Haftungsausschluss bei Reitbeteiligung

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Haftungsausschluss bei Reitbeteiligung
Haftungsrecht
Reitbeteiligung
Haftungsausschluss
bei Reitbeteiligung
Reitbeteiligungen ermöglichen
es Pferdefreunden, mit einem geringen Zeit- und Kostenaufwand
regelmäßig Umgang mit einem
Pferd zu haben.
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PferdeRecht 02-2012
Foto: PferdeRecht
Leitsatz des Urteils: Wenn die mündliche Vereinbarung einer auf
längere Zeit angelegten Reitbeteiligung nicht geschäftlich geprägt
ist, kann konkludent ein Haftungsausschluss für den Fall vereinbart
sein, dass der Inhaber der Reitbeteiligung bei deren Wahrnehmung
durch das Pferd einen Schaden erleidet.
OLG Nürnberg Urteil vom 27. Juni 2011 Az.: 8 U 510/11
Reitbeteiligung
1. Einleitung
Die Parteien streiten um Schadensersatz- und
Schmerzensgeldansprüche im Zusammenhang
mit der Nutzung eines im Eigentum der Beklagten stehenden Pferdes im Rahmen einer Reitbeteiligung.
Der hier zu besprechenden Berufungsentscheidung des OLG Nürnberg liegt die klagabweisende Entscheidung des Landgerichts NürnbergFürth, Aktenzeichen 16 O 7941/10, zugrunde.
Die Klägerin hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, weil sie der Ansicht ist, das Landgericht stelle überzogene Anforderungen an die
Substantiierungslast der Klägerin. Der von ihr
erlittene Unfall sei für die Klägerin unvermeidbar gewesen. Unfallursächlich sei das tierische
Verhalten. Der Ausritt habe nicht im Rahmen der
üblichen Reitbeteiligung stattgefunden, sondern,
um das Pferd wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit der Beklagten zu bewegen.
Gestützt werden die Klagforderungen auf § 833
Satz 1 BGB, der in diesem Beitrag noch näher
besprochen werden soll.
Die Beklagte verteidigt das Ersturteil der Vorinstanz als zutreffend. Insbesondere liege kein substantiierter Sachvortrag zum Unfallhergang vor.
Die Klägerin habe nicht richtig vorgetragen, weshalb sie in der streitgegenständlichen Situation
überhaupt habe verletzt werden können. Zudem
liege es auf der Hand, dass bei einem Verhältnis
der Parteien, wie dem hier vorliegenden, eine
Haftung für mögliche Schäden der reitbeteiligten
Klägerin ausgeschlossen sein sollte.
Einigkeit bestand darüber, dass sich der Unfall
an einem Montag ereignete, eben dem Tag, an
dem sich die Klägerin auch bei Anwesenheit der
Beklagten um das Tier kümmert.
2. Das Urteil des OLG Nürnberg
Das OLG Nürnberg hat die zulässige Berufung
der Klägerin kostenpflichtig abgewiesen.
Nach Auffassung des Senats besteht im hier zu
entscheidenden Fall ein konkludent abgeschlossener, vertraglicher Haftungsausschluss zwischen den Parteien.
Nach den Feststellungen des Senates habe
die Klägerin in den Zeiten, in denen sie ihre
Haftungsrecht
Reitbeteiligung wahrgenommen habe, wie eine
Tierhalterin gemäß § 833 BGB, unumschränkte
Einflussmöglichkeiten auf das streitgegenständliche Pferd gehabt. Diese Situation läge auch im
überwiegenden Interesse der Klägerin, da sich
diese durch die mit der Beklagten vereinbarte
Reitbeteiligung den kostspieligen Erwerb und
das Halten eines eigenen Tiers ersparen und
sich in bestimmten Zeiträumen faktisch und
selbstständig wie eine Tierhalterin um das Tier
kümmern und dieses nach Belieben reiten und
versorgen konnte.
Das Gericht führt aus, dass derartige Reitbeteiligungen es Pferdebegeisterten ermöglichen,
die nicht über ausreichende finanzielle Mittel
und/oder ausreichende Zeit verfügen, um
sich selber ein Pferd zu halten, dennoch in den
Genuss des Umgangs mit einem solchen Tier
zu kommen und es nach ihren Vorstellungen zu
bewegen, Ausritte vorzunehmen oder in einer
Reithalle zu reiten. Dass dadurch auch der Tierhalter entlastet werde, träte insoweit, zumindest
im Verhältnis des hier vorliegenden Falles, in den
Hintergrund. Bei einem solchen Verhältnis, bei
dem das Entgelt (hier monatlich 35 €) nicht von
erheblicher Bedeutung und welches darüber hinaus auf längere Zeit angelegt sei – hier dauerte
es bereits drei Jahre an –, wohne diesem auch
inne, dass die beteiligten Personen davon ausgingen, dass der Tierhalter im Falle von Schäden
durch das Tier nicht haften solle; denn derjenige,
der die Reitbeteiligung habe, solle sich, zumindest wenn es sich um eine volljährige Person
handle, wie ein Tierhalter auf Zeit fühlen und das
Risiko von Schäden durch das Tier selber tragen.
Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die
Parteien auch privat miteinander verkehren und
persönlich näher bekannt seien, wie dies auch
auf den hier zu entscheidenden Fall zuträfe. Es
handle sich hier eben nicht um eine geschäftlich
geprägte Beziehung. Vielmehr verbänden die
Parteien die Liebe zu den Pferden und das Hobby
des Pferdesportes. Eine Haftung der Beklagten
gemäß § 833 BGB sei hier stillschweigend vertraglich ausgeschlossen.
Das OLG Nürnberg ist somit der Ansicht, dass
die ursprüngliche Klage vor dem Landgericht
Nürnberg-Fürth zurecht abgewiesen wurde,
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Haftungsrecht
Reitbeteiligung
ohne dass es noch darauf angekommen wäre, ob
der Unfall tatsächlich so stattgefunden habe, wie
die Klägerin dies mit den von ihr behaupteten
Folgen vorträgt und ob eigenes (Mit-)Verschulden (§ 254 BGB)1 der Klägerin vorläge.
Der Senat stellt fest, dass es vorliegend auch
nicht darauf ankomme, dass die Beklagte sich im
Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses im Urlaub befunden habe. Da sich der Unfall unstreitig
an einem Montag ereignete und dies in jedem
Fall der Tag der Wahrnehmung der Reitbeteiligung der Klägerin sei, müsse eine etwaig gegebene Erhöhung des Interesses auf Seiten der
Beklagten nicht diskutiert werden.
3. Besprechung
Reitbeteiligungen gibt es überall. Jedoch machen
sich die Parteien nur in den seltensten Fällen
Gedanken über die meist weitreichenden Folgen
eines Reitunfalls. Aufgrund des Urteils und der
dauerhaften Aktualität dieser Thematik soll im
Folgenden auf die entscheidende Haftungsnorm,
den § 833 BGB, eingegangen und dessen Voraussetzungen aufgezeigt werden.
Die Haftung des Tierhalters nach §
833 S. 1 BGB
§ 833 S. 1 BGB besagt:
„Wird durch ein Tier
ein Mensch getötet oder der Körper oder die
Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine
Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das
Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus
entstehenden Schaden zu ersetzen.“
Grundlagen
Die Haftung des Tierhalters ist eine besondere
Form der Verkehrssicherungspflichtverletzung,
also der Verletzung einer Verhaltenspflicht zur
Abwehr von Gefahren aufgrund des Setzens oder
Unterhaltens einer Gefahrenquelle. Das Unterlassen dieser Verhaltenspflicht kann zu Schadensersatzansprüchen nach den §§ 823 ff. BGB führen.
Die Schadensersatzhaftung aus § 823 BGB setzt
hierbei aber immer auch zwingend ein Verschul1
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Z ur Orientierung des Haftungsmaßstabs des § 254 BGB an § 834 BGB
siehe OLG München, 20 U 5105/09.
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den des Schädigers voraus. Der § 833 S. 1 BGB
bestimmt hingegen, dass der Tierhalter auch
ohne eigenes Verschulden für Personen- und
Sachschäden haften muss. Im Falle der Haltung
von Nutz-Haustieren besteht für den Halter die
Möglichkeit der Exkulpation.
Haftpflichtversicherung
Eigentümer größerer Tiere haben meist eine
spezielle Tierhalterhaftpflichtversicherung
abgeschlossen. Dies ist dadurch notwendig,
dass die allgemeine Privathaftpflichtversicherung auf Grund der Ausschlussklausel in den
Versicherungsbedingungen nicht die „Haftung
als Tierhalter“ erfasst. Damit ist nicht nur die Gefährdungshaftung gem. § 833 BGB, sondern auch
die Verschuldenshaftung des Tierhalters gem. §
823 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.2
Praktische Bedeutung
Wegen des üblichen Versicherungsschutzes
durch Haftpflichtversicherungen sollte um
die Anwendung der Grundnorm wenig Streit
entstehen. Die früheren Zweifelsfragen um die
Eingrenzung der Norm auf „tierspezifisches
Verhalten“ werden tendenziell zurückgedrängt
zugunsten einer umfassenden Haftungsregel.3
Problematisch bleibt der Einwand des konkludenten Haftungsausschlusses (v.a. bei Reitern)
bzw. des Mitverschuldens. Billigkeitsgesichtspunkte könnten hierbei bei ausnahmsweise
nicht versicherten Tierhaltern stärker gewichtet
werden.
Anwendungsvoraussetzungen des §
833 S. 1 BGB
Als allgemeine Regel begründet das Gesetz in §
833 S. 1 BGB eine Gefährdungshaftung des Tierhalters unter der Voraussetzung, dass das von
ihm gehaltene Tier einem Dritten an bestimmten
Rechtsgütern rechtswidrig einen Schaden zufügt.4 Anknüpfungspunkt für die Haftung ist allein
die Verletzung von Personen oder die Schädi2
BGH v. 25.04.2007 - IV ZR 85/05 - NJW 2007, 2544.
3
Wagner in MünchKomm-BGB, § 833 Rn. 2 ff..
4
Sprau in Palandt, § 833 Rn. 1.
Haftungsrecht
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Reitbeteiligung
Nur wenige Parteien einer Reitbeteiligung machen sich Gedanken über die häufig weitreichenden Folgen eines
Reitunfalls. Es ist stets ratsam, Haftungsfragen vorher abzusprechen und schriftlich festzuhalten.
gung von Sachen durch ein Tier. Provokationen
durch den Geschädigten sind dabei allenfalls
beim Mitverschulden zu berücksichtigen.5
Tier
Das sind grundsätzlich alle tierischen Lebewesen
im naturwissenschaftlichen Sinn.6 Allerdings sind
nur solche Tiere erfasst, über die der Mensch
eine Kontrolle ausüben kann.7 Sie müssen gehalten werden können.
Tierhalter
Laut Definition ist Tierhalter, wer die Bestimmungsgewalt über das Tier hat, aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und
den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres in
Anspruch nimmt8. Unabhängig etwaiger formeller oder rechtlicher Beziehungen ist demnach
Tierhalter, wer faktisch für das Schicksal des
Tieres zuständig ist9.
Rechtsgutsverletzung
Geschützt sind Leben, Gesundheit sowie bewegliche und unbewegliche Sachen eines
Dritten.10 Auch die Gebrauchsbeeinträchtigung
fällt darunter z.B.: das ungewollte Decken eines
fremden Tieres.11 Nicht anwendbar ist § 833 BGB
nach seinem Schutzzweck im Verhältnis zwischen Mithaltern. Es bestehen demnach keine
Ansprüche auf Schadensersatz gegenüber den
anderen Mithaltern, wenn ein Mithalter durch
das gemeinsam gehaltene Tier verletzt wird.12
8
Moritz in jurisPK-BGB, § 833, Rn. 8.
5
Moritz in jurisPK-BGB, § 833 Rn. 5.
9
OLG Schleswig v. 20.09.2004 - 2 Ss 133/04.
6
Sprau in Palandt, § 833 Rn. 4.
10
Sprau in Palandt, § 833 Rn. 5.
7
D
as ist bei den Wildtieren einer Jagdpacht nicht der Fall: AG
Altenburg v. 19.05.2005 - 2 C 668/03, bestätigt von LG Gera v.
28.10.2005 - 1 S 275/05.
11 Wagner in MünchKomm-BGB, § 833 Rn. 5.
12
OLG Köln NJW-RR 99, 1628.
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Haftungsrecht
Reitbeteiligung
Vorliegend wurde die Klägerin im Rahmen der
Reitbeteiligung jedoch nicht als Tierhalter gesehen, sondern einem solchen in gewisser Hinsicht
bezüglich der Einwirkungsmöglichkeiten auf das
Tier lediglich gleichgestellt.
„Durch ein Tier“
„Durch ein Tier“ bedeutet die grundsätzliche
Verursachung durch das Tier, d.h. es muss ein
Zurechnungszusammenhang zwischen dem
tierischen Verhalten und dem eingetretenen
Schaden bestehen. Das tierische Verhalten muss
dabei nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfallerfolges gewesen sein, es muss also
nicht ausschließlich kausal geworden sein. Vielmehr genügt eine adäquate Mitverursachung.13
Auch ausreichen soll es, wenn das tierische
Verhalten lediglich psychische Wirkungen, wie
Vermeidungs- oder Schreckreaktionen auslöst,
die ihrerseits zum Schaden führen.14 So wurde
vertreten, dass die Kausalität bereits gegeben sei,
wenn sich durch das Erscheinen eines anderen
Tieres ein Schaden durch schreckhaftes Reagieren realisiert15. Bei typischen Handlungsverläufen kann hier der Anscheinsbeweis herangezogen werden16.
Realisierung der spezifischen
Tiergefahr
In der Vergangenheit wurde im Zusammenhang
mit Reitunfällen noch geprüft, ob das Pferd dem
Reiter folgte oder nicht17. Unabhängig von den
unterschiedlichen Ansichten in Rechtsprechung18
und Literatur19, in denen hauptsächlich diskutiert
wird, ob es sich hierbei um ein Tatbestandsmerkmal oder aber den Gesetzeszweck handelt, kann
dieser Punkt prinzipiell vernachlässigt werden,
da er stets zu bejahen und durch die Feststellung
der Kausalität auszufüllen sein wird20.
70
13
BGH NJW-RR 06, 893.
14
OLG Nürnberg NJW 65, 694.
15
O
LG Celle v. 10.09.1997 - 20 U 49/96; OLG Düsseldorf v. 18.04.1996
- 18.04.1996.
16
Moritz in jurisPK-BGB, § 833, Rn. 13.
17
BGH NJW 1952, 1329.
18
BGH v. 06.07.1999 - VI ZR 170/98.
19
20
Haftungsausschluss
Es gibt unterschiedliche Formen von Haftungsausschlüssen. Neben den gesetzlich geregelten21
existieren vertragliche22 Haftungsausschlüsse
bzw. -beschränkungen im Zusammenhang mit
Gefälligkeitsüberlassungen und eben auch, wie
es im streitgegenständlichen Verfahren zur
Klärung stand, konkludent stillschweigende Haftungsausschlüsse. Im Zusammenhang mit dem
zu besprechenden Urteil soll hier folglich nur auf
die Fallgruppe der stillschweigenden Ausschlüsse Bezug genommen werden.
Beim sogenannten „Handeln auf eigene Gefahr“
tendiert die Rechtsprechung normalerweise
dazu, lediglich einen Haftungsmilderungsgrund
anzunehmen23 und diesen gemäß § 254 BGB
auszugleichen. Ausschließlich im Bereich der
Gefährdungshaftung, wie hier vorliegend, soll
davon eine Ausnahme gemacht werden und in
besonderen Fällen ein konkludenter Haftungsausschlussgrund gegeben sein24. Im pferderechtlichen Zusammenhang ist dies der Fall, wenn ein
Reiter das erhöhte Risiko des einzelnen Pferdes
bewusst in Kauf nimmt25. Die im Zusammenhang eines etwaig stillschweigend vereinbarten
Haftungsausschlusses von der Rechtsprechung
geprüften Kriterien sind hierbei: ein erhöhtes Gefahrenpotential, Fremdnützigkeit und das Bestehen einer Haftpflichtversicherung beim Tierhalter26. Hier wird deutlich, dass es für die Annahme
eines stillschweigenden Haftungsausschlusses
immer auf den speziellen Einzelfall ankommt. Dabei fließen auch stets Billigkeitsgründe mit ein.
Alleine das Überlassen eines Pferdes zum selbständigen Ausritt führt jedenfalls nicht zu einem
stillschweigenden Haftungsausschluss27. Um zur
Begründung eines solchen beim Bestehen einer
Gefälligkeitsüberlassung zu kommen, wird vorher stets akribisch ein etwaiges Mitverschulden
21
siehe §§ 104-106 SGB VII.
22
sei es z.B. in Form einer Leihe nach § 599 BGB oder aber auch
individuell vereinbart.
23
Moritz in jurisPK-BGB, § 833, Rn. 30.
24
BGH v. 20.12.2005 - VI ZR 225/04.
25
z.B. Übernahme eines erkennbar schweren Pferdes, Zureiten von
Jungtieren etc.
Eberl-Borges in Staudinger, § 833, Rn. 37-66.
26
BGH VersR 2006, 416, 419.
so auch Moritz in jurisPK-BGB, § 833, Rn. 22.
27
OLG Celle v. 09.11.2006 - 20 U 19/06.
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Reitbeteiligung
Rechtsanwalt Hauke Oppermann ist Partner der Sozietät
Oppermann & Nilges in Kiel.
Neben den schwerpunktmäßig bearbeiteten Rechtsgebieten des Pferde- und Agrarrechts promoviert er derzeit
im Öffentlichen Recht.
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Der Artikel entstand mit der
Unterstützung des Referendars Jan-Philipp Bermann.
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Hauke Oppermann
geprüft28. Im Zusammenhang mit Tierhütern legt
§ 834 BGB eine Beweislastumkehr fest29.
4. Anwendung auf den Fall und Fazit
Grundsätzlich bestehen überzeugende Argumente für die Annahme einer Haftungsbegrenzung bei allen Gefälligkeitsverhältnissen in
Analogie zur Schenkung (§ 521 BGB), Leihe (§
599 BGB) und Verwahrung (§§ 690, 277)30. Hierbei handelt es sich um eine dogmatisch richtige
Begründung der Verteilung des Individualrisikos
zwischen den Beteiligten31. Dass dies in speziell
gelagerten Fällen, wie dem hier vorliegenden,
zu einem stillschweigenden Haftungsausschluss
führen kann, ist jedenfalls billig und konsequent.
Das OLG hat vorliegend die Besonderheiten des
Falles gewürdigt und ist zum richtigen Ergebnis
gekommen. Hier bestand die Reitbeteiligung bereits seit drei Jahren. In dieser Zeit hatte die Klägerin regelmäßig alleinigen Zugriff auf das Pferd.
Dies lag auch in ihrem überwiegenden Eigeninteresse. Gerade bei einem so geringen finanziellen
Aufwand spricht einiges dafür, dass die Beklagte
nicht wirklich auf eine Beteiligung angewiesen
ist, sondern es im Sinne eines entgegenkommenden Verhaltens der Klägerin ebenfalls ermöglichen wollte, ihrer Leidenschaft nachzugehen.
In einem solchen Fall scheint es sicher, dass die
Parteien, hätten sie sich im Vorfeld über die Haf28
BGH v. 22.12.1992 - VI ZR 53/92.
29
BGH v. 09.06.1992 - VI ZR 49/91.
30
Moritz in jurisPK-BGB, § 833, Rn. 34.
31
Maier in JuS 2001, 746, 751.
Haftungsrecht
tungsfragen unterhalten, zu eben diesem Ergebnis des Haftungsausschlusses gekommen wären.
Ob der Senat zu einem abweichenden Ergebnis
gekommen wäre, wenn das schädigende Ereignis an einem anderen Tag stattgefunden hätte,
lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
Es spricht jedoch einiges dafür, auch bei einer
gewissen Verschiebung der Interessenlage bei
Betrachtung des Gesamtzusammenhangs zu selbigem Ergebnis zu kommen. Schließlich wäre bei
Betrachtung des gesamten Zeitraums auch bei
vorübergehender urlaubsbedingter Abwesenheit
keine derartige Verschiebung gegeben, die ein
anderes Ergebnis rechtfertigen würde. Das OLG
unterlässt es hier zwar, den Punkt des Bestehens
einer Haftpflichtversicherung und einer damit
einhergehenden Haftungsverteilung, der den
BGH32 seinerzeit unter anderem zur restriktiven
Annahme eines Haftungsausschlusses veranlasst
hat, gesondert zu prüfen. Im Ergebnis würde
aber eine Verschiebung in diesem Falle nur auf
Grund des Bestehens des Versicherungsschutzes
zu einem unbilligen Ergebnis führen, welches
die Versicherung durch eine rein konstruierte Regulierungsverpflichtung unangemessen
benachteiligt.
Nach alledem ist es auch bei Reitbeteiligungen
stets ratsam, die Haftungsfragen vorher anzusprechen, eine für alle Parteien vertretbare Lösung zu finden und diese schriftlich zu fixieren.
Hierdurch lassen sich langwierige und unangenehme Rechtsstreitigkeiten von vornherein
verhindern.
32
Rechtsanwalt Hauke Oppermann
BGH v. 09.06.1992 - VI ZR 49/91.
Der Artikel in Kürze
➤Konkludent abgeschlossener Haftungsausschluss
bei Reitbeteiligungen
➤Zurechnungszusammenhang zwischen dem tierischen Verhalten und dem eingetretenen Schaden
➤ Klärung der Haftungsfragen im Vorfeld
PferdeRecht 02-2012
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