
wieder nach Hause zurückgekehrt. Gutgelaunt
standen sie auf dem Balkon von Don Philippes
prachtvoller Villa.
»Ich muß schon sagen, Diabolo, du bist noch
ausgekochter als ich gedacht habe. Du hast also mein Gespräch mit Shorne aufgezeichnet?«
fragte er seinen Berater.
»Wie Sie sehen, war es angebracht. Dank
Shornes unvorsichtiger Bemerkung war es ein
leichtes, ihn bloßzustellen.«
»Aber wie hast du das mit den beiden Polizisten gedreht? McSweet und Rannigan standen
doch auf Shornes Gehaltsliste.«
»Richtig, sie standen. Jetzt stehen sie auf
Ihrer. Sie haben sich Shornes Methoden bedient, um ihn auszuschalten. Das wird Sie allerdings ein ordentliches Sümmchen kosten, Marquese. McSweet wünscht sich eine eigene Villa
und Rannigan ein eigenes Raumschiff«, erklärte
Diabolo dem verdutzten Marquese.
»Das wird mich ein Vermögen kosten!« jammerte dieser.
»Sie können ja ablehnen, dann wird Shorne
Ihnen bald wieder zusetzen.«
Don Philippe schüttelte den Kopf. Er wußte, daß Diabolo ihm die Haut gerettet hatte. Er
konnte zufrieden sein.
Die Stunde des Spaniers
D O R G O N
»Immerhin haben wir Shorne mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Es wird ihm schwerfallen, sich da wieder hinauszuwinden. Außerdem kann man korrupte Polizisten gut gebrauchen...«
»Wir dürften jetzt Ruhe vor ihm haben. Eigentlich sind wir doch ein gutes Team, finden
Sie nicht?« meinte der Posbi. »Ich habe schon
173
einiges an Verschlagenheit gelernt. Die Terraner
sind darin wahre Meister.«
Don Philippe hob den rechten Arm und zeigte auf den Sternenhimmel.
»Da hast du recht, mein Freund. Und das ist
erst der Anfang. Eines Tages wird all dies da
draußen mir gehören.«
174
D O R G O N
Jens Hirseland
Heft 47
Die Ruhe vor dem Sturm
Leticron plant Aurecs Tod - und die BAMBUS wird zur Attraktion
von Nils Hirseland
Titelbild von Stefan Lechner
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
Prolog.
Cartwheel im November
1296 NGZ
Die blaue Galaxis Cartwheel war seit wenigen Monaten die Heimat von Milliarden Vertretern aus fünfzig verschiedenen Völkern geworden.
Sie alle folgten dem Ruf der Entität DORGON, die bei all den auserwählten Völkern für
das kosmische Projekt »Die Insel« warb.
Ihre Motive waren nicht immer identisch und
auch nicht immer edel gewesen. Viele Völker
glaubten an die warnenden Worte DORGONs
und zeigten großes Verantwortungsbewußtsein,
doch andere sahen nur ihren eigenen Vorteil und
verbanden mit einer neuen Galaxis die Möglichkeit der Unabhängigkeit oder Vergrößerung
ihres Territoriums.
Hinter diesem Projekt verbarg sich die Besiedlung der Galaxis Cartwheel, 500 Millionen
Lichtjahre von der Milchstraße entfernt und mit
einem Durchmesser von 120.000 Lichtjahren in
den äußeren Ringen.
Ziel dieser Besiedlung war es, eine kampfkräftige Bastion zu schaffen, die sich gegen
die Armeen des MODROR erwehren sollten.
Warum nun ausgerechnet die Galaxis Cartwheel dafür ausgesucht wurde, wußte niemand
außer DORGON selbst. Auf jeden Fall hatte die
Entität zu verstehen gegeben, dass das Leben aller Existenzen in diesem Universum vom Erfolg
dieser Mission abhängig war.
Gerade diese Warnung schien die sehr unterschiedlichen und oft verfeindeten Völker den
Anlaß zu geben, sich mit den anderen Völkern
der Insel zu arrangieren.
In den ersten Monaten gab es nur wenige unangenehme Zwischenfälle. Abgesehen von den
politischen Streitereien, die überall alltäglich
waren, gab es außer den Attacken einiger Pterus
unter dem wahnsinnigen Saron keine gewalttätigen Zwischenfälle in Cartwheel.
Die Völker hatten sich eingelebt und schienen auch den Ernst der Lage zu begreifen. Natürlich spielten die Terraner wieder eine vorrangige Rolle. Unter der Führung des alten Spaniers Don Philippe Jaime de la Siniestro hatte
sich der Terra-Block gebildet. Sitz dieses Bun-
177
des bestehend aus Terranern, Ertrusern, Oxtornern, Olympern, Epsalern, Ferronen, Halutern
und Plophosern war die erdähnliche Welt Mankind.
Der Marquese von Siniestro, wie Don Philippe von allen genannt werden wollte, war ein
fähiger Politiker, der ein hohes Ansehen bei der
Bevölkerung genoß. Don Philippe war zu einem
richtigen Helden aufgestiegen.
Der Spanier aus dem 18. Jahrhundert und somit ältester Terraner genoß die Bewunderung
der Bürger, da er sich problemlos in die neue
Zeit eingelebt hatte und zudem noch Heldentaten bei den Abenteuern in Zerachon vollbracht
hatte.
Zuerst sollte der Marquese nur als Stellvertreter für Julian Tifflor agieren. Doch der Innenminister der Liga Freier Terraner hatte großes
Vertrauen in den Don und ihn deshalb zum
Terra-Administrator in Cartwheel ernannt.
Tifflor selbst hatte in der Milchstraße alle
Hände voll zu tun. Deshalb kam ihm diese Entlastung sehr gelegen.
Der zweite Mann im Terra-Block war unumstritten Joak Cascal. Er war für die militärischen Belange zuständig und hatte sich mit
Henry »Flakk« Portland und anderer namhafter
Offiziere einen fähigen Stab aufgebaut, der sich
mit der Aufrüstung des Terra-Blocks beschäftigte.
Das hatte jedoch auch seine Nachteile, denn
auch die Arkoniden, Dorgonen, Saggittonen,
Akonen und Blues wollten mit den Terranern
mithalten. Ein internes Wettrüsten bahnte sich
an, welches jedoch nicht zum Ziel hatte, sich
gegenseitig zu bekriegen, sondern um gut gewappnet gegen die Armeen MODRORs anzutreten.
Die anderen Völker in Cartwheel verhielten
sich ebenfalls sehr ruhig. Die Arkoniden besannen sich auf politische Diskussionen und protzten nicht mit ihrem gewaltigen militärischen
Aufgebot.
Nor’Citel, dessen wahrer Name Leticron
war, hielt sich sehr zurück und wirkte fast
freundlich auf die Abgesandten.
Die Saggittonen und anderen Völker aus M
64 lebten sich sehr gut ein und wurden von ihren Nachbarn mittlerweile auch akzeptiert.
178
D O R G O N
Es bildeten sich auch allmählich Allianzen.
Der Terra-Block arbeitete eng mit den Saggittonen, Thoregonvölkern und estartischen Völkern zusammen. Auch die Dorgonen unter dem
großen Uleman-Anhänger Titus Jusilus waren
dem Terra-Block sehr freundlich gesonnen.
Die Arkoniden hingegen scharrten die ihnen
assoziierten Völker, zu denen die Springer, Zaliter, Topsider und Naats gehörten, um sich und
bildeten die zweitgrößte Fraktion in Cartwheel,
der sogenannten Insel.
Der wichtigste Mann in Cartwheel war unumstritten der weise Somer Sruel Allok Mok,
den jeder Sam nannte. Er war der ruhige Pol
im Paxus-Rat und zugleich auch Anführer des
fünfköpfigen Gremiums.
Sam wurde von vielen Politikern und Bürgern respektiert und anerkannt. Der Somer war
genau der Richtige für diesen Posten.
Natürlich durfte man Aurec nicht vergessen.
Der tatkräftige Saggittone war insgeheim der
stärkste Mann in der Galaxis. Man achtete sein
Wort und sein Ruf eilte ihm voraus. Aurec, der
Prinz Saggittors, wie ihn viele nannten, genoß
das vollste Vertrauen seines ganzen Volkes, aber
auch Perry Rhodans, DORGONs und der Bürger des Terra-Blocks.
Jedes Intelligenzwesen besaß die Hoffnung,
daß es niemals zu einem Streit zwischen Arkon und dem Terra-Block kommen würde, denn
dann bestand die Möglichkeit eines Krieges in
Cartwheel.
Jedoch gab es im Moment keinerlei solcher
Tendenzen. Es blieb die Frage, wann die Völker
zum ersten Mal geprüft wurden. DORGON hatte kein Datum des ersten Angriffes der Mächte des Chaos genannt. Es konnte sich um Tage,
Monate, Jahre oder Jahrhunderte handeln, bis
MODRORs Armeen zuschlugen.
Für diese Entitäten waren tausend Jahre ein
Wimpernschlag. Doch je länger die Völker
in Cartwheel tatenlos herumsaßen, desto öfter
würden sie nach dem Sinn ihres Aufenthalts fragen.
Die wichtigste Frage jedoch war, ob sich all
diese Völker auch wirklich konfliktlos miteinander verstehen konnten. War die Vernunft, auf
die DORGON setzte, wirklich in jedem Wesen
stark genug?
Nils Hirseland
Die Zukunft würde es klären...
Aus »Die Reise eines Linguiden« von Jaaron
Jargon, 05. November 1296 NGZ
1.
Paricza’s Castle
Der düstere und karge Raum erinnerte den
Terraner an das Mittelalter auf der Erde. Eine
dunkle Epoche der Menschheit, voll von Grausamkeiten im Namen Gottes und vielen Kriegen.
In der Tat war der große Thronsaal Leticrons
dem Terranischen Mittelalter nachempfunden.
Eine Zeit, die den Überschweren faszinierte.
Vor allem die Ritterturniere hatten sein Interesse geweckt.
Einst, als er auf der Stahlfestung Titan
herrschte, ließ er Gladiatorenkämpfe abhalten
und der Sohn des Chaos hatte die Absicht, diese Turniere wieder zu seiner Zerstreuung einzuführen.
Ein untersetzter Terraner lief langsam durch
den mit Fackeln erhellten Raum. Links und
rechts hingen Wandteppiche, deren Muster
wohl aus Paricza stammen mußten. Seine
Schritte hallten durch den ganzen Saal.
Einige Meter vor dem pompösen Thron blieb
er stehen und verneigte sich.
»Edler Nor’Citel!« begann er, nichtsahnend,
daß Leticron vor ihm saß. »Auf Euren Befehl
hin haben wir mit dem Bau einer Fabrik begonnen, deren Aufgabe es ist, Klone herzustellen.
Die dafür erforderlichen Genmaterialien erhalte
ich von Ihnen. Mein Preis liegt hoch, doch ich
denke, daß ein Staatsoberhaupt es sich leisten
kann.«
Der Terraner lachte hüstelnd. Er war Mitte
sechzig und hatte eine Halbglatze. Sein Name
war Tukk Forster, ein Wissenschaftler mit dem
Spezialgebiet Gentechnik.
Für Leticron war er ein Niemand! Nur ein
Mittel zum Zweck, das es zu beseitigen galt,
war die Produktion erst einmal abgeschlossen.
Forster gehörte zu den korrupten Wissenschaftlern, die nicht im Interesse aller Intelligenzwesen arbeiteten, sondern nur zu ihrem eigenen Vorteil. Für Geld würde Tukk Forster al-
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
les tun, sogar einen Krieg in Cartwheel anzetteln.
Doch darüber machte sich der dicke Terraner
überhaupt keine Gedanken. Er hatte bloß seine Traumvilla, Nobelgleiter und bezahlte Frauen vor sich. Ein Traum den er sich nach diesem
Auftrag ermöglichen konnte.
Leticron hatte andere Pläne mit ihm, doch
davon wußte Forster natürlich nichts und würde es auch erst erfahren, wenn es für ihn zu spät
war.
Leticron war die Idee gekommen, eine gigantische Armee aus pariczanischen Klonen
aufzubauen, um damit zu einer starken Macht
in Cartwheel heranzuwachsen.
Das war das vordringlichste Ziel für den
Zellaktivatorträger gewesen! Seine Aufgabe bestand darin, DORGONs Projekt zu sabotieren
und zum scheitern zu verurteilen.
Leticron gab sich, wie immer, sehr selbstsicher. Er zweifelte nicht an den Erfolg seiner
Mission.
Ruhig und entspannt lehnte er sich in seinen Thron, dessen Lehnen mit goldenen Mustern verziert war und über dessen rotes Polster
weiche Felle hingen. Diese Felle stammten von
Tieren, die Leticron während einer Jagd erlegt
hatte.
»Nun gut. Solltest du deine Arbeit anstandslos verrichten, so verspreche ich dir eine fürstliche Belohnung«, sagte der Sohn des Chaos.
Forster verneigte sich.
»Wann kann ich mit den ersten Erfolgen
rechnen?« wollte der ehemalige Erste Hetran
der Milchstraße wissen.
»In bereits sechs Monaten werden wir den
ersten Prototypen fertiggestellt haben«, erklärte der terranische Wissenschaftler. »Sollte er allen Anforderungen entsprechen, können wir ihn
in Serie geben. Die Produktionsstätte hat eine Kapazität von 10.000 Klonen pro Tag, das
wären in der Woche 70.000 Klone, im Monat
2.100.000 Klone und im Jahr 25.200.000 Klone, die für Euch kämpfen können!«
Leticron lächelte überlegen. 25 Millionen
neue Soldaten in jedem Jahr waren eine beträchtliche Summe. Die genetisch konditionierten Wesen sollten nach ihrer Herstellung ein
einjähriges Training bekommen, in denen Geist
179
und Körper nur für die Aufgabe des Kampfes
konditioniert wurden. Zu mehr sollten sie nicht
dienen.
Der Genetiker veränderte den DNA-Kode
so, daß ihnen kreative Eigenschaften von Geburt an fehlen würden. Sie sollten nur Kreativität im Kampf zeigen. Weitere von Leticron
erwünschte Eigenschaften sollten Loyalität gegenüber Paricza, Haß gegenüber allen Feinden,
kein Mitleid und blinder Gehorsam sein.
So stellte sich der Zellaktivatorträger seine
perfekten Kampfmaschinen vor. Mit solch einer großen und konditionierten Armee würde er
Cartwheel in Atem halten.
»Du kannst dich entfernen!« befahl er nun
dem terranischen Wissenschaftler, der sich
abermals verneigte und mit hallenden Schritten
die gewaltige Halle verließ.
Leticron lachte laut. Er fühlte sich mächtig
und unbesiegbar!
2.
Planungen
Die Saggittonen hatten insgesamt 12 Systeme besiedelt. Ihre Hauptwelt nannte sie nach ihrer alten Heimatgalaxis Saggittor. Sie war Sitz
aller Völker. Zudem gab es noch in den anderen
Systemen Welten die für die einzelnen Völker
angepaßt waren. Auch dort hatte DORGON eine komplette Infrastruktur geschaffen.
Es überraschte viele Wesen, da sie nichts
von diesen Planeten mitbekommen hatten. Der
Paxus-Rat hielt eine Debatte über die Anschaffung einer Explorerflotte, um die gesamte Galaxis untersuchen zu können.
Zu diesem Treffen waren neben dem fünfköpfigen Rat noch Joak Cascal als Terramarschall, Xavier Jeamour als Flottenadmiral sowie
der arkonidische Militär Terz von Eskor eingeladen. Sie berieten über das Vorgehen einer Erkundung der Galaxis und über eine sinnvolle
Aufteilung der entdeckten Welten zum Wohle
aller Beteiligten.
»Ich bin für einen fairen Wettbewerb«, erklärte Jenmuhs überzeugt. »Wer zuerst einen
entdeckten Planeten erforscht, nimmt ihn in Besitz. Eine ganz normale Kolonisierung wie vor
180
D O R G O N
vielen Tausend Jahren in der Milchstraße.«
Sam dachte eine Weile über diesen Vorschlag nach. Sicherlich war er auf eine Weise
gerecht, doch auf den zweiten Blick würde es
das Mächteverhältnis deutlich verändern. Wer
wußte den schon, wie viele Kolonien Arkon auf
diese Art errichten würde? Schnell könnte so eine Macht heranwachsen. Auf der anderen Seite
konnten sie sich auch übernehmen und auf eine
Krise zusteuern.
»Die Vorgehensweise muß wohl überlegt
sein, meine Herren«, sprach der Somer.
Cascal stimmte dem zu. »Wir müssen wissen, was uns dort erwartet. Ich schlage vor, daß
wir eine gemeinsame Explorerflotte aufbauen.«
»Ach ja?« rief Jenmuhs grimmig. »Unter
wessen Führung? Ihrer, Cascal?«
Cascal machte einen ratlosen Eindruck, dann
nickte er und sagte: »Ja, zum Beispiel.«
Jenmuhs gestikulierte wild. Terz von Eskor
versuchte das Staatsoberhaupt der Arkoniden
vergeblich zu beruhigen.
»Arkonidische Soldaten werden nicht unter
Terranern dienen! Auf keinen Fall!« brüllte der
fettwanstige Aristokrat.
»Die Arkoniden sollen auch keine Soldaten
schicken, sondern Forscher«, wandte Xavier Jeamour ein.
Eine Weile herrschte Stille. Dann schlug
Sam vor: »Ich denke, wir sollten dieses Thema
mit den anderen Regenten besprechen und für
nächste Woche eine Debatte zu dem Thema Explorerflotte einberufen.«
Die anderen waren damit einverstanden.
Cascal und Jeamour warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Die beiden terranischen Offiziere wußten genau, daß die Arkoniden ihnen
noch Kopfzerbrechen bereiten würden. Sie würden versuchen, so viele Kolonien wie möglich
in ihren Besitz zu bringen, um an Macht zu gewinnen.
»Kommen wir zum nächsten Thema«, meinte der Somer und Generalsekretär.
»Die Pterus stellen nach dem Tod von Saron
einen Eintrag auf Rehabilitierung und Einzug in
das Paxus-Parlament.«
Jenmuhs machte eine abfällige Geste.
»Ich schlage vor, wir besetzen den Planeten
Upanishad und zeigen diesen Eierlegern wo es
Nils Hirseland
langgeht!«
Aurec war von dieser Aussage angewidert.
Jenmuhs hatte während seiner Mitgliedszeit
beim Paxus-Rat keinen einzigen konstruktiven
Vorschlag gebracht.
»Ich denke, wir sollten den Pterus eine Bewährungsfrist von 6 Monaten auferlegen. Wenn
sie sich in dieser Zeit friedlich benehmen, steht
nichts im Wege, sie als vollwertige Mitglieder
anzusehen«, sprach der Saggittone.
Bis auf den Arkoniden Jenmuhs waren alle mit seinem Vorschlag einverstanden. Selbst
Nor’Citel hatte nichts dagegen. Der Corun von
Paricza arbeitete an seinen eigenen Plänen.
*
Während die Sitzung der Ratsmitglieder
weiterging, verließen Joak Cascal, Xavier Jeamour und Terz von Eskor den Sitzungssaal. Die
drei Soldaten schwiegen. Erst Jeamour brach
das Schweigen.
»Bedauerlich, daß wir so viele Differenzen
haben.«
Terz von Eskor fühlte sich angesprochen.
Der hochgewachsene Mascant blickte Cascal
und Jeamour an.
»Das läßt sich nicht ändern. Wir sind dazu
da, um mögliche Konflikte zu verhindern, oder,
wenn sie denn eskalieren, schnell eine Entscheidung herbeizuführen.
Ich persönlich wäre ganz froh, wenn wir
einem Wettstreit im Kolonisieren organisieren
würden. Es würde zeigen, wer der bessere ist.«
Cascal konnte nicht verstehen, warum die
Arkoniden so desinteressiert an einer friedlichen Koexistenz waren. Warum waren sie nach
Cartwheel gekommen? Nur um das große Kristallimperium weiter auszudehnen? Hatten sie
denn wirklich kein Interesse, am Projekt von
DORGON mitzuwirken, welches letztendlich
auch zu ihrem Schutz war?
Cascal ließ die Aussage von Eskor unkommentiert und verabschiedete sich höflich von
dem obersten arkonidischen Militär auf der Insel.
Jeamour und er liefen in die Sektion des
Terra-Blocks. Das gesamte Regierungsgebäude
war in 50 verschiedene Sektionen untergeteilt.
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
Für jedes Volk eine einzelne Sektion. Natürlich
lagen die Bereiche für alle Terra-Block-Völker
zusammen. Dort arbeiteten etliche Beamte, die
zur Betreuung der Delegierten notwendig waren.
Joak Cascal begegnete Henry Portland, der
einige Unterlagen in der Armbeuge trug.
»Ah, Flakk. Gut, daß ich Sie treffe. Haben
Sie kurz Zeit?« wollte Cascal wissen.
»Natürlich, Sir!«
Die beiden setzten sich in einen Besprechungsraum. Auch Jeamour setzte sich hinzu.
Es ging um die Aufrüstung der Flotte des TerraBlocks. Joak Cascal wollte die Ultraschlachtschiffe wieder einführen. Er hatte vorgesehen
eine neue schlagkräftige Raumflotte von mindestens fünftausend 1000 Meter Kugelraumer
und fünfzig 2500 Meter Raumschiffen in Dienst
zu stellen, die die herkömmlichen 500 und 800
Meter Raumschiff unterstützen sollten.
»Der Marquese will uns einen großen Etat
dafür geben. Jetzt müssen wir aber geeignete Raumwerften finden und Personal für die
Schlachtschiffe«, erklärte Joak Cascal.
Portland sah ihn fragend an. Cascal mußte
schmunzeln. Dieser Portland war ein überkorrekter aber sehr fähiger Offizier.
»Ich möchte, daß Sie den Auftrag übernehmen. Unter Ihrer Anleitung sollen 1500 Ultraschlachtschiffe gebaut werden.«
Portland stieß einen Pfiff aus.
»Das ist ein großer Auftrag und eine ebenso
große Ehre. Ich nehme den Auftrag gerne an,
Sir!«
Cascal hatte nichts anderes erwartet. Doch
er hatte noch mehr Vorschläge. Der Marquese und er waren zu dem Ergebnis gekommen, fünf Raumschiffe herzustellen, deren Größe und Kampfkapazität einmalig in Cartwheel
sein sollte. Damit wollten sie Jenmuhs einen
Hinweis geben und gewappnet für einen Konflikt mit MODRORs Armeen sein.
»Es gibt noch ein anderes Projekt. Kennen
Sie OLD MAN?« fragte Cascal.
Portland nickte.
»Natürlich, Sir. So etwas bekommt man
schon in den ersten Wochen auf der Militärakademie mit. OLD MAN wurde von den Besatzungsleuten der DINO III gebaut. Diese gigan-
181
tische Station sollte Perry Rhodan im Kampf
gegen die Meister der Insel helfen. Jedoch kam
es zu spät und wurde sogar anfänglich von den
Zweitkonditionierten gegen die Terraner genutzt. OLD MAN wurde im legendären Kampf
gegen die Zweitkonditionierten vernichtet.«
»Ganz genau. Wir wollen jetzt fünf Raumschiffkolosse der OLD MAN-Klasse herstellen«, erklärte der Terramarschall. »Sie sollen
als gigantische Raumschiffträger fungieren und
für Raumjäger und Raumschiffe alle Möglichkeiten einer Reparaturwerft bieten. Dabei sollen diese Schiffe aber auch über ein großes
Offensiv- und Defensivpotential verfügen.«
Portland war erstaunt. Nun meldete sich Xavier Jeamour zu Wort: »Sie wissen, das dies eine schwer zu bewerkstellende Aufgabe ist. Wir
haben bei weitem noch nicht genügend Raumschiffwerften und Fabriken. Es dürfte eine Zeit
dauern, bis wir das alles gefertigt bekommen.
Allein die Kosten...«
»...spielen keine Rolle!« fiel Cascal ungehalten ins Wort.
Jeamour nickte schweigend.
»Es geht hier nicht um Geld oder sonst etwas«, fuhr Cascal fort. »Wir brauchen etwas,
womit wir es wirklich gegen MODROR aufnehmen können. Deshalb müssen wir klotzen
und nicht kleckern. Ich würde am liebsten noch
eine BASIS und SOL zur Verfügung haben
oder mindestens zwanzigtausend SAGRITONRaumschiffe produzieren. Je mehr desto besser!«
»Sie vergessen etwas, Cascal«, wandte Jeamour erneut ein. »Die anderen Völker könnten
das als Bedrohung auffassen. Besonders die Arkoniden würden ein Wettrüsten eingehen, was
leicht eskalieren könnte.«
»Dieses Risiko müssen wir eingehen«, sagte
Cascal knapp.
Er gab Henry Portland letzte Instruktionen,
dann verabschiedete er sich. Jeamour war etwas ungehalten, daß Joak Cascal nicht auf seine
Worte gehört hatte, doch er mußte wohl damit
leben. Sicherlich hatte Cascal auf seine Weise
recht, aber Jeamour wußte nicht, welche Gefahr
realer war – MODROR oder die Arkoniden.
D O R G O N
182
3.
Streben nach der Macht
Katschmarek und Niesewitz saßen gelangweilt an dem Tresen und stierten auf ihr Bier.
Sie wußten nichts mit sich anzufangen, seitdem
sie auf der Insel waren.
Zwar hatte ihn der Marquese von Siniestro
Arbeit angeboten, doch er schien sie vergessen
zu haben, nachdem er mit den meisten Stimmen in den Paxus-Rat gewählt wurde. Der alte
Spanier war ein gemachter Mann, doch die beiden Deutschen aus dem 20 Jahrhundert blieben
mehr oder weniger auf der Strecke.
Zwar hatten sie genügend Geld, denn nicht
umsonst hatten sie sich auf dem Schloß des
satanischen Fürsten Prosperoh bereichert, doch
sie wußten nichts damit anzufangen.
Niesewitz wollte nicht auf der faulen Haut
liegen. Er wollte mit dem Vermögen arbeiten
und etwas Macht erlangen.
Katschmarek hingegen war eigentlich mit
der derzeitigen Situation zufrieden. Er verpraßte das Geld für Frauen, Kleidung und Schnaps.
Der heutige Tag bildete da keine Ausnahme. Niesewitz und er saßen in der Kneipe »Der
Raumwolf«. Sie war eine Spelunke in der eher
zwielichtige Subjekte verkehrten. Es war eine
Absteige für all diejenigen, die weniger dem
Ruf DORGONs nach Cartwheel gefolgt waren,
als mehr auf die Chance gehofft hatten, einen
Vorteil aus dem Projekt zu erlangen.
Hier saßen nun auch Reinhard Katschmarek und Werner Niesewitz. Katschmarek nahm
einen kräftigen Schluck von seinem Bier und
rülpste anschließend herzhaft.
»Das mußte mal gesagt werden«, kommentierte er sein schlechtes Benehmen.
Niesewitz blickte auf seine Uhr.
»Wo bleiben die denn?« murmelte er kaum
verständlich.
Schon nach wenigen Minuten wurde seine Frage beantwortet – Karl-Adolf und Ottilie
Braunhauer betraten die Gaststätte.
Die beiden alten Rentner hatten das Gesicht
zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzogen
und schlurften langsam in Richtung Niesewitz
und Katschmarek. Ottilie wankte dabei ver-
Nils Hirseland
dächtig von einer Seite zur anderen. Man mußte
kein Doktor sein, um zu wissen, daß sie sternenhagelvoll war.
»Huhu Wernerchen und Reinichen«, begrüßte sie die beiden alten Deutschen mit einem
dicken Schmatzer auf den Mund.
Dabei wäre sie nicht nur beinahe hingefallen
sondern hätte auch Niesewitz mit dem Alkoholgestank ihres Atems noch erstickt.
»Jetzt muß ich mich erst einmal setzen«,
murmelte sie und ließ sich auf den Stuhl fallen,
der sich automatisch an ihr Gewicht und ihren
Körperbau anpaßte, um der alten Frau auf dieser Weise die bequemste Sitzposition zu ermöglichen.
Eine Bedienung kam und fragte nach den
Wünschen der Braunhauers. Die Bedienung
war slawischen Typs und sehr attraktiv.
Sowohl Niesewitz und Katschmarek als auch
Karl-Adolf Braunhauer waren von dieser Art
der Bedienung sehr angetan.
»Ein Bier«, bestellte Braunhauer.
»Ach Quatsch, gleich einen ganzen Kasten
und dazu noch zwei Flaschen Vurguzz«, mischte sich Reinhard Katschmarek ein.
Die Bedienung nickte und machte sich an die
Arbeit. Sie ging wieder zum Tresen und wurde
von einem bärtigen dicken Plophoser festgehalten.
Er machte keinen sonderlich sympathischen
Eindruck und blickte sie grimmig an. Dann bekam er einen leidenschaftlichen Kuß von ihr
und war zufrieden.
Die vier Terraner beachteten den Aufseher
der Kneipe gar nicht, sondern erzählten sich
Anekdoten aus längst vergangenen Epochen.
Nachdem die Tresenbedienung das Bier gebracht hatte, konnte der gemütliche Abend erst
so richtig losgehen. Katschmarek hielt die Bedienung am Arm fest und fragte nach ihrem Namen.
»Mein Name ist Haggy«, antwortete die Terranerin mit einem Lächeln.
»Gut, Haggy! Dann trink mit uns einen Vurguzz. Nur einen kleinen, bitte!« bettelte Reinhard Katschmarek und faßte ihr um die Hüfte.
Der Barkeeper, ein Plophoser mit Namen
Reiko sah es gar nicht gerne, wenn Gäste mit
seiner Lebensgefährtin Haggy flirteten.
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
Er ließ von der Gruppe ab und richtete sein
Augenmerk auf den neuen Gast, der gerade zur
Tür hereinkam. Er hatte einen grauen Schnurrbart und graue Haare. Sein Erscheinungsbild
war gepflegt und wirkte fast schon elegant.
Irgendwie paßte er nicht in diese Kneipe.
Doch solange er gut zahlte, war hier jeder herzlich willkommen.
Der Terraner im mittleren Alter ging auf Reiko zu und begrüßte ihn freundlich.
»Ich hätte gerne einen doppelten Vurguzz.«
»Kommt sofort«, brummte Reiko und füllte
ein Glas mit dem grünen Getränk.
Der Terraner nahm das Glas und setzte an.
Dann fiel sein Augenmerk auf die illustre Runde am anderen Ende des Raumes.
»Gute Stimmung scheint hier wohl garantiert
zu sein«, sprach er und fing an breit zu grinsen.
»Hey, die Alte auf dem Schoß von dem
Knacker hat aber dicke Dinger«, meinte der Terraner lüstern und zeigte Reiko damit, daß diese
feine Schale nur Fassade war.
Reiko blickte ihn nur mürrisch an und machte sich daran, ein paar Gläser abzuwaschen. Der
Terraner beschloß, sich zu der Runde zu gesellen.
»Ach komm schon Haggy, einen noch. Auf
fünf Beinen kann man doch nicht stehen«, lallte
Katschmarek und versuchte die hübsche Slawin
immer noch zu verführen.
»Du wirst auch auf 100 Beinen nicht mehr
stehen können, soviel wie du getrunken hast«,
erklärte sie mit einem frivolen Grinsen und ging
wieder an den Tresen.
Reinhard wollte noch etwas erwidern, da
kam der andere Terraner an den Tisch.
»Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist
Peter Roehk, Makler von Beruf.«
»Tag«, sagte Niesewitz und beachtete den
Mann nicht weiter.
»Oh, welch wundervolle Blume doch in diesem Raum ist«, schmeichelte Roehk Ottilie
Braunhauer und küßte ihre Hand.
Die alte Frau war sehr angetan von dem netten Mann und bat ihn, sich mit an den Tisch
zu setzen. Ihr Mann und Reinhard Katschmarek unterhielten sich unterdessen über den Verfall der Moral durch den Einfluß von außerirdischem Abschaum und leerten dabei ein Bier
183
nach dem anderen.
»Zu Monos Zeiten war das alles noch anders...« jammerte Karl-Adolf und flößte sich
den nächsten Vurguzz ein. Grüner Speichel
rann aus seinem Mundwinkel, da er das Gebräu offensichtlich nicht in einem Zug herunterschlucken konnte.
»Du hast da was, Vatichen«, lallte Ottilie und
nahm ein Tuch, womit sie ihm den Speichel abwischte.
»Laß das, du dumme Kuh!« meckerte er sie
an und verzog das Gesicht wieder zu einer Leidensmiene.
»Herr Braunhauer, sehen Sie mal. Ist das
nicht ein kunstvolles Gemälde? Es heißt ›Hemmungslos‹.«
Peter Roehk setzte sich zu Karl-Adolf und
Reinhard Katschmarek, um ihnen das Bild zu
zeigen. Es stellte zwei weibliche Terranerinnen
beim Geschlechtsakt dar.
Katschmarek und Braunhauer grinsten über
beide Ohren als sie das Bild sahen.
»Wahrhaftig, ein kunstvolles Portrait«,
meinte Karl-Adolf.
»Jo, echt toll«, kommentierte Reini das Bild.
»Du bist mir sympathisch, Peter!« stellte der
Deutsche fest und goß drei Vurguzz nach und
stieß mit Roehk und Braunhauer an, während
Ottilie Braunhauer mal wieder die Geschichte
erzählte, warum sie denn überhaupt nach Cartwheel gezogen sind.
»Es ist ja alles wegen Vatichens Cousine Inge. Die liebe, gute Inge Bohmar. Sie hat doch so
viel Geld und Aktien und wollte in Cartwheel
eine... eine... eine... na, wie heißt das Ding, wo
man die Dinger für die Dinger herstellt?«
Niesewitz blickte sie verwirrt an und wußte
überhaupt nicht, wovon sie sprach.
»Raumschiffteile, Ottilie!« brüllte KarlAdolf und stieß dabei auf.
»Mahlzeit!« entgegnete ihm seine Frau und
nahm einen kräftigen Schluck aus der Vurguzzflasche.
»Genau, also eine Fabrik zur Erstellung
von... von... von...«
»Raumschiffteilen«, ergänzte Niesewitz.
»Genau, diese Dinger eben. Doch da wurde
sie auf einmal geisteskrank. Die Ärzte meinen,
die Luft bekommt ihr hier nicht. Sie glaubt doch
184
D O R G O N
tatsächlich, daß ihr Mann Werner und ihr Hund
Bandit noch leben. Doch... die... die... sind...
schon seit Jahren tot.«
»Das ist übel«, kommentierte Niesewitz die
Story.
»Und weshalb kümmert ihr euch um sie?«
wollte er wissen.
»Na, Inge und ich waren ja immer gute
Freunde gewesen und Vatichen ist ihr letzter
Verwandter. Irgend jemand muß ja die Firma
leiten. Das macht Vatichen und ich kümmere
mich um meine gute Freundin Inge«, erklärte
Ottilie.
Niesewitz grinste. Er wußte genau, daß nicht
die Fürsorge Motivation für die weite Reise in die Galaxis Cartwheel war, sondern die
Habgier. Die Braunhauers rechneten sich gute
Chancen aus, sollte Inge Bohmar für unzurechnungsfähig erklärt werden.
Da Karl-Adolf ihr einziger Verwandter war,
konnte er in der Tat die Kontrolle über ihre Aktien und ihre neugegründete Firma bekommen.
Damit waren die Braunhauers gemachte Leute.
Ein sehr kluger Schachzug der beiden, den Niesewitz ihnen gar nicht zugetraut hatte.
»Was machst du denn überhaupt hier?« wollte Katschmarek von Peter Roehk wissen, der
sich sehr gut mit den vier Artgenossen verstand.
Roehk lehnte sich zurück und verschränkte
die Arme hinter dem Kopf.
»Ich bin Makler. Ich vermittele Unternehmern alles, was sie brauchen. Gute Ideen,
Raumschiffe und Immobilien aller Art.«
Katschmarek nickte wohlwollend. KarlAdolf Braunhauer saß regungslos auf dem Stuhl
und starrte vor sich hin. Nur das Scharren seines
rechten Fußes gab den Anwesenden die Gewißheit, daß der alte Terraner noch lebte.
Der Alkohol zeigte langsam bei allen Beteiligten seine Wirkung. Ottilie lallte nur noch vor
sich hin und bekam nicht mehr viel mit.
»Peter, wir haben viel Geld, wissen aber
nichts damit anzufangen. Hast du vielleicht eine
gute Idee?« wollte Niesewitz wissen.
Er glaubte eigentlich nicht daran, daß Roehk
ihm und Katschmarek weiterhelfen konnte.
»Wir haben hier drei Gruppen von Wesen auf
der Insel«, begann Roehk. »Einmal die Wesen,
die dem Ruf DORGONs gefolgt sind, dann die
Nils Hirseland
Leute, die dem Ruf der Habgier gefolgt sind, zu
denen wohl wir gehören und zuletzt ihre Frauen
und Kinder. Und wonach sehnen sich diese?«
Katschmarek und Niesewitz sahen sich verdutzt an.
»Woher sollen wir denn wissen, was diese
Lausbuben interessiert?« mischte sich nun auch
Karl-Adolf ein.
»Feiern, Trinken und Sex. Das ist schon immer so gewesen. Die Jugendlichen brauchen
Zerstreuung und wollen ihre Jugend genießen.«
»Kneipen gibt es viele«, wandte nun Reiko
plötzlich ein, der hellhörig geworden war.
Roehk grinste überlegen. »Das mag sein,
aber es gibt keine fliegende Disko. Es gibt kein
Raumschiff, das durch die Insel fliegt und nur
Party macht!«
»Worauf willst du hinaus?« wollte Nieswitz
wissen.
»Ganz einfach. Ich bin im Besitz eines 500
Meter Kugelraumers, ihr habt das Geld und die
Braunhauers haben eine Ersatzteilfabrik. Damit
haben wir alles, um aus dem Kahn einen Luxusliner zu machen, quasi eine fliegende Disko.
Damit locken wir eine Menge Leute an, da es so
etwas hier noch nicht gibt.«
Katschmarek und Niesewitz dachten kurz
darüber nach, dann grinste Werner Niesewitz
und schüttelte die Hand von Peter Roehk.
»Die Idee klingt gut. Wir sind die Kapitalgeber und du der Geschäftsführer«, schlug der alte
Deutsche vor.
Roehk war damit einverstanden.
»Und was machen wir?« wollte Ottilie wissen.
»Das was ihr schon immer am besten konntet; verwalten! Karl-Adolf wird sozusagen der
Raumschiffmeister und Oberbefehlshaber der
Sicherheitsleute.«
»Das klingt gut«, blubberte Karl-Adolf
Braunhauer.
Katschmarek nahm noch einen kräftigen
Schluck aus der Flasche, bevor er nach einem Geschäftsführer und Personal für die Disko
selbst, die Sicherheit und das Raumschiff fragte.
»Ich kenne da einen Ferby H«, meinte Roehk. »Der Typ ist ein bekannter Drogenhändler.
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
Nebenbei ist er noch Discjockey auf Terra gewesen. Doch er hat das Drogengeschäft vorgezogen. Vielleicht könnten wir mit ihm ins Geschäft kommen.«
Die anderen stimmten zu. Plötzlich räusperte sich Reiko. Die anderen blickten ihn abfällig
an, als er verlegen grinste.
»Ich... ich kenne da ein paar Leute, die die
Bewirtschaftung übernehmen würden. Ich und
Haggy und ein paar andere...«
Katschmarek hatte nichts dagegen und auch
Niesewitz fand die Idee einwandfrei.
»Um das Personal kümmere ich mich«, erklärte Roehk.
»Damit werden wir einen Haufen Geld verdienen«, frohlockte Niesewitz und stieß mit den
anderen an.
Reiko fing nun richtig an zu lachen, da er
glaubte, er hätte eine Chance bekommen.
Ottilie rappelte sich auf und versuchte sich
hinzustellen. »Ich muß mal...«
Zwei, drei Schritte schaffte sie noch, dann
fiel sie platschend zu Boden. Karl-Adolf verzog
das Gesicht zu einer gequälten Fratze.
»Reiko! Dein erster Dienst für uns. Setze
Frau Braunhauer wieder in den Sessel!« kommandierte Katschmarek.
»Ich weiß auch nicht, warum immer mir das
passieren muß. Mir ist wieder so schwindelig
geworden«, jammerte die alte Frau.
Reiko zögerte etwas und hätte am liebsten
auf sie eingetreten, doch er wollte den Job haben und half ihr darum wieder in den Sessel.
Danach ging die Feier noch bis in die frühen
Morgenstunden. Solange bis die Flaschen leer
und die Feiernden sternhagelvoll waren.
4.
Vorbereitungen für die Party
des Jahrhunderts
In den nächsten zwei Tagen hatte sich nichts
von Bedeutung zugetragen. Vielmehr nutzten
Roehk, Katschmarek, Niesewitz und die Braunhauers die Zeit, um sich von ihrem Saufgelage
zu erholen.
Roehk war als erstes wieder fit und begann einige Firmen mit dem Umbau seines 500
Meter Kugelraumers zu beauftragen, während
185
Katschmarek und Niesewitz eigentlich nichts
taten, außer das Geld zu geben.
Wenige Tage später begannen sie die Werbetrommel zu rühren. Doch bevor eine großangelegte Marketingaktion gestartet wurde, galt es
zuerst einen Namen und ein Programm für den
Disko-Raumer zu finden.
An einem sonnigen Tag fuhren Roehk,
Katschmarek, Niesewitz und Reiko mit einem
Gleiter in ein Nobelviertel der Hauptstadt Mankinds, New Terrania.
Sie hielten an einer Villa, die streng bewacht
wurde. Reiko bekam es mit der Angst zu tun, als
er die schwerbewaffneten Topsider und Überschweren an den Toren sah, doch Niesewitz und
Katschmarek blieben gelassen.
Einer der Wächter trat an den Gleiter heran.
Er hatte einen kahlgeschorenen Kopf und wirkte nicht sonderlich friedfertig.
»Was wollt ihr? Das ist Privatbesitz von Ferby H, dem König hier. Haut ab!« schnauzte der
Mann die Besucher an.
Niesewitz lachte überlegen.
»Hör mal zu, du unterbelichteter Affe. Wir
sind Gäste und Geschäftspartner Ferbys!«
Der unfreundliche Wächter griff zu seiner
Waffe und zielte auf Niesewitz. Der alte Deutsche wurde plötzlich bleich und schrie um sein
Leben.
»Halt!« rief ein Terraner, der zu dem Gleiter
eilte. Er hatte kurz Haare und ein vom Leben
gekennzeichnetes Gesicht.
»Was machst du denn da, Dumbo? Wie soll
Ferby dich denn bezahlen, wenn du alle unsere Gäste über den Haufen schießt? Das ist
nicht gut!« meckerte der Terraner und fuchtelte
mit dem Zeigefinger hin und her. »Jetzt mach’
Platz, knabbere weiter an deinem Knochen und
überlasse mir die Sache.«
Der Wächter hörte auf seinen Vorgesetzten
und ging zurück ins Wachhaus, wo er grimmig
auf den Gleiter starrte.
Der Terraner wandte sich an die Gäste. »Ich
bitte vielmals um Entschuldigung. Sie müssen
wissen, daß unsere Sicherheitsleute erst schießen, danach nochmals draufhalten und dann erst
die Fragen stellen. Man nennt mich Dykkar. Ich
bin die rechte Hand des großen Ferby H, der
186
D O R G O N
gerne bereit ist, Ihnen eine Audienz zu gewähren.«
»Danke«, sagte Niesewitz.
Dykkar schien ihm sympathisch. Außerdem
legte der Terraner einen gewissen Sarkasmus,
aber auch Intelligenz an den Tag. Das gefiel
Niesewitz.
Der Gleiter schwebte zur prächtigen Villa
des Ferby. Dykkar führte die Gäste durch das
Haus in den Garten. Dort befand sich ein großer
Swimmingpool, in dem einige Mädchen badeten.
Auf einer Liege lag dann Ferby selbst. Er
sonnte sich und beachtete die Gäste gar nicht.
Genüßlich nuckelte er am Strohhalm seines
Cocktails.
»Das ist Ferby. Er ist der einzige Vampir, der
sich nicht von Blut, sondern ausschließlich von
Alkohol ernährt«, erklärte Dykkar scherzhaft.
Dann bat er Niesewitz, Roehk, Katschmarek und Reiko sich hinzusetzen. Ferby ignorierte die vier immer noch.
Erst als Dykkar ihn auf sie aufmerksam
machte, hob Ferby langsam den Kopf in Richtung des Tisches. Dann stand er auf.
Um seinen Hals trug der kurzhaarige Terraner mit einem leicht aufgequollenen Gesicht eine schwere Goldkette und an den Fingern Ringe, die mit Juwelen besetzt waren. Langsam
schritt er auf seine Gäste zu.
Niesewitz und Roehk merkten sofort, daß
dieser Mann viel von sich selbst hielt und es sicher nicht leicht sein würde, ihn auf das Raumschiff zu bekommen.
Ferby nickte leicht, dann setzte er sich hin
und sah die Ankömmlinge fragend an.
Roehk begann das Gespräch.
»Ferby, du bist uns bestens bekannt. Deine
Qualitäten als Leiter des ARAKO in Terrania
sind legendär. Du hast den Schuppen zu der beliebtesten Diskothek auf der ganzen Erde gemacht«, begann er.
Ferby schwieg.
Unsicher ergriff Roehk wieder das Wort.
»Na ja, und da dachten wir uns, ob du nicht vielleicht... eventuell...«
Ferby blieb weiterhin ruhig, was Roehk zu
schaffen machte. Irgendwie lief ihm ein Schauer über den Rücken, als er Ferby genauer be-
Nils Hirseland
trachtete. Von dem Mann ging eine seltsame
Ausstrahlung aus.
Niesewitz hatte weniger Probleme, sich zu
artikulieren. »Wir wollen es kurz machen. Meine Teilhaber und ich planen, einen DiskoRaumer zu bauen. Er ist soweit schon fertig,
was uns allerdings noch fehlt ist ein Programm
und jemand, der sich in der Szene auskennt.
Deshalb sind wir zu dir gekommen. Wir bieten dir fünfzehn Prozent aller Einnahmen und
bei Erfolg des Jungfernflugs einen FünfjahresVertrag.«
Ferby sagte immer noch nichts. Er blickte
kurz auf den Boden und schien darüber nachzudenken.
»Fünfzehn Prozent? WOW, dafür würde ich
sogar meine Oma verkaufen. Gott habe sie selig«, warf Dykkar ein.
Ferby sah ihn kurz an, dann nickte er stumm.
»Was denn nun? Kannst du nicht sprechen?«
Katschmarek war über die Art schon ungehalten.
Ferby Hätte normalerweise jeden sofort umgelegt, der ihn auf diese Weise beleidigte, doch
er hatte sich über Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek schon im Vorfeld informiert.
»Ich akzeptiere«, sprach Ferby kurz und
knapp.
Niesewitz lächelte und schüttelte die Hand
seines neuen Geschäftsführers des Unterhaltungssektors.
»Aber ich möchte die Exklusivrechte an dem
Drogenverkauf, der Prostitution und des Glückspiels haben«, erklärte er.
»Gut, doch davon wollen wir dann fünfzehn
Prozent der Einnahmen haben«, meinte Niesewitz.
Roehk war etwas schockiert über die Unverfrorenheit der beiden, doch die Verlockung des
Geldes war weitaus stärker als sein Gewissen.
»Was macht Reiko hier?« wollte Ferby letztendlich wissen.
»Ihr kennt euch?« fragte Roehk erstaunt.
Reiko blickte verlegen auf den Boden, während Ferby überlegen lächelte. »Ja, er hat früher
im ARAKO gearbeitet, bis er glaubte, hier mehr
Erfolg zu haben.«
Reiko stand auf und ging zu Ferby. Nieswitz
und Roehk beobachteten das Schauspiel mit In-
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
teresse, während Reinhard Katschmarek lieber
den Badenixen im Pool zuschaute.
»Ich organisiere die Bedienungs-Crew«, erklärte Reiko seinem alten und neuen Chef.
Ferby nickte unmerklich.
»Ich habe einen fähigen Mann für die Sicherheit an Bord an der Hand. Sein Name ist Darvos. Er und seine Truppe sind für diesen Job
prädestiniert.«
Nieswitz meldete sich wieder zu Wort.
»Kümmerst du dich um die Details? Wir sind
vielbeschäftigte Leute. Die Politik, verstehst
du?«
Als Antwort bekam Niesewitz nur ein
schwaches Nicken. Katschmarek, Roehk und
Nieswitz verabschiedeten sich von ihrem neuen Partner.
»Ach, bevor ich es vergesse. Wie soll der
Kahn eigentlich heißen?« wollte Ferby wissen.
Nieswitz und Katschmarek blickten sich fragend an.
»Mach du einen Vorschlag«, meinte Roehk.
Ferby überlegte kurz, dann sagte er: »BAMBUS.«
*
Reiko hatte seine ehemaligen Kollegen zu einer Besprechung in den Raumwolf eingeladen.
Auch Ferby H, Dykkar und Peter Roehk waren
anwesend.
Niesewitz und Katschmarek blieben der Besprechung fern. Sie hatten sich vorgenommen,
den Status der unantastbaren Auftraggeber erlangen.
Bienya Scolar und ihre jüngere Schwester
Kathy waren als erstes im Raumwolf. Sie begrüßten Haggy freundlich, doch für Reiko hatte
zumindest Kathy wenig übrig. Ihre Schwester
Bienya hingegen mochte den grimmigen und
unfreundlichen Plophoser immer noch sehr gerne.
Bienya war schlank und hochgewachsen,
hatte kurze blonde Haare und braune Augen. Ihre Schwester Kathy war auch schlank und hochgewachsen, besaß knapp bis zur Schulter lange
brünette Haare und besaß neben ihrem Traumkörper ein freundliches Wesen.
Ihre ältere Schwester wirkte etwas ver-
187
brauchter als Kathy, war aber ebenfalls sehr attraktiv. Wenngleich sie auch ziemlich launisch
und sehr scharfzüngig war.
Genauso wie Haggy und die anderen hatten
die Scolar-Schwestern früher auch im ARAKO
gearbeitet und waren Reikos Idee gefolgt, die
jedoch gründlich daneben gegangen war.
Als nächstes kamen Stony und Krizoff.
Stony stammte von Terra und Krizoff von
Olymp. Beide arbeiteten schon früher im ARAKO als Tresenbedienung. Stony legte ab und zu
auch als DJ auf.
Krizoff hatte eine hohe Stirn und ein feistes
Gesicht. Er sah immer etwas wehleidig und verbraucht aus, doch auch er war von freundlicher
Natur.
Stony war auch ein netter Kerl, der wie Krizoff, keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte. Im Gegensatz zu Darvos und seiner Truppe,
welche eben gerade das Lokal betraten.
Darvos Mannschaft, bestehend aus Oxtorner
und Ertruser, hatte an Bord die einfache Aufgabe, erst zuzuschlagen und dann Fragen zu stellen.
Als letztes kamen zwei Terraner, die wie das
Komikerpärchen Dick und Doof wirkten. Der
eine war ein hochgewachsener Blonder Terraner, der allerdings den Eindruck machte, als
konnte er nicht bis zwei zählen. Der andere war
ein mittelgroßer dicker Terraner mit Brille und
für sein junges Alter bereits stark schütterem
Haar.
Der Große hieß Vekner, der Dicke trug den
Namen Yan Cruze. Er hatte bereits unter Ferby
H als Leiter des Tresenservice gedient. Vekner
war ein Faktotum zur besonderen Verwendung.
Meistens zur Beschaffung von Genußmitteln.
Nachdem die Beteiligten versammelt waren,
stellte Peter Roehk sich vor. Er gab einen kurzen
Umriß über den geplanten Flug der BAMBUS
und stellte Ferby H als ausführendes Organ vor,
der im Auftrage der drei Teilhaber handelte.
Ferby kannte die meisten bereits und hatte
sie als gutes Personal in Erinnerung behalten.
Jeder von ihnen wurde für die BAMBUS eingestellt.
Abschließend hatte Roehk noch einige Bemerkungen.
»Ziel dieses ganzen Unternehmens ist es
D O R G O N
188
nicht, nur etwas Geld zu machen und die Besucher zu unterhalten, sondern die Nummer Eins
in Cartwheel zu werden. Jeder soll die BAMBUS kennen und lieben«, erklärte er.
»Lassen wir Bienya oben ohne servieren,
dann wird bestimmt jeder die BAMBUS lieben«, scherzte Dykkar.
Bienya warf ihm einen vorwurfsvollen Blick
zu, konnte sich das Grinsen aber auch nicht verkneifen.
»Wir werden Einladungen an Aurec,
Nor’Citel, den Marquese, Sam und Uwahn
Jenmuhs verschicken«, betonte Roehk.
Stony hob die Hand.
»Ja?«
»Wer sind diese Typen denn? DJs? Sportler?«
Roehk schüttelte nur den Kopf. Ferby erklärte, daß diese Leute die wichtigsten Männer in
Cartwheel waren und zu absoluten Ehrengästen
zählen würden, die mit besonderer Höflichkeit
behandelt werden sollten.
Von Ferbys Nebenverdienst mit Drogen und
Prostitution erwähnte er den Angestellten über
nichts. Nur Reiko und Dykkar, sowie einige
eingeweihte Sicherheitsleute, zu denen Darvos
nicht gehörte, wußten Bescheid.
»Also gut!« Ferby schlug in die Hände und
rieb sie sich. »In zwei Wochen soll es losgehen,
dann geht die Party des Jahrhunderts ab!«
5.
Ein Dinner zu dritt
Uthe Scorbit hatte sich nach dem Streit vor
einigen Tagen mit ihrem Mann Remus beschlossen, zusammen mit Anica die Einladung
von Uwahn Jenmuhs anzunehmen.
Der Auslöser war wieder Helge von Hahn
gewesen, mit dem sich Remus in letzter Zeit
viel zu viel herumtrieb. Daher war die Stimmung in letzter Zeit zwischen beiden etwas gereizt. Auch das Auftauchen ihres Schwagers Jan
Scorbit und ihrer guten Freundin Yasmin Weydner konnte das nicht wieder gutmachen.
Remus hatte sie beschworen, nicht zu diesem Essen zu gehen. Er erinnerte seine Frau an
Jenmuhs grausamen Bruder Hajun.
Nils Hirseland
Doch Uthe war in dieser Hinsicht stur. Einerseits war sie sauer auf Remus Scorbit, da er in
letzter Zeit viel Zeit mit Helge von Hahn verbrachte. Zum anderen wollte sie ihrer Aufgabe als Sozialbeauftragte im Terra-Block nachgehen und sich mit anderen Politikern über die
Sozialstruktur unterhalten.
Sie war der festen Überzeugung, daß sie einiges erreichen konnte. Jedes Wesen in Cartwheel sollte laut Sam die gleichen Rechte haben. Das hatte Uthe beeindruckt und sie wollte
alles tun, um den Traum Sams zu verwirklichen.
Der letzte Grund war, daß Uwahn Jenmuhs anscheinend ein Auge auf die naive Anica geworfen hatte und Uthe ihre Freundin aus
Zechon beschützen wollte.
Außerdem geschah dieses Treffen unter dem
Deckmantel der Diplomatie. Selbst Jenmuhs
würde keinen galaktischen Krieg riskieren, nur
um sich rächen zu wollen. Wer weiß, vielleicht
war er auch ganz anders als sein verstorbener
Zwillingsbruder, obwohl Uthe nicht dieses Gefühl bei der ersten Begegnung gehabt hatte.
Uthe Scorbit und Anica waren vor vier Stunden mit dem 100 Meter Kugelraumer KIEW V
nach Bostich aufgebrochen. Der Grund, warum
Anica überhaupt mitkam, war, daß Jenmuhs sie
als eine Art Vertreterin der Zechonen ansah und
die Kultur dieser Galaxis näher kennenlernen
wollte.
Anscheinend besaß er doch mehr Niveau und
Anstand als erwartet. Uthe versuchte etwas zu
schlafen, während Anica nur vor sich hin stierte, wie sie es so oft tat. Uthe bemerkte dieses
Verhalten und war traurig darüber. Sie hatte sogar Ärzte konsultiert, doch die konnten ihr auch
nicht weiterhelfen. Die Zechonen standen einige Technologiestufen unter den Galaktikern. Jaquine konnte sich zwar besser einleben, doch
Anica besaß eine natürliche Naivität, die alles
noch erschwerte.
Der Kommandant des Raumschiffes gab
Uthe Scorbit Bescheid, daß man den Planeten
erreicht hatte. Sofort näherten sich knapp ein
Dutzend schwerbewaffnete Raumschiffe, die
den fünffachen Durchmesser der KIEW V besaßen.
Uthe beschloß, in die Kommandozentrale zu
gehen. Beim Anblick der zwölf arkonidischen
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
Schlachtschiffe war ihr nicht sonderlich wohl.
Der Funker informierte zu dem Zeitpunkt
bereits die kleine Wachflotte über das Ziel und
den Grund ihres Besuches.
Das Hologramm eines arkonidischen Militärs erschien in der Zentrale. Es war der Zaliter
Toran Ebur. Er war nicht nur der Repräsentant
der Kolonie Zalit, sondern auch der Stellvertreter des Kriegs- und Verteidigungsministers Terz
von Eskor.
Uthe Scorbit schien viel Beachtung entgegen
gebracht zu werden, wenn der dritthöchste Arkonide auf der Insel Cartwheel sie begrüßte.
Die roten Augen des Zaliters schienen die
junge Terranerin zu durchdringen. Ihr wurde
unbehaglich bei diesem musternden Blick, doch
sie blieb standhaft.
»Ich begrüße Sie, Uthe Scorbit«, erklang die
arrogante Stimme des Zaliters.
Uthe machte eine kleine Verneigung und
sagte: »Ich fühle mich geehrt, von einem hohen
Politiker und Militär empfangen zu werden.«
Toran Ebur verzog keine Miene, statt dessen
antwortete er: »Uwahn Jenmuhs bittet Euch in
zwei Stunden zu einer Audienz. Ihr dürft mit einer Space-Jet und Gefolge auf Hangar 181 auf
dem Palastgebäude landen. Eine Jägereskorte
wartet auf Euch.«
Damit beendete Toran Ebur die Verbindung.
»Reizender Kerl«, murmelte Uthe mehr zu
sich selbst.
»Soll ich die Space-Jet startbereit machen
lassen?« erkundigte sich der Kommandant der
KIEW, Mustafa Jabduhl.
Uthe nickte kurz. Dann verließ sie die Zentrale und bereitete sich seelisch auf Uwahn
Jenmuhs vor.
*
Die Space-Jet wurde von knapp zwei Dutzend schwerbewaffneten Kampfjägern zu der
Landeplattform 181 eskortiert. Der Palast und
Regierungssitz des Kristallimperiums auf Bostich war beeindruckend, da konnte Mankind
nicht gegenhalten.
Joak Cascal hatte den großen Komplex auf
Mankind IMPERIUM ALPHA, in Anlehnung
an das alte Herz Terranias zu Zeiten des Sola-
189
ren Imperiums, getauft. Er war dabei auf einige heftige Kritiken innerhalb und außerhalb der
Regierung gestoßen, da das Wort IMPERIUM
zu militant sei. Doch der Marquese von Siniestro befürwortete die Umbenennung und konnte sie zusammen mit Joak Cascal letztendlich
durchsetzen.
Doch der Palast Jenmuhs übertraf IMPERIUM ALPHA um einiges. Ein Aufgebot von etwa mehr als zweihundert Soldaten exerzierte an
der Landeplattform. Anscheinend waren sie das
Begrüßungskomitee.
Eine Kapelle spielte »Ode an die Freude«,
der von Ludwig van Beethoven komponierten
Nationalhymne Terras und ihrer Kolonien. Dieses Stück war schon weit vor der Gründung
der Dritten Macht komponiert worden, doch im
Laufe der Jahrhunderte gewann es auf ganz Terra an Bekanntheit, so daß Perry Rhodan diese
Komposition Repräsentationszwecke des Solaren Imperiums ausgewählt hatte. Auch die folgenden Staatsgebilde hatten nichts daran geändert. Nur zu Zeiten der Aphilie hatte es keine
Hymne der Terraner gegeben.
»Oh, sind die alle für uns da?« fragte Anica
mit leuchtenden Augen.
»Ja, scheint so«, entgegnete Uthe leicht angesäuert.
Beide verließen die Space-Jet und beobachteten den sturen militaristischen Ablauf, der
aber zugegebenermaßen sehr beeindruckend
wirkte.
Drei Arkoniden, angeführt von Toran Ebur,
marschierten auf Uthe und Anica zu, nachdem
die Nationalhymne Terras abgespielt war.
Etwa einen halben Meter blieb Ebur vor den
beiden Frauen stehen. Er streckte ihnen seine
Hand entgegen und sprach eine Lobesparole auf
Imperator Bostich I..
»Guten Tag«, erwiderte Uthe gleichgültig.
Sie spürte die Verachtung Eburs gegenüber
Anica und ihr. Eine Weile herrschte Stille, dann
gab sich Toran Ebur einen Ruck.
»Ich geleite Sie zu ihrem Gemach. Wie bereits erwähnt, erwartet Uwahn Jenmuhs Sie und
diese Anica in knapp zwei Stunden.«
Uthe blickte Toran Ebur an. Er war ein stattlicher Arkonide mit langem, wallendem, dunkelblonden Haar und stechenden roten Augen.
D O R G O N
190
Sein Körper war athletisch und muskelbepackt.
Toran war eine durchaus imposante Erscheinung. Doch Uthe wußte, daß sein Charakter
mehr als verdorben war. Manipuliert durch das
nationalistische Gedankengut des Kristallimperiums und all seiner assoziierten Systeme.
»Was ist mit den anderen Delegierten?«
»Die anderen werden morgen anreisen.
Uwahn Jenmuhs wünscht ausdrücklich ein
Abendessen mit Ihnen und Anica. Und nur Ihnen beiden!«
Uthe wurde mißtrauisch, verhielt sich aber
abwartend und ließ sich und Anica in ihre Quartiere bringen.
Diese waren außerordentlich luxuriös und im
Stil des alten arkonidischen Imperiums eingerichtet. Zeitgenössische Skulpturen und Bilder
prägten diesen Eindruck.
»Ich verabschiede mich jetzt von Ihnen. Bedienstete werden Sie in exakt 109 Minuten abholen. Bitte seien Sie pünktlich. Der Kristallkönig Jenmuhs schätzt keine Unpünktlichkeit!«
erklärte Toran Ebur und verließ den Raum, doch
zuvor warf er Uthe und Anica einen verächtlichen Blick zu.
Kristallkönig! dachte Uthe verächtlich. Der
wird immer größenwahnsinniger.
»Also gut, Anica. Dann ziehen wir uns einmal hübsch an.«
»Au ja!« machte Anica und holte ihren Koffer hervor, um sich eine passende Garderobe
zum Abendessen herauszusuchen.
Manchmal beneidete Uthe Scorbit die kleine
Zechonin aufgrund ihrer Einfältigkeit. War das
Leben nicht bedeutend einfacher, wenn man es
gar nicht richtig verstand und in seiner eigenen
kleinen Welt lebte?
*
Ziemlich genau 109 Minuten später summte die Türklingel. Uthe lief zur Tür. Sie trug
ein langes schwarzes Kleid und hatte ihre Haare hochgesteckt. Sie bot in ihrem Kleid einen
traumhaften Anblick.
Sie öffnete die Tür, dahinter kam ein Naat
zum Vorschein. Uthe erschrak beinahe, denn sie
vergaß immer wieder, wie groß die Vertreter
dieses Volkes waren.
Nils Hirseland
Der Naat verneigte sich unterwürfig und bat
Uthe mit einer Geste ihr zu folgen. Die Terranerin rief Anica, die aus dem Bad gewatschelt
kam. Sie trug eine enganliegende schwarzrote
Kombination, die am Bauch und an den Schultern frei war.
»Sehr aufreizend, Anica. Gehst du auf Männerjagd?« fragte Uthe scherzhaft.
Anica erwiderte nur mit einem gellenden Kichern. Uthe beschloß nichts mehr zu sagen und
folgte zusammen mit Anica dem Naat.
Er führte sie durch die prachtvollen Hallen
des Palastes. Unzählige Gemälde und Wandteppiche schmückten die Wand. An jeder Ecke
stand eine Rüstung oder Uniform aus arkonidischer Geschichte.
Glaskästen mit einer schier unerschöpflichen
Waffensammlung reihten sich aneinander. Uthe
glaubte nicht, daß Uwahn Jenmuhs wesentlich anders als sein Bruder Hajun war. Was
bezweckte er mit diesem Essen? Und warum
nur sie und Anica? Das alles ergab wenig Sinn.
Je näher sie dem Saal kam, desto besser wurde eine Musik hörbar. Es waren altarkonidische
Volkslieder, die von der Größe und Macht der
Arkoniden erzählten.
Uthe erschauerte, als sie den Text hörte. Der
Speisesaal war ähnlich pompös eingerichtet wie
die anderen Räume. Ein langer Tisch mit Gedeck für drei Personen stand in Mitten des
Raumes. Am Kopfende saß Uwahn Jenmuhs. Er
erhob sich und ging ein paar Schritte auf Uthe
und Anica zu.
Er trug eine schwarze Uniform, die mit Orden gespickt war. Sein abstoßend schwabbeliger Bauch schien die Knöpfe an der Montur jeden Moment loszusprengen.
Das weiße, verfilzte Haar hing in Streifen
vom Kopf herunter. Die roten Augen leuchteten
geheimnisvoll. Das war Uwahn Jenmuhs. Sofort wurde Uthe wieder an die Zeiten auf der
LONDON II erinnert.
Dort wurden Rosan Orbanashol-Nordment
und sie zum Objekt der Begierde des Zwillingsbruders Uwahns. Er war ein widerlicher und übler Zeitgenosse, der sogar Rosan OrbanasholNordment vergewaltigt hatte. Er genoß es, Lebewesen zu quälen, sie zu demütigen und sogar
zu töten.
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
Hajun hatte einen Okrill besessen, den er mit
Hilfe eines Senders kontrollierte. Uthe und Rosan kamen in Besitz dieses Senders und hetzten
den Okrill auf Jenmuhs, um nicht selbst getötet
zu werden. Damit besiegelten sie das Schicksal
Jenmuhs.
Jenmuhs verneigte sich vor Uthe Scorbit und
Anica.
»Herzlich willkommen auf Bostich. Seien
Sie die Gäste des Kristallimperiums«, sagte er
hochtrabend und bot den beiden Plätze an. Uthe
plazierte sich rechts und Anica links von Jenmuhs. Uthe merkte sofort, daß sein Blick sehr oft
auf Anica fiel.
»Ich danke Ihnen für diese Einladung. Doch
dachte ich, daß es ein gesellschaftlicher Anlaß
für andere Delegierte sei?«
Uwahn Jenmuhs grinste verlegen.
»Sie haben mich ertappt. Ich wollte nur Sie
und Anica einladen. Die anderen Delegierten
interessieren mich einen Dreck. Doch ist es
wohl unausweichlich, daß die Terraner und Arkoniden sich gut verstehen.«
Uthe schien zu verstehen. Ihr war nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, von Jenmuhs
hereingelegt worden zu sein.
»Sie haben eine terranische Politikerin belogen und unter falschem Vorwand nach Bostich
gelockt. Das kann Konsequenzen nach sich ziehen«, meinte Uthe resolut.
Jenmuhs schlug mit den Fäusten auf den
Tisch. Anica schrie vor Entsetzen auf.
»Nichts wird Konsequenzen nach sich ziehen! Weshalb denn? Wer würde es wagen, einen
Krieg mit dem Kristallimperium anzufangen?
Niemand!« brüllte der feiste Kristallkönig und
Statthalter von Bostich.
Uthe starrte Jenmuhs schweigend an. Sie
wußte nicht, was sie sagen sollte. Für einen Moment fürchtete sie um ihres und Anicas Leben.
Dann beruhigte sich Jenmuhs wieder. Er
setzte ein gespieltes Lächeln auf und entschuldigte sich für seinen Wutausbruch.
»Wir wollen uns den schönen Abend nicht
mit Politik ruinieren. Bitte sehen Sie sich doch
die Speisekarte an und bestellen Sie«, sagte er
ruhig und höflich.
»Diener!« brüllte er danach.
Sofort eilte ein Naat herbei und warf sich
191
auf den Boden. Jenmuhs bestellte sich Geflügel, Uthe ebenfalls und Anica bestellte nur eine
Suppe. Rasch erhob sich der Naat und bereitete
die Speisen zu.
Jenmuhs trank einen Wein.
»Ah, ein Hammersburg Heuchelberger. Ein
sehr guter Wein!«
Uthe nickte nur. Eine Weile herrschte Stille
dann ergab man sich in belangloser Konversation bis das Essen gebracht wurde.
Jenmuhs fraß wie ein Schwein. Er nagte die
Knochen ab, schlürfte, schmatzte und rülpste,
daß Uthe schlecht wurde. Anica stierte wie immer teilnahmslos in der Gegend herum.
Jenmuhs warf einen Knochen auf den Boden. Der Naat kam angekrochen und nagte das
restliche Fleisch ab. Jenmuhs lachte grell und
amüsierte sich über diese Demütigung.
»Friß mein Hund, friß!«
Dann gab er dem Naat einen schmerzvollen
Tritt und warf ein Stück Fleisch auf den Boden.
Uthe verabscheute diesen Mann zutiefst.
»Was ist nun der Grund Ihrer Einladung,
Jenmuhs?« wollte Uthe wissen.
Sie befürchtete, daß er doch Rache an den
Tod seines Bruders nehmen wollte und Uthe in
eine sadistische Falle gegangen war.
Jenmuhs wischte sich die Essensreste vom
Kinn ab.
»Es geht mehr um Ihr Mündel Anica«, erklärte er.
»Was ist mit mir?« wollte Anica wissen und
blickte sich fragend um.
Jenmuhs grinste diabolisch. Dann stand er
auf und ging die paar Schritte zur Zechonin.
Er musterte ihren Körper und zitterte vor Erregung.
»Anica, du bezauberndes Wesen. Ich erweise
dir die große Ehre meine Gemahlin zu werden.
Die Hochzeit ist bereits arrangiert. Es steht dem
nichts mehr im Wege«, sprach er hochtrabend.
Uthe Scorbit glaubte, sich verhört zu haben.
Sie stand brüskiert auf und warf die Serviette
auf den Tisch.
»Was erlauben Sie sich?« rief sie aufgebracht und erschrak dabei, denn immerhin
sprach sie mit einem der mächtigsten Männer
Cartwheels.
192
D O R G O N
»Schweigen Sie, Uthe Scorbit! Das geht nur
mich und die hinreißende Anica etwas an. Denke darüber nach, meine Teure. Macht, Reichtum
und jeder nur erdenklicher Wunsch wird dir erfüllt...«
Anica sah Uthe verzweifelt an.
»Was will der jetzt von mir?« fragte sie
nichtsahnend.
»Begriffsstutzige Zicke«, murmelte Jenmuhs, doch er lächelte weiter seine holde Anica
an.
Uthe Scorbit war immer noch überrascht.
Dieses Untier hatte eindeutige Gefühle für die
Zechonin. Eine sehr menschliche Geste.
Dabei mußte Uthe jedoch an »Die Schöne und das Biest«, »Frankenstein« oder »Das
Phantom der Oper« denken. Der Vergleich zwischen Frankenstein und Jenmuhs war jedoch eine Beleidigung für die Roman- und Filmfigur.
»Ich möchte, daß du mich heiratest. Du wirst
meine Frau!« sagte Jenmuhs entschlossen.
Anica begriff jetzt und stand entsetzt auf.
»Nee, du bist doch dick und häßlich. Dich
will ich nicht«, entgegnete sie in ihrer Einfältigkeit.
Uthe zuckte bei diesen harten aber zutreffenden Worten zusammen.
Jenmuhs schien innerlich zu beben. Das
sonst so bleiche Gesicht lief rot an. Angesichts
dieser Beleidigung hätte er am liebsten die beiden Frauen sofort getötet, doch er riß sich zusammen. Er mußte daran denken, daß Uthe
Scorbit zu den Oberen des Terra-Blocks gehörte. Deshalb durfte er jetzt nicht unbedacht handeln.
Aber wie konnte dieses dumme, naive Bauernmädchen ihn ablehnen? Er war der höchste Arkonide in dieser Galaxis und erfüllte den
Auftrag des göttlichen Kaisers Bostich I.. Wie
konnte diese Magd es wagen?
Noch gab er nicht auf.
»Nun gut, es mag vielleicht etwas überstürzt
gekommen sein, dennoch möchte ich dich bitten, deine Entscheidung zu überdenken. Ich
würde dich gerne in der terranischen Botschaft
sehen. Dieser Lester Slote ist ein Widerling. Ich
bin sicher, daß Anica als Gesellschafterin die
Beziehungen zwischen dem arkonidischen Kristallimperium und dem Terra-Block aufbessern
Nils Hirseland
könnte.«
Verdammt! fluchte Uthe in Gedanken. Ein sicherlich guter Schachzug. Der Marquese oder
Cascal würde jede Gelegenheit nutzen, um die
Beziehungen zwischen den beiden Großmächten zu verbessern.
Anica war als Botschafterin natürlich gänzlich ungeeignet, doch als Gesellschafterin von
Jenmuhs konnte sie vielleicht positiv auf ihn
einwirken. Doch Uthe mißfiel der Gedanke,
Anica auf Bostich zurückzulassen. Sicherer lebte sie in der Botschaft und der führende Botschafter Lester Slote war ein fähiger Mann,
doch sicher kein Held, der sie beschützen konnte.
»Häh?« machte Anica, die überhaupt nicht
verstand, was vor sich ging.
»Wir wissen Ihr Angebot zu schätzen, müssen jedoch erst einmal mit dem Marquese von
Siniestro und Joak Cascal darüber sprechen«,
erklärte Uthe ausweichend. »Anica besitzt keinerlei politischen Erfahrungen. Es muß vorher
abgesegnet werden, wenn sie tatsächlich als gesellschaftliche Botschafterin fungieren soll.«
Jenmuhs nickte.
»Gut, und nun entschuldigen Sie mich. Ich
habe viel zu tun. Meine Zeit ist kostbar. Ihr
Raumschiff steht zum Abflug bereit«, sagte er
knapp und deutete auf die Tür.
Uthe fühlte sich von dieser arroganten Art
Jenmuhs mehr als einmal vor den Kopf gestoßen.
Auf dem Rückflug zur KIEW I erklärte Uthe
Scorbit ihrer Freundin Anica, was Jenmuhs vorgeschlagen hatte. Anica war wenig begeistert
und Uthe glaubte nicht, daß etwas aus diesem
Vorschlag werden würde.
Das war ihr auch ganz recht. Sie war froh
wieder auf dem Rückflug nach Mankind zu
sein, denn dieser Jenmuhs war ihr nicht geheuer.
6.
Die BAMBUS
Das gesellschaftliche Interesse richtete sich
in jenen Novembertagen auf der Insel nicht
mehr auf die Politik oder auf die Theorien, was
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
der finstere Cau Thon als nächstes planen würde, sondern auf das 500 Meter durchmessende
Schiff BAMBUS.
Die Umbaumaßnahmen am ehemaligen
LFT-Schiff waren abgeschlossen. Nun war es
ein riesiger Disko-Raumer . Offiziell wurde die
BAMBUS als Vergnügungsliner bezeichnet.
Und dort sollte die längste Party des Jahrhunderts steigen. Am 17. November 1296 NGZ
sollte die BAMBUS zu einer fünftägigen Reise quer durch Cartwheel aufbrechen. Mit 5000
Gästen an Bord, sowie vielen bekannten Musikern und Ehrengästen sollte die Feier die Reise
über nicht unterbrochen werden.
Das war für viele natürlich eine Attraktion.
Besonders junge Bürger der Insel rissen sich um
die Tickets und binnen weniger Stunden nach
Bekanntgabe der Party des Jahrhunderts in den
Medien waren alle Karten verkauft.
Der biedere Peter Roehk, der verschlagene Werner Niesewitz und der Prolet Reini
Katschmarek versprachen sich einen riesigen
Gewinn aus dieser Aktion.
*
Die beiden Gleiter eilten auf den Raumhafen
zu. Regentropfen plätscherten auf das Dach und
das Sichtfenster des Gefährts.
Reinhard Katschmarek saß auf dem Rücksitz
und bohrte in seiner Nase. Als er gefunden hatte, was er suchte, steckte er das grüne Gebilde
in den Mund und zerkaute es.
Werner Niesewitz saß auf dem Beifahrersitz
und starrte aus dem Fenster. Er dachte flüchtig
an seinen alten Kameraden Eberhard Wieber,
der einen grausamen Tod auf Prosperohs Burg
gestorben war.
Doch er und Reini hatten den Mörder selbst
hingerichtet. Überheblich sinnierte Werner über
seine Stärke und Unfehlbarkeit. Er kicherte leise vor sich hin. Der Fahrer, ein dunkelhäutiger
Terraner, blickte ungläubig den kleinwüchsigen
Mann an.
»Ist was? Konzentriere dich gefälligst auf
das Fliegen, du Nigger!« fauchte Niesewitz den
Afroterraner an, der mit dem Begriff Nigger
nichts anfangen konnte.
Solche rassistischen Bemerkungen gab es
193
auf der Erde und deren Kolonien nicht mehr.
Rassismus spiegelte sich heute im Verhalten
der Völker untereinander wieder, doch es gab
seit Jahrtausenden keinerlei Probleme zwischen
Terranern unter sich mehr.
Doch Werner Niesewitz und Reinhard
Katschmarek, der blubbernd lachte, kamen aus
einer anderen Epoche. Sie wurden Ende des 20.
Jahrhunderts Studienzwecken entführt und in
Stasis gehüllt. Dort verweilten sie bis zum Jahre
1291 NGZ, bis sie von Jonathan Andrews, Remus Scorbit und der Besatzung der THEBEN
aufgeweckt wurden.
Im Gegensatz zu dem Marquese von Siniestro konnten sich die beiden Deutschen nicht
in die Gesellschaft eingliedern. Ihre Gesinnung
entsprach nicht der humanen und toleranten Gesellschaft auf Terra und deren Kolonien.
Das war den beiden jedoch völlig gleichgültig. Sie wollten Profit erwirtschaften und sich
ein schönes Leben machen.
Dieses Ziel erhofften sie mit dem DiskoRaumer zu erreichen. Und da lag er vor ihnen.
Im Regen schien der Kugelraumer dunkel und
trist.
Dennoch wirkte er imposant auf Werner Niesewitz. Der Altterraner dachte darüber nach,
wie wundervoll es wäre, tausende solcher fliegenden Festungen zu besitzen, und sie einzusetzen. Der Terra-Block könnte doch ganz Cartwheel beherrschen. Dazu waren nur viele Soldaten, Raumschiffe, der Siegeswille und ein
großer Feldherr nötig. Niesewitz sah in sich
selbst allerdings keinen General. Er hatte andere Interessen und ging lieber viel subtiler vor,
als ein plumper Militarist.
Die Gleiter hielten nahe der BAMBUS. Das
Raumschiff wurde von Darvos Sicherheitsteam
bewacht. Keiner der kahlgeschorenen Muskelpakete machte einen sympathischen Eindruck.
Grimmig drehten sie um den Hangar ihre Runden.
Zwei von ihnen rannten mit Regenschirmen
zu den Gleitern und begrüßten die drei Terraner.
Ihr Anführer war Darvos. Der 2,50 m große
Oxtorner war ein wahrer Gigant. Das kantige
Gesicht des Umweltangepaßten strahlte keine
Freundlichkeit aus. Er begrüßte kurz und knapp
seine Arbeitgeber und eskortierte sie zu dem
194
D O R G O N
Schiff. Aus dem anderen Gleiter stiegen Ferby
H und Dykkar aus.
»Darvos, paß auf, daß bei dem Regen deine Frisur nicht kaputtgeht«, meinte Dykkar
neckisch und grinste vor sich hin.
Selbst der Oxtorner konnte sich ein Grinsen
nicht verkneifen. Er ermahnte sich, da er darauf
geschult wurde, nicht freundlich zu sein. In seinem Job mußte man 24 Stunden in der Woche
den harten Kerl spielen.
Yan Cruze kam herausgestürmt. Er sollte zusammen mit Vekner für die persönliche Betreuung von den Inhabern und Geschäftsführern zuständig sein.
Cruze war völlig außer Atem, als er die beiden Gleiter erreicht hatte. Darvos drückte ihm
gleich den Regenschirm in die Hand.
»Können wir keine Formenergie von den
Gleitern bis zu dem Eingang spannen?« fragte
Cruze unwirsch.
Darvos blickte ihn an und sagte: »Das Wasser tut dir gut, Dickerchen!«
»Wer ist hier dick? Höchstens wohl genährt«, protestierte Cruze und stampfte mit dem
Fuß auf den Boden.
Ferby H begrüßte seine drei Auftraggeber
mit einem Handschlag. Dann blickten sie auf
die BAMBUS.
»Ein prächtiges Schiffchen«, sinnierte Peter
Roehk lächelnd.
»Nun ja, von außen müssen wir es noch etwas bunter gestalten. Es wirkt wie ein Militärschiff. Nicht daß ich etwas dagegen hätte, aber
es sollte freundlich auf die Besucher wirken«,
antwortete Niesewitz.
»Wir können ja ein paar nackte Frauen auf die Außenhülle malen«, schlug Reini
Katschmarek allen ernstes vor.
»He, Reini, langsam sprichst du meine Sprache«, sagte Dykkar fröhlich.
Die fünf Terraner lachten lauthals und betraten über der Einstiegsbrücke den Kugelraumer.
Sie gelangten in eine luxuriöse Halle, die an
einen Palast erinnerte. Dort kamen ihnen zwei
Freunde entgegen.
Es waren Karl-Adolf und Ottilie Braunhauer. Karl-Adolf Braunhauer schlurfte mit tapsigen Schritten auf die drei Terraner zu. Er wirkte sichtlich müde und angegriffen. Neben ihm
Nils Hirseland
ging hüstelnd seine Frau, die ein Schnapsglas
in der Hand hielt.
Erst als die Braunhauers kurz vor Niesewitz,
Katschmarek und Roehk stehenblieben, setzte
Karl-Adolf ein Lächeln auf.
»Hallo, hallo, Freunde«, begrüßte er sie freudig.
Braunhauer sollte den Posten des Hausmeisters und Verwalters der BAMBUS übernehmen. Reini, Werner und Peter hatten ihrem
Freund das Angebot in jener Nacht im Raumwolf offeriert. Ihm zur Seite wurde Vekner gestellt. Der blonde Terraner war wenig erbaut
darüber, denn Karl-Adolf Braunhauer triezte
ihn wie einen Sklaven.
Jedoch schien sich Karl-Adolf Braunhauer
nicht so sehr von seiner letzten Feier erholt zu
haben, denn die Augen in seinem faltigen Gesicht strahlten kaum mehr Lebensenergie aus.
Doch taten sie das eigentlich fast nie.
Ottilie Braunhauer wandte sich an Darvos.
»Junger Mann, Sie könnten mal den blauen
Sack nachher in den... den... den, na das Dings
da, was den Müll wegmacht...«
»Konverter«, stellte Darvos unfreundlich
fest.
»Ja, so ein Dings da eben. Sie könnten mal
den blauen Sack mit den Windeln meines Mannes da hineinwerfen. Mein Mann leidet ja inkognito. Nein, das hieß anders... einen Moment,
ich kommt gleich darauf... inkotigenz... nein,
inkontilenz glaube ich«, stammelte die alte Terranerin.
Der Umweltangepaßte starrte auf einen blauen Sack in der Ecke.
»Aber vorsichtig, Sie wissen ja nicht, wie
schwer Pusche sein kann«, erklärte Ottilie
Braunhauer weiter.
Grimmig lief Darvos zu dem blauen Sack
und nahm ihn hoch. Der Gestank drang in seine
Nase, die er rümpfte. Er rief Vekner herbei, der
dann die Ehre hatte die Exkremente von KarlAdolf Braunhauer zu entsorgen.
Zu Darvos Bedauern waren die Braunhauers
seine Vorgesetzten. Wäre dem nicht so, hätte er
anstelle der Windeln, die beiden alten Leute in
den Konverter geworfen.
Karl-Adolf wirkte geistesabwesend. Plötzlich sagte er zu Werner: »Hans, ich muß jetzt
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
noch meinen Rundgang machen.«
Niesewitz nickte nur. Er verzichtete darauf,
Braunhauer zu korrigieren, da er es wahrscheinlich sowieso nicht begriffen hätte. Langsam
schlurfte der alte Terraner zu einem Antigrav, in
den er langsam einstieg und zur nächste Etage
schwebte.
Seine Frau hingegen war bereits in einer der
großen Hallen, wo sie am Tresen stand und einige Gläser Vurguzz in sich hineinschüttete.
Das dritte Familienmitglied im Bunde war
Inge Bohmar, um die sich Ottilie kümmerte.
Da sie Inge Bohmar nicht unbeaufsichtigt
lassen wollten, hatten Ottilie beschlossen, sie
auf die BAMBUS mitzunehmen.
Die drei Deutschen gingen weiter und musterten einige Mitarbeiter. Zwei hochgewachsene, schlanke Frauen standen an einer Ecke
und rauchten eine Zigarette. Eine von ihnen hatte kurze blonde Haare, die andere war brünett.
Beide hatten einen einmaligen Körperbau, wie
Katschmarek fand.
Es waren Bienya und Kathy Scolar.
»Hallo Mädels«, grüßte er sie in seinem ganzen nicht vorhandenen Charme.
Die beiden Terranerinnen sahen sich verdutzt an. Die Brünette lächelte kurz. Die Blonde
lächelte erst, als sie Peter Roehk sah.
Reini war nicht sonderlich begeistert davon. »Nun hört mal zu, ihr beiden Schnepfen.
Ich bin einer von den beiden zwei Geldgebern
der BAMBUS. Also etwas mehr Respekt tue
ich von euch verlangen tun!« brüllte Reinhard
Katschmarek in seinem falschen Interkosmo.
Beinahe hätten die beiden Frauen losgelacht,
doch der Tonfall in Reinis Stimme verängstigte
sie etwas.
»Entschuldigung, ich bin Bienya und das ist
meine Schwester Kathy«, erklärte die Blonde
Terranerin.
»Ah, so ist das doch gleich viel besser«,
meinte Reini und betatschte Bienyas Oberschenkel. Seine Mundwinkel zuckten vor Erregung. »Vielleicht Lust auf eine kleine Extrazulage?«
»Nur wenn du eine Million Jahre jünger
wärst«, antwortete die Terranerin schlagfertig.
Niesewitz und Roehk mußten nach dieser
Bemerkung lachen. Reini warf der Blonden je-
195
doch einen giftigen Blick zu, bevor er mit den
anderen beiden weiterging.
»Dem hast du es aber gegeben«, lobte Kathy
ihre ältere Schwester, die nur abfällig hinter den
drei alten Terranern blickte und weiter an ihrer
Zigarette zog.
Ferby stellte sich kurz zu ihr.
»Schatz, der Typ zahlt dein Gehalt, also sei
etwas netter«, ermahnte er sie.
Bienya nickte verlegen. Am liebsten hätte sie
etwas entgegnet, doch in dieser Situation war
es besser gewesen zu schweigen. Sie wollte den
Job nicht verlieren.
Ferby war zufrieden und gab ihr einen Kuß
auf die Wange und ging mit den anderen weiter.
Reiko war schon vorgegangen, um nachzusehen, ob alles erledigt wurde.
Reini murmelte noch etwas in seinen Bart,
was jedoch niemand verstand. Plötzlich stand
ihm ein grimmiger Ertruser im Weg.
»Ah, der Kommandant, Ervos Wilbur «, erklärte Peter Roehk laut und deutete auf einen
Epsaler.
Der Kommandant der BAMBUS begrüßte
Roehk, Niesewitz, Ferby und Katschmarek unwirsch.
»Meine Herren, ich stehe zu Ihren Diensten.
Das ist meine Crew!« sagte der Epsaler und
deutete auf ein zwölfköpfiges Team, bestehend
aus Blues, Topsidern, Peepsies und Springern.
»Die sehen nett aus«, fand Reinhard
Katschmarek.
»Ein bißchen wenig, oder?« wollte Niesewitz wissen.
Roehk schüttelte mit dem Kopf. »Die
BAMBUS wird hauptsächlich von einem
positronisch-syntronischen Rechenverbund gesteuert. Da reichen die zwölf Gestalten für Navigation, Ortung, Funk und Maschinenraum.
Die Wartung wird von Robotern übernommen
und die Betreuung der Gäste von unseren gut
bestückten Hostessen«, erklärte Peter Roehk
und strahlte lüstern bei seinem letzten Satz.
Niesewitz nickte nur unmerklich. Einige des
knapp dreihundert Mann starken Servicepersonals waren bereits bei der Arbeit, putzten, füllten die Tresen mit Getränken oder arbeiteten an
der gewaltigen Soundanlage.
196
D O R G O N
Eine von den Damen kam Niesewitz sehr bekannt vor. Die große blonde Terranerin stand an
einem Tresen und sortierte die Gläser und Getränke.
»Sieh mal an! Wen haben wir den da?« rief
der kleine Terraner laut durch den Raum.
Jezzica Tazum drehte sich überrascht um und
öffnete den Mund weit, als sie Katschmarek und
Niesewitz erblickte.
»Was macht ihr zwei komischen Vögel denn
hier? Darvos, hier sind zwei Typen, die du besser rauswirfst!« meinte sie zu dem Oxtorner, der
sie böse ansah.
Niesewitz, Roehk und Katschmarek lachten
laut.
Jezzica stemmte die Arme in die Hüften und
wußte nicht, was sie sagen sollte. Peter Roehk
kannte sie, denn er hatte die Terranerin eingestellt.
Mit der BAMBUS war ein Traum für die Partygängerin in Erfüllung gegangen. Der Job auf
der THEBEN hatte ihr zwar auch Spaß bereitet,
doch gegen die BAMBUS war die THEBEN ein
alter Kahn.
»Peter, was hast du mit denen zu schaffen?«
wollte sie nun wissen.
»Mein Kindchen«, begann er und tätschelte an ihren Schenkeln. »Das sind meine beiden
Geschäftspartner und damit deine Arbeitgeber
und Vorgesetzten. Jeder Wunsch von ihnen ist
dir ein Befehl!«
Jezzica atmete tief durch. Warum mußte
sie ausgerechnet diese beiden Gestalten wieder
treffen? Die Vorfälle auf der TERSAL waren ihr
noch in bester Erinnerung. Doch wenn sie den
Job behalten wollte, mußte sie sich den Wünschen der drei beugen.
»Ich erledige allerdings nur die Arbeiten, die
in meinem Vertrag stehen. Sonst nichts!« stellte
die junge Terranerin klar, als sie die lüsternen
Blicke der drei Kreaturen bemerkte.
»Schade, schade, schade...«
Peter Roehk nahm Jezzica in den Arm und
blickte ihr in den Ausschnitt. Seine Mundwinkel zuckten vor Erregung. Jezzica schob ihn mit
der Ausrede, sie hätte noch zu arbeiten, sanft
beiseite.
Roehk stellte noch andere Mitarbeiter vor;
den Olymper Krizoff, den Terraner Stony und
Nils Hirseland
den Discjockey Abfallhaufen. DJ Abfallhaufen,
natürlich war dies nur sein Künstlername, sorgte für die Musik. Er war nicht sonderlich groß,
trug eine Hornbrille und stets ein Cappy.
Niesewitz, Katschmarek und Roehk verabschiedeten sich von der Gruppe, um ihre Besichtigungstour fortzuführen. Sie stolzierten durch ihr Schiff und gaben den Arbeitern
noch verschiedene Anweisungen. Anschließend
führte sie ihr Weg wieder zu Jezzica Tazums
Tresen und sie bestellten Vurguzz.
Die drei Terraner hoben die Gläser.
»Auf die BAMBUS, viel Geld und unseren
Wohlstand!« sprach Roehk.
»Auf uns!« wiederholten die anderen beiden
und stießen an. Ferby, Reinhard Katschmarek
und Peter Roehk dachten nur an das Geld und
die hübschen Frauen, während Werner Niesewitz andere Ziele verfolgte. Die BAMBUS sollte nur ein Sprungbrett zur Macht sein.
7.
Das neue IMPERIUM
ALPHA
Joak Cascal hatte eine Besprechung im neuen IMPERIUM ALPHA einberufen. Nicht nur
der Name des Regierungssitzes war neu, sondern auch einige technische Einzelheiten. So
war IMPERIUM ALPHA ein 900 Meter durchmessendes und 500 Meter hohes großes, versorgungstechnisch autarkes Objekt, welches sogar
einen eigenen Schutzschirm für den Notfall besaß. Die Wissenschaftler unter Timo Zoltan arbeiteten zur Zeit an einem eigenen Antrieb für
IMPERIUM ALPHA.
Es schien so, als wollte Joak Cascal wollte scheinbar eine zweite Solare Residenz in einem bescheideren Maßstab errichten. Vielleicht
wollte er auch nur auf Nummer sicher gehen.
In einem der Besprechungszimmer fanden sich Cascal, der Marquese von Siniestro,
Gal’Arn, Remus und Uthe Scorbit sowie Jonathan Andrews und Timo Zoltan ein.
»Guten Morgen, meine Herren«, begrüßte
Cascal seine Kollegen und Freunde, denen er
vollends vertraute.
Er holte sich eine Tasse Kaffee und nahm
einen Schluck von der schwarzen Brühe. Dann
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
ging er zur Tagesordnung über.
Uthe berichtete als erstes über Jenmuhs Vorschlag und dem seltsamen Verhalten des Kristallkönigs.
Die anderen hörten genau zu. Cascal kratzte
sich am Hinterkopf und blickte zum Marquese
von Siniestro und Gal’Arn.
»Was sollen wir tun?«
»Das ist doch offensichtlich. Dieses perverse
Schwein – Entschuldigung – ist scharf auf die
naive Anica. Wir sollten sie keiner unnötigen
Gefahr aussetzen und zum Spielball der Politik
machen«, wandte Jonathan Andrews ein.
Gal’Arn nickte zustimmend seinem Schützling zu. »Ich würde es mit anderen Worten
ausdrücken, aber Jonathan hat recht. Die Ambitionen Jenmuhs sind uns bekannt. Sollte er
wie sein Bruder sein, würden wir Anica einer
permanenten Gefahr aussetzen. Außerdem bezweifle ich, daß sie einen positiven Einfluß auf
Jenmuhs haben wird oder sich die politische
Beziehung mit Bostich wirklich verbessern.«
Diesen Argumenten konnte keiner der Anwesenden widersprechen. Jeder war sich über
die wahren Beweggründe Uwahn Jenmuhs im
Klaren.
»Dann sehen wir das Thema als erledigt an.
Ich werde Slote anweisen, sich bei Jenmuhs in
aller Form zu bedanken, aber ablehnen«, faßte
Cascal zusammen.
Er blickte zum Marquese, der mit einem
Nicken seine Zustimmung signalisierte.
»Das zweite Thema hat weniger etwas mit
Politik zu tun als mit gesellschaftlichem Interesse«, begann der Marquese nun. »Wir haben eine Einladung von unseren guten Freunden Werner Niesewitz und Peter Roehk bekommen. Sie laden uns zu einer fünftägigen Reise
mit dem Discoliner BAMBUS ein. Zweifelsohne eine gute Idee, denn es sorgt für Zerstreuung
bei den jüngeren Bewohnern Cartwheels, doch
ich werde bestimmt nicht daran teilnehmen.«
»Natürlich nicht«, kommentierte Diabolo die
Aussage seines Herren. Der Posbi hatte soeben
den Raum betreten und bewegte sich auf den
Marquese zu.
»Wir sollten aber vielleicht jemanden des
Terra-Blocks entsenden«, schlug Cascal vor,
lehnte selbst aber ebenfalls ab. Das war nichts
197
für ihn.
»Ich habe Lust!« meldete sich Jonathan Andrews.
Auch Remus und Uthe Scorbit bekundeten
ihr Interesse. Die jüngeren Repräsentanten des
Terra-Blocks hatten sicherlich einen besseren
Bezug zu den Geflogenheiten bei Parties als die
Repräsentanten über 1000.
»Was ist mit dir, Meister?« wollte Andrews
wissen.
Gal’Arn lächelte verlegen.
»Ich bezweifle, daß ich mich für so etwas
begeistern kann. Geh du ruhig, ich werde auf
Mankind bleiben.«
Andrews wirkte etwas enttäuscht, obwohl er
wußte, daß sich Gal’Arn wenig aus Zelebrationen machte. Deshalb unterließ er weitere Versuche, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
»Nun, dann wünsche ich euch drei eine gute
Reise«, erklärte Cascal und beendete damit die
Unterredung.
*
IMPERIUM ALPHA war so ausgelegt worden, daß die meisten Bediensteten des Gebäudes eine Unterkunft besaßen. Für diesen Zweck
waren drei Etagen des großen Komplexes als luxuriöse Appartements mit großem Balkon eingerichtet.
Jonathan Andrews hatte Marya und sich
selbst ein großes Appartement in IMPERIUM
ALPHA einrichten lassen. Er kam damit ihrem
Wunsch nach einer eigenen Wohnung mit ihrem
Freund nach.
Zu ihrem Bedauern waren Gal’Arn, sein Orbiter Jaktar sowie das Scorbit Ehepaar in der
selben Etage einquartiert. Auch Mathew Wallace, Irwan Dove und Lorif bewohnten dieselbe
Etage.
Andrews ging nach der Unterredung zu sich
nach Hause. Marya lag auf der Couch, lackierte
sich die Fingernägel und schaute Nachrichten.
Sie machte einen gelangweilten Eindruck. Jonathan begrüßte seine Freundin mit einem Kuß
auf die Wange.
»Nie sind wir in den Nachrichten. Ich dachte, du bist ein Star, Johnny«, seufzte Marya.
»Laut Gal’Arn dürstet es einen Ritter der
D O R G O N
198
Tiefe nicht nach Ruhm. Wir tun unsere Pflicht
und erwarten keinen Dank, denn wir wissen,
daß es richtig ist, was wir tun«, erklärte er seiner
Freundin, die wenig Verständnis dafür hatte.
»So ein Quatsch. Ruhm und Anerkennung
sind wichtig. Nur so wirst du etwas in dieser Galaxis«, sagte sie voller Überzeugung. Sie
stand auf und umarmte ihren Freund. Sie huschte mit ihren Lippen über die seinen. »Stell dir
das nur vor. Wir beide im Fernsehen, geben endlose Partys und schwimmen im Geld. Wäre das
nichts?«
Andrews sah sie ernst an.
»Es gibt wichtigeres. Freunde, eine Aufgabe
und eine liebenswerte Frau. Ich habe alles das,
warum mehr?«
Marya konnte und wollte diese Einstellung
nicht teilen. Immerhin erweichte es ihr Herz,
daß sie die Frau war, die er liebte. Sie schmiegte
sich eng an seinen Körper und küßte ihn innig.
»Ich habe etwas für dich«, flüsterte Jonathan.
»Was?« wollte sie wissen.
»Eine fünftägige Reise auf der BAMBUS,
diesem neuen Luxusraumer, der andauernd in
der Presse ist. Wir sind Ehrengäste und vertreten den Terra-Block. Gefällt dir das?«
Marya konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie hüpfte vor Freude auf der Stelle und umarmte Andrews innig.
»Wann fliegen wir?«
»Am 17. November. Es geht also bald los!«
»Dann haben wir ja noch etwas Zeit...«
sprach Marya zweideutig und knöpfte sich die
Bluse auf.
*
Remus und Uthe Scorbit saßen auf dem
großen Balkon und blickten über die Stadt. Sowohl Uthe als auch Remus hatten ein schlechtes
Gewissen, weil sie sich beide gegenüber nicht
sonderlich gut benommen hatten.
Keiner der beiden sagte etwas. Schließlich
war es Remus, der doch den ersten Schritt
machte und sich bei Uthe für sein schlechtes
Verhalten und seine nächtlichen Eskapaden mit
Helge von Hahn entschuldigte.
Auch Uthe entschuldigte sich für ihr schroffes Verhalten und ihrer Uneinsichtigkeit gegen-
Nils Hirseland
über Jenmuhs. Die beiden versöhnten sich und
beobachteten den Sonnenuntergang über New
Terrania City.
Sie freuten sich bereits auf die Kreuzfahrt
der BAMBUS, obwohl sie keine Ahnung hatten, was auf sie zukommen würde.
8.
Pariczas Castle, New Paricza
Leticron hatte gestern das erste Mal in den
Nachrichten von der BAMBUS gehört. Er hatte die Ankündigung der fünftägigen Partytour
durch die Insel mit keinem großen Interesse verfolgt.
Vielmehr wartete er auf Ergebnisse aus seiner Klonfabrik. Das war sein Langzeitplan, auf
den sicher auch Cau Thon stolz gewesen wäre.
Innerhalb von nur wenigen Jahren hätte sich Leticron eine mächtige Armee aufgebaut, mit der
er Cartwheel beherrschen konnte.
Damit würde die Festung gegen MODRORs
Armeen fallen und das Schicksal der Milchstraße, wie auch Rhodans besiegelt sein.
Der Corun von Paricza dachte nun doch wieder an die BAMBUS, denn er hatte eine persönliche Einladung bekommen. Natürlich wollte er
ablehnen. Uwahn Jenmuhs und Sam hatten bereits wenige Stunden nach Erhalt der Einladung
abgesagt. Keiner von ihnen konnte sich für diese Art von Zerstreuung begeistern.
Auch der Marquese mußte aus »arbeitstechnischen Gründen« absagen. Er war im Moment
der gefragteste Mann der Insel und auf seinen
Schultern lastete das Vertrauen aller Wesen in
Cartwheel.
Sie vertrauten dem alten Terraner ihre Zukunft an. Deshalb gab es viel für Don Philippe zu tun. Das wiederum erlaubte ihm nicht die
Zeit für die BAMBUS zu vergeuden.
Für Leticron war der alte Spanier schwer einzuschätzen. Eine seltsame Ausstrahlung ging
von ihm aus, doch wie es aussah, war der Marquese loyal gegenüber Perry Rhodan eingestellt
und hoch motiviert, DORGONs Projekt zum
Erfolg zu führen.
Auf terranischer Seite hatten die jungen und
in Leticrons Augen sehr gefährlichen Terraner
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
Jonathan Andrews, Remus, Uthe Scorbit und
Mathew Wallace zugesagt.
Auch Aurec hatte zugesagt. Natürlich, dachte sich Leticron. Der junge charmante und charismatische Prinz Saggittors mußte sich selbstverständlich der Menge zeigen. Leticron verabscheute Aurec. Er war ähnlich wie Perry Rhodan, so unbeschreiblich edel, ehrenwert und ohne moralischen Fehl und Tadel.
»Und aus diesem Grund müssen wir ihn vernichten«, hörte Leticron eine Stimme sagen. Sie
war rauh und heiser.
Überrascht drehte er sich um und sah Cau
Thon.
»Wie kommst du hierher?«
»Es gibt wichtige Dinge zu besprechen, mein
Bruder.«
Cau Thon trug sein schwarzes Gewand. Die
Kapuze hatte er abgenommen und sein roter,
kahler Schädel mit den drei Sechsen auf der
Stirn war sichtbar.
Er wanderte durch den Raum und musterte
die Inneneinrichtung. Leticron saß auf seinem
Thron und beobachtete den Sohn des Chaos genau. Es war die dritte Begegnung mit ihm und
noch immer war er schwer einzuschätzen.
Doch Leticron wußte genau, daß sie auf derselben Seite standen.
»Was gibt es für wichtige Dinge?« wollte der
Pariczaner jetzt wissen.
Cau Thon fixierte die Einladung der BAMBUS und hob sie telekinetisch hoch. Eine Fähigkeit, die er sich im Laufe der Zeit angeeignet
hatte.
»Die BAMBUS«, sprach Cau Thon bedeutungsvoll.
»Was soll mit diesem Kahn sein? Ein Schiff
voller Verrückter«, stellte Leticron abfällig fest.
Cau Thon schüttelte unmerklich mit dem
Kopf.
»Ein Haufen voller verrückter Kinder sowie
Aurec, Jonathan Andrews, Mathew Wallace,
den Scorbits und einigen anderen bekannten Figuren Cartwheels«, entgegnete Thon kühl.
Leticron verstand immer noch nicht, was
sein Bruder des Chaos damit bezweckte. Er
stand auf und nahm die Einladung. Der Corun
war im Begriff, diese zu zerreißen, doch Cau
Thon entriß sie ihm telekinetisch.
199
»Du wirst dich auf das Schiff begeben«, erklärte er.
»Warum?«
»Damit du zu den Opfern zählst«, deutete
Cau Thon an.
»Opfern? Es muß immer etwas passieren,
damit es Opfer...«
Jetzt verstand Leticron. Cau Thon hatte den
Entschluß gefaßt, daß die BAMBUS vernichtet
werden sollte, doch Leticron sah in der BAMBUS kein bedeutendes Raumschiff.
»Warum ausgerechnet die BAMBUS?« fragte er.
»Dein Auftrag wird es sein, die BAMBUS
zu entführen und zu den Koordinaten auf diesem Memowürfel zu bringen.«
Cau Thon holte aus einer Tasche einen kleinen Datenspeicher hervor und legte ihn auf
einen Tisch.
»Bediene dich anderer Elemente, damit kein
Verdacht auf dich fällt. Nach der Entführung
wirst du als Opfer dastehen und vielleicht als
Retter der BAMBUS. Aurec und weitere wichtige Honorationen sollen mir auf dem Planeten
Xamour übergeben werden.«
»Ich verstehe.«
Der Sohn des Chaos nickte zufrieden. Cartwheel würde stark geschwächt sein, wenn Aurec und die Helden aus Shagor und der IVANHOE nicht mehr am Leben wären. Außerdem
würde es großen politischen Aufruhr geben,
wenn der Nachwuchs der Pioniere in Cartwheel
entführt würde.
Nach dem Tod Aurecs würde Saggittor nicht
mehr so gefährlich sein wie vorher.
»Aurec ist normalerweise gut abgeschirmt
in Cartwheel. In diesem Raumschiff jedoch ist
er angreifbar. Mit wenig Aufwand können wir
einen unserer gefährlichsten Widersacher loswerden«, meinte Leticron, der mehr und mehr
von dem Plan Cau Thons angetan war.
»So ist es geplant. Der Meister selbst will
Aurec sehen. Alte Rechnungen sind noch zu begleichen. Aus diesem Grund soll mir Aurec lebend übergeben werden.«
Leticron nickte.
Cau Thon setzte sich wieder in Bewegung.
»Du weißt, was du zu tun hast, mein Bruder.
Unsere Wege kreuzen sich auf Xamour wieder.«
D O R G O N
200
Mit diesen Worten verließ Cau Thon den Raum.
Leticron blickte ihm eine Weile nach, dann
nahm er die Einladung und gebot seinem Diener, unverzüglich eine Zusage an Roehk zu
übermitteln.
Der Corun von Paricza grübelte eine Weile
über die Details des Planes. Es wäre sicherlich
besser gewesen, wenn Sam und der Marquese auch auf der BAMBUS wären, doch Aurec
und dieser arrogante Emporkömmling Jonathan
Andrews, sowie das gefährliche Trio der IVANHOE galt es auch zu beseitigen.
Selbst Sam, der Marquese, Gal’Arn und Joak
Cascal konnten sich nicht so schnell von diesem
Schlag erholen.
Leticron grinste überlegen. Die Dinge entwickelten sich prächtig. Alles was er jetzt noch
brauchte, waren Werkzeuge.
Er dachte einen kurzen Moment nach, dann
betätigte er den Schalter für sein Interkomgerät.
»Stellt eine Verbindung mit Taka Kudon
her.«
Die Holographie des Gehörnten erschien Lebensgroß vor dem Thron Leticrons. Der Dscherro wirkte leicht verwundert.
Leticron sprach: »Taka Kudon, für Ihre
Dscherro wird es Zeit, zu kämpfen!«
9.
Gedanken vor dem Abflug
Es waren nur noch wenige Tage bis zum
Start der BAMBUS. Die Angestellten hatten inzwischen ihre Kabinen im Raumschiff bezogen.
Das Gelände war noch immer bestens von
Darvos Sicherheitskräften abgeriegelt und bewacht. Die Putzkolonnen arbeiteten Tag und
Nacht in der BAMBUS. Alles sollte sauber sein
und sehr pompös wirken.
Es war bereits spät und die meisten Angestellten hatten sich schon schlafen gelegt. In einem Zimmer saßen allerdings noch die Tresenbedienungen und Servicemitglieder. Es waren
Bienya, Krizoff, Kathy, Haggy, Stony, Yan Cruze, Vekner und DJ Abfallhaufen.
Sie tranken einige Gläser Bier und lauschten
der elektronischen Musik, die DJ Abfallhaufen
Nils Hirseland
selbst komponiert hatte, wenn man es so nennen
konnte.
»Ist meine Musik nicht cool?« stellte er fragend in den Raum.
»So cool wie du es bist«, meinte Bienya
strahlend.
DJ Abfallhaufen, der mit wahrem Namen
Khrizan Zhmitt hieß, fühlte sich in seiner Arbeit
bestätigt. Er war schon früher auf der ARAKO
sehr beliebt gewesen. Zhmitt war ein persönlicher Freund von Ferby H, was ihm einen besonderen Status in diesen Kreisen verlieh.
Yan Cruze interessierte das weniger. Er sagte
sowieso zu allen Vorgesetzten immer »ja«, damit er keine Schwierigkeiten bekam. Er stopfte sich gerade ein paar Burger einer bekannten
Fast-Food-Kette, die auf Terra ihren Ursprung
hatte, in den Rachen.
Vekner starrte in den Ausschnitt von Kathy
Scolar und überlegte, wie er sie davon überzeugen konnte, mit ihm zu schlafen.
Kathy machte jedoch einen nachdenklichen
Eindruck.
»Vermißt ihr nicht auch die Erde?«
»Etwas...« meinte Krizoff.
DJ Abfallhaufen winkte ab. »Quatsch! Hier
können wir ’ne Menge Kohle machen und richtig prominent werden. Na gut, ich bin’s schon,
aber vielleicht bekommt ihr mal eine Chance.«
Eine Weile schwiegen die Leute.
Krizoff nahm ein paar Pillen zu sich, die
ihn aufputschten. Seine Augen glänzten danach
und in seinem Gesicht entstand ein permanentes
Grinsen.
»Krizoff ist jetzt schon in Partystimmung«,
meinte Stony lachend. Der kleine Terraner
schlug dem Olymper freundschaftlich auf die
Schulter.
Krizoff bewegte sich rhythmisch zu der Musik und grinste über beide Ohren. Die anderen
mußten lachen.
Diese jungen Terraner standen vor ihrem
größten Abenteuer. Das ahnte jedoch keiner
von ihnen. Niemand wußte, daß die BAMBUS in diesen Momenten zum Hauptbestandteil einer kosmischen Verschwörung werden
sollte und sie nichts weiter als kleine unbedeutende Schachfiguren in dem Kampf zwischen
MODROR und DORGON waren.
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
Kathy fröstelte es etwas. Sie fuhr sich durch
die Haare, dann steckte sie sich eine Zigarette
an. Krizoff lächelte sie charmant an.
»Irgendwie möchte ich ins Bett«, meinte er
zweideutig.
»Oh ja, ich komme mit«, sagte Stony scherzhaft.
Krizoff zog die Augenbraue hoch und gab
Stony einen Luftkuß, der nur den Kopf schüttelte. Abfallhaufen stand auf und reckte sich.
»Jungs und Mädels, morgen ist wieder ein
langer Tag. Ich muß noch Soundchecks machen. Die Technosongs der Blues sind so
schrill, daß ich da immer erst einmal herumprobieren muß, damit sich das nicht übertönt«, erklärte er und wünschte den anderen eine gute
Nacht.
»Na gut, dann gehe ich eben alleine ins
Bett«, murmelte Krizoff und sah Kathy enttäuscht an, die ihn nur anlächelte.
»Du wirst es überleben«, meinte sie und gab
dem terranischen Kolonisten einen Kuß auf die
Wange.
Sie spielte ein wenig mit ihm. Außerdem war
sie nicht in der richtigen Stimmung dafür. Vielleicht während der Feier. Es wäre nicht das erste
Mal mit dem Olymper.
»Vielleicht bevorzugst du ja mich?« mischte
sich Cruze scherzhaft ein. Dabei platschte etwas von seinem Burger aus seinem Mund auf
sein Hemd.
»Ups«, machte er nur und wischte sich die
Essensreste verlegen von der Brust.
Kathy schüttelte nur lächelnd den Kopf.
»Konzentriere du dich lieber auf deinen
Tresenservice. Ich will, daß alles reibungslos
klappt, sonst beschwere ich mich bei Reiko. Die
Penner sollen arbeiten, bis sie umfallen«, wechselte Bienya Scolar das Thema.
Cruze war dies etwas unangenehm. Doch er
versicherte Bienya, daß seine Leute alles tun
würden, was sie verlangte. Er hatte nicht genügend Courage, um sich mit dem blonden Gift,
wie er sie still bezeichnete, anzulegen.
*
Kathy Scolar stand auf und verließ den
Raum. Sie lief durch die Gänge und Korridore,
201
welche um diese Uhrzeit nur von schwachem
Licht erhellt wurden. Einige Lampen funktionierten noch nicht. Das gefiel der jungen Terranerin nicht sonderlich, denn ihr wurde etwas
mulmig in der Dunkelheit. Sie hoffte, daß Vekner ihr nicht gefolgt war und auf dumme Gedanken kommen würde.
Sie mochte den Terraner zwar, fand ihn jedoch auf der anderen Seite ziemlich unattraktiv
und naiv.
Plötzlich hörte sie Schritte.
»Wer ist da?« rief sie in die Dunkelheit.
Niemand antwortete. Kathy atmete tief
durch und beschloß, weiterzugehen. Wieder
hörte sie Geräusche. Es war kein Widerhall ihrer Schritte, sondern eindeutig die eines anderen.
»Hallo?«
Wieder kam keine Antwort.
Langsam ging sie weiter. Plötzlich wurde
das Licht hell und jemand stand vor ihr. Kathy
schrie laut und voller Entsetzen auf. Sie brauchte einige Sekunden, um sich zu beruhigen.
Der Person vor ihr war eine alte Frau mit offenen blondweißen Haaren, einem feisten und
aufgedunsenen Gesicht und starren Augen, in
denen der Wahnsinn stand.
Kathy wich ein paar Schritte zurück und versuchte sich von dem Schock zu erholen. Die andere Frau trug ein sehr antiquiertes Nachthemd.
In ihrer Hand hielt sie eine Hundeleine. Am
Ende der Leine hing ein Halsband, doch der
Hund dazu fehlte.
»Suchen Sie Ihren Hund?« fragte Kathy
letztlich.
»Nein, meinen Mann. Mein Hund ist doch
hier. Mach Platz Bandit. Aus!«
Kathy starrte mit geöffnetem Mund auf die
Frau, die an der Leine zerrte und Befehle an den
nicht vorhandenen Vierbeiner gab.
Gott, die ist Irre! dachte die junge Terranerin.
»Na, dann. Viel Spaß beim suchen«,
wünschte Kathy und ging an ihr vorbei.
Doch die alte Frau packte Kathy am Arm.
»Du weißt wo er ist. Du hast ihn verführt, gib
es zu!« schrie die Wahnsinnige.
Kathy stieß sie von sich.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Wer sind
D O R G O N
202
Sie überhaupt? Da ist kein Hund und Sie haben
wahrscheinlich auch keinen Mann«, brüllte Kathy wütend zurück.
In diesem Moment schrie die alte Frau hysterisch auf und stürzte sich auf Kathy Scolar. Die
junge Terranerin war von den Kräften der Frau
überrascht und wurde zu Boden geworfen. Die
alte Hexe würgte Kathy und schrie unverständliches Zeug.
Plötzlich wurde sie losgerissen.
»Inge! Es ist jetzt gut«, rief Ottilie Braunhauer.
Katschmarek und Roehk zerrten sie von der
erschöpften Terranerin herunter.
Kathy war sichtlich aufgelöst und brauchte
eine Weile, um sich wieder zu fassen. Sie zitterte am ganzen Körper.
Darvos eilte herbei und half ihr hoch.
»Alles in Ordnung?« fragte er schon fast besorgt.
Kathy nickte schwach und faßte sich an die
Kehle.
»Sie hat Werner verführt und muß bestraft
werden«, keifte Inge Bohmar.
Ottilie lachte herzlich.
»Nun beruhige dich doch mal wieder. Es ist
ja alles gut. Das böse Mädchen wird dich nicht
mehr belästigen«, erklärte Ottilie und brachte
Inge wieder in ihr Zimmer.
Das war also die besagte Cousine von KarlAdolf Braunhauer. Kathy schüttelte den Kopf
und wurde von Darvos in ihr Zimmer begleitet.
Erschöpft legte sie sich hin und schlief tief
und fest ein.
*
Am nächsten Morgen regte sich Kathy Scolar noch über den Vorfall mit Inge Bohmar auf.
Sie beschwerte sich bei Peter Roehk und Ferby.
Doch die beiden versprachen ihr nur eine
kleine, finanzielle Entschädigung für die Attacke. Damit war die Terranerin nicht sonderlich zufrieden und meckerte weiter herum, bis
Niesewitz ihr klar und deutlich zu verstehen
gab, daß Inge Bohmar wichtiger sei als sie!
Kathy verstand die Drohung und beschloß,
den Vorfall zu vergessen.
Sie saß in der Cafeteria und trank einen Kaf-
Nils Hirseland
fee. Ihre Schwester bestückte bereits die Tresen,
denn der Start der BAMBUS war in drei Tagen.
Dabei keifte sie wieder die Tresenbedienungen an.
»Was soll das?« meckerte sie. »Warum trägt
jeder alleine einen Kasten? Könnt ihr nicht
mehr schleppen? Habt ihr keinen Antigrav? Das
kostet alles Zeit!«
Die Tresenbedienungen, welche das Ziel des
verbalen Angriffs gewesen waren, wechselten
vielsagende Blicke miteinander und murmelten
einige Verwünschungen über Bienya Scolar.
Yan Cruze kam angerannt oder versuchte zumindest in einem für ihn schnellen Tempo den
Tresen zu erreichen.
»Ja ja, Bienya. Wir machen alles, was du
sagst«, sagte er laut, um die ältere Scolar zufriedenzustellen.
»Die Alte hat bestimmt wieder ihre Tage«,
flüsterte er zu dem im am nächsten stehenden
Kollegen, der nur bestätigend lächelte.
Krizoff setzte sich zu Kathy Scolar und fragte sie nach gestern aus, doch Kathy schwieg lieber. Sie wollte ihre Stelle nicht gleich verlieren.
»Es ist alles in Ordnung. Wir müssen Mitleid
und Verständnis mit der armen Irren haben, hat
Ferby gesagt«, erklärte sie verdrossen.
Krizoff verzog seine Miene.
»Das kann ja wohl nicht sein, daß eine Geisteskranke uns noch angreift.«
Kathy nickte nur zustimmend.
Dann rückte der Olymper näher an die Terranerin heran und flüsterte: »Die Typen sind
hier sowieso seltsam. Dieser Niesewitz und sein
Freund Katschmarek, genauso wie die Braunhauers. Die haben entweder einen Totalschaden
oder verbergen etwas.«
Kathy wußte nicht, was sie sagen sollte.
Mißtrauisch blickte sie sich um. Es kam aber
nur Jezzica Tazum in den Raum, die sich zu den
beiden setzte.
»Alles wieder in Ordnung bei dir?« erkundigte sie sich besorgt.
»Ja, danke...«
Jezzica nahm auch einen kräftigen Schluck
Kaffee. Sie entzündete sich eine Zigarette und
lehnte sich zurück.
»Ich kann es immer noch nicht fassen! Da
habe ich Jonathan erklärt, daß ich kein Aben-
Die Ruhe vor dem Sturm
D O R G O N
teurerleben will und denke hier ist meine neue
Zukunft und nun sind schon wieder diese Behämmerten hier.
Wo die sind, gibt es bestimmt Ärger!«
»Tolle Perspektiven«, meinte Krizoff ärgerlich.
In diesem Moment kamen Niesewitz und
Katschmarek gefolgt von den Braunhauers und
Inge Bohmar in den Raum. Kathy wollte aufstehen und weggehen, doch Jezzica hielt sie fest
und schüttelte leicht mit dem Kopf.
Inge bemerkte Kathy sofort und ging zu ihr.
»Liebe Frau Scolar, es tut mir leid. Werner
hat mir erklärt, daß alles ein Mißverständnis
war«, sagte sie aufrichtig.
»Ich verstehe...« entgegnete Kathy leise.
Es herrschte für eine Weile Stille.
Dann wurde Inge Bohmar wieder ungehalten. »Warum antworten Sie Werner nicht?«
Kathy verstand nicht. Es war kein anderer
da. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte und
blickte hilfesuchend zu Jezzica, die aufstand
und Inge Bohmar zu den Braunhauers brachte.
Sie entschuldigte sich für Kathys Verhalten und
erklärte, daß die junge Terranerin etwas verwirrt
sei.
Inge verstand das und akzeptierte die Entschuldigung. Sie setzte sich zu Ottilie, die wie
immer laut von ihrem Leid klagte.
Karl-Adolf hingegen hatte sich Vekner geschnappt und befahl ihm, die Kantine sauber
zu machen. Unter den Anweisungen des fähigsten Hausmeisters diesseits der Materiequellen
mußte der Terraner mit einem Besen den Raum
ausfegen.
Er verfluchte Braunhauer, doch niemand
wagte es, etwas gegen den persönlichen Freund
der Teilhaber zu sagen.
»So ein Leben als Abenteurerin ist doch auch
nicht so schlecht. Und außerdem scheint dieser
Jonathan Andrews ein netter Kerl zu sein nach
deinen Schilderungen«, meinte Kathy zu Jezzica Tazum.
Die lächelte nur kurz und stierte auf ihren
Kaffee.
»Es ist eben kein Leben für mich. Du mußt
zu viele Entbehrungen in Kauf nehmen. Ich will
auch feiern können, trinken und Spaß haben. Jonathan ist von dem Wunsch besessen Ritter der
203
Tiefe zu werden. Wenn sich der Dickkopf etwas
vorgenommen hat, dann zieht er es auch durch.
Ich glaube nicht, daß das mit ihm und mir klappen würde.«
»Du solltest es zumindest versuchen«, riet
Kathy.
Jezzica schüttelte mit dem Kopf.
»Er hat schon eine andere«, wehrte sie ab.
»Und wie ich schon sagte, das wäre nicht mein
Leben. Ich muß feiern können. Das gefällt mir.
Das Leben ist so kurz. Man muß es in vollen
Zügen genießen können...«
Kathy gab es auf und sah lieber zu, wie
Krizoff von Karl-Adolf Braunhauer durch den
Raum gescheucht wurde.
*
Es waren nur noch drei Tage bis zum Start
der BAMBUS. Ferby saß zusammen mit Roehk
im Büro und ging die Gästeliste durch.
»Sowohl Aurec als auch Nor’Citel haben zugesagt. Damit sind zwei Typen vom Paxus-Rat
auf der Reise. Das nenne ich eine fette Bilanz«,
meinte Ferby grinsend.
Er glaubte, daß es dadurch noch mehr Rummel um die BAMBUS und seine Person geben
würde. Diese Idee war doch besser als der langweilige Drogenhandel, der sowieso nicht mehr
sonderlich florierte, denn die wenigsten in Cartwheel waren drogensüchtig.
Jedoch konnte er sein altes Geschäft mit dem
Neuen verbinden, denn viele Wesen brauchten
auf Partys stimulierende Mittel. Auf diese Weise konnte Ferby einen netten Nebenverdienst
einstecken.
Roehk nickte zufrieden.
»Auch Jonathan Andrews – Orbiter von
Gal’Arn –, Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif, Remus und Uthe Scorbit haben sich angemeldet. Das sind schon einige Persönlichkeiten,
die bestimmt auch für die Aufmerksamkeit der
Presse sorgen werden«, erklärte der Inhaber der
BAMBUS stolz.
»Gut, daß dieses stinkende, zeckenzerfressene Vieh Gucky nicht mitgekommen ist. Er ist
wohl in der Milchstraße und kehrt erst in wenigen Tagen zurück. Da sind wir schon weg«,
sagte Ferby mit voller Abscheu vor dem niedli-
D O R G O N
204
chen Mausbiber.
Roehk lachte gepreßt.
»Dieser Schnüffler hätte uns noch gefehlt«,
stimmte er zu und widmete sich danach wieder
seiner Arbeit.
»Wir haben auch ein paar Spitzen-DJs eingeladen«, murmelte Ferby.
Irgendwie störte es ihn fast, denn er wollte
der größte Star sein. Noch mehr störte es aber
DJ Abfallhaufen, denn gegen die Gast-DJs war
er ein Weisenknabe. Einmal hatte Abfallhaufen sogar zu Ferby gesagt, er würde aussteigen,
doch Krizan Zhmitt wußte genau, daß damit seine Karriere beendet war.
Er mußte sich eben damit abfinden, daß er
nicht die Nummer Eins war.
Die Weichen waren gestellt. 5000 Passagiere
aus allen Teilen Cartwheels. Ob Terraner, Arkoniden, Akonen, Springer, Blues, Topsider, Tefroder, Galornen, Zentrifaal, Oxtorner, Ertruser,
Somer oder Pariczaner – alle wollten auf die
BAMBUS, um etwas zu erleben, um sich zu
amüsieren und vielleicht das eine oder andere
Abenteuer zu erleben.
Sie wollten abschalten und für eine Weile
nicht an die drohende Gefahr durch MODROR
denken. Sie wollten einfach feiern und ihr Leben genießen.
Ferby wollte ihnen diese Möglichkeit geben.
Sie sollten sich hemmungslos der Feier hingeben, vorausgesetzt sie hatten genügend Geld.
Die Party des Jahrhunderts konnte beginnen!
10.
Entscheidung über Leben
und Tod
Leticron saß auf seinem großen Thron und
wartete auf die Ankunft des Dscherro Taka Kudon.
Nils Hirseland
In den letzten Stunden hatte der Corun von
Paricza viel über die BAMBUS nachgedacht. Er
hatte inzwischen eine komplette Gästeliste erhalten und war hoch erfreut, daß einige wichtige
Kämpfer Rhodans und Aurecs an Bord waren.
Gal’Arn hatte zwar abgesagt, doch noch immer waren Aurec selbst, Gal’Arns Orbiter und
Ritterschüler Jonathan Andrews, Remus und
Uthe Scorbit, Mathew Wallace, Lorif und Irwan
Dove an Bord.
Sie würden alle – bis auf Aurec – sterben.
Warum der Saggittone nun unbedingt dem Meister selbst vorgeführt werden mußte, verstand
Leticron nicht, doch es war gleichbedeutend mit
dem Tod des Saggittonen.
5000 Gäste waren insgesamt an Bord. Hinzu kamen knapp 300 Mitarbeiter. Eine Entführung würde die einzelnen Planetenregierungen
in Aufregung versetzen. Da zumeist Jugendliche an Bord waren, würden die Eltern auf die
Barrikaden steigen.
Sicher würde sich jeder selbst die Schuld
in die Schuhe schieben. Und dann kehrte die
BAMBUS wieder zurück. Leticron sollte es
dann zu verdanken sein, daß die meisten Wesen
lebend zurückgebracht werden konnten.
Nun galt es nur noch die willigen Werkzeuge
für diese Entführung zu finden. Das Werkzeug
selbst durfte nicht zu intelligent sein und bereit,
für Geld alles zu tun.
Leticron lachte als er dies gerade dachte und
in demselben Moment Taka Kudon in den Saal
hereinmarschiert kam.
Er war sein Werkzeug.
»Koscha!« brüllte der dicke Gehörnte und
schlug sich auf die Brust.
Leticron erhob kurz die Hand.
»Taka Kudon. Es wird Zeit, daß deine
Kämpfer etwas zu tun bekommen. Es wird Zeit
zu brandschatzen, zu rauben und zu morden...«
Heft 48
Die Party des
Jahrhunderts
Die Attraktion in Cartwheel - der Discoraumer BAMBUS
von Nils Hirseland
Titelbild von Klaus G. Schimanski
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
1.
In den Wäldern Saggittors
Bäume, soweit das Auge reichte. Prächtige
Nadelbäume und ebenso beeindruckende Laubbäume erstreckten sich über das hügelige Land.
Aurec genoß dieses grandiose Panorama des
neuen Saggittors in Cartwheel. Seit einigen Monaten schon bot dieser Planet eine neue Heimat für knapp zweieinhalb Milliarden Saggittonen. Die anderen achtzehneinhalb Milliarden
Saggittonen, Holpigons, Trötter, Varnider und
Multivons waren auf die restlichen neun Systeme mit insgesamt 17 bewohnbaren Welten verteilt.
Auf dem neuen Planeten Saggittor sollten
neben der Hauptstadt Saggittora nur kleine
Siedlungen aufgebaut werden. Platz genug hatte man auf der 13.890 Kilometer durchmessenden Welt.
Saggittora war ein Ballungsgebiet mit 400
Millionen Einwohnern, an das die Raumhäfen
und Abwehranlagen grenzten.
Die restlichen Bewohner des Planeten waren
auf den fünf Kontinenten in einhundert Städten
und Siedlungen verteilt. Sonst gab es nur noch
Freizeit- und Erholungszentren sowie medizinische Einrichtungen. Der Rest des Planeten war
freie, grüne Natur.
Und gerade dieses Bild genoß der Kanzler
der Saggittonen. Vor einigen Wochen hatte Aurec sich eine kleine Hütte in den Bergen eingerichtet. Von dort überblickte er ein großes und
bewaldetes Tal.
Irgendwo hinter den Bergen lag Saggittora.
Nicht zu weit entfernt, um im Notfall schnell
zum Regierungsgebäude zu gelangen, aber auch
nicht zu nahe gelegen, damit er wirklich abschalten konnte.
Die Sonne ging langsam unter und spendete ein rotes Licht. Entspannt saß Aurec auf der
Veranda in einem Schaukelstuhl und genoß das
Szenario. Nur das Zirpen der Grillen und die
Laute einiger Tiere erfüllten die Ruhe mit Leben.
Allein die Tatsache, daß er ohne Begleitung
hier saß, trübte ihn etwas. Unfreiwillig mußte er
in diesen Momenten an Shel Norkat und Ule-
207
sia denken. Beide waren tot, Shel Norkat vielleicht sogar zweimal gestorben. Der Gedanke
an die Terranerin brachte ihn zurück ins Jahr
1285 NGZ.
Vor elf Jahren hatte er Perry Rhodan kennengelernt und mit ihm ein großes Abenteuer erlebt. Der Preis jedoch war hoch gewesen,
denn Rodrom, die Inkarnation MODRORs, ließ
Aurecs Familie umbringen und vernichtete das
Luxusraumschiff LONDON. Beim Untergang
des Raumschiffes auf einer Wasserwelt waren
über elftausend Passagiere und Besatzungsmitglieder gestorben.
Darunter auch Shel Norkat. Ihr Bewußtsein
wurde jedoch von der Superintelligenz Saggittors, SAGGITTORA, aufgenommen. Als SAGGITTORA jedoch in einem mentalen Zweikampf mit Rodrom so geschwächt wurde, daß
sie in sie aufgegangene Intelligenzen nicht mehr
halten konnte, »geisterte« Shel Norkat durch
Saggittor und besuchte Aurec.
Dieses Ereignis konnte er seinerzeit nur
schwer verkraften, denn er litt immer noch unter
dem Tod Ulesias, der jungen hübschen Dorgonin und Tochter des jetzigen Kaisers Uleman.
Ulesia war von einem Verräter im Widerstand
getötet worden und starb in Aurecs Armen.
Auch Shel Norkat blieb nicht lange, denn
das Konzept SAGGITORAs konnte sich nicht
manifestieren und löste sich in nichts auf. Ihre Konstante wurde von DORGON übernommen. So war ihre Seele wenigstens in Sicherheit, doch Aurec war sicher, daß das Kapitel
Shel Norkat zuende geschrieben war.
Innerlich sehnte er sich jedoch sehr nach der
Wärme einer Frau. Doch wie es den Anschein
hatte, würde er noch lange darauf verzichten
müssen. Aurec hatte nur vor wenigen Dingen
Angst. Für ihn stand es außer Frage, sein Leben für andere zu geben, sich in jedes Abenteuer zu stürzen und heldenhaft für Gerechtigkeit
und Frieden zu kämpfen.
Das Herz einer Frau zu erobern, war für ihn
jedoch ein wesentlich schwierigeres Unterfangen. Außer Shel Norkat und Ulesia hatte es
noch keine Frauen in seinem Leben gegeben.
Sicher war der Prinz Saggittors, wie er früher genannt wurde, sehr begehrt, doch er selbst
setzte die Maßstäbe hoch.
208
D O R G O N
Jede Frau mußte sich darüber im Klaren sein,
daß eine Beziehung mit Aurec keine normale
sein würde. Er mußte für das Wohl seines Volkes und anderer Völker kämpfen. Dazu war er
moralisch verpflichtet.
Aurec ermahnte sich, an etwas anderes zu
denken. Es gab wichtigere Dinge als seine persönlichen Gefühle.
Seine Gedanken streiften nun um Cau Thon.
Zwar hatte sich Cartwheel unter Sams und seiner Führung gut entwickelt, woran auch der
Marquese von Siniestro einen beträchtlichen
Anteil hatte, doch was würde Cau Thon als
nächstes tun?
Viel wußte er nicht über Cau Thon. Fest
stand, wo immer er auftauchte, verursachte er
großes Unheil. Cau Thon schien ein wichtiger
Diener MODRORs zu sein. In welcher Verbindung er mit Rodrom stand, der so offensichtlich
mit der Vernichtung Saggittors in Verbindung
stand, wußte er nicht.
DORGON hatte jedoch davon gesprochen,
daß MODROR der Initiator all diesen Terrors sei. Cau Thon sei einer seiner wichtigsten Handlanger. Doch auch Rodrom diente
MODROR. Alles, was sie bisher wußten, war
der Name. Was genau MODROR darstellte,
wußte zum jetzigen Zeitpunkt niemand. Vermutungen gingen in die Richtung, daß es sich um
einen Chaotarchen handelte.
Der Saggittone schüttelte die Gedanken ab.
Bei all den Problemen war es verständlich,
wenn er sich nach der Wärme einer Frau sehnte,
um auf andere Gedanken zu kommen und neue
Kraft zu schöpfen.
Dabei fiel ihm etwas ein. Er suchte in seiner
Brusttasche nach etwas und wurde auch fündig.
Es war eine Einladung zur Party des Jahrhunderts auf dem Disko-Raumschiff BAMBUS.
Aurec lächelte kurz. Das Schiff würde wohl
kaum der Platz sein, um eine würdige Gefährtin zu finden, trotzdem wollte er auf andere Gedanken kommen und sich in der Öffentlichkeit
blicken lassen. So idyllisch seine Hütte und die
Umgebung waren, so beklemmend wirkten sie
auch auf ihn, denn er konnte diese romantische
Atmosphäre mit niemandem teilen.
Also entschloß er sich, an der Reise teilzunehmen. Es war eine ruhige Zeit. Serakan konn-
Nils Hirseland
te ebenso die Geschäfte führen.
Schnell stand er auf und begab sich in den
Transmitter, der ihn direkt zu seiner Villa in
Saggittora brachte.
*
Aurec hatte gerade seine Koffer für die fünftägige Reise gepackt, als ihn Serakan und Nataly Jargon besuchten. Aurec hieß die beiden Gäste willkommen und bot ihnen einen Platz an.
»Was führt euch zu mir?« erkundigte er sich.
»Ich brauche noch ein paar Instruktionen
während deiner Reise«, erklärte Serakan. »Deine Sekretärin Nataly habe ich gleich mitgebracht.«
Aurec verzog kurz das Gesicht, während
er noch die letzten Sachen einpackte. »Sekretärin klingt so abwertend. Sie ist meine PRManagerin und Assistentin.«
Die Halblinguidin schmunzelte.
»Außerdem bin ich doch nur fünf Tage
weg«, fuhr Aurec fort. »Du kannst also unbesorgt sein und alles so laufen lassen, wie es im
Moment ist. Falls es zu unerwarteten Komplikationen kommt, bin ich auch auf der BAMBUS
erreichbar.«
Serakan nickte kurz. Irgendwie hatte er ein
ungutes Gefühl. So als ob er Aurec nie wieder
sehen würde. Er mußte schon selbst über diesen
Irrglauben lachen. Er benahm sich schon wie
ein ängstliches Kind.
»Ach, Nataly...« rief Aurec aus dem Nebenzimmer.
»Ja, Aurec?«
Der Saggittone kam mit einer kleinen Holzschachtel heraus. Daraus konnte Nataly ein leises Wimmern hören.
»Als ich in meinem Waldhaus war, mußte ich
feststellen, daß meine Hündin Rassori tatsächlich ein paar Welpen geworfen hat. Möchten Sie
vielleicht eines der Tiere haben?«
Nataly schaute in den Karton und war sofort
von dem kleinen schwarzen Wollknäuel hingerissen. Sie lächelte Aurec an und nickte.
»Es ist ein Weibchen«, erklärte er und gab
Nataly Jargon behutsam die Schachtel, die sich
für das Geschenk bedankte.
»Wie nennen Sie es?«
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
Jargon überlegte kurz. Dann sagte sie: »Tessa.«
Aurec sah sie fragend an.
»Das ist linguidisch und bedeutet süß«, erklärte sie.
Aurec grinste.
»Sie sind tessa!«
Nataly mußte loslachen und auch Aurec
grinste über beide Wangen aufgrund des Kompliments. Nur Serakan stand irgendwie unbeteiligt herum und überlegte, ob er die beiden bei
ihrem Flirt nicht alleine lassen sollte.
Doch Aurec war bereits in Aufbruchstimmung. Er verabschiedete sich von Nataly und
seinem Stellvertreter und Freund Serakan.
Der Saggittone blickte Aurec eine Weile hinterher. Das ungute Gefühl hatte er immer noch.
Doch er wollte seinen Gefühlen diesmal keinen
Glauben schenken.
2.
Die Party des Jahrhunderts
Es hatte fast den Anschein, als sei das Wetter am 17. November 1296 NGZ von NATHAN
vorbereitet worden.
Die Sonne schien über dem Raumhafen New
Terranias, keine einzige Wolke am Himmel.
Doch ein laues Lüftchen sorgte für etwas Erfrischung in der Hitze.
Die BAMBUS stand startbereit und bunt geschmückt auf dem Landefeld. Menschenmassen
hatten sich bereits zur »Preparty« eingefunden
und feierten und tanzten zu lauter Musik, während die 5000 Passagiere der BAMBUS eincheckten.
Yan Cruze stand an der Rampe und stopfte
sich ein paar Hamburger in den Rachen. Dabei
kleckerte er und sah aus wie ein kleines Ferkel.
»Hey, du! Geh gefälligst vorsichtig mit dem
Gepäck um. Das sind die Anziehsachen von
Aurec, dem Prinzen Saggittors. Wenn der eine
Falte in seiner Socke hat, kriege ich wieder eins
mit der groben Kelle über den Kopf«, blubberte
er unverständlich herum, da die Hälfte des Burgers noch in seinem Mund war.
Reiko kam hinzu und blickte in den Himmel. Er sagte keinen Ton. Francy und Vel-Ali
209
bewachten den Transport.
»Schönes Wetter. Würde lieber am Strand
liegen und meinen Wanst bräunen«, erklärte
Cruze.
Reiko sah ihn mürrisch an. »Ich kann dir gerne deine Papiere geben, dann kannst du Fettwanst dich in der Sonne aalen.«
Cruze blickte seinen Vorgesetzten entsetzt
an. »So war das nicht gemeint, Chef!«
»Gut!«
Cruze nickte verlegen und konzentrierte sich
wieder auf die Arbeit. Am liebsten hätte er Reiko mal so richtig die Meinung gesagt, doch dazu hatte er nicht genügend Courage. Yan Cruze
war ein Mitläufer, ein Mann, der sich nicht gegenüber Ranghöheren durchsetzen konnte.
Vekkner kam ihm entgegen. Der große blonde Terraner hielt eine Flasche Bier in der Hand
und machte einen vergnügten Eindruck.
»Wo warst du? Muß ich hier alles alleine machen?« zeterte Cruze.
»Sorry, Dicker! Der alte Braunhauer hatte
mich zum Fegen verdonnert. Danach habe ich
erst mal ein Bier getrunken und eine hübsche
Stewardeß in einer der Kabinen vernascht.«
Dieser Angeber, dachte Cruze. Er würde
auch gerne mal eine oder ein paar mehr Damen
beglücken, doch bei seiner Körperfülle wollte kaum eine etwas von ihm wissen. Da blieb
ihm nur noch das Essen. Auf der anderen Seite, war das Essen auch der Grund für seine Misere. Cruze befand sich in einem Teufelskreis,
doch er hatte nicht genügend Kraft, sich daraus
zu befreien.
Ferby H. und Dykker kamen auf die Beiden zugelaufen, während Reiko schon wieder
in dem Hauptsaal war und letzte Vorbereitungen für die Eröffnungsshow traf.
Ferby trug ein weißes Hemd, halb geöffnet,
mit einem Drachen auf der Brust. Eine Sonnenbrille schützte seine empfindlichen Augen.
»So, Leute! Es geht los. Die VIPs kommen«,
erklärte Ferby H. und grinste, da er sich schon
auf die Party freute.
»Ich hoffe, ihr benehmt euch alle«, fügte
Dykkar hinzu. »Und Cruze! Friß’ nicht soviel.
Ich will nicht, daß du die Verantwortung für eine Hungersnot auf der BAMBUS trägst.«
D O R G O N
210
Sehr witzig, dachte der korpulente Terraner,
lachte aber über Dykkars Witz. Ferbys Blick fiel
auf einige Gleiter, die ihren Weg durch die Massen bahnten. An dem LFT-Wappen an der Seite konnte er erkennen, daß es sich um wichtige
Besucher handelte. Die Party konnte beginnen!
*
»Und du bist sicher, daß du nicht mitkommen willst?« Die Stimme von Jonathan Andrews klang etwas enttäuscht.
»Ganz sicher, mein junger Freund. Ich mache mir nicht viel aus diesen Feiern. Meine
Kraft ziehe ich aus Meditation und Ruhe«, erklärte der Ritter der Tiefe Gal’Arn.
Der Elare hatte ebenfalls eine Einladung als
Ehrengast bekommen, sie jedoch abgelehnt. In
der Tat hatte Gal’Arn wenig für ausschweifende Feiern übrig und sah darin keine Erholung,
sondern eher eine zusätzliche Belastung.
Gal’Arn betrachtete den Raumer. In leuchtenden Buchstaben stand BAMBUS auf dem
Schiff. Das ehemals triste Grau der Außenhülle
war einer gelb-grünen Farbe gewichen und Unmengen von Fahnen schmückten das Schiff.
»Ich wünsche euch eine angenehme Feier«,
sagte Gal’Arn.
Damit meinte er nicht nur Jonathan Andrews, sondern auch dessen Freundin Marya
Jost, Remus und Uthe Scorbit, Jaquine, Anica,
Yasmin Weydner und deren Freundin Ivon Abrinsky.
»Dennoch, seid wachsam. Ich fühle gefährliche Schwingungen. Gebt auf euch acht«, fügte
er ernst hinzu.
Andrews nickte leicht. Er glaubte, daß sein
Mentor diesmal etwas übertrieb. Was sollte hier
schon passieren?
»Komm! Laßt uns jetzt endlich auf das
Schiff gehen«, drängelte Marya. Die junge Terranerin trug eine weiße Kombination aus einem
rückenfreien Top und einem weißen, sehr knappen Rock. Sie trug schwarze Stiefel und bot mit
diesem Outfit einen sehr attraktiven Eindruck.
Gal’Arn verabschiedete sich von seinen
Freunden und Gefährten. Als er sich umdrehte, kam ihm ein wankender Blue entgegen, der
Gal’Arn an den Schultern packte und schüttelte.
Nils Hirseland
»Party Alarm! Party, Party, Party!« brüllte
der Blue dem Ritter der Tiefe ins Gesicht.
Gal’Arn stieß ihn von sich und schüttelte den
Kopf.
»Nehmt euch an dem kein Beispiel«, ermahnte er sie noch und verließ den Festplatz
sehr schnell, denn er war froh, wenn er diese laute elektronische Musik nicht mehr hören
mußte.
Die anderen schauten ihm noch eine Weile
hinterher. Uthe seufzte leise, denn diese Musik
gefiel ihr auch nicht sonderlich. Sie wechselte
mit Remus einen vielsagenden Blick und vergewisserte sich so, daß auch ihr Mann nicht auf
diese Art von Klängen stand, zumindest nicht
wenn er nüchtern war.
Yasmin Weydner und ihre Freundin Ivon Abrinsky tanzten freudig zu der Musik, was jedoch
bei der eher dicklichen Abrinsky etwas peinlich
aussah.
Jonathan Andrews schüttelte den Kopf. Im
nächsten Moment spürte er die Lippen von Marya an seiner Wange.
»Wollen wir jetzt rein? Ich will feiern. Am
liebsten nur mit dir«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Andrews nickte unmerklich, nahm sie bei
der Hand und ging mit den anderen in das
Schiff. Sie wurden wenig höflich von den
Security-Leuten Darvos’ empfangen.
»Ausweise, Einladungen und Leibesvisitation!« brummte Vel-Ali, der die Ehrengäste nicht
erkannte. Vel-Ali machte sich wenig aus Politik. Er wollte bloß ab und zu mal die Gelegenheit bekommen, jemanden zu verprügeln.
Er ging zu Uthe Scorbit und tastete ihren
ganzen Körper ab, wobei er sich an gewissen
Stellen viel Zeit ließ. Remus wollte sich das
nicht gefallen lassen und stupste den Wachmann an.
»Würden Sie sofort aufhören, meine Frau so
zu begrabschen!« forderte er.
Ein Oxtorner kam hinzu, zog einen Schlagstock und schwang ihn bedrohlich vor Remus
Nase.
»So sind die Vorschriften. Wenn es dir nicht
paßt, dann nimm deine Alte und verzieh’ dich«.
Remus warf ihm einen bösen Blick zu.
»Wissen Sie den nicht, wen Sie vor sich haben?« hörte er eine Stimme hinter sich fragen.
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
Sie gehörte Aurec. Er nahm Uthes Hand und
küßte auf den Handrücken. Die anderen begrüßte er auch herzlich, bevor er sich dem Umweltangepaßten zuwandte.
»Wir sind Ehrengäste. Wenn Sie nicht in Zukunft die Mülltransporte zu einem einsamen
Asteroiden fliegen wollen, sollten Sie uns mit
etwas mehr Respekt behandeln. Nein, das ist
keine Bitte, sondern eine Warnung«, sprach Aurec und ging mit den anderen einfach weiter.
Die beiden Sicherheitsmänner wagten es
nicht, den Saggittonen aufzuhalten. Dazu hatten
sie viel zu großen Respekt vor dem legendären
Aurec.
»Danke«, sagte Uthe. »Das war wirklich in
letzter Sekunde. Wenn dieses Personal weiter
so unfreundlich ist, steige ich beim ersten Zwischenstopp aus und fliege nach Hause!«
Remus nahm sie in den Arm und versuchte
sie wieder etwas aufzumuntern.
»Master Aurec! Master Aurec«, hörte die
Gruppe jemanden hinter sich rufen. Es war Lorif, der zusammen mit Mathew Wallace und Irwan Dove ebenfalls auf der BAMBUS mitflog.
Der Posbi trippelte auf die Gruppe zu.
»Sir, wie schön, daß Sie auch hier sind«, fing
er an. »Ich persönlich weiß nicht genau, was
ich hier soll, außer die Verhaltensweisen der
Menschen und Extraterrestrier in ihrer Freizeit
zu studieren, jedoch Mathew und Irwan wollen
sich hier vergnügen. Wobei das nicht so ganz
gelungen ist, denn dieser rüpelhafte Wachmann
am Eingang hatte eine Meinungsverschiedenheit mit uns, die Irwan jedoch sehr überzeugend
zu seinen Gunsten entscheiden konnte...«
Aurec und die anderen sahen den breit grinsenden Oxtorner fragend an, der nur mit den
Schultern zuckte.
»Na ja, ich habe ihn zu Boden geworfen und
gezeigt, wie man richtig kämpft.«
Mathew Wallace begrüßte die anderen herzlich. Sein Augenmerk fiel besonders auf Jaquine und Yasmin Weydner. Seit Saraah hatte er
an keine andere Frau mehr gedacht, doch diese
beiden Mädchen gefielen ihm sehr. Insgeheim
malte er sich Chancen bei einer von den beiden
aus.
»Nun, dann sind wir ja vollzählig. Am besten
wir suchen direkt unsere Quartiere auf«, meinte
211
Aurec und deutete in Richtung Antigrav.
Die anderen erklärten sich einverstanden und
folgten dem Kanzler Saggittors, dessen Gedanken jedoch momentan um die vielen Milliarden Wesen kreisten, die in M 64 zurückgelassen wurden. DORGON hatte Aurec versprochen, sich um sie zu kümmern. Er hatte die Bewußtseine in sich aufgenommen. Sie sollten eine neue Bestimmung erfahren.
Natürlich glaubte der Saggittone an das Versprechen der Entität, doch es war sein Volk! Es
war nur natürlich, daß er sich Sorgen um ihren
Verbleib machte.
Diese Ungewißheit belastete ihn sehr. Er
seufzte leise und begab sich zum Antigrav, dabei wurde er unsanft von einem hageren Terraner angestoßen, der sich nicht einmal entschuldigte. Neben ihm lief eine wunderschöne Terranerin mit langen blonden Haar und tiefblauen Augen, die Aurec in einer unbeschreiblichen
Weise faszinierten. Dennoch beschloß er, den
jungen Mann zu maßregeln, in dem er ihn am
Arm festhielt und auf sich aufmerksam machte.
»Es gehört zu den guten Manieren der Terraner sich zu entschuldigen«, sagte Aurec leicht
gereizt.
Der Terraner und seine weibliche Begleitung
drehten sich um. Aurec schien für einen kurzen
Moment in den wundervollen Augen der blonden Frau zu versinken. Für wenige Sekunden
trat Unsicherheit in der Haltung des Saggittonen auf, doch er riß sich wieder zusammen und
legte eine strenge Miene auf.
»Nun?«
Der Terraner machte einen genervten Eindruck. »Wofür soll ich mich entschuldigen, Alter?«
»Dafür, daß Sie mich angerempelt haben.
Ohne Zweifel ein Versehen. Dennoch gebietet
es die Höflichkeit, sich zu entschuldigen«, erklärte Aurec.
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf und
stellte sich provokativ vor den Saggittonen, der
sich jedoch nicht einschüchtern ließ.
»Ey, Mann! Ich bin Krizan ›The Bush‹ Bulrich! Und ich entschuldige mich nicht bei dir,
okay? Und nun zieh’ Leine!«
Seine Freundin schien mit den Worten des
rüpelhaften Terraners nicht einverstanden zu
212
D O R G O N
sein. Leicht beschämt blickte sie auf den Boden.
»Soll ich ihm eine Lektion erteilen?« erkundigte sich Irwan Dove ungehalten.
Aurec winkte jedoch ab. »Nein, danke! Mit
dem werde ich auch alleine fertig.«
Bulrich stemmte die Arme in die Hüften. Er
schien grenzenloses Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten zu haben oder konnte gut
bluffen.
»Nun entschuldige dich doch bei ihm. Was
ist denn schon dabei?« drängte seine Freundin.
»Habe ich dich gefragt? Mädchen halten die
Klappe, wenn sich erwachsene Männer unterhalten, verstanden?«
Nun wurde Aurec noch ungehaltener.
»Anscheinend besitzen Sie außer schlechten
Manieren auch keinen Respekt vor einer Dame«, stellte er fest.
»Oh Mann, jetzt sind wieder alle gegen
mich«, stöhnte Bulrich.
»Ist ja auch kein Wunder, wie du dich wieder
benimmst, Krizan«, rügte ihn seine Freundin.
»Oh, Aurec! Welche Ehre dich hier bei uns
vorzufinden tun«, hörten die Gruppe eine Stimme in falschem Interkosmo sagen. Sie gehörte
Reinhard Katschmarek. Hinter ihm kamen Werner Niesewitz, Peter Roehk, Reiko, Dykkar und
Ferby H, die den Ehrengast begrüßen wollten.
»Aurec?« fragte Krizan Bulrich kleinlaut.
Der Saggittone grinste nur und nickte.
Der junge Terraner lief rot an und auch seine
Freundin machte einen peinlich berührten Eindruck. Selbst Krizan Bulrich wußte, wer Aurec
war.
Bulrich stotterte etwas zusammen, woraus
Aurec jedoch nicht sonderlich schlau wurde.
Seine Freundin ergriff das Wort. »Das tut uns
sehr leid, Sir, Mister Aurec, Majestät oder wie
man Sie nennen soll.«
»Meine Freunde nennen mich Aurec«, entgegnete der Saggittone freundlich.
»Gehöre ich denn zu Ihren Freunden?« wollte sie wissen.
»Es wäre mir eine Ehre, eine so bezaubernde
Dame zu meinen Freunden zählen zu dürfen«,
sagte Aurec charmant.
»Übrigens, mein Name ist Anya Guuze.«
Nils Hirseland
Anya lächelte. Ein bezauberndes Lächeln,
wie Aurec fand. Sein Herz schlug höher und
für einen kleinen Moment schien er all die Sorgen und Probleme vergessen zu haben. Doch
ein neues Problem machte gleich auf sich aufmerksam.
»Hey, also das tut mir leid, aber meine
Freundin wird in Ruhe gelassen, verstanden?«
rief The Busch. »Vielleicht können wir uns ja
mal bei einem Gläschen über Gleiter oder so
unterhalten? Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen
günstig ein neues Gefährt besorgen. Ich kann
Ihnen auch ein paar Rentenfonds anbieten...«
»Ich komme vielleicht darauf zurück«,
meinte Aurec und verabschiedete sich von Anya Guuze mit einem Lächeln. Dann wandte er
sich, während die beiden in den Antigrav stiegen, den drei Inhabern und den beiden Geschäftsführern der BAMBUS zu.
»Welche Ehre, daß du dich zu uns gesellst.
Ach, und auch die Helden aus Zerachon sind
hier. Sehr schön«, fand Werner Niesewitz in einem seltsamen Unterton.
Weder Aurec, noch Andrews oder Wallace
trauten diesem kleinen Burschen. Besonders Jonathan Andrews und die Scorbits hatten bereits
unangenehme Erfahrungen mit ihm gemacht.
Doch Aurec blieb trotz seiner persönlichen
Abneigungen gegen diese drei Terraner höflich
und korrekt.
»Vielen Dank, meine Herren. Wir möchten
nun zu unseren Quartieren«, erklärte Aurec.
»Natürlich«, entgegnete Roehk und rief zwei
Hostessen herbei, die die Gäste begleiten und
ihr Gepäck tragen sollten. Lediglich Aurecs Gepäck wurde bereits in die Kabine gebracht.
»Wer sind die anderen drei?« wollte Aurec
noch wissen.
»Ferby H«, antwortete der stille, hochgewachsene Terraner selbst. Er musterte Aurec
und schien ihn nicht sonderlich zu mögen.
»Das ist einer unsere beiden Geschäftsführer. Ferby H und seine rechte Hand Dykkar. Sie
kommen aus der Szene. Der andere ist unser Organisator Reiko«, erklärte Niesewitz.
Aurec nickte leicht. Dann wollte er zum Aufzug, als er die beiden Hostessen kommen sah.
Eine der Hostessen ließ einen Koffer fallen.
Sofort rannte der kräftig gebaute Reiko zu ihr
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
und packte die Frau unsanft am Arm.
»Was fällt dir ein? Du kannst dir deine Papiere abholen«, brüllte er sie an.
Die junge Terranerin fing an zu weinen, doch
das scherte Reiko wenig. Er rief zwei Sicherheitskräfte, einen Topsider und einen japanischen Terraner, die die Frau in die Mitte nahmen und mit ihr verschwanden.
Anschließend kamen zwei andere Sicherheitsleute, die sich um die Koffer kümmerten.
Einer von ihnen, ein muskelbepackte Ertruser
mit einem markanten Kinn stellte sich direkt
vor Andrews. Provozierend sah er den Orbiter
und Anwärter auf den Ritterstatus an.
»Was?« fragte Andrews genervt.
»Kannst du Verlierer deinen Koffer nicht alleine tragen?«
»Nicht, solange es einen noch größeren Verlierer, wie du es einer bist, gibt«, konterte Andrews.
Der Ertruser verzog keine Miene, dann fing
er plötzlich an zu lachen und schlug Andrews in
Freundschaft auf die Schulter.
»Du hast Mut, Kleiner! Ich bin Franczy.
Wenn du Hilfe brauchst, rufe mich!« sagte er
und nahm den Koffer.
Andrews merkte sich den Namen und bedankte sich für das Angebot. Sie machten sich
auf den Weg in Richtung Antigravlift.
Bevor sie jedoch dazu kamen, den Antigrav
zu betreten, vernahm Aurec eine unangenehme
Stimme hinter sich.
»Sucht der Prinz Saggittors ebenfalls Zerstreuung?«
Es war die Stimme Nor’Citels. Aurec drehte
sich um und warf seinem Amtskollegen einen
unfreundlichen Blick zu.
Nor’Citel grinste überlegen und reichte Aurec die Hand, die der Saggittone zögernd annahm.
»Was führt denn den ehrenwerten Corun von
Paricza hierher?« erkundigte sich Aurec interessiert.
»Ich habe die Einladung dieses gesellschaftlichen Ereignisses gerne angenommen und werde mich den Völkern Cartwheels auf diese Art
als einen offenen und netten Corun präsentieren. Wie ich sehe, hegen Sie die gleiche Absicht.«
213
Nor’Citel, alias Leticron, schritt langsam auf
Aurec zu. Mit seinen knapp zwei Metern war er
eine eindrucksvolle Erscheinung, die Aurec um
fast anderthalb Köpfe überragte.
Für einen kurzen Moment herrschte eine gespenstische Stille. Aurec traute Nor’Citel nicht,
doch er konnte beim besten Willen nicht ahnen,
daß ihm Leticron, einer der grausamsten Widersacher Perry Rhodans, gegenüber stand. Noch
weniger konnte er wissen, daß dieser Leticron
nun ein Sohn des Chaos und Zellaktivatorträger
war.
»Dykkar, kümmere dich um Nor’Citel«, forderte Ferby, der selbst in die Haupthalle ging,
um die letzten Soundchecks von DJ Abfallhaufen zu überwachen.
»Klaro, Ferby. Na, dann komm mal mit,
mein Großer«, sagte Dykkar. Dykkar redete den
ganzen Weg über und versuchte mit ein paar Bemerkungen über die knapp bekleideten Hostessen Nor’Citel zum Lachen zu bringen.
Als sie bei der Suite angekommen waren,
warf Leticron dem Terraner noch einen üblen
Blick zu.
»Vielen Dank, Sir. Ich habe mich zwar schon
mit besseren unterhalten, aber nicht mit vielen.«
Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich
Dykkar von dem Pariczaner, der wortlos in seine Kabine ging.
Reinhard Katschmarek, Werner Niesewitz
und Peter Roehk führten nun die anderen Ehrengäste in ihre luxuriösen Suiten, wo sie bis
zum Abend auch verweilten.
Dann begann die Party des Jahrhunderts.
*
Langsam versammelten sich die Gäste in den
vielen Sälen. Die Ehrengäste wurden natürlich
in den Hauptsaal eingeladen. Yan Cruze, zuständig für die Bewirtung der Ehrengäste, hatte
ein kaltes Buffet und unzählige Flaschen Sekt
für den Empfang vorbereitet.
Vekkner torkelte bereits durch den Raum
und baggerte jede terranische Frau an. Reiko gab dem Tresenpersonal letzte Instruktionen
und Bienya Scolar, die das Sagen über die Barbedienungen hatte, kontrollierte alle Tresen.
D O R G O N
214
DJ Abfallhaufen stand an einem Tresen und
trank ein Glas Sekt. Er reckte die Nase in die
Höhe und fühlte sich wie ein Star. Ein paar Teenager baten ihn um ein Autogramm von Ferby
H. Doch Junk schickte sie zornig weg. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand besser oder beliebter war als er.
Peter Roehk betrat den Raum und ging zu
einem Podium. Neben ihm liefen Ferby H.,
Dykkar, Reiner Katschmarek und Werner Niesewitz. Das war das Zeichen für den Beginn der
Party des Jahrhunderts.
*
»Ehrenwerte Gäste«, hallte es durch die
Lautsprecher. Es war die Stimme von Peter Roehk, die überall auf der BAMBUS zu hören war.
»Es ist soweit! Wir begrüßen euch zur Party
des Jahrhunderts auf der BAMBUS. In zwanzig
Areas werden euch Discjockeys, sexy Stripperinnen, freundliche Bedienungen, Schnaps, Alkohol und tolle Musik erwarten.
Des weiteren stehen euch zehn Ruhezonen
und fünf Restaurants zur Verfügung. Für euer
Wohl ist also bestens gesorgt.
Deshalb bleibt mir auch nur noch eines zu
wünschen übrig: Habt Spaß, kippt euch was gewaltig hinter die Binden, treibt es was das Zeug
hält und laßt viel Geld hier zurück!«
Unter dem Jubel der Partygänger beendete
Roehk seine Rede. Dann ergriff Ferby H. das
Wort.
»Grüße an alle BAMBUS-Freaks. Meine
Freaks! Ich will nur eines von euch; saufen, rauchen, raven, und daß ihr es wild treibt!« rief der
seltsame Terraner in das Mikrophon.
Die Besucher applaudierten und jubelten
ihm zu.
Damit war der Startschuß zu Feier gefallen.
Im Hauptsaal, der für etwa 500 Wesen ausgelegt war, lief die Eröffnungszeremonie an. Die
Massen stürmten laut grölend in die einzelnen
Räume. Eine ausgelassene Stimmung herrschte
jetzt schon.
Viele der Besucher wollten die bedrückenden Gedanken um Cau Thon und den Mächten
des Chaos für die nächsten fünf Tage vergessen.
Viele von ihnen hatten allerdings auch wenig
Nils Hirseland
mit DORGONs Projekt zu tun. Ihre Eltern waren es, die sich dafür entschieden hatten, nach
Cartwheel aufzubrechen. Natürlich nahmen sie
ihre Kinder mit, die jedoch oft noch keine feste Aufgabe in Cartwheel hatten und daher ihre
Jugend auskosten konnten.
Auch Jonathan Andrews und seine Freundin
Marya Jost stürzten sich in das Getümmel. Ihnen folgten Remus und Uthe Scorbit, Anica, Jaquine und Aurec selbst.
Der Saggittone sah sich in der dunklen Halle
um. In der Mitte befand sich die Tanzfläche, an
der Decke direkt darüber hingen vier Käfige, in
denen sehr leicht bekleidete humanoide Frauen
tanzten.
Uthe Scorbit empfand dies als Erniedrigung
für das weibliche Geschlecht, doch sie gehörte
bedauerlicherweise zu den wenigen Menschen,
die diese Tatsache aufregte.
Hinter der Tanzfläche stand die Konsole für
die Musiker, der Arbeitsplatz der DJs. Von dort
aus produzierten sie mit Hilfe diverser Tonträger Musik. Ferby und DJ Abfallhaufen hüpften
wild herum und sorgten für Stimmung.
Die Anlage war sehr laut und brachte den gesamten Saal zum Beben.
Auch Reinhard Katschmarek stand hinter
dem Pult und trug ein altertümliches BaseballCappy auf dem Kopf. Er trug es so, daß der
Schirm nach hinten zeigte. In lächerlich anmutenden Bewegungen tanzte er zu der Musik und
schwenkte dabei seine Bierflasche hin und her.
Aurec fragte sich für einige Sekunden, ob er
zu spießig oder schon zu alt für solche Feiern
war, da in ihm noch keine rechte Stimmung aufkam. Der Saggittone wußte diese Frage nicht
genau zu beantworten.
Aurec war die seltsamen Feiern der Terraner
bereits gewöhnt. Lorif jedoch weniger. Der Posbi lief langsam durch den Saal und blieb vor Aurec stehen. Er musterte die jungen Terraner und
Galaktiker die wild zu der Technomusik tanzten.
»Sehr seltsame Feier, Sir.«
»Na ja, typisch galaktisch würde ich sagen«,
erwiderte Aurec.
Lorif stimmte dem nicht ganz zu.
»Eher terranisch, Sir«, erklärte er. »Im Laufe der Jahrtausende der menschlichen Evolution
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
hatten sich viele Formen von Zelebrationen angesammelt. Je nach Interesse der Besucher wurde eine dieser Formen gewählt.«
Aurec seufzte innerlich, denn wenn Lorif
erst einmal damit begann zu erzählen, wurden
es sehr langwierige Analysen.
»Es gab sehr würdevolle und disziplinierte
Veranstaltungen, es gab welche, die schon spießig wirkten und es gab die sehr ausgelassenen.
Doch auch dabei gab es einen Unterschied zwischen den fröhlich ausgelassenen Feiern und
diesen, wo die Terraner einfach nur durchdrehten«, fuhr er fort. »In fast jedem dieser Fälle war
jedoch Alkohol und das Werben um einen Partner ein wesentlicher Bestandteil. Besonders bei
den modernen Parties scheint es der Fall zu sein,
daß die Humanoiden sich betrinken, wie Geisteskranke tanzen, weitertrinken, sich ein Weibchen oder Männchen aussuchen, abermals weitertrinken, um in Stimmung zu sein, wenn sie
mit dem Partner den Geschlechtsakt vollführen.«
Aurec blickte den Posbi geistesabwesend an.
Zwar hatte Lorif mit seinen Ansichten vollkommen recht, doch irgendwie war Aurec auch
nicht danach, sich das jetzt anzuhören. Zudem
bereitete die wummernde Musik ihm fast schon
Kopfschmerzen. Trotzdem lächelte er dem Posbi zu und bedankte sich höflich bei ihm, bevor
er zu einem Tresen ging.
Lorif blickte irritiert hinterher und beschloß,
sich weiterhin den Verhaltensweisen der Galaktiker beim Feiern zu widmen.
*
Jonathan Andrews war einigermaßen überrascht, als er Jezzica Tazum an einem Tresen
erblickte.
Die Terranerin schien in ihrer Arbeit aufzugehen. Sie trug ein für sie typisches knappes
und enganliegendes Kleid und wirkte traumhaft
in Andrews Augen.
Jezzica tanzte rhythmisch zur Musik. Dieser Anblick versetzte Jonathan Andrews in den
siebten Himmel. Jedoch nur solange, bis er die
feuchten Lippen von Marya an seiner Wange
spürte.
»Bestellst du mir jetzt was zu trinken?« frag-
215
te sie mit ihrer hohen Stimme.
»Ja, kleinen Moment«, erwiderte Andrews.
Er wartete, bis Jezzica die anderen Gäste bedient hatte und sich zum ihm umdrehte. Für
einen Moment blieb sie still stehen und wirkte sehr überrascht. Dann fing sie sich wieder
ihm und schenkte dem Terraner ein warmes Lächeln. Tazum ging zu Andrews und küßte ihn
auf die Wange.
Sie wechselte einen flüchtigen Blick mit Marya, die ihr nur einen eiskalten und finsteren
Blick zuwarf.
»Was machst du denn hier?« wollte Jezzica
wissen.
»Das wollte ich eigentlich dich fragen? Wir
wollen uns hier etwas erholen.«
Jezzica lächelte wieder. Dieses Lächeln ließ
Andrews Herz höher schlagen, doch er ließ sich
nichts anmerken, denn Marya stand neben ihm
und machte keinen glücklichen Eindruck.
Jezzica steckte sich eine Zigarette an und erklärte: »Die bezahlen hier gutes Geld und das
macht weitaus mehr Spaß als auf der THEBEN.
Hier sind viele Besucher, man lernt neue Typen
kennen, gute Musik wird gespielt und ständig
ist Party. So stelle ich mir mein Leben vor.«
Jonathan Andrews mußte lachen. Wenn
Gal’Arn Jezzica gehört hätte, würde der Ritter
der Tiefe sicher mit dem Kopf schütteln.
Gal’Arn war pflichtbewußt, stets wachsam
und jederzeit bereit für Frieden und Gerechtigkeit zu kämpfen. Der Shagoer hatte stets gemahnt, das Leben nicht als eine einzige Feier anzusehen, sondern Verantwortungsbewußtsein, Toleranz und Weitblick zu zeigen.
Jezzica Tazum schien diesen Weitblick nicht
zu haben. Zwar hatte sie sich recht gut auf
der TERSAL und auch auf Zechon geschlagen,
doch das abenteuerliche Leben mit all seinen
Entbehrungen war nichts für sie gewesen.
Das war auch der Grund für das frühe Ende
der Beziehung zwischen Tazum und Andrews
gewesen.
Dennoch waren immer noch Gefühle im
Spiel, zumindest bei Jonathan Andrews. Doch
der junge Orbiter Gal’Arns ermahnte sich
selbst, denn er hatte eine Freundin. Doch seine Gefühle für Marya Jost schwächten sich von
D O R G O N
216
Tag zu Tag ab. Sie haßte sein abenteuerliches
Leben und verhielt sich oft sehr egoistisch.
Alles sollte sich um sie drehen, Andrews
sollte, wenn möglich, jede Minute mit ihr verbringen. Das wollte und konnte er nicht.
Er warf Jezzica wieder einen vielsagenden
Blick zu, doch sie bemerkte ihn nicht, da
sie damit beschäftigt war, einige Tabletten zu
schlucken.
Andrews schüttelte leicht den Kopf. Er wußte, daß es sich bei diesen Pillen um Psychopharmaka handelte, die Müdigkeit und Mattigkeit
neutralisierten und die Kondition stärkten.
Jedoch hatten sie auch den unangenehmen
Nebengeschmack, daß Geist und Sinne verwirrt
und enthemmter wurden und die regelmäßige
Einnahme dieser Drogen süchtig machen konnte. Bevor er Jezzica darauf ansprechen konnte,
zog ihn Marya am Arm und wollte mit ihm tanzen gehen.
Widerwillig stimmte Andrews zu.
*
Remus und Uthe Scorbit standen an einem
Tresen und warteten auf die Bedienung. Es war
der Tresen von Krizoff, der mit Ottilie Braunhauer auf ihr Wohl anstieß. Der Olymper stand
ebenfalls unter Drogen, wie man unschwer erkennen konnte.
Er hüpfte zu der Musik herum und schwenkte heftig mit den Armen. Der Schweiß rann dem
dicklichen Kolonisten von der Stirn.
Freundlich begrüßte er Remus Scorbit und
gab ihm gleich ein Getränk auf Kosten des Hauses aus. Die beiden verstanden sich auf Anhieb
und Remus fand die offene und freundliche Art
des Olympers sehr erfrischend.
Uthe war gelangweilt. Die laute elektronische Musik gefiel ihr nur teilweise.
Erst als Jaquine auftauchte, stieg auch Uthes
Laune etwas. Remus bestellte sich ein Bier und
trank es in einem Zug aus, um anschließend mit
Krizoff einen Vurguzz in einem Zug zu trinken.
Er bedauerte es, daß sein neuer Freund Helge von Hahn nicht dabei sein konnte, doch der
junge Soldat hatte einen Übungseinsatz. Auch
sein Bruder Jan Scorbit konnte nicht mitkommen, da er mit der Suche nach den letzten An-
Nils Hirseland
hängern des toten Sarons beschäftigt war.
Uthe jedoch war ganz froh, daß Helge von
Hahn nicht dabei war. Sie konnte von Hahn
nicht leiden und fühlte sich in seiner Gegenwart
unwohl. Schon oft hatte sich das Ehepaar über
Helge von Hahn gestritten, da ihn Remus immer wieder verteidigte. Remus wollte heute gar
nicht damit anfangen, denn er wollte sich nicht
mit seiner geliebten Frau streiten.
»Überraschung!« schrie ein kahlgeschorener
Terraner.
Uthe mußte beinahe brechen.
Helge von Hahn stand vor dem Ehepaar und
hob seine rechte Hand zu einem Gruß. Seine
Augen leuchteten fanatisch, sein Atem stank
nach Alkohol.
»Helge!« rief Remus freudig.
Die beiden umarmten sich. Dann wandte
sich von Hahn zu Uthe und wollte sie umarmen,
doch die Terranerin streckte ihm nur die Hand
entgegen.
Helge von Hahn hielt sich für unwiderstehlich. Er war der festen Überzeugung, daß Uthe
eines Tages auch seinem Charme erlegen würde.
Helge von Hahn tanzte der Musik nach, zumindest versuchte er es.
»Warum bist du hier?«
» Einsatz war ausgefallen. Was wollen wir
trinken?« fragte er überschwenglich und fuchtelte mit den Armen umher.
Remus überlegte einen Moment, dann bestellte er bei Krizoff zwei doppelte Vurguzz.
Nachdem beide in einem Zug das grüne Getränk ausgetrunken hatten, gab von Hahn einen
Laut des Wohlschmeckens aus.
»Mehr davon«, meinte er.
Dann legte er seinen Arm um Remus, dessen
Laune auch stetig besser wurde.
Uthe hingegen langweilte sich. Sie sah auf
die Tanzfläche.
Anica stand an dort und hüpfte in kurzen
Intervallen zu der Musik, blieb dann wieder
stehen und begann erneut dem Rhythmus der
Klänge zu folgen.
Jaquine sah Uthe an und fächelte sich mit einem BAMBUS-Flyer Luft zu.
»Sieh mal den da«, meinte die Zechonin und
deutete auf einen hochgewachsenen Terraner.
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
Er trug weite Hosen, einen schlabberigen Pullover und die Haare standen steil nach oben. Alles in allem machte er auf Uthe Scorbit eher
einen abschreckenden Eindruck, doch Jaquine
schien er zu gefallen.
Jedoch war sie viel zu schüchtern, um ihn
anzusprechen. So entschloß sie sich, ihn noch
etwas länger zu beobachten.
Anica kam auch zu den anderen und stellte sich neben Remus Scorbit und Helge von
Hahn, die sich inzwischen ein Bier bestellt hatten. Anica sah Remus nur an und lächelte kurz.
»Ich frage mich, wie du zu dieser Musik tanzen kannst«, meinte der Terraner.
»Häh?« machte sie nur und strahlte ihn weiter an. Anscheinend bekam sie gar nicht mit,
was er von ihr wollte. So winkte Scorbit nur ab
und widmete sich seinem Bier.
Helge lachte gemein. »Mit dem Feger kann
man bestimmt eine heiße Nacht verbringen!«
»Frag sie doch«, erwiderte Remus.
»Das werde ich auch. Dann steche ich mich
richtig durch«, brüllte Helge laut. Er blickte
sich um und tanzte in seiner seltsamen Form
weiter.
Mit großem Entsetzen mußte Remus allerdings feststellen, daß Karl-Adolf Braunhauer in
der Halle war. Mit schmerzverzerrtem Gesicht
schlurfte er zu seiner Frau, die gerade den nächsten Vurguzz leerte.
Dann ereignete sich das, wovor Scorbit sich
am meisten gefürchtet hatte. Die Braunhauers
hatten ihn bemerkt und gingen auf ihn zu.
»Ach, Herr Schorbus«, begrüßte ihn Ottilie
Braunhauer mit lallender Stimme.
Remus sagte nichts.
»Diese blöde Untermenschenmusik! Meine
Ohren!« seufzte Karl-Adolf und faßte sich abwechselnd an Herz, Rücken und Kopf, um demonstrativ zu zeigen, wie schlecht es ihm ging.
»Vatichen geht es ja wieder so schlecht, wissen Sie? Das sieht man ja, nicht? Oder? Nun
sagen Sie doch auch mal was!« forderte Ottilie
giftig.
Remus nickte nur.
»Wir machen ja hier den... den, den Posten
des Hausmeistermannes. Also, Vatichen macht
das und ich unterstütze ihn. Wobei ja noch
Böhmchen hier ist, um die wir uns kümmern.
217
Wissen Sie, Böhmchen ist ja eine so gute Freundin von uns, aber so krank«, erklärte die alte Terranerin, ohne daß es Scorbit interessierte. »Kennen Sie eigentlich die Geschichte von
Weihnachten mit dem Grünkohl?«
Innerlich schrie Remus Scorbit auf. Diese
Geschichte mußte er sich bereits auf der LONDON II von der alten Frau anhören. Bevor er
jedoch etwas sagen konnte, begann sie bereits
zu erzählen.
»Wißt ihr, Weihnachten im Jahre 1144 war
ja alles ganz anders als heute. Damals lag die
Erde ja in Trümmern, wegen diesem, diesem...
Stereo oder wie der hieß, oder Monoton oder so
in der Art. Na auf jeden Fall hatte Oma Ella damals die Idee, Grünkohl zu Weihnachten zu machen. Das müßt ihr euch mal vorstellen, Grünkohl zu Weihnachten! Also wirklich, Grünkohl
zu... zu... na diesem Feiertag eben.«
Uthe bemerkte jetzt auch, daß die beiden alten Terraner anwesend waren. Entsetzt wandte
sie sich wieder Jaquine zu, die an einem anderen Tresen Yasmin Weydner und ihre Freundin
Ivon Abrinsky entdeckte.
Obwohl sie sich im Moment nicht so gut
verstanden, beschloß Uthe schnell zusammen
mit ihrer zechonischen Freundin zu den beiden
Mädchen zu gehen, sehr zum Bedauern von Remus, der jetzt den Anekdoten der Braunhauer
völlig ausgeliefert war.
Helge hatte es auch verstanden, sich etwas
weiter weg zu setzen, um sich mit Krizoff zu
unterhalten.
»Na ja, dann kam die Inge Bohmar – unser Böhmchen, sehr fein angezogen, in diesem
Kleid. Ich stand jedoch da mit der Küchenschürze, weil Oma Ella ja Grünkohl kochen
wollte. Mir war das ja so peinlich, daß kann man
sich gar nicht vorstellen! So etwas von peinlich!« erzählte sie ungehemmt weiter, bis sie
ihr Mann anstieß. Mit weinerlichem Gesicht erzählte er, daß er sich in die Hosen gemacht hatte.
Remus, der gerade ein Schluck von dem Bier
genommen hatte, prustete die Flüssigkeit wieder aus und mußte sich zusammenreißen, um
den alten Mann nicht auszulachen.
»Ach Ottilie, ich will jetzt raus hier. Ich kann
diese Affenmusik nicht ertragen!« brüllte Karl-
218
D O R G O N
Adolf und legte dabei seine übliche Leidensmine auf.
Ohne sich zu verabschieden, ging das Ehepaar Braunhauer aus der Halle, wobei Ottilie
große Probleme hatte, gerade zu gehen.
Erschöpft ließ sich Remus auf den Tresen
sinken. Aurec kam hinzu und schlug seinem
Freund leicht auf die Schulter.
»Zum Glück waren die nicht auf der LONDON I«, sinnierte er mit einem sarkastischen
Lächeln, das Remus nur mit einem genervten Kopfschütteln kommentierte und sich diesmal einen Vurguzz-Hyper bestellte. Hyper war
ein blaues Energiegetränk, das in Mischung
mit Vurguzz sehr gut schmeckte und den derben Geschmack des hochprozentigen Alkohols
stark verbesserte.
»Hey, wer ist das denn?« wollte Helge von
Hahn wissen.
»Das ist Aurec. Der Aurec!« erklärte Remus.
Helge stand stramm und salutierte.
»Es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen,
Sir!« brüllte er. »Mein Name ist Offiziersanwärter Helge von Hahn, 5. Raumschiffabwehrbatterie Mankind, 3. Regiment!«
Aurec reichte ihm die Hand.
»Wir sind hier in der Freizeit, wenn ich dich
Helge nennen darf, lassen wir die Förmlichkeiten«, sagte Aurec freundlich.
Helge von Hahn grinste breit und spendierte
Aurec und Remus wieder einen Vurguzz-Hyper.
Kathy Scolar kam in dem Moment an den
Tresen. Sie wurde von Krizoff mit einem Kuß
auf die Wange begrüßt.
Kaum war sie dort, tauchte auch schon
Vekkner auf, die heillos betrunken war. Er versuchte Kathy zu umarmen. Sie lächelte ihn an.
»Hey, hast du Lust auf eine Nummer in der
Kühlkammer?« lallte er.
Kathy lachte und überlegte kurz, dann lehnte sie das Angebot ab. Sie hatte eher etwas für
Krizoff übrig und hoffte, ihn irgendwie herumkriegen zu können, denn die Schönheit wollte
diese aufregende Nacht nicht alleine beenden.
Dann wandte sie sich Aurec zu und lächelte
ihn freundlich an.
»Hi«, sagte sie strahlend und fragte ihn, ob
er etwas zu trinken haben wollte. Aurec war
von dieser sympathischen Ausstrahlung ange-
Nils Hirseland
tan, lehnte jedoch ab, da er noch ein volles Glas
hatte.
Helge von Hahn blickte Kathy tief in die Augen. Jedoch entzückte die Terranerin das Starren von Helges Glubschaugen wenig.
Sie lächelte zwar kurz freundlich, war jedoch schon nach wenigen Augenblicken von
den Blicken Hahns genervt.
Er trank schnell seinen Vurguzz aus und bestellte einen neuen.
»Hey, Schnecke. Bring mir noch einen!« forderte er Kathy auf, die zu Krizoff sah. Der
Olymper verstand schnell und servierte Helge
den Vurguzz selbst.
Ein Schrei ging durch die Massen, als ein
bekanntes Lied gespielt wurde. Die Laserstrahlen wirbelten durch den Raum und Nebelschwaden wurden auf die Tanzfläche geschossen. Die
Menschen und Extraterrestrier tanzten freudig
durch die Gegend und feierten ausgelassen. Einige allerdings zu ausgelassen, wie Aurec fand.
Die einzigen in dem Raum, die keinerlei
Emotionen zeigten, waren die Sicherheitsleute,
welche ihre Runden zogen.
Yan Cruze machte kurz am Tresen halt und
brachte einen Kübel mit neuem Eis für die Getränke. Dann holte er einen Hamburger aus seiner Tasche und stopfte sich genüßlich das Essen
in den Mund.
Reiko hatte das bemerkt und lief zu dem
dicken Terraner.
»Friß nicht, arbeite!« brüllte er.
Cruze zuckte zusammen und lief sofort weiter, um ein paar leere Flaschen einzusammeln.
Aurec blickte sich um und entdeckte zu seiner Freude Anya Guuze, die ihre Hüften zu
den Tönen dieses Songs schwang. Aurec blieb
bei diesem Anblick beinahe die Spucke weg,
denn die terranische Schönheit trug schwarze,
kniehohe Stiefel, einen sehr knapp gehaltenen
schwarzen Rock und ein bauch- und rückenfreies weißes Top, das ihre graziöse Figur noch
mehr hervorhob.
Remus bemerkte, daß der Saggittone auf die
junge Terranerin starrte und stieß ihn freundschaftlich an.
»Hey, sind wir etwas verliebt?«
Aurec lächelte verlegen.
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
»Nein, nicht wirklich«, antwortete er. »Aber
sie beeindruckt mich. Irgendetwas geht von ihr
aus, was mich fasziniert.«
Er trank schnell aus und bestellte neu. Kathy
eilte herbei, um ihn zu bedienen. Auch der Anblick dieser terranischen Schönheit war nicht zu
verachten. Aurec grinste frivol und fühlte sich
richtig wohl.
Wie aufs Stichwort kamen nun ein paar andere zu Anya. Es war ihr Freund Krizan Bulrich
der scheinbar ziemlich betrunken war.
Er sah Aurec und grüßte ihn. Wenige Sekunden später setzte er sich in Richtung Saggittone
in Bewegung. Anja folgte.
»Anscheinend hat er noch etwas auf dem
Herzen, was den vorherigen Vorfall betrifft«,
meinte Remus Scorbit.
»Was? Was will der Typ?« rief Helge laut.
Der Alkohol hatte seine Wirkung bei dem Unteroffiziersanwärter nicht verfehlt. »Wenn der
Ärger macht, haue ich ihm eins aufs Maul!«
Aurec winkte ab.
»Hey, altes Haus. Na, alles gerade bei dir?«
begann Krizan und reichte Aurec die Hand, die
er kurz ergriff. Er warf Anya einen Blick zu und
grüßte sie kurz.
»Das ist der große Aurec, Leute!« schrie
Bulrich durch den Saal.
Er warf dabei einen kurzen Blick auf Kathy,
die das Gespräch mitverfolgt hatte. Der Saggittone hätte jetzt gerne gewußt, was sie dachte.
Gehörte sie auch zu dieser Sorte Frauen oder
war sie, wie es Aurec bevorzugte, eine Dame?
Aurec beschloß zu gehen. Als er sich umdrehte, stand jedoch Nor’Citel direkt hinter
ihm. Für einen kurzen Moment schreckte der
Saggittone hoch.
Der Überschwere hingegen lächelte kühl.
Für eine Weile blickten sich die beiden Männer an, niemand wollte dieses Duell verlieren,
aber Aurec war doch der erste, der verlegen woanders hinsah. Er mißtraute diesem Überschweren. Etwas Geheimnisvolles und ebenso gefährliches ging von ihm aus.
»Siddus!« rief Anya Guuze und lief zu ihm.
Nor’Citel alias Leticron drehte sich verdutzt
um und erkannte die junge Terranerin, die einst
in Siddus Klasse war.
»Was willst du?« herrschte er sie an.
219
Anya erschrak, überwand jedoch die anfängliche Angst und entgegnete barsch: »Entschuldige, wenn ich dich begrüßen wollte, du Penner!«
Aurec hob verwundert die Augenbraue.
»Ihr kennt euch?« wollte er wissen.
»Flüchtig. Ehrenwerter Aurec, Sie wissen ja
wie das ist. Überall um einen herum befindet
sich ekliges Gewürm, das am Ruhm teilhaben
möchte.«
Anya Guuze kochte innerlich, doch viel
konnte sie auch nicht ausrichten. Sie hatte die
Szenen von der damaligen Party, als sich Siddus seltsame Wandlung vollzogen hatte, gut in
Erinnerung. Dort küßte und berührte er sie an
intimen Stellen vor den Augen ihres Freundes
Krizan.
Dieses Verhalten hatte zum damaligen Zeitpunkt nicht zu dem Siddus gepaßt, den sie kennengelernt hatte. Doch er hatte sich verändert.
Sie konnte nicht ahnen, wie sehr er sich geändert hatte.
Nor’Citel wandte sich von der Terranerin ab
und sprach zu Aurec: »Genießen Sie diese Feier. Die Zeit läuft ab. Das fühle ich.«
Bevor Aurec etwas erwidern konnte, verließ
Leticron die Halle. Verdutzt blickte der Saggittone ihm hinterher.
Anya sah Aurec vielsagend an. Ihr Schmollmund lud geradezu zu einem Kuß ein, doch der
Prinz Saggittors wußte sich zu beherrschen.
Vielmehr interessierte ihn im Moment, was
Anya Guuze über Nor’Citel wußte. So fragte er
die hinreißende Terranerin.
»Er ging früher in unsere Berufsschulklasse«, berichtete sie. »Ebenso wie ich und die anderen hatte er Bürokommunikation studiert. Damals war er bei SHORNE INDUSTRY angestellt und galt als ein sehr ehrgeiziger Schüler.«
Aurec hatte Mühe, Anya bei dem Lärm zu
verstehen. Doch es gab auf dem Schiff kaum ein
ruhiges Eck.
»Man sieht ihm seinen Ehrgeiz an«, meinte
Aurec.
Anya schüttelte den Kopf. »Früher war er
allerdings nicht so. Im Gegenteil. Er war eigentlich ein absolutes Weichei. Er traute sich
kaum, mich anzusprechen oder sich gegen meinen Freund oder andere durchzusetzen, wenn
D O R G O N
220
sie ihn ärgerten.«
Aurec sah sie ungläubig an.
»Das klingt nicht nach Nor’Citel.«
»Bis zu seiner seltsamen Wandlung vor einigen Monaten. Wir waren auf einer Party, da
drehte er plötzlich durch. Er berührte mich unsittlich, verletzte meinen Freund und sprach
wirres Zeug« erklärte sie weiter.
»Was für wirres Zeug?« wollte Aurec wissen.
Sie gab zu, daß sie ihm nicht richtig zugehört hatte, wies den Saggittonen jedoch darauf
hin, daß eine Klassenkameradin namens Neve
Prometh näheres wüßte.
Zu Aurecs Erleichterung war auch sie an
Bord der BAMBUS. Aurec verabschiedete sich
schweren Herzens von Anya, die sich wieder ihrem betrunkenen Freund widmete und beschloß
mehr über Siddus alias Nor’Citel in Erfahrung
zu bringen.
*
Mathew Wallace saß am Tresen von Jezzica
Tazum und schaute ihr bei der Arbeit zu. Sein
Freund Jonathan war mit seiner Freundin beschäftigt und Lorif und Dove konnte er nirgends
ausfindig machen.
So saß er alleine dort und mußte wieder an
Saraah denken.
Vielleicht hätte ich sie doch nach Dorgon begleiten sollen, dachte er.
Yasmin Weydner und ihre Freundin Ivon Abrinsky unterbrachen den Schotten in seinen Gedankengängen.
»Hey«, machte Yasmin höflich und umarmte
Wallace, dem das sehr gefiel. In den letzten Wochen, seit Yasmin Weydner in Cartwheel war,
hatten sich die beiden sehr gut verstanden.
»Na, wie geht es meinen beiden neuen
Freundinnen?« fragte Wallace strahlend. Seine
depressive Phase war von einer Sekunde zur anderen verloschen.
»Gut«, antworteten beide synchron und begannen zu lachen.
Wallace bestellte drei kleine Vurguzz und
stieß mit den beiden jungen Terranerinnen an.
Ivon Abrinsky schien der Vurguzz nicht sonderlich gut zu bekommen, jedenfalls verzog sie das
Nils Hirseland
Gesicht, nachdem sie das Glas mit dem grünen
Getränk geleert hatte.
Wallace legte seinen Arm um Yasmin und
sah ihr tief in die Augen. »Hast du eigentlich
einen Freund?«
Diese Anmache kam ihm selbst etwas dumm
vor, doch ihm viel nichts anderes ein. Zu seiner
Freude kam ein »Nein« als Antwort.
Wieder strahlte Wallace. »Würdest du dann
vielleicht einem Weltraumabenteurer wie mir
eine Chance geben?«
»Nein.«
»Nein?«
»Nein!«
»Nein...«
Wallace sank für einen kurzen Moment in
sich zusammen. Was hatte er wohl falsch gemacht? War er zu plump herangegangen?
Yasmin lächelte verständnisvoll und erklärte
ihm, daß sie im Moment ungebunden sein wollte.
Trotzdem bot sie Mathew eine enge Freundschaft an, die er natürlich nicht ablehnte. Der
Space-Jet-Kommandant seufzte laut und drehte
sich um. Da viel ihm gleich Jaquine auf. Vielleicht der nächste Versuch? Zu seinem Bedauern kam jedoch ein junger Terraner hinzu. Er
trug weite Hosen, einen schlabberigen Pullover,
gestylte Haare und etliche Piercings in der Nase, am Mund, an den Ohren und an der Stirn.
Der Terraner umarmte Jaquine und küßte sie
innig. Wallace wurde beinahe schlecht von diesem Anblick und wieder sehnte er sich nach
seiner Saraah zurück – besonders in tatenlosen
Zeiten. Wenn er eine Aufgabe hatte, dann wußte
er sich zu beschäftigen und hatte ein Ziel, doch
in seiner Freizeit war er schrecklich einsam.
*
Der Kapitän saß gelangweilt in seinem Kommandosessel und schlurfte ein Glas Vurguzz.
Nichts passierte. Die Systeme des Schiffes
funktionierten einwandfrei und auch die Route
war gut gewählt.
Plötzlich bekam er via Interkom die Anweisung von Niesewitz, den Kurs zu ändern. Die
neuen Koordinaten lagen außerhalb von Cart-
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
wheel und der Ertruser wunderte sich, doch
Niesewitz war der Chef.
So befolgte Ervoz Wilbur die Befehle seines
Chefs und steuerte die BAMBUS zu den befohlenen Koordinaten, die 500.000 Lichtjahre außerhalb von der Insel irgendwo im Nichts befanden.
*
Bienya Scolar war unzufrieden mit der Arbeit des Tresenservice. Ihrer Ansicht nach arbeitete er zu langsam und zu uneffektiv. Sie rief
Reiko herbei.
Der Plophoser verzog keine Miene und hörte
Bienya zu, als sie sich beschwerte: »Ich brauche
Nachschub und die blöden Säcke kommen nicht
hinterher.«
Reiko rief Cruze herbei. Der dicke Terraner
rannte zum Tresen und wollte wissen, was los
sei.
»Was ist wohl los? Deine Jungs arbeiten
zu langsam«, meckerte die ältere der ScolarSchwestern ungehalten.
»Hast du mal gesehen, was hier los ist? Wir
kommen nicht hinterher. Vielleicht solltest du
auch nicht für alle fünf Tage gleich bestellen«,
warf Cruze mutig entgegen.
Bienya wurde sauer.
»Friß weniger, dann kannst du auch schneller laufen!«
Cruze wollte etwas entgegnen, doch Reiko
mischte sich ein. »Sorge dafür, daß sie Nachschub bekommt, sonst fliegt ihr alle!«
Cruze bebte innerlich, doch natürlich stimmte er Reiko zu. Er verneigte sich und ließ seinen
Frust an den anderen Tresenserviceleuten aus.
Leticron ging zu dem Tresen und musterte
Reiko abfällig. Der Plophoser wagte es nicht,
etwas zu sagen, da er keinesfalls den Corun von
Paricza beleidigen wollte. Stattdessen verließ er
den Tresen und wechselte zu dem Tresen von
Jezzica Tazum und seiner Freundin Haggy.
»Was soll’s sein?« wollte Bienya wissen.
Leticron musterte auch sie. Er grinste leicht,
dann bestellte er ein pariczanisches Getränk.
»Das haben wir hier nicht«, entgegnete Bienya und wandte sich anderen Gästen zu. Sie hatte
keinerlei Respekt vor den Ehrengästen.
221
Leticron packte sie am Arm und zog sie zu
sich. Er sah ihr tief in die Augen und schüchterte dadurch die Terranerin bereits ein.
»Dann einen terranischen Vurguzz, Barfrau!«
Bienya riß sich los und goß Leticron ein Glas
Vurguzz ein. Sie warf ihm einen bösen Blick zu,
der jedoch den Corun von Paricza wenig beeindruckte.
Stattdessen blickte er auf das Chronometer
und lächelte überlegen. Sein Plan hatte die erste
Phase erreicht.
*
Uthe und Remus hatten sich in ein Restaurant gesetzt. Dort wollten sie versuchen, etwas
abzuschalten, was jedoch schwer war, da auch
in diesem Etablissement überlaute Musik gespielt wurde.
Das Ehepaar genoß es, eine Weile ungestört
zu sein. Das änderte sich jedoch schon schnell,
als Jaquine und ihr neuer Freund kamen.
Die Zechonin bat ihre Freundin um etwas
Geld. Sie selbst hatte noch kein Einkommen
und ein Antrag auf Unterstützung durch den
Staat lief noch. So gab Uthe ihr ein paar Galax. Was sie jedoch nicht ahnen konnte, war, daß
dieses Geld von Jaquines Freund für Drogen gebraucht wurde.
»Ey, danke, ey, Alte!« machte Nikto. Dabei
schnaubte er so seltsam. Schweiß lief ihm von
der Stirn, doch Remus nahm an, das kam vom
Tanzen, denn sofort begann er wie wild mit den
Armen herumzufuchteln und auf der Stelle herumzuhopsen.
Jaquine strahlte über beide Wangen und bewegte sich mit.
»Ich hole mir etwas zu essen«, sagte Uthe
und stand auf.
»Na ja, wir werden auch los, Alter. Will noch
rummachen!« erklärte Nikto und packte Jaquines Arm, die sich bereitwillig wegziehen ließ.
Remus musterte die beiden noch mit einem Kopfschütteln und schrak zusammen, als
die Braunhauers mit einer älteren Frau auf den
Tisch zusteuerten.
Die Terranerin hatte dunkelblonde filzige
Haare, ein aufgedunsenes Gesicht und viele Le-
222
D O R G O N
berflecken auf der Haut. Ihre Augen waren seltsam. Sie starrten ins Leere.
»Ach, da ist ja Herr Scheunemann«, begann
Ottilie freudig und schwankte langsam zum
Tisch. Sie hauchte Remus an und der Atem
stank widerlich nach Vurguzz und anderen alkoholischen Getränken.
Karl-Adolf setzte sich direkt neben Remus,
wo vorher Uthe gesessen hatte. Die unbekannte
Frau plazierte sich neben Ottilie und saß KarlAdolf gegenüber.
»Das ist Böhmchen!« erklärte Ottilie.
»Aus! Sei ruhig!« schrie Inge Boemahr auf
und deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden.
Irritiert hob Remus die Tischdecke hoch und
blickte auf den Boden, doch da war nichts.
»Bandit! Hör’ endlich auf zu bellen. Du
machst ja noch die ganzen Gäste sauer«, brüllte
sie durch den Speissaal, so daß sich einige Leute in der Tat umdrehten und gestört fühlten.
Remus starrte sie verwirrt an.
»Mit wem reden Sie?« wollte er wissen.
»Mit meinem Hund, junger Mann! Mit wem
sonst?«
Remus nickte und lächelte schwach.
Die nächste Irre, dachte er.
Doch es kam noch schlimmer. Plötzlich
fing Inge Bohmar, die Cousine von Karl-Adolf
Braunhauer, an zu kichern. Dann streichelte sie
über die Stuhllehne ihres Nebenstuhls und umarmte ihn.
Remus hielt für einen Moment den Atem
an, denn das glaubte er nun wirklich nicht. Sie
spitzte ihre Lippen und küßte in die Luft. Ein
inniger und leidenschaftlicher Kuß!
»Ach, mein kleiner Werner!« kicherte sie
und gab der Luft noch einmal einen Schmatzer. Fragend blickte Remus zu Karl-Adolf, der
jedoch apathisch neben ihm saß und ins Leere
starrte.
»Aber Ingechen, Werner ist doch schon seit
zwanzig Jahren tot«, erzählte nun Ottilie. »Und
Bandit ist seit fünfzehn Jahren tot.«
Nun verstand Scorbit langsam. Die Frau hatte einen imaginären Ehemann und Hund. Anscheinend war Geisteskrankheit eine Voraussetzung für die Familie der Braunhauers.
Inge Boehmar schien den letzten Satz von
Nils Hirseland
Ottilie Braunhauer überhört zu haben. Jedenfalls schimpfte sie weiter mit Bandit.
Zu Remus Erleichterung kam Uthe mit einem Salatteller in der rechten und einem Glas
Wasser in der linken Hand wieder zurück. Unmerklich verdrehte sie die Augen, als sie die
drei Gestalten sah, grüßte sie jedoch freundlich.
»Herr Braunhauer? Das war mein Platz.
Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie
sich vielleicht neben ihre Frau oder die andere
Person dort setzen würden?«
Karl-Adolf nickte leicht und stand auf. Er
wirkte in letzter Zeit sehr erschöpft und geistesabwesend. Gut, das war er früher auch, jedoch
jetzt noch viel schlimmer. Langsam schlurfte er
zum Tischkopf.
Uthe stellte ihren Teller und ihr Getränk ab
und setzte sich hin.
Plötzlich erstarrte sie. Sie hoffte, daß ihre
Vermutung sich nicht bestätigen würde, doch
als sie auf das Gesäß von Braunhauer blickte und die tropfende Hose sah, wußte sie, daß
Karl-Adolf sich in die Hosen gemacht hatte und
eine Lache seines Urins auf dem Stuhl hinterlassen hatte, auf dem Uthe Scorbit nun saß.
Der üble Gestank drang nun auch in ihre Nase und nur mit eiserner Disziplin konnte sie den
Brechreiz zurückhalten.
»Vatichen, hast du wieder vergessen die
Windeln anzuziehen?« rügte ihn Ottilie Braunhauer.
»Was?« wollte Braunhauer wissen und starrte sie ungläubig an.
»Du hast dir wieder in die Hosen gepullert«,
erklärte seine Frau.
»Oh, ja. Hach, es läuft halt immer wieder
aus. Ich sterbe sowieso bald«, fing Karl-Adolf
an zu stöhnen und begann zu weinen.
Ottilie wollte ihren Mann zu trösten, doch
schaffte es kaum noch aufzustehen.
»Wir sterben ja beide bald. Und dann möchten wir ein Seebegräbnis haben. Ja, ja...«
Uthe bebte innerlich. Langsam stand sie mit
bleichem Gesicht auf und blickte hinter sich.
Remus schmunzelte über diese peinliche Aktion, jedoch Uthe war nicht zum Lachen zumute.
»Das finde ich nicht witzig«, stellte sie zähneknirschend fest.
Remus mußte immer noch schmunzeln.
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
»Ach, nun stellen Sie sich nicht so an, junges Fräulein!« meckerte Ottilie Braunhauer giftig. »Mein Karl-Adolf kann ja auch nichts dafür.
Sie hätten eben besser aufpassen müssen!«
Uthe warf ihr einen vielsagenden Blick zu,
nahm den Salat und warf ihn Ottilie in Gesicht. Danach drehte sie sich um und verließ den
Raum.
Remus lief ihr hinterher, zurück blieben die
drei seltsamen Gestalten. Ottilie nahm einen
kräftigen Schluck aus dem Wasserglas, um den
Schock erst einmal zu überwinden, danach fing
sie an zu schreien und stellte sich somit wieder
in den Mittelpunkt.
Karl-Adolf Braunhauer ermahnte seine Frau,
endlich ruhig zu sein, leider nur mit wenig Erfolg. Er hielt sich die Ohren zu und rief, daß er
am liebsten gleich sterben würde.
Nur Inge Boehmar sah den Scorbits mit einem eiskalten Blick hinterher und sagte: »Noch
so eine. Dieses Flittchen hat Werner die ganze
Zeit schöne Augen gemacht. Das werde ich ihr
heimzahlen...«
*
Aurec suchte Neve Prometh. Eine Aufgabe,
die nicht sonderlich leicht zu bewerkstelligen
war, angesichts der knapp 5000 Passagiere, die
ausgelassen in jeder Ecke des Raumers feierten.
Aurec hatte Mühe, sich an den teilweise rücksichtslos tanzenden Wesen vorbeizuschieben.
Anya Guuze folgte ihm zusammen mit ihrem Freund Krizan. Sie war letztlich diejenige,
die Neve ausfindig machte und Aurec vorstellte.
Der Saggittone war auch von dieser Terranerin
recht angetan.
Die Erde mußte gute Jahre gehabt haben, als
diese drei Frauen zur Welt kamen, dachte sich
der Prinz von Saggittor in Anspielung auf Anya
Guuze, Neve Prometh sowie Kathy Scolar und
lächelte charmant der brünetten Terranerin zu.
Als er jedoch an den Grund des Gesprächs
denken mußte, wurde er wieder von einem Moment zum anderen völlig ernst.
Er bat Neve Prometh, ihn in seine Kabine zu
begleiten, wo er mehr über Siddus in Erfahrung
bringen wollte. Zuerst zögerte die Terranerin,
dann beschloß sie Aurec zu vertrauen und folgte
223
ihm.
Kaum in der Kabine angekommen, mußte
Aurec erst einmal durchatmen und für einige
Sekunden die Ruhe genießen. Er bot Neve Prometh einen Platz und etwas zu trinken an. Beides schlug sie nicht aus.
»Anya Guuze erzählte mir, daß Sie mehr
über Siddus wissen«, begann Aurec ruhig aber
zielstrebig.
»Viel weiß ich nicht über ihn«, erklärte Neve zu Aurecs Bedauern. »Ich kam sehr spät in
diese Klasse. Zu der Zeit war Siddus ein sympathischer, aber sehr ängstlicher und verstörter
Überschwerer. Das änderte sich jedoch schlagartig an einem Abend.«
Die letzten Worte sprach sie fast schon flüsternd.
Nun wurde Aurec hellhörig. »Berichten Sie
mir von diesem Ereignis! Siddus ist Nor’Citel,
der Anführer der Pariczaner in Cartwheel. Die
Schilderungen von Siddus, die ich von Ihnen
und Anya Guuze bekam, passen nicht zu dem
selbstbewußten und starken Nor’Citel. Etwas
muß vorgefallen sein, was ihn völlig veränderte.
Anya meinte, Sie hätten eine Erklärung.«
Die beiden blickten sich tief in die Augen.
Aurec empfand Neves Augen als sehr schön,
aber ebenso unergründlich und geheimnisvoll.
Er konnte diese Terranerin nicht richtig einschätzen. Einerseits faszinierte ihn das, auf der
anderen Seite beunruhigte ihn diese Tatsache
auch ein wenig.
Neve lächelte schwach. Mehr ein Ausdruck
von Verlegenheit, als von Freude. In der Tat hatte sie bemerkt, daß sich Siddus während der
Feier damals abnormal verhalten hatte, doch
weiter waren ihre Beobachtungen auch nicht
gegangen.
»Er verhielt sich anfangs normal, war zurückhaltend, schüchtern und wirkte irgendwie
weltfremd. Dann hatte Anya Guuze eine ziemlich gemeine Bemerkung gemacht und Siddus
lief weinend weg. Als er wiederkam, war er völlig verändert«, versuchte sich die junge Terranerin zu erinnern.
»Weiter«, forderte sie Aurec auf.
»Er wurde aggressiv, küßte Anya und berührte ihre Brüste.«
224
D O R G O N
Aurec zog eine Augenbraue hoch. Neve ließ
diese Regung unkommentiert und fuhr fort:
»Dann verprügelte er Krizan Bulrich und wetterte gegen Perry Rhodan, was aber keinen auf
der Party sonderlich zu interessieren schien.«
»Was hat er genau über Perry gesagt?« wollte Aurec wissen. Er spürte, daß eine Gefahr von
Nor’Citel ausging. Ebenfalls fühlte er, daß er
der Lösung ein ganzes Stück nähergerückt war.
Neve Prometh konnte sich noch genau an die
Worte Siddus erinnern, die er über Perry Rhodan sprach: »Soso, der große Perry Rhodan ist
immer noch der Held des Universums und seiner Menschheit. Eines Tages wird jemand kommen, der Rhodan vor euren Augen zerbrechen
wird! Das verspreche ich dir!«
Aurec blickte Neve mit versteinerter Miene
an.
»Dann fragte ich, ob das ein Wunschtraum
sei, doch er meinte, es wäre die Zukunft. Das
war alles, was er gesagt hat.«
Für eine Weile herrschte Stille. Siddus/Nor’Citel war eine Gefahr für jedes zivilisierte, demokratische Lebewesen. Sobald die
BAMBUS wieder auf Mankind war, mußte er
eine Konferenz mit Sam, Joak Cascal und dem
Marquese von Siniestro einberufen. Es war unabdinglich, sie über Siddus/Nor’Citel zu informieren. Auch Perry Rhodan sollte Bescheid
wissen.
Was konnte Aurec dem Überschweren jedoch nachweisen? Nichts! Gar nichts! Er besaß gute Anwälte und die Chancen standen gut,
daß die Richter für den Überschweren entscheiden würden. Es war schon immer politisch geschickter gewesen, einem berühmten Politiker
zu glauben, anstelle einer einfachen Kadettin.
Die Medien würden sicher versuchen, die
Story aufzubauschen und Nor’Citel keinen
Glauben schenken, doch das würde politisch
keine positiven Konsequenzen nach sich ziehen.
Im Gegenteil, die Pariczaner könnten sich durch
die Presse angegriffen fühlen und sich hinter
Nor’Citel stellen, der aus irgend einem Grund
Perry Rhodan vernichten wollte. Doch warum?
Aurec wußte noch nicht so viel über die Pariczaner. Sie waren umweltangepaßte Springer,
die schon oft für Unruhe gesorgt hatten. Zu Zeiten der Dritten Macht mußte sich Perry Rho-
Nils Hirseland
dan gegen den gefährlichen Topthor durchsetzen, doch der Höhepunkt der Geschichte der
Überschweren war der Aufstieg des ebenso legendären wie gefürchteten Leticrons zum Ersten Hetran der Milchstraße. Nach dem Verrat
an Leticron und dessen mysteriösen Tod wurde
Maylpancer neuer Hetran der Milchstraße, doch
auch er verlor schnell sein Leben und nach der
Befreiung der Milchstraße, verloren die Überschweren an Bedeutung und mußten sich mit
der Rolle der Verlierer begnügen.
Es gab auch gute Überschwere. So zum
Beispiel Aktet Pfest, der während der MonosDiktatur eine wertvolle Hilfe für WIDDER
war. Die Überschweren versuchten damals ihr
schlechtes Ansehen wieder reinzuwaschen.
Erst die wahnsinnige Paylaczer hatte die
Überschweren wieder negativ ins Rampenlicht
gestellt, als sie mit den linguidischen Friedensstiftern verbündete und Rhodan das Leben
schwer machte. Doch Icho Tolot bezwang das
überschwere Monstrum in einem Zweikampf.
Danach wurden viele Überschwere verbannt
und hatten es somit noch schwerer. Von da an
waren sie in der Verbrecherorganisation Galactic Guardians vermehrt anzutreffen, doch sie
spielten keine kosmische Rolle mehr.
Nor’Citel hatte das schlagartig geändert. Der
ehemalige Bürokommunikant Siddus änderte
seinen Namen und seine Einstellung grundlegend. Auf seltsame Art und Weise übernahm er
die Macht über die Überschweren auf der Insel, nannte sie von da an nur noch Pariczaner
und wurde in den Paxus-Rat gewählt, was einer
Sensation gleichkam.
Bis jetzt hielt sich der unsympathische Pariczaner zurück, doch schon immer hatte Aurec
gespürt, daß Gefahr von diesem Galaktiker ausging. Seine schier grenzenlose Überheblichkeit
und das Vertrauen in seine Fähigkeiten ließen
nichts Gutes für die Zukunft erwarten. Dieser
Mann war von sich selbst überzeugt und von
seiner Mission, welche immer das auch war.
*
Aurec und Neve Prometh verließen die Kabine und wollten mit Reini Katschmarek, Werner Niesewitz und Peter Roehk sprechen. Er
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
wollte den drei Inhabern der BAMBUS raten,
Nor’Citel mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Sie gingen den Korridor entlang und sprachen kein Wort. Aurec warf der Terranerin ab
und zu einen flüchtigen Blick zu, die seine
Blicke ebenso flüchtig, fast schon schüchtern,
erwiderte.
Plötzlich hörten sie Schreie. Hastig lief Aurec in Richtung der Hilferufe und konnte kaum
glauben, was er sah. Zwei Oxtorner aus Darvos
Sicherheitsdienst prügelten auf einen Blue ein,
der bereits blutend in der Ecke lag.
»Sofort aufhören!« brüllte Aurec, doch zum
Dank schlug ihn einer der grimmigen Kahlköpfe ins Gesicht.
Der Saggittone taumelte zu Boden und blutete an der Lippe. Er konnte froh sein, daß der
Oxtorner ihn nur »gestreichelt« hatte. Während
des Falls hatte Aurec jedoch sofort einen Knopf
auf seinem Minikom gedrückt.
Neve Prometh gab einen Laut des Entsetzens
von sich, als sie Aurec benommen auf den Boden liegen sah. Sofort beugte sie sich über ihn
und versorgte ihn. Aurec konnte der Situation
in diesem Moment sogar etwas Gutes abgewinnen.
Der Blue winselte vor Schmerzen. Endlich
ließen die beiden Sicherheitsleute von dem
Apaser ab. Dem Blue fiel ein Päckchen mit
blauem Pulver aus der linken Hand. Der Inhalt
bestand ohne Zweifel aus Drogen.
»Was ist hier los?« hörte Aurec eine bekannte Stimme. Sie gehörte Irwan Dove, der wütend
anstampfte.
Ihm folgten Lorif und Mathew Wallace, der
sich nur widerwillig von Yasmin Weydner losgerissen hatte.
»He, du Penner, hau ab, sonst werfe ich dich
aus der Schleuse, wegen Sex auf der Toilette«,
brüllte einer der Wächter.
Dove und Wallace blickten sich nur fragend
an, während Lorif diesen Ausspruch natürlich
nicht unkommentiert lassen konnte.
»Entschuldigen Sie, Sir! Laut der galaktischen Verfassung, die noch immer seit Gründung der GAVÖK gilt, haben Sie nicht das
Recht, jemanden aufgrund von Geschlechtsverkehr auf einer Sanitäranlage zu töten, was
dem Wurf aus der Raumschleuse gleichkom-
225
men würde.
Vielmehr haben Sie sich zweier Verbrechen
schuldig gemacht. Zum einen haben sie eine
Morddrohung ausgesprochen, zum anderen verbürge ich mich für Irwan Doves Integrität. Sehen Sie sich diesen Mann doch an, er hatte bestimmt keinen Sex!«
Dove blickte Lorif grimmig an, während
Wallace laut loslachen mußte und selbst die
Wächter sich ein Schmunzeln nicht verkneifen
konnten.
Lorif ahnte nicht, wie peinlich Dove dieser
Ausspruch war. Doch schnell wurde die Lage
wieder ernst, als die beiden Wächter zu ihren
Elektrostöcken griffen.
»Hört zu, ihr komischen Vögel! Wir machen
hier unsere Arbeit. Der Blauscheißer hatte Drogen, die haben wir ihm abgenommen. Er hat uns
bedroht und wir mußten uns wehren«, erklärte
einer der Wächter.
»Soso, zwei Oxtorner gegen einen unter
Drogen stehenden ausgemergelten Apaser. Das
klingt ja sehr glaubwürdig«, meinte Wallace.
Langsam raffte sich Aurec wieder auf. Die
Blutung an seiner Lippe hatte aufgehört, die
Schmerzen im Kinnbereich jedoch noch nicht.
»Des weiteren haben Sie mich niedergeschlagen, weil ich diesem Blue helfen wollte«,
stellte Aurec fest.
»Selbst schuld. He, Alter, nimm deine
Schnecke mal richtig durch, dann geht es dir
wieder besser.«
Neve wußte nicht, was sie sagen sollte. Am
liebsten hätte sie dem Sicherheitsmann einen
Schlag ins Gesicht verpaßt, doch Aurec antwortete bereits.
»Diese Schnecke ist eine Dame, ich erwarte eine Entschuldigung. Außerdem dürfte Sie
die Tatsache interessieren, daß ich Aurec bin,
der Regent Saggittors und Mitglied des PaxusRates.«
Einer der Wächter wußte nicht, wovon Aurec sprach, bis der andere ihn aufklärte. Er zuckte zusammen und stammelte unverständliche
Worte der Entschuldigung.
Nun kamen auch Darvos, Niesewitz und
Katschmarek hinzu.
»Meine Güte, was ist denn hier los?« wollte
Reini wissen.
D O R G O N
226
Lorif schilderte den beiden Geldgebern des
BAMBUS-Projektes die Situation. Mit gespielter Anteilnahme beteuerten sie Aurec und dem
Blue ihr Bedauern.
»Bringt den armen, kranken Apaser sofort in
die Medostation«, bestimmte Niesewitz. »Und
was euch zwei Vollidioten angeht. Euch wird
das Gehalt um zwanzig Prozent gestrichen!«
Fragend und wütend zugleich blickten die
beiden Oxtorner ihren Anführer Darvos an, der
nur schwach mit dem Kopf nickte. Ohne ein
Wort zu sagen, verließen die beiden Oxtorner
den Korridor.
»Ich bin sehr verstimmt, Niesewitz! Ich
dachte, die Kontrollen würden Drogen lokalisieren können?« sprach Aurec ernst. »Und von
ihren Schlägertypen brauche ich wohl gar nicht
erst anzufangen!«
Reini und Werner blickten sich hilflos an.
»Nun, wir...« begann Reini, brach dann jedoch ab, da er nicht wußte, was er sagen sollte.
»Wir entschuldigen uns für diesen Fauxpas
und bitten dich, edler Aurec, über diesen Vorfall
hinwegzusehen«, fügte Niesewitz nun hinzu.
Aurec schüttelte den Kopf.
»Nein! Ich werde selbstverständlich beim
Aufsichtsamt Beschwerde einreichen und dafür sorgen, daß solche Fehler nicht noch einmal
passieren werden«, antwortete er ließ die beiden
Deutschen im Korridor stehen.
Neve Prometh und das Trio der IVANHOE folgten dem Saggittonen. Nur Lorif hatte ein freundliches »Auf Wiedersehen, Sir« für
Katschmarek und Niesewitz übrig, die wie begossene Pudel im Gang standen.
*
Auf der BAMBUS gab es weder Tag noch
Nacht. Rund um die Uhr waren die Tanzsäle,
Restaurants, Spielhallen und Kneipen geöffnet.
Das Raumschiff und die an Bord befindlichen 5000 Passagiere hatten inzwischen knapp
37 Stunden »Party« hinter sich.
Aurec hatte sich zu einem kleinen Nickerchen hingelegt und auch die Scorbits hatten es
vorgezogen, sich etwas auszuruhen.
In einigen Restaurants servierte man tatsächlich Frühstück. Remus hatte den Saggitto-
Nils Hirseland
nen gebeten, mit ihm und seiner Frau zu frühstücken.
Aurec hatte nichts dagegen und war sogar
angenehm überrascht. Ein ruhiges Essen bei
Brötchen, Ei und Tee würde ihm ganz gut tun.
Auch Helge von Hahn war anwesend. Er
hing jedoch wie ein nasser Sack über dem Tisch
und versuchte seine Innereien bei sich zu behalten.
»Was hast du eigentlich den ganzen Abend
über gemacht?« wollte Remus Scorbit wissen.
»Oh, ich habe mich ein wenig über Nor’Citel
erkundigt und geriet in eine kleine Auseinandersetzung mit zwei oxtornischen Sicherheitsleuten«, erklärte er und deutete dabei auf die
Wunde an seiner Unterlippe.
Uthe verzog mitfühlend das Gesicht, doch
Aurec meinte, es sei halb so schlimm.
»Die Informationen, die ich über Nor’Citel
herausbekommen habe, waren äußerst aufschlußreich, aber auch sehr beunruhigend. Dieser Mann könnte eine große Gefahr werden«,
erzählte der Prinz Saggittors weiter.
Kathy Scolar kam auch in die Cafeteria. Sie
wurde von ihrer Schwester Bienya, ihrem Chef
Ferby, dessen rechte Hand Dykkar und DJ Abfallhaufen begleitet.
Das Gespann setzte sich an den selben Tisch.
»Hey, Aurec, alles im Lot? Schon ein paar
Pillen geschmissen und dich so richtig besoffen?« fragte Dykkar neckisch. Der Terraner hatte ein sehr loses Mundwerk.
»Wissen Sie, Dykkar. Selbst wenn alle anderen Feiern, muß ich arbeiten«, erklärte Aurec
und wechselte einen flüchtigen Blick mit Kathy, die ihn anlächelte, doch seltsam abwesend
wirkte.
Ihre Schwester Bienya machte einen weniger
freundlichen Eindruck. Sie tuschelte etwas mit
Ferby.
»Alle BAMBUS-Freaks müssen Party machen, auch hohe BAMBUS-Freaks«, meinte
Ferby mit dem Ansatz eines Lächelns.
Aurec räusperte sich.
»Ich bezeichne mich nicht als Freak. Dieses
Privileg überlasse ich ihnen«, entgegnete der
Saggittone leicht provozierend.
Das Lächeln auf Ferbys Lippen erstarb. Er
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
ließ jedoch Aurecs verbale Attacke unkommentiert und widmete sich lieber seinem Frühstück.
»Ein Krach ist das hier!« hörte Aurec eine
Stimme hinter sich laut brüllen. Sie gehörte niemand anderes als Karl-Adolf Braunhauer, der
herrisch durch die Cafeteria lief, gefolgt von
seiner hörigen Frau Ottilie und seiner Cousine
Inge Bomahr, die ihren imaginären Hund an der
Leine führte.
Braunhauer war gelb im Gesicht und an den
Händen, was auf eine alte terranische Krankheit, der Hepatitis, zurückzuführen war. Eine sehr ungewöhnliche und seltene Krankheit
in diesem Jahrhundert der Neuen Galaktischen
Zeitrechnung, doch Karl-Adolf Braunhauer war
nicht mehr der Jüngste und im Alter konnten
seltsame Krankheiten auftauchen.
Während Ottilie nach den ID-Karten suchte,
herrschte Karl-Adolf zwei Jugendliche an, die
verschwitzt und tanzend aus einem Saal kamen,
um sich zu erfrischen. Braunhauer rief Vel-Ali
und Franczy, die die beiden sehr schnell einschüchterte.
Keiner von beiden bemerkte Aurec oder die
Scorbits. Nur Inge Bohmar warf Uthe einen bösen Blick zu und ging zu dem Tisch, an dem
die drei saßen. Die gestörte Frau trug einen
dicken Pelzmantel, eine Federboa, schwarze
Handschuhe, die ihr bis zu den Ellenbogen
reichten und hielt in der rechten Hand eine Leine, die schlaff zum Boden herunterhing.
Remus mußte sich ein Lachen verkneifen,
als er diese lächerliche Frau vor sich sah, die ihn
jedoch gar nicht beachtete. Statt dessen stützte
sie sich auf dem Tisch ab und beugte sich zu
Uthe Scorbit.
»Ich weiß genau, was Sie wollen«, flüsterte
sie leise.
Uthe blickte in ihre Augen, in der die geistige Verwirrtheit stand.
»Sie wollen meinen Mann Werner! Doch
das wird Ihnen nicht gelingen, Sie dreckige
Schlampe!«
Die Stimme von Inge überschlug sich und
die übrigen Gäste der Cafeteria verstummten
und blickten zum Tisch der Scorbits und Aurecs.
Kathy fühlte mit Uthe mit. Sie hatte noch vor
wenigen Tagen schmerzhaft miterleben müs-
227
sen, wie wahnsinnig diese Frau war, als Inge
Boehmar glaubte, Kathy hätte ihren imaginären
Mann Werner verführt. Die junge Terranerin
hoffte, daß Boehmar sie nicht bemerkte.
»Sind Sie völlig hirnlos?« fragte Uthe nur
geschockt. »Ich bin glücklich mit Remus verheiratet und will bestimmt nicht Ihren Werner.«
Doch Inge glaubte ihr nicht.
»Sollten Sie sich noch einmal an Werner heranmachen, töte ich Sie!« versprach sie eiskalt
und ohne Skrupel.
Uthe erschrak, als sie in die dunklen Augen
von Inge Bohmar sah, denn sie wußte, daß die
Boehmar es ernst meinte.
Inge verließ den Tisch und zog ihren imaginären Hund Bandit hinterher. Bienya Scolar und
DJ Abfallhaufen schienen sich sehr über diese
Aktion zu freuen. Beide grinsten breit.
»Ich werde gleich nachher mit dem Arzt
sprechen. Die Frau gehört in Quarantäne«, erklärte Aurec und wollte Scorbit beruhigen.
Uthe blickte ihr noch eine Weile nach. Es
fröstelte ihr leicht angesichts dieser Drohung.
3.
Party, Party, Party
Werner Niesewitz und Reini Katschmarek
saßen zusammen mit Peter Roehk, Darvos und
Reiko an ihrem Lieblingstresen. An diesem arbeitete Jezzica Tazum. Unterstützt wurde sie
von der Freundin Reikos, Haggy, und dem
Olymper Krizoff.
Ferby H und DJ Abfallhaufen standen wieder hinter dem DJ-Pult und sorgten für die laute
Musik.
Auch Jonathan Andrews saß an dem Tresen und beobachtete Jezzica Tazum bei der Arbeit. Zu seiner Erleichterung hatte er seit einigen Stunden nichts mehr von seiner Freundin
Marya Jost gesehen. Er war ganz froh über die
kurze Erholungsphase, da sie furchtbar neidisch
und eifersüchtig auf Jezzica reagierte.
Die beiden Deutschen und ihr neuer Freund
Peter schunkelten und sangen: »Trink, trink,
Brüderlein, trink!«
Krizoff tanzte zur Musik von DJ Abfallhaufen, der die Boxen der Musikanlage bis zum
228
D O R G O N
Äußersten reizte. Haggy arbeitete gewissenhaft,
während Reiko, der Personalchef des BAMBUS, mürrisch am Tresen stand und sein Vurguzz trank.
Ein Mitarbeiter kam vorbei und machte eine Zigarettenpause. Reiko riß ihm die Zigarette
aus dem Mund und warf sie auf den Boden.
»Du blödes Arsch, mach sofort, daß du wieder an die Arbeit kommst!« herrschte er ihn an.
Verängstigt lief der junge Blue sofort zum
nächsten Tresen und sammelte leere Gläser und
Flaschen ein.
Reini und Werner lachten herzlich. »Dem
hast du es aber gezeigt, Reiko!« lobten sie ihren Mitarbeiter, der jetzt auch einmal grinste.
»Kotzbrocken«, flüsterte Jonathan Andrews
Jezzica zu, die leicht nickte.
Sie beugte sich zu ihm.
»Sie sind alle Kotzbrocken. Katschmarek,
Roehk, Niesewitz und Reiko sind eine gefährliche Mischung. Denen sollte man sich besser
nicht in den Weg stellen«, flüsterte sie ihm zu.
Andrews Gerechtigkeitssinn und Stolz waren jedoch wie immer größer als seine Vernunft.
Er wollte diesen Typen eine Lektion erteilen.
Bevor er jedoch etwas sagen konnte, kam Marya an und küßte ihn leidenschaftlich auf die
Lippen. Jezzica wandte sich angeekelt ab und
unterhielt sich mit Krizoff.
»Wo sind eigentlich unsere Ehrengäste?«
wollte Werner wissen.
»Wen tust du meinen?« fragte Reini.
»Nor’Citel und Aurec«, antwortete Werner
Niesewitz knapp und trank noch einen Vurguzz.
»Keine Ahnung. Ich glaube Aurec ist mit
diesen Scorbits unterwegs. Nor’Citel habe ich
nicht gesehen«, erklärte Peter Roehk.
»He, Werner«, rief Haggy. »Der Kapitän will
dich sprechen.«
Sie reichte das Interkomgerät an den alten
Hamburger weiter.
»Was wollen Sie?«
Wilbur machte einen gelangweilten Eindruck und kratzte sich am Kinn. »Wir sind jetzt
500.000 Lichtjahre von Cartwheel entfernt, wie
Sie befohlen haben. Was nun?«
»Bist du besoffen, du Penner? Ich habe
nichts befohlen«, meckerte Niesewitz den Kommandanten der BAMBUS an.
Nils Hirseland
»Ich bin doch von Ihnen benachrichtigt worden, Sir. Wenn nicht Sie mir den Befehl erteilt
haben, wer dann?«
*
Während Werner Niesewitz weiter mit dem
Kommandanten darüber diskutierte, wollten
Reini und Peter ihre Ehrengäste einmal durch
den Hauptsaal führen.
In diesem Moment waren nur Jonathan Andrews und Nor’Citel anwesend. Roehk bat die
beiden, sich ihm anzuschließen.
Krizoff folgte ihnen. Der untersetzte Olymper tanzte freudig durch die Gegend und lächelte Andrews an.
»Na, wie gefällt dir die Feier?«
»Recht gut, tolle Stimmung hier«, antwortete der Orbiter Gal’Arns ehrlich.
»Woher kennst du denn Jezzica?« wollte
Krizoff neugierig wissen.
Andrews hatte nichts dagegen, es dem
freundlichen und sympathischen Kolonisten zu
erzählen.
»Ich unterbreche nur zu gern diese stumpfsinnige Unterhaltung, doch frage ich mich,
warum Gal’Arn nicht hier ist?« unterbrach Leticron das Gespräch.
»He, wir unterhalten uns«, konterte Krizoff.
Leticron warf ihm einen vernichtenden Blick
zu, der den Tresenmann sofort einschüchterte.
Krizoff beschloß wieder zu seinem Tresen zu
gehen.
Andrews antwortete: »Gal’Arn macht sich
nichts aus diesen Feiern, deshalb ist er nicht
hier.«
Nun wandte sich Peter Roehk an die beiden,
als sie das DJ-Pult erreicht hatten.
»Wir haben fünf Tresen hier. Der eine wird
von Jezzica bedient, wie du sicherlich mitbekommen hast, Jonathan. Die anderen von
Krizoff, Bienya, ihrer jüngeren Schwester Kathy und dem smarten Stony, der die Cocktails
mischt«, erklärte Peter Roehk und zeigte auf die
jeweiligen Tresen.
Sie gingen direkt zu den DJs.
Abfallhaufen schwenkte seine Flasche Bier
umher und schlug auf sein altertümliches CDLaufwerk. Dadurch gab es immer wieder einen
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
Sprung. Was in Leticrons Ohren grausam anzuhören war, nannte sich Springbeat und war eine
absolut neue Musikrichtung, die bei der Jugend
ankam.
Ferby begrüßte die beiden Ehrengäste mit einem Kopfnicken. Jonathan Andrews konnte er
nicht sonderlich leiden, doch vor Nor’Citel hatte er Respekt.
»Das hier ist die Lichtanlage. Sonden und
Laser, die eine tolle Show bieten«, erklärte Ferby stolz.
»Darf ich mal ran?« erkundigte sich Andrews.
Ferby Hatte nichts dagegen und der junge
Terraner spielte etwas an den Lichteinstellungen herum und versuchte synchron zur Musik
die Laser einzusetzen. Es machte ihm Spaß und
war eine angenehme Abwechslung.
Ferby nickte wohlwollend.
»So gut bekommen das nicht mal Profis hin.
Aber das macht uns jetzt nicht zu Freunden«,
meinte Ferby.
Andrews nickte schwach. Er hatte sich so etwas schon gedacht.
»Ich habe Durst, gehen wir zur Theke«, beschloß Leticron gelangweilt. Er blickte auf sein
Chronometer und lächelte innerlich.
Der Countdown lief...
*
Am Tresen angekommen, bestellte Leticron
einen Vurguzz und leerte das Glas in einem
Zug. Für einen Pariczaner war ein Glas Vurguzz
leicht zu verdauen.
Bienya blickte Reini verächtlich an. Doch
sie mußte freundlich zu dem Deutschen sein, er
zahlte schließlich ihr Gehalt.
»Du, Terranerin«, begann Leticron unhöflich.
»Was?« entgegnete die kühle Blonde ebenso
unfreundlich.
»Macht dir diese Aufgabe Spaß?«
»Ja, ist eine tolle Party«, erklärte sie und
tanzte zu der Musik.
Leticron lächelte abfällig.
»Soso, ich dachte die Terraner würden lieber durch das Universum reisen, fremde Völ-
229
ker kennenlernen und die galaktische Feuerwehr spielen.«
Bienya verstand nicht so recht, was er meinte. Leticron blickte wieder auf seinen Chronometer. Es war Zeit, daß er sich in seine Kabine
zurückzog.
»Entschuldigt mich. Ich bin müde und möchte mich vor dem großen Höhepunkt etwas ausruhen«, verabschiedete er sich.
Andrews, Roehk und Katschmarek gingen
wieder zu Jezzica Tazums Tresen, während Leticron sich noch einmal an Bienya wandte.
»Leb wohl, Terranerin. Genieße dein Leben,
solange du es noch kannst.«
Mit diesen Worten verließ er den Saal. Beinahe hätte er noch Kathy umgestoßen, die kurz
mit ihrer Schwester reden wollte.
»Was wollte der denn?« fragte sie nach.
»Ich weiß es nicht genau«, erklärte Bienya
verunsichert. Nor´Citel war ihr unheimlich.
Kathy winkte ab. »Hast du was für mich bekommen?«
Bienya verstand zunächst nicht, doch dann
nickte sie. »Ja klar, hier!«
Kathy nahm das kleine Tütchen entgegen,
bedankte sich und ging zu ihrer Theke zurück.
Dort angekommen, öffnete sie das Mitbringsel in einem unbeobachteten Moment. Schnell
steckte sie sich einige Pillen in den Mund.
*
Vekkner war auch an diesem Abend betrunken. Er hockte an Bienyas Tresen, die sich immer noch über Nor’Citel aufregte. Sie war so
wütend, daß Kathy sie erst einmal ablösen mußte. Sauer stapfte sie aus der Halle, um sich etwas
abzukühlen.
Vekkner starrte Kathy Scolar wieder an und
rechnete sich immer noch Chancen aus. In dem
Moment kamen Sylke Stabum und Sonya Morrat hinzu.
Morrat machte sich sofort an Vekkner heran.
»Hey, Großer. Ist alles an dir so gewaltig?«
Vekkner grinste.
»Soll ich es dir zeigen?«
»Ja!« Sonya Morrat freute sich, wieder einen
Mann zu spüren. Sie küßte ihn leidenschaftlich
und steckte ihre Zunge tief in seinen Mund.
D O R G O N
230
Dann verließen sie engumschlungen die Halle. Sylke brauchte auch nicht lange, um sich
einen neuen Mann zu angeln.
Derweil lief Bienya durch die Korridore und
begegnete Leticron. Der Corun von Paricza betrachtete sie abfällig und stellte sich vor ihr.
»Du versperrst mir den Weg«, bemerkte Bienya ungehalten.
»Dann gehe um mich herum«, forderte Leticron sie auf, doch die Terranerin erwiderte seine
Bemerkung mit einer schallenden Ohrfeige.
Leticron wurde wütend und zog sie in eine
Kammer. Dort warf er sie gegen die Wand. Bienya schrie laut auf und meckerte herum.
»Das schlimmste an dir ist dein loses Mundwerk«, erklärte Leticron.
Er zog die attraktive Terranerin an sich heran und fuhr mit seiner Zunge über ihre Lippen.
Sie versuchte angewidert den Kopf wegzudrehen. Leticron lachte.
»Dann eben nicht. Wird Zeit, daß du endlich
das Maul hältst!«
Er setzte seine Psi-Fähigkeiten ein und verschmolz die beiden Lippen Bienya Scolars. Die
Terranerin gab Laute des Schmerzes vor sich,
doch wo vor einer Minute noch ihr Mund war,
war nun eine zusammengeschmolzene Fleischmasse.
Tränenüberströmt lief die Terranerin aus
dem Raum. Leticron verfolgte dieses Schauspiel mit Genugtuung. Wieder blickte er auf den
Chronometer.
Nur noch wenige Minuten...
4.
Liebe und Tod
Sonya Morrat torkelte völlig betrunken
durch den Korridor. Sie wurde von Vekkner gestützt. Plötzlich blieben beide in einer dunklen
Ecke stehen und küßten sich wild.
»Diese Ecke ist dunkel und genau richtig für
uns«, erklärte Vekkner.
Sie riß ihm das Hemd vom Körper und öffnete seine Hose. Im Gegenzug fuhr er mit seinen Händen unter ihre Bluse und massierte ihre
Brüste. Sonya gab einen Laut der Wollust von
sich.
Nils Hirseland
Heißkalte Schauer liefen ihr über den
Rücken. Langsam öffnete Vekkner ihre Bluse
und entblößte ihre Brüste, die er mit der Zunge berührte.
Die laute Partymusik im Hintergrund machte ihren Ausdruck der Wollust für die Menge
nicht hörbar. Sonya klammerte sich fest an den
Körper des Ferronen und genoß jede einzelne
Sekunde.
Sie küßten sich leidenschaftlich. Dann fuhr
sie mit ihrer Zunge seine Brust hinunter bis zu
seinen Genitalien. Vekkner gab einen Laut der
Lust von sich, während Sonya Morrat ihn befriedigte.
Dann riß er ihre Hose herunter und küßte ihren Intimbereich. Mit seinen Händen massierte
er ihre Brüste und brachte Sonya in Extase.
Er packte sie am Po und hob sie etwas hoch.
Dann drang er in sie ein und schraubte ihre Gefühle mit heftigen Stößen höher.
Lustvoll schrie sie auf und preßte ihre Schenkel um seine Hüften. Die Beine umschlagen seine Leiste und drückten seinen Körper fest an
den ihren.
Schweiß rann über ihre Stirn und ihren Körper. Seine Brust berührte ihre harten Brustwarzen und gab ihr ein stimulierendes Gefühl. Sonya Morrat schrie laut auf und forderte Vekkner
heftiger zu stoßen.
Da spürte sie auf einmal nichts mehr. Ihr
Partner erschlaffte, sein Kopf lag regungslos auf
ihrer Schulter.
»Na toll! Daß ihr blöden Männer nicht
abwarten könnt, bis wir Frauen fertig sind«,
meckerte sie und wollte ihn wegstoßen.
Da erst bemerkte sie, daß sie blutverschmiert
war. Doch es war nicht ihr Blut, sondern
Vekkners. Aus seinem Mund floß die rote Flüssigkeit auf ihren Körper. Schreiend stieß sie
ihn zurück. Der Tote taumelte nach hinten und
sackte in sich zusammen.
Nun sah Sonya den Mörder. Er stand mit einer großen Axt vor ihr und blickte ihr in die Augen. Die schwarzen Augen des grünen Wesens
drangen durch sie hindurch. Sein 60 Zentimeter
langes Horn blitzte im Schein der Lampen auf.
Sonya wagte nicht zu atmen, nicht zu schreien. Sie stand regungslos da und blickte dem
Monster in die Augen.
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
Es hob die Axt, schwang sie durch die Luft
und schlug der Terranerin ein Bein ab. Jetzt
schrie Sonya laut auf. Sie bekam keine Luft
mehr als sie ihr abgetrenntes Glied neben sich
liegen sah. Ihr Blut spritzte überall hin. Es schien endlos gegen die Wand und gegen den Angreifer zu schießen.
Stockend atmete sie und plötzlich überkam
sie ein Brechreiz. Sie erbrach sich, das Erbrochene floß über ihr Gesicht und auf ihre Brust.
Das Ungetüm hatte noch nicht genug. Mit
seinem langen Horn stieß es in ihre Bauchdecke. Blut spritzte aus ihrem Leib und quoll
aus dem Mund hervor.
Sonya schrie, daß es endlich vorbei sein sollte. Doch das Wesen kannte kein Erbarmen. Er
holte den Dickdarm heraus und stopfte es sadistisch Sonya Morrat in den Rachen. Dann holte es wieder mit der Axt aus und spaltete ihren
Schädel in zwei Teile.
Da stand das grüne, 1,60 Meter große Wesen blutverschmiert auf und schrie: »Koscha,
Dscherro, Koscha!«
5.
Wenige Momente vorher
Evros Wilbur ließ auf Befehl von Werner Niesewitz sofort das Schiff stoppen und
blieb im Leerraum zwischen Cartwheel und den
nächstgelegenen unbekannten Galaxien liegen.
Ein seltsames Gefühl erfaßte den Kommandanten der BAMBUS. Zur Sicherheit wies er
seinen Dritten Offizier an, einen Ortungsscan in
einem Umkreis von 10 Lichtjahren durchzuführen. Der müde wirkende Topsider kratzte sich
am Gesäß, nahm einen kräftigen Schluck Vurguzz, spuckte einen Teil des Getränkes auf den
Boden und rülpste danach. Erst danach befolgte
er dem Befehl seines Kapitäns.
Es dauerte nicht lange, dann hatte er das
gesamte Terrain abgetastet. Das Echsenwesen
schob sich eine Zigarre zwischen die Zähne und
brummelte: »Nichts besonderes, Zehn Schiffe
sind etwa eine Million Kilometer von uns entfernt.«
»Was?« brüllte Wilbur. Er rannte zu der
Konsole, um sich selbst davon zu überzeugen.
231
Zuerst verspürte er Erleichterung, als er die
Schiffstypen sah. Der Syntron identifizierte sie
eindeutig als Dscherro-Raumer.
Doch was machten diese Schiffe hier? Irgendetwas stimmte mit ihnen nicht, denn so weit
von Cartwheel entfernt, hatte sich in den wenigen Monaten kein Schiff herausgetraut. Ein Gefühl von Angst überkam den Ertruser. Ein kalter
Schauer lief ihm über den Rücken. Die Dscherroschiffe näherten sich der BAMBUS.
»Was sollen wir tun?« wollte der Funker, ein
Blue, wissen.
»Ich weiß es nicht«, gestand Wilbur ein.
Dann informierte er Werner Niesewitz über die
Dscherro-Raumer.
»Fragen Sie die Dscherro, was sie so weit
von Cartwheel entfernt machen. Aktivieren Sie
den Schutzschirm und kehren Sie zu Ihrer ursprünglichen Route zurück«, befahl Niesewitz,
der sichtlich ungehalten über die ganze Aktion
war.
»Das wird noch ein Nachspiel haben, Wilbur!« drohte der kleine Terraner und beendete
die Funkverbindung. Damit spielte er natürlich
auf das Verlassen des geplanten Kurses an.
Die Dscherro nahmen als erste Funkverbindung auf. Das Gesicht von Taka Kudon höchstpersönlich erschien auf dem großen Monitor
der Kommandozentrale.
»Seid gegrüßt, Cartwheeler«, begann er ausgesprochen höflich.
»Ich bin Ervos Wilbur, Kommandant des
Vergnügungsraumer BAMBUS. Wir... wir haben uns verirrt und wollen wissen, was ihr hier
macht?«
Der Taka lachte schallend. »Wir sind hier,
um euch zu töten!«
»Was?«
Wilbur glaubte, sich verhört zu haben. Er
wies seinen ersten Offizier an, sofort den
Schutzschirm zu aktivieren, da wurde auch
schon wie von Geisterhand der Transmitter aktiviert und vier Dscherro materialisierten in der
Kommandozentrale. Sie machten kurzen Prozess mit der Besatzung und töteten sie schnell
und erbarmungslos.
Nur Wilbur wehrte sich. Der kräftige Ertruser konnte einen Dscherro niederringen und
brach ihm das Genick. Jedoch konnte er sich
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nicht lange über diesen Sieg erfreuen, denn der
nächste Dscherro rammte Wilbur sein Horn in
den Magen. Schnell zog er es wieder heraus und
warf Wilbur zur Seite. Dann stieß der Grünhäutige mit einem lauten Schrei seine Krallen in
den Hals des Ertrusers, der verzweifelt um sein
Leben gekämpft, jedoch verloren hatte.
Als die Kraft aus den Armen von Wilbur
wich und er schon längst tot war, schnaubte
der Dscherro immer noch heftig und hatte die
Krallen in der Halsschlagader seines Opfers gebohrt. Die dunklen Augen starrten auf die Leiche. Der Dscherro konnte sich von diesem Anblick nicht losreißen. Erst als ihn einer seiner
Artgenossen darauf aufmerksam machte, ließ er
ab.
»Vendor! Der Taka kommt«, ermahnte ihn
ein Soldat.
Der junge Dscherro riß die Krallen aus dem
Hals des Leblosen und salutierte vor Taka Kudon, der gerade durch den Transmitter kam.
Ohne eine Miene zu verziehen, musterte er
die Leichen und seine Leute. Ein zufriedenes
Lächeln huschte für wenige Hunderstelsekunden über seine Lippen, dann wandte er sich seinem Stellvertreter zu.
»Machmor, sorge dafür, daß das Schiff
schnell übernommen wird. Zuerst der Hangar,
damit unsere Fähren landen können, dann die
Wachen ausschalten und zuletzt die Passagiere
gefangennehmen«, befahl er.
Unverzüglich machte sich der dicke Machmor auf den Weg.
Vendor begleitete ihn auf dem Weg zum
Hangar. Dabei entdeckte er in einer dunklen
Ecke zwei Terraner, die über sich herfielen und
den Geschlechtsakt vollführten. Vendor überkam wieder ein Rausch und er stach den männlichen Terraner nieder. Das Weibchen murmelte
erst etwas, schrie dann auf, als sie den Tod ihres Geliebten bemerkte. Ihr Atem stockte, als
sie Vendor erblickte.
Der Dscherro genoß diesen Moment. Er hatte ihr Leben in der Hand, konnte sie töten, wann
immer er wollte. Das war Macht! Sie hoffte,
daß er sie verschonen würde. Fast amüsierte
Vendor dieser Gedanke, dann spürte er, wie seine Adern dicker wurden, der Blutrausch ihn
wieder überkam. Heißkalte Schauer jagten über
Nils Hirseland
seinen Rücken, dann schlug er ihr mit einem
lauten Schrei ein Bein ab. Er genoß diese Augenblicke so sehr!
Doch sie lebte noch. Er rammte sein Horn in
ihren Magen, doch sie atmete noch immer.
Sie mußte so sehr leiden, dachte sich Vendor und erfreute sich dieser Tatsache. Er riß ihre
Gedärme heraus und stopfte sie in ihren Mund.
Dann schlug er ihr mit einem lauten Gebrüll seine Axt in den Kopf.
Jetzt war sie tot. Er hatte ein Leben vernichtet, er besaß Macht!
»Koscha Dscherro, Koscha!« rief er berauscht.
Machmor riß ihn aus seiner Extase.
»Reiß dich zusammen, junger Dscherro! Wir
haben einen Auftrag!« erinnerte er Vendor.
Machmor legte, genauso wie Taka Kudon,
Wert auf Disziplin.
Die 20 Dscherro stürmten den Hangar und
konnten das überraschte Wartungspersonal mühelos überwältigen. Wieder wurden keine Gefangenen gemacht. Fünf Galaktiker fanden den
Tod, kein Dscherro vergoß auch nur eine
Schweißperle.
Dann öffneten sich die Schotts und neun
Fähren landeten auf der BAMBUS. Je einhundert Dscherro pro Fähre, bis an die Zähne bewaffnet und zu allem entschlossen, stürmten aus
dem Hangar, doch Machmor hielt sie für einen
Moment zurück.
»Dscherro! Heute ist ein großer Tag, denn
wir werden diesen arroganten und überheblichen Galaktikern zeigen, daß die Dscherro ein
stolzes Kämpfervolk sind, die niemand besiegen kann«, rief er.
Anschließend brüllten die knapp tausend Gehörnten »Koscha Dscherro, Koscha« und marschierten los.
Ihre ersten Ziele waren die Tanzsäle.
*
»Partyalarm!« brüllte ein jugendlicher Terraner durch die Gegend. Er war am ganzen Körper gepierct, trug weiße Handschuhe und einen
leuchtendes Gebiß. Der Terraner hoppelte wie
wild vor einem Notausgang und schrie den Text
der elektronischen Musik.
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
Aurec lief ohne Begleitung durch den großen
Saal und stellte sich an einen Tresen. Er musterte seine Gegenüber. Zwei Akonen mit nacktem
Oberkörper unterhielten sich über ihre jüngsten Eroberungen, womit sie zwei Dorgoninnen
meinten, die auf der Tanzfläche standen. Die
Bedienung an diesem Tresen war Kathy. Sie lächelte Aurec freundlich an, als sie ihm nach seinem Wunschgetränk fragte.
Er bestellte einen Vurguzz-Cola und gab der
hübschen Brünetten reichlich Trinkgeld. An einem anderen Tresen entdeckte er Jonathan Andrews, seine Freundin Marya, Niesewitz und
die anderen.
Anya Guuze und Sylke Stabum kamen zu
dem Saggittonen, der vor allem nach Nor´Citel
Ausschau hielt, ihn jedoch nirgends entdecken
konnte.
»Hey Mister Aurec«, begann Sylke freundlich.
Sie schwankte von einer Seite zur anderen
und machte auf Aurec nicht nur einen betrunkenen, sondern auch unter Drogen stehenden Eindruck.
»Wollen wir es mal machen?« fragte sie. Anya kicherte laut. Auch sie war reichlich angetrunken.
Aurec beschloß über diese Tatsachen hinwegzusehen.
»Ich danke für dein reizendes Angebot«, erklärte der Saggittone, »jedoch muß ich es ablehnen, so schwer es mir auch fällt«, fügte er
diplomatisch hinzu.
Sylke grinste nur debil und verstand eigentlich kein Wort von dem, was er sagte. Anya
saugte genüßlich an dem Strohhalm ihres Cocktails und blickte Aurec tief in die Augen. Für
einen Moment wurde der Saggittone beim Anblick dieser Traumfrau schwach.
»Wo ist dein Freund?« wollte er wissen.
»Och, der treibt sich irgendwo herum«, erklärte sie pikiert.
»Der treibt es eher mit einer, wolltest du
wohl sagen«, neckte Sylke ihre beste Freundin,
die das weniger spaßig fand.
Aurec wußte nicht, was er sagen sollte. Der
Saggittone hatte einen bissigen Kommentar auf
der Zunge, hielt sich jedoch zurück.
Die beiden verabschiedeten sich und ent-
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schlossen sich zum weiterzugehen, um Cattrin
Adamz zu suchen.
Aurec stellte sich wieder an den Tresen und
beobachtete Kathy. Die Terraner waren schon
ein seltsames Volk, dachte er bei sich. Sie waren so unterschiedlich in ihrem Benehmen und
doch wieder gleich. Dieses Volk war ein einziger Widerspruch und doch folgten sie einer bestimmten Linie, die dem Wohle aller diente.
Stony und DJ Abfallhaufen kamen zum Tresen. Einer der Tresen-Service Leute rempelte
dabei aus Versehen die Freundin von Zchmitt
an. Sofort packte Abfallhaufen seinen Untergebenen.
»Du Penner hast meine Freundin angestoßen«, rief er aggressiv.
Der blonde Terraner mit der modischen Brille entschuldigte sich sofort, doch das war Abfallhaufen nicht genug. Er mußte sich wieder in
Szene setzen und allen zeigen, was für ein toller
Kerl er doch war.
»Davon kriege ich so einen dicken Hals,
mein Junge. Das nächste Mal fliegst du, und
zwar aus der Schleuse!« brüllte der kleine Terraner herum.
Der Tresen-Service nickte hastig und ging
eilig davon.
Aurec schüttelte nur angewidert den Kopf.
Er wandte sich zu Stony, der Kathy am Tresen
etwas unterstützen sollte.
»Dieser DJ Abfallhaufen sorgt bestimmt für
ein schlechtes Betriebsklima«, meinte der Saggittone sarkastisch.
Stony sah ihn verwundert an.
»Er ist in Ordnung. Manchmal vielleicht etwas exzentrisch, doch alles in allem ist Krizan
ein guter Kumpel und ein klasse DJ«, erklärte
Stony.
Aurec nickte nur schwach und ließ diesen
Satz unkommentiert. Stony verließ wieder den
Tresen, um zu seinen eigenen zu gehen.
Auch Abfallhaufen mußte wieder an die Arbeit. Dabei traf er auf Reiko und schilderte ihm
die Sache von dem Tresen-Service.
Reiko griff sich den Terraner und schrie ihn
vor aller Augen an.
Aurec wäre am liebsten zu diesem widerwärtigen Plophoser gegangen und hätte ihm einen
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Kinnhaken verpaßt, doch das war wohl etwas
unter der Würde eines Regenten.
Das Resultat war ein weinender junger Terraner, der gerade herausgeworfen wurde. Er bat
Reiko förmlich auf Knien den Posten zu behalten, doch der bärtige Organisator spuckte seinem Gegenüber nur ins Gesicht und ließ ihn von
einer Security-Wache hinausschaffen.
Aurec wechselte einen kurzen Blick mit Kathy und schüttelte den Kopf. Er fand diese Party,
wie auch das ganze Schiff, als wenig anziehend.
Dann wurde er auf einen schreienden Terraner aufmerksam, der wie wild herumsprang.
Der Schweiß rann ihm von der Stirn. Er faßte sich mit beiden Händen an den Schädel, so
als ob er Kopfschmerzen hätte, doch das gehörte wohl zum Tanz.
Die Augen starrten ins Leere und das starre Lächeln deutete darauf hin, daß er nicht Herr
seiner Sinne war.
An dem muß wohl die Evolution vorbeigegangen sein, dachte sich Aurec mit einem
Schmunzeln.
Da brach die Tür plötzlich mit einem lauten Knall auf und die Musik verstummte unverzüglich. Der junge Terraner wurde von der
aufspringenden Metalltür getötet.
Energieblitze zischten durch den Raum, die
Wesen fingen an zu schreien als sie die grünhäutigen Dscherro sahen, die brüllend durch den
Saal rannten und wild in die Menge schossen.
Aurec sprang sofort hinter den Tresen und
stieß Kathy zu Boden, womit er ihr das Leben
rettete, denn ein Energiestrahl schlug dort ein,
wo sie vorher gestanden hatten und durchtrennte eine Säule des Tresendaches.
»Hast du eine Waffe hier?« wollte Aurec
wissen.
»Was?« fragte sie irritiert.
Er schüttelte mit dem Kopf. Wo waren die
Sicherheitsmänner von Darvos? Einer rannte
schreiend zum Ausgang, kam jedoch nicht weit,
da ein Dscherro ihm seine Axt in den Rücken
warf.
Bienya rannte zum Tresen. Sie stand unter
Schock. Ihr Mund war zugewachsen. Ein Energiestrahl traf sie ins Gesicht, bevor sie ihre
Schwester erreichen konnte. Bienya brach zusammen und blieb regungslos auf den Boden
Nils Hirseland
liegen.
Kathy begann zu schreien und zu weinen.
Der Saggittone versuchte sie zu beruhigen, jedoch war er ebenfalls bemüht, irgendwoher eine
Waffe zu organisieren.
Er robbte zum Ende des Tresens und packte
Bienyas Hand. Er spürte keinen Puls. Sie war
tot!
Am Tresen von Jezzica brach auch das Chaos aus. Dutzende von Energiesalven durchsiebten den Tresen regelrecht.
Jezzica sprang geistesgegenwärtig über den
Tresen und suchte hinter einer Wand Deckung.
Andrews packte Marya und warf sie zu Boden.
Vor ihm lief einer der Sicherheitsbeamten, der
seinen Schlagstock zog und auf einen Dscherro einprügelte. Der Oxtorner gewann das Duell,
wurde jedoch von drei anderen Dscherros regelrecht zerhackt.
Andrews zog derweil die Energiewaffe des
toten Dscherros und schoß die anderen drei nieder.
»Laßt mich leben! Ich bin unschuldig!«
schrie Krizoff laut. Tränen liefen ihm über das
Gesicht.
Jonathan Andrews packte ihn am Arm und
zog ihn zu Jezzica, die zusammen mit Marya
hinter der Wand Deckung gefunden hatte.
Auch Niesewitz, Katschmarek und Roehk
verschanzten sich dort und flehten um ihr Leben. Roehk schrie laut und schrill, solange, bis
es Jezzica reichte und die resolute Terranerin
ihn einfach niederschlug.
Reiko rannte zu den anderen. Er packte Haggy und wollte sie mitziehen. Plötzlich tauchte
ein Dscherro auf und schoß. Geistesgegenwärtig und nur auf sein eigenes Leben bedacht, zog
Reiko seine Freundin Haggy zu sich, so daß sie
die tödliche Salve abbekam. Sie brach leblos
zusammen und Reiko rettete sich, indem er sich
hinter einer Wand versteckte.
Jonathan Andrews war davon angewidert,
doch er mußte sich auf die Verteidigung konzentrieren. Aber das war ein sinnloses Unterfangen. Innerhalb weniger Minuten hatten die
Dscherro knapp vierzig Wesen grausam getötet
und den Rest zusammengetrieben.
Einige Wachen leisteten noch Widerstand
und auch einige Passagiere versuchten sich mit
Die Party des Jahrhunderts
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bloßen Fäusten gegen die Dscherro zu erwehren, doch die meisten waren wie paralysiert und
standen unter Schock.
Vel-Ali wurde von zwei Dscherro niedergestochen. Franczy wollte ihm zu Hilfe eilen und
überwältigte die beiden Gehörnten. Jede Hilfe
kam jedoch für Vel-Ali zu spät.
Aurec hatte sich immer noch hinter dem Tresen verschanzt und versuchte die Terranerin Kathy zu beruhigen, die einen Schock erlitten hatte.
Einer der Sicherheitsleute fiel über den Tresen, krachte auf den Tisch mit den Getränken
und blieb regungslos liegen. Kathy schrie auf,
jedoch ging dieser Schrei in der Masse unter.
Aurec entdeckte sofort den Thermostrahler und
bewaffnete sich. Ohne auch nur eine Sekunde
zu verlieren, packte er Kathy an der Hand und
rannte aus dem Tresen.
Zwei Dscherro, die auf ihn feuern wollten,
wurden von Aurec niedergeschossen. Es bot
sich ihm ein Bild des Schreckens, als er sah,
wie Hunderte von Wesen verzweifelt versuchten, sich gegen die brutalen Aggressoren zu
wehren.
Der Saggittone versuchte angestrengt zu Jonathan Andrews zu gelangen, der sich mit ein
paar anderen Leuten hinter einer Treppe verschanzt hatte. Auch Yan Cruze gehörte dazu. Er
saß wimmernd in einer Ecke und hielt sich die
Ohren zu.
Darvos kämpfte kurz vor Andrews mit einem
Dscherro und konnte ihn erledigen, dann sprang
er in Deckung und kroch auf Andrews zu.
Aurec und Kathy liefen zu ihnen hin, dabei
wurde die Terranerin am Oberschenkel getroffen. Schreiend fiel sie zu Boden und ließ Aurecs
Hand los. Sofort drehte sich der Saggittone um
und blickte einem Dscherro in die Augen, der
Aurec hart mit seiner Faust traf.
Andrews konnte nicht schießen, ohne zu riskieren, Aurec zu treffen.
»Darvos, hilf ihm!« forderte der Orbiter
Gal’Arns den grimmigen Anführer der Sicherheitsleute auf.
»Ich bin doch nicht blöd!« schnauzte der ihn
an.
»Verdammt!« rief Andrews und versuchte
auf den Dscherro zu zielen. Er schoß, traf da-
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bei jedoch beinahe Aurec. Andrews verwünschte diese Aktion und überlegte weiter, wie er dem
Saggittonen helfen konnte.
Kathy robbte langsam zu den anderen, jedoch stand sie immer noch unter Schock und
schien nicht recht zu wissen, wo sie hin wollte. Jezzica beschloß, ihrer Freundin zu helfen
und lief aus der sicheren Deckung. Die Dscherro bemerkten sie in dem Tumult nicht und so
schnell sie konnte, rannte sie zu ihrer Freundin
und Kollegin.
»Komm schnell!«
Im nächsten Moment sah sie die Faust eines
Dscherro auf sie zuschnellen. Sie traf sie auf
die Brust. Keuchend flog Tazum zu Boden und
krümmte sich vor Schmerzen.
Andrews war unterdessen zusammen mit
Darvos und Krizoff damit beschäftigt, zwei
Dscherro aus ihrem Versteck zu locken.
Marya beobachtete das Szenario um Jezzica und Kathy. Sie hielt einen Strahler in der
Hand und hätte jederzeit den Dscherro erschießen oder paralysieren können. Doch sie unternahm nichts.
Gelassen und kalt sah sie zu, wie der Gehörnte auf Jezzica Tazum eintrat. Ein Lächeln
huschte über die Lippen von Andrews Freundin, denn eine ungeliebte Rivalin wurde gerade
ausgeschaltet.
Aurec hatte keine Chance mehr gegen den
Dscherro und sank in die Knie. Das Ungetüm
nahm eine Axt und wollte Aurecs Kopf abschlagen, doch ein Energiestrahl trennte seine Hand
ab. Ein zweiter Strahl traf den Dscherro in die
Brust.
Aurec blickte sich verwundert um und erkannte Lorif, Wallace und Dove. Der Schuß
kam von dem Schotten und hatte dem Saggittonen das Leben gerettet.
Dove reagierte blitzschnell und nahm den
zweiten Dscherro in den Würgegriff. Wallace,
Aurec und Lorif kümmerten sich um die beiden
schwer mitgenommenen Frauen und trugen sie
zu dem Versteck.
Jezzica blutete aus dem Mund und an dem
Kopf. Geschockt lief Andrews zu ihr und streichelte behutsam ihr Haar.
Entsetzt und den Tränen nahe blickte er Aurec an. Jezzica war bewußtlos und atmete nur
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schwach.
Marya ging zu ihrem Freund und umarmte
ihn. Sie konnte es nicht sehen, daß er sich um
Jezzica sorgte. Andrews schob Marya jedoch
behutsam weg und kümmerte sich weiter um
Jezzica Tazum.
»Lorif, kümmere dich um die Verletzten!«
befahl Aurec.
Es hatte keinen Sinn mehr. Die Gruppe war
zurückgetrieben worden und konnte gegen die
bewaffneten Dscherro nichts ausrichten.
Langsam wurde es ruhiger in dem Saal. Man
gab den Widerstand auf. Sie hatten eingesehen,
daß sie chancenlos waren.
»Wir geben auf«, sprach Aurec mit gebrochener Stimme und warf die Waffe weg.
Andrews und die anderen überlegten kurz,
dann taten sie es ihm gleich.
*
Das Licht erhellte sich und blendete zuerst
in den Augen der meisten. Rauch stieg auf. Die
Dscherro hatten die Passagiere in den Sälen zusammengetrieben.
Eine Kolonne Dscherro jagte durch die
BAMBUS und durchsuchte jedes Zimmer.
Auch Vendor leitete eine Gruppe. Er stürmte in
das Zimmer der Scorbits, schlug Remus nieder
und ließ beide sofort aus dem Zimmer zerren.
Remus und Uthe wußten gar nicht, wie ihnen
geschah, da waren sie bereits im Hauptsaal und
wurden zu den anderen gebracht.
Remus war benommen und hatte für einen
kurzen Moment die Orientierung verloren. Uthe
versuchte mit einem Taschentuch seine Kopfwunde provisorisch zu verbinden.
»Uthe!« hörte sie eine Stimme hinter sich
schreien.
Sie drehte sich um und sah Anica und Jaquine. Uthe fiel ein Stein vom Herzen. Sie umarmte die beiden Zechoninnen, die völlig verstört
waren. Beide weinten und standen unter einem
Schock. Jaquines Freund Nikto war auch da. Er
zitterte am ganzen Körper und war bleich im
Gesicht.
»Alles in Ordnung?« wollte Uthe besorgt
von ihm wissen.
Nils Hirseland
»Kümmere dich um deinen eigenen Dreck«,
herrschte Nikto sie an.
Vendor kam zurück in den Saal und brachte
etwa fünfzig weitere Galaktiker. Darunter waren auch Yasmin Weydner, Ivon Abrinsky, Inge
Bohmar und die Braunhauers. Zu Remus und
Uthes Erleichterung wurden die Braunhauers
mit ihrer seltsamen Freundin, die immer wieder
nach Werner schrie, in den gegenüberliegenden
Teil des Saales gebracht.
Vendor stieß einige Leute zur Seite und
schob sich so durch die Menge. Sein Blick fiel
auf Jaquine, die ihn seiner Ansicht nach seltsam
ansah.
Er packte sie an ihren Haaren und drückte ihr
Gesicht an seine Brust.
»Du minderwertiges terranisches Häufchen
Elend. Ich könnte dich jetzt ersticken«, flüsterte
er. Schaum und Speichel rannen ihm aus dem
Mund und tropften zum Teil auch auf Jaquines
Kopf.
Uthe hielt den Atem an und sah entsetzt und
gelähmt dem Schauspiel zu. Nikto zitterte noch
immer und hüpfte von einer Seite zur anderen. Unfreiwillig machte er Vendor so auf sich
aufmerksam, der Jaquine von sich stieß. Die
Zechonin landete in Uthes Armen und weinte
bitterlich.
»Was hampelst du hier herum, du Dreck?«
»Ich brauche Stoff, Mann!«
Schweiß lief Nikto von der Stirn und er biß
sich solange auf die Lippen, bis sie anfingen zu
bluten.
Vendor verstand nicht. Er entblößte seine
Zähne und fauchte wie ein Gorilla. Entsetzt
wich Nikto zurück, doch auch hinter ihm stand
ein Dscherro.
»Ich brauche Drogen, Alter.«
Jetzt verstand der Dscherro. Er hielt für einen
Moment inne, dann grinste er breit und machte
Nikto Platz.
»Hole es dir. Los, lauf los und suche dir deinen Stoff«, bot der Dscherro dem Terraner an.
Nikto wußte nicht, was er sagen sollte. Der
Dscherro hinter ihm, stieß ihn an, doch Nikto
stolperte über seine eigenen Beine und fiel zu
Boden.
Langsam rappelte er sich auf und lief los. Zuerst zögerlich, dann immer schneller, bis er zum
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
Schluß aus dem Saal rannte.
Vendor lachte diabolisch, gab zwei Dscherro
ein Zeichen, dann liefen alle drei los und jagten
den Terraner. Jaquine bat Uthe um Hilfe, doch
Scorbit konnte nichts mehr für Nikto tun.
Die Dscherro hetzten ihn, solange bis er entkräftet zusammenbrach. Dann stopften sie ihn
mit Medikamenten und Drogen voll, bis er daran erstickte.
Uthe verwünschte diese brutalen Bestien.
»Achtung!« schrie ein anderer Dscherro und
selbst Vendor nahm Haltung an.
Machmor und Taka Kudon betraten, von
zwanzig Dscherros eskortiert, den Saal.
Vendor trat vor und erstattete Bericht.
»Wir haben jeden Raum durchsucht und die
etwa 5000 restlichen Geiseln in sieben Hallen untergebracht. 215 haben wir während des
Kampfes getötet, 85 Verletzte haben wir nach
dem Kampf in den Konverter geworfen«, erklärte er so laut, daß jeder es verstehen konnte. »Die
BAMBUS ist in unserer Hand, großer Taka!«
*
Jonathan Andrews interessierte sich wenig
für die Reden der Dscherro. Er kümmerte sich
rührend um Jezzica Tazum, die inzwischen
auch wieder bei Bewußtsein war. Die Terranerin
hatte sich einige Rippen gebrochen und etliche
Prellungen zugezogen.
»Hat es geklappt?« fragte sie mit schwacher
Stimme.
»Ja. Kathy hat zwar einen gegrillten Oberschenkel und einen schweren Schock, sonst
geht es ihr aber gut«, flüsterte Jonathan mit einem leichten Lächeln.
Er wollte Jezzica aufheitern, was ihm auch
für einen Moment lang gelang, jedoch war die
Situation zu Ernst, um darüber Scherze zu machen. Das wußte Andrews nur zu genau und in
diesem Moment wünschte er sich, daß Gal’Arn
bei ihm wäre.
Aurec hörte den Dscherro genau zu. Er hatte
bereits herausgefunden, daß der besonders brutale Gehörnte Vendor hieß. Sein Vorgesetzter
Machmor und Taka Kudon selbst kannte er bereits von vielen politischen Treffen.
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Nun hatten die Dscherro also ihr wahres Gesicht gezeigt und waren nicht das arg gebeutelte
Volk, das um Wiedergutmachung kämpfte, sondern die grausamen Plünderer, die Taka Fellok
und seinem Clan in nichts nachstanden.
Aurec mußte sich jetzt um die 5000 Lebewesen kümmern. An ihm lag es, mit Taka Kudon zu verhandeln. Er sagte Dove und Wallace
Bescheid. Danach versuchte er sich durch die
Masse zu kämpfen. Dabei traf er auf Anya Guuze, die ihn verängstigt ansah. Neben ihr standen
Roppert Nakkhole und Sylke Stabum.
»Sie haben Sonya und Cattrin umgebracht!«
flüsterte Anya betroffen.
Aurec sprach ihnen sein Beileid aus und erklärte, daß er mit Taka Kudon sprechen wollte.
»Was wollen die von uns?« wollte Anya wissen.
»Ich kann es noch nicht beantworten«, mußte Aurec eingestehen.
»Toller Supermann bist du, Alter! Das könnte ich ja noch besser machen«, gab Krizan Bulrich von sich, wurde jedoch im nächsten Moment von Anya zum Schweigen gebracht.
Aurec beschloß, erst einmal weiterzugehen.
Er fragte sich, wo Neve Prometh geblieben war.
Hatte sie überlebt oder war sie unter den 300
Toten?
Auf dem Weg zu Kudon traf er auch die
Scorbits und zeigte ihnen, wo Andrews und die
anderen waren. Sofort machten sie sich auf den
Weg. Aurec wollte seine Gefährten zusammen
wissen. Dann war es leichter, einen Ausbruch
zu starten und er mußte sich keine unnötigen
Sorgen um ihren Verbleib machen.
Als er endlich Taka Kudon erreicht hatte,
stand bereits Nor’Citel mit dem Dscherroanführer zusammen. Die Dscherro erkannten den
Prinzen Saggittors und brachten ihn zum Taka,
der überlegen grinste.
»Ah, zwei einflußreiche Politiker stehen wie
Bettler vor mir, und wollen um das Leben der
Kreaturen winseln«, sprach er voller Hohn.
»Laßt sie gehen«, bat Nor’Citel.
Aurec glaubte für einen Moment, daß er sich
in dem Pariczaner getäuscht hätte. Jetzt setzte
er sich für die Geiseln ein. Trotzdem stimmte etwas nicht mit ihm. Er wurde dieses seltsame Gefühl nicht los, daß Nor’Citel eine größere
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Gefahr als die Dscherro war.
»Nor’Citel hat recht. Was bezweckt Ihr mit
dieser Aktion? Ihr wißt genau, daß die Dscherro
aus Cartwheel verbannt werden, wenn das hier
bekannt wird«, erklärte Aurec energisch.
Wieder lachte Taka Kudon.
»Wenn!« betonte er. »Wir werden eine reiche Beute machen. Die Besucher haben Geld,
Schmuck und der Lösegeldanteil dürfte beträchtlich sein. Natürlich wird die BAMBUS
nach Zahlung des Lösegeldes explodieren.«
Ein Raunen ging durch die Halle. Eine Panik
brach aus, doch die Dscherro hatten alles unter
Kontrolle.
Aurec verstand den Sinn dieser Entführung
nicht. »Warum? Welchen Vorteil konnte diese
Aktion den Dscherro schon bringen?«
Kudon spuckte dem Saggittonen ins Gesicht.
»Ihr Saggittonen seid bald aus Cartwheel
vertilgt. Uns ist dieses ganze Kräftemessen zwischen DORGON und MODROR egal. Wir stehen auf der Seite desjenigen, der am besten bezahlt und das ist im Moment nicht DORGON.«
Langsam verstand Aurec. Die Dscherro handelten nicht aus eigener Motivation, sondern
wurden mit einer hohen Entlohnung geködert.
»Machmor, fliege jetzt die vereinbarten Koordinaten an, damit wir unseren Auftraggeber
treffen können«, befahl der Taka.
Er machte keinerlei Anstalten, irgendetwas
vor Aurec und Nor’Citel zu verheimlichen.
Langsam wandte er sich wieder an den Saggittonen.
»Werft ein Auge auf ihn, denn mein Auftraggeber will ihn lebend haben«, erklärte Kudon
seinen Untergebenen und blickte Vendor streng
an, der am liebsten alle Geiseln sofort getötet
hätte.
»Egal, was er geboten hat. Ich biete mehr!
Eine Million Galax pro Geisel!«
Für einen Moment dachte Taka Kudon ernsthaft über dieses Angebot nach. Fünf Milliarden
Galax waren eine ganze Menge. Dann blickte
er zu Nor’Citel, der keine Miene verzog, doch
Taka Kudon wußte genau, was er dachte.
»Nein!« entgegnete er nur und wies Vendor
an, Aurec wieder zu den anderen zu bringen.
Während Aurec zu der Gruppe gebracht wurde,
packten drei Dscherro Nor’Citel. Aurec blieb
Nils Hirseland
überrascht stehen.
»Was soll das?« wollte Nor’Citel wissen.
»Der Taka hat mit dir etwas besonderes vor,
Überschwerenschwein!«
Nor’Citel wehrte sich heftig, doch die
Dscherro schienen stärker zu sein. Vendor trat
gegen das Schienbein des Pariczaners, so daß
er zusammenbrach. Dann schlugen die Dscherro solange auf ihn ein, bis er sich wehrlos davon
schleifen ließ.
Aurec blickte besorgt hinter Citel her. Diesmal saßen sie im selben Boot und der Saggittone hoffte, daß dem Überschweren nichts passieren würde.
*
Die Dscherro warfen den Pariczaner auf den
Boden, wo er sich langsam wieder aufrappelte.
Taka Kudon, Machmor und Vendor stellten sich
vor ihn.
Leticron stand auf und blickte die Dscherro
wütend an. Im nächsten Moment packte er eine
der Wachen und brach ihm den Arm. Der brüllende Dscherro wollte zur Waffe greifen, doch
Leticron war schneller. Er brach ihm auch die
Hand des anderen Armes.
Den zweiten Dscherro stieß an die Wand und
schlug mehrmals mit der Faust in dessen Magengegend. Der Gehörnte sank bewußtlos zusammen.
Die dritte Wache wirkte verunsichert und
ging ein paar Schritte rückwärts. Der Pariczaner
blickte ihn haßerfüllt an und stürzte sich wie ein
Raubtier auf den Grünhäutigen. Er warf ihn mit
einem Schulterwurf zu Boden und nahm ihn in
den Schwitzkasten.
Leticron rammte den Schädel des Dscherro gegen die Wand. Sein Horn durchstieß das
leichte Metall und der Dscherro blieb stecken.
Leticron nahm all seine Kraft zusammen und
schlug mit seinem Ellenbogen gegen das Horn,
so daß es abbrach.
Schreiend, schon fast weinend über diese
Demütigung brach der Dscherro zusammen.
Taka Kudon, Machmor und Vendor sahen
dem Schauspiel gelassen zu. Leticron stürmte
auf Vendor zu und verpaßte ihm einen rechten
Die Party des Jahrhunderts
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Kinnhaken. Der Dscherro taumelte zurück, zog
seine Axt und wollte Leticron angreifen.
»Genug!« fauchte Taka Kudon und sofort
hielt Vendor inne.
Leticron machte jetzt wieder einen gefaßten
Eindruck und atmete tief durch.
»Ihr habt das Schauspiel zu realistisch aussehen lassen«, erklärte er zähneknirschend und
stellte sich bedrohlich vor Vendor, der wild
schnaubte.
»Verzeiht uns, Leticron«, entschuldigte sich
Taka Kudon unterwürfig.
Vendor gefiel das nicht. Ein Dscherro entschuldigte sich bei niemandem! Doch auch er
mußte einsehen, daß Leticron ihr Auftraggeber
war und ihnen eine Menge Geld bringen würde.
»Dreihundert Tote! Konntet ihr Bestien euch
nicht etwas zurückhalten?«
»Aber Leticron! Wir sind Kämpfer. Ich und
meine Leute konnten endlich wieder töten. Unser Leben hat wieder einen Sinn!« sprach Kudon mit geschwellter Brust.
Der Sohn des Chaos schüttelte nur den Kopf.
»Diese Leben bedeuten mir nichts, aber ich
wünsche als ihr Retter nach Cartwheel zurückzukehren, um von den Medien gefeiert zu werden«, erklärte er. Er grinste diabolisch. »Allerdings ohne Aurec und seine Brut...«
Leticron ging ein paar Schritte weiter. Taka
Kudon folgte dem Unsterblichen, ebenso wie
Machmor und Vendor, jedoch mit gebührendem
Abstand.
»Fliegt die BAMBUS zu den von mir angegebenen Koordinaten. Dort werden euch zwei
meiner Brüder erwarten. Ihnen übergebt ihr Aurec und die anderen Veteranen aus Dorgon und
die Helden der TERSAL. Ohne diese lästigen
Kreaturen können wir unsere Ziele in Cartwheel
schneller erreichen«, sagte Leticron kühl.
Taka Kudon nickte nur. Politik und Taktik
waren nicht seine Stärken. Das erkannte auch
Leticron. Die Dscherro waren nur dazu zu gebrauchen, mit brachialer Gewalt etwas zu erreichen. So auch diese Entführung.
Natürlich hätten der Pariczaner diese Sache
auch selbst übernehmen können, doch niemand
sollte im Falle eines Scheiterns auf die Idee
kommen, daß Leticron für die Entführung verantwortlich zu machen war. Die Dscherro konn-
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te man schnell und glaubwürdig zu Sündenböcken deklarieren.
Es war ein habgieriges und stupides Volk,
das nicht sonderlich hoch angesehen in Cartwheel war, nicht zuletzt durch ihre Aktionen in
der Milchstraße.
Leticron hatte vor, Taka Kudon und seinen
Mannen eine hohe Subventionssumme von 50
Milliarden Galax zu zahlen. Er sollte als großer
Vermittler auftreten und die Dscherro davon
überzeugen, die Geiseln wieder freizulassen.
Leticron wollte die Entführung als einen Aufschrei der Dscherro darstellen, die so auf ihre
wirtschaftliche Not aufmerksam machen wollten.
Der Tod von bis jetzt 300 Passagieren war
hierbei wenig förderlich. Sollte es weiterhin
Schwierigkeiten geben, würden sich die Völker
Cartwheels sicher nicht mit dieser Ausrede zufrieden geben.
Sollte dieser Fall eintreten, mußten Taka Kudon und seine Vertrauten sterben, denn niemand
durfte Leticrons wahre Identität und Motivation
erfahren.
Was aus Kudon und den Dscherro wurde,
war dem Sohn des Chaos völlig gleichgültig.
Er wollte Aurec und seine Freunde loswerden,
die ihm sein Handeln auf der Insel erschwerten. Natürlich würden dann noch weitere unangenehme Personen, wie Gal’Arn, Sam und Joak
Cascal übrigbleiben, doch mit Aurec wäre ein
wichtiger Widersacher aus dem Weg geräumt.
Zu diesem Zweck hatte sich Cau Thon mit ihm
in Verbindung gesetzt, den er in einem entlegenen Sonnensystem außerhalb von Cartwheel
treffen wollte.
Cau Thon hatte auf diesen Treffpunkt bestanden. Warum, konnte sich Leticron nicht erklären. Auf jeden Fall sollten die BAMBUS und
KARAN in den nächsten Stunden aufeinander
treffen. Leticron würde Aurec und die anderen
seinen Brüdern des Chaos übergeben und dann
mit der BAMBUS unter dem Vorwand, er hätte Kudon zum Einlenken bewegt, zurück nach
Cartwheel fliegen.
Ein klug durchdachter Plan, lobte sich der
Zellaktivatorträger selbst. Leticron war der festen Überzeugung, daß er nichts von seiner Genialität verloren hatte.
D O R G O N
240
Nach einer kurzen Ruhepause wurde er von
Vendor wieder zu den Gefangenen gebracht,
doch diesmal wagte es der Dscherro nicht, Hand
an Leticron zu legen.
*
Nor’Citel machte einen angegriffenen Eindruck. Niemand ahnte, daß er das nur vorheuchelte. Taumelnd begab er sich zu Aurec und
ließ sich stöhnend auf den Boden nieder.
»Sie haben mich etwas aufgemischt, da ich
nicht mit ihnen kooperieren wollte. Sie haben
verlangt, ich soll ihnen Unterschlupf gewähren.
Diese primitiven Bestien!«
Leticron spielte seine Rolle gut. Jedenfalls
schenkte Aurec ihm Glauben. Der Saggittone
war beinahe soweit, zu glauben, daß er sich
in Nor’Citel getäuscht hatte. Dennoch existierte
noch immer die Ungereimtheit um seinen jähen
Charakterwechsel. Der Saggittone wollte das so
schnell wie möglich aufklären, doch jetzt war
der falsche Zeitpunkt dafür.
»Ein Ausbruch scheint im Moment aussichtslos zu sein«, stellte Aurec bitter fest.
»In der Tat«, stimmte ihm Nor’Citel zu. »Ich
bin erschöpft und brauche etwas Schlaf. Weckt
mich wenn etwas passieren sollte.«
Er gähnte und schloß bereits im nächsten
Moment die Augen.
Leticron konnte auch gelassen schlafen,
denn ihm würde nichts passieren. Alles lief
nach Plan – nach seinem Plan!
*
»Alles Mist!« fluchte Reini Katschmarek.
Niesewitz und Roehk pflichteten ihrem Freund
und Teilhaber bei.
Auch Ferby und Reiko waren nicht sonderlich gut gelaunt. Ein Traum war zerstört worden. Die Party vorbei. Die Feier wurde zu einem
Horror.
Die Entführung der BAMBUS würde sicher
nicht zu ihrem Vorteil sein. Viele der Passagiere würden Schmerzensgeld verlangen, vielleicht unangenehme Fragen über den Mangel
an Sicherheit stellen und die Angehörigen der
Nils Hirseland
Toten würden die Inhaber und Geschäftsführer
vielleicht sogar verklagen.
»Wir brauchen gute Anwälte, die alles den
Dscherro in die Schuhe schieben«, meinte Werner zu den beiden anderen.
»Ich kenne ein paar gerissene Leute«, sagte Ferby. »Das werden wir schon wieder hinbekommen. Vielleicht könnt ihr noch euren
Freund, den Marquese von Siniestro um Hilfe
bitten.«
Reini schüttelte nur den Kopf und fluchte
weiter. Er ging zu dem Tresen, der nur noch
ein einziges Trümmerfeld war. Doch ein Kühlschrank war noch unbeschädigt. Der Terraner
holte fünf Bierflaschen heraus und stieß mit seinen Kumpanen erst einmal auf diese Misere an.
»Schuld an allem sind die Außerirdischen,
sage ich euch«, fing er an zu erzählen und nahm
einen kräftigen Schluck.
Die anderen beiden nickten nur zustimmend.
»Die Dscherro, die kapitalistischen Springer,
dieses Ungeziefer der Blues«, schimpfte er weiter. »All diese schrecklichen Außerirdischen,
die uns armen Terranern auf der Tasche liegen.
Die werden doch viel besser behandelt als unsere Artgenossen.«
»Ja, Reini, du hast recht! Ich träume auch
von einer Erde ohne diesem ganzen extraterrestrischen Abschaum. Aber es liegt nicht in unserer Macht, dies zu ändern«, meinte Werner Niesewitz.
»Vielleicht nicht auf der Erde, aber vielleicht
auf der Insel?« stellte Reini in den Raum.
Die beiden dachten kurz darüber nach. Es
war so, als hätten sie eine gefährliche Vision gehabt. Sie prosteten sich zu und schienen wieder
bei wesentlich besserer Laune zu sein als noch
vor ein paar Minuten.
*
Jonathan Andrews hatte bei der Verteilung
des Essens nur einen Teller bekommen, obwohl
er für Jezzica Tazum auch einen haben wollte.
Doch die Dscherro legten keinen Wert darauf,
die Verletzten zu versorgen.
Die Notdurft mußte ebenfalls in einer Ecke
getätigt werden. Alle Versuche von Aurec, die
Dscherro zu einer humaneren Behandlung der
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
Gefangenen zu drängen, blieben fruchtlos. Bis
jetzt waren sie fünf Stunden in Gefangenschaft
und niemand wußte, wie lange es noch dauern
würde.
Viele der jungen Geiseln waren mit den Nerven am Ende und mußten beruhigt werden.
Doch wer sollte das übernehmen? Die Sicherheitsleute waren überfordert und mußten selbst
mit ihren Ängsten kämpfen.
Niesewitz, Katschmarek und Roehk hatten keine Sicherheitsleute engagiert, sondern
selbstherrliche Schläger, die sich nur gegen Unbewaffnete durchsetzen konnten.
Die Hälfte der Sicherheitskräfte hatte im
Kampf gegen die Dscherro ihr Leben gelassen. Die andere hatte sich um Darvos versammelt. Dieser hielt sich bei Roehk, Niesewitz,
Katschmarek, Ferby, Abfallhaufen, Dykkar und
Reiko auf, um für ihren Schutz zu sorgen.
Aurec, Andrews, die Scorbits, Wallace, Lorif und Dove waren nun gefragt. Sie mußten
versuchen, Ruhe in die Masse zu bringen, was
ihnen nicht leichtfiel. Doch die Waffenpräsenz
der Dscherro und der Wille zu Überleben, ließ
die Wesen etwas ruhiger und besonnener reagieren. Man konnte auch sagen, daß die Angst
sie lähmte.
Kathy kauerte in einer Ecke und beobachtete die drei Inhaber der BAMBUS, die ihr Bier
tranken. In der jungen Terranerin sah es nicht so
heiter aus. Sie trauerte um den Tod ihrer Schwester Bienya und litt unter starken Schmerzen,
die durch ihre Wunde am Oberschenkel verursacht wurden.
Die Dscherro verweigerten jede medizinische Hilfe. Die meisten Verwundeten wurden
einfach in den Konverter geworfen, doch Andrews hatte es verstanden, Kathy und Jezzica
recht gesund aussehen zu lassen, zumindest für
den kurzen Moment, als die Dscherro an ihnen
vorbeikamen.
Inzwischen hatten die Dscherro ihre Einstellung auch etwas geändert, es wurden keine Verwundeten mehr getötet. Sie wurden aber nach
wie vor nicht versorgt.
Kathy beobachtete Reiko, der ebenfalls Bier
trank. Flüchtig warf er einen Blick in die Ecke,
wo man die Leichen aufgebahrt hatte. Dort lag
auch seine Haggy, doch der Plophoser schien
241
nicht sonderlich um sie zu trauern.
Die junge Terranerin war angewidert und
schloß die Augen. Sie mußte erst mal versuchen, mit sich selbst ins Reine zu kommen.
*
Jezzica Tazum blickte an die Decke und
dachte über ihre Situation nach. Eigentlich
wollte sie kein Abenteuer mehr erleben, sondern das Leben als einzige Party genießen. So
langsam bekam sie allerdings Zweifel, ob das
ihr Schicksal war. Vielleicht war sie von jemanden dazu ausersehen worden, diese Abenteuer
zu erleben? Sie wußte es nicht. Im Moment war
die junge Terranerin nur verwirrt und litt ebenfalls unter starken Schmerzen.
Ihr Blick fiel auf Marya. Jonathans Freundin musterte sie abfällig. Jezzica verstand diese Abneigung nicht, doch Marya war ihr nicht
geheuer. Ihre Augen strahlten Kälte und Berechenbarkeit aus. Einerseits konnte sie das niedliche Mädchen von nebenan sein, im nächsten
Moment eine gefährliche Furie.
Andrews kam zurück und stellte den Teller
mit der Suppe neben Jezzica. Er half ihr behutsam hoch.
»Warte, ich helfe dir«, sagte Marya und
stürmte heran. Sie spielte die Ungeschickte und
stieß dabei den Teller mit der Suppe um, der zu
Boden fiel und zerbrach.
»Du dumme Kuh«, fauchte Jezzica.
Auch Jonathan Andrews war nicht sonderlich begeistert.
»Was sollte das? Das war doch Absicht!«
»Ich würde so etwas Gemeines nie tun. Aber
anscheinend hast du sowieso nur noch Augen
für deine Jezzica«, schrie Marya und lief weinend davon.
Andrews setzte sich genervt hin und vergrub
das Gesicht zwischen den Händen. Dann sah er
zu Jezzica.
»Lauf ihr hinterher«, sagte sie allen ernstes.
Andrews sah sie entgeistert an.
»Sie ist deine Freundin und fühlt sich von dir
alleingelassen. Sie braucht dich jetzt mehr als
ich dich«, erklärte Tazum.
Andrews nickte schwach und folgte Marya.
Sie stand in einer Ecke und weinte bitterlich. Er
D O R G O N
242
schloß sie in die Arme und tröstete. Und Jezzica konnte nicht glauben, daß sie das eben gesagt
hatte.
*
Karl-Adolf Braunhauer lag erschöpft auf einer Couch und wirkte sichtlich angegriffen.
Sein ganzer Körper war gelb und er hatte eine
Herzattacke nach all der Aufregung bekommen.
Medizinische Hilfe wäre wichtig für die Rettung seines Lebens gewesen, doch die Dscherro
unternahmen nichts.
Ottilie Braunhauer weinte unentwegt. Sie
war einem Nervenzusammenbruch nahe und
nur eine Flasche Vurguzz konnte ihr weiterhelfen.
Inge Bohmar suchte immer noch nach ihrem
Werner. Sie glaubte, ihn irgendwo in der Menge
verloren zu haben.
Sie waren nur drei von 5000 Gefangenen auf
der BAMBUS, die auf ihr ungewisses Schicksal
warteten.
Plötzlich brach unter den Dscherro ein Tumult aus. Hastig und aufgeregt diskutierten sie,
dann betraten Vendor und Machmor den Raum.
Sie bahnten sich ihren Weg durch die Menge
und stießen die Wesen rücksichtslos zur Seite.
Als sie bei Aurec und Nor’Citel angekommen waren, forderten sie die beiden Vertreter
des Paxus-Rates auf, mit ihnen zu kommen.
Beide akzeptierten ohne Widerspruch. Aurec
warf Andrews einen letzten Blick zu und legte
ihm die Verantwortung für die Geiseln in diesem Raum in die Hände. Eine Bürde, die für
Jonathan Andrews nicht leicht zu nehmen war,
doch mit Hilfe von Lorif, Dove, Wallace und
den Scorbits konnte er schon etwas besser auf
die Geiseln aufpassen und ihnen gut zureden.
Vendor und Machmor brachten sie in die
Kommandozentrale der BAMBUS. Auf dem
Fußboden konnte Aurec noch die Blutspuren
sehen, die offensichtlich von der Besatzung
stammten. Der Saggittone machte sich keine Illusionen. Wilbur und seine Leute waren tot.
Die BAMBUS war aus dem Hyperraum in
den Leerraum eingetaucht. Die zehn Schlachtschiffe der Dscherro hatten sie begleitet.
Sie hatten ein seltsames Sonnensystem. Das
Nils Hirseland
System bestand aus einer blauen und einer roten Sonne. Sie wurden von zwei Planeten umkreist. Einer der Planeten war nur 700.000 Kilometer von ihrem jetzigen Standpunkt entfernt
und wirkte auf den ersten Blick erdähnlich.
Aurec und Nor’Citel wurden jedoch auf eine andere Naturerscheinung aufmerksam. Sie
mußte einige Lichtjahre von ihnen entfernt sein,
strahlte allerdings so hell, daß es einen gewaltigen Durchmesser haben mußte.
Die helle runde Erscheinung kam Aurec bekannt vor. Schon oft hatte er darüber gelesen.
Nach einer Weile fiel ihm auch ein, worum es
sich dabei handeln könnte. Für eine Galaxis war
es zu nahe, denn die Orter ergaben, daß dieses
Gebilde nur 2,89 Lichtjahre von dem System
entfernt war.
»Ein Kosmonukleotid«, stellte Aurec leise
fest.
Nor’Citel blickte ihn fragend an. Auch er
hatte durch seine Hypnoschulung von dem Moralischen Kode gehört.
»Sicher?« fragte er.
»Nein, aber für eine Galaxis ist das Ding zu
nahe dran. Die Abtastung ergab, daß es knapp
ein Lichtjahr durchmessend ist. Alles spricht für
ein Kosmonukleotid«, erklärte der Saggittone.
Die Dscherro standen anteilnahmslos herum.
Dieses Kosmonukleotid bereitete ihnen Angst.
So etwas Gewaltiges hatten sie noch nie gesehen.
»Dieser Ort ist verhext«, meinte Machmor
mit gebrochener Stimme.
Leticron verstand jetzt, warum Cau Thon
sich unbedingt mit ihm bei diesen Koordinaten
treffen wollte. Sicherlich sollte dieses Kosmonukleotid eine Rolle in den zukünftigen Plänen
von MODROR spielen.
»Eine Meldung kommt herein«, rief einer
der Dscherro.
»Sicherlich unser Auftraggeber«, sagte Taka
Kudon überzeugt.
Der Funkspruch wurde auf die Lautsprecher
gestellt. Die Stimme klang metallisch und sie
war in einer fremden Sprache. Die Translatoren konnten sie jedoch als Sprache der Sieben
Mächtigen identifizieren.
»Eindringlinge! Verlaßt sofort das System,
oder ihr werdet ohne weitere Vorwarnung ver-
Die Party des Jahrhunderts
D O R G O N
nichtet. Dies ist die letzte Warnung! Verlaßt den
Bereich von TRIICLE-3 oder sterbt!«
»Das war euer Auftraggeber?« fragte Aurec
zynisch.
Taka Kudon schüttelte mit dem Kopf. Er verstand das nicht. Auch Leticron schien beunruhigt zu sein. Diese Stimme gehörte nicht Cau
Thon.
»Es ist besser, wir kehren um, Taka Kudon!
Ich beschwöre euch«, sagte Aurec ernst. Auch
Nor’Citel alias Leticron war dafür. Etwas lief
nicht nach seinem Plan und er hielt es für besser, diese Warnung ernst zu nehmen.
Taka Kudon wußte nicht, was er tun sollte.
Er war sichtlich überfordert und schien auf Befehle von Leticron zu warten, doch dieser wollte
seine Identität nicht preisgeben.
Plötzlich explodierten zwei Dscherroraumer.
Dann weitere zwei, gefolgt von einem fünften. Wie aus dem nichts, trat ein diskusförmiges
Raumschiff in das System ein und schoß auf die
übrigen Schiffe.
Taka Kudon versuchte von der BAMBUS
243
aus, Befehle zu erteilen, doch wieder wurde ein
Raumer zerstört. Panik brach unter den Besatzungen aus.
»Fliegt zum Planeten!« befahl Leticron.
»Vielleicht sind wir in seinem Orbit sicher.«
Kudon folgte dem Befehl. Als sie den Orbit
erreicht hatten, hatten ihre zehn Begleitschiffe aufgehört zu existieren. Innerhalb von nur
drei Minuten waren die zehn Raumschiffe der
Dscherro vollständig vernichtet worden.
Plötzlich tauchte das fremde Schiff auch
vor der BAMBUS auf. Die Energiestrahlen
schwächten den Schutzschirm und nach vier
Salven brach dieser zusammen. Die BAMBUS
steuerte auf den Planeten zu, doch die Stabilisatoren und der Antrieb wurden schwer getroffen.
Wie ein Stein schmierte die BAMBUS ab und
schlug auf den Planeten auf.
Der fremde Raumer hatte seine Arbeit erledigt. Das kybernetische Wesen an Bord war zufrieden.
Evspor hatte alle Eindringlinge vernichtet.
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D O R G O N
Nils Hirseland
Heft 49
Auf Leben und Tod
Gestrandet im Nirgendwo - der aussichtslose Kampf von 5000 Lebewesen
von Nils Hirseland
Titelbild von Stefan Lechner
Auf Leben und Tod
D O R G O N
1.
Der Absturz
Der Planet Xamour war seit Jahrtausenden
verlassen. Kein Intelligenzwesen wohnte auf
der idyllischen Welt. Seit vielen Jahrtausenden
schon nicht mehr.
Nur Ruinen in der Wüste zeugten von der
Kultur, die einst diesen Himmelskörper bevölkerte.
Primitive Eingeborene und Tiere waren nun
die Herrscher der Wüstenwelt, die mit vielen
Oasen auf den 12 Kontinenten beschenkt wurde.
Affenähnliche Tiere schwangen sich von Ast
zu Ast, auf der Suche nach ein paar Früchten,
um ihren morgendlichen Hunger zu stillen.
Ein primitiver Jäger von humanoider Gestalt
schlich durch ein Gebüsch und nahm die Fährte
eines Gusur auf.
Gusuren waren antilopenähnliche Tiere mit
sehr zartem Fleisch. Der Primat Qwert hatte die
Witterung aufgenommen und suchte Deckung
vor den Augen des Gusur. Er nahm sein Speer
und zielte genau.
Innerlich freute er sich schon auf den wohlschmeckenden Braten und dem Respekt, den
ihm sein Stamm entgegenbringen würde, wenn
er die Beute ins Lager brachte.
Qwert war noch jung und unerfahren. Es war
seine erste große Prüfung.
Das Gusur stand an einem Bach, um seinen
Durst zu löschen. Plötzlich schreckte es hoch,
denn die Erde fing an zu erzittern. Die Tiere am
Bach wurden unruhig und liefen davon.
Qwert schrie vor Wut laut auf, denn das Gusur war ihm entkommen. Er kam aus seinem
Versteck hervor und rannte ebenfalls los, denn
er bekam Angst, daß er von einem umfallenden
Baum erschlagen wurde.
Qwert blickte in den Himmel und schrie vor
Angst. Die Sonne verfinsterte sich. Das riesige runde Monster fiel vom Himmel und brauste über ihn hinweg. Bei dem Anblick erstarrte Qwert in seiner Bewegung. War es ein Gott?
Ein Drache? Die Furcht vor dem Koloß war so
gewaltig, daß er ohnmächtig wurde.
Der stählerne Gigant wurde für einen kurz-
247
en Moment langsamer, gewann wieder etwas an
Höhe, dann schmierte er vollends ab. Auf dem
Boden angekommen, rutschte die Kugel weiter
und zog eine gewaltige Spur hinter sich.
Sie kam erst zum Stehen, als sie gegen
einen Berg rammte. Eine Lawine aus Geröll und
Schutt prasselte auf den stählernen Koloß.
Eine riesige Rauch- und Staubschwade erreichte das kleine Wäldchen und verursachte
einen Sandsturm, der die Flora und Fauna des
Planeten in Aufruhr versetzte.
Nur langsam kehrte wieder Ruhe auf den
Planeten ein.
2.
Tote und Überlebende
Alles ging so schrecklich schnell. Vor ein
paar Minuten hatte sich Jonathan Andrews noch
Sorgen um den Streit zwischen seiner Freundin Marya Jost und Jezzica Tazum gemacht.
Im nächsten Moment waren diese Probleme unwichtig, denn das Schiff wurde kräftig durchgeschüttelt und Panik brach an Bord aus.
Man spürte förmlich, wie die BAMBUS in
den Orbit des Planeten eintrat, die Stabilisatoren ausfielen und das Schiff wie ein Stein abschmierte.
Andrews schrie die Leute an, sich irgendwo
festzuhalten. Die Frage, warum es zu dieser Katastrophe kam, brannte in seinem Kopf, doch
zuerst galt es zu überleben.
Das Zittern des Schiffes während des Absturzes, die Minuten in Angst und die Gewißheit, daß jeden Moment alles vorbei sein konnte, lähmte viele der Geiseln und Dscherro in der
großen Halle.
Marya schrie immer wieder, sie wolle noch
nicht sterben und gab Jonathan die Schuld für
das ganze Desaster, da er sie mitgeschleppt hatte. Andrews hörte nicht auf die verletzenden
Worte, sondern versuchte seine Freundin zu beschützen, genauso wie Jezzica Tazum und alle
anderen Lebewesen in der Halle.
Eine weitere Explosion erschütterte das
Schiff. Einige der Gäste fingen zu schreien an.
Andrews klammerte sich an einem Geländer
fest und umarmte Marya. Ein Blick nach hin-
D O R G O N
248
ten gab ihm Gewißheit, daß sich auch Jezzica
am Geländer festhielt. Er betete, daß der Horror
bald vorbei sein würde.
Remus umklammerte Uthe und blickte besorgt zur wackelnden Decke. Der Druck im Magen wurde stärker und unerträglicher. Ein kurzes Stoppen der BAMBUS ließ die Gäste abermals aufschreien und einige durch den Raum
fliegen.
Anscheinend hatten die Antigravfelder den
Absturz etwas abgefedert.
Doch dann schlug die BAMBUS auf!
Die Decke gab teilweise nach und begrub
viele unter sich. Die Lichtanlage krachte laut
zu Boden und erschlug einige Lebewesen. Menschen, Blues, Topsider und Dscherro flogen wie
Federbälle durch den Raum. Überall wurden die
Kreaturen gegeneinander geschleudert.
Ein lautes Krachen der Gläser und des Geschirrs, das Geräusch des Umknickens der
Holzsäulen der Tresen und die verzweifelten
Schreie der Lebewesen verliehen der Szene
einen gespenstischen Ton.
Für einen kurzen Moment kehrte Ruhe ein,
dann stoppte die BAMBUS mit einem heftigen
Knall. Wieder flogen lebende Geschosse durch
die Gegend und prallten an die gegenüberliegende Wand.
Dann war der Horror vorbei. Es kehrte eine düstere Stille ein, die nur durch schwaches
Keuchen, Husten und Stöhnen der Überlebenden unterbrochen wurde.
3.
Die Minuten nach dem
Absturz
Als Aurec die Augen öffnete, sah er einige Blitze, die aus einer offenen Energieleitung
zuckten. Eine rote Notbeleuchtung war aktiviert und etliche Warnlampen blinkten auf den
Schaltkonsolen und an der Kontrollwand.
Bei dem Versuch aufzustehen, verspürte der
Saggittone einen stechenden Schmerz in der
Brust. Wahrscheinlich hatte er sich einige Rippen gebrochen. Doch er konnte sich glücklich
schätzen, daß sie überhaupt noch am Leben waren.
Nils Hirseland
Nur durch das rechtzeitige Aktivieren der
Antigravfelder, die den Aufprall gedämpft hatten, war der Tod der 5000 Geiseln und 900
Dscherro an Bord verhindert worden.
Dennoch, wie viele den Tod gefunden hatten,
vermochte Aurec nicht zu sagen. Zuerst blickte
er sich in der Kommandozentrale um.
Nor’Citel kam gerade zu sich und blickte
sich etwas verwirrt um. Aurec kümmerte sich
um den orientierungslos wirkenden Pariczaner,
der jedoch schnell wieder wußte, wo er war und
was passiert war.
Taka Kudon blutete am Arm, war aber sonst
unversehrt. Auch Vendor, der eine Wunde an
der Schläfe hatte, war am Leben.
»Machmor?« rief Kudon den Namen seines
Stellvertreters in den Raum.
Doch er bekam keine Antwort. Machmor lag
tot in einer Ecke. Sein Genick war gebrochen.
Und er war nicht der einzige Verlust. Zwei weitere Dscherros hatten in der Kommandozentrale
den Tod gefunden.
Sofort griff Vendor nach einem Strahler und
zielte auf Aurec.
»Wir sollten uns jetzt nicht bekriegen, sondern zusammenarbeiten«, erklärte Aurec energisch. »Wir wissen nicht, wer uns angegriffen
hat, doch eines steht fest! Der Angreifer hat
zehn eurer Schiffe ausradiert und auch dieses
Schiff attackiert. Er sieht in uns beiden Feinde.«
»Auch ich bin dafür, daß wir die Waffen niederlegen und zusammenarbeiten«, warf
Nor’Citel ein.
»Du hast uns gar nichts zu sagen«, brüllte
Vendor den Überschweren an, der nicht glauben
konnte, daß der Dscherro sich ihm widersetzte.
Entweder war Vendor so klug, daß er Leticron nicht enttarnen wollte, oder er hatte wirklich den Respekt vor dem Corun von Paricza
verloren.
Taka Kudon überlegte eine Weile. Er dachte
nach, dies fiel dem Gehörnten nicht sonderlich
leicht.
»Vendor, Aurec und Nor’Citel werden uns
unterstützen«, sprach der Anführer der Dscherro bedacht. »Vorläufig müssen wir zusammenarbeiten, um zu überleben. Zuerst finden wir
heraus, wer uns angegriffen hat, dann warten
wir auf Cau Thon.«
D O R G O N
Auf Leben und Tod
Vendor gefiel das nicht sonderlich, doch er
beugte sich dem Befehl. Hätte er nicht gehorcht,
hätte Leticron die Initiative übernommen und
den Dscherro suggestiv beeinflußt.
»Du suchst zuerst das Schiff nach Überlebenden ab. Mache jedoch den Galaktikern und
anderen Völkern klar, daß sie uns unter dem
Kommando der Dscherro zu helfen haben, verstanden?«
»Verstanden!« rief Vendor seinem Taka zu.
Die letzten Worte hatten den Dscherro wieder versöhnlicher gestimmt, denn er würde mit
Freude den anderen Wesen zeigen, daß die
Dscherro die Herren waren.
Vendor nahm vier Dscherro mit sich und
verließ die Kommandozentrale. Aurec bat, mitkommen zu dürfen, Kudon gestattete es ihm
und Leticron.
Der Taka selbst blieb in der Kommandozentrale und verabschiedete sich von seinem loyalen Freund Machmor.
*
Ein Loch war in der Decke, durch das Licht
und Sauerstoff eindrangen. Immerhin wußten
die Überlebenden nun, daß es eine Welt mit
atembarer Atmosphäre war und eine blaue sowie eine rote Sonne besaß, die Licht spendeten.
Jonathan Andrews spürte einen leichten
Schmerz im Knie. Ansonsten schienen seine
restlichen Körperteile noch intakt zu sein. Erleichtert atmete er auf und versuchte aufzustehen. Neben ihm lag Marya und regte sich nicht.
Besorgt beugte er sich über sie herüber und rüttelte sie wach. Die junge Terranerin war ziemlich benommen und blutete an der Stirn.
»Alles in Ordnung, Schatz?« fragte Jonathan
seine Freundin leise.
»Ja...« murmelte sie.
Behutsam half er ihr hoch und sah sich ihr
Wunde an der Stirn an, die jedoch nicht gefährlich zu sein schien.
»Master Mathew, lebst du noch?« hörte Andrews die Stimme des Posbis Lorif, der ebenfalls noch funktionierte.
»Ich kann so langsam diese blöde Frage von
dir nicht mehr hören. Es ist doch nicht unser er-
249
ster Absturz, oder?« raunte Wallace den Posbi
an, der eingeschnappt schwieg.
Auch Irwan Dove war wohl auf. Er hatte sich
zwar einen Arm angebrochen, doch der Oxtorner war hart im Nehmen.
Andrews sah sich um. Unzählige Leichen
lagen zerschmettert in den Ecken oder unter
Trümmern.
»Jezzica!« rief er aufgeregt, als er sah, wie
Kathy versuchte, einer blonde Terranerin hoch
zu helfen. Es war in der Tat Jezzica. Sie war einige Meter weit gegen den Tresen geschleudert
worden und fühlte sich dementsprechend.
Andrews lief zu ihr, legte ihren Arm um seine Schulter und half Tazum zum nächsten Sitzplatz.
Marya verschränkte die Arme und schüttelte nur mit dem Kopf. Lorif und Wallace stellten
sich neben ihr.
»Ach, Mathew! Ich bin ja so froh, daß du
lebst«, sagte sie überschwenglich und umarmte den Space-Jet Kommandanten, der gar nicht
wußte, wie ihm geschah.
»Jonathan ist ein Mistkerl, oder?« fragte sie
ihn.
»Ähm, also, na ja...« stotterte Wallace, der
von dieser Frage ebenso überrascht war wie von
der Umarmung.
»Seine Freundin, die er angeblich liebt, kann
ja verrecken. Hauptsache dieses blonde Gift in
ihren kurzen Klamotten«, fauchte die junge Terranerin eifersüchtig.
»Die beiden sind Freunde, und er kümmert
sich um alle Verletzten. Bei Jezzica macht er
keine Ausnahme«, wandte Wallace zur Verteidigung seines Freundes ein.
»Doch, sie behandelt er bevorzugt. Ich würde sie am liebsten den Dscherro übergeben, damit sie sie in Stücke hacken«, zeterte Marya wütend und lief dann weg, da sie den Anblick ihres
Freundes nicht mehr ertragen konnte.
*
Remus Scorbit erkundigte sich besorgt um
das Wohlergehen seiner Freundin. Ihr ging es
soweit gut. Auch Yasmin Weydner, Jaquine und
Anica waren noch am Leben. Jedoch kam jede
250
D O R G O N
Hilfe für Yasmins Freundin Ivon Abrinsky zu
spät.
Die kleine, dickliche Terranerin war von der
Lichtanlage erschlagen worden. Ein grausamer
Anblick bot sich Yasmin, die weinend zusammenbrach.
Uthe kümmerte sich sofort um ihre Freundin.
»Warum liegen denn die vielen Leute da herum? Und warum haben die denn alle Tomatensauce auf den Köpfen?« wollte Anica wissen.
Sie schien den Ernst der Lage nicht recht
zu verstehen. Jaquine wollte es ihr auch nicht
erklären. Sie litt noch unter Verlust von ihrem
Freund Nikto, der brutal von den Dscherro zu
Tode gequält wurde.
»Sie sind tot, Anica! Verstehst du? Sie sind
alle tot«, entgegnete Remus ruhig und besonnen.
Sicherlich war die Wahl seiner Worte nicht
taktvoll, doch sie waren für Anica verständlich.
Sie fing sofort an zu weinen.
Remus drückte die kleine Zechonin an sich
und versuchte sie zu trösten. Diese bedrückende Stimmung fand sich in der ganzen Halle.
Jeder hatte Angst und trauerte um die Toten.
Die jugendlichen Partygänger mußten mit einem Schlag erwachsen werden und der Gefahr
ins Auge blicken. Viele konnten das nicht, denn
sie waren in einer relativ friedlichen Zeit aufgewachsen und wirkten auf Remus schon fast
dekadent.
Trotzdem mußte man ihnen gerade in dieser
Situation helfen, ermahnte er sich selbst. Zuerst
versuchte Scorbit sich einen Überblick über die
Verluste zu machen, doch das war schier unmöglich.
Es mußten hunderte sein, die während des
Absturzes ihr Leben ließen. Alleine in dieser
Halle waren die Verluste sehr hoch, er wußte
nicht, wieviel Tote es auf dem ganzen Schiff
gab.
»Vatichen«, schrie eine alte Frau aufgeregt.
Natürlich erkannte Remus die Stimme sofort. Er drückte Anica behutsam von sich und
gab ihr ein Taschentuch. Er mußte sie wie ein
kleines Kind behandeln.
Neugierig blickte er zu den Braunhauers.
Karl-Adolf lag auf einer Trage. Die Dscherro
Nils Hirseland
hatten den Galaktikern endlich gestattet, sich
nun medizinisch zu versorgen.
Langsam ging Remus zu den Braunhauers.
Auch Inge Bohmar war dort. Sie sprach mit ihrem imaginären Hund Bandit.
Scorbit erschrak, als er Karl-Adolf sah. Er
war völlig gelb im Gesicht und wirkte eingefallen und ausgemergelt. Seine Augen starrten an
die Decke und sein Atem ging schwer. Braunhauer hatte zwar den Absturz überlebt, doch
er war schwer verwundet. Die Hepatitis mußte schleunigst behandelt werden, was im Normalfall auch kein Problem darstellte, doch die
medizinischen Voraussetzungen auf dem Wrack
waren nicht sonderlich gut.
»Vatichen, was guckst du denn so dumm?«
wollte Ottilie wissen und spielte damit auf seinen starren Blick an.
Remus fand diese Bemerkung taktlos. Anscheinend bemerkte sie nicht, wie schlecht es
ihrem Ehemann ging. Zwar konnte Remus die
Braunhauers nicht sonderlich leiden, doch er
hatte ihnen nie den Tod gewünscht. Zumindest
nie ernsthaft.
4.
Was nun?
Nach etwa zwei Stunden ließ sich das Ausmaß der Katastrophe etwas genauer bestimmen.
Aurec und Nor’Citel hatten sich um die Zählungen gekümmert.
Es war katastrophal. Zwei untere Decks waren förmlich weggesprengt. Dort fanden die
Rettungsteams nur noch zerschmolzenes Metall
und verkohlte Leichen.
Die Anzahl der Opfer mußte bei 600 Passagieren und etwa 400 Dscherro liegen. Demnach
lebten noch 4500 der Passagiere und knapp 500
Dscherro.
Ein ungleiches Verhältnis, doch die Dscherro
hatten immer noch die Waffengewalt und zeigten deutlich, daß sie die Herren waren.
Aurec, Jonathan Andrews und Nor’Citel
wurden als Sprecher für die Geiseln eingesetzt.
Vendor wurde als neuer Stellvertreter von Taka
Kudon ernannt.
Auf Leben und Tod
D O R G O N
Die fünf saßen in einem Besprechungsraum
und debattierten über ihre weitere Vorgehensweise. Lorif wurde als technischer Berater eingeladen.
»Nun, abschließend möchte ich noch einmal
zusammenfassend sagen, daß die BAMBUS unter keinen Umständen mehr starten kann. Der
Metagravantrieb ist nicht mehr zu reparieren.
Die Hyperfunkanlage ist noch zu benutzen, jedoch stellt sich die Frage, ob es ratsam ist, sie
in Anbetracht eines unbekannten Gegners, der
sich sicher immer noch in diesem System aufhält, zu benutzen.
Des weiteren möchte ich Sie über den inneren Zustand des Schiffes informieren. Die einzige Medostation ist vollständig zerstört. Nur wenige Medikamente und Verbandsmittel konnten gerettet werden. Ein Großteil der Vorräte ist
ebenfalls vernichtet.
Ich empfehle, die BAMBUS zu evakuiert, da
defekte Schaltkreise noch immer zu Bränden
führen könnten.
Danke, meine Herren!«
Jeder ließ die Worte Lorifs auf sich wirken.
Vendor verstand sie sowieso nicht, dafür Leticron, der indirekt Taka Kudon lenkte.
»Danke Lorif«, begann Aurec. »Wir sollten
ein Lager bauen. Ihre Erkundungstrupps, Taka,
haben herausgefunden, daß hinter dem Gebirge
ein Urwald ist. Dort könnten wir Nahrung und
Wasser besorgen. Das Camp sollten wir zwischen dem Wrack der BAMBUS und dem Berg
aufschlagen, es dürfte so einen guten Schutz
bieten.«
Der Anführer der Dscherro blickte Leticron
fragend an, der zustimmend nickte. Dann hielt
er Augenkontakt zu Vendor, dessen Mundwinkel vor Erregung zuckten.
»Was meinst du, mein Stellvertreter?« fragte
Kudon unsicher nach.
»Ich halte nichts davon, daß Menschen uns
Ratschläge oder Befehle erteilen. Doch ihre
Worte sind nicht dumm. Wir sollten die restlichen 4500 zum Bau des Lagers einsetzen, bewacht vom Großteil der Dscherro, während der
Rest von uns auf die Jagd nach Fleisch gehen.«
Kudon stimmte den Worten Vendors zu.
»Das heißt, die Dscherro drehen Däumchen,
während die Geiseln schuften?« wollte An-
251
drews wütend wissen.
»Bitte bedenkt, daß von den überlebenden
Passagieren etwa ein Drittel verletzt ist«, wandte Aurec ruhig ein.
Leticron hielt sich zurück. Die Situation war
ihm etwas aus der Hand geraten. Schuld war
der unbekannte Angreifer. Sicherlich war dieser
ominöse Aggressor nicht Cau Thon. Das machte die Situation gefährlicher. Die Terraner waren gute Kämpfer und zur Not mußte sich Leticron des Saggittonen Aurec bedienen, um mit
heiler Haut wieder nach Cartwheel zurückkehren zu können.
Taka Kudon dachte jedoch nicht soweit.
»Wer verletzt ist, verrichtet leicht Arbeiten.
Der Aufbau des Lagers soll sofort beginnen«,
erklang die kräftige Stimme des Takas.
»Vendor, du wirst die Dscherro auswählen,
welche die Bewachung übernehmen«, befahl er.
»Urucks wird die Aufsicht übernehmen, während du mit deinen Leuten auf die Jagd gehst.«
»Nein, Herr. Ich bin ein besserer Aufseher
und würde lieber das Lager aufbauen, als harmlose Tiere zu jagen. Die Ungehörnten sind gefährlich, auch in Gefangenschaft! Man muß auf
sie aufpassen, sonst werden sie uns vernichten«,
erklärte Vendor und widersprach damit seinem
Taka, der jedoch diese Anmaßung durchgehen
ließ.
»So sei es!« sprach er. Vendor machte sich
sofort an die Arbeit. Zusammen mit Taka Kudon verließ er den Konferenzraum.
Aurec, Andrews und Nor’Citel blickten sich
schweigend an. Jeder von ihnen wußte, daß sie
sich in einer schwierigen Situation befanden.
Doch nur Leticron mußte die Dscherro nicht
fürchten und hatte die Hoffnung, daß Cau Thon
bald erscheinen würde.
*
»Los, raus hier!« brüllten die Dscherro und
scheuchten die Gefangenen wie Vieh aus den
Hallen.
Auf die Verletzten wurde wenig Rücksicht
genommen. Sie wurden mitgestoßen. Wer nicht
spurte, bekam Schläge mit einer Energiepeitsche.
252
D O R G O N
Vendor genoß die neue Macht, die er jetzt
hatte. Er war der Herr über Leben und Tod. Ein
wunderbares Gefühl.
»Herr, einige alte Menschen und Verwundete weigern sich«, sagte ein Soldat.
Der Gehörnte brachte seinen Vorgesetzten
sofort zu der Stelle.
Dort standen Werner Niesewitz, Reinhard
Katschmarek und Peter Roehk. Hinter ihnen
standen Ferby H., Reiko, Dykkar, Darvors, Krizoff und DJ Abfallhaufen.
»Wir protestieren!« rief Werner Niesewitz
und hob bedrohlich den Arm. Vendor mußte bei
dem Anblick lachen.
»Wir sind sehr wichtige Persönlichkeiten
und die Besitzer dieses Raumschiffes. Wir verlangen eine bessere Behandlung, genauso wie
Aurec«, forderte Peter Roehk.
Vendor sah sich die Gestalten an.
»Aurec wird auch mitarbeiten«, antwortete
er knapp.
Dann blickte er Darvos an und war von dem
Körperbau sehr angetan. Es würde sicherlich einer Herausforderung sein, gegen ihn anzutreten.
»Außerdem bin ich verwundet«, erklärte
Dykkar und zeigte eine Fleischwunde am Arm.
Nun kamen auch Jezzica Tazum, Kathy, Yan
Cruze, Francy und der Tresenmann Stony hinzu.
Auch Jonathan Andrews war nicht weit
und beobachtete mit Interesse den Versuch
des BAMBUS-Teams, sich vor der Arbeit zu
drücken. Er hoffte wenigstens, daß die Alten
und Verwundeten wirklich verschont blieben.
»Hey Mann, es ist uncool zu arbeiten. Ich bin
ein Spitzendiscjockey im Universum. Da kannst
du fetter Eber nicht einfach so kommen und mir
etwas sagen«, wandte DJ Abfallhaufen ein.
Vendor musterte ihn. Dann fing er an zu
schreien. DJ Abfallhaufen hatte den Dscherro
provoziert und damit einen schweren Fehler begangen.
Vendor packte Abfallhaufen am Hals und
hob ihn hoch. Der Terraner strampelte wild mit
den Beinen und versuchte sich aus der Umklammerung zu befreien. Darvos wollte eingreifen, doch die Dscherro richteten die Waffen auf
ihn.
Schaum und Speichel lief aus Vendors
Nils Hirseland
Mund. Die Muskeln und Nerven zuckten auf
dem angespannten Körper.
»Hey du Freak, laß unseren Kumpel los«,
forderte Dykkar.
Er ging zu Vendor und legte seine Hand auf
dessen Schulter.
»Junge, laß uns einen Trinken, eine Frau
mißbrauchen und unseren Spaß haben, okay?«
versuchte Dykkar den Gehörnten zu besänftigen, doch Vendor hielt Krizan Zchmitt immer
noch hoch und drückte ihm die Luft ab.
Dykkar lief der Schweiß von der Stirn.
»Okay, keine Frauen. Wie sieht es mit Kühen, toten Hunden oder Mistkäfern aus? Hey,
egal mit wem du es machen willst, ich besorge
es dir. Laß nur den Kleinen los...«
Endlich ließ Vendor den Terraner los.
Dykkar atmete erleichtert auf und schlug
freundschaftlich auf Vendors Schulter, der wie
ein wilder Stier schnaubte.
»Ich glaube, wir können noch Freunde werden, Junge«, sagte Dykkar freundlich und
wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß
von der Stirn.
Doch plötzlich schwang der Dscherro seine
Axt und schlug Dykkar den Arm ab.
Andrews konnte nicht fassen, was dort passierte. Er rannte zu dem schreienden Terraner
und trat gegen Vendors Axt, als dieser ein zweites Mal ausholen wollte.
Ferby H. und Reiko taten nichts. Ihr eigenes Leben war ihnen offensichtlich wichtiger
als das ihres Freundes Dykkar.
Darvos wollte wieder eingreifen, doch einige
andere Dscherro machten ihm unmißverständlich klar, daß er sterben würde, sollte er sich
einmischen.
Wütend schlug der Dscherro auf Andrews
ein, der nach drei Hieben zusammenbrach. Jezzica stürmte zu ihm und warf sich schützend vor
ihn.
Vendor ließ von Andrews und Jezzica ab.
Statt dessen holte er erneut aus und enthauptete Dykkar. Er hob seinen Kopf hoch und schrie
laut: »Koscha Dscherro!«
Wieder hatte er dieses Gefühl der Macht. Ein
Adrenalinstoß durchschoß seinen Körper, der
ihn in eine Extase versetzte.
D O R G O N
Auf Leben und Tod
Er wollte mehr töten. Mehr Leben beherrschen. Jezzica Tazum und Andrews schenkte er
das Leben, dafür tötete er Dykkar. Das war für
Vendor Macht!
Kathy Scolar wurde bleich und mußte sich
übergeben.
DJ Abfallhaufen kroch hinter Darvos und
suchte Schutz. Verächtlich blickte Franczy zu
dem DJ, der in seinen Augen ein Feigling war.
Francy mußte sich zusammenreißen, um nicht
auf Vendor loszugehen, doch seine Chancen
mit einem Sieg davonzukommen, waren gering.
Langsam beruhigte sich Vendor wieder.
Der Gehörnte schnaubte laut, Schweißperlen
rannen ihm von der Stirn, und der Speichel lief
dem Dscherro über das Kinn.
»So behandeln wir alle Verwundeten, die
nicht arbeiten wollen«, sprach Vendor langsam
und deutlich, so daß jeder es verstand.
Die schwarzen Augen des Dscherro starrten
in die blauen Augen von Jonathan Andrews,
der den sinnlosen Tod von Dykkar nicht fassen
konnte. Mehr und mehr entwickelte sich diese
Entführung zu einem der schlimmsten Horrortrips, gegen den selbst der Kampf gegen den
Zweitkonditionierten auf der Asteroidenstation
ein angenehmes Abenteuer gewesen war.
Vendor ging langsam wieder zu den anderen
Dscherro und trieb die Passagiere nach draußen,
um mit dem Bau des Lagers zu beginnen.
Katschmarek, Niesewitz und Roehk sahen
sich entgeistert an und beschlossen, lieber den
Befehlen der Dscherro Folge zu leisten, da sie
nicht wie Dykkar enden wollten.
»Darvos, du bleibst immer in unserer Nähe,
verstanden?«
»Ja, Werner.«
*
Neve Prometh kümmerte sich um den verletzten Roppert Nakkhole, der sich das Knie
ausgerenkt hatte. Zusammen mit Anya Guuze,
Krizan Bulrich und Sylke Stabum bildeten sie
eine kleine Gruppe.
Sylke und Anya wurden von den Dscherro zum Kochen eingeteilt, während Neve die
Krankenpflege übernehmen sollte. Krizan Bul-
253
rich und Roppert Nakkhole – sobald er wieder
arbeitsfähig war – sollten bei der Errichtung des
Lagers helfen.
»Ich verstehe das alles nicht, warum tun die
das?« wollte Roppert wissen.
»Leider weiß ich auch keine Antwort darauf«, gestand Neve ein.
Immer wieder versuchte sie, Aurec irgendwo zu entdecken. Allerdings waren ihre Bemühungen bisher vergeblich. Sie hatte Angst, daß
ihm etwas zugestoßen war. So sehr hatte sie ihn
während der kurzen Zeit bereits ins Herz geschlossen.
Sie mußte kurz bitter auflachen. Ihr war die
Zuneigung Aurecs gegenüber Anya nicht entgangen, doch die arrogante Schönheit hatte nur
Augen für ihren Raumhafenpenner Krizan Bulrich gehabt. Sie hatte das Verhalten von Aurec
nicht bemerkt, oder wenn sie es registriert hatte,
dann wollte sie es ignorieren.
Neve würde nicht so handeln. Aurec war in
ihren Augen ein Ehrenmann, der tapfer, mutig,
charmant, witzig, intelligent und dazu noch gutaussehend war.
Neve war sich gar nicht bewußt, wie sehr
sie von dem Saggittonen schwärmte. Sie hörte nicht einmal mehr Roppert zu. Erst als sie
glaubte das Wort Aurec zu hören, blickte sie fragend Nakkhole an.
»Hast du was von Aurec gesagt?«
»Ja, er ist da hinten«, erklärte Roppert
Nakkhole und deutete auf eine kleine Traube
von Menschen. Sie erkannte dort zwei Dscherro, Siddus und Aurec.
Er lebt, schoß es ihr erleichtert durch den
Kopf.
»Warte hier«, sagte sie zu Roppert, der sowieso nicht weglaufen konnte und eilte zu dem
Saggittonen.
Er stand vor Taka Kudon, hatte die Arme vor
dem Bauch verschränkt und verhandelte über
eine bessere Behandlung der Arbeiter.
»Hallo«, sagte sie kleinlaut.
Die vier drehten sich um. Aurec schenkte
Neve Prometh ein Lächeln. Leticron verzog keine Miene. Natürlich konnte er sich an Neve Prometh erinnern. Sie hatte ihm damals unangenehme Fragen gestellt.
254
D O R G O N
»Hallo Neve, ich bin froh, zu sehen daß es
Ihnen gut geht«, sprach Aurec mit einem Lächeln, das Neves Herz höher schlagen ließ.
»Danke«, brachte sie nur hervor.
»Wir sind nicht hier, um einen Kaffeeklatsch
abzuhalten. Was willst du?« herrschte Leticron
sie an.
»Wie immer sehr charmant, Siddus!« konterte Neve. »Jedoch kannst du mich nicht einschüchtern. Wir sitzen alle im selben Boot.
Auch du hast keine besseren Karten.«
Leticron lachte innerlich. Wenn sie wüßte,
wie unrecht sie doch hatte. Doch er spielte das
Spiel mit.
»Nun, wo sind Sie, oder darf ich du sagen?«
wollte Aurec wissen.
»Ja!«
»Na gut, wo bist du untergebracht? Wirst du
gut versorgt?«
Neve schüttelte den Kopf.
»Ich bin im Krankenlager. Die Zustände
sind katastrophal. Wir haben quasi keine Medikamente und auch kaum Verbandsmaterial.
Doch im Gegenzug gibt es knapp dreihundert Schwerverletzte, die dringend medizinische Versorgung benötigen.
Die Dscherro geben uns auch kaum Essen
und Wasser. Nicht einmal Alkohol, um Wunden zu desinfizieren«, erklärte die Terranerin,
die mit Medizin eigentlich wenig am Hut hatte,
doch der gesunde Menschenverstand sagte ihr,
was die Kranken dringend benötigten.
Fragend blickte Aurec Taka Kudon an.
»Verwundete sind keine Hilfe, sondern nur
eine Belastung. Je eher sie sterben, desto besser«, antwortete er gleichgültig.
»Die Tatsache, daß Sie ein Mörder sind,
scheint Ihnen wenig auszumachen«, konterte
Aurec. »Jedoch läßt die Motivation der Geiseln
nach, wenn ihre Angehörigen sterben. So haben
wir keine Chance, zu überleben.«
»Die Motivation für die Arbeiter wird ihr Leben sein. Denn wer nicht arbeitet, wird erschossen!« brüllte Taka Kudon aufgeregt.
»Und bei ihr fangen wir an«, fauchte Vendor
und packte Neve Prometh am Arm, die schreiend versuchte, sich zu wehren.
Der Dscherro nahm einen Dolch und hielt
ihn ihr an die Kehle.
Nils Hirseland
»Nein!« schrie Aurec und warf sich auf den
Dscherro, der den Dolch fallen ließ. Wütend
schlug Vendor auf Aurec ein, bis Taka Kudon
einschritt.
»Es reicht, macht euch wieder an die Arbeit«, befahl der Anführer der Dscherro und
verließ den Ort des Geschehens.
Zurück blieb ein wütender Vendor, dem wieder Schaum vor dem Mund hing.
»Dich werde ich auch noch töten«, sagte er
zu Aurec, der benommen am Boden lag.
Neve beugte sich über ihn und nahm seinen
Kopf auf ihren Schoß. Behutsam streichelte sie
seinen Kopf. Tränen flossen ihr über das Gesicht, ihre Angst vor Vendor war unbeschreiblich.
»Ich töte euch! Ich töte euch alle! Habt ihr
das gehört? Ihr seid alle tot! Tot!!!« brüllte der
Dscherro in die Menge.
Leticron schüttelte den Kopf. Er wußte nicht,
wie lange es noch dauern würde, bis diese
tickende Dscherrobombe explodieren würde.
Vendor war für alle gefährlich, selbst für Leticron, denn dieser Dscherro hatte vor nichts
und niemand Respekt. Er war eine einzige primitive Tötungsmaschine.
Verächtlich blickte Leticron zu Aurec, der
von Neve versorgt wurde.
»So können sie die Dscherro wirklich beeindrucken, Aurec«, sprach Leticron voller Spott
und blickte Neve Prometh kalt an.
»Ich hätte nicht gedacht, daß wir uns noch
einmal wiedertreffen. Wo ist denn Anya Guuze
abgeblieben? Die große Flamme meines alten
Egos?«
»In der Küche. Sie und Sylke sollen für die
Dscherro kochen.«
»Schade, ich dachte, sie seien schon tot«,
entgegnete Leticron kühl.
Aurec war noch immer benommen und bekam das Gespräch gar nicht richtig mit.
»Bist du immer noch darauf aus, Perry Rhodan zu vernichten?« wollte Neve wissen.
Leticron lächelte.
»Aber, aber. Wann soll ich denn so etwas
gesagt haben? Du mußt auf der Feier betrunken gewesen sein und dir das eingebildet haben. Perry und ich sind alte Freunde. Sehr alte
Freunde.«
D O R G O N
Auf Leben und Tod
Mit diesen Worte verabschiedete sich Leticron von den beiden. Er beschloß, in das Wrack
zu gehen, um sich etwas auszuruhen. Keiner der
Dscherro wagte es, ihn aufzuhalten.
Neve fuhr sanft durch Aurecs Haare, der
langsam wieder zu Besinnung kam. Ganz so unwohl fühlte er sich in der Position nicht, doch
im Moment mußte er sich um das Wohl der Geiseln kümmern.
Langsam rappelte er sich auf. Neve half ihm
dabei so gut es ging. Als der Saggittone wieder
fest mit beiden Beinen auf dem Boden stand,
blickten die Zwei sich für einen Moment tief in
die Augen.
»Danke«, sagte Aurec.
»Ich danke auch.«
Plötzlich brach ein Tumult aus. Die Dscherro starrten fassungslos in den Himmel und auch
die Geiseln sahen staunend nach oben.
Ein Raumschiff! Es war diskusförmig und
verschwand hinter dem Dschungel. Aurec erkannte das Raumschiff.
Es gehörte dem unbekannten Angreifer. So
schnell er konnte, rannte er zu Taka Kudon.
Plötzlich stoppte er und sah zu Neve zurück.
»Gehe zu Jonathan Andrews oder Mathew
Wallace. Ich möchte, daß du nicht schutzlos hier
bist«, bat er sie. Es war jedoch mehr ein Befehl
als eine Bitte, denn der Saggittone war um das
Wohlergehen der Terranerin besorgt.
*
»Habt Ihr das Schiff gesehen?«
Aurec war außer Atem. So schnell ihn seine
Beine getragen hatten, war er zu Taka Kudon
geeilt, der auch den Diskusraumer gesehen hatte.
»Ja, der Feind!« stellte er bitter fest und
brüllte: »Vendor! Die Jäger sollen ausschwärmen und nach dem Raumschiff suchen. Ich will
den Feind tot sehen!«
Seiner rechten Hand war es ein Vergnügen,
den Befehl auszuführen. Zweihundert Dscherro machten sich zu einer groß angelegten Suche bereit. Sie bewaffneten sich und nahm einige Geiseln als Köder für den Aggressor.
Aurec konnte nichts machen. Er flehte Ta-
255
ka Kudon an, sie zu verschonen, doch Gnade
war dem habgierigen und brutalen Gehörnten
ein Fremdwort.
Urucks hatte den Befehl über die Einheiten,
die sich aufteilten, um den Dschungel zu durchkämmen.
Aurec atmete tief durch und bedauerte das
Schicksal der 50 Terraner. Er hoffte, sie würden
lebendig wieder in das Lager zurückkehren, das
immer mehr Form annahm.
5.
Das Lager
Die Errichtung des Lagers kam gut voran. Die Dscherro gaben dem Wort Sklaventreiber eine neue Definition. Die gesunden Geiseln
mußten Tag und Nacht schuften bis das Grundgerüst des Camps stand.
Das Wrack der BAMBUS wurde vollständig
ausgeschlachtet, um das Lager zu errichten.
Ein Graben wurde ausgehoben und ein energetischer Zaun wurde um das knapp neunhundert Meter durchmessende Lager errichtet. Dann kamen sporadische Wachtürme, die
Unterkünfte der Dscherros, Stromgeneratoren,
Funkanlage, eine Medo- und Wissenschaftsstation und –nochmals eingezäunt – die Unterkünfte der Geiseln.
Aurec ging in die Wissenschaftsstation, um
mit Lorif Kontakt aufzunehmen. Der Posbi
saß mit Wallace und Dove unter Aufsicht der
Dscherro an den Hyperkomanlagen und versuchte, sie zu reparieren.
»Erfolge?« wollte der Saggittone wissen.
»Nein, die Hyperkomanlage ist vollständig
zerstört. Ich hatte mich geirrt, sie ist nicht mehr
zu reparieren«, erläuterte der Posbi.
Dabei fuhr er immer ein Augenlied herunter,
was reichlich komisch aussah. Aurec wußte es
nicht richtig zu deuten.
»Am liebsten würde ich Mankind eine Nachricht schicken, aber das ist unmöglich«, meinte
Lorif und zwinkerte wieder mit dem Auge beziehungsweise fuhr das elektronische Augenlid
herunter und wieder hoch.
»Stimmt was nicht mit der Optik?« fragte
Aurec verwirrt.
D O R G O N
256
»Doch, doch alles in Ordnung, Sir. Das Hyperkomgerät ist defekt.«
»Das sagtest du schon.«
»Ich muß mal eine Rauchen. Komm mal bitte mit«, forderte Mathew Wallace den Saggittonen auf, der noch immer nicht ganz den Sinn
von Lorifs Gebärden verstanden hatte.
An der frischen Luft waren sie ungestört und
unbeobachtet.
»Lorif wollte dir zuzwinkern«, erklärte Wallace.
»Der Posbi hat wirklich einen Schaden«,
meinte Aurec nur.
»Das Hyperkomgerät funktioniert. Wir wollen lediglich den Dscherro das Gegenteil einreden. Wir haben bereits einen Funkspruch mit
unseren Koordinaten losgeschickt. Hoffentlich
hört ihn jemand.«
Aurec nickte erleichtert. Dann begriff er, daß
sie vielleicht einen Fehler gemacht hatten.
»Mit dem Funkspruch habt ihr auch unseren
Angreifer angelockt«, vermutete der Saggittone
ernst.
»Wir hatten keine andere Wahl«, versuchte
sich Wallace zu verteidigen.
»Ich weiß. Die Dscherro bringen uns noch
alle um. Wir müssen etwas unternehmen. Die
Chancen stehen nicht sonderlich gut. Wir müssen hoffen, daß unsere Freunde vor Kudons
Auftraggeber hier sind. Bis dahin müssen wir
uns vor den Dscherro und dem unbekannten
Angreifer schützen.«
Wallace nahm einen kräftigen Zug an der Zigarette.
»Wenn es weiter nichts ist...«
*
Darvos erledigte die Arbeit für fünf Personen. Nicht nur seine eigene, sondern auch die
von Roehk, Niesewitz, Ferby und Katschmarek,
die so taten, als würden sie den Aufbau organisieren, die naiven Dscherro kauften ihnen das
sogar ab.
Taka Kudon ernannte die drei ehemaligen Inhaber der BAMBUS neben Aurec zu den Organisatoren auf der Seite der Geiseln.
Nils Hirseland
Als ihre Stellvertreter wurden Ferby und
Reiko genannt.
Sie sollten für den ordentlichen Ablauf der
Arbeit sowie für eine Motivation der Gefangenen sorgen.
Reiko scheuchte die Geiseln durch die Gegend und benahm sich besonders unfreundlich.
Auf dieser Weise versuchte der Plophoser bei
den Dscherros Eindruck zu schinden. Damit
verband er die Hoffnung, von ihnen verschont
zu werden.
»Nun mach’ mal etwas schneller, Darvos!«
befahl Reini. »Sonst werden die Dscherro nicht
mehr so gut auf uns zu sprechen sein.«
Yan Cruze war eine Art persönlicher Diener
der drei Inhaber. Er begleitete sie auf Schritt
und Tritt und erfüllte ihnen ihre Wünsche. Cruze litt unter dem Mangel an Essen. Er was ausgehungert und unausstehlich.
Er traute sich allerdings nicht, etwas zu sagen. Lieber akzeptierte er sein Los. Dumm
war Cruze nicht, denn bei der Nahrungsausgabe brachte er das Essen zu den Kranken. Dabei
aß er von deren Rationen, so daß diese weniger
hatten und er einen vollen Bauch.
Jetzt war er beschäftigt, Reini Katschmarek
eine Flasche Bier zu öffnen. Katschmarek beobachtete Darvos beim Aufbauen der Hauswand.
»Ich bin schließlich Maurer und weiß, wie
man so ein Lager baut«, sagte er erklärend und
nahm einen kräftigen Schluck von dem blonden
Getränk. Anschließend rülpste er herzhaft und
seufzte danach.
Peter Roehk war mehr damit beschäftigt, Kathy Scolar anzustarren. Die brütende Hitze des
Planeten und die harte Arbeit brachten die junge
Terranerin zum Schwitzen, so daß sie sich etwas
frei machte. Genügend körperbetonte und knappe Sachen hatten die Tresendamen der BAMBUS ja gehabt, denn auch in den Hallen waren
die Temperaturen sehr hoch gewesen.
Die rotblauen Sonnenstrahlen glühten regelrecht auf der Haut eines Menschen.
Peter Roehk starrte auf das Gesäß und die
Brüste der Brünetten und stellte sich in seiner
schmutzigen Phantasie eine heiße Nacht mit ihr
vor.
Werner Niesewitz hingegen spielte wirklich
den Aufseher und gab überall Anweisungen,
Auf Leben und Tod
D O R G O N
um die Arbeit zu forcieren.
Kathy war noch reichlich angeschlagen, da
ihr Oberschenkel aufgrund der Verbrennungen
noch immer schmerzte. Die Dscherro hatten ihr
gestattet, ein Schmerzmittel zu nehmen und immerhin war die Wunde desinfiziert, jedoch nicht
fachgerecht behandelt worden. Sie hoffte, daß
keine Narben zurückbleiben würden.
Peter ging zu Reini und flüsterte ihm etwas
ins Ohr.
»Hey, Kathy! Da unten liegt etwas«, rief er
seiner ehemaligen Angestellten zu und deutete mit dem Finger auf den Boden. Sie bückte
sich und wühlte im Sand nach dem, was Roehk
meinte.
Dort war jedoch nichts. Vielmehr gewährte sie so unfreiwillig einen größeren Einblick
in ihren Ausschnitt, sehr zur Freude von Reini Katschmarek und Peter Roehk, die amüsiert
kicherten und ihre Biere leerten.
Kathy warf ihnen einen finsteren Blick, entschied sich jedoch nichts zu unternehmen, da
sie kein Aufsehen erregen wollte.
Sie seufzte laut und machte sich wieder daran, ihren Teil des Zaunes fertig zu stellen. Plötzlich stand eine alte Frau mit aufgedunsenem
Gesicht vor ihr. Kathy bekam einen Schreck
und schrie kurz auf.
»Haben Sie Werner gesehen?« fragte die
Frau.
»Dort«, sagte Kathy und zeigte auf Niesewitz.
»Nicht der Werner. Mein Werner«, entgegnete die Frau giftig.
Kathy wußte nun, was Bohmar meinte.
Sie hatte den Vorfall kurz vor dem Start der
BAMBUS nicht vergessen. Anscheinend hatte
es Inge Bohmar selbst wohl vergessen, da sie
ziemlich freundlich zu Kathy war.
Ȁhm, nein. Ich habe ihren Werner nicht
gesehen. Entschuldigung«, meinte Kathy und
wollte weiter arbeiten.
Inge Bohmar packte sie an der Hand.
»Das tut weh«, beschwerte sich Kathy mit
schmerzverzerrtem Gesicht. Die alte Terranerin
war noch ziemlich rüstig.
»Junges Fräulein, ich war in der Bund der
Mädel für die Herren der Straße«, fletschte Inge
Bohmar. »Mit mir treibt man besser keine Spä-
257
ße. Du weißt doch wo Werner ist. Gibt es zu, du
hast ihn verführt!«
Mist, sie weiß es doch, dachte Kathy belustigt.
Langsam bekam die Terranerin es allerdings
doch mit der Angst zu tun. Sie wußte nicht, wie
sie mit der Geisteskranken umgehen sollte.
»Nein, habe ich nicht«, versuchte sie sich zu
verteidigen.
Inge blickte ihr tief in die Augen. Kathy erkannte darin Wahnsinn und Bösartigkeit. Dann
ließ die Terranerin plötzlich los und stapfte davon. Kathy sank geschockt auf den Boden und
vergrub das Gesicht zwischen ihre Hände.
*
»Hunger... Hunger... Hunger...«
Das waren die schwachen Worte von KarlAdolf Braunhauer, der im Feldlazarett auf einer
Bahre lag und vor sich hin vegetierte. Die Gelbsucht hatte sich noch verschlimmert und sein
körperlicher Zustand verschlechterte sich zusehends.
Lorif kümmerte sich um die Verwundeten.
Es gab keinen Arzt auf der BAMBUS mehr. Der
Posbi hatte Karl-Adolf untersucht und war zu
einem unerfreulichen Befund gekommen.
Ottilie Braunhauer, Inge Bohmar, Reinhard
Katschmarek und Werner Niesewitz hatten sich
versammelt, um zu hören, was mit Karl-Adolf
nicht stimmte.
»Na, was hat mein liebes Männlein denn?«
wollte Ottilie wissen.
»Halt die Klappe und laß den Doktor ausreden, du blöde Kuh«, herrschte Karl-Adolf, der
trotz seiner Krankheit immer noch seinen spröden Charme besaß.
»Nun, es tut mir leid, aber ihr Mann leidet an
Leberkrebs, Lernerzerrose, Hepatitis und Nierenkrebs. Zudem kommen zwei Herzattacken,
diverse Knochenbrüche und ein Virus, den er
sich hier eingefangen hat, hinzu. Bei den momentanen medizinischen Möglichkeiten, wird
er wahrscheinlich innerhalb der nächsten Tage
sterben.«
Ottilie Braunhauer fing an zu schreien. Auch
Karl-Adolf konnte nicht glauben, was Lorif da
D O R G O N
258
eben gesagt hatte. Er fing bitterlich an zu weinen.
»Wie kannst du nur so schonungslos sein, du
Blechhaufen«, herrschte Ottilie den Posbi an,
der jedoch gelassen blieb.
»Die Eigenart der Menschen, um den heißen
Brei zu reden, ändert nichts an der Tatsache«,
erklärte Lorif. »In einem modernen Krankenhaus könnten wir sein Leben retten. In dieser
Wildnis wird er sterben.«
»Ach Quatsch!« meinte Ottilie. »Er wird
wieder gesund werden, nicht mein Vatichen?«
Die alte Terranerin nahm einen Monitor und
streichelte ihn.
»Heile, heile Segen. Morgen gibt es Regen
und der Vati wird nicht sterben, von wegen!«
Lorif starrte die Frau irritiert an.
»Okkulte Rituale werden ihn auch nicht wieder gesund machen. Bereiten sie ihn auf einen
würdevollen Abgang vor und gestalten ihm die
letzten Tage so angenehm wie möglich«, sagte
der Posbi und verließ die Runde.
Karl-Adolf starrte ins Leere. Diese Nachricht hatte ihm die letzte Kraft geraubt. War er
nun am Ende seines langen Weges? Er konnte es nicht glauben. Er war notwendig für das
Universum. Karl-Adolf Braunhauer durfte nicht
sterben. Es wäre ein zu großer Verlust für das
zivilisierte Universum gewesen.
Karl-Adolf schüttelte schwach den Kopf. Er
mußte sterben und solche Nichtsnutze wie Perry Rhodan durften leben. In seinen Augen stank
diese Ungerechtigkeit zum Himmel.
*
»Los beeilt euch!« schrie ein Dscherro und
trieb die Gefangenen an. Etliche Baracken waren in den letzten vier Tagen errichtet worden.
Hinzu kamen eine Krankenstation, eine
Forschungs- und Technikstation sowie etliche
Wachtürme und Lagerhallen für Nahrungsmittel.
Auf den ersten Blick klang dies sehr gut,
doch die Wahrheit war, daß das Lager eine
heruntergekommene Befestigung aus Schlamm,
Dreck, Holz und alten Metall war. Es gab so gut
wie keine Waffen, außer den, die die Dscher-
Nils Hirseland
ro bei sich trugen. Die Nahrungsmittel waren
knapp und die Bezeichnung Forschungsstation
war geschmeichelt, denn dort saß Lorif und versuchte, beschädigte Apparate der BAMBUS zu
reparieren.
Die Medostation verdiente diesen Namen
nicht, denn es gab dort kaum Medikamente und
Instrumente für Operationen. Dieser Mißstand
war auch ein Versäumnis von Roehk, Niesewitz und Katschmarek, denn die drei Inhaber
der BAMBUS hatten nur einen Arzt und zwei
Sanitäter für die Reise eingestellt, die wiederum kaum Medikamente mitgenommen hatten,
da man nicht davon ausgegangen war, daß es
in den fünf Tagen zu ernsthaften Verletzungen
kommen würde.
Weder der Arzt noch die Sanitäter hatten den
Absturz überlebt und nur wenige Überlebende
der BAMBUS besaßen eine Ausbildung als Sanitäter.
Diese Tatsachen kamen einem Todesurteil
für viele der Schwerverletzten gleich. Einer von
ihnen war Karl-Adolf Braunhauer.
Er lag immer noch auf seiner Liege und wurde zusehends schwächer. Das Essen, Trinken
und Aufstehen fiel ihm immer schwerer.
Neve Prometh und Uthe Scorbit waren eingeteilt worden, um sich heute um die Kranken
und Verwundeten zu kümmern.
Uthe überkam sogar etwas Mitleid, als sie
Braunhauer dort liegen sah. Er war zwar immer
ein unausstehlicher, spießiger und gefühlsloser
Bürokrat gewesen, doch dieses Ende gönnte sie
ihm auch nicht. Fern ab von jeder Zivilisation
und fern ab von seinem Zuhause.
Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek hielten einen Besuch ab. Braunhauer registrierte sie kaum noch.
Er starrte nur in die Luft und schien auf sein
Ende zu warten. Die Sanitäter konnten nichts
mehr für ihn tun.
»Mensch, Karl-Adolf! Was machste bloß für
Sachen. Vor ein paar Wochen haben wir doch
noch gemeinsam einen gehoben«, meinte Reini
traurig.
Jetzt kamen wieder langsam Regungen in
den scheinbar absterbenden Körper des alten
Terraners, der schon in der WIDDER gedient
hatte. Sichtlich angestrengt versuchte er ein
Auf Leben und Tod
D O R G O N
paar Worte zu sagen. Speichel lief ihm dabei aus
den Mundwinkeln.
Mißtrauisch blickte er zu Neve und Uthe, die
das natürlich bemerkten und so taten, als würden sie ihm nicht zuhören.
»Ich werde sterben«, flüsterte er leise.
»Aber nicht doch, Karl-Adolf. Du wirst gesund werden und wir können wieder saufen«,
versuchte Reini ihn aufzubauen. Niesewitz sagte nichts.
Karl-Adolf schüttelte den Kopf.
»Ich werde sterben. Nichts kann mich jetzt
noch davor bewahren. Doch was soll jetzt aus
dieser Welt werden, wenn ich nicht mehr da
bin?«
Niesewitz wußte nicht, was er von dem Geschwätz des Sterbenden halten sollte.
»Was meinst du damit?« wollte er nun wissen.
»Diese Welt ist schlecht. All dieser intergalaktische Abschaum, wie die Blues, Topsider,
Maahks und Dscherro. Ich wünschte ich wäre
in einer Welt gestorben, wo die Herrenrasse, der
Mensch, über die Unterwesen regiert hätte.«
Ein Hustenanfall überkam Karl-Adolf.
Schaum bildete sich vor seinem Mund.
Uthe und Neve eilten herbei, um dem alten
Mann zu helfen. Erschöpft sank er wieder in
sein Bett.
»Er braucht jetzt Ruhe, bitte geht!« forderte
Uthe Scorbit die beiden ungeliebten Besucher
auf, doch keiner hörte auf sie.
Werner dachte über die Worte Karl-Adolfs
nach. Und er pflichtete ihnen bei. Er war in
einer Zeit aufgewachsen, als die vermeintliche
Herrenrasse über Teile Terras regiert hatten.
Schon oft hatte er den Gedanken gehabt, auch
hier ähnliche Bestrebungen kund zu tun. Nicht
zuletzt durch die Idee von Peter Roehk. Oder
sollte man es vielmehr eine Vision nennen?
»Karl-Adolf, wir versprechen dir hoch und
heilig, daß dein Wunsch erfüllt wird«, sagte Niesewitz in einem Tonfall, der Uthe erschrecken ließ.
Dann verließen beide das Krankenlager und
ließen den schweratmenden Braunhauer zurück. Niesewitz und Katschmarek beschlich das
Gefühl, ihn nie wieder lebendig zu sehen.
259
*
Taka Kudon, Vendor, Nor’Citel und Aurec
saßen in einem Zelt und berieten über die Zukunft der Geiseln und der Dscherro.
Es regnete. Für viele eine angenehme Erholung nach den vier letzten sehr heißen Tagen,
die sie bereits auf dem Planeten waren.
»Das Schiff beunruhigt mich«, erklärte Leticron. Er wußte genau, daß es sich dabei nicht
um die KARAN handelte.
»Vermutlich der fremde Angreifer«, meinte
Aurec. Er hatte jedoch auch andere Probleme,
die ihm auf dem Herzen lagen. »Was wird jetzt
aus uns? Die BAMBUS ist ein Wrack. Wir müssen einen Funkspruch absenden und hoffen, daß
er in Cartwheel gehört wird. Bis dahin sollten
die Dscherro und die restlichen Intelligenzwesen zusammenarbeiten.«
»Nein!« brüllte Taka Kudon. »Ihr seid nur
Abschaum, der für uns arbeitet. Ihr werdet die
BAMBUS reparieren. Noch heute fangt ihr damit an!«
»Das ist unmöglich«, sagte Aurec energisch.
»Ich werde ich jede Stunde 10 Geiseln erschießen lassen, solange bis es möglich sein
wird!«
Aurec erkannte immer mehr, daß man mit
den Dscherro nicht verhandeln konnte. Sie waren so einfältig, daß sie nicht einmal erkannten, wann es für sie gefährlich wurde. Sollte
der fremde Aggressor wirklich angreifen, mußten sie zusammenhalten, doch Taka Kudon verstand dies scheinbar nicht.
»Ihr ladet die Toten aus und dürft sie auch
begraben. Dann beginnt ihr mit der Reparatur
der BAMBUS«, erklärte der Taka nun mit ruhiger Stimme.
Aurec wußte, daß Widerspruch nichts nützen
würde. Er mußte auf eine bessere Gelegenheit
warten.
»Dieser fremde Feind wird uns nichts tun,
seit Tagen hat er nichts getan«, meinte Vendor. »Urucks Leute sind heil wieder aus dem
Dschungel gekommen. Ich glaube nicht, daß er
uns angreifen wird.«
Aurec verkniff sich einen Kommentar. Er
blickte zu Nor’Citel, der resignierend auf den
D O R G O N
260
Boden schaute. Auch er konnte nichts gegen die
Sturheit der Dscherro ausrichten. Taka Kudon
und Vendor wurden immer eigenwilliger, je länger Cau Thon auf sich warten ließ.
»Macht euch jetzt an die Arbeit«, befahl Kudon und stand auf. Er gab Vendor ein Zeichen
und dieser brachte Aurec und Nor’Citel zum
Ausgang der Zeltes.
Es regnete noch immer. Die Lichter wurden
angeschaltet, Schreie waren zu hören und das
Brüllen der Dscherro, die die Geiseln zusammentrieben.
Sie fingen an, Gräber auszuheben, während
andere in das Wrack gingen, um die Leichen zu
bergen, die seit vier Tagen dort lagen.
Aurec atmete tief durch, er brauchte jetzt alle
Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte.
*
Ein übler Gestank drang in Aurecs Nase. Da
nutzte auch das Mundtuch nicht viel. Durch die
Hitze waren die Körper schon am Verwesen.
Hiesige Tiere hatten sich bereits an den Leichen
zu schaffen gemacht.
Aurec warf einen Blick auf Andrews, Wallace, Scorbit und Dove, die neben ihm standen.
Mit einem schwachen Nicken, signalisierte er,
daß man beginnen sollte.
Dove nahm gleich mehrere Leichen. Je
schneller sie diesen Horror hinter sich gebracht
hatten, desto besser.
Aurec bemerkte, daß sich zwei der Geiseln
übergaben. Offensichtlich hatte ihnen der Anblick zugesetzt.
Die Dscherro hätten sogar die Frauen hereingeschickt, doch Aurec konnte dies gerade noch
verhindern. Sie mußten jedoch die Gräber ausheben. Eine Aufgabe, die ebenso unschön war.
Der Saggittone begab sich in die Halle und
sah viele verstümmelte Leichen. Sie waren Opfer der Dscherro geworden. Die Brutalität, mit
welcher diese Bestien vorgegangen waren, ließ
Aurec erschaudern.
Haß und Wut stiegen in ihm auf. Er entdeckte einige Waffen der Dscherro und der toten Sicherheitsbeamten. Bevor er sie aufheben konnte, hielt jemand seinen Arm fest. Erschreckt
Nils Hirseland
blickte Aurec hoch.
Zu seiner Verwunderung stand dort Darvos.
Die riesige Oxtorner mit der versteinerten Miene blickte ihn ernst an, dann sagte er: »Die
kannst du nicht alleine tragen, laß dir helfen.«
Aurec nickte nur. Daraufhin sammelten sie
die Waffen ein und versteckten sie gut in den
Lagerräumen der BAMBUS.
Kurz danach machten die beiden sich wieder
daran, die Leichen aus den Räumen zu schaffen. Aurec stand an dem Tresen, wo alles anfing. Als er dort stand, explodierte die Tür und
die Gehörnten stürmten brüllend herein.
Dann fiel ihm wieder Kathy ein. Und ihre
Schwester! Ihr toter Körper lag vor dem Tresen. Aurec wurde schlecht, als er in ihr Gesicht
sah. Die Augen waren noch weit geöffnet, doch
die Verwesung war stark vorangeschritten. Wo
einst der Mund war, befand sich ein verkohltes
Loch. Als Aurec sie anhob, ließ er sie fallen, als
er bemerkte, daß sich madenähnliche Tiere in
ihrem Rücken eingenistet hatten.
Er nahm alle Selbstbeherrschung zusammen
und trug den Leichnam aus der BAMBUS, direkt bis zum Grab.
Der Regen fiel in Strömen und erschwerte
die Arbeit. Alles war matschig und schlammig.
Der Saggittone hatte Mühe, voran zu kommen.
Massengräber waren ausgehoben worden.
Welch ein unwürdiger Abschied von den Toten.
Er wollte die Leiche in ein Grab legen, da stand
Kathy vor ihm. Für einen kurzen Moment erschrak er. Sie war, wie auch er, völlig durchnäßt
und er konnte nicht erkennen, ob ihr Regentropfen vom Gesicht perlten oder ob es Tränen waren.
Jonathan Andrews kam auch hinzu und legte die Leiche eines hageren Blues in das Grab.
Mit traurigem Gesicht bemerkte er, daß Aurec
die Leiche von Kathys Schwester auf dem Arm
trug.
»Kümmere dich um Kathy«, sagte Aurec.
Andrews nickte und nahm Kathys Hand, die
wie angewurzelt stehenblieb. Behutsam zog er
sie weg. Sie sollte sich das nicht mit ansehen.
Aurec legte die Leiche so sanft wie möglich
in das Grab. Dann blickte er auf die anderen Toten, welche schon dort lagen. Knapp sechshundert Wesen waren bei dem Angriff der Dscherro
Auf Leben und Tod
D O R G O N
und dem Absturz gestorben. Junge Wesen, die
ihre Familien nie wiedersehen würden.
Der Saggittone drehte sich um und suchte
Kathy, die auf einem Stein saß und bitterlich
weinte. Sie war nur eine von vielen, deren Leben zerstört war. Die Toten hatten es hinter sich
gebracht, doch die Überlebenden mußten weiter
durch die Hölle gehen und Aurec hoffte, daß er
ihnen helfen konnte, heil aus diesem Schrecken
herauszukommen. Er ging zu Kathy und legte
seine Hand um ihre Schulter.
Das war etwas, was Aurec eigentlich sehr
selten machte. Doch die Menschen und Außerirdischen brauchten seine Hilfe. Er mußte ihnen
Mut und Hoffnung.
Kathy legte ihren Kopf an seine Schulter und
weinte. Aurec blickte auf die Gräber und entdeckte Vendor, der an einem Grab stand und
dort hinein urinierte.
Dafür werde ich dich töten, schwor sich Aurec.
6.
Evspor, der Kyberklon
Der Regen prasselte auf die Außenhülle
des Diskusraumers. Nur ein kleines blinkendes
Lämpchen in der Mitte deutete auf Leben in
dem Raumschiff hin.
Eine kleine Luke öffnete sich und vier kugelförmige, fußballgroße Robotsonden flogen aus
der Öffnungen. Sie hatten zum Ziel, nach Leben
auf dem Planeten zu suchen. Leben, das nicht
auf Xamour gehörte.
Im Inneren des Schiffes befand sich nur ein
Lebewesen. Es war Kommandant und Besatzung zugleich.
Das Licht in dem spartanisch eingerichteten Raumer war grünlich und spendete eigentlich nur wenig Helligkeit. Doch das brauchte er
nicht.
Der Name des Kommandanten war Evspor.
Evspor, der Kyberklon!
Evspor gab den Befehl an seine Sonden, das
Gebiet um die Gebirge zu erkunden und Fallen
im Dschungel aufzubauen.
Evspor hatte das Lager der Fremden schon
bei seiner Landung entdeckt. Er wollte sie vor-
261
erst nur beobachten, um herauszufinden, was sie
vorhatten. Waren die elf Raumschiffe nur eine
Vorhut gewesen? Agierten sie im Auftrag der
Chaotarchen oder waren es lediglich Piraten?
Diese Fragen wollte Evspor klären.
Der Kyberklon, ein Geschöpf der Kosmokraten, war völlig in schwarz und besaß anstelle
von Füßen Wadenblöcke.
Ein spartanischer Helm mit zwei Augen und
einer Sprachöffnung bildete sein Gesicht. Alles
in allem wirkte das künstliche Wesen furchteinflößend.
Es hatte den Auftrag, das Kosmonukleotid TRIICLE-3 vor Eindringlingen zu schützen.
Sein Befehl lautete, alles zu vernichten, was
nicht auf der Seite der Kosmokraten stand.
Diese Wesen waren ihm unbekannt und
wirkten auf ihn nicht wie ein Hilfsvolk seiner
Herren und Meister.
Deshalb hatte er den Entschluß gefaßt, sie
vollständig zu vernichten. Die ersten zehn
Schiffe stellten keine Herausforderung für ihn
dar.
Durch einen Fehler in der Steuerung seines
Schiffes hatte er das elfte Schiff der Eindringlinge vor seinem Absturz nicht mehr zerstören
können. Er hatte gehofft, daß die Besatzung des
Schiffes den Absturz nicht überleben würde.
Bedauerlicherweise war dies nicht geschehen.
Sie hatten auf Xamour landen können, der
alten verbotenen Welt. Eine Welt, die Evspor eigentlich meiden sollte, denn sie beherbergte ein
dunkles Kapitel der Kosmokraten, doch er hatte
keine andere Wahl. Nur so konnte er die Eindringlinge und potentielle Feinde vernichten.
Selbst wenn sie keine Abgesandten des Chaos waren, so mußte er sicher gehen, daß sie keine Gefahr darstellten. Und tote Wesen stellten
keine Gefahr dar.
7.
Auf der Suche nach der
BAMBUS
Vier Tage zuvor.
Jan Scorbit wußte nicht, warum er so früh
morgens bereits zum Regierungsgebäude auf
Paxus kommen mußte.
262
D O R G O N
Die Stimme von Joak Cascal klang ernst.
Sonst war er eigentlich selten so ernst und Jan
kannte Joak als lustigen Draufgänger mit dem
er so manche Nacht durchgefeiert hatte, seitdem
sie auf der Insel waren.
Eigentlich wäre er viel lieber auf der BAMBUS gewesen, doch durch den Wegfall von
Chris Japar und Sam Tyler mußte er die Niederlassung der Neuen USO auf der Insel umstrukturieren.
Japar war von dem Pterus Saron getötet worden. Tyler hatte sich revanchiert, indem er Saron ermordet hatte. Wegen dieses Vergehens
mußte Tyler sich nun vor Gericht verantworten.
Hastig eilte er zu dem Konferenzgebäude,
nachdem er aus dem Transmitter gestiegen war.
Auf dem Weg dorthin traf er Will Dean, den er
freundlich begrüßte.
»Weißt du, was los ist?« erkundigte sich der
Afroterraner.
»Nein, keine Ahnung. Cascal klang sehr beunruhigt«, erklärte Scorbit.
»Dann wollen wir mal hoffen, daß Jenmuhs
nicht wieder einen epileptischen Anfall bekommen hat und die Insel ausradieren will«, meinte
Dean zynisch.
Beide liefen eilig durch den pompösen Korridor des Regierungsgebäudes, dann erreichten
sie den großen Saal.
Zwei Sicherheitskräfte versperrten den beiden den Weg und gaben ihn erst frei, nachdem
sie sich ausgewiesen hatten.
Die Tür öffnete sich leise und einige Anwesende starrten die zwei Agenten an. In dem
Raum befanden sich Sam, Joak Cascal, Gal’Arn
und Gucky.
»Guten Morgen, meine Herren!« begrüßte
sie Sam höflich und bot ihnen mit einer Geste
einen Platz an. Sofort kamen zwei Servoroboter, die ihnen Frühstück servierten.
»Weshalb sind wir hier?« wollte nun Dean
wissen.
»Es ist etwas unerfreuliches passiert«, begann der Somer Sam, der gleichzeitig auch
oberster Politiker in Cartwheel war.
»Das will ich doch hoffen, ich verpasse gerade ein tolles Tische-Stühle-Konverter-Match
bei der Galaxy Wrestling Federation. Läuft gerade im Trivid. Der Fels gegen Asteroiden-
Nils Hirseland
Kalt!« erklärte Gucky und fing sich dafür einige
böse Blicke ein. »Sorry...«
Cascal schüttelte den Kopf, dann begann er
zu erklären, warum diese Konferenz einberufen
wurde.
»Ich mache es kurz und knapp. Die BAMBUS ist verschwunden!«
Besonders Gal’Arn und Jan Scorbit waren
über diese Nachricht betroffen. Sie wechselten
einen kurzen Blick, dann fragte der Ritter der
Tiefe: »Was genau ist passiert?«
»Die BAMBUS ist nicht an ihren geplanten
Zwischenstation aufgetaucht. Sie ist nicht nach
Mankind zurückgekehrt und niemand weiß, wo
sie ist.«
»Was soll das heißen? So einfach kann doch
kein Schiff verschwinden? Da sind fünftausend
Lebewesen drauf«, wandte Scorbit erregt ein.
Er machte sich verständlicherweise Sorgen um
seinen Bruder, seine Schwägerin und um seine
Freunde.
»Es ist so. Wir haben immerhin die Koordinaten ihres letzten bekannten Aufenthaltsortes. Von dort aus werden wir eine großangelegte
Suchaktion mit allem starten, was uns zur Verfügung gestellt wird. Zweitausend Schiffe«, erklärte Joak Cascal weiter.
Dean stieß einen Pfiff aus. »Ganz schön viel.
Und die kriegen wir die so schnell zusammen?«
»Das ist kein Problem«, meinte Sam. »Der
Marquese verhandelt zur Zeit gerade mit den
Regierungsführern. Es liegt im Interesse aller,
die BAMBUS so schnell wie möglich wiederzufinden.«
In diesem Moment kam eine Nachricht des
Marquese an. Er berichtete, daß die Saggittonen, Dorgonen, Akonen, Blues und Pariczaner
sich bereit erklärt haben, an der Suche zu beteiligen. Serakan versprach sogar, die SAGRITON
sofort loszuschicken.
Selbst die Pariczaner wollten unbedingt ihren Corun Nor’Citel wiederfinden.
»Nur die Arkoniden haben abgelehnt«, berichtete der Marquese mit belegter Stimme.
»Unser allseits geschätzter Uwahn Jenmuhs
ließ verlauten, daß sich die Arkoniden nicht an
dieser Suche beteiligen, da es wohl eher ein terranisches Problem zu sein scheint.«
»Er wies dennoch darauf hin, daß er die
Auf Leben und Tod
D O R G O N
Suchaktion mit großem Interesse beobachte, da
sich einige Arkoniden an Bord befinden. Er
fühlt sich an die Situation der LONDON I und
II erinnert, bei dem auch viele ehrenwerte Arkoniden starben und sieht eine Verschärfung der
politischen Lage, sollten die an Bord befindlichen Arkoniden tatsächlich tot sein.«
Für eine Weile herrschte Ruhe im Raum.
Dann entbrannte eine heftige Diskussion über
den Grund des Verschwindens. Gucky ging sogar soweit, zu glauben, Uwahn Jenmuhs hätte
die BAMBUS entführt, um den Grund für einen
Krieg zu haben.
»Das bringt uns jetzt nicht weiter«, stellte
Gal’Arn fest. »Wir müssen unverzüglich mit der
Suche beginnen. Jaktar und ich werden sofort
mit der TERSAL losfliegen. Wenn wir etwas
gefunden haben, informieren wir euch.«
»Ich komme mit!« rief Gucky.
»Ich auch«, meinte Jan Scorbit.
Gal’Arn nickte kurz, dann stand er auf und
verließ den Raum. Gucky und Scorbit folgten
ihm.
Cascal informierte die Kommandanten der
IVANHOE und TAKVORIAN II über den Vorfall und befahl ihnen, die Schiffe sofort startbereit zu machen.
Die TERSAL stand auf einer Landeplattform
des Regierungsgebäudes. Jaktar wartete bereits
und lief ungeduldig auf und ab.
»Was ist mit Johnny Andrews?« fragte er
ernst.
»Er und 5000 andere Intelligenzwesen sind
verschwunden«, sagte Gal’Arn ernst. »Vermutlich wurden sie entführt oder das Raumschiff ist
einfach explodiert.«
»Das sind ja tolle Aussichten«, meinte der
Ghannakke und öffnete das Schott der TERSAL.
Gucky und Scorbit eilten hinterher und
schon nach wenigen Momenten hob das Schiff
des Ritters der Tiefe ab und stieg in den Himmel
auf.
»Wir haben Flugerlaubnis und verlassen den
Orbit in vier Minuten«, berichtete Jaktar, während er einige Schaltungen vornahm.
»Danach gehen wir auf Überlichtgeschwindigkeit und steuern direkt zu den letzten Koordinaten der BAMBUS«, befahl Gal’Arn.
263
Die Suche mußte schnell beginnen und wenn
möglich ebenso schnell mit Erfolg gekrönt sein,
doch keiner der Beteiligten ahnte, wie weit die
BAMBUS entfernt war.
*
Die TERSAL durchkämmte jeden Kilometer
der letzten bekannten Koordinaten.
Ergebnislos!
Niemand an Bord des Schiffes sprach ein
Wort. Selbst Gucky war still und versuchte Gedankenimpulse der Verschollenen aufzuspüren.
Natürlich ohne jeden Erfolg, denn über eine Distanz von Tausenden von Lichtjahren konnte
der Mausbiber nicht espern.
»Hier finden wir nichts«, gestand Jaktar sich
selbst und den anderen ein.
Gal’Arn schüttelte den Kopf und blickte verdrossen auf die Anzeigen.
»Die BAMBUS ist nicht mehr in dieser Region. Es gibt hier keinerlei Hinweise auf das
Schiff«, erklärte der Ritter der Tiefe mit belegter Stimme.
Wieder kehrte Schweigen in die Runde ein.
Plötzlich summte ein Interkom auf. Gal’Arn aktivierte die Verbindung und das Gesicht von
Will Dean erschien auf dem Bildschirm.
»Auch keine Spur?« fragte er, als ob er die
Antwort bereits wüßte.
»Nein.«
»Verstehe...«
»Weshalb kontaktierst du uns?« wollte der
Ritter der Tiefe wissen, der sich große Sorgen
um Jonathan Andrews und seine Freunde machte.
»Ich wollte Jan darüber informieren, daß ein
großer Pulk Dscherroraumer mit unbekanntem
Ziel die Galaxis verlassen hat.«
Jan Scorbit wurde sofort hellhörig.
»Hat der TLD schon etwas unternommen?«
wollte der Terraner wissen, doch Will Dean verneinte das.
Gucky grübelte über diesen Bericht.
»Warum verlassen die Dscherro plötzlich die
Galaxis? Das stimmt etwas nicht. Dem sollten
wir nachgehen«, meinte der Mausbiber.
D O R G O N
264
Doch Jaktar lehnte ab. »Wir sollen nach der
BAMBUS suchen. Ich lasse Johnny Andrews
nicht im Stich!«
»Hier können wir ihnen nicht helfen. Irgend etwas sagt mir, daß das Verschwinden der
BAMBUS etwas mit den Dscherro zu tun hat.
Darauf verwette ich meinen Nagezahn!«
»Dann wollen wir hoffen, daß du nicht bald
nur noch Suppe zu dir nehmen kannst«, entgegnete Gal’Arn und ließ sich die Koordinaten der
Dscherroraumschiffe übermitteln.
Dann tauchte die TERSAL in den Hyperraum mit dem Ziel ein, die Schiffe der Gehörnten zu observieren.
8.
Die Jagd nach dem
Unbekannten
Jonathan Andrews hatte den Sicherheitsmann Franczy wiedergetroffen. Der Ertruser
gehörte zu den wenigen normalen Männern in
Darvos Truppe.
Sie unterhielten sich eine Weile über alle
Möglichen Dinge, insbesondere, wie man ausbrechen könnte.
Auch Yan Cruze gesellte sich zu ihnen.
»Ich habe so einen schrecklichen Hunger«,
verkündete er den beiden.
»Andere haben gar nichts zu essen. Wir müssen durchhalten«, ermahnte Andrews den korpulenten Terraner.
»Ja, ja! Immer die anderen. Wer denkt denn
mal an mich, häh? Niemand! Ich bin immer nur
der blöde dicke Cruze mit dem man es machen
kann? Wer gibt mir mal mehr Gehalt? Wer gibt
mir was zu essen? Welche Frau schläft mit mir?
Häh? Immer denken alle nur an sich...« brummelte Cruze und trottete weg.
Franczy und Andrews sahen ihm irritiert hinterher.
Das Lager war soweit fertiggestellt und die
Gefangenen vegetierten von nun an vor sich hin.
*
Nils Hirseland
»Los, los«, brüllten die Dscherro am frühen
Morgen und trieben einige Terraner zusammen.
Vendor und Urucks hatten den Oberbefehl über
diese Aktion.
Die Dscherro wollten wieder auf die Jagd gehen. Sie wollten nicht nur Wild erlegen, sondern
auch nach dem feindlichen Aggressor suchen.
Taka Kudon glaubte nun doch, daß der Feind
bald zuschlagen würde. Fünf Tage waren sie
jetzt auf diesem Planeten. Vor vier Tagen war
das fremde Schiff tief dem Dschungel gelandet. Kudon nahm an, daß sie beobachtet wurden, deshalb gab er den Befehl, den Fremden
zu suchen und zu vernichten.
»Urucks, wir teilen uns in vier Gruppen auf«,
erklärte Vendor. »Je fünfzig Dscherro und fünfzehn Geiseln als Schutzschild und Köder für
den Fremden. Wir durchkämmen den Dschungel auf einer Linie mit jeweils zwei Kilometer
Abstand zu den anderen Gruppen.«
»Ja, Vendor!« schrie Urucks und schlug sich
auf die Brust.
»Koscha!« bestätigte Vendor und hastete mit
den anderen los.
Aurec bekam erst spät mit, daß wieder Geiseln für die Jagd mißbraucht wurden. Die 60
Geiseln waren bereits ausgesucht und wurden
mitgeschleppt. Wer sich weigerte, wurde zusammengeschlagen. Aurec fand Jonathan Andrews, der besorgt den Geiseln hinterher blickte.
»Was haben die vor?« wollte der Saggittone
wissen.
»Sie wollen nach dem Angreifer suchen und
den gesamten Dschungel durchkämmen. Die
Geiseln sollen ihnen als Schutzschilde und Köder dienen«, sagte er mit belegter Stimme.
»Wer?«
Andrews blickte Aurec ernst an
»Jugendliche, meist Terraner, drei oder vier
Blues, zwei Topsider und...«
»Und?«
»Franczy, Stony und Kathy!«
*
Urucks hatte 50 Soldaten um sich gruppiert.
Dazu kamen die fünfzehn Geiseln, die einige
Auf Leben und Tod
D O R G O N
Meter vor den Dscherro liefen.
Drei weitere Gruppen von Dscherros hatten sich in einem Radius von fünf Kilometern
verteilt und durchkämmten auf einer Linie den
Dschungel.
Urucks war ein sehr schlanker Dscherro, der
sein Horn bei einem Zweikampf verloren hatte. Und vor dem nächsten Daschkar würde auch
kein Neues mehr wachsen.
Der Dschungel war dicht und es war schwer,
sich durch die Büsche zu kämpfen. Die Dscherro besaßen lange Vibrationsschwerter mit denen man leicht das Geäst abholzen konnte, doch
für die Terraner war es um so schwieriger, denn
man hatte sie nicht mit Waffen ausgerüstet.
»Weiter!« brüllte Urucks die Terraner an.
Kathy, Franczy und Stony waren in einer
Gruppe. Immerhin eine kleine Erleichterung.
Kathy hatte Vertrauen in den starken Franczy
und hoffte, er konnte sie beschützen.
Stony hatte weniger Vertrauen in die Fähigkeiten des Ertrusers. Er wußte genau, daß
er nichts gegen die Dscherro ausrichten konnte. Langsam gingen sie durch das Dickicht.
Schweiß lief ihnen von der Stirn, das Herz
schlug schneller und die Furcht war ihr ständiger Begleiter.
Kathy lief direkt hinter Franczy, der sich mühelos durch den dichten Dschungel vorkämpfen
konnte. Stony lief direkt hinter ihr. Die Luft war
feucht und die Temperatur hoch.
Kathy wurde schwindlig und wäre beinahe
hingefallen, doch Stony hielt sie.
»Halte durch«, ermahnte er sie.
Die Terranerin riß sich zusammen und
schleppte sich weiter. Stony war zufrieden, daß
er ihr geholfen hatte, plötzlich packten ihn zwei
Hände am Kopf und zogen ihn hoch. Er strampelte, schrie und versuchte sich zu wehren.
»Stony!« hörte er Kathy schreien und die
Dscherro schossen sofort auf ihn.
Die Schüsse galten jedoch vielmehr seinem Entführer. Dieser hatte ein Antigrav und
schoß durch den dichten Dschungel, so daß die
Dscherro ihn verfehlten. Dann landete er auf einem Baum und warf Stony auf einen Ast.
Der Terraner versuchte sofort, sich zu wehren, doch der Gegner brach Stony mit einem gezielten Schlag das Rückgrat.
265
Dann packte er ihn. »Sag mir, in wessen Auftrag seid ihr unterwegs?«
Stony verstand nicht, was der Kyberklon
meinte. Das war ihm auch relativ egal, denn die
Schmerzen waren zu groß. Er verlor das Bewußtsein.
Wie Müll warf Evspor den Terraner vom Ast
und besiegelte sein Schicksal. Plötzlich summte
sein Sender auf.
Die Fremden bewegten sich auf sein Schiff
zu!
*
»Sie müssen hier irgendwo sein«, kreischte
Urucks und nahm Funkkontakt mit Vendor auf.
Er informierte ihn über den Verlust des Terraners.
»Gebt acht, er muß hier irgendwo sein«,
meinte Vendor und beendete die Funkverbindung. Urucks entsicherte sein Thermogewehr
und trieb die restlichen Geiseln an.
Kathy hatte große Angst. Sie konnte den Tod
von Stony nicht fassen. Es war für die Terranerin, als sei sie in einem Horrorfilm, der nicht
enden wollte. Von Franczy konnte sie keine tröstenden Worte erwarten. Er konzentrierte sich
vielmehr auf das, was noch kam.
Plötzlich zischte ein Energieblitz auf und
durchbohrte Urucks. Er war sofort tot und brach
zusammen.
Die anderen Dscherro waren verwirrt und
schossen wild um sich. Weitere Energieblitze
zischten aus dem Dickicht und jeder Schuß traf
einen Dscherro.
Doch auch die Geiseln blieben nicht verschont. Franczy warf sich zu Boden und riß Kathy mit sich. Damit rettete der Ertruser ihr das
Leben.
Die anderen Terraner, Arkoniden, Blues und
Topsider wurden niedergemetzelt. Innerhalb
weniger Minuten waren sie alle tot.
Die restlichen Dscherro flüchteten so schnell
sie konnten. Hinter ihnen tauchten etwa fünf
Zentimeter große Kugelsonden auf. Sie hefteten sich an die Körper der flüchtenden Gehörnten und explodierten.
D O R G O N
266
*
Eine gewaltige Explosion ließ den Kyberklon kurz aufhorchen. Er blickte auf sein Chronometer. Unzufrieden stellte er fest, daß die
Sonden viel zu lange gebraucht hatten.
In seiner schweren Rüstung kam Evspor nur
schwer voran, doch aufgrund seines gewaltigen
Arsenals an technischen Waffen und Fortbewegungsmitteln war er ein behender Gegner.
Er ging wieder zum Schiff und aktivierte den
Orter. Knapp hundertachzig Wesen trieben sich
noch im Wald herum. Vorher waren es zweihundertdreißig gewesen!
Eine weitere Explosion ließ ihn aufhorchen.
Sofort warf er einen Blick auf seinen Taster.
Wieder fünfzig Gegner, stellte er zufrieden fest.
Die Übriggebliebenen zogen sich jedoch
wieder aus dem Dschungel zurück. Nun war es
an der Zeit, daß Evspor selbst eingriff.
Auf seinem Rücken trug er ein Antigrav, den
er startete. So schwebte der Kyberklon über den
Dschungel hinweg und suchte die Feinde.
Etwa zwanzig von ihnen entdeckte er auf einer Lichtung. Sofort entsicherte er seinen Thermostrahler und schoß mit sieben Schüssen acht
der Feinde nieder.
Die anderen hatten sich schnell ins Dickicht
geflüchtet, konnten jedoch nichts gegen Evspors Taster unternehmen.
Er lokalisierte sie und warf eine Brandgranate in den Wald. Das Holz fing sofort Feuer
und rasend breitete sich das vernichtende Inferno aus. Die Fauna des Planeten flüchtete so
schnell es ging, um den Flammen zu entgehen,
doch nur die wenigsten schafften es.
Zusammen mit den feindlichen Eindringlingen starben sie einen qualvollen Tod. Das Ergebnis schien in Evspors Augen jedoch diese
Greueltat zu rechtfertigen. Nur ein Drittel der
intergalaktischen Feinde konnte lebend den in
Flammen stehenden Dschungel verlassen.
Eine gute Ausbeute, fand der Kyberklon, der
wieder in sein Lager zurückkehrte, um sich dort
auf den Angriff auf das Lager vorzubereiten.
*
Nils Hirseland
Vendor konnte nicht glauben, was eben passiert war. Knapp hundertfünfzig Dscherro wurden innerhalb weniger Minuten getötet!
Die Gehörnten hatten nicht den Hauch einer
Chance gegen die fremden Angreifer gehabt.
Urucks war tot, daran bestand kein Zweifel.
Der gesamte Dschungel stand in Flammen.
Niemand konnte noch lebend aus diesem Flammenmeer entkommen sein.
Gebrochen kehrten die 50 Dscherro und fünf
Terraner zur Station zurück. Taka Kudon erwartete seinen Stellvertreter und schlug ihm ins Gesicht.
»Was ist passiert, du Vollidiot?« brüllte Taka
Kudon aufgeregt.
Vendor schilderte die Lage.
Kudon war wütend und ängstlich zugleich.
Er befahl, sofort die Wachen zu verstärken und
sich auf einen Angriff des Feindes vorzubereiten.
Aurec rannte zu den Überlebenden und stellte mit Erschrecken fest, daß Kathy nicht dabei
war. Auch Franczy und Stony waren nicht unter
den Überlebenden.
Traurig blickte der Saggittone zu dem in
Flammen stehenden Dschungel und nahm Abschied von der sympathischen Terranerin, die er
doch unbedingt beschützen wollte. Er hatte es
nicht geschafft!
*
Jonathan Andrews lag auf einem kleinen
grünen Hügel und starrte in den Himmel. Neben ihm lag Marya.
»Liebst du mich?« wollte sie wissen.
Er blickte Marya ernst an.
»Ich kann dir diese Frage nicht beantworten.
In den letzten Tagen ist viel passiert. Ich habe Charaktereigenschaften an dir entdeckt, die
mich erschreckt haben«, erklärte er ehrlich und
direkt. Vielleicht zu direkt, überlegte er sich.
Marya stand auf und schlug Andrews ins Gesicht.
»Was fällt dir eigentlich ein? Du flirtest
doch ständig mit diesem blonden Gift. Da soll
ich mich nicht aufregen? Wir wurden von den
D O R G O N
Auf Leben und Tod
Dscherro überfallen, sind auf diesem Planeten
gestrandet und du bist mein einziger Bezugspunkt so weit weg von meiner Heimat. Hast du
dir mal Gedanken gemacht, wie ich mich fühle?
Ziemlich einsam!«
Marya fing an zu weinen. Das wollte Jonathan natürlich nicht. Er bekam ein schlechtes Gewissen und entschuldigte sich bei seiner
Freundin.
*
An anderer Stelle saß Aurec auf einem Stein
und beobachtete den Dschungel, der fast vollständig niedergebrannt war.
Er dachte an Kathy. Er hatte sie kaum gekannt. Sie hatte ihm jedoch auf der BAMBUS
immer ein herzliches Lächeln geschenkt. Dann
war eine Welt für sie zusammengebrochen, ihre
Schwester war gestorben und sie war relativ allein. Aurec wollte sie beschützen und ihr helfen,
doch er hatte versagt!
Der Saggittone machte sich schreckliche
Vorwürfe und gab sich die Schuld für ihren Tod.
Eine Leere überkam ihn. Fast den Tränen nahe
versuchte er, sich abzulenken und sich nicht seinen Selbstvorwürfen hinzugeben.
9.
Abschied von einem alten
Mann
Ottilie Braunhauer torkelte durch die Gegend. Sie war wieder alkoholisiert. Inzwischen
war es ein Dauerzustand für die Terranerin, da
sie mit der Tatsache, daß ihr Mann bald sterben
würde, nicht zurecht kam.
Uthe Scorbit und Neve Prometh hatten an
diesem Morgen wieder Dienst. Sie unterhielten
sich über den fremden Angreifer.
»Ich mache mir auch Sorgen um Aurec«, gestand Neve.
»Warum? Er ist unsere größte Hoffnung.«
»Mag sein, doch er macht sich Vorwürfe,
weil so viele Gefangenen gestorben sind und
noch immer sterben und er nichts dagegen tun
kann.«
267
Plötzlich kam Ottlie Braunhauer in das Zelt
und fiel beinahe hin. Neve und Uthe wußten sofort, daß sie völlig betrunken war.
»Ich will zu meinem Vatichen«, erklärte die
alte Frau lallend und versuchte zu ihrem Mann
zu gehen, mußte jedoch von Neve gestützt werden.
Ottilie warf sich auf eine Liege, die neben
der ihres Mannes stand, und fing an zu schluchzen. Neve sah Uthe bedrückt an, die jedoch
immer weniger Mitleid für Ottilie empfinden
konnte. Sie hatte ihre giftige und arrogante Art
nicht vergessen.
Dennoch war sie kein Unmensch, ganz im
Gegenteil. Sie setzte sich neben Ottilie und
nahm sie in den Arm.
Karl-Adolf schlief noch.
»Wie kann er mir das antun? Dieser blöde Kerl! Was soll denn jetzt aus mir werden?«
schimpfte sie über ihren eigenen Mann.
Uthe überhörte diese Verwünschungen.
»Ach, Vatichen. Er war immer so ein gütiger
und netter Mensch. Es ist so eine Ungerechtigkeit. Am liebsten würde ich mit ihm gehen. Wir
beide wollen ja auf See beerdigt werden. Und
zwar Zuhause auf der Erde. Nicht hier. Hier soll
mein Vatichen nicht für immer ruhen...«
Neve und Uthe schwiegen. Karl-Adolf wurde wach. Wieder starrte er nur vor sich hin. Seit
zwei Tagen hatte er nicht gesprochen. Seit sieben Tagen waren sie nun schon auf dieser Welt.
Plötzlich stand Ottilie auf und wühlte in den
Taschen ihres Mannes. Sie durchstöberte seine
Brieftasche und entdeckte einige hundert Galax.
»Oh, wie schön. Da habe ich noch etwas
Geld. Das ist ja schön. Vatichen braucht die ja
nicht mehr«, sagte sie freudestrahlend.
Neve und Uthe sahen sich ratlos an. Diese
Frau war ihnen ein Rätsel. Erst bekam man mit
ihr Mitleid, im nächsten Moment betrieb sie an
den Sachen ihres Mannes Leichenfledderei, bevor dieser überhaupt tot war.
»Guck mal, Vatichen«, meinte sie.
Doch sie bekam keine Antwort. Der starre
Blick von Karl-Adolf war auf seine Frau gerichtet. Die blauen Augen sahen sie leblos an.
»Was siehst du mich denn so blöde an?«
meckerte sie.
D O R G O N
268
Uthe erschrak, als sie den Blick Braunhauers sah. Langsam ging sie zu Karl-Adolf Braunhauer hin. Seine Augen starrten ins Leere, sein
Blick war glasig.
Sie fühlte seinen Puls, doch da war nichts
mehr. Sein Herz schlug nicht mehr. Karl-Adolf
Braunhauer war tot!
10.
Der Beginn einer dunklen
Epoche
Aurec lief die Zeit weg, denn Taka Kudon
berichtete, daß sich Dscherroraumer auf den
Weg hierher befanden. Er hatte seinen Flottenadmiral Kullok angewiesen, nach einer Woche
nach den Dscherro zu suchen.
Kudon hatte ein gesundes Mißtrauen gegenüber allen Kreaturen. Das schien auch seine
Auftraggeber einzuschließen.
Damit war die Hoffnung, zuerst von Terranern oder Saggittonen gefunden zu werden, zunichte gemacht.
Der fremde Angreifer hatte sich seit zwei Tagen nicht mehr gemeldet. Seit seinem Angriff
auf die Dscherro im Dschungel. Warum setzte
er nicht sofort nach? Warum wartete er erst ab?
Auf diese Fragen hatten die Gestrandeten keine
Antwort.
Doch es würde noch schlimmer für sie kommen, denn ein weiteres Schiff befand sich auf
den Weg nach Xamour.
Die KARAN!
*
Kathy und Franczy hatten es rechtzeitig aus
dem Dschungel geschafft. Sie waren in die entgegengesetzte Richtung gelaufen.
Völlig außer Atem erreichten sie eine Lichtung.
»Machen wir eine kurze Pause«, bat Kathy.
Sie ließ sich auf einen Holzstamm nieder und
atmete tief durch.
Die beiden waren seit Stunden unterwegs
und hatten die Orientierung verloren. Hinter ihnen lag der rauchende Dschungel, vor ihnen ei-
Nils Hirseland
ne schroffe Steinwüste. Ihr Ziel war jedoch das
Gebirge, was auf der anderen Seite des brennenden Dschungels lag.
Sie mußten also einen Umweg machen, doch
sie hatten sich in der Steinwüste verirrt. Jetzt
hatten sie eine kleine Oase erreicht, mit einigen
Bäumen und einem kleinen Bach.
Franczy lief unruhig umher und stellte sicher, daß sie alleine waren. Kathy beobachtete
den Ertruser und sah in ihm immer noch eine
Art Retter, der sie beschützen würde.
Dann fiel ihr Augenmerk auf etwas Schimmerndes hinter den Bäumen.
»Sieh mal«, sagte sie und deutete in die
Richtung.
»Was?« wollte Franczy wissen, da sah er
auch, daß irgend etwas die Sonne reflektierte.
Der Umweltangepaßte war unbewaffnet. Eine Tatsache, die ihm nicht sonderlich gefiel. Er
nahm einen dicken Ast und ging langsam zu den
Bäumen um herauszufinden, was da die Sonne
reflektierte.
Es war ein Raumschiff!
*
Kathy und Franczy beschlossen, sich das
Raumschiff näher anzusehen. Es war hinter den
Bäumen versteckt und besaß die Form eines
Diskus’.
»Wem gehört das Schiff?« fragte sich Kathy.
Franczy schüttelte den Kopf. Er konnte
es nicht genau beantworten. Kathy beschlich
ein komisches Gefühl, daß irgend etwas nicht
stimmte. Kein Tier gab einen Laut von sich und
die feuchte, stickige Luft machte ihr zu schaffen.
Franczy suchte eine Einstiegsluke, fand jedoch nichts.
»Laß uns lieber gehen und nach den anderen
suchen«, schlug die Terranerin vor.
»Nein, ich will wissen, wessen Schiff das
ist!« meinte Franczy neugierig.
Kathy schüttelte nur den Kopf und lief unruhig auf und ab. Sie traute sich nicht näher an das
Schiff heran. Im Gegenteil, sie ging Schritt für
Schritt zurück.
Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Entsetzt
drehte sie sich um.
Auf Leben und Tod
D O R G O N
»Franczy!« schrie sie aufgeregt.
Aus dem Gebüsch kam eine schwarze Gestalt. Sie blieb für einen Moment stehen, als sie
die beiden Eindringlinge sah.
Dann ging Evspor langsam auf Kathy zu, die
jedoch weglief.
Franczy brach einen armdicken Ast vom
Baum, rannte brüllend zu dem Kyberklon und
schlug mit dem Ast auf ihn ein. Evspor wand
Franczy den Ast aus den Händen und zerbrach
ihn wie ein Streichholz.
Franczy stürzte sich auf die schwarze Kreatur und versuchte sie zu erwürgen. Ein sinnloses
Unterfangen, denn der Kyberklon war kräftiger
als der auch nicht gerade schwache Ertruser. Er
stieß ihn mühelos zu Boden.
Eine Hand des Schwarzen verformte sich zu
einem Greifhaken. Mit diesem holte er zum
Schlag auf Franczy aus, doch der wich aus und
versetzte dem Kyberklon einen Tritt, der ihn
ebenfalls zu Boden schickte. Franczy sprang
auf und hieb mit dem Ellbogen auf Evspors
Brust. Dessen Schutzpanzer verhinderte allerdings eine direkte Trefferwirkung.
Evspor schlug er mit dem Haken in Franczy
Rücken. Der Ertruser schrie laut auf und versuchte sich loszureißen. Es gelang ihm auch,
doch Evspor setzte nach und schlug mit seinem
Greifhaken in den Magen des Umweltangepaßten.
Dieser sackte zusammen und fiel auf die
Knie. Blut floß aus seinem Mund, doch er richtete sich wieder auf und kämpfte weiter.
Er packte die Hand des Kyberklon und brach
den Greifhaken ab. Nun besaß er eine Waffe und
setzte damit Evspor zu.
Kathy verfolgte entsetzt den Kampf und betete, daß Franczy gewinnen würde. Doch der
hünenhafte terranische Kolonist besaß keine
reale Chance gegen den Kyberklon. Evspor aktivierte seinen Antigrav und schwebte einen
Meter über Franczy, der wie wild mit dem
Greifhaken herumfuchtelte.
Langsam verließen ihn die Kräfte. Schweiß
rann ihm über die Stirn und seine Verwundungen machten ihm schwer zu schaffen.
Evspor wartete auf seine Gelegenheit. Als
Franczy einen Moment unaufmerksam war,
schlug dieser zu. Er stürzte mit seinen Beinen
269
auf den Ertruser und warf ihn zu Boden. Seine andere Hand verformte sich zu einer neuen Waffe, einen Vibrationsmesser. Er rammte es
Franczy in die Brust und durchbohrte ihn damit.
Der Ertruser hatte den Kampf verloren. Sein Leben wurde von dem Kyberklon beendet.
Kathy sah entsetzt dem Schauspiel zu und
versuchte davonzulaufen, doch Evspor war mit
seinem Antigrav schneller. Er landete direkt vor
der jungen Terranerin, die unsanft gegen ihn
prallte und zu Boden fiel.
»Was willst du von mir? Laß mich in Ruhe.
Ich habe dir doch nichts getan!« schrie Kathy
voller Angst.
»Gib mir Informationen über dein Volk und
ich werde dich vielleicht verschonen«, entgegnete Evspor in Interkosmo. Er hatte inzwischen
genügend Zeit gehabt, die Sprache zu studieren.
»Was willst du wissen?« Kathy strömten die
Tränen über das Gesicht. Sie hatte große Angst
um ihr Leben und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen.
»Wessen Anhänger des Chaos dient ihr?
Xpomol? Dem Dekalog der Elemente? Oder gar
MODROR? Sprich!«
»Ich kenne keinen einzigen von den Typen«,
antwortete Kathy wahrheitsgemäß.
»Wessen Allianz gehört ihr an? Rede!« forderte Evspor barsch.
Kathy hatte große Angst und konnte sich
kaum mehr beruhigen. Weinend und hastig atmend versuchte sie trotzdem, die Fragen des
Kyberklon zu beantworten.
»Wir sind Terraner... und gehören der Koalition Thoregon an... Wir kamen in die Galaxis Cartwheel, um in Auftrag der Superintelligenz DORGON gegen die Armeen von Cau
Thon und seinem Meister zu kämpfen«, berichtete sie. Sie war erleichtert, daß sie all das zusammenbekommen hatte.
Evspor schien für eine Weile zu überlegen.
»Cau Thon...«
Er legte eine seltsame Betonung in diesen
Namen.
»Wir haben dir nichts getan. Laß uns doch
endlich in Ruhe«, flüsterte sie und weinte bitterlich.
Evspor blieb jedoch unbarmherzig.
D O R G O N
270
»Ihr Terraner seid in das Hoheitsgebiet des
Kosmonukleotid TRIICLE-3 eingedrungen. Ihr
habt meine Warnungen mißachtet. Dafür werdet ihr den Zorn der Kosmokraten zu spüren bekommen.«
*
Einige Tage verstrichen. Seit zwölf Tagen
nun verweilten die Gestrandeten auf der seltsamen Welt, die so unterschiedliche Kontraste
bot.
Aurec lief unruhig an der Umzäunung für die
Gefangenen entlang. Er gehörte zu den privilegierten Geiseln, die sich frei bewegen durften.
Sie sollten wichtige Arbeiten für die Dscherro
erledigen, die auf die Ankunft ihrer Artgenossen warteten.
Wo sollten die Terraner, Saggittonen und Galaktiker auch hin fliehen? Aurec beobachtete
den Dschungel. Alles Leben war aus den Wäldern gewichen, doch der mysteriöse Angreifer
hatte seit Tagen nichts mehr von sich hören oder
sehen lassen.
Bis jetzt hatte ihn auch niemand zu Gesicht
bekommen. Er tötete schnell und präzise.
Aurec fühlte sich seitdem leer. Er gestand es
sich erst jetzt ein, doch die hübsche Terranerin hatte ihn in ihren Bann gezogen. Ihr sympathisches Lächeln, ihr attraktives Äußeres. Mehr
hatte er kaum von ihr kennengelernt. Mehr Zeit
war nicht gewesen.
Er hatte ihr versprochen, sich um sie zu kümmern, doch er hatte versagt. Nicht nur bei ihr,
bei allen. Er hatte den Tod der unzähligen Cartwheelern nicht verhindern können.
Er gestand sich selbst ein, versagt zu haben.
Hätte Perry Rhodan es anders gemacht? Was
wäre ihm eingefallen, um sie zu retten?
Aurec zweifelte an sich selbst, denn er wußte nicht, ob das ganze Projekt auf der Insel nicht
eine Nummer zu groß für ihn war. Er hatte auch
die Vernichtung Saggittors nicht verhindern und
nur einen Bruchteil seines Volkes mit nach Cartwheel nehmen können. Die Mehrzahl der Saggittonen war zurückgeblieben. Ihnen sollte von
DORGON geholfen werden. Nur mit diesem
Versprechen hatte Aurec sie zurück gelassen.
Er hatte gehofft, die richtige Entscheidung
Nils Hirseland
getroffen zu haben.
»Aurec?« fragte eine weibliche Stimme hinter ihm. Es war Neve Prometh.
»Neve...«
Sie ging zu ihm und beobachtete die Sterne. Sie wußte, daß Aurec sich selbst Vorwürfe
machte. Doch sie wußte nicht, wie sie ihm helfen konnte. Auch wenn der Saggittone mehr an
die Terranerin Kathy dachte, so hatte Neve Gefühle für ihn entwickelt. Doch sie ermahnte sich
selbst, nicht an so etwas zu denken.
Aurec besaß ebenfalls Gefühle für Neve. Um
es genau zu nehmen, fühlte er sich sowohl zu
Neve, Kathy als auch Anya Guuze hingezogen.
Doch er konnte sich für keine entscheiden und
wollte es ehrlich gesagt auch nicht, da seine
größte Sorge den Überlebenden galt. Er mußte
sie irgendwie retten. Doch wie?
Seine Gefühle waren dabei eigentlich nur
hinderlich, doch Aurec war keine Maschine. Er
mußte damit leben, auch wenn seine Gefühle in
einem sehr ungünstigen Moment kamen.
»Wie wird es weitergehen?« wollte Neve
wissen.
»Ich weiß es nicht. Wir können nur abwarten. Die Dscherro haben noch knapp 220 Männer. Sie zu überwältigen, dürfte uns schwerfallen und würde zu viele Leben kosten. Dieses Risiko will ich nicht eingehen. Es sind schon jetzt
zu viele gestorben.«
Ein bitterer Unterton lag in Aurecs Stimme.
Neve wußte, wen er damit speziell meinte.
»Es war nicht deine Schuld. Du konntest
nichts dagegen tun«, versuchte sie ihn zu trösten.
Der Saggittone überhörte sie einfach und
blickte weiter in die Ferne. Neve merkte, daß
er sich vor ihr verschlossen hatte.
Bedrückt und wortlos verließ sie den Prinzen
Saggittors, der sich selbst verwünschte. Traurig
vergrub er das Gesicht zwischen die Hände.
Er hörte aus der Ferne einen Streit zwischen
zwei Terranern. Langsam wurden die Stimmen
lauter.
»Ich habe keine Schminke hier. Ich werde
noch sterben«, zeterte Anya Guuze.
Ihr Freund Krizan Bulrich beschwerte sich
darüber, daß sie ohne Make-Up nicht mehr so
hübsch aussah. Deshalb entbrannte ein Streit.
Auf Leben und Tod
D O R G O N
Aurec schüttelte den Kopf. Anya Guuze paßte nicht zu ihm. Sie war ein einfaches und engstirniges Mädchen, das nur in ihrer kleinen Welt
leben konnte. In Gefahrensituationen wie dieser
machte sie sich noch um ihr Aussehen Gedanken.
Ein krachendes Geräusch ließ sie hochschrecken. Aurec blickte in den Himmel. Ein
helles Licht wurde immer größer bis es eine
Kontur annahm. Es war ein H-förmiges Raumschiff.
»Andrews!« brüllte der Saggittone.
Jonathan Andrews kam, so schnell er konnte,
angerannt und beobachtete ebenfalls das Raumschiff.
Aurec blickte ihn fragend an. Völlig außer
Atem kam Andrews zum Stehen. Er fixierte das
Objekt am Himmel und nickte unmerklich mit
dem Kopf.
»Die KARAN.«
Er blickte Aurec ernst an.
»Cau Thons Schiff!«
11.
Ankunft der Söhne des Chaos
Die KARAN machte keine großen Anstalten, unentdeckt zu bleiben. Das Schiff Cau
Thons landete direkt vor dem Lager.
Die Dscherro stürmten aus ihren Zelten. Leticron ging zu Taka Kudon und informierte ihn,
daß nun sein Auftraggeber angekommen war.
Leticron hielt sich zurück. Keiner der Anwesenden durfte vorzeitig herausfinden, daß er
ebenfalls ein Sohn des Chaos war.
Die KARAN hatte ihr Landemanöver beendet. Als die Luke aufging, schien ein rotes
Leuchten aus dem Schleusenraum des Raumers.
Zehn Kreaturen traten in zwei Reihen aus
dem Raumschiff. Sie waren alle in eine schwarze Rüstung gekleidet und ihr Kopf glich dem
Schädel eines Skeletts. Es war nicht festzustellen, ob es lediglich ein Helm oder tatsächlich
der Kopf der Kreaturen war.
Sie bildeten eine Gasse und salutierten. Dann
kamen die beiden Söhne des Chaos aus der KARAN.
271
Zuerst Goshkan. Bei seinem Anblick kehrten
in Andrews Wut und Haß zurück. Er hatte die
schrecklichen Augenblicke in der Galaxis Zerachon nicht vergessen, an denen Goshkan die
Schuld trug.
»War das nicht der Kerl, der dein Bauernmädchen umgelegt hat?« erkundigte sich Marya
taktlos.
Andrews wären beinahe die Tränen gekommen, denn er hatte die schrecklichen Bilder von
Jerates Leichnam immer noch vor Augen.
Hinter Goshkan kam dann der Meister selbst
– Cau Thon!
Langsam und bedrohlich schritt er den ausgefahrenen Laufsteg hinunter. Er trug seine
schwarze Montur und hielt den Caritstab in der
rechten Hand. Bei jedem zweiten Schritt stieß
er damit auf den Boden auf, was ein häßliches
Geräusch machte.
Er hielt vor Taka Kudon und Vendor an. Sein
Blick schien die zwei Dscherro zu durchdringen. Eine Weile starrten sich beide Parteien nur
an, dann endlich verbeugte sich Taka Kudon
und zollte damit dem Sohn des Chaos den gebührenden Respekt.
»Berichte, Dscherro!«
»Wir haben etwa viertausendfünfhundert
Gefangene, darunter auch zwei Mitglieder des
Paxusrates – Nor’Citel und Aurec. Ebenfalls
unter unseren Gefangenen sind Jonathan Andrews, Remus und Uthe Scorbit, Mathew Wallace, Irwan Dove und der Posbi Lorif.«
Taka Kudons Brust schwellte vor Stolz an.
Cau Thon blieb unbeeindruckt.
»Wo sind eure Schiffe und warum seid ihr
hier gestrandet?«
Taka Kudon wußte nicht, was er sagen sollte. Er gab einen Grunzlaut von sich und redete
etwas unverständliches.
Cau Thons Blick schien ihn zu durchdringen.
Der Dscherro hatte große Angst vor der Präsenz
des Sohnes des Chaos.
»Wir... wir wurden angegriffen«, erklärte er
leise.
»Von wem?«
»Keine Ahnung.«
»Ist das Problem beseitigt?«
»Nein.«
Cau Thons Miene verfinsterte zusehends.
272
D O R G O N
»Ihr scheint wenig zu wissen, ihr gehörnten Narren! Goshkan, du kümmerst dich um das
Problem. Ich gehe in die Wüste und will ungestört bleiben. Berichte mir erst, wenn die Störung beseitigt ist.«
Goshkan bestätigte die Befehle seines Meisters und Bruders des Chaos, der sich umdrehte und einen einsitzigen Fluggleiter betrat. Cau
Thon aktivierte die Triebwerke und flog mit einem ohrenbetäubenden Lärm davon.
Goshkan wandte sich den Dscherro und den
Gefangenen zu. Er schien diesen Augenblick
zu genießen. Jezzica Tazum bekam es mit der
Angst zu tun. Sie suchte Jonathan Andrews Nähe, was Marya wenig erfreute.
Aurec musterte den Katronen. Bis jetzt kannte er Goshkan und Cau Thon nur vom Hörensagen. Nun stand er ihnen gegenüber. Außer der
Besatzung der TERSAL hatte kein menschliches Wesen jemals Kontakt mit Cau Thon gehabt. Der Saggittone wußte nicht, wie sehr er
sich irrte, denn Cauthon Despair, seine Eltern
sowie die Wissenschaftler der HAWKING und
natürlich Leticron waren Cau Thon bereits begegnet.
Der rote Sohn des Chaos hatte Aurec und die
anderen nicht sonderlich beachtet. Ihn schien
vielmehr etwas anderes zu interessieren. Irgend
etwas auf diesem Planeten.
»Soso, Jonathan Andrews ist auch hier«,
sprach Goshkan überlegen. Er stemmte seine
kräftigen Hände in seine stark gebauten Hüften.
Andrews ermahnte sich selbst, die Ruhe zu
bewahren. So hatte es Gal’Arn ihn in den wenigen Monaten gelehrt. Er war noch lange nicht
reif, ein Ritter der Tiefe zu werden. Dessen war
sich Jonathan durchaus bewußt, doch jetzt mußte er zeigen, was in ihm steckte.
Goshkan ging langsam zu dem Orbiter
Gal’Arns und musterte ihn abfällig von oben
bis unten. Die spitzen Stoßzähne drangen beinahe in das Fleisch des Terraners ein und der
üble Gestank von Goshkans Atem drang in Jonathans Nase.
»Sie hat fürchterlich geschrieen, als ich ihr
die Gedärme herausschnitt«, flüsterte das diabolische Wesen in Anspielung auf Jereta, dem
Bauernmädchen in der Galaxis Zerachon. Er
wollte Andrews provozieren. »Weißt du, es ist
Nils Hirseland
manchmal ziemlich anstrengend, das Chaos zu
vertreten. Viele Entbehrungen und Pflichten.
Zuweilen jedoch ist es das reinste Vergnügen.«
Andrews bebte innerlich, doch er dachte immer wieder an Gal’Arn, der in dieser Situation
bestimmt die Kontrolle über sich behalten würde.
Goshkan blickte nach links und rechts. Dort
entdeckte er Marya und Jezzica. Er grinste satanisch und ging auf Marya zu.
»Wer ist denn jetzt dein Weibchen? Sie?«
Marya zitterte vor Angst und traute sich
nicht einmal zu atmen.
Andrews schüttelte nur den Kopf. »Ich habe
keine Freundin, Goshkan.«
Der Riese nickte schwach mit dem Kopf. Er
hielt Marya die Klinge an die Kehle. Andrews
war sofort bereit dazwischen zu springen. Die
Atmosphäre war geladen.
Tränen strömten über Maryas Gesicht. Sie
hatte große Angst, jetzt zu sterben und machte
einen verhängnisvollen Fehler.
»Jonathan, hilf mir doch. Ich will nicht sterben. Liebst du mich denn nicht?«
Goshkan lachte über die Naivität der jungen
Terranerin.
»Keine Freundin? So? Dann wird es dir wohl
nichts ausmachen, wenn ich ihre Kehle durchschneide?«
»Nein!« rief Andrews und stellte sich schützend vor seine Freundin.
Jezzica beobachtete das Schauspiel ruhig. Im
Gegensatz zu Marya wünschte sie ihrer Rivalin
nicht den Tod.
Goshkan ließ von den beiden ab und lief zu
Taka Kudon.
»Berichte über den fremden Feind?«
Taka Kudon erzählte, was er wußte, es war
aber nicht sonderlich viel.
Goshkan zuckte vor Wut zusammen, als er
hörte, daß die Dscherro bis jetzt zehn Raumschiffe und knapp zweihundert Mann auf diesem Planeten verloren hatten. Goshkan hatte
nur etwa hundert Soldaten auf der KARAN.
Er beschloß, den fremden Feind außer Acht
zu lassen, und lief mit dem Anführer der
Dscherro alleine durch das Lager.
»Ich will Aurec, Andrews, die Scorbits, Wallace, Lorif und Dove gesondert sehen. Sie ste-
Auf Leben und Tod
D O R G O N
hen ab sofort unter strengster Bewachung. Cau
Thon wird sich ihrer persönlich annehmen«, erklärte Goshkan.
Taka Kudon nickte unterwürfig.
»Was wird aus den restlichen Geiseln?«
Goshkan grinste.
»Du sagtest, Hilfe sei im Anflug?« sprach
der Katrone. »Bringe sie wieder zurück nach
Cartwheel. Dort wird Nor’Citel als gefeierter
Held die Rettung der Wesen bekanntgeben. Du
wirst dich offiziell entschuldigen und von deinem Amt zurücktreten.«
Kudon war damit nicht einverstanden. »Aber
was soll dann aus mir werden?«
»Du kannst ja weiterhin regieren. Jedoch aus
lediglich aus der hinteren Reihe. Eine fürstliche
Belohnung wartet ebenfalls auf dich und deine
Artgenossen.«
Diesmal hatte Kudon nichts mehr einzuwenden. Er glaubte dem Sohn des Chaos.
Doch die Brüder des Chaos hatten andere
Pläne mit Taka Kudon. Sowohl er als auch seine
eingeweihten Untergebenen würden Cartwheel
niemals mehr lebend betreten.
12.
Evspors Angriff
Die Dscherro selektierten die Gefangenen.
Sicherheitsbeamte, Besatzungsmitglieder der
BAMBUS und die Helden aus Dorgon und Zerachon wurden in ein Extralager gesteckt, während die normalen Geiseln weiter in die dafür
vorgesehenen Baracken untergebracht wurden.
Goshkan hatte alle Dscherro angewiesen,
kein Blut mehr zu vergießen. Ein Befehl, der
dem Katronen selbst schwergefallen war, doch
sein Meister Cau Thon hatte es ihm befohlen.
In den letzten Monaten hatte Goshkan viel
Disziplin und Selbstbeherrschung aufbringen
müssen. Doch diese hinzugewonnenen Attribute machten ihn um so gefährlicher.
Vendor sollte die besonderen Gefangenen
bewachen. Grimmig musterte er sie und hätte
sie sofort getötet, doch er durfte sich nicht den
Befehlen widersetzen.
Dove, Wallace und Lorif kauerten in einer
Ecke und überlegten, wie sie entkommen konn-
273
ten. Selbst der sonst so geschwätzige Posbis
enthielt sich.
Jonathan Andrews tröstete Marya und Remus Scorbit kümmerte sich um seine Frau. Yasmin Weydner kauerte bei den Scorbits und trauerte um den Tod ihrer Freundin. Sie hatte sich
völlig zurückgehalten und wirkte fast apathisch.
Remus konnte nicht beantworten, wo Anica und
Jaquine waren. Auch Helge von Hahn hatte er
aus den Augen verloren.
Jezzica Tazum saß mit Krizoff, Ferby, Abfallhaufen, Darvos, Katschmarek, Reiko, Roehk
und Niesewitz am anderen Ende des Raumes.
Aurec lief unruhig umher und blickte auf den
abgebrannten Dschungel. Noch immer loderten
einzelne Brände, und ein schwarzer Rauch zog
über den einstigen Hort des Lebens.
Plötzlich tauchte eine humanoide Gestalt aus
dem Dschungel auf. Sie lief hastig in Richtung
Camp.
»Seht mal«, rief Aurec.
Sofort rannten einige zum Fenster und entdeckten ebenso schnell die junge Frau, die immer näher kam. Sie trug eine weiße Flagge mit
sich und hielt sie hoch. Damit symbolisierte sie,
daß sie in Frieden kam.
»Kathy«, sagte Krizoff.
Aurec glaubte nicht daran. Doch es war tatsächlich Kathy Scolar. Sie lebte! Zuerst wollte
er die Wachen rufen, doch als er Vendor sah,
schwieg er lieber.
In diesem Moment brachte Goshkan, von
zwei der mysteriösen Skelettsoldaten eskortiert,
Nor’Citel von einem »Verhör« zurück. Tatsächlich hatten die beiden Söhne des Chaos ihre
weitere Vorgehensweise besprochen.
Leticron spielte den Erschöpften und warf
sich auf eine Liege, die beinahe unter dem
Druck zusammenbrach.
»Goshkan!« rief Taka Kudon aufgeregt und
eilte zu dem Katronen.
»Was gibt es?«
»Eine Terranerin mit weißer Flagge ist
aus dem Dschungel aufgetaucht. Sie sagt, sie
kommt in Frieden und im Auftrag des fremden
Angreifers«, erklärte der Dscherro hastig.
Goshkan musterte die Terranerin, die erschöpft auf den Boden sank und beinahe das
Bewußtsein verlor.
274
D O R G O N
»Bringt sie her!« befahl er.
Zwei Dscherro packten Kathy und schleppten sie zum Zellentrakt. Aurec war erleichtert
sie wiederzusehen. Für einen kurzen Moment
wechselten sie einen Blick.
Krizoff versuchte, sie zu erreichen. »Kathy,
alles in Ordnung?«
»Schweig!« brüllte Vendor und schlug dem
Olymper ins Gesicht.
Schreiend fiel Krizoff auf den Rücken und
hielt sich die blutende Nase.
»Sprich«, forderte Goshkan Kathy auf, doch
sie atmete nur schwer und versuchte die Erlebnisse zu verarbeiten.
»Rede!« rief Goshkan lauter und trat sie zu
Boden. Er zog einen Dolch und hielt ihn ihr an
die Halsschlagader.
»Hör auf!« forderte Aurec. Sofort ließ Goshkan Kathy los und packte den Saggittonen.
»So, der große Aurec hat das erste Mal mit
mir gesprochen. Ich habe schon viel von dir gehört und es wäre mir eine Ehre, dich sofort zu
töten«, schnaubte der Katrone.
Aurec blieb gelassen.
»Du benimmst dich wie ein Elefant im Porzellanladen. Laß mich mit ihr reden«, meinte
Aurec besonnen.
Goshkan dachte kurz nach, dann wies er
Vendor an, die Stahlgittertür zu öffnen. Der
Dscherro tat dies nur widerwillig. Er bebte innerlich und konnte sich nicht mehr lange zurückhalten. Vendor war eine tickende Zeitbombe. Wann würde sie detonieren?
Aurec ging langsam aus der Zelle hinaus und
beugte sich über Kathy. Behutsam streichelte er
ihr über das Haar und half ihr auf. Sie weinte
bitterlich.
»Ganz ruhig. Alles ist gut. Du bist jetzt wieder bei uns«, flüsterte Aurec beruhigend. Er
setzte sich mit ihr auf eine Liege und hielt sie
in den Armen.
Goshkan widerte dieses Bild an. Er verabscheute die Schwäche dieser Wesen. Sie nannten es Liebe, Freundschaft und Zuneigung.
Goshkan kannte diese Tugenden nicht und war
stolz darauf.
Als sich Kathy langsam beruhigt hatte, begann sie zu erzählen: »Stony und Franczy sind
tot. Dieser Evspor hat sie getötet.«
Nils Hirseland
»Wer ist Evspor?« forschte Aurec nach.
»Er ist der Angreifer. Ein künstliches Wesen in einer schwarzen Rüstung, soweit ich das
sehen konnte. Ich soll euch folgende Nachricht
von ihm ausrichten: Evspor ist der Wächter des
Kosmonukleotids TRIICLE-3. Er fordert euch
auf, sofort die Welt zu verlassen. Ansonsten
wird euch der Tod ereilen«, gab sie mit belegter
Stimme wieder.
Aurec blickte zu Goshkan, der überlegen
lachte.
»Ein Wesen gegen eine Horde Dscherro und
meine Elitesoldaten. Ein ungleicher Kampf,
fürchte ich. Hackt der Terranerin den Kopf ab
und schreibt mit Blut ›nein‹ auf ihre Stirn«, befahl Goshkan.
»Niemals!« rief Aurec und stellte sich schützend vor Kathy.
»Du hast Mut, Aurec! Doch der wird dir
auch nichts mehr nützen«, brüllte Goshkan und
zog seinen Caritsäbel.
Bevor er jedoch zuschlagen konnte, erschien eine Holographie von Cau Thon direkt vor
seinem Bruder des Chaos.
»Halt ein, Goshkan. Unser Meister wünscht
Aurec lebendig zu besitzen. Das Weibchen
kann leben. Bringe Aurec und die anderen zu
der Ruinenstadt. Dort soll die KARAN auf mich
warten«, sprach Cau Thon.
Es erschien eine Karte mit den Koordinaten
der Stadt, dann wurde die Verbindung von Thon
unterbrochen.
Goshkan steckte den Säbel wieder in seine
Halterung und brummte unzufrieden. Er befahl
Vendor Aurec und die anderen zur KARAN zu
bringen.
Er nahm sich vor, dieser Kathy Scolar bei
nächster Gelegenheit eigenhändig die Haut vom
Körper abzuziehen.
*
Kathy wurde zu den anderen gebracht, während Aurec, die Scorbits, Weydner, Andrews,
Wallace, Dove und Lorif von Vendor aus der
Zelle gebracht wurden.
Der Saggittone wunderte sich, warum
Nor’Citel nicht mitgenommen wurde. Der Pa-
Auf Leben und Tod
D O R G O N
riczaner lag immer noch auf der Liege und tat
so, als ob er schlief.
Vendor grunzte und schnaubte. Sabber floß
aus seinem Mund, die Augen waren blutunterlaufen.
»Geht zur KARAN. Ich kümmere mich derweilen um die anderen«, sprach er und befahl zwei Dscherros die Geiseln zu Cau Thons
Schiff zu bringen.
Als die Dscherro gegangen waren, zog er seine Axt und öffnete die Zellentür. Er ging zu Jezzica Tazum, die ängstlich aufschrie. Gerade, als
er zuschlagen wollte, erschütterte eine Detonation das Gebäude.
Weitere Explosionen folgten. Aurec und die
anderen nutzten die Gelegenheit, um die beiden
Dscherro unschädlich zu machen.
Wallace blickte in den Himmel. Dort flog der
Diskusraumer und bombardierte das Lager. Das
mußte Evspor sein. Anscheinend hatte er geahnt, daß die Dscherro nicht abziehen würden.
»Los, raus hier!« rief Aurec den anderen in
der Zelle zu.
Vendor drehte sich um und rannte schreiend auf den Saggittonen zu, der dem tödlichen
Schlag mit der Axt auswich. Dann packten Darvos und Dove den wilden Dscherro und konnten
der Bestie die Axt entreißen.
Sie schlugen ihn nieder und schlossen ihn in
der Zelle ein. Vendor sprang auf und rüttelte wie
ein wildgewordener Gorilla an den Stäben.
»Ihr kommt nicht weit. Ich finde euch und
werde euch töten! Ihr seid tot. Tot! Tot! Tot!«
Aurec hörte dem Dscherro schon gar nicht
mehr zu. Sie versuchten, irgendwo Schutz vor
den Bomben des Raumers zu finden.
Zuerst beschoß Evspor nur die Dscherro,
doch dann schoß er auch auf die Gefangenen
im Lager. Die KARAN stieg auf und beschoß
den Diskusraumer, der an Höhe gewann und
den Angriff auf das Lager einstellte.
Goshkan und Evspor lieferten sich eine
atemberaubende Verfolgungsjagd quer über den
Planeten.
»Los jetzt«, rief Aurec und rannte mit den
anderen zu den Baracken.
Sie erbeuteten ein paar Waffen von toten
Dscherros. Dann stoppte Aurec und ging zu
Darvos.
275
»Hol die Waffen aus dem Versteck in der
BAMBUS.«
Der Oxtorner nickte und lief mit Wallace,
Dove und Lorif los.
Andrews und Aurec öffneten die Zellentüren. Drei Dscherro kamen angelaufen, doch der
Terraner und der Saggittone waren schneller.
Mit den erbeuteten Waffen schossen sie die drei
Gehörnten nieder und befreiten dann die Geiseln.
»Lauft zur BAMBUS und bewaffnet euch«,
befahl Aurec, doch da kamen bereits die Skelettsoldaten und umzingelten zusammen mit
den Dscherro die Cartwheeler.
Aurec erkannte, daß die Lage für sie momentan aussichtslos war. Er ließ seine Waffe fallen,
die anderen taten es ihm gleich. Der Ausbruchsversuch war fehlgeschlagen.
»Unsere Brüder!« rief Taka Kudon. Plötzlich
tauchten zwanzig Dscherroraumer im Orbit von
Xamour auf.
Aurec senkte den Kopf. Die Schlacht war
verloren. Nun hatten sie keine Chance mehr.
Vendor kam angerannt und stieß Aurec zu
Boden. Er schlug wie wild auf ihn ein. Kathy
warf sich dazwischen und versuchte die Bestie
davon abzuhalten, doch sie wurde mit einem
Schlag ebenfalls zu Boden geworfen.
Jetzt griff auch Andrews ein, doch die anderen Dscherro hielten ihn zurück. Vendor nahm
seine Axt und hielt sie direkt über Aurecs Kopf.
»Jetzt stirbst du, du mieser dreckiger Saggittone. Stirb!« brüllte Vendor. Seine Stimme
überschlug sich, sein Körper vibrierte und Speichel rann über sein Kinn.
*
Aurecs sah sein Ende gekommen. Er blickte auf die spitze Klinge der Axt und schloß
mit seinem Leben ab. Plötzlich explodierte eines der Dscherroraumer. Ein lautes Aufschreien
ging durch die Massen. Was war nun passiert?
Ein Kugelraumer wurde sichtbar. Es war ein
terranischer Raumer. Auf dem Ringwulst stand
TAKVORIAN II.
Jubel ging durch die Reihen der Geiseln.
Plötzlich tauchten immer mehr terranische
276
D O R G O N
Space-Jets und Raumer auf. Doch auch saggittonische Schiffe und Adlerschiffe der Dorgonen
waren dabei. Sie jagten die Dscherroraumer im
Orbit und lieferten sich eine Schlacht mit ihnen.
Die TERSAL und einige Space-Jets steuerten auf das Lager zu. Die Dscherro waren wie
gelähmt. Einige Schourchten landeten ebenfalls
und verstärkten die Truppen Taka Kudons.
»Sofort angreifen!« rief der Taka. Er konnte
nicht verstehen, was passiert war. Die Situation
war seit dem Angriff Evspors außer Kontrolle
geraten.
Seine Dscherro wußten die Koordinaten des
Systems, wo er sich mit Cau Thon treffen sollte.
Deshalb waren sie als Sicherheit gefolgt. Doch
warum wußten die Terraner davon?
»Feuer!« brüllte Dove und Wallace, Darvos
und Lorif schossen auf die Wachen um Aurec
und die anderen.
Zwei Space-Jets der Terraner und drei saggittonische und dorgonische Fähren landeten.
Etliche Soldaten stürmten heraus und begannen
sofort auf die Dscherro und Skeletteinheiten zu
feuern.
Die TERSAL landete direkt neben dem
Schlachtfeld. Andrews lächelte erleichtert. Er
stürmte zu dem Schiff, aus dem sofort Gal’Arn,
Jaktar, Gucky und Jan Scorbit stürmten. Einige
Dscherro hielten auf sie zu, doch Gucky wischte sie mit einem telekinetischen Impuls einfach
weg.
Gal’Arn zog sein Caritschwert und stürzte sich in das Getümmel. Andrews rannte zu
ihm, wollte ihn umarmen, doch ein paar Dscherro störten die Begrüßung. Problemlos konnte
Gal’Arn sie bezwingen.
»Ich freue mich, dich lebend wiederzusehen«, sagte Gal’Arn völlig außer Atem.
»Wie habt ihr uns gefunden?« wollte Andrews wissen.
»Ein Leichtes. Die Dscherro hatten den Fehler gemacht, ihren Nachschub zu offensichtlich
gemacht. Wir haben dies entdeckt, durch Gucky
den Kommandanten überprüfen lassen und sind
ihnen hierher gefolgt.«
Die Dscherro wurden aus dem Bereich des
Lagers zurückgedrängt. So entstand für eine
Weile eine Ruhepause.
Aurec zeigte sich erfreut, Gal’Arn und
Nils Hirseland
Gucky zu sehen. Der Mausbiber ging zu Kathy,
da er spürte, wie angeschlagen sie war.
»Hey, Kleines! Aufgepaßt, denn hier kommt
nicht der Terminator, auch nicht der Herminator
oder Nominator, sondern der Guckynator, der
Retter des Universums, der Überall-ZugleichTöter, kurzum Lt. Guck meldet sich zu Stelle«,
sagte Gucky und salutierte kurz.
Kathy mußte lachen. Damit hatte der Ilt sein
Ziel erreicht.
»Jetzt wo ich dich gerettet habe, kannst
du mich ruhig etwas hinter den Ohren kraulen«, meinte der kleine pelzige Unsterbliche
und setzte sich auf den Schoß der Terranerin.
Kathy ließ sich dies nicht zweimal sagen.
Jan Scorbit begrüßte seinen Bruder und seine
Schwägerin mit einer Umarmung.
»Wo sind Anica und Jaquine?« wollte er wissen.
»Keine Ahnung«, gestand Remus ein.
Sie blickten sich um. Da kamen die beiden. Sie waren jedoch in Begleitung von Ottilie
Braunhauer und Inge Bohmar.
»Komm’, Bandit«, sagte Anica.
Remus starrte sie ungläubig an.
»Seht mal, die Tante hat einen unsichtbaren
Hund«, meinte Anica.
Remus schüttelte den Kopf.
Yasmin Weydner kam angestürmt und fiel
mehrmals auf den Boden. Jan rannte zu ihr und
half ihr hoch. Er befahl, sie und die beiden
Zechonninen sofort in Sicherheit zu bringen.
Zwei Soldaten brachten sie zu einer Space-Jet.
Plötzlich landeten weitere Fähren der
Dscherro im Lager. Bis an die Zähne bewaffnete Soldaten stürmten heraus und verwandelten
das Lager erneut in ein Schlachtfeld.
»Bringt die Geiseln in Sicherheit, ich werde
Cau Thon suchen«, erklärte Aurec.
Er rannte zu einem Gleiter und stieg ein. Er
kannte zwar die Koordinaten, doch der Saggittone wußte nicht, was ihn dort erwarten würde.
13.
Die Schlacht um Xamour
Gal’Arn wies sofort an, die Geiseln in Gleiter und Space-Jets zu bringen.
Auf Leben und Tod
D O R G O N
»Einige der Leute sollen die Gleiter benutzen. Die TAKVORIAN wird hier landen und sie
dann aufnehmen«, rief Gal’Arn.
Yan Cruze lief ihnen hinterher. Doch der
schwergewichtige Terraner stolperte über seine eigenen Füße. Ein Dscherro flog auf ihn zu
und Cruze schrie vor Angst. Gucky erkannte
das und rettete den Mann in letzter Sekunde.
»Ich will nicht sterben!« jammerte er.
»Wow. Ich kann Bully nicht länger Dicker
nennen, wenn ich dich so sehe, mein Schwabbeliger«, scherzte Gucky und richtete Cruze telekinetisch auf.
»Sehr witzig, du Maus!« meckerte Cruze abfällig.
»Na warte! So was wird mit zwanzig Jahren
Diät bestraft«, konterte Gucky.
Dann hob er Cruze hoch und schob ihn zur
nächsten Space-Jet. Jedoch ließ er ihn direkt vor
einem Schlammloch fallen. Völlig verdreckt
rappelte sich Cruze hoch und stieg in das sichere Raumschiff. Gucky lachte herzhaft.
Dann machte sich der Ilt daran, so viele Menschen und Wesen wie möglich in die
Space-Jets zu transportieren, während die Cartwheeler sich ein erbittertes Duell mit den
Dscherro lieferten.
Remus Scorbit hatte sich mit Mathew Wallace und Jonathan Andrews hinter einem Haus
verschanzt. Einige Geiseln rannten in ihre Richtung. Remus geleitete sie zu einem der Raumer.
Er erkannte unter den Geiseln auch Helge von
Hahn.
»Hey, mein Freund«, rief von Hahn.
Remus war froh, daß er noch lebte.
»Gib mir eine Waffe«, forderte Helge. Remus kam dem Wunsch nach. Ein seltsames
Leuchten bemerkte er in Helges Augen als er
die Waffe entsicherte. Dann schoß er los und
streckte drei Dscherro nieder.
»Ja!« brüllte Hahn voller Freude.
Ferby und Reiko sicherten sich einen Gleiter.
Sie riefen Krizoff, Kathy, Jezzica und DJ Abfallhaufen zu sich.
»In dem Ding sind wir sicher«, erklärte er.
Auch Darvos lief zu dem Gleiter. Damit
war die verbliebe BAMBUS-Crew komplett.
Doch viele ihrer Freunde hatten bereits ihr Leben gelassen. Kathys Schwester Bienya, Reikos
277
Freundin Haggy, Stony, Franczy und unzählige
andere.
Sie waren alle mit großen Träumen zur
BAMBUS gekommen. Jeder hatte eine unvergeßliche Party, viel Geld und vielleicht ein sexuelles Abenteuer erwartet. Niemand hatte geahnt, daß sich der Flug der BAMBUS zu einem
Höllentrip entwickeln würde. Und es war noch
nicht vorbei.
Plötzlich stürmte Vendor in den Gleiter. Er
schlug Krizoff bewußtlos und stach mit seinem
Horn in Darvos Schulter. Danach bedrohte er
sie mit einer Waffe.
»Folgt Aurecs Gleiter!« befahl er.
Ferby hörte auf den wildgewordenen
Dscherro. Jedes falsche Wort konnte das letzte sein. Er startete den Gleiter und nahm die
Verfolgung auf. Vendor packte Kathy.
»Ich werde zuerst deinen geliebten Aurec umbringen und dich dann langsam zerstückeln«, versprach Vendor haßerfüllt.
*
Die Schlacht tobte weiter. Die TAKVORIAN II hatte jedoch alles unter Kontrolle.
Die zweihundertzwanzig Dscherroschiffe hatten keine große Chance gegen die überlegene
Technik der Terraner, Saggittonen und Dorgonen.
Die ersten zwanzig Schiffe der Dscherro, die
Taka Kudon zu Hilfe kommen wollten, wurden
auf Anhieb vernichtet.
Cascal stand gespannt auf der Kommandobrücke der TAKVORIAN II und beobachtete
die Schlacht.
»Wir haben zwei Raumer verloren, Sir! Meldete Coreene Quon, sein Erster Offizier. Die rotblonde Plophoserin war bereits auf der ersten
TAKVORIAN dabei gewesen, wie der Großteil
der Besatzung auch.
Dank Cascals rechtzeitiger Evakuierung
beim Angriff der Adlerschiffe hatte er die Besatzung retten können. Deshalb dienten sie mit
Stolz unter dem Veteran aus Zeiten des Solaren
Imperium, der ein ausgezeichneter Kommandant war.
»Das sind jetzt sieben Schiffe, die wir verloren haben. Die Dscherro hingegen haben sieb-
D O R G O N
278
zig eingebüßt. Der Kampf dürfte nicht mehr
lange dauern«, meinte Cascal.
Er lief zu Coreene Quon und lehnte sich an
ihr Pult.
»Fragt die Dscherro erneut, ob sie kapitulieren wollen. Wir können dann endlich dieses
sinnlose Morden beenden«, erklärte er.
Die arrogante Antwort der Dscherro war ein
»Nein«. Sie kam von Taka Kudon persönlich,
der inzwischen auf eines der Raumschiffe gewechselt war.
»Gut, daß sie ihre Burg nicht hier haben«,
murmelte Cascal und studierte die Kontrollen.
Auf dem Radar konnte er verfolgen, daß sich
etwa zehn Dscherroraumer absetzten und wieder den Planeten anflogen.
»Sie wollen wieder Geiseln nehmen«, vermutete Cascal überrascht.
Er befahl Coreene Quon, die Schiffen sofort zu verfolgen. Serakan übernahm jetzt mit
der SAGRITON das Kommando über die Streitkräfte.
Die Dscherro hatten die Schlacht verloren,
doch sie wollten so viele Gegner wie möglich
mit in den Tod nehmen.
14.
Die alte Stadt
Aurec hatte die Ruinenstadt erreicht. Er hielt
den Gleiter an und sah sich um. Eine gespenstische Stille beherrschte diesen Ort.
Die Trümmer lagen in einer schroffen Sandwüste. Die Bauten erinnerten den Saggittonen
an terranische Architektur. Viele Hochhäuser
und Wolkenkratzer, Transitbahnen und Pilzhäuser. Vielmehr ihre Ruinen.
Langsam stieg er aus und ging los. Das Laufen fiel ihm schwer, denn überall lag Geröll.
Kaum Pflanzenbewuchs war zu sehen, nicht
einmal Unkraut.
Ferby, Kathy, Jezzica, Abfallhaufen, Krizoff,
Darvos und Reiko entstiegen nun ebenfalls den
Gleiter, um sich umzusehen.
Aurec kam dieser Ort sehr unheimlich vor.
Die blaue Sonne verschwand hinter dem Horizont und die rote Sonne beherrschte nun das
Licht. Es wurde plötzlich sehr dunkel.
Nils Hirseland
Sie aktivierten ihre Lampe, die sie wohlweislich aus dem Gleiter mitgenommen hatten.
Was mochte wohl hier passiert sein? überlegte Aurec.
Die Ruinen zeugten von einer längst vergangenen Kultur. Was hatte Cau Thon damit zu
tun? Warum wollte er unbedingt hierher?
Aurec nahm sich vor, es herausfinden. Doch
dazu mußte er erst einmal Cau Thon finden. Das
dürfte sicherlich nicht einfach sein.
Langsam wanderte die Gruppe durch die
Ruinen und suchte nach einem Eingang oder eine Höhle. Bisher fanden sie nichts, aber auch
nichts, was auf die Art der Kultur deutete. Diese Ruinen mochten bereits seit vielen Jahrtausenden hier stehen, vieles schien vom Wind und
Regen vernichtet worden zu sein.
Für einen kurzen Moment hatte Aurec das
Gefühl, als hätte er einen kalten Windzug gespürt, der an ihm vorbeihuschte. War das Cau
Thon?
Ein Gleiter kam in Sichtweite, hielt auf die
Gruppe zu und stoppte dann. Aus dem Gefährt
sprang Vendor. Der Dscherro brüllte »Koscha«
und rannte, seine Axt schwingend auf die Gruppe zu.
Aurec zog seinen Thermostrahler und schoß
damit auf den Dscherro, doch dieser wich gekonnt aus und zerrte Kathy zu sich.
Aurec schoß erneut, traf jedoch den Gleiter.
Als er realisierte, daß er so Kathys Leben in Gefahr brachte, warf er die Waffe weg.
Vendor grinste breit. Er ließ die Terranerin
los, so daß sie auf den Boden fiel und nahm seine Axt in beide Hände.
»Jetzt zerfetze ich dich«, schrie der wahnsinnige Dscherro und schwang die Waffe durch die
Luft.
»Lauft weg«, rief Aurec zu den anderen, die
sofort den Anweisungen folgten.
Ferby, Kathy, Jezzica, Abfallhaufen, Krizoff,
Darvos und Reiko flohen in eine der Ruinen,
während Aurec seiner bis dato größten Herausforderung gegenüberstand.
*
Auf Leben und Tod
D O R G O N
Die TAKVORIAN II konnte einige der
Raumer abfangen, die auf das Lager zusteuerten. Doch drei von ihnen brachen durch und flogen so tief, daß man sie nicht beschießen konnte, ohne die Geiseln zu gefährden.
»Verdammt!« knirschte Cascal.
Er nahm sofort Funkverbindung mit Gal’Arn
auf.
»Wie viele sind noch unten?«
»Zu viele. Wir haben erst knapp die Hälfte
evakuieren können«, erklärte der Ritter der Tiefe. »Ihr dürft unter keinen Umständen schießen.
Die Lage hier unten ist soweit unter Kontrolle. Die Dscherro haben sich ergeben oder sind
ins Gebirge geflohen. Die Skelettsoldaten Cau
Thons kämpfen aber noch immer.«
Gucky brachte gerade Anica, Jaquine, Yasmin Weydner, Ottilie Braunhauer und Inge
Bohmar in eine Space-Jet.
Andrews begleitete Marya dorthin.
»Wo ist Jezzica?« fragte er.
Wallace konnte ihm diese Frage auch nicht
beantworten. »Keine Ahnung, die gesamte
Crew der BAMBUS ist verschwunden.«
Besorgt blickte sich Andrews um.
»Was willst du denn mit der Zicke? Du hast
doch mich«, zeterte Marya herum.
Andrews hatte jetzt genug.
»Falsch! Ich will nichts mehr mit dir zu tun
haben. Du widerst mich mit deiner arroganten
Art an«, sagte er wütend und lief weg.
Damit hatte er einen Schlußstrich gezogen.
Marya blickte ihm empört hinterher. Dann stieg
sie in die wartende Space-Jet.
»Johnny!« rief Gucky und teleportierte direkt neben den Terraner.
»Sie sind wohl in der Ruinenstadt in der Wüste«, erklärte der Ilt. »Von dort empfange ich einige Impulse. Jedoch sehr vage.«
»Bringe mich dorthin«, forderte Andrews.
»Das geht nicht. Ich muß die Leute in Sicherheit bringen, bevor die Dscherro hier alles
zusammenschießen«, antwortete Gucky.
Andrews verstand und machte sich selbst auf
den Weg. Er nahm einen Gleiter und flog so
schnell es ging zu den Koordinaten in der Wüste. Gal’Arn bemerkte das Verschwinden seines zweiten Orbiters und Ritterschülers Jona-
279
than Andrews zu spät.
*
Vendor stürzte sich auf Aurec und prügelte
auf ihn ein. Aurec konnte sich kurz befreien und
rannte um sein Leben.
Dies taten auch die anderen. Sie folgten Ferby durch die dunklen Gänge. Jezzica rutschte
auf dem Geröll aus und fiel unsanft auf den Boden.
Krizoff half ihr hoch.
»Wo sind wir hier?« fragte Reiko. Langsam
bekam er es mit der Angst zu tun. Warum war
er überhaupt hier? Er wollte noch nicht sterben.
»Ich weiß es nicht, aber wir müssen Aurec
helfen«, entgegnete Kathy.
»Du spinnst wohl! Ich riskiere nicht mein
Leben für diesen Kerl«, antwortete Reiko
barsch.
Es entbrannte eine unschöne Diskussion, da
auch Darvos und Jezzica dafür waren, dem Saggittonen zu helfen.
»Seid ruhig«, forderte Ferby.
»Seht euch das an!«
Sie gingen eine Treppe hinunter und befanden sich in einer Gruft. Überall lagen Knochen
und Totenschädel.
Kathy schrie entsetzt auf. Die etwas nervenstärkere Jezzica versuchte ihre Freundin zu beruhigen. Sie hoffte, daß Kathy nicht durchdrehte, nach all dem, was sie durchgemacht hatte.
Jezzica belastete diese Ereignisse zwar auch,
doch so langsam bekam sie etwa Routine in der
Angelegenheit.
Krizoff konnte sich das ebenso nicht mit ansehen. Ihm wurde übel und er erbrach sich. Danach zog er aus seiner Tasche eine Pille mit
Drogen, um seine Nerven zu beruhigen. Er hatte
diese Mittel seit der Entführung zu sich genommen, um den Horror ertragen zu können.
Ferby, Reiko und Zchmitt waren weniger
zart besaitet.
»Eine Gruft mit lauter Gebeinen«, stellte Abfallhaufen fest.
»Cool«, meinte Ferby.
»Vielleicht kann man hier noch was wertvolles finden?« überlegte Reiko.
D O R G O N
280
Krizoff war das hier alles unheimlich. Er
wollte lieber wieder an die frische Luft. Der
muffige Gestank des Todes füllte diesen Raum.
»Dort steht ein besonders verzierter Sarg. Er
sieht noch ziemlich neu aus«, stellte Ferby fest.
Langsam gingen sie auf die letzte Ruhestätte
eines Toten zu.
»Der ist mit Edelmetallen verziert. Sieht
ziemlich wertvoll aus.«
Sie starrten gierig auf den Schatz aus längst
vergangenen Tagen. Ferby beschloß, den Sarg
zu öffnen.
*
Joak Cascal waren die Hände gebunden. Er
konnte die drei durchgebrochenen Dscherroschiffe nicht angreifen, solange noch Geiseln
auf dem Planeten waren. Die Dscherro harrten
der Dinge und wußten, daß sie nichts mehr zu
verlieren hatten.
Insgesamt hundertdreißig Raumschiffe hatten sie bis jetzt verloren. Im Gegenzug hatten
die Cartwheeler nur neun Raumschiffe Verlust.
Die meisten waren Wracks und die Besatzungen konnten evakuiert werden. Die Anzahl an
Toten hielt sich in Grenzen.
Dennoch mußte das Töten ein Ende haben.
Joak Cascal wies Coreen Quon an, eine Verbindung mit Taka Kudon herzustellen.
Das Hologramm des dicken Dscherro erschien. Schweiß rann von seiner Stirn. Ein direktes
Anzeichen für seine Verunsicherung. Der Taka
war am Ende. Er hatte verloren und war sich
dessen bewußt.
»Kudon, Ihr habt keine Chance. Ergebt euch
und stoppt das sinnlose Morden«, fordert Cascal ihn auf.
Für eine Weile schien der Dscherro tatsächlich darüber nachzudenken, doch dann schlug
er sich auf die Brust und brüllte den Schlachtruf der Dscherro.
»Wir ergeben uns niemals. Eher sterben
wir!«
»Also gut, Ihr habt gewonnen. Ich gewähre Euch freien Abzug. Fliegt mit Euren beiden
Schiffen fort.«
Taka Kudon musterte Cascal mißtrauisch.
»Einfach so?« fragte er.
Nils Hirseland
»Nein«, grinste der Terraner. »Nicht einfach
so. Ihr laßt die Geiseln in Ruhe. Damit Ihr mir
auch vertrauen könnt, werde ich mich mit einer
Space-Jet in Ihre Obhut geben, nachdem beide
Schiffe den Orbit verlassen haben und mit den
anderen Schiffen wegfliegen. Ich bleibe in der
Space-Jet bis Ihr für einen Hyperraumsprung
bereit seid, dann verlasse ich Ihr Schiff und Sie
können hinfliegen, wo der Pfeffer wächst.«
Coreene Quon und die anderen Besatzungsmitglieder blickten Cascal ungläubig an. Es
glich Selbstmord, was er da plante.
Kudon willigte ein.
»Einverstanden. Ich befehle, daß nicht mehr
gefeuert wird.«
Sofort verstummten die Kanonen der
Dscherroraumschiffe und auch die Saggittonen,
Dorgonen und Cartwheeler taten es gleich.
»Also gut«, sagte Cascal und wartete gespannt auf den zweiten Teil der Abmachung.
Kudon nickte einem Soldaten zu. Kurz danach starteten die beiden Schiffe und verließen
den Orbit. Sie schlossen sich dem Dscherroverband an und warteten.
»Jetzt seid ihr dran, Terraner«, forderte Kudon.
Cascal nickte nur kurz und verzog keine
Miene. Er verließ die Kommandostation und
ging in den Hangar.
Dort wartete bereits der Schiffsingenieur,
Bernhard Kranigge auf ihn.
»Sir, die Space-Jet steht bereit. Mit den
gewünschten Modifizierungen«, berichtete der
hochgewachsene Terraner.
»Sehr gut, dann wollen wir mal...«
Joak Cascal bestieg die Space-Jet und aktivierte die Geräte. Kurz danach startete er den
Antigravantrieb, ließ die Jet aus der Schleuse
schweben und nahm Kurs auf das Schiff von Taka Kudon.
Langsam flog das kleine Schiff in den gewaltigen Hangar des Dscherroschiffes. Cascal
aktivierte ein Terminal des Syntrons und studierte die Konstruktionspläne des Dscherroraumers, der in diesem Moment startete.
Langsam verließ das Schlachtschiff den Orbit Xamours. Die Space-Jet war weiterhin in
Schwebeposition.
D O R G O N
Auf Leben und Tod
Einige Dscherro versammelten sich um das
Schiff.
Cascal war erleichtert, daß Kudon bis jetzt
sein Versprechen einhielt. Da plötzlich kehrte das Schiff zurück und machte die Waffen
scharf.
Das Hologramm von Kudon erschien im
kleinen Raum der Space-Jet. Der Dscherro grinste überlegen.
»Du Narr. Zuerst lege ich deine Geiseln um,
dann verschwinde ich mit dir als Geisel und
zu guter Letzt bist du dran!« triumphierte der
Dscherro.
»Das hatte ich mir doch gedacht«, meinte
Cascal und startete die Triebwerke. Die Flammen verbrannten in kürzester Zeit die herumstehenden Dscherro.
Cascal aktivierte ein paar Raketen und schoß
sie in den hinteren Teil des Hangars. Laut Konstruktionsplänen befanden sich dort die Waffenlager und Hauptenergieleitungen. Eine gewaltige Explosion ließ das Schiff erzittern.
Cascal sah eine lodernde Flammenwelle auf
sich zurasen. Er beschleunigte die Space-Jet
und raste durch den Hangar. Die Flammen kamen immer näher. Laut Syntron war der Schutzschirm durch die inneren Schäden zusammengebrochen.
Jetzt mußte er noch das Hangarschott wegschießen. Mit allem was er hatte, feuerte Cascal auf die Schotts, die verglühten. Die Flammen hatten ihn schon fast eingeholt, als er noch
rechtzeitig aus dem Schiff kam.
Jubelnd blickte er zurück und sah wie der
Dscherroraumer explodierte und Taka Kudon
mit in den Tod nahm.
*
Ein Aufschrei ging durch die Massen auf Xamour. Die Dscherro legten sofort ihre Waffen
nieder und ergaben sich.
Serakan teilte über Funk mit, daß die übriggebliebenen Dscherroschiffe die Flucht antraten. Die Gefahr war vorbei!
Erleichtert schlug Gal’Arn seinem Orbiter
Jaktar auf die Schulter.
»Dieses Mal ging es noch gut aus«, meinte
er.
281
»Das wird es immer. Aber wo ist Johnny?«
wollte der Ghanakke wissen.
Verwundert blickte sich der Ritter der Tiefe
um, konnte aber Andrews nirgendwo finden.
»Jan, weißt du, wo Andrews ist?«
Auch Jan Scorbit konnte keine Antwort geben. Der Spezialist der neuen USO versorgte
einige Verwundete. Er besaß eine Sanitäterausbildung und war daher kompetent in diesen Sachen.
Helge von Hahn hatte sich im Kampf verwundet. Er berichtete jedoch stolz, daß er sieben Dscherro getötet hatte.
»Ich weiß es«, berichtete Gucky.
*
Der ungleiche Kampf zwischen dem Dscherro und dem Saggittonen dauerte noch immer an.
Aurec versuchte verzweifelt Vendor abzuhängen, der mit einem unbeschreiblichen Fanatismus sein Opfer jagte.
Aurec kletterte eine Leiter hoch und gelangte
auf das Dach eines Gebäudes. Er schoß einige
Sprossen durch, doch Vendor konnte er damit
nicht aufhalten.
Der Dscherro kletterte auch auf das Dach
und stürzte sich auf den Saggittonen. Vendor
schlug Aurec die Waffe aus der Hand. Der
Schlag war jedoch so wuchtig, daß sie über die
Kante rutschte und in den Abgrund fiel.
Vendor schlug Aurec mit beiden Fäusten ins
Gesicht. Blut strömte aus der Nase des Saggittonen, der nicht mehr lange durchhalten konnte.
»Du wirst jetzt sterben. Und danach schlitze
ich deine terranische Hure auf.«
»Nein!«
Aurec nahm alle Kraft zusammen und konnte dem Dscherro einige Boxhiebe in die Rippen
verpassen. Für einen kurzen Moment raubte es
Vendor die Kraft und Aurec konnte sich losreißen.
Er wollte wieder herunterklettern, doch Vendor fuchtelte bereits mit der Axt umher. Er warf
sie auf Aurec, doch der Saggittone wich aus, so
daß das Beil ins Leere flog und dann in die Tiefe
fiel.
D O R G O N
282
»Meine Krallen werden mir den gleichen
Dienst erweisen«, fauchte der Dscherro und
rannte schreiend auf Aurec zu.
In dem Moment sausten die KARAN und
Evspors Raumschiff über die Stadt hinweg. Der
laute Schall und der Windzug ließen das Gebäude erzittern. Eine Spalte öffnete sich, in die Aurec beinahe hereingefallen wäre.
Die KARAN machte eine Drehung und gelangte hinter Evspors Schiff. Goshkan feuerte
in das Heck seines gegnerischen Schiffes. Die
nächste Salve ließ Evspors Schiff abschmieren
und gegen ein Gebäude krachen.
Eine Flammenwelle brauste durch die toten
Straßen und wieder erzitterte das Haus, auf dem
Aurec und Vendor standen. Eine zweite Spalte öffnete sich und brachte Vendor aus dem
Gleichgewicht. Er fiel nach hinten, konnte sich
aber noch festhalten.
Aurec griff nach seiner Hand und zog ihn mit
aller Kraft hoch. Da bohrte Vendor seine Krallen in Aurecs Bein.
»Ich töte dich! Ich töte euch alle!« schrie der
geisteskranke und gefährliche Dscherro immer
wieder.
Aurec versuchte, die Schmerzen zu kontrollieren. Er griff in Vendors Ärmeltasche und holte ein Vibratormesser heraus. Damit schnitt er
dem Dscherro die Hand ab.
Langsam rutschte Vendor ab.
»Du wirst langsam lästig!« brachte Aurec unter Schmerzen hervor und verpaßte dem
Dscherro einen Tritt, der ihn in die Tiefe schickte. Vendor fiel in den Abgrund und fand sein
Ende.
*
»Los, anheben«, riefen die drei gemeinsam
und versuchten den schweren Deckel des Sarges zu öffnen.
»Hilf uns Darvos«, forderte Ferby seinen Sicherheitschef auf, doch der lehnte ab.
»Ich helfe nicht dabei, Gräber zu schänden«,
erklärte er.
Krizoff blickte zu Jezzica und Kathy, die unruhig umher liefen. Jezzica faßte den Entschluß,
Aurec zu suchen. Kathy schloß sich dem an.
»Wartet!« rief Ferby.
Nils Hirseland
Sie hatten es geschafft, den Sarg zu öffnen. In ihm lag ein humanoides Skelett. Es war
mumifiziert, braunrote Fleisch- und Hautreste
waren noch deutlich zu sehen. Genauso wie
schwarze, verdorrte Haare. Die Augenhöhlen
waren leer und starrten an die Decke.
»Mir ist schlecht«, sagte Kathy und drehte
sich um.
Jezzica schüttelte den Kopf als sie die grausige Leiche sah. Sie war mit viel Gold, Perlen
und Edelsteinen geschmückt.
»Das nehmen wir mit«, erklärte Reiko und
sammelte die Kostbarkeiten ein. Da fingen die
drei sich an zu streiten.
»Hey, das war mein Diamant«, beschwerte
sich DJ Abfallhaufen.
»Pech gehabt«, konterte Reiko.
Die beiden bekamen sich in die Haare und
fingen beinahe an, sich zu prügeln, doch Ferby
konnte schlichten.
»Leute, da ist genügend für uns alle da.«
Die beiden beruhigten sich wieder. Jezzica
konnte das nicht mehr mit ansehen. Da summte plötzlich ihr Minikom auf. Jonathan Andrews
war dran.
»Wo seid ihr?« wollte er wissen.
»In dem Gebäude neben dem Gleiterwrack«,
erklärte sie.
Andrews fand die angegebene Stelle sehr
schnell.
»Ich bin gleich da.«
Jezzica beendete die Verbindung und stellte
sich wieder zu Krizoff und Kathy. Darvos sah
gelangweilt den drei habgierigen Terraner zu,
die in dem Brustkorb der Leiche wühlten, um
noch einen Edelstein mehr zu ergattern.
»Das reicht jetzt. Wir müssen wieder zurück«, meinte Ferby und steckte sich ein Diadem in die Hosentasche.
Krizan Zchmitt alias DJ Abfallhaufen blickte
sich die Leiche noch einmal genau an. Er nahm
den Arm der Toten und fuchtelte damit hin und
her.
»Hey, gebt mir meinen Schmuck wieder,
sonst sehe ich so häßlich aus«, sagte er und
spielte damit die Leiche.
Die anderen lachten.
»Du siehst auch so schon häßlich aus«,
meinte Abfallhaufen und drückte das Gesicht
Auf Leben und Tod
D O R G O N
des Skelettes ein, das wie Pappe war.
Plötzlich stand jemand am Eingang. Jezzica
schrie erschreckt auf und wich sofort zurück, als
sie die Gestalt Cau Thons erblickte.
Wut und Haß standen in seinen brennenden
roten Augen. Er sah die Terraner verachtend an
und zog seinen Caritstab.
Mit einem lauten Schrei stürzte er sich auf
sie. Zuerst stellte sich Darvos ihn in dem Weg.
Er versuchte Cau Thon niederzuschlagen, doch
der Sohn des Chaos schlug dem Oxtorner beide
Hände ab. Dann stieß er mit seiner Caritwaffe in
den Kiefer von Darvos, der leblos zusammenbrach.
Kathy und Jezzica versuchten zu entkommen, doch Thon schlug sie nieder. Krizoff bettelte um sein Leben.
»Ich habe mit denen nichts...«
Weiter kam er nicht, denn Cau Thon stieß
dem Olymper mit dem Stab in den Magen. Blut
floß aus Krizoffs Mund und spritzte aus seiner
Bauchdecke. Schnell zog Cau Thon seine Waffe wieder heraus und überließ den Sterbenden
sich selbst, der zusammensank und zuckte, bis
er sein Leben verlor.
DJ Abfallhaufen hatte noch den Arm des
Skelettes in seiner Hand. Cau Thon starrte wütend auf dieses Bild. Dann sprang er mit beiden Beinen voran, direkt gegen die Brust von
Zchmitt. Der prallte gegen die Wand. Bevor er
wußte, was los war, hatte Cau Thon schon einen
Dolch gezogen und stach ihm nacheinander die
Augen aus.
Dann ließ er von ihm ab. Er packte Reiko, der voller Panik schrie. Mit dem Dolch
stieß Cau Thon mehrmals in Reikos Genick
und durchbohrte sein Fleisch noch, als er schon
längst tot war.
»Meine Augen!« schrie DJ Abfallhaufen und
tastete sich voran.
Ferby stieß ihn weg und wollte aus der Gruft
rennen, doch Cau Thon hatte seinen Caritstab
wieder an sich genommen und schleuderte ihn
auf den Terraner. Die Klinge drang in den
Rücken ein und kam vorne wieder heraus. Ferby schrie laut auf, sank auf die Knie und brach
leblos zusammen.
Die Glieder zuckten noch etwas, bevor sie erschlafften.
283
Alles passierte sehr schnell. Jezzica rappelte
sich wieder auf und versuchte Kathy wieder zu
Bewußtsein zu bekommen.
Cau Thon trat ihr in die Hüften. Jezzica
brach hustend zusammen. Dann packte er sie an
der Kehle und zog sie nach oben. Tazum versuchte Luft zu bekommen. Er drückte sie an die
Wand und zog einen anderen Dolch. Langsam
fuhr er damit über ihre Kehle.
»Jezzica«, hörte er eine Stimme aus der Ferne. Es war Jonathan Andrews.
»Hilfe!« röchelte Abfallhaufen und krabbelte auf dem Boden herum.
Cau Thon ließ Jezzica los, packte ihn und
zog den Terraner hoch. Lässig warf er ihn gegen eine Wand. Abfallhaufen platsche zu Boden
und tastete sich an der Wand entlang.
Der Sohn des Chaos betrachtete die entstellte Leiche. Er hielt einen kurzen Moment inne, dann packte er Zchmitt am Hinterkopf und
schlug ihn mit der Nase gegen die Wand. Der
Terraner schrie laut auf. Doch er lebte noch.
Cau Thon schlug den Schädel des DJs immer
wieder gegen die Mauer. Blut spritzte aus allen Öffnungen des Kopfes. Immer wieder und in
schnelleren Intervallen ließ Cau Thon den Schädel gegen die Wand prallen, bis dieser wie ein
Luftballon zerplatzte.
Das war das Ende von DJ Abfallhaufen alias
Krizan Zchmitt.
Nun waren nur noch Kathy und Jezzica am
Leben.
Cau Thon wandte sich wieder Jezzica Tazum
zu, die versuchte, sich wieder aufzurappeln. Kathy half ihr dabei, doch Thon packte sie nur und
streckte sie mit einem Faustschlag ins Gesicht
zu Boden. Er hob Kathy Scolar wieder hoch
und schleuderte sie gegen die Wand. Völlig erschöpft blieb sie gegen die Wand gelehnt, doch
Cau Thon trat ihr in die Magengrube. Hustend
und schreiend brach sie zusammen. Thon zog
an ihren Haaren. Dann umfaßte er ihren Oberkörper, als sie nach vorne gebeugt war, hob sie
hoch und schleuderte Kathy mit den Rücken
voran auf den Boden.
Dann packte er wieder Tazum.
Jonathan Andrews rannte die Treppen entlang und gelangte in die Gruft. Cau Thon wollte gerade die Kehle Jezzicas durchschneiden, da
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warf sich Andrews dazwischen.
Er lieferte sich ein kurzes Duell mit Cau
Thon, doch der Sohn des Chaos war ihm überlegen. Er zog sein Caritstab aus der Leiche von
Ferby heraus und verwundete Andrews an den
Beinen und Armen.
Geschwächt brach er zusammen. Damit war
der Kampf vorbei.
Cau Thon lief wie ein unruhiger Tiger umher
und beobachtete seine drei Opfer.
Kathy weinte und hatte schreckliche Angst.
Jezzica versuchte wieder zu Luft zu kommen
und Andrews schaffte es nicht, sich aufzurappeln.
Cau Thon blickte die alte Leiche an und
schüttelte den Kopf. Andrews glaubte Trauer
bei dem Sohn des Chaos zu bemerken. Er beugte sich über das Grab und streichelte sanft über
den eingedrückten Kopf der Toten.
Ohne ein Wort zu sagen, hatte er Ferby, Reiko, Zchmitt, Krizoff und Darvos hingerichtet.
Nun sollten auch Andrews, Tazum und Scolar
folgen.
Es gab keinen Ausweg mehr.
Cau Thon lief umher und musterte die drei
Terraner. Er überlegte, wen er als erstes töten
würde.
Er schnappte sich Jezzica und stach ihr mit
dem Dolch in die Schulter. Die blonde Terranerin schrie auf. Er zog die Waffe wieder heraus
und stach in die andere Schulter. Langsam drehte er das Messer und beobachtete genau, wie
sehr Jezzica unter den Schmerzen litt.
Andrews schaffte es noch immer nicht,
sich aufzurappeln, während Kathy gelähmt vor
Angst war. Langsam kroch er zu Cau Thon,
doch dieser trat ihn wie Abfall beiseite.
Er zog den Dolch aus der Schulter und
schnitt ihr ins Gesicht. Tränen strömten Jezzica
Tazum über das blutverschmierte Gesicht. Dann
schnitt er ihr Wunden in die Brust und in den
Bauch. Er wollte sie langsam und qualvoll sterben lassen.
Da plötzlich materialisierte Gucky mit
Gal’Arn und Aurec in der Gruft. Cau Thon griff
telekinetisch zu seinem Stab, um den Hieb des
Ritters der Tiefe ausweichen zu können. Er parierte die Schläge, wurde jedoch in die Enge getrieben.
Nils Hirseland
Gucky brachte noch Dove, Lorif, Wallace,
Jan Scorbit und einige Soldaten in den Raum.
Sie kümmerten sich sofort um Jezzica Tazum,
Kathy Scolar und Jonathan Andrews.
Cau Thon war in die Ecke getrieben.
»Gib auf!« forderte Gal’Arn.
Cau Thon stand direkt neben dem Grab. Er
warf seinen Caritstab weg und holte aus seiner
Tasche etwas hervor. Er ging ein paar Schritte
zurück.
Gal’Arn beobachtete jede Bewegung. Die
Soldaten hatten die Waffen auf den Sohn des
Chaos gerichtet. Er saß in der Falle.
Cau Thon sprach: »Ancasuna, yer hebit ach
dormon.«
Dann warf er eine Kapsel in den Sarg, der
kurz aufflammte und desintegrierte.
»Nicht schießen!« befahl Aurec.
Cau Thon beendete jeden Widerstand. Sie
legten ihm Energiefesseln an und führten ihn
heraus.
»Wow, wir haben Cau Thon gefangen!« jubelte Gucky.
Gal’Arn nickte zufrieden.
Aurec blickte sich um. Ein Bild des
Schreckens bot sich ihm. Die Leichen waren
übel zugerichtet.
»Warum hatte Cau Thon so einen Haß auf
diese armen Teufel?« fragte sich Aurec.
Gucky schüttelte auch nur den Kopf.
»Vielleicht hatte es irgend etwas mit dem
Sarg dort zu tun.«
Die beiden blickten auf die Überreste des
desintegrierten Sarges. Dann brachte einer der
Soldaten die völlig verstörte Kathy Scolar zu
Aurec.
Aurec schloß sie in die Arme und versuchte
sie zu trösten. Doch die Erlebnisse waren einfach zuviel für sie gewesen.
»Kehren wir wieder zurück zum Lager«,
meinte Aurec. Behutsam legte er seinen Arm
um Kathy Scolar und versuchte ihr Wärme zu
geben.
Auf Leben und Tod
D O R G O N
Epilog.
Aus den Erzählungen von
Jaaron Jargon, Chronist der
Insel
So ging die erste Epoche für die Insel Cartwheel zu ende. Mit viel Blut und vielen Verlusten hatte man die Gefangennahme Cau Thons
bezahlen müssen.
Es starben 739 Passagiere und Besatzungsmitglieder der BAMBUS, Tausende von
Dscherro und 167 Soldaten aus Cartwheel
während der Entführung und Befreiung der
BAMBUS-Passagiere.
Einige Passagiere wurden sofort nach Cartwheel gebracht, während ein anderer Teil erst
einmal auf den Schiffen im Orbit um die Welt
Xamour blieb, da Aurec diese noch erforschen
wollte.
Es gab kein Überlebenszeichen vom Kyberklon Evspor, dessen Schiff über der Ruinenstadt abstürzte. Die KARAN und Goshkan waren verschwunden. Taka Kudon tot, genauso
wie sein Raubtier Vendor.
Nur Cau Thon war übrig. Doch dieser sagte
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nichts. Er schwieg einfach und schien abzuwarten.
Aurec kümmerte sich am nächsten Tag rührend um Kathy Scolar und gestand sich selbst
langsam ein, etwas für sie zu empfinden.
Neve Prometh hatte, wie auch Anya Guuze
und ihre Freunde Sylke Stabum, Krizan Bulrich
und Roppert Nakkhole, die Entführung überlebt. Sie war enttäuscht über die offensichtliche
Zuneigung Aurecs zu der ehemaligen Bardame
der BAMBUS und kehrte sofort nach Cartwheel
zurück.
Der Leichnam von Karl-Adolf Braunhauer
wurde gefunden und eingeäschert. Seine Witwe
Ottilie war am Boden zerstört und ihre Freundin Inge Bohmar glaubte immer noch, daß ihr
Mann und ihr Hund leben würden.
Zwei Tage danach brach Cau Thon während
eines Gespräches mit Aurec und Gal’Arn sein
Schweigen.
»Ihr wollt wissen, was besonders an diesem
Planeten ist? Nun gut, ich will es euch sagen.
Ich will euch die Geschichte vom Planeten Xamour und den Xamouri erzählen. Es ist keine
schöne Gesichte und sie wird euch zeigen, wie
brutal die Kosmokraten sein können...«
E N D E
Mit diesem Roman endet der dritte Teilzyklus. Im nächsten DORGON-Band – dem VI. Buch – startet
der vierte Zyklus »Söhne des Chaos«.
Alexander Nofftz ist Autor des Jubiläumsheftes 50. Es trägt den Titel
Der Xamouri
und schildert die Geschichte Cau Thons und seines Volkes.
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