Literatur

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tv diskurs 72
L I T E R AT U R
Narration und Storytelling
Literatur
definitorische „Monokultur“ fest
(S. 39), da sich die meisten Defi-
In insgesamt sieben Beiträgen
nitionen an einem realen Bezug
nähern sich die Autoren dem
zu Objekten orientieren; den-
Thema sowohl von theoretischer
noch stellen sie insgesamt eine
als auch von empirischer Seite.
Vielfalt fest, da es weder zentra-
In ihrer Einleitung stellen die
le Theoretiker der Narration zu
beiden Autoren fest: „Erzählen
geben scheint, die oft zitiert
Narration und Storytelling.
ist aber eine funktionale Kultur-
werden, noch eine gewisse
Theorie und empirische Befunde
technik, weshalb sich jede Defi-
Transparenz der Definitionen in
Lothar Mikos
nition auch an diesen Funktio-
den untersuchten Kapiteln. Sie
nen orientieren muss. Ganz all-
gehen daher davon aus, dass je
gemein kann man sie unter dem
nach Definition von Narration
Klassenproduktion.
Oberbegriff ‚Verständigung‘
auch unterschiedliche Wirkun-
Fernsehen als Agentur des Sozialen
oder ‚Kommunikation‘ zusam-
gen zum Tragen kommen. Mit
Tanja Thomas
menfassen. Narration ist also ei-
anderen Worten: Man kann die
ne bestimmte Art der Verständi-
verschiedenen Studien aufgrund
gung bzw. Kommunikation. Je
mangelnder Transparenz eigent-
Praxeologische Mediensozialisationsforschung.
nach Gegenstand und Ziel der
lich nicht miteinander verglei-
Langzeitstudie zu sozial benachteiligten
Verständigung haben sich des-
chen.
Heranwachsenden
halb diverse Varianten des Nar-
Im folgenden Kapitel nimmt
Hans-Dieter Kübler
rativen herausgebildet, bei de-
Werner Früh eine Klärung vor
nen die narrative Grundfunktion
und definiert Narration und
durch einzelne Spezifika zu pro-
Storytelling. Er kommt zu dem
Medien: Aufklärung – Orientierung – Missbrauch.
totypischen Definitionen diversi-
Ergebnis, „dass Narration in ih-
Vom 17. Jahrhundert bis zu Fernsehen und Video
fiziert wird“ (S. 9 f.). Im Folgen-
rer ‚Kernbedeutung‘ durch fol-
Klaus-Dieter Felsmann
den geht es den Autoren dann
gende Merkmale definiert wer-
nicht um fiktionale Filme oder
den kann: Erzähler, Adressat,
Fernsehsendungen, die von ei-
menschlicher bzw. anthropo-
„Goldene 50er“ oder „Bleierne Zeit“?
ner möglichen Welt erzählen,
morpher Handlungsträger (ggf.
Geschichtsbilder der 50er Jahre im Fernsehen
sondern um die Funktionen des
Protagonist), Kohärenz und In-
der BRD, 1959 – 1989
sogenannten „Storytelling“ im
tentionalität“ (S. 73). Für die Er-
Uwe Breitenborn
Journalismus, denn dem erzäh-
forschung der journalistischen
lenden Stil wird eine besondere
Praxis unterscheidet der Autor
Attraktivität und Wirkung unter-
zwischen journalistischer Narra-
Die Videothek. Zur Geschichte und medialen Praxis
stellt, die aber auch unabhängig
tion und Storytelling, wobei
einer kulturellen Institution
vom Journalismus gilt. Es ist das
Letzteres „entweder eine Pseu-
Lothar Mikos
Anliegen der Autoren, „die tat-
donarration oder ein Realitäts-
sächlich wirksamen Narrations-
fake oder beides“ ist (S. 90). Er
komponenten und Wirkungs-
unterscheidet verschiedene
Sprachbasierte Medienkompetenz von Kindern und
mechanismen aufzudecken“
Formen der Narration und des
Jugendlichen
(S. 11).
Storytelling. Auf diese Weise
Klaus-Dieter Felsmann
In einer ersten Studie wurden
nähert er sich der zentralen Fra-
349 Artikel in deutsch- und eng-
ge, inwieweit journalistische
lischsprachigen Fachzeitschrif-
Narration der Vermittlung von
Tween Girls and their Mediated Friends
ten aus den Jahren 1997 bis
Sachverhalten dienlich und für
Elizabeth Prommer
2006, die sich den Themen
das Verständnis aufseiten des
„Narration“, „Storytelling“,
Publikums sogar förderlich sein
Werner Früh/Felix Frey (Hrsg.):
Andrea Seier/Thomas Waitz (Hrsg.):
Ingrid Paus-Hasebrink/Jasmin Kutterer:
Wolfgang Duchkowitsch:
Mark Rüdiger:
Tobias Haupts:
Franc Wagner/Ulla Kleinberger (Hrsg.):
Jennings, Nancy A.:
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„Geschichten“ etc. widmeten,
kann. Dabei geht er aber von ei-
Jugendliche und die Aneignung politischer
inhaltsanalytisch untersucht, um
nem normativen Verständnis
Information in Online-Medien
herauszufinden, welche Defini-
aus, wenn er zur Vermittlungs-
Daniel Hajok
tionen von Narration in der
leistung des Journalismus
wissenschaftlichen Diskussion
schreibt: „Es liegt ein Realitäts-
vorherrschen. Auf der einen
substrat vor, welches dem Publi-
Seite stellen die Autoren eine
kum möglichst authentisch ver-
Ulrike Wagner/Christa Gebel:
Kurzbesprechungen
Michael Wedel, Tilmann P. Gangloff
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2 | 2015 | 19. Jg.
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mittelt werden soll. Damit muss
In den folgenden Kapiteln wer-
erhöhter Aufmerksamkeit und
die Darstellung präzise, (unter
den die Ergebnisse der ver-
höherem Interesse rezipiert,
den gegebenen Umständen)
schiedenen Studien vorgestellt.
gefallen besser“ und „die Inten-
vollständig und wahrheitsge-
Zunächst wird das Ergebnis ei-
sität des emotionalen Erlebens“
mäß sein“ (S. 115). Der Defini-
ner Inhaltsanalyse von Printme-
ist höher (S. 363). Generell sind
tion liegt die Vorstellung zu-
dien und Fernsehen aus den
die Effekte „klein, aber stabil“
grunde, dass es so etwas wie
Jahren 2010 bis 2012 darge-
(ebd.). Positive kognitive Wir-
eine objektive Realität geben
stellt, in der es darum ging, in-
kungen von narrativen Darstel-
könnte, die frei von Interpreta-
wieweit narrative Darstellungs-
lungen bleiben jedoch nach
tionen ist. Das ist jedoch nicht
formen im Journalismus verwen-
Meinung der Autoren aus.
nur wissenschaftlich umstritten,
det wurden. Eine weitere Studie
Das vorliegende Buch ist das
sondern auch Gegenstand zahl-
befasst sich mit der Stärke und
Ergebnis eines mehrjährigen
reicher Filme und Fernsehserien
dem Geltungsbereich von posi-
wissenschaftlichen Bemühens,
– aber im vorliegenden Buch
tiven Effekten durch Narration
das Phänomen narrativer Dar-
geht es ja um Journalismus.
und Storytelling im Journalis-
stellungsformen im Journalis-
Im folgenden Kapitel arbeitet
mus sowie mit den Wirkungen
mus genauer zu untersuchen,
Felix Frey die vorhandenen Stu-
bei der Filmrezeption. Komplet-
als das bisher geschehen ist –
dien zur Wirkung und Effekten
tiert wird das Buch durch einen
mit dem Ergebnis, dass sich die
narrativer Kommunikationsfor-
Beitrag von Jette Blümler, die
Definition der Autoren an einem
men im Journalismus auf. Auch
sich mit der Wahrnehmung und
normativen Verständnis von
wenn die Ergebnisse der Stu-
Bewertung von nachgestellten
Journalismus als Vermittler einer
dien nur „selten ein klares Bild
Szenen in Dokumentationen be-
objektiven Realität orientiert
ergeben“ (S. 166), fasst der
fasst.
und die positiven Wirkungen
Autor seine Ergebnisse wie folgt
Hier können nicht alle Ergebnis-
von Narrationen auf der emotio-
zusammen: „Narrative Kommu-
se detailliert vorgestellt werden.
nalen Seite zu finden sind, nicht
nikate scheinen im Vergleich zu
Dennoch soll auf einige wichtige
aber auf der kognitiven – mit an-
nicht oder weniger narrativen
hingewiesen werden. So werden
deren Worten: Sie tragen kaum
mehr Aufmerksamkeit zu ge-
erzählende Darstellungsformen
zum Verständnis bei. Mit den
nerieren, eher holistisch ver-
in den Printmedien „offenbar
Studien ist die Journalismus-
arbeitet zu werden, die Vorstel-
häufiger eingesetzt als im Fern-
Forschung einen Schritt weiter-
lungstätigkeit bei der Rezeption
sehen, innerhalb der Beiträge
gekommen. Für interessierte
stärker anzuregen und (auf der
besitzen sie aber einen ähnli-
Laien ist das Buch nur schwer
Basis von objektiven Maßen wie
chen Stellenwert“ (S. 242). Ge-
verdaulich – vielleicht aufgrund
Lesezeiten) verständlicher zu
nerell zeigen narrative Darstel-
der mangelnden Narrativität.
sein. Sie werden als lebhafter
lungen „im Vergleich zu analy-
und realistischer eingeschätzt,
tisch-argumentativen Darstel-
steigern die Selbstwirksamkeits-
lungen nicht einmal besonders
erwartung der Rezipienten be-
häufig die genannten positiven
züglich eines thematisierten The-
Effekte“ (S. 292), vor allem der
mas, werden tendenziell kurz-
Informationsgehalt der analyti-
und mittelfristig besser erinnert
schen Beiträge wird von den
und haben intensiveres Erleben
Versuchspersonen höher ein-
spezifischer Emotionen während
geschätzt. Lediglich unter be-
der Rezeption zur Folge als nicht
stimmten Bedingungen, die
narrative Botschaften“ (ebd.).
noch genauer untersucht wer-
Jedoch scheinen diese Wirkun-
den müssten, zeigen sich die
gen nicht allein auf die Narration
positiven Effekte der Narration.
zurückzuführen zu sein. Zudem
Allerdings, so stellen die Auto-
werden den meisten der unter-
ren in einer Studie zur Film-
suchten Studien theoretische
rezeption fest, „erhöht die Nar-
Schwächen bescheinigt. Daher
rativität von Filmen – d. h. die
folgen eigene Studien der
Präsenz menschlicher Hand-
Autoren, um zu theoretisch
lungsträger und die Zielgerich-
und methodisch abgesicherten
tetheit dargestellter Prozesse –
Erkenntnissen zu kommen.
ihre Attraktivität: Sie werden mit
2 | 2015 | 19. Jg.
L I T E R AT U R
Werner Früh/Felix Frey (Hrsg.):
Narration und Storytelling. Theorie und empirische Befunde. Köln 2014: Herbert von
Halem Verlag. 412 Seiten, 36,00 Euro
Prof. Dr. Lothar Mikos
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