St. Antonius - Katholische Kirchengemeinde St. Antonius Hamburg
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St. Antonius - Katholische Kirchengemeinde St. Antonius Hamburg
St . A nto n i u s KATHOLISCHE KIRCHENGEMEINDE St. Antonius HAMBURG | WeihNachten 2011 100 Jahre St. Antonius Das Jubiläumsfest Besuch beim hl. Antonius Gemeindefahrt nach Padua Abschied nach 20 Jahren Unser Pfarrer Johannes Pricker 2 2011 Liebe Gemeindemitglieder und Freunde der St. Antonius-Gemeinde! A us dem Auftrag Voller Respekt danke ich eines menschenallen, die – auf welche Weifreundlichen Gottes se auch immer – beim weileben, das geknickte Schilfteren Aufbau unserer Kirrohr nicht zerbrechen. Ehrchengemeinde mitgewirkt lich, aber nicht lieblos. Senhaben. Ich danke allen, die sibel, aber nicht gereizt. diese gute Atmosphäre in Strebsam, aber nicht verbisSt. Antonius in all den Jahsen. Verständnisvoll, aber ren durch ihr Engagement nicht unkritisch. Treu, aber getragen haben. Unzählbar nicht starr. Überzeugt, aber die Zahl der Menschen, die Pfarrer Johannes Pricker nicht fanatisch. Gütig, aber ehrenamtlich, bescheiden nicht dumm. Konsequent, aber nicht rückund unspektakulär Dienste übernommen sichtslos. Erfolgreich, aber nicht überheblich. und unsere Gemeinde in mannigfacher Art Humorvoll, aber nicht ausgelassen. Einfach, unterstützt und mitgestaltet haben. Und das aber nicht harmlos. Von Gott erfüllt, aber nicht unerheblich. Das gilt auch für den Genicht weltlos! meindeort „Schule“. Schule und Gemeinde Heute schreibe ich diese Sätze nach fast haben in starker vertrauensvoller Zusammen20 Jahren als Seelsorger in St. Antonius. Ja, arbeit auch baulich Kirche, Gemeindehaus, so habe ich die Atmosphäre in unserer KirSchulerweiterung mit Turnhalle, Einrichchengemeinde erlebt und erfahren. Nicht als tung eines Kindergartens usw. verwirklichen Priester allein, sondern die Gemeinde selbst können. Für die Stadtkirche ist durch das ehhat die Seelsorge unter diesem Vorzeichen renamtliche Engagement im Bereich der mein St. Antonius getragen. Wenn Eltern ihre dialen Öffentlichkeitsarbeit St. Antonius zu Kinder im Glauben erziehen, wenn Jugendeinem kompetenten Ansprechpartner geworliche miteinander die Heilige Schrift lesen, den. Für all das bin ich unglaublich dankbar. wenn ein Ingenieur den Firmlingen seinen Es ist eine fruchtbare und gute Atmosphäre, Glauben bezeugt, wenn eine Frau der Gein der sich das Gemeindeleben bewegt. meinde Krankenbesuche macht, wenn ErDen Dienst an der Einheit habe ich mit wachsene Jahr für Jahr Kinder auf die ErstFreude getan: der Eucharistie vorgestankommunion vorbereiten ... Seelsorge treiben den, das Evangelium verkündet, das Sakraalle Glieder der Kirchengemeinde. ment der Versöhnung gespendet, Menschen S t . A ntoni u s 2011 3 getauft, Sterbende und Kranke begleitet, die der Kirche Entfremdeten neu beheimatet, das Ja-Wort von Brautleuten vor Gott entgegengenommen ... Zusammen sind wir nicht spurlos durch die Zeiten gegangen. Im Rückblick Spuren aus vertieftem, strapaziertem, geschliffenem, erlittenem und verschenktem Leben. Der Anblick unseres gemeinsamen Kirchen- und Glaubenlebens als einer vertieften Spur weckt Erinnerungen: Erinnerungen an Leben, an Lebensdurst, an Lebenssuche, an Leid genauso, und an Freude, an Befriedigung, dass Pläne sich erfüllt haben, dass der Einsatz angekommen ist. Erinnerungen, die zur Hoffnung helfen, dass Kirche vor Ort im Ganzen gelingt, wenn wir der Spur treu bleiben, die das Leben in St. Antonius angesetzt hat. Was macht die Spur aus? Der Glaube an Gott und die Hoffnung, in ihm Erfüllung und Lebensmitte zu finden. Als Seelsorger habe ich mich hier immer als einen Menschen verstanden, der ansprechbar und einsatzbereit, verschwiegen und verlässlich, verantwortungsbewusst und aufrichtig ist. Der, der etwas vom Leben und seinen Aporien versteht, sich nicht hinter Paragraphen verschanzt, der selber ein Gewissen hat und wagt, auch andere auf ihre Verantwortung hin anzusprechen. Keine Bevormundung, sondern nur als Begleitung. Der Versuch, den Menschen an der Seite zu bleiben, wie Gott verheißen hat, an unserer Seite zu bleiben: „Ich werde da sein als der, der ich da sein werde.“ So habe ich seelsorgerlich im Miteinander der Gemeinde zu wirken versucht. Dabei war ich mir meiner eigenen Armut und Gebrochenheit und Schwäche durchaus bewusst. Wie oft mag ich Menschen verletzt haben, wie oft das Bild des Glaubens und der Kirche verfinstert, wie oft Fehlentscheidungen gefällt. Dafür entschuldige ich mich aufrichtig! Menschlich aufgehoben in unserer Kirchengemeinde ist und bleibt St. Antonius auch für unsere Stadt eine christliche Gemeinde mit einem heilenden Milieu, weil alle Lebenswege zu Chancen eines neuen Wachstums und zu Türen werden, die neue Perspektiven auftun. Schließlich ist St. Antonius ein gar nicht so kleines und dabei sehr lebendiges Zeichen der Hoffnung für alle Menschen. Es grüßt Sie von Herzen mit tiefem Dank und dem Wunsch für ein freudiges Weihnachtsfest Auf Wiedersehen Ihr Pfarrer Johannes Pricker S t . A ntoni u s 4 AU S D E M L E B E N D E R G E M E I N D E 2011 Danke für die guten Jahre W as waren das für fulminante Jahre! Im Inneren und Äußeren hat sich unsere Gemeinde völlig neu aufgestellt. Wer heute unsere Kirche besucht, staunt über die frische, aber tiefsinnige Innenarchitektur. Man vermisst nicht die alte Turnhalle, sondern erfreut sich an einem echten Kindergarten und einer Schule, die auf der Höhe der Zeit ist. Wer in die Gesichter der stets zahlreichen jungen und alten Gottesdienstbesucher – dreimal am Wochenende! – blickt, der weiß, dass wir in St. Antonius in den vergangenen 20 Jahren besonderes Glück hatten: Einen Pfarrer • der mitten im Leben seiner Gläubigen lebt. Der weiß, was uns bewegt und auch unsere Kinder anspricht; • der in dieser Weise Weltkirche lebt und dieses engagiert auch in den Medien vertritt. Ein glaubwürdiger Bote der katholischen Kirche in Zeiten der Krise über unsere Gemeindegrenzen hinweg; • der die Predigt zum Höhepunkt in der Woche macht. Der sie so gestaltet, dass jeder sie versteht und so mit einem Leitfaden in die nächste Woche starten kann; • der mit Gelassenheit und Humor durch das Leben geht, auch wenn das Leben eines Pfarrers einer so großen Gemeinde (bald 7 000 Mitglieder) in heutiger Zeit eher dem eines vielbeschäftigten Managers gleicht – und das fast ohne Personal; • der dennoch die Kraft zur geistigen Führung hat, ohne die eine Gemeinde ohne ihre Mitte bliebe; • der für alle, so verschiedenen Menschen, bei uns Seelsorger ist. Der da ist vor Ort. Immer da; • der alle, die Gott ehrlich suchen, offen aufnimmt. Sie nicht mit Besserwisserei oder Regeln verschreckt; • der eine bemerkenswerte Zahl von Taufen und Wiedereintritten verantwortet; • der dort, wo er es für angezeigt hält, den nötigen Widerspruchsgeist entwickelt und seine Stimme für seine Gemeindemitglieder erhebt; • der nie aufhört, neu zu denken und neue Ideen durchsetzen möchte; • der am Ende des Tages ein Mensch bleibt, mit Ecken und Kanten, ein Typ eben. All das ist unser Pfarrer Johannes Pricker. Wir lassen ihn nur ungern ziehen. Aber wir wissen, dass es aus gesundheitlichen Gründen notwendig ist. Daher wünschen wir ihm von Herzen eine stabile Gesundheit und viele, neu erfüllte Jahre in einer neuen, weniger aufreibenden, Aufgabe im Rahmen der katholischen Kirche. Danke! Für die Gemeinde Bettina Machaczek-Stuth S t . A ntoni u s 2011 Au s dem L eben der G emeinde 5 „Lebensfreude, Humor, viel Wärme“ Zum Abschied von Pfarrer Johannes Pricker M it Pfarrer Johannes Pricker verliert St. Antonius einen Geistlichen, der für seine Gemeinde weit über deren Grenzen hinaus wirkte und wirksam war. Alte und neue Kirchenmitglieder aus der ganzen Stadt fühlten sich von seinen wohlgewürzten Predigten, seiner unverbrüchlichen Liebe zu allen Menschen, der jeden Tag sichtbar gelebten Glaubwürdigkeit und von seiner Überzeugungskraft magnetisch angezogen. Volle Gottesdienste … Sein von schweren gesundheitlichen Problemen erzwungener Abschied nach zwanzig unvergesslichen Jahren ist ein tiefer und schmerzhafter Einschnitt in das Leben und die Entwicklung unserer Gemeinde. Dank Johannes Pricker füllten sich unsere Gottesdienste, wuchs und gedieh unsere Schule, blühte das Gemeindeleben, engagierten sich Ehrenamtliche weit über das übliche Maß hinaus. Als er 1992 aus Bremen zu uns kam, begann eine große Zeit von Aufbau und Ausbau, Konsolidierung und Modernisierung, Entdeckung und Erweckung, Entwicklung und Erfüllung. Heute, zwanzig Jahre später, hat St. Antonius ein neues Gemeindehaus, ein restauriertes Kirchengebäude, eine zweizügige Schule mit einem Neubau samt Turnhalle. Dazu ein abwechslungsreiches Veranstaltungsjahr mit vielen beliebten Programmpunkten von den Sternsingern über die Gemeindefahrten bis zum Lichterzug durch die Straßen am Martinstag. Unser fünfter Gemeindepfarrer in 100 Jahren kam im Emsland zur Welt, studierte an der Katholisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt und wurde am 12. Dezember 1981 in Osnabrück von Bischof Helmut Hermann Winkler zum Priester geweiht. Die Aufgaben eines Polizei-, Jugend- und Studentenseelsorgers in Bremen bereiteten ihn punktgenau auf die Arbeit in einer Großstadtpfarrei vor. Auch von diesen Erfahrungen hat unsere St. Antonius vom ersten Tag an profitiert. ZiS t . A ntoni u s tieren wir statt eigener Wertungen aus einem Porträt, das die Hamburger Autorin Heike Gätjens 2006 im „Hamburger Abendblatt“ publizierte: „Seine Kirche war immer voll. Seine Gemeinde hat die meisten Trauungen und Taufen. Übervolle Glaubenskurse, viele Wiedereintritte. Johannes Pricker strahlt Gelassenheit aus. Lebensfreude, Humor, viel Wärme. Ein echter Seelsorger. Immer ansprechbar. Immer gesprächsbereit. Übersprudelnd vor neuen Ideen.“ Ein Mann, immer auf der Suche … Immer auf der Suche nach kritischen Denkanstößen, nach Sponsoren wegen des chronischen Geldmangels und ganz profan nach Lampen für die Gemeinderäume. Ein christlicher Einmannbetrieb …“ Das alles wird uns bitter fehlen, muss jetzt erst mit Glück wieder gefunden, mit Kraft erkämpft und mit Geduld neu gewonnen werden. Die Lücke ist riesengroß. „Es gibt keinen Beruf, in dem man mehr 6 AU S D E M L E B E N D E R G E M E I N D E 2011 Mensch werden kann als in unserem“, hat Johannes Pricker einmal gesagt. Gibt es auch künftig solche Pfarrer? Auf Stein und Wort Seine Ministranten nennen ihn „Pepe“. Auf seine vielen Freunde konnte er sich stets verlassen. Der Baumeister von St. Antonius hat auf Stein und Wort ein starkes geistliches Haus errichtet. Dieses Werk gilt es in seinem Sinne zu bewahren. Die Redaktion Aus Predigten Johannes Prickers „Wenn wir still werden, hören wir, wie laut es in uns ist.“ „Ein Weg will begangen sein, sonst verliert er seinen Sinn.“ „Man kann nicht leben, wenn man den Atem festhält.“ „Was der Wind für die Windmühle, ist das Gebet für den Glauben.“ „Der Glaube an Gott befreit uns davon, an uns selbst glauben zu müssen.“ „Wenn die Herzen brennen, wird es auch in der Kirche warm.“ „Die Bibel streckt uns Geschichten entgegen wie einen Mantel, in den wir hineinschlüpfen können, um zu sehen, ob er für uns passt.“ „Das Grundgesetz verhält sich zum Glauben wie die Straßenverkehrsordnung zur Nächstenliebe.“ „Der Verstand hinkt immer etwas nach, aber das Herz begreift schnell.“ „Die Kirche arbeitet mit fortlaufendem Erfolg: Ihr laufen die Leute fort.“ „Charakteristik einer Ehe: Im ersten Jahr hörte sie auf ihn, im zweiten Jahr hörte er auf sie, im dritten Jahr hörten sie die Nachbarn.“ „Erst wenn die Kirche sich der letzten gesellschaftlichen Randgruppe angenähert hat, wird sie erkennen, dass sie selbst eine Randgruppe geworden ist.“ „Jeder Gottesdienst hebt den seelischen Grundwasserspiegel.“ „Der Mensch ist krummes Holz und bemüht sich doch immer um den aufrechten Gang.“ „Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellte sich im Leben Jesu nie.“ ■ S t . A ntoni u s 2011 7 100 J A H R E S t. A N toni u s „Eine Gemeinde mit einer außergewöhnlichen Geschichte“ Das große Jubiläumsfest zu Pfingsten Erzbischof Dr. Werner Thissen bei der Festpredigt E in Erzbischof, fünf Priester und über tausend Frauen, Männer und Kinder kamen am Pfingstsonntag auf unseren Schulhof, um das große Jubiläum von Kirche und Schule zu feiern. Strahlender Sonnenschein, eine mitreißende Messe, interessante Programmpunkte und jede Menge Entertainment: Rund tausend Gemeindemitglieder und Gäste feierten am Pfingstsonntag, dem 12. Juni 2011, auf dem Schulhof in bester Festlaune das hundertjährige Bestehen unserer Kirchengemeinde und unserer Schule. Höhepunkte waren die Festpredigt unseres Erzbischofs S t . A ntoni u s Dr. Werner Thissen und der Festvortrag des Vatikan-Experten Pater Eberhard von Gemmingen SJ. Der Erzbischof hob besonders das enge Zusammenwirken von Gemeinde und Schule in St. Antonius, die Medienoffenheit der Gemeinde und das Engagement der Ehrenamtlichen hervor. „Ihre 8 A N toni u s 100 J A H R E S t. Gemeinde ist ein Zwilling“, sagte er zum Doppeljubiläum. „Zur selben Zeit wurde die Gemeinde gegründet und wurde die Schule gegründet. Das ist ein Signal. Gemeinde Papst Benedikt – steht eine neue Reformation an?“ unter großem Beifall, nötig sei vor allem die Überwindung der Dummheit: „Sie wird produziert von vielen Einrichtungen Der Schulhof füllt sich steht für Glaube, Schule steht für Wissen, und das Spannungsverhältnis von Glauben und Wissen, das ist es, was uns tragen kann, gerade in unserer Zeit.“ (Auszüge auf S. 11) Pater von Gemmingen, lange Jahre Leiter der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan, sagte zu dem bewusst zugespitzten Thema „Was will unserer Welt. Gibt es Fernsehprogramme, die es lohnt? Der Darmteufel EHEC schleicht sich heimlich ein in den Körper. Die Dummheit schleicht sich heimlich ein in die Seele. Seien wir kritisch und selbstkritisch. Reformieren wir unser Denken!“ (Auszüge auf S. 13) Der Tag hatte mit einem S t . A ntoni u s 2011 Lied der Jüngsten St. Antonianer aus dem Kindergarten begonnen: „Herein, herein!“ Danach sangen und spielten das St. Antonius-Schulorchester, der St. Antonius-Chor, Organistin Gabriele Hufnagel und die Gemeinde Lieder zu Ehren Gottes und zur Feier des großen Tages. Pfarrer Johannes Pricker begrüßte nach dem Erzbischof am Altar auch seinen Vorgänger Pfarrer i. R. Hellmut Tourneau, die Monsignores Peter Schmidt-Eppendorf und Wilm Sanders sowie Pfarrer Hartwig Brockmeyer von St. Katharina in Bremen und den künftigen Pfarrer Thorsten Weber, zurzeit in Rom, die aus unserer Gemeinde stammen. Nach Gottesdienst und Festvortrag stellte sich Pater von Gemmingen in einer Gesprächsrunde auf der Showbühne den Fragen unseres Gemeindemitglieds Claus Strunz. Der erfahrene Chefredakteur und Moderator einer politischen Talkshow führte mit dem Jesuitenpater und Pfarrer Pricker einen so unterhaltsamen wie informativen Dialog über aktuelle Glaubens- und Kirchenfragen. (Auszüge auf S. 15). Danach unterhielten weitere Gemeindemitglieder und Freunde von St. Antonius Kinder und Erwachsene auf dem Schulhof, in der 2011 100 J A H R E S t. A N toni u s Kirche und in der Turnhalle mit vielen interessanten und unterhaltsamen Programmpunkten. Die Gruppe »Kontakte« mit Ute und Reinhard Horn gewann viele Kleine und Große für ein Mitmach-Konzert. Schülerinnen und Schüler von St. Antonius stellten Szenen aus dem Leben des Heiligen dar und führten in einer Modenschau ihre Schulkleidung vor. Die „Tagesschau“-Sprecher Marc Bator und Jan Hofer amüsierten ihr Publikum mit einem witzigen Stadtteil-Quiz, das mit Fragen zu Alsterdorf, Eppendorf, Groß Borstel und Winterhude auch die große räumliche Ausdehnung unserer Gemeinde ins Bewusstsein rief. Der Clown Salvatore Sabbatini zeigte auf der OpenAir-Bühne, warum er sich „Weltmeister im Ballonmodellieren“ nennen darf. Und zum Abschluss gab es einen „Trommelzauber“, bei dem jeder einmal ordentlich auf die Pauke hauen durfte. Am Pfingstmontag spielte nach der Messe die Band „Ragtime United“ auf der Open-Air-Bühne zu einem Jazzfrühschoppen auf. Der Schulhof wurde, wieder bei strahlendem Sonnenschein, erneut Schauplatz vieler Begegnungen zwischen Gemeindemitgliedern, auch vielen früheren, und Freunden. Gespannte Erwartung im Publikum Das Schulorchester stimmt sich ein (oben); allerletzte Orchesterprobe mit Dirigentin Ann-Kathrin Lange (unten) S t . A ntoni u s 9 10 Berichte über unser Jubiläum fanden sich vorher und nachher in „Bild Hamburg“ und im „Hamburger Abendblatt“. Letzteres schrieb im Titel: „Eine katholische Gemeinde in Winterhude mit einer außergewöhnlichen Geschichte“. Zu ihr zählt nun auch dieses schöne Fest. Auf die nächsten hundert Jahre! ■ Einzug zum Festgottesdienst (oben und Mitte) Vielen Kinder spendete der Erzbischof Gottes Segen (unten). S t . A ntoni u s 2011 2011 100 J A H R E S t. A N toni u s 11 „Ich bin sicher, dass auch Papst Benedikt sich freut“ In seiner Festpredigt hob Erzbischof Dr. Werner Thissen das enge Zusammenwirken von Gemeinde und Schule in St. Antonius, die Medienoffenheit der Gemeinde und das Engagement der Ehrenamtlichen hervor. Wir drucken Auszüge. Erzbischof Dr. Werner Thissen bei der Festpredigt P fingsten und Gemeindejubiläum, das passt wunderbar zusammen. Denn Pfingsten bedeutet: Rückschau auf den Ursprung und Ausschau: wie geht’s weiter? Und genau das ist ja auch Gemeindejubiläum: Wir schauen zurück, wie das damals angefangen hat vor 100 Jahren, schauen, wie es jetzt ist, und wie es weitergehen soll. Rückschau und Ausschau, das schafft eine Sicht mit Profil, mit Tiefenschärfe … In Ihrer Festschrift wird deutlich, wie viele Aktivitäten es hier gibt. Ich danke allen, die mithelfen, dass es hier in der Gemeinde lebendig ist und immer noch lebendiger werden kann. S t . A ntoni u s 12 A N toni u s 100 J A H R E S t. Eines fällt mir auf, wenn ich an Ihre Gemeinde denke: Ihre Gemeinde ist ein Zwilling. Zur selben Zeit wurde die Gemeinde gegründet und wurde die Schule gegründet. Das ist ein Signal, dass Gemeinde und Schule so in gleicher Weise den Weg durch die Zeit gegangen sind. Gemeinde steht für Glaube, Schule steht für Wissen, und das Spannungsverhältnis von Glauben und Wissen, das ist es, was uns tragen kann, gerade in unserer Zeit. Glaube ohne Wissen wird leicht zum Mythos. Wissen ohne Glauben wird leicht zur Hybris, zum Hochmut. Das Spannungsverhältnis von Glauben und Wissen, das ist es, was gerade in unserer Zeit gefragt ist. Ich freue mich darüber, dass das hier Tag für Tag mit Schule und Gemeinde gelebt wird. Und ich bin sicher, dass Papst Benedikt sich auch darüber freut, denn das Verhältnis von Glauben und Wissen ist eines der Lieblingsthemen von Papst Benedikt. Wenn ich weiter an Ihre Gemeinde denke, dann fällt mir das Stichwort Medien ein. Sie sind eine medienoffene Gemeinde, und das ist wichtig heutzutage. Immer wenn ich eine Gemeinde besuche, schaue ich vorher ins Internet. Ihre Internet-Präsentation kann sich sehen lassen: informativ, übersichtlich, anregend. Ich freue mich, dass Sie eine medienoffene Gemeinde sind. Und ein Drittes noch fällt mir ein, wenn ich auf Ihre Gemeinde schaue: Sie haben eine große Zahl von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das ist wichtig heutzutage, gerade wo wir auf die pastoralen Räume zugehen, wo in Zukunft nicht in jeder Gemeinde ein Pfarrer sein wird. Da ist es wichtig, dass die Gemeinde viele Säulen hat von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und ich bin sicher, die Ehrenamtlichen bei Ihnen machen das nicht nur so 2011 in der Haltung, naja, einer muss es ja tun. Ehrenamtlichkeit macht Freude, wenn sie richtig geregelt ist. Und bei uns im Erzbistum ist Ehrenamtlichkeit richtig geregelt. Wir haben im Pastoralgespräch vor einigen Jahren das Stichwort Ehrenamt zu einem Schwerpunkt gemacht. Wir sind das erste Bistum in Deutschland, das eine Rahmenordnung hat, und wir handeln danach. Wer heute ehrenamtlich tätig ist, der tut das nicht, um Beifall zu bekommen, der tut das nicht, um Macht ausüben zu wollen, und der tut das auch nicht, damit der arme Pastor nicht so alleine mit allem steht. Sondern er tut das, weil er offen ist für die Anregungen des Heiligen Geistes: Was willst du, Gott, von mir? Was ist mein Auftrag als Getaufte und Gefirmte in unserer Zeit? Das ist die Frage. Und je mehr diese Frage in Ihnen lebendig ist, und je mehr Sie beten: Komm, Heiliger Geist, umso mehr erkennen Sie, was für Sie dran ist, was von Ihnen von Gott her erwartet ist, als Aufgabe und als Auftrag. Liebe Schwestern, liebe Brüder, hundert Jahre, das ist was! Und es geht weiter. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es gut weitergeht mit uns hier in St. Antonius, wenn Sie immer wieder offen sind für das Wirken des Geistes Gottes, und wenn Sie immer wieder beten, auch allein, für sich beten: Komm, Heiliger Geist. Amen.“ ■ Immer ansprechbar: Unser Erzbischof S t . A ntoni u s 2011 100 J A H R E S t. A N toni u s 13 „Christen müssen die Welt umarmen und sich von ihr distanzieren“ Im Festvortrag zum Thema „Was will Papst Benedikt – steht eine neue Reformation an?“, sprach Pater Eberhard von Gemmingen, langjähriger Leiter der deutschen Sektion bei Radio Vatikan, über moderne Kirche, Ökumene und deutsche Besonderheiten im Verhältnis zum Papst. Auszüge: V ölker haben sehr verschiedene Mentalitäten. Das gilt auch für Gruppen von Menschen. Hamburger denken anders als Münchner. Schwaben denken anders als Sachsen. Schlesier denken anders als Rheinländer. Und wenn die alle katholisch getauft sind, dann finden wir ein wunderbares Kuddelmuddel an Denkweisen in ein und derselben Kirche. Sie denken nicht nur anders, sondern sie empfinden anders, sie fühlen anders, sie leben anders, sie argumentieren anders. Und mit diesem Durcheinander muss ein Papst in Rom fertig werden. Germanen sind immer ein wenig Revolutionäre – oder wenigstens Reformierer. Reformbedürftig war die Kirche auch anderswo, aber Martin Luther hat als guter Germane die Sachen ernst genommen, Fehler nicht auf sich beruhen lassen. Als Herr Tetzel mit dem Ablass durch die Lande zog, hat Pater Martin Luther diese Neuerung theologisch unter die Lupe genommen und ganz im Sinne von Papst Benedikt XVI. erklärt: Die Theologie dieses Ablasses ist falsch. Das können wir nicht durchlassen. Das war natürlich nicht der einzige Grund für die Reformation, aber der Auslöser. Meiner Ansicht nach zeigen sich heute in der katholischen Kirche die Unterschiede in den Denkweisen besonders deutlich. Meiner Ansicht nach konnte Papst Johannes Paul II. durch seine weltweite Medienpräsenz, durch seine starke Persönlichkeit diese Unterschiede in den Denkweisen ein wenig überspielen. Nur wer genauer hinschaute, konnte sie sehen. Benedikt ist keine so sichtbare Persönlichkeit, die nach außen hin einen solchen Eindruck vermittelt, er ist weltweit nicht so präsent, macht keine so starken Aussagen, hat keine so günstige historische Stunde. Unter seinem Pontifikat zeigen sich die Differenzen in den Mentalitäten in der Kirche stärker. In der evangelischen Kirche ist die Männermacht gebrochen. Pastoren heiraten, Damen werden Pastorinnen, sie werden auch geschieden, Abtreibung ist in strengen Grenzen erlaubt, homosexuelle Praxis ist erlaubt. Die evangelische Kirche ist moderner, aufgeschlossener, den Menschen näher. Sie passt besser in die heutige Zeit. Sie passt auch besser zu den Germanen, die sich nicht so leicht vor Rom beugen, die aufrecht gehen und stehen, die bekennen: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Leider hat sie aber nicht mehr Erfolg als die katholische Kirche. Ich wage zu sagen: eher weniger. Der Wunsch, vieles Moderne in der katholischen Kirche zu erlauben, führt also wohl nicht zu vollen Kirchen. Muss man dennoch mehr Modernes übernehmen? Muss man liberaler sein? S t . A ntoni u s 14 A N toni u s 100 J A H R E S t. Meine persönliche Antwort lautet: Kirche muss gleichzeitig liebevoll nahe zu den Menschen kommen, bei den Menschen sein und eine Provokation bleiben. Das Evangelium Jesu ist immer eine Provokation. Ein Nein zu dem, was nahe liegt, zu dem, was alle tun, zu dem, was auf der Hand liegt, zu dem, was leicht und einfach ist. Warum hat die katholische Kirche in vielen Kreisen mehr Ansehen, wird auch mehr respektiert und gefürchtet? Weil sie zu dem oder jenem, was die Wähler wünschen, nein sagt. Das Evangelium des guten Hirten ist ein Nein zu vielem, was auf der Hand liegt, was im Trend ist: Selig die Armen, selig die um meinetwillen verfolgt werden! Reißt Euch das Auge aus, wenn es euch zur Sünde verführt. Weh euch ihr Reichen. Ihr aber – die ihr für dumm gehalten werdet von den Leuten – seid das Salz der Erde. Wehe wenn das Salz seinen Geschmack verliert. Es ist nicht schlimm, wenn die Kirche weltfremd scheint. Wichtig ist, dass sie offen ist für alle Menschen und sich gleichzeitig radikal von dem unterscheidet, was alle Menschen denken und tun. Sie darf nicht angepasst sein, muss widerborstig sein, eine Provokation. Man muss sich auch an ihr stoßen. Wenn Jesus angepasst gewesen wäre, wäre er als 80-Jähriger in Frieden gestorben. Weil er von Gott her provozierte, hat man ihn umgebracht. Ich glaube, Papst Johannes Paul II. hat in den wesentlichen Fragen völlig die gleichen Positionen vertreten wie sein Nachfolger. Das betrifft Ehescheidung, Abtreibung, Geburtenplanung, Homosexualität, Ökumene, Umgang mit anderen Religionen. Er war nicht weniger streng als Papst Benedikt. Aber er konnte durch einiges punkten: 2011 sein charismatisches Auftreten, seine Präsenz, sein Geschick auf der Bühne der Weltpolitik, die Gunst der historischen Stunde, dass nämlich der Kommunismus am Ende war, und der Papst das Ende beschleunigte. Aufgrund seines authentischen Glaubenszeugnisses wurde seine strenge Haltung in Glaubens- und Moralfragen weniger wahrgenommen. Ich glaube nicht, dass Papst Benedikt von den Grundanliegen seines Vorgängers abgerückt ist. Die Reformation, die ansteht ist die Überwindung der Dummheit. Die meisten Menschen sind überhaupt nicht böse, aber es wächst die Dummheit. Sie wird produziert von vielen Einrichtungen unserer Welt. Gibt es Fernsehprogramme, die es lohnt? Der Darmteufel „EHEC“ schleicht sich heimlich ein in den Körper. Die Dummheit schleicht sich heimlich ein in die Seele. Seien wir kritisch und selbstkritisch. Reformieren wir unser Denken. Die Kirche muss sich auf das Wesentlich konzentrieren und das Wesentliche gut leben und verkünden. Das ist oft provozierend. Christen müssen gleichzeitig die Menschen und die Welt umarmen und sich von ihr distanzieren. Sie dürfen sich darüber nicht wundern, wenn sie verlacht und gehasst wird. Die Kirche in Deutschland muss dienen, muss bereit sein, die Drecksarbeit zu machen, muss auch das im sozialen Bereich tun, was andere nicht gerne tun, was kritisiert und verlacht wird. Und alle Christen müssen die Ärmel aufkrempeln und sich engagieren. Wo Christen sind, muss es etwas anders zugehen als dort, wo keine Christen sind. Dem Papst liegt die Einheit mit den Evangelischen ebenso am Herzen wie die Einheit mit S t . A ntoni u s 2011 100 J A H R E S t. A N toni u s 15 Pater Eberhard von Gemmingen, von Pfarrer Pricker eingeladen, hielt einen spannenden Festvortrag. den Orthodoxen. Aber man muss auch sagen: der Graben, der katholisch und evangelisch trennt, ist eben wesentlich breiter als der zwischen katholisch und orthodox. Bei den Orthodoxen ist es wohl mehr eine Frage der Kultur und Tradition. Bei den Evangelischen ist es eine Frage der gut germanischen Theologie. Leider wird der Graben breiter durch einige Entscheidungen der evangelischen Kirche. Ihr Umgang mit der Sexualmoral. Ich fürchte, Martin Luther würde seinen Kopf schütteln. Obwohl die evangelische Kirche so verständnisvoll mit Geschiedenen, mit freier Liebe, mit homosexuell Praktizierenden umgeht, hat sie nicht mehr Zulauf und Erfolg. Obwohl sie verheiratete Pastoren und Pastorinnen hat, sind ihre Kirchen nicht voller. Im Gegenteil. Wir werden der Kircheneinheit nur näher kommen, wenn wir – die Evangelischen und die Katholiken – uns von unserem Standpunkt aus Christus nähern. Wir müssen näher zu Christus kommen, dann kommen wir einander näher. Einheit ist nicht durch Verhandlungen zu machen, durch Abstriche, durch Zugeständnisse. Es muss nicht etwa der Papst von einigen Positionen abrücken oder die EKD. Mit Sand kann man keinen Graben füllen, erst recht nicht mit Müll. Die Trennung muss als Leiden wahrgenommen werden. Nur wenn wir unter den Trennung echt leiden, besteht die Chance, dass wir die Spaltung überwinden. Die Einheit ist eine Gnade Gottes, kein Ergebnis von Verhandlungen. Gnade kann man erflehen, man kann sie nicht herbeizwingen. Allein den Betern kann es noch gelingen. ■ S t . A ntoni u s 16 A N toni u s 100 J A H R E S t. S t . A ntoni u s 2011 2011 100 J A H R E S t. A N toni u s Kinder, Kinder Der Kindergartenchor Jugendliche aus St. Antonius stellen Szenen aus dem Leben des Heiligen dar. Auch Entenangeln gehört zum Festprogramm. St. Antonius-Models führen die Schulkleidung vor. Beim Seilhüpfen geht es hoch hinaus. S t . A ntoni u s 17 18 A N toni u s 100 J A H R E S t. 2011 „Wenn Politiker gescheit sind, müssen sie die Kirche fördern“ In einer improvisierten Talkrunde nach dem Festgottesdienst diskutierte Pater Eberhard von Gemmingen mit unserem Gemeindemitglied Claus Strunz, Chefredakteur des Hamburger Abendblattes und Moderator einer politischen TV-Talkshow, über Themen wie das Frauenpriestertum, die Kirche als Unternehmen und die Zusammenhänge zwischen Glauben und Bildung. Erzbischof Dr. Werner Thissen war unter den aufmerksamen Zuhörern. Auszüge: Die St. Antonius-Talkrunde mit Claus Strunz, Pater Eberhard von Gemmingen und Pfarrer Johannes Pricker Claus Strunz: „Ich habe verstanden, dass Kirche sich auch daran messen lassen sollte, wie sie konkret aussieht. Wird es in hundert Jahren immer noch einen Einzug in den Gottesdienst geben, bei dem sieben ältere Herren voranschreiten?“ Eberhard von Gemmingen: „Die theologischen Fragen der Dritten Welt werden in den Vordergrund rücken, und die sind ganz andere. Deswegen bin ich nicht sicher, dass in hundert Jahren reife Damen voranschreiten werden, dass das Frauenpriestertum kommen wird, weil ich mir auch nicht sicher bin, dass der Feminismus sich auch in Afrika und Asien, wo die Kirchen sehr stark wachsen, ausbreiten wird. Ich bin dafür, dass die Frauen in der Kirche etwas zu sagen haben …“ Claus Strunz: „Aber mitmachen dürfen sie nicht.“ Eberhard von Gemmingen: „Natürlich dürfen Sie mitmachen. Ich sage jetzt etwas sehr Häretisches, Herr Bischof: Ich bin dafür, dass an der Spitze der Gemeinde immer eine Frau steht, dem Pfarrer gegenüber. Der Pfarrer als der Gesandte Gottes, und als Gesandte der Gemeinde eine Frau.“ S t . A ntoni u s 2011 100 J A H R E S t. A N toni u s Claus Strunz: „Wenn dass jetzt kein Festgottesdienst wäre, sondern die Hauptversammlung eines großen Unternehmens, könnte man sagen: Der Vorstandsvorsitzende, also Papst Benedikt, hat immer recht. Wenn er mal nicht recht hat, hat die Kommunikationsabteilung versagt – Stichwort Regensburger Rede. Und die Kunden laufen in Scharen davon.“ Eberhard von Gemmingen: „Die Voraussetzungen sind falsch, denn der Papst hat nicht immer recht. Er ist einmal in hundert Jahren unfehlbar, sage ich ein bisschen überspitzt. Wir müssen aber darüber nachdenken, wie man in der Kirchenleitung ein bisschen mehr dezentralisiert, was wo entschieden werden muss. Die Frage, ob der Papst unfehlbar ist, wird übrigens in Hamburg viel ernster genommen als in Rom. Der Papst ist fast immer fehlbar, außer wenn er gerade ein Dogma verkündet.“ Claus Strunz: „Es laufen aber die Kunden davon. Ist das egal, weil diejenigen, die bleiben, das Produkt ganz besonders mögen?“ Eberhard von Gemmingen: „Ich sage jetzt etwas sehr Angreifbares und Kulturkritisches: Ich glaube, die Törichtheit um nicht, zu sagen die Dummheit wächst in unseren Jahren enorm. Wenn ich die deutschen Fernsehprogramme… Ich glaube, wenn alle wie hier ein bisschen weiser wären, dann wären wir weiter. Die Unbildung nimmt in großem Maße zu. Die Leute wissen ganz genau, wie man bestimmte technische Dinge baut, aber die eigentliche Bildung liegt sehr im Argen.“ 19 dann würde es auch mehr Zuspruch zur Kirche geben?“ Eberhard von Gemmingen: „Ja, das glaube ich. Europäische Kultur ist aus überzeugten Christen entstanden. Was bei uns selbstverständlich geworden ist, basiert auf dem Christentum. Wenn die Leute das wüssten, wären sie weiser.“ Claus Strunz: „Das wäre ein noch zu verstärkender Auftrag auch an die Kirche, dafür zu sorgen, dass mehr Menschen die Chance haben, gebildet zu sein. Wo müsste sich die Kirche verbessern?“ Eberhard von Gemmingen: „Ich glaube, in der Kulturpolitik müssten weise Christen stärker mitreden. Damit die Bildungspolitik nicht nur daran ausgerichtet ist, Leute hervorzubringen, die in Staat oder Wirtschaft gut funktionieren, sondern Leute, die wirklich einen Überblick haben über das, was Europa groß gemacht hat. Wenn Politiker gescheit sind, müssen sie die Kirche fördern. Die meisten haben schon kapiert, dass ein Kampf gegen die Kirche nicht nur ihrer Partei, sondern der Gesellschaft scha- Claus Strunz: „Steckt da die These drin: Wenn die Menschen gebildeter wären, Pfarrer Johannes Pricker überbringt Pater Eberhard von Gemmingen den Dank der Gemeinde. S t . A ntoni u s 20 A N toni u s 100 J A H R E S t. 2011 Pfarrer Johannes Pricker startet das St.Antonius-Stadtteil-Quiz mit den „Tagesschau“-Sprechern Marc Bator und Jan Hofer det. Wenn Europa die Höhe behalten will, die es erreicht hat, darf man die Kirche nicht herunterdrücken, sondern man muss alle ihre Sprossen pflegen, damit sie stärker werden.“ Claus Strunz: „Was würden Sie sich von Ihrer Kirche wünschen? Dass sie sich lauter und deutlicher auf den verschiedenen Politikfeldern positioniert?“ Eberhard von Gemmingen: „Zurzeit fehlen uns ein bisschen die charismatischen Personen, die der Welt und der Kirche sagen: Da liegt euer Problem, und da geht’s lang. Prophetische Stimmen, die Meinung schaffen haben. Roger Schutz war so ein Prophet, auch Nelson Mandela. Man kann nur den lieben Gott bitten: Schick uns Leute, die uns sagen, das ist eure Stärke, da geht’s lang.“ ■ S t . A ntoni u s 2011 21 100 J A H R E S t. A N toni u s beigesehen uns … Goldschmied Bernd Cassau aus Paderborn restaurierte unsere Monstranz Paolino Cherchi vom „Sardegna Ristorante Paolino“ an der Hudtwalckerstraße Monsignore Wilm Sanders Unser alter Freund Karl Günther Monsignore Barth vom „Hamburger Abendblatt“ Peter Schmidt-Eppendorf S t . A ntoni us A N toni u s 100 J A H R E S t. Mario Spitzmöller vom Industrieverband Hamburg, Kunstmaler Denis John Healy 22 Bibel-TV interviewt St. Antonius-Talkmaster Claus Strunz TV-Kritiker-Legende Karlheinz Mose („Hörzu“) Markus Brünger, Markus Nyary (mit Tochter Isabella) vom St. Antonius-Medienkreis Pater Eberhard von Gemmingen mit „Spiegel“-Autor Matthias Matussek („Das katholische Abenteuer“) Pastor i.R. Michael Jordan von St. Johannis Eppendorf S t . A ntoni u s 2011 2011 Au s dem L eben der G emeinde 23 (K)eine Pilgerfahrt nach Padua Im Jubiläumsjahr führte die Gemeindefahrt natürlich in die Heimatstadt des hl. Antonius. Matthias Albaum, Mitglied des Pfarrgemeinderats, war dabei. Hier ist sein Bericht. S onntag 2. Oktober 5.30 Uhr in der Frühe. Alle Reisenden sind an diesem ungemütlich kalten Sonntagmorgen pünktlich am verabredeten Treffpunkt in Hamburgs City-Nord eingetroffen. Das Gepäck ist schnell verstaut, und fast noch schneller haben alle einen Platz im bequemen Reisebus der Firma Hülsmann gefunden. In den Gesichtern ist neben viel Müdigkeit auch viel Spannung und Vorfreude zu sehen. Unsere diesjährige Gemeindefahrt führt uns nach Padua, auf die Spurensuche zu ihrem Kirchenpatron: dem heiligen Antonius. Pfarrer Pricker streicht die Teilnehmerliste ab. Alle angemeldeten Mitreisenden sind da, unsere Fahrt kann beginnen und damit acht unvergessliche Tage. Nach zwei Stunden gibt es die erste von vielen regelmäßigen „technischen Pausen“ auf einer Autobahn-Raststätte bei Hannover. Wir stellen uns gegenseitig vor, lernen ständig neue Namen. Später beten und singen wir aus von Pfarrer Pricker liebevoll zusammengestellten Liederheften. Beim nächsten Halt folgt die Spezialität des Tages: Buskaffee mit Amaretto. Und gegen Mittag reicht Busfahrer Manfred Wiener Würstchen aus der „Buskombüse“. Es dämmert bereits, als wir unser Tagesziel Bad Aibling erreichen. Das Hotel St. Georg hält für uns ein leckeres Buffet zur Stärkung bereit. Vor dem Schlafengehen unternehmen wir noch einen Nachtspaziergang durch den Ort und genehmigen uns einen „good night cup“ in der Hotelbar. S t . A ntoni u s M ontag, 3. Oktober Beim Frühstück begrüßt man sich bereits mit einem fröhlichen Hallo, als ob man sich schon ewig kennt. Unverkennbar, die Gruppe wird schnell zur Truppe. Pfarrer Pricker unterhält uns während der Fahrt durch die Alpen mit kurzweiligen Geschichten aus seiner Studienzeit in Innsbruck. So erreichen wir schneller als erwartet den Brennerpass. Bella Italia begrüßt uns mit Sonnenschein und sommerlicher Wärme – und alsbald mit einem ersten echten Espresso. Erste Station an diesem Tag ist Verona. Unsere Reiseführerin fährt ein Stück im Bus mit und zeigt uns, wie schön die Stadt an der Etsch liegt. Am Löwentor steigen wir aus und wandern durch die Alt- 24 AU S D E M L E B E N D E R G E M E I N D E stadt. Wir bestaunen die verschiedenen Plätze, den Lamberti-Turm, die Scaligergräber und das berühmte Amphitheater. Selbstverständlich machen wir auch einen Abstecher zum Haus von Romeos Julia und genießen die typisch italienische Atmosphäre in der Stadt. Doch Verona ist nur ein Zwischenstop. Padua erwartet uns. Unsere Bleibe für die nächsten Nächte ist das Hotel Milano: ein moderner, komfortabel ausgestatteter Bau und ein gut gelegener Ausgangspunkt für unsere Erkundungen in den nächsten Tagen. Nach dem Abendessen („Das Gelbe da ist Polenta ...“) brechen wir noch zu einer ersten Begehung der Altstadt auf und finden auf Anhieb „Il Santo“, die nachts schön angeleuchtete Antonius-Basilika. Wir freuen uns auf morgen. ienstag, 4. Oktober Heute ist großer PaduaBesichtigungstag. Marina führt uns durch die Stadt: zur Kathedrale und dem Baptisterium (schönste Fresken!), zu D den Plätzen und dem Uhrenturm, zur Universität, in das Caffè Pedrocchi – und schließlich auch zur Antonius-Basilika. Pfarrer Pricker hat eine Seitenkapelle organisiert, in der wir einen uns allen zu Herzen gehenden Gottesdienst feiern. Gewissermaßen mit den letzten Kraftreserven besuchen wir sogar noch die Basilika der heiligen Justina mit dem Grab des Evangelisten Lukas. ittwoch, 5. Oktober Schon früh am Morgen fahren wir mit dem Bus nach Ravenna. Unser Programm ist auch heute dicht gepackt. Den Bus lassen wir in Nähe des Hauptbahnhofes stehen und machen uns unter kundiger Führung – diesmal von Maria – zu Fuß auf zur Basilika San Vitale und dem Mausoleum der Galla Placidia. Wir sind von den wunderschönen Mosaiken aus dem 5. und 6. Jahrhundert schwer beeindruckt. Es folgen ein Besuch von Dantes Grab und der Kirche Sant’ Apollinare Nuovo, letztere auch mit großartigen Mosa- M S t . A ntoni u s 2011 iken. Am Nachmittag fahren wir dann weiter zur Kathedrale Sant’ Apollinare nach Classe. Ein heller, luftiger, großer Kirchenraum, wie er schöner und schlichter nicht sein kann. Und auch hier Mosaike, deren ergreifende Pracht und Schönheit niemand vergessen wird. Ganz sinnentrunken machen wir uns durch das wildromantische Po-Delta auf den Weg zurück nach Padua. Abends beim Essen im Hotel sind wir uns einig: Dies war ein ganz besonders schöner Tag. onnerstag, 6. Oktober Wir wollen heute unser Wissen über das Wirken des heiligen Antonius weiter vertiefen. Dazu besuchen wir zunächst das Santuario dell’Arcella in Padua. Im Inneren der Kirche befindet sich am Sterbeort des Heiligen eine kleine Kapelle. Wir halten gemeinsam Andacht, bevor es nach Camposampiero weitergeht. Hier hat Antonius vor seinem Tod gewirkt. Zu seinen Ehren errichtete man zwei WallfahrtsKirchen, das Santuario della D 2011 Au s dem L eben der G emeinde Visione und das Santuario del Noce, die wir selbstverständlich beide besichtigen. Zurück in Padua steht der Nachmittag dann zur freien Verfügung. Die einen freuen sich über die Gelegenheit zu einem ausgiebigen Cafe-Besuch oder einen Einkaufsbummel in der Altstadt. Andere machen sich auf den Weg zu den Giotto-Fresken in der Scrovegni-Kapelle oder besuchen eine Messe in der Antonius-Basilika. reitag, 7. Oktober Wir sind wieder früh unterwegs. Mit der Bahn fahren wir nach Venedig. Hatte uns Petrus die vergangenen Tage noch mit allerschönstem Spätsommer-Wetter bedacht, ist es schon bei der Abfahrt in Padua bedrohlich dunkel und herbstlich kühl. In Venedig St. Lucia angekommen, regnet es in Strömen. Notgedrungen kaufen wir den Vorrat an Regencapes und Regenschirmen am Bahnhof auf. Eine richtige Entscheidung, denn unser Führer Angelo hat viel mit uns vor. Mit ihm an der Spitze durcheilen wir Gassen und Plätze, überqueren Kanäle und gelangen zu unserer ersten Station, der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari. Was für eine Größe, Pracht und Reichtum. Uns verschlägt es den Atem. Der nächste Höhepunkt folgt fast gegenüber: die Scuola Grande di San Rocco mit F den von Tintoretto ausgemalten Sälen. Angelo erklärt uns jedes Gemälde in aller Ausführlichkeit. Nach einer verdienten Mittagspause laufen wir weiter Richtung Markusplatz, erreichen den Canal Grande, passieren die RialtoBrücke und stehen schließlich vor dem Markusdom. Unglaublich wie viele Menschen hier sind. Wenigstens hatte Petrus ein Einsehen, der Regen hat mittags aufgehört, die Sonne scheint wieder. Wir bekommen „frei“, nutzen die Zeit für Einkäufe, einen Besuch des Markusdoms, des Dogenpalastes oder ganz einfach für Müßiggang. Die Fahrt mit dem Vaporetto auf dem Canal Grande zurück zum Bahnhof bildet den Abschluss dieses an Eindrücken erneut überreichen Tages. Müde und glücklich sitzen wir schließlich wieder im Zug, der uns nach Padua zurückbringt. onnabend, 8. Oktober Scheiden tut weh. Niemand verlässt Padua gern, dazu war es hier einfach zu schön. S S t . A ntoni u s 25 Nachdem auch der letzte Koffer unten im Bus liegt, fahren wir schweren Herzens Richtung Heimat los. Wir kommen gut voran. Ab Bozen wird das Wetter zusehends schlechter, dichte Wolken kommen auf. Am Brenner schließlich schneit es und draußen friert es. Wir begreifen, auch für uns ist der Spätsommer jetzt vorbei. In der schönen Barockkirche von Ebbs, in der Nähe von Kufstein, feiern wir eine letzte gemeinsame heilige Messe. Aus der Truppe ist ein verschworener Haufen geworden. Das lustige Abendessen im Separee des „Parkhotel Heidehof “ in Gaimersheim ist ein würdiger Abschluss unserer Reise. onntag, 9. Oktober Für unsere letzte Etappe brauchen wir noch einmal rund zehn Stunden. In Hamburg nieselt es. Wohin fahren wir das nächste Mal? Ja wohin, lieber Pfarrer Pricker? Von ganzem Herzen vielen Dank für alles, sagen Ihnen Ihre 30 Padua-Mitreisenden. ■ S 26 A N TO N I U S M E D I E N I N S T. 2011 Ich bin ein Zeitdieb In der 1992 begonnenen Reihe „Medien in St. Antonius“ sprach Tanit Koch, Regionalchefin der BildZeitung, am Sonntag, dem 20.November, über das siebte Gebot. D as letzte Mal, dass ich auf einer Kanzel stand, ist schon eine Weile her. Ungefähr 26 Jahre, damals war ich acht. Ich ging auf eine katholische Grundschule in Bonn, und jeden Mittwoch früh marschierten wir zur Messe. Ich wäre gern Messdiener gewesen. Weil ich unbedingt wissen wollte, was hinter der geheimnisvollen Tür zur Sakristei lag. Und weil mein Klassenkamerad Christoph als Ministrant regelmäßig den Wein verschüttete. Oder den Zeitpunkt verschlief, an dem er mit den Glöckchen hätte klingeln sollen. Diese Aufgabe hätte ich gewiss viel besser erfüllt – aber ich war (und bin) evangelisch. Und so blieben mir nur die Fürbitten. Heute sind es keine Fürbitten, die ich vortrage. Es geht es um das siebte Gebot: „Du sollst nicht stehlen.“ Für Journalisten liegt es nahe, in diesem Zusammenhang über den Diebstahl geistigen Eigentums zu sprechen. Denn die Devise „Besser gut geklaut als schlecht erfunden“, ist gewissermaßen ein Leitmotiv der Branche. Schon William Tanit Koch Shakespeare und Bertolt Brecht machten munter Anleihen bei ihren kreativen Vorfahren. Als Journalist fühlt man sich dabei also zumindest in guter Gesellschaft. Wir können festhalten: Im Journalismus kommt es auf Fußnoten grundsätzlich nicht an. Es sei denn natürlich, es geht um die Fußnoten anderer. Oder besser: um die fehlenden Fußnoten. Doch Pfarrer Pricker hatte mich gebeten, heute meine persönlichen Erfahrungen mit dem siebten Gebot zu schildern. Und da meine Zeitung, BILD, die Primärquellen in der Regel ziemlich penibel zitiert, muss ich eben ein anS t . A ntoni u s deres persönliches Geständnis machen. „Du sollst nicht stehlen“: Ich breche dieses Gebot täglich. Oft mehrmals am Tag. Ich bestehle meine Mitmenschen, meine Mitarbeiter, meine Freunde, meine Familie. Ich habe mich zu einer Kleptomanin entwickelt. Und das Gut, das ich anderen wegnehme, ist eines der wertvollsten, das wir haben. Passend zum Ende des Kirchenjahres rede ich von: Zeit. Ich bin ein Zeitdieb. Ein Beispiel: Früher war ich pünktlich. Heute besitze ich ein Handy. Und noch ein Zweithandy. Und ein iPad. Auf diesen mobilen Endgeräten verfasse ich dann Nachrichten wie: „Gleich da!“ – „Bin unterwegs!“ Oder: „Sorry, noch sieben Minuten.“ Aus denen dann auch mal siebzehn Minuten werden können, je nach Baustellen-Lage in der Innenstadt. Kurzum: Ich klaue anderer Leute Lebenszeit. Zugegeben, oft kann ich nichts für die Verspätung. Aber für die Wartenden macht das keinen Unterschied. Und mein Sündenregister ist noch länger. Ich schicke meinen Kollegen 2011 M E D I E N I N S T. A N TO N I U S Emails, wann immer mir der Sinn danach steht. Auch an ihren freien Tagen, auch während ihrer Ferien. Verstehen sie mich nicht falsch: Ich rede nicht von dringenden, wichtigen Dingen, die schnell geklärt werden müssen. Sondern ich meine Emails, die ihren Zweck auch einen Tag oder eine Woche später genauso gut erfüllt hätten. Also jene Emails, die ich nur deshalb „jetzt“ verschicke, weil es praktischer ist. Praktischer für mich. In die Betreffzeile der Emails schreibe ich dann: „Nicht heute lesen, eilt nicht.“ Oder „Hat Zeit bis nach den Ferien“. Damit versuche ich, mein Gewissen zu beruhigen. In meinem Inneren weiß ich jedoch, dass die Emails dennoch gelesen werden. Und ich verdränge, den Mitarbeitern damit wieder ein paar Minuten ihrer Lebenszeit weggenommen zu haben. Vorsätzlich. Getreu dem Motto: Journalist ist man 24 Stunden am Tag. Um meine eigenen Sünden etwas zu relativieren: Auch ich werde beklaut. Ebenfalls täglich. Die Bahn bestiehlt mich. Die Fluggesellschaften. Der Mittelspurschläfer auf der A24 im Ford Transit, der die gähnend leere rechte Spur geflissentlich ignoriert. Der Mensch vor mir an der Supermarktkasse, der erst dann anfängt, umständlich nach seiner Geld- börse zu kramen, wenn die Kassiererin die Waren schon längst durch den Scanner gezogen hat. Und auch gewisse Redner bei Abendveranstaltungen, die den Beweis erbringen, dass „Denkfaulheit oft zu einem Wortschwall führt“. (Das Zitat stammt übrigens aus der FAZ, das nur als Fußnote). Sie mögen sich nun fragen: Geht es hier nicht nur um Rücksichtnahme und Sekundärtugenden? Was hat das mit dem siebten Gebot zu tun? Dann lassen Sie mich erklären: Gegen einen normalen Diebstahl können Sie sich versichern. Ihr Schaden wird dann ersetzt, zumindest zum Teil. Der Dieb macht sich strafbar. Außerdem legt das Bürgerliche Gesetzbuch fest, dass niemand rechtmäßig Eigentum an Gütern erwerben kann, die gestohlen wurden. Aber Zeit? Die ist unwiederbringlich verloren. Und deshalb so kostbar. Umgangssprachlich reden wir davon, die Zeit „totzuschlagen“. Das ist nicht ganz richtig. Wenn jemand jemanden totschlägt, dann die Zeit uns. Über kurz oder lang. Und es ist in Wahrheit auch nicht die Zeit, die vergeht. Sondern wir. Wir vergehen, mit der Zeit. Was die Zeit, die uns bleibt, so wertvoll macht. Wie wertvoll, das möchte ich Ihnen anhand einer Email schildern, die mir einer unserer Redakteure vor ein S t . A ntoni u s 27 paar Wochen geschickt hat. Ich habe die Email aufgehoben, als Erinnerung. Und als eine Art Mahnung. Kurz zur Erklärung: BILD Hamburg hat das große Glück, erst sehr spät gedruckt zu werden. Späte Druckzeiten sind teuer, weil die Drucker in Ahrensburg nachts natürlich Zuschläge bekommen. Der Andruck für BILD Hamburg ist so gegen 22 Uhr, bei Champions League Spielen oder wichtigen Abendveranstaltungen noch eine Stunde später. Und wir können bis nach Mitternacht aktualisieren. Das macht uns zu einer sehr aktuellen Zeitung, was wichtig ist. Das bedeutet aber auch, dass man – wenn man nicht aufpasst – mehr Zeit in der Redaktion als außerhalb verbringt. Insbesondere das Führungspersonal. Seit ich im Juli die Redaktionsleitung übernommen habe, versuche ich, das irgendwie in den Griff zu bekommen. Zum Beispiel, indem die Leitenden Redakteure jeweils feste Tage in der Woche haben, an denen sie früher nach Hause können. Das ist dann immer noch nicht früh – aber der Dank und vor allem der Nutzen sind enorm. Das belegt die Email des Kollegen, die er mir geschickt hat. Ich zitiere: „Gestern hat mich mein Sohn an der Haustür empfangen. Er sagte, er 28 A N TO N I U S M E D I E N I N S T. sei ein Häschen, weil es zum Abendessen so viele Wurzeln gab. Ich hab dann mit dem Hasen noch ein bisschen getobt und ihn dann zu Bett gebracht. Das Buch ‚Ritterfest auf der Burg’ hat er noch geschafft, beim ‚Alarm im Kas- perletheater’ ist er eingedöst. Um viertel nach acht saß ich mit Frau und einem Glas Rotwein vor der Glotze und alle waren froh. Und der Kollege schreibt weiter: „Dieser eine frühe Feierabend rettet die ganze Woche, 2011 der rettet im Zweifel ‚ne ganze Beziehung. Weil es ein super wichtiges Signal an meine Familie ist: HEUTE seid ihr mal dran, auch wenn auf der Elbe Schiffe zusammenstoßen.“ Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. ■ Man sollte sich auf das konzentrieren, was man hat Am Sonntag, 11. Dezember, sprach „Hamburger Abendblatt“-Chefredakteur Lars Haider über das zehnte Gebot. in der Kirche. Sondern in dieeine sehr versem kleinen Kreis, von dem ehrten Damen und in der Mail die Rede war.“ – Herren, Du sollst „Nein, nein, da müssen Sie etnicht begehren deines Nächswas falsch verstanden haben“, ten Weib, usw. – so lautet das sagte Karl-Günther Barth. „Sie zehnte Gebot. Ich will Ihnen sprechen im Gottesdienst!“ drei kleine Geschichten dazu Ich dachte, er macht eierzählen. nen Scherz, und musste unDie erste handelt von einer Ewillkürlich an das achte GeMail, die ich vor ein paar Wobote denken, das da heißt: Du chen von Josef Nyary bekam. sollst nicht falsch Zeugnis reIch war damals gerade Vater Lars Haider den wider deinen Nächsten. geworden, und las, das muss ich zugeben, meine Mails nur de etwas erlebt zu haben, was Doch KGB, wie wir ihm beim flüchtig. Nyary schrieb etwas dazu passen könnte. Also ant- Abendblatt nennen, hatte navom siebten und vom zehnten wortete ich: „Ich nehme das türlich Recht. Und so bin ich heute hier, und habe dank des Gebot, die noch offen seien, zehnte Gebot.“ und die, ich zitiere aus dem GeAber wusste ich, was ich tat? zehnten Gebotes die wunderdächtnis, „einer aus unserem Nein, zumindest solange nicht, bare Gelegenheit bekommen, kleinen Kreis“ noch sprechen bis mich mein geschätzter zu Ihnen zu sprechen. Und das könnte. Ich fühlte mich ange- Abendblatt-Kollege Karl-Gün- nicht gerade typisch im Leben: sprochen und verpflichtet, weil ther Barth auf meine Zusa- Dass sich wunderbare Gelegenich die erste Einladung Nyarys ge ansprach: „Ich höre, Sie re- heiten auch und gerade dann ausgeschlagen hatte. Und ich den in unserer Kirche“, sagte ergeben, wenn man sie nicht entschied mich für das zehnte er. „Selbstverständlich“, sagte begehrt, wenn man nicht nach Gebot, weil ich glaubte, gera- ich, und stockte: „Aber nicht ihnen giert. M S t . A ntoni u s 2011 M E D I E N I N S T. A N TO N I U S Das war die erste Geschichte. Ich komme zur zweiten, die mich erst die Wahl fürs zehnte Gebot hatte treffen lassen. Als die E-Mail von Josef Nyary eintraf, musste ich spontan an ein Gespräch unter ein paar Freunden, allesamt mehr oder weniger erfolgreiche Autoren, denken. Einer von Ihnen hatte gerade sein neues Buch an einen ziemlich bekannten Verlag verkauft, und erzählte das stolz den anderen. Die freuten sich natürlich, aber einer gab auch unumwunden zu: „Weißt du, ich könnte platzen vor Neid.“ Denn er hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Buch veröffentlicht, obwohl das sein großer Traum war. Ich fand die Reaktion nicht unsympathisch, weil sie so ehrlich, so direkt war. Sie belegt, wie sehr wir oft gerade das begehren, was die besitzen, die uns am nächsten sind. Und sie lehrte mich, dass man echte Freunde entweder an dieser Ehrlichkeit erkennt – oder daran, dass sie sich aufrichtig freuen, wenn man etwas erreicht hat. Neid ist wahrscheinlich eines der Gefühle, das wir alle kennen, und typisch deutsch dürfte es auch sein. Und wahrscheinlich ist es als Triebfeder des menschlichen Fortschritts sogar obligatorisch. Trotzdem glaube ich, dass wir im Sinne des zehnten Gebotes gera- de die Neidgefühle in uns bekämpfen müssen. Um bessere Menschen, aber vor allem, um echte Freunde zu werden. Meine letzte, die dritte Geschichte zum zehnten Gebot, führt direkt in die Redaktion des Hamburger Abendblatts. Ein junger Kollege bat mich um ein Gespräch. Er wolle wissen, sagte er, wie er Karriere machen könne. Ob ich ihm einen Weg aufzeigen könne, was er machen und vor allem, wo er in zwei, drei, vier Jahren sein müsse. Also auch: Welchen Job er begehren solle, an welchen Zielen er seinen berufliches Fortkommen orientieren sollte. Keine Frage: Da verlangte jemand nach etwas, was andere hatten. Interessanterweise hat wenige Tage vor diesem Gespräch eine noch jüngere Kollegin auf meine Frage, was sie denn im Journalismus werden wollte, zu mir gesagt: „Vielleicht will ich eines Tagen Ihren Job.“ Wie war das noch: Du darfst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, ... noch alles, was dein Nächster hat? In was für eine unchristliche Redaktion war ich da geraten? Scherz beiseite: Das zehnte Gebot steht im Widerspruch zu dem menschlichen Trieb, weiter zu kommen, mehr zu haben als andere, im Zweifel auch den Job des ChefredakS t . A ntoni u s 29 teurs. Und ist das falsch, etwas Verwerfliches? Brauchen der Mensch und die Menschheit nicht genau diese Antriebskraft? Würden wir ohne sie nicht immer noch in Höhlen leben? Wahrscheinlich. Dem jungen Kollegen habe ich dennoch etwas anderes geraten. Ich habe ihm gesagt, er solle nicht darauf schauen, wo er in zwei, drei oder vier Jahren arbeiten werde, und auf die Posten (anderer) solle er erst recht nicht schielen. Das Gegenteil ist nach meiner Erfahrung richtig: Man sollte sich auf das konzentrieren, was man hat. Wer das Beste aus seinem Job, seiner Berufung macht, der wird früher oder später dafür belohnt werden. Wer dagegen immer nur darauf guckt, was als nächstes kommen wird, wer also die Gegenwart der vermeintlich besseren Zukunft opfert, wird erstens kaum Erfolg haben und zweitens schnell ziemlich unzufrieden sein. Das ist meine Lehre aus dem zehnten Gebot: Nicht damit zu hadern, was andere haben und/oder was man noch alles haben könnte. Sondern achtsam mit dem umzugehen, was man selbst hat. Zum Beispiel die Gelegenheit, vor Menschen wie Ihnen zu sprechen. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Advent! ■ 30 AU S D E M L E B E N D E R G E M E I N D E Hellmut Tourneau 1928 – 2011 E r war zu jeder Zeit mit Herz und Seele für seine Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten da, spendete Trost und Zuspruch und half, wo er konnte“, schrieb Hamburgs Innensenator Michael Neumann in einer Traueranzeige über Hellmut Tourneau. Polizeipräsident Werner Jantosch hob im „Hamburger Abendblatt“ das „außergewöhnliche persönliche Engagement“ des Verstorbenen hervor. Ex-Polizeipräsident Dirk Reimers vom Polizeiverein Hamburg sagte über den Toten: „Fest in seinem katholischen Glauben, aber Tröster und Ratgeber über alle Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg in Notlagen und bei der täglichen Sinnsuche. Ein Mensch, stark, zuversichtlich, demütig und gelassen. Bis zum Rand der Erschöpfung mit Herz und Seele bei den Menschen der Polizei. Ein Vorbild über den Tod hinaus.“ Auch in St. Antonius, wo er 1972 Gemeindepfarrer wurde, war Hellmut Tourneau nie vergessen. Als er, einige Wochen vor seinem Tod, bei uns in Vertretung zum letzten Mal eine Messe feierte, waren seine Augen schon zu schwach zum Lesen; Gemeindemitglieder assistierten ihm am Altar. Unverwüstlich aber waren seine Liebe zu unserer Kirchengemeinde und seine humorvolle Freundlichkeit. Hellmut Tourneau wurde am 14. März 1928 in Fulda geboren. Er wuchs in Bad Rothenfelde am Rand des Teutoburger Waldes auf, im Hause des späteren Bischofs von Stockholm Hubertus Brandenburg (1923–2009) und gut bekannt mit dessen Freund und Klassenkameraden Hans-Jürgen Quest (1924–1999), später Hauptpastor am „Michel“. Tourneau studierte in Frankfurt und Münster. Am 30. November 1951 in Osnabrück zum Priester geweiht, ging er 1951 als Aushilfe nach Lathen, 1952 S t . A ntoni u s 2011 als Vikar-Kaplan nach Papenburg und als Vikar 1956 nach Melle, 1957 nach Oesede sowie 1959 nach Flensburg. 1963 wurde er Pastor und Pfarrer in Osnabrück-Sutthausen. Eine Todesanzeige des Kirchenvorstands von St. Johann in der „Osnabrücker Zeitung“ dankte ihm jetzt für sein „engagiertes seelsorgerliches Handeln“ und erinnerte dabei auch an seinen großen Einsatz für die Osnabrücker Wallfahrt nach Telgte. 1972 kam Hellmut Tourneau als Pfarrer nach Hamburg-Winterhude. In seine Amtszeit fielen viele Neuerungen in Kirche und Schule, auch die Modernisierung durch den Architekten Peter Henke mit dem Kruzifix und den Bronzearbeiten des Hamburger Bildhauers Fritz Fleer an Altar, Ambo und Tabernakel. Vielfältig die Aufgaben, die Hellmut Tourneau zusätzlich übernahm: Dekanatsjugendpfleger der Frauenjugend und Bezirkspräses der Kolpingfamilie in Flensburg, Präses der Kolpingfamilie in Winterhude. Geistlicher Beirat des Katholischen Bildungswerkes in Osnabrück. Polizeiseelsorger und später Diözesanbeauf- 2011 Au s dem L eben der G emeinde tragter für die Polizeiseelsorge in Hamburg. Familiare des Deutschen Ordens in Wien. Mitarbeit im Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen, in der Evangelisch-Katholischen Gebietskommission Norddeutschlands, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hamburg und der Ökumene-Kommission des Erzbistums. Nach 20 Jahren in St. Antonius wurde Hellmut Tour- neau Gemeindepfarrer in St. Petrus auf Finkenwerder. 2001 trat er in den Ruhestand. 2008 wurde er zum Ehrenkommissar der Hamburger Polizei ernannt; den Festvortrag hielt Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Am 10. November, drei Wochen vor seinem diamantenen Priesterjubiläum, ist Hellmut Tourneau im Krankenhaus Altona gestorben. In der Todesanzeige, mit der unserer Kirchengemeinde und unserer Schu- le von ihm Abschied nahmen, heißt es: „In seiner Seelsorge hat er aus dem Glauben mit Hingabe für die ihm anvertrauten Menschen gewirkt“. Und Erzbischof Dr. Werner Thissen sagte über ihn: „Als Seelsorger hat er viele Menschen auf dem Weg zu Gott begleitet. In seiner langjährigen Tätigkeit bei der Polizei in Hamburg hat er unter den Beamten segensreich gewirkt und sich hohe Anerkennung erworben.“ ■ Unser ehemaliger Pfarrer Hellmut Tourneau (Mitte) S t . A ntoni u s 31 T E R M I N E & V E R A N S TA LT U N G E N k alc allee Str . l sd Lan ds t r. . Eppend Bebel- H u . dt w o rfer Ro se str. TarpenbekTarpenbekstr. str Himmelstr. Oh Hudtwalcker Str. Eppend. Lu Marktpl. dolf Martinistr. S t r. eg St. Antonius p kam 18.00 Uhr Eucharistiefeier zum Jahresanfang t. W 2) dorfer Neujahr L a tt e n - 18.00 Uhr Eucharistiefeier zum Jahresende Lok s Alster P Braam k (RIN amp G A ls t e r - Silvester e wies enk Me str. 10.00 Uhr Festhochamt 18.15 Uhr Eucharistiefeier Lattenkamp Erika- 2. Weihnachtstag b ö ge str. 1. Weihnachtstag Hochfest der Geburt Christi 10.00 Uhr Festhochamt 18.15 Uhr Eucharistiefeier l- Erika 14.30 Uhr Krippenfeier der Kinder 16.00 Uhr Krippenfeier der Kinder 22.00 Uhr Christmette Dee nb roo k Heiligabend Beb ela llee Gottesdienstzeiten in der Weihnachtszeit er Stadtpark Winterhuder Str. Markt Der Weg zur Kirche: Zwischen Ring 2 und Winterhuder Markt Von der U-Bahn durch den Lattenstieg, dann auf der Alsterdorfer Str. 50 m nach rechts. Der Bus (Linie 109) hält ca. 100 m von der Kirche auf der Alsterdorfer Straße: Haltestelle Lattenkampstieg. Zu den Gottesdiensten am Sonntag bieten wir für Ältere und Kranke einen Busservice für Hin- und Rückfahrt an. Wenden Sie sich bitte an unser Pfarrbüro, Tel. 529 066 30. ■ Weihnachtskrippe Die Weihnachtskrippe steht bis zu den Heiligen Drei Königen (6. Januar) in der Kirche. Beichte Beichtmöglichkeiten bestehen jeden Samstag von 17.00 Uhr bis 17.45 Uhr, sowie nach Vereinbarung. Die wichtigsten Anschriften der katholischen Kirchengemeinde St. Antonius: Pfarrbüro: Lattenkamp 20 22299 Hamburg Tel. 529 066 30 Fax. 529 066 31 Impressum Pfarrer Johannes Pricker Lattenkamp 20 22299 Hamburg Tel. 529 066 33 Kirche St. Antonius Kindergarten Alsterdorfer Str. 71-75 St. Antonius 22299 Hamburg Alsterdorfer Str. 71-75 22299 Hamburg Tel. 529 066 55 Schule St. Antonius Leiterin: Beate Rickert, Alsterdorfer Str. 71-75 22299 Hamburg Tel. 529 066 50 Redaktion Katholische Kirchengemeinde St. Antonius, Lattenkamp 20, 22299 Hamburg, Tel. 529 066 30, Fax. 529 066 31, e-Mail: St. [email protected]