AM BODEN (GROUNDED)
Transcription
AM BODEN (GROUNDED)
Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) AM BODEN (GROUNDED) GEORGE BRANT VOR DEM AUGE IM HIMMEL GIBT ES KEIN ENTRINNEN, MEINE KINDER 1 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) Liebe Lehrpersonen, Mit dieser Mappe möchten wir Ihnen Anregungen und Informationen zu einem Theaterbesuch von Am Boden (Grounded) unterbreiten. Wir wünschen viel Spass beim Besuch der Inszenierung am Theater Orchester Biel Solothurn und stehen Ihnen sehr gerne für weitere Fragen zur Verfügung. Zudem bieten wir Ihnen und Ihrer Klasse sehr gerne einen Workshop zur Vor- oder Nachbereitung Ihres Theaterbesuchs an, auch zu diesem Stück. Möchten Sie Ihren Theaterbesuch mit einer Führung durch das Stadttheater verbinden? Nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Herzliche Grüsse, Marcel Grissmer und Isabelle Freymond Junges Theater Solothurn JTS TOBS Theater Orchester Biel Solothurn Théâtre Orchestre Bienne Soleure Theatergasse 16-18 CH - 4500 Solothurn T +41 (0)32 626 20 68 [email protected] 2 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) INHALT S. 4 KURZBESCHRIEB ZUM STÜCK S. 4 DER AUTOR: GEORGE BRANT S. 5 THEMATISCHE SCHWERPUNKTE (1) Clausewitz im Drohnenkrieg von Byung-Chul Han S. 7 THEMATISCHE SCHWERPUNKTE (2) Drohnenkrieger, perfekt rasiert von Rainer Sigl S. 10 ZITATE / DISKUSSIONSGRUNDLAGEN S. 14 NACHBEREITUNG S. 15 IDEEN FÜR DEN UNTERRICHT Debattierformat S. 17 LINKLISTE S. 17 BESETZUNG 3 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) KURZBESCHRIEB ZUM STÜCK So war das nicht geplant: Als die junge und unerschrockene F-16-Kampfpilotin der US Air Force ungewollt schwanger wird, findet ihre Karriere in der Luft ein jähes Ende. Ihre Vorgesetzten schicken sie kurzerhand in die Wüste von Nevada, fernab vom Kriegsgebiet. Ihr neuer Arbeitsplatz ist ein klimatisierter Anhänger irgendwo in der Nähe von Las Vegas, am Boden. Hier sitzt sie nun also, bei der «Chair Force», den «Sesselfurzer n», und fliegt per Joystick Drohneneinsätze im 8000 Meilen entfernten Afghanistan. In lähmend langen Schichten starrt sie fortan auf den Bildschirm vor ihrer Nase, starrt in das ewige Grau und tötet per Knopfdruck. Sie ist im Krieg. 12 Stunden pro Tag. Sieben Tage die Woche. Jeden Morgen wenn sie ihre Tochter im Kindergarten abgesetzt hat, zieht sie in den Kampf, kämpft bis Schichtende und fährt dann wieder nach Hause zu Mann und Kind, zu gemütlichen Nachtessen und rosa Ponys – als wäre nichts geschehen. Doch allmählich verschwimmen die Grenzen, die psychische Belastung ist enorm, die Situation zutiefst surreal. Und so wird die Trennung zwischen Arbeit und Alltag, zwischen den Wüsten Nevadas und Afghanistans immer schwieriger. «Am Boden» ist ein furioses Stück über die Gefahren des militärtechnischen Fortschritts. In einer packenden Erzählung schildert das Stück die grotesken Auswüchse der virtuellen Kriegsführung und fragt hochaktuell nach Gerechtigkeit und Menschlichkeit im Kampf: Wie steht es um die sogenannte Symmetrie der Mittel beziehungsweise um das einseitige Töten fernab jeglicher Gefahr? Oder anders gefragt: Inwiefern unterscheidet sich das Töten per Mausklick noch von einem hinterhältigen Mord? Und was bedeutet es für diejenigen, die den Knopf drücken? Welche Auswirkungen hat der vermeintlich virtuelle Krieg auf das reale Leben? DER AUTOR: GEORGE BRANT Der amerikanische Dramatiker George Brant studierte Kreatives Schreiben an der Universität von Austin (Texas) und schreibt in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, z. B. für Animationskurzfilme mit Stop-Motion- Technik. Bisher hat er ca. 20 Stücke geschrieben. Brant lebt in Cleveland, Ohio. Mit «Am Boden» ist Brant eine äusserst intelligente, berührende Reflektion über die moderne Kriegsführung. «Grounded», wie das Stück im Original heisst, feiert seit der Uraufführung 2013 weltweite Erfolge – zum Beispiel am New Yorker Broadway mit Anne Hathaway in der Hauptrolle – und wurde unter anderem mit dem Smith Prize für politisches amerikanisches Theater ausgezeichnet. 2013 wurde es beim Edinburgh Festival sowie anschließend am Londoner Gate Theatre gespielt. Sowohl der britische Guardian als auch der London Evening Standard nahmen es auf die Liste der zehn wichtigsten Stücke 2013 auf. Mittlerweile wird Am Boden weltweit gespielt. Bislang ist Am Boden das einzige Stück von Brant, das ins Deutsche übersetzt worden ist. 4 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) THEMATISCHE SCHWERPUNKTE (1) Clausewitz Im Drohnenkrieg Von Byung-Chul Han Quelle: Clausewitz im Drohnenkrieg. Maathes & Seitz Berlin 2012 Zweifellos stellen Drohnen einen militärtechnischen Fortschritt dar. Bedeuten sie aber auch einen ethischen Fortschritt, weil man eigene Soldaten keiner Lebensgefahr aussetzt? Ist es erlaubt, die Gegner zu töten, ohne selbst in Erscheinung zu treten, ohne sich in Lebensgefahr zu bringen? Wäre nicht der Einsatz des Lebens eine notwendige Bedingung für die Rechtfertigung der Tötung des Gegners im Krieg? Wichtig für die Gerechtigkeit im Kampf ist die Symmetrie der Mittel. Besitzt mein Gegner nur ein Schwert, so ist der Gebrauch einer Armbrust verwerflich. Daher erscheint der Einsatz von Drohnen den betroffenen Muslimen als feige und unmoralisch. Die Tötung per Mausklick gleicht für sie einem heimtückischen Mord. [...] In seiner berühmten Abhandlung Vom Krieg (1832) definiert Clausewitz den Krieg als Zweikampf, ein geordneter, regelgeleiteter Zweikampf - nur darum kann Clausewitz den Krieg als „Politik mit anderen Mitteln“ bezeichnen, wie seine berühmte Formel lautet. Die Betonung liegt dabei nicht, wie gewöhnlich angenommen auf „anderen Mitteln“ also auf der Gewalt - sondern auf der Politik. Da der Krieg eine Politik ist und bleibt, kann es auch das Ende des Krieges, das heißt einen Friedensschluss geben. Möglich wird dadurch die Ruckkehr zu einer Politik mit gewaltlosen Mitteln. Die Regeln der Tötung, zu denen alle Kriegsparteien sich verpflichten, sorgen dafür, dass nach dem Krieg genug Raum bleibt für politische Verhandlungen. Die regellose Tötung dagegen vernichtet den Raum des Politischen. Der Krieg als erweiterter Zweikampf unterscheidet sich grundsätzlich von der Kampfhandlung, die heute immer mehr zu einem gegenseitigen Terror und Mord jenseits der Rechtsstaatlichkeit und des Völkerrechtes verkommt. [...]Ein ethisches Minimum garantierte, dass er tatsächlich eine Politik mit anderen Mitteln blieb. Deshalb war es verboten, Kombattanten, die hors de combat sind, zu töten. Der Drohnenkrieg ist kein combat. Dem Gegner wird nicht einmal die Möglichkeit gewährt, sich zu ergeben oder sich zu verteidigen, denn es gilt ja, ihn auf jeden Fall zu töten, zu vernichten, zu liquidieren. Er ist kein Feind im eigentlichen Sinne, sondern ein Verbrecher. Der Drohnenkrieg wirft sowohl juristische als auch ethische Fragen auf. Kritiker erheben den Vorwurf außergerichtlicher Hinrichtung. Menschen würden hier oft nach fragwürdigen Kriterien hingerichtet, ohne dass ihre Schuld bewiesen sei. Der Verdacht genüge für ihre Tötung - sie werden also umgebracht. [...] Die Rechtswissenschaftler der Stanford University und der New York University kommen in ihrer Studie Lving Under Drones zu dem Urteil, die präventive Tötung durch Drohnen verringere die terroristische Bedrohung nicht. Seit dem Einsatz der Drohnen sei sie sogar stark erhöht, weil er Rache und Hass schüre. Die am Himmel kreisenden Drohnen würden die ganze Bevölkerung, die ganze Region terrorisieren. Aus Angst würden sich Menschen nicht mehr trauen, auf den Markt oder in die Moschee zu gehen. Angesichts der relativ geringen Terrorgefahr im Westen stellt sich die Frage nach Verhältnismäßigkeit und Sinn von Tötungsaktionen, die ihrerseits als Terror erlebt werden. Die Gegner sind hier, genauer besehen, nicht einmal Verbrecher, denn sie 5 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) werden getötet, ohne dass sie verhaftet und vors Gericht gestellt werden. Oder soll man sie als absolute Verbrecher, Vertreter des absoluten Bösen denken? […] Auf der Erde erzeuge das Sichgegenüberstehen der Kämpfenden gleichberechtigte Gegner. […] Beim Drohneneinsatz ist die Asymmetrie total. Sie ist auch in dem Sinnetotal, dass es nicht möglich ist, den Angreifer zu töten, der die Drohne lenkt. Er ist eben nicht dort, wo die Tötung geschieht. Allein diese totale Unglelchheit macht den Kriegsbegriff obsolet. Carl Schmitt sagt: Krieg auf beiden Seiten gehört eine gewiss Chance, ein Minimum von Möglichkeit des Sieges. Hört das auf, so ist der Gegner nur noch Objekt einer Zwangsmaßnahme. Die Tötung als Zwangsmaßnahme bedeutet aber nicht nur das Ende des Krieges, sondern auch das der Politik. Die Asymmetrie des Vernichtungsmediums geht mit der Diskriminierung und Inkriminierung des Feindes einher. Abermals verändert die Waffe die moralische Haltung gegenüber dem Gegner. Das Medium macht ihn zum Verbrecher. Dem Einsatz der bewaffneten Drohnen wohnt eine ethische vorentscheidung inne – oder zumindest beeinflussen Technik und Ethik einander. Eine mediale Bedingtheit der Ethik muss jedenfalls immer bedacht werden. Es ist pervers, vor dem Bildschirm sitzend eine ganze Region, eine ganze Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Es ist moralisch verwerflich, vom bequemen Sessel aus per Joystick Menschen zu töten. Joy heißt Freude. Der Habitus des videospiels überträgt sich unweigerlich auf die Törung per Joystick. Selbst der Ego-shooter in einem Computerspiel kann getötet werden, ein Drohnenpilot befindet sich dagegen außer jeder Gefahr. Der digitale Habitus, der allgemein zur Erosion des Verantwortungsgefühls führt, ist bei dieser Arbeit am Töten nicht ganz abzuschütteln. Er überzieht die Tötung mit dem Schein des Virtuellen. Sie ist nur noch als unscharfes Bild erfahrbar, was ihr jede existenzielle Dringlichkeit nimmt. Die Drohnenpiloten arbeiten in Schichten. Die Tötung ist für sie eine Arbeit, nach der man womöglich auf eine Party geht. Die ganze schwere der Tötung eines Menschen entzieht sich ihnen. Denn noch immer, trotz aller globalen Vernetzung, beeinflussen räumliche Nähe und Ferne – zum Glück – das menschliche Verhalten. Allein die große räumliche Entfernung, aus der die Tötung per Drohne erfolgt, nimmt ihr jede reale und existenzielle Dimension. Der Mensch ist ein zoon ethikon, bevor er ein zoon technikon ist. Im Gegensatz zum Wild antworten die Menschen, wenn man sie anspricht. Antwort verlangt nach Verantwortung. Die Drohnen sind sprachlos. Sie sind nicht fähig zu Ansprache und Verantwortung, sie vernichten die Sprache selbst. Es wäre menschlicher, sich in Ansprechkunst zu üben, als in Kriegstechnik zu investieren. Und gewiss wird nicht die Technik, sondern die Ethik die Zukunft der Menschheit entscheiden. 6 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) THEMATISCHE SCHWERPUNKTE (2) Drohnenkrieger, perfekt rasiert Von Rainer Sigl Quelle: Spiegel Online http://www.spiegel.de/netzwelt/games/wasd-drohnenkrieg-im-videospiel-a-891250.html abgerufen am 10.09.16 Drohnenangriffe gibt es nicht nur im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. Videospiele wie "Modern Warfare", "SpecOps: The Line" und "Unmanned" zeigen den amerikanischen Hightech-Krieg auf höchst unterschiedliche Weise. […] "Good kill, good kill" Die Reihe "Call of Duty: Modern Warfare", der ungekrönte König des militaristischen Blockbuster-Entertainments der Marke Michael Bay, macht im Verlauf der Serie des Öfteren den Blick des Spielers zu dem eines solchen Schützen aus größtmöglicher Distanz, zunächst, im ersten Teil der Reihe in der Mission "Death from Above", zu jenem eines AC130-Bordschützen und später tatsächlich zu jenem eines Drohnenpiloten: So erhebt sich der First-Person-Shooter aus der Froschperspektive des einzelnen Soldaten, und die Monitore der Spieler zeigen das charakteristisch in körnigen Grautönen gehaltene Videobild der in sicherer Höhe schwebenden "Predator"-Drohne, während rauschende Funksprüche uns über aktuelle Ziele informieren und uns in gelangweiltroutiniertem Ton Treffer bestätigen - "Yeah, that was right on target. Good kill, good kill." Während sonst im First-Person-Shooter unmittelbare Gefahr für das eigene virtuelle Leben droht, ist es hier unsere Aufgabe, jenes anderer Soldaten zu beschützen, die aus der Vogelperspektive als weiße Schemen einen aussichtslos scheinenden Kampf gegen eine Übermacht an Feinden führen. Der Obsession allen Militainments, in technischen Details fast religiös größtmöglichen "Realismus" bieten zu wollen, steht hier im Namen der Unterhaltung ein absurd surreales Bild der Hightech-Kriegsführung gegenüber: Der Luftschlag aus sicherer Entfernung ist in "Modern Warfare", welche Ironie, nicht nur tatsächlich zum legitimen technischen Verteidigungsmittel geworden, sein Einsatz ist außerdem ein adrenalintreibendes, abwechslungsreiches Unterfangen - der maximale Kontrast zur Realität. Ist es selbstredend zu viel verlangt, von einem Entertainmentprodukt, noch dazu einem US-amerikanischen mit unausgesprochenerweise jugendlichem Zielpublikum, "Realismus" in der Darstellung einer höchst umstrittenen, aber von höchsten Ämtern verfolgten Militärstrategie zu erwarten? Vermutlich ja, doch es gibt auch im Medium Games selbst Kritik an der Darstellung des technokratischen Tötens aus der Distanz. "Spec Ops: The Line", 2012 vom Berliner Entwickler Yager veröffentlicht, macht dieses Dilemma gar zu einem Dreh- und Wendepunkt seiner an "Apocalypse Now" und Joseph Conrad angelehnten Reise ins Herz der Finsternis. Gegen die Diktatur der Unterhaltung Auch hier wird der Spieler zum Einsatz der unbemannten fliegenden Artillerie gezwungen, doch das sich als "Antikriegsspiel" verstehende "Spec Ops: The Line" führt seine Spieler nach erfolgtem Luftangriff mit weißem Phosphor zurück auf das erfolgreich "gesäuberte" Schlachtfeld. Die Bilder aus "Modern Warfare" und "Spec Ops" 7 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) ähneln sich auf den ersten Blick: Hier wie dort ist es eine Konsole mit Videofeed aus der in ungesehenen Höhen fliegenden Drohne, die den Angriff aus der Vogelperspektive erlaubt, doch der Third-Person-Shooter "Spec Ops" zeigt nicht nur durch das sich im Plastik des Konsolendisplays spiegelnde Gesicht seines am Krieg zugrunde gehenden "Helden", dass hier buchstäblich Selbstreflexion angebracht ist, sondern vor allem durch die Sichtbarmachung der grauenhaften Folgen des "chirurgisch präzisen" Luftschlags: Verbrannte Leichen, verstümmelte Sterbende, Berge von Toten - drastischer wurden die Folgen des modernen Hightech-Kriegs im Medium Games bislang nicht gezeigt. Der "good kill" aus maximaler Distanz wird hier dem Spieler ganz nahegebracht - ein Kommentar auf die Realität des Krieges wie auch auf das ihn oft glorifizierende Medium des Videospiels. Einen ganz anderen Blick auf das Thema bringt Paolo Pedercini. Unter der Parole "Games against the dictatorship of entertainment" veröffentlicht den Italiener mit seinem Studio Molleindustria kurze Spiele, die auch politische Statements sind. "Unmanned", 2012 als kostenloses Browsergame erschienen, kann für sich verbuchen, auf seine Weise das realistischste Bild des real stattfindenden Drohnenkriegs zu zeichnen - jedoch auf unnachahmlich eigenwillige Manier. Es ist die alltägliche Realität eines "Drone Warriors", eines Drohnenpiloten, die Pedercini hier darstellt, und die Zweideutigkeit des englischen Titels steht hier im Mittelpunkt: Der moderne Krieg ist nicht nur "unbemannt", sondern er entmannt auch seine Gewinner. In kurzen Minispielen begleiten wir einen Drohnenpiloten durch seinen öden Alltag, rasieren uns, fahren zur Arbeit, singen dabei - wie passend - Queens "One Vision" mit, rauchen in der Pause, verfolgen weiße Gestalten auf körnigen "Predator"-Videofeeds, tratschen mit Frau und Vorgesetzter und verbringen abends mit unserem Sohn die Freizeit vor der Spielkonsole, auf der - eben - im First-Person-Shooter heroisch Krieg geführt wird. Die Arbeit am Kontrollschirm der drohend kreisenden Drohne hingegen ist repetitiv, öde und von ereignislosem Warten bestimmt. Es ist die absurde Normalität des vom Krieg maximal entfernten Kriegsalltags, die die Grenzen zwischen den Monitoren jenen des realen und des virtuellen Tötens - verschwinden lässt und uns dafür, als Ausgleich, für alles und jedes mit Ehrenmedaillen auszeichnet: vom "Excellence in Shaving"-Orden über jenen für "Husband Good Conduct" bis zur Medaille der "Honorable Dad Unit". Alltag zu realistisch für Spiele Einen Orden für einen tatsächlichen "Predator"-Drohneneinsatz in diesem unspektakulären Arbeitsalltag bietet "Unmanned" natürlich auch: Ihn bekommt, wer ohne Anklicken der sich anbietenden Fragemöglichkeiten an die Vorgesetzte den aus der Luft verfolgten "Verdächtigen" am anderen Ende der Welt per Luftschlag "unschädlich macht". Da sage noch jemand, Spiele über den Krieg müssten immer unrealistisch bleiben. In einem Artikel der "New York Times" zum Thema sprach einer der Drohnenpiloten des US-Militärs von der nur auf den ersten Blick offensichtlichen Ähnlichkeit der realen und virtuellen Kriegführung vor dem Monitor: Keiner der Drohnenpiloten würde seine Einsätze auch nur im Entferntesten mit dem Spielen eines Videospiels vergleichen wollen. "Kein Videospiel verlangt von mir, dass ich sechs Stunden dasitze und dasselbe Ziel beobachte. Was wir unseren Crews einbläuen, ist, dass es hier um ein reales Fluggerät mit einem realen Piloten geht. Was für eine Entscheidung man vor dem Monitor auch immer trifft - ob gut oder schlecht -, es gibt immer reale Konsequenzen. " 8 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) ZITATE AUS DEM STÜCK / DISKUSSIONSGRUNDLAGEN Astronauten Die haben die Ewigkeit Aber ich habe die Farbe Ich habe Blau Ich Ich Ich Ich bin nicht ohne Grund in diesem Blau habe Raketen abzuschießen habe Sidewinder habe Mavericks Ich lasse sie hinabregnen auf die Minarette und den Beton unter mir Die Gebäude die den Sand aufbrechen Ich zerlege sie wieder Mache sie wieder zu Wüste Zu Teilchen Sand • Was für ein Verhältnis hat die Pilotin zu ihrem Beruf? • Wie steht die Pilotin zu ihrer Aufgabe? Woran merkst Du das? • Was unterscheidet ihre Aufgabe im Jet von ihrer Aufgabe im Container? • Warum hatte die Pilotin mit dem Töten im Jet nie ein Problem? Ich mache einen Test Rosa Ich bin rosa Rosa Fuck Ich kann damit nicht fliegen Mit ihr Ich weiß es ist eine Sie Geht nicht Regeln und Vorschriften Ich will den Himmel Ich will das Blau Aber ich kann sie nicht töten Ich kann sie nicht töten Kann ich nicht • Warum ärgert sich die Pilotin über ihre Schwangerschaft? • Warum glaubst Du kommt ein Schwangerschaftsabruch für sie gar nicht in frage? • Wie verhält sich ihre Entscheidung zu ihrem Beruf? 9 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) Es ist nicht fair Eigentlich nicht Wir sollten eine Durchsage machen: Achtung Volk der Grauen Wüste Alles wird beobachtet Sobald Sie nach draußen gehen stehen Sie unter Verdacht Das wäre fair. • • Was hält die Pilotin von Fairness? Was ist an ihrer Aussage Witz und was ist Ernst? Ein Geschenk So werde ich das sehen ich werd versuchen das so zu sehen Die Drohnen sind ein Geschenk Ich habe ein Geschenk bekommen Ich kann wieder fliegen Irgendwie Aber ich bin dabei nicht achttausend Meilen weit weg Ich sehe meine Tochter größer werden Ich küsse jeden Abend meinen Mann Keine Leuchtspurgeschosse Keine Granatwerfer Die Bedrohung durch den Tod ist verschwunden Die Bedrohung durch den Tod ist aus unserem Leben verschwunden Viva Viva Viva Las Vegas • • • • Von welcher Bedrohung durch den Tod spricht die Pilotin? Hat sie sich früher oft vor dem Tod gefürchtet? Hast Du das Gefühl, dass die Pilotin sich selbst glaubt? Für wen sind die Drohnen wirklich ein Geschenk? ...wenn ich im Krieg wäre, einem echten Krieg, würden wir dieses Gespräch nicht führen, ich wäre nicht so scheißmüde, den Kopf voll mit Grau auf einem Sofa im Gespräch mit ‘ner Psychotussie [...] ich würde nie nie nie auf einem Sofa sitzen und über meine Gefühle sprechen; können wir also so tun als ob ich nicht jeden beschissenen Abend nach Hause komme können wir das machen, können wir das, ist ganz einfach, können wir, wir können alle so tun als wäre ich wirklich in einem echten beschissenen Krieg. • • • Warum möchte die Pilotin lieber in einem „echten beschissenen Krieg“ sein? Warum will die Pilotin nicht über ihre Gefühle sprechen? Weshalb glaubst Du ist die Pilotin so wütend? 10 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) Zuhause sein - muss auch trainiert werden Sich an die Routine gewöhnen Zum Krieg fahren wie zur Schichtarbeit Als würde ich die Stechuhr bedienen Früher habe ich die Umstellung nach Hause einmal im Jahr gemacht Jetzt kommt das einmal am Tag Andere Sache Völlig andere Sache • • • • Warum glaubst Du, ist das Zuhause sein eine Herausforderung? Inwiefern ist das Zuhause sein anderes als früher für die Pilotin? Warum ist das nach Hause kommen so eine grosse Umstellung? Warum ist die Gegenüberstellung von Krieg und Schichtarbeit so irritierend? Ich weiß nicht wieso aber ich gehe durch den Sand gehe weiter und da finde ich sie Kreuze Hunderte von Kreuzen in den Sand gehämmert Keine Namen nur Kreuze Jemand hat sie hier aufgestellt Vielleicht auf dem Heimweg Um es irgendwie Aus dem Grau herauszuholen Es real zu machen • • • • Warum glaubst Du sind die Kreuze da? Wer hat die Kreuze dahin gemacht? Was ment die Pilotin mit „Es real machen“? Was bedeuten die Kreuze für die Pilotin? Ich schwitze meine Achseln meine Hände Ich bin nicht dort ich kann nicht getötet werden die Bedrohung des Todes ist verschwunden es gibt keine Gefahr für mich ich bin das Auge am Himmel es gibt keine Gefahr aber mein Puls geht schneller wieso geht er schneller Ich bin nicht im Kampf wenn Kampf Risiko ist wenn Kampf Gefahr ist wenn Kampf Kampf ist bin ich nicht dabei Aber mein Puls geht schneller Es ist kein fairer Kampf Aber er geht schneller • • • • • Warum ist die Pilotin so aufgeregt, obwohl für sie keine Gefahr besteht? Stimmst Du der Pilotin zu? Ist Kampf gleich Risiko? Gibt überhaupt einen fairen Kampf? Gibt es einen fairen Krieg? Wann ist töten fair? 11 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) Es ist grau hier Aber es ist Beton nicht Sand Das ist jetzt mein Zuhause Das Militärgericht mein Zuhause Ich bin hier Am Boden • • • • Kommt die Pilotin zurecht vor das Militärgericht? Ist sie schuldig? Wenn ja, wie hat sie sich schuldig gemacht? Meinen Anzug muss man mir weggenommen haben Aber ich sehe ihn immer noch er ist noch hier Ich habe ihn verdient Ich habe ihn verdient mit Schweiß und Grips und Mut Mut den sie nie verstehen werden Mut den ihr nie verstehen werdet • • • • Was meint sie damit, sie hätte ihren Anzug verdient? Von welchem Mut spricht sie? Warum glaubt sie, wir würden es nie verstehen? Was bedeutet ihr ihr Anzug? 12 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) NACHBEREITUNG Bevor Fragen geklärt werden, können die Schülerinnen und Schüler ihre Augen schliessen und dann reihum ihre intensivste Erinnerung, ihr intensivstes Bild aus der Inszenierung beschreiben. Fragen allgemein • • • • • • • Wie waren die Kostüme? Was sagt das Kostümbild über diese Gesellschaft aus und über die Figur? Wie war das Bühnenbild, welche Spielmöglichkeiten hat es der Spielerin geboten? Worauf wurde bei dieser Inszenierung besonders Wert gelegt? Wie wurde Video in dieser Inszenierung genutzt? Was haben die Videoeinspielungen Dir erzählt? Wie haben sie gewirkt? Welche Atmosphären herrschten in der Inszenierung? Weitere Fragen zum Stück • Ist Dir die Pilotin sympathisch? Köntest Du mit ihr befreundet sein? • • • • • • • Ist die Pilotin ein Opfer oder Täter, oder beides? Warum? Könntest Du Dir vorstellen, bei der Luftwaffe Kampfpilot_in zu sein? Warum? Könntest Du Dir vorstellen bei der Luftwaffe Drohnenpilot_in zu sein? Hat die Pilotin unser Mitleid verdient? Warum? Hast Du Mitleid mit der Pilotin? Was würdest Du die Pilotin nach ihren Erfahrungen im Container fragen? Gibt es einen fairen Krieg? Was unterscheidet ein Luftangriff mit Drohnen von einem Luftangriff mit Kampfjet? Wenn es sich wirklich für eine Sache zu kämpfen lohnt, sind alle Mittel gerechtfertigt? Warum? • 13 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) IDEEN FÜR DEN UNTERRICHT Debatte Pro Und Contra Drohneneinsatz Debatten bieten ein Forum zu lernen, Gegensätze in zivilisierter Form auszutragen und eigene wie fremde Standpunkte besser zu verstehen und zu vertreten. Es geht vor allem darum, unter den Alltagsbedingungen unvollständiger Information und endlicher Zeit kontroverse Positionen gegenüberszustellen und einer Entscheidung zuzuführen. Allen anwesenden Personen wird Gelegenheit gegeben als Redner und Publikum verschiedene Positionen aufzunehmen und sich in der Form des öffentlichen Streitgespräches zu üben. Form: Tübinger Debatte Thema: Das Thema ist in Form einer Frage zu formulieren, die sich zustimmend mit ‚Ja' oder ablehnend mit ‚Nein' beantworten lässt Die Teams haben 15 Minuten sich vorzubereiten, Argumente und Gegenargumente zu sammeln. Anschließend stellt der Präsident das Thema der Sitzung zur geheimen Abstimmung. Stimmberechtigt sind alle Sitzungsteilnehmer mit Ausnahme des Präsidenten und der Pro- und Contra-Redner.Der Präsident führt während der Offenen Aussprachen die Rednerliste. 14 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) In der Aussprache darf der einzelne Redner der Pro- oder Contra-Seite ohne Unterbrechung nicht länger als zwei Minuten, bei Eröffnungs- und Schlussvortrag nicht länger als jeweils drei Minuten sprechen. Zwischenrufe und Fragen von Seiten anderer Sitzungsteilnehmer gelten nicht als Unterbrechung. Sitzungsteilnehmer, die nicht Redner der Pro- oder Contra-Seite sind, dürfen während der Offenen Aussprache ohne Unterbrechung nicht länger als eine Minute sprechen. Zwischenrufe von Seiten anderer Sitzungsteilnehmer gelten nicht als Unterbrechung. Der Präsident führt die Rednerliste. Die Schlussplädoyers der Pro- und Contra-Redner beenden die Aussprache, nachdem der Präsident die Rednerliste geschlossen hat und sie sich erschöpft hat. Sie erfolgen in derselben Reihenfolge wie die Eröffnungsstatements. Hat der Präsident die Aussprache geschlossen, stellt er die debattierte Frage zur offenen Abstimmung. 15 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) LINKLISTE Informationen, Videos, Artikel rund um das Thema Drohnen Artikel http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/ein-reuiger-drohnenpilot/story/31854827 Filme Arte 2013 (52 Min.) http://wapmon.com/videos/view/7Au6SVhSorI/Drohnen-Von-der-Waffe-zur-berwachungdoku-2015.html Interview mit Ex-Drohnenpilot https://www.youtube.com/watch?v=-8DKaIRL5U0 Doku: Unmanned: America's Drone Wars https://www.youtube.com/watch?v=mpzk7OdbjBw Jon Oliver über den Drohnenkrieg. 12 Minuten https://www.youtube.com/watch?v=K4NRJoCNHIs hier ein Video eines Künstlers, der mit Drohnenpiloten gesprochen hat: http://www.gbagency.fr/en/42/Omer-Fast/#!/5-000-Feet-is-the-Best/site_video_listes/88 Und noch mehr Drohnen-Videos: https://www.youtube.com/watch?v=gU75dB0HfvM https://www.youtube.com/watch?v=G90SvYuMVos 16 Materialien für den Unterricht Am Boden (Grounded) BESETZUNG Pilotin Atina Tabé Inszenierung: Katharina Rupp Bühnen und Kostüm: Marco Brehme Video: Florian Barth Licht: Barono Justheim Dramaturgie: Margrit Sengebusch Regieassistenz und Inspizienz: Melanie Osan Hospitanz: Thea Burkhardt 17