Teufel komplett - Historicum.net
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Hans Harter Der Teufel von Schiltach Hans Harter Der Teufel von Schiltach Ereignisse - Deutungen - Wirkungen Mit einer Quellendokumentation Hans Harter Der Teufel von Schiltach Hans Harter Der Teufel von Schiltach Impressum: Hans Harter Der Teufel von Schiltach Beiträge zur Geschichte der Stadt Schiltach - Band 2 Herausgeber: Stadt Schiltach ISBN-Nr.: 3-00-016011-6 Copyright 2005 Stadt Schiltach Abbildungen: Stadtarchiv Schiltach, Dr. Hans Harter (Freiburg), Jakob Wolber Produktion: Wolber Kommunikation & Print, 77756 Hausach Titelbild: Der Teufel von Schiltach. Ölgemälde von Karl Eyth Inhalt: Impressum 4 Vorwort 7 Einleitung 9 Die Quellen - Die Flugschrift „Ein erschrocklich Warhafftige History“ (Dok. 1) - Die Flugschrift „Ein wunderbarlich erschrockenlich handelunge“ (Dok. 2) - Das Flugblatt „Ein erschröcklich geschicht Vom Tewfel und einer unhulden“ (Dok. 3) - Die Briefe des Erasmus von Rotterdam (Dok. 4 und 5) - Die Chronik des Heinrich Hug (Dok. 6) - Die Weißenhorner Historie des Nikolaus Thoman (Dok. 7) - Die Zimmerische Chronik (Dok. 8) Die Ereignisse und die Beteiligten - Der Spuk beginnt - Der „Hausvater“ - der Schiltacher Wirt und Schultheiß Schernlin - Die Befragung des Teufels - Der misslungene Exorzismus - Der Teufel und die sechs „Gesellen“ - Die Magd - Gründonnerstag, 10. April 1533 - Die Gerüchte - Das Geständnis - Die Hinrichtung - Neue Gerüchte 11 14 16 18 20 21 22 23 24 27 29 30 33 34 36 37 40 44 Der „Teufel von Schiltach“ - ein Deutungsversuch 45 Vom Weiterwirken des „Teufels von Schiltach“ - Als Sprichwort - In Wunderzeichen- und Exempelbüchern 49 50 - In den Hexentraktaten der Dämonologen Bei zehn weiteren Hexenprozessen in Schiltach In Volksmagie und Aberglauben In der älteren Geschichtsschreibung In Sagen und Geschichten Im historischen Roman In der Geschichtsforschung In der Kunst Als „Schiltacher Teufel“ bei der Fastnacht Im Fernsehfilm 55 59 72 75 78 86 89 92 94 96 Quellendokumentation - Dok. 1: Flugschrift „Ein erschrocklich Warhafftige History“ (1533) 105 - Dok. 2: Flugschrift „Ein wunderbarlich erschrockenlich handelunge“ (1533) 111 - Dok. 3: Flugblatt „Ein erschröcklich geschicht Vom Tewfel und einer unhulden“ (1533) 117 - Dok. 4: Brief des Erasmus von Rotterdam vom 25. Juli 1533 119 - Dok. 5: Brief des Erasmus von Rotterdam vom 7. November 1533 120 - Dok. 6: Heinrich Hugs Villinger Chronik 120 - Dok. 7: Die Weißenhorner Historie des Nikolaus Thoman 121 - Dok. 8: Die Chronik der Grafen von Zimmern 122 - Dok. 9: Job Fincel: Wunderzeichen (1556) 125 - Dok. 10: Wolfgang Bütner: Epitome Historiarum (1576) 126 - Dok. 11: Nicolaus Remigius: Daemonolatria (1598) 127 - Dok. 12: Martin Crusius: Annales suevici (1596) 128 - Dok. 13: Narcissus Schwelin: Würtembergische kleine Chronica (1660) 128 - Dok. 14: Brüder Grimm: Des Teufels Brand (1816) 129 - Dok. 15: Ludwig Bechstein: Der Teufel in Schiltach (1853) 130 - Dok. 16: Ludwig Bechstein: Teufelsbuhlschaft (1854) 132 - Dok. 17: Wilhelm Jensen: Der Teufel in Schiltach (1883) 136 - Dok. 18: Hexereibeschuldigungen in Schiltach (1644-98) 138 Vorwort Nachdem im Jahr 2004 „Schiltach - die Flößerstadt“ als erster Band der „Beiträge zur Geschichte der Stadt Schiltach“ erschien, ist es wiederum Herrn Bürgermeister Thomas Haas und dem Schiltacher Gemeinderat zu verdanken, dass mit dem vorliegenden Büchlein bereits die zweite Nummer dieser neuen stadtgeschichtlichen Reihe vorgelegt werden kann. Sein Thema, „Der Teufel von Schiltach“, ist bei den Schiltachern wie kaum ein anderes historisches Ereignis präsent. Dafür sorgt im Alltag nicht nur ein Gemälde an der Rathausfassade, an der Fastnacht erinnern jährlich auch die Masken des „Schiltacher Teufel“ und der „Magd“ an die Geschehnisse von 1533. Historisch sind diese jedoch kaum aufgearbeitet, ein Mangel, dem die vorliegende Studie abhelfen möchte. Für sie konnten bisher unbekannte Dokumente erschlossen und neue Deutungsversuche gemacht werden. Wenig bekannt waren auch die Wirkungen, die der „Teufel von Schiltach“ über die Jahrhunderte auslöste. Dies erforderte Einblicke in die Geschichtsschreibung, die Geistes-, Kirchen- und Literaturgeschichte, auf Grund derer sich eine überraschend vielfältige Rezeption von „Schiltach 1533“ ergab. Derartige Forschungen lassen sich nicht ohne Hilfe und Anregung bewältigen. Dafür möchte ich meinen Freiburger Freunden Dr. FranzDieter Sauerborn und Prof. Dr. Peter Volk sowie Herrn Carsten Kohlmann, M. A., Schramberg, danken. Neue wichtige Hinweise gaben Herr Dr. Klaus Graf, Universität Freiburg, und Frau Anita Raith, Stuttgart. Dank gebührt auch Herrn Rolf Rombach vom Stadtarchiv Schiltach sowie Herrn Jakob Wolber und seiner Firma Wolber Kommunikation & Print, Hausach, für die bereits bewährte gute Zusammenarbeit. Herr Bürgermeister Thomas Haas verfolgte diese Arbeit nicht nur mit großem Interesse, sondern machte sie auch Der Teufel von Schiltach 7 zur Sache der Stadt Schiltach. Ihr, meiner Heimatstadt, die dieses Jahr mit einem Stadtfest ihre ersten urkundlichen Erwähnungen von 1275 und 1280 feiert, möchte ich dieses kleine Buch widmen. Merzhausen b. Freiburg i. Br., im März 2005 Hans Harter 8 Der Teufel von Schiltach Einleitung 1533, vor fünfhundert Jahren, war der Name „Schiltach“ in aller Mund. Dies lag nicht allein daran, dass, wie es der Villinger Ratsherr Heinrich Hug in seine Chronik eintrug, am 10. April (Gründonnerstag) „Schiltach das ganz Städtle ... näher denn in einer Stund auf den Boden hinweg“ verbrannte. Brände dieser Art waren damals nichts Außergewöhnliches. Was das Ereignis jedoch zur schnell kursierenden Legende werden ließ, war das Gerücht, „der Teufel hätte Schiltach verbrannt“. Auch hatte man sogleich eine Schuldige für die Katastrophe gefunden: Tags darauf wurde in Oberndorf am Neckar eine Frau verhaftet, die gestand, „wie sie und der Teufel gehandelt hätten“. Dergestalt eines Bunds mit dem Teufel überführt, wurde sie hingerichtet - „die verbrannte man“ -, und zwar nach einem Hexenprozess, der zu den frühesten im deutschen Südwesten gehört.1 Zugleich wurde die ob der Ereignisse wogende Neugier durch das noch junge Medium der Flugschriften befriedigt: „Und ging ein Druck davon hinaus in alle Land, wie es hergegangen war auf Gründonnerstag 33“ (Dok. 6).2 Tatsächlich waren es verschiedene, mehrseitige Flugschriften (Dok. 1; 2) sowie ein Flugblatt (Dok. 3), die als sog. „Unholden-Zeitungen“ von „Zeitungsboten“ unter die Leute gebracht, für die Verbreitung der Schiltacher Ereignisse sorgten. Diese Druckerzeugnisse waren seit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert das Medium, mit dem zumeist anonyme Publizisten ihr Publikum erreichten - eine Art damaliger Boulevardzeitung. Noch 1535 beantragte ein ungenannter Autor beim Straßburger Stadtrat die Druckerlaubnis für eine Schrift über die Schiltacher Teufelstat, die ihm mit der Begründung, „man woll mit dem Teufel nit zu schaffen haben“ jedoch ver1 H. C. Erik Midelfort: Witch Hunting in Southwestern Germany 1562-1684, Standford (California) 1972, S. 201. 2 Die Quellenzitate sind in heutiges Deutsch gebracht. Die Originaltexte finden sich im Dokumentenanhang. Der Teufel von Schiltach 9 Die älteste Karte des Kinzigtals, gezeichnet von Martin Waldseemüller, Ausschnitt aus: „Das Oberrheingebiet“. Straßburger Ptolemäus-Ausgabe von 1513. - Vorlage: UB Freiburg. 10 Der Teufel von Schiltach sagt wurde.3 Auch in der gelehrten Welt wurde man auf das Geschehen aufmerksam. Der in Freiburg lebende Erasmus von Rotterdam (1466/67-1536), der führende Humanist Europas, berichtet davon in zweien seiner Briefe (Dok. 4; 5). Schließlich beschrieben Nikolaus Thoman (Dok. 7) und Graf Froben Christoph von Zimmern (Dok. 8) in ihren handschriftlich geführten Chroniken, was sich in Schiltach zugetragen hatte. Über diese Quellen erfuhren auch spätere Jahrhunderte von den Ereignissen, mit der Folge, dass „Dämonologen“, Theologen, Geschichtsschreiber, Schriftsteller und Künstler sich des Stoffs bemächtigten und die Kunde vom „Teufel von Schiltach“ weitertrugen. Zugleich wurde sie zur Sage, was schon in den zeitgenössischen Quellen angelegt ist, die die Darstellung des Geschehenen und ihre Bewertung vermischen, wenn nicht überhaupt Sensationsgier und die Lust am Unheimlichen die Feder der Schreibenden geführt hat. Damit aber stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Geschehen, zumal unsere „aufgeklärte“ Gegenwart als Brandursache kaum mehr das Wirken des leibhaftigen Teufels in Betracht ziehen wird. Die Quellen Die Flugschrift „Ein erschrocklich Warhafftige History“ (Dok. 1) Als Flugschrift verbreitet wurde eine Niederschrift, die angibt, in Schiltach selber - „Actum zu Schiltach“ - und mit Datum vom 26. April 1533, also nur zwei Wochen nach dem Brand, verfasst worden sein. In ihrem Titel kündigt sie eine „erschreckende, wahrhaftige Geschichte“ an, wie nämlich „der listige Teufel“ die „frommen Leute 3 Rodolphe Reuss: La justice criminelle et la police des moeurs à Strasbourg au XVIe et au XVIIe siècle. Causeries historiques, Strasbourg 1885, S. 266f. Der Teufel von Schiltach 11 daselbst“ zuerst mit allerlei Schabernack an der Nase herumführte und dann „die Stadt gar verderbt und verbrannt hat.“ Von dem ungenannt bleibenden Autor hat man den Eindruck, dass er noch ganz unter dem Eindruck der Ereignisse steht. Für ihn sind „christlicher Glauben, die Furcht und Liebe Gottes“ die Werte, die er gegen das „Gespenst des Teufels“ ins Feld führt. Auch setzt er „christliche Ermahnungen“ gegen „weltliche Freude“ und unterscheidet die „Laien“ von der „Priesterschaft“. Deren Bemühen, dem Gespenst „durch die Kraft Gottes und seines Wortes“ beizukommen, beschreibt er so, wie wenn er dabei gewesen wäre. Die ganze Niederschrift ist von einem religiöstheologischen Geist geprägt, der auch im Schlusssatz „Gott der Herr schicke uns alles zu Gutem. Amen“ zum Ausdruck kommt. Wenn dieses Werk tatsächlich in Schiltach verfasst wurde, so kommt als Autor in erster Linie der dortige Pfarrer in Frage, der, wie andere Quellen berichten (Dok. 2; 4), auch direkt in die Geschehnisse verwickelt war. Für ihre Rekonstruktion wird man sich in erster Linie an dieses zeitlich und örtlich wohl unmittelbarste Dokument halten müssen, das in der Forschung bisher unbekannt war. 1533 amtierte in Schiltach Pfarrer Johannes Schwarz. Wohl hatte er an der Universität Tübingen studiert, wo sich 1511 ein aus Sindelfingen stammender „Johannes Schwartz“ eingeschrieben hatte.4 Schwarz war nach 1519 von der österreichischen Regierung, die seit der Vertreibung Herzog Ulrichs in Württemberg die Herrschaft ausübte, in Schiltach eingesetzt worden. Als Ulrich 1534 zurückkehrte, ordnete er die Reformation seines Landes an. Im Amt Hornberg, zu dem Schiltach gehörte, überprüfte der Reformator Ambrosius Blarer die Pfarrer und führte die evangelische Predigt ein. Pfarrer Schwarz unterwarf sich der neuen Lehre, blieb im Amt und verheiratete sich mit Anna Zimber. 1558 legte er das erste erhaltene Taufbuch an, in das er 1559 die Taufe seiner Tochter Anna eintrug.5 4 Die Matrikeln der Universität Tübingen, hrsg. von Heinrich Hermelink, Bd. 1, Stuttgart 1906, S. 182, Nr. 142. 5 Julius Hauth: Die Zeit der Reformation, in: Schiltach. Schwarzwaldstadt im Kinzigtal, hrsg. von der Stadt Schiltach, Freiburg 1980, S. 183-186, hier S. 183 f. - Julius Hauth: Von den evangelischen Pfarrern, in: Ebd., S. 197-201, hier S. 199. 12 Der Teufel von Schiltach Titel und Schluss der ersten Flugschrift von 1533 (Dok. 1). - Vorlage und Aufnahme: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart. Der Teufel von Schiltach 13 Die Flugschrift „Ein wunderbarlich erschrockenlich handelunge“ (Dok. 2) Auf sieben Druckseiten hat ein weiterer anonymer Autor die „wunderbarlich erschrockenlich Handlung“ dargestellt, die sich „in dem Städtlein Schiltach, mit einer Brunst durch den bösen Geist gestiftet, begeben hat“. Auch diese Flugschrift trägt die Jahreszahl 1533, ist aber nach der ersten entstanden. Von ihr hat sie das Ereignisgerüst übernommen, um dieses dann jedoch in vielfältiger Art und Weise auszumalen, dies aber in vollkommen „weltlicher“ Manier. Es geht recht derb zu, mit Flüchen und Späßen, und auch die beteiligten Pfarrer werden nicht geschont. Der Autor lokalisiert Schiltach im „Kuntzelthal“ und „dem Land zu Württemberg zugehörig“. Als Schauplatz der Handlung nennt er, genauer als Dok. 1, „das Wirtshaus des Schultheißen“. Dort malt er eine richtige „Gugelfuhr“ aus, ein mutwilliges durch den Teufel verursachtes Treiben, in das nicht nur der Wirt und seine Magd, sondern auch die Pfarrer von Schiltach und Schenkenzell sowie mehrere „redliche Gesellen“ verstrickt sind. Höhepunkt ist eine „Teufelszeche“ auf der Heubühne mit drei Hexen, durch die dann „das ganz Städtlein verbrannt worden“. Mit der Verhaftung, dem Geständnis und der Hinrichtung der Magd in Oberndorf endet die Geschichte, deren Wahrheit am Schluss eigens betont wird: „Dies alles ist glaubhaftig also geschehen.“ Von dieser Flugschrift gibt es zwei Varianten, von denen die eine in Leipzig gedruckt wurde. Sie fanden ihren Weg bis in den Norden Deutschlands, wie ihre bisher nachgewiesenen, über mehrere Bibliotheken verstreuten Exemplare zeigen: Freiburg, Göttingen, Berlin und Wolfenbüttel. Für das Geschehen ist dieses Dokument in seiner handfesten Art und Weise nicht weniger aufschlussreich als das erste, gerade wegen seiner Ausmalungen, die all die Gerüchte widerspiegeln, die im Lande umliefen. 14 Der Teufel von Schiltach Titel und und Schluss der zweiten Flugschrift von 1533 Vorlage und Aufnahme: UB Freiburg (vgl. S. 116, Anm. 148). Der Teufel von Schiltach 15 Das Flugblatt „Ein erschröcklich geschicht Vom Tewfel und einer unhulden“ (Dok. 3) Gleichfalls noch 1533 brachte der „Briefmaler“ Steffan Hamer in Nürnberg ein koloriertes Flugblatt heraus, das mit einem Holzschnitt des Nürnberger Künstlers Erhard Schön illustriert war. Sein Titel „Ein erschröcklich geschicht Vom Tewfel und einer unhulden / beschehen zu Schilta bey Rotweil in der Karwochen“ zielt ebenso auf Sensation, wie das Bild, das den gehörnten Teufel in Menschengestalt und seine „Werke“ zeigt: Die Stadt, die er in Brand gesteckt, und die halbnackte Frau, die er auf den Scheiterhaufen gebracht hat. Dies in durchaus voyeuristischer Absicht, da die Delinquenten in der Regel nicht entblößt, sondern im sogenannten Büßerhemd hingerichtet wurden. Titel und Holzschnitt des Flugblatts von 1533 (Dok. 3). Vorlage und Aufnahme: Zentralbibliothek Zürich. (vgl. die Farbabbildung S. 99) 16 Der Teufel von Schiltach Steffan Hamer arbeitete seit 1516 als Formschneider, Briefmaler und Drucker in Nürnberg, wobei er in den 1530er Jahren mehrmals Schwierigkeiten mit der Zensur hatte. 1539 besuchte er die Frankfurter Messe, 1547 reiste er nach Augsburg, um Kaiser Karl V. einen Holzschnitt mit der Darstellung der Schlacht bei Mühlberg zu übergeben. Als Formschneider schnitt er Holzstöcke für Flugblätter zu Tagesereignissen, die er auf einer Spindelpresse druckte und dann als Briefmaler kolorierte. - Der Künstler Erhard Schön (um 1491-1542), von dem der Holzschnitt stammt, war Maler, Zeichner und Kupferstecher. Er fertigte Gebrauchsgraphik und Flugblätter und zählt mit einem nachweisbaren Holzschnittwerk von 1200 Blättern zu den Massenproduzenten von Einblattholzschnitten in Nürnberg.6 Diese Stadt war ein bedeutendes Druckzentrum, und Hamer und Schön stellten das Schiltacher Flugblatt als Auftragsarbeit für einen Verfasser her, der seinerseits unbekannt bleibt. Auch er zeigt sich über die Ereignisse von 1533 gut informiert: Er weiß, dass das „Städtlein“ Schiltach „drei Meilen von Rottweil entfernt liegt“, nur dass er es ins „Hornberger Tal“ lokalisiert. Über den Ablauf gibt er einen genauen Bericht, unter dem Motto wie „der Teufel in das selbig Städtlein in ein Wirtshaus kummen“, wie er sich mit dem Wirt um „eine Maid“ zankte und mit deren Hilfe „das ganz Städtlein in anderthalb Stund gar verbrannte“. Der Autor kennt auch das Geständnis der „Maid“ und nennt den 21. April 1533 als ihren Hinrichtungstag. Dass er zum Schluss „solch erschreckliche Geschicht“ zu einer frommen Ermahnung benützt sie sollte „uns billig zu Herzen gehen und zur Besserung unseres Lebens reizen“ - mag ein Zugeständnis an die das Schriftwerk bedrohende Zensur gewesen sein. 6 Vgl. Manfred M. Grieb: Nürnberger Künstlerlexikon (erscheint demnächst; Mitteilungen des Autors). - Die Identifizierung von E. Schön als Autor des Holzschnitts in: Ulrich Gaier, Monika Küble, Wolfgang Schürle: Schwabenspiegel. Literatur vom Neckar bis zum Bodensee 1000-1800, Bd. 1, Ulm/Donau 2003, S. 205. Der Teufel von Schiltach 17 Die Briefe des Erasmus von Rotterdam (Dok. 4 und 5) In einem Brief an den Portugiesen Damião de Góis vom 25. Juli 1533 geht Erasmus von Rotterdam erstmals auf die Schiltacher Ereignisse ein (Dok. 4). Er wusste davon freilich nur aus zweiter Hand, von Heinrich Glarean, einem gleichfalls in Freiburg lebenden Humanisten, von dem er gehört hatte, was Schiltacher Bürger dem Freiburger Rat darüber berichteten. Und so wollte Erasmus sich nicht dafür verbürgen, „ob alles, was gemeinhin darüber geredet wird, wahr ist“, mit Ausnahme der Tatsache, „dass das ganze Städtchen plötzlich in Flammen aufging, und dass eine Frau aufgrund ihres Geständnisses hingerichtet wurde“. Andererseits betont er, das Gerücht, dass ein „Dämon“ dabei die Hände im Spiel gehabt habe, halte sich so hartnäckig, „dass es nicht als erfunden betrachtet werden kann“. Sein Briefpartner, Damião de Góis (1501-1574), hatte seinerseits von den Schiltacher Ereignissen gehört und sich an Erasmus um Aufklärung gewandt. Noch im März 1533 war er, der humanistisch interessierte Sekretär der portugiesischen Faktorei in Antwerpen, in Freiburg gewesen, um den von ihm verehrten Erasmus zu besuchen.7 Auf der Rückreise nach Flandern oder auch schon dorthin zurückgekehrt, muss er davon erfahren haben, weshalb er bei Erasmus anfragte,8 der ihm in seinem Brief vom 25. Juli 1533 darauf antwortete. Auch danach war „Schiltach“ weiter in aller Munde, was Erasmus in einem zweiten Brief am 7. November 1533, an den ungarischen Humanisten Nikolaus Olahus, bestätigt: Über eine Reihe von Großbränden in Europa besorgt, zählte er auch den in einer Stadt auf, 7 Peter G. Bietenholz / Thomas B. Deutscher: Contemporaries of Erasmus. A biographical register of the Renaissance and Reformation, Bd. 2, Toronto 1986, S. 113-117, hier S. 115. - Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami, denuo recognitum et auctum per P. S. Allen, tom. X, ediderunt H. M. Allen et H. W. Garrod, Oxford 1941, S. 253. 8 Dieser Brief ist nicht erhalten, vgl. ebd. 18 Der Teufel von Schiltach „die von hier zwei Tagesreisen entfernt ist“. Damit meinte er den Brand in Schiltach, mit dem sich nach wie vor das „hartnäckige Gerücht“ verband, „ein Dämon“ habe das Feuer angestiftet (Dok. 5). In beiden Briefen hält Erasmus sich mit einer Stellungnahme zurück und referiert lediglich die „Gerüchte“, von denen er sich aber Erasmus von Rotterdam, von Hans Holbein d. J., 1523. - Kunstmuseum Basel, Inv. Nr. 319. - Foto: Kunstmuseum Basel, Martin Bühler. Der Teufel von Schiltach 19 nur teilweise distanziert.9 Ihren Kern, dass in Schiltach ein „Dämon“ am Werk gewesen sei, stellt der berühmte Humanist nicht in Frage, ganz im Einklang mit der kirchlichen Lehre, für die die leibhaftige Existenz und das böse Wirken des Teufels als Widersacher Gottes Realität sind. Durch den bereits 1534 gedruckten ersten Brief fanden die Schiltacher Ereignisse und ihre Darstellung durch Erasmus weitere Verbreitung, vor allem in gelehrte Kreise, die sie, unter Berufung auf seine Autorität, in ihrem Sinn und für ihre Zwecke auswerteten. Die Chronik des Heinrich Hug (Dok. 6) Äußerst knapp ist der Bericht, den der Villinger Ratsherr Heinrich Hug (ca. 1465 - ca. 1534) über das Schiltacher Geschehen in die von ihm geführte Chronik eintrug. Er schrieb aber, was ihm zu Ohren gekommen war, wenn er nicht selber den „Druck“ besaß, von dem er berichtet. Es war dies einer seiner letzten Einträge, nach 1533 brechen seine Aufzeichnungen ab. Hug war schon 1519 mit Schiltach in Berührung gekommen, als er dem Villinger Haufen angehörte, der für den Schwäbischen Bund gegen „Land und Leute“ Herzog Ulrichs von Württemberg vorging. In der Absicht, Schiltach zu erobern, zogen die Villinger nach Aichhalden, erfuhren aber, dass die Rottweiler ihnen zuvorgekommen waren: „Und waren die von Rottweil im Tal, und waren wir heroben auf der Staig.“ Über deren Absichten im Unklaren, machten sie sich kampfbereit, doch erschien der Rottweiler Hauptmann, man verhandelte und versprach sich „gute Nachbarschaft“. Nach einer Feldparade zog der 800 Mann starke Villinger Haufen weiter gegen Hornberg, das sich alsbald ergab, wofür Hug den Unter9 „Es wird auch von anderem Derartigem gesprochen, ich will aber Deine Ohren mit solchem Gerede des gemeinen Volkes verschonen“ (Dok. 4). 20 Der Teufel von Schiltach werfungseid verfasste.10 - Auf der Hug’schen Chronik beruht ein weiteres, Ende des 16. Jahrhunderts in Villingen entstandenes Geschichtswerk, das für das Jahr 1533 die Schiltacher Ereignisse in Kurzform verzeichnet: „Uff den grienen dunstag verprendt der teuffl Schiltach durch ain böse hexen.“11 Die Weißenhorner Historie des Nikolaus Thoman (Dok. 7) An seiner „Historie“ hat der in Weißenhorn (bei Neu-Ulm) als katholischer Kaplan und Notar amtierende Nikolaus Thoman (um 1457-1545) zweiundsechzig Jahre lang gearbeitet, ihr immer wieder neuen Stoff hinzufügend.12 So dürfte er auch seine „Wunderbarlich Ding“ überschriebene Notiz über die Schiltacher Ereignisse von 1533 zeitnah niedergeschrieben haben, wobei ihm, wie einige Übereinstimmungen zeigen, wohl das Flugblatt (Dok. 3) vorlag. Anderes muss er jedoch durch Hörensagen in Erfahrung gebracht haben, so „die Sag, der Wirt hätte es mit ihr (der Magd) gehabt“, was an das Gerücht erinnert, das Erasmus vom Wirtssohn berichtet (Dok. 4). Dass „die Frau“ - Thoman vermeidet das Wort „Hexe“ - gestanden habe, „etliche Menschen getötet und etliche lahm gemacht“ sowie „Ungewitter und Hagel“ verursacht zu haben, war auch für ihn die Rechtfertigung für ihre Verbrennung. Bald danach sei jedoch eine erneute „Sag“ aufgekommen, dass nämlich das Ganze „eine Fabel“ und „nicht wahr“ gewesen sei. Dass hier ein folgenschwerer Justizirrtum begangen worden sein könnte, wie offenbar im Nachhinein gemunkelt wurde, wollte Thoman selber jedoch nicht glauben und „es dabei lassen“. Seine Darstellung der Schiltacher Ereignisse, die zeitnahen Quellenwert besitzt, war in der Forschung bisher kaum bekannt. 10 Heinrich Hugs Villinger Chronik von 1495 bis 1533, hrsg. von Christian Roder, Tübingen 1883, S. 74-83. 11 Villinger Chronik. Von 1119 bis 1568, in: Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, hrsg. von Franz Josef Mone, Bd. 2, Karlsruhe 1854, S. 80-118, hier S. 108. 12 Nicolaus Thoman: Weißenhorner Historie. Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hrsg. von Franz Ludwig Baumann, Stuttgart 1878; Nachdruck Weißenhorn 1968, Nachwort von F. L. Baumann, S. 234; vgl. ebd. auch die Nachbemerkung von Horst Gaiser. Der Teufel von Schiltach 21 Die Zimmerische Chronik (Dok. 8) Augenzeuge des vom Brand zerstörten Schiltach war Graf Froben Christoph von Zimmern (1519-1566/67). Kurz nach Ostern 1533 war er, vierzehnjährig und auf dem Weg zum Studium nach Straßburg, „aldo durchgeraist und das gesehen“, und „es ist ein erbärmlicher, erschreckender Anblick gewesen“. Dieser Eindruck war bei ihm noch lebendig, als er sich 1559 bis 1566 der Abfassung seiner Familienchronik widmete und in sie ein Kapitel einfügte, in dem „vom Teufel von Schiltach (vermeldet wird)“. So gehört auch er zu den Gewährsleuten und Interpreten des Geschehens, mit dem überdies seine nächsten Verwandten direkt zu tun hatten: Die Brüder seines Vaters, die Freiherren Wilhelm Werner (1485-1575) und Gottfried Werner (1484-1554) von Zimmern, waren die Stadtherren von Oberndorf, woher die für die Schiltacher Katastrophe verantwortlich gemachte Frau stammte. So weiß der Zimmerische Chronist als einziger Einzelheiten ihres Lebenswegs, wiewohl er ihren Namen nicht mehr in Erfahrung bringen konnte.13 Graf Froben Christoph von Zimmern und seine Gemahlin Kunigunde von Eberstein. Zeichnung aus der Zimmerischen Chronik. 13 Vgl. die Lücke in der entsprechenden Stelle der Chronik (Dok. 8). 22 Der Teufel von Schiltach Die Ereignisse und die Beteiligten Der Spuk beginnt In allen, aus der Rückschau berichtenden Quellen beginnt das Drama in Schiltach nicht erst mit dem großen Brand vom 10. April 1533, sondern bereits in der Nacht „auf Unser lieben Frauen Verkündung Tag“ (24./25. März). Da begann in einem Wirtshaus ein „Gespenst“ sein Unwesen zu treiben, mit Pfeifen, wie es „ein Mensch durch seinen Mund zuweg mag bringen“. Deutlich konnte man die Weisen „weltlicher Lieder“ verstehen, doch war es ein seltsames Pfeifen, keines, das „mit ausdrücklicher menschlicher Zunge gemacht“. Zugleich wurden Steine, Holz und andere Gegenstände geworfen, obwohl niemand den Werfer „sehen, greifen, hören oder tasten“ konnte. Davon wach geworden, lief das „Hausvolk“ zusammen, und der „Hausvater“ beruhigte sein „Völklein“, indem er es „zum christlichen Glauben, zu der Furcht und Liebe Gottes“ ermahnte: „Der werde sie nicht verlassen.“ Da aber verspottete „das Gespenst“ ihm mit seinem Pfeifen die Worte, so dass den Beteiligten alsbald klar wurde, dass es niemand anders sein konnte, als „der Teufel mit seiner Arglistigkeit“. Wo immer man meinte, das Pfeifen geortet zu haben, kam es dann von einem „anderen Ort“, und doch war „nichts sichtbar oder greiflich“. Das Pfeifen aber war, „wie man zum Tanz pfeift und die Trommel schlägt“, jedoch auch, wie es „allerlei Vögel“ tun (Dok. 1). So ging es die ganze Nacht „mal auf dem Haus, mal in der Stube, mal unterm Tisch, schier in der Küche, dass ihn viele hörten, aber keiner ihn sah“ (Dok. 2). Das „Trummen und Pfeifen“ (Dok. 3) war indes die Art von Musik, die in den Ohren vieler Zeitgenossen als „diabolisch“ galt, diente sie doch zur Unterhaltung und zum Tanz und nicht dem Lobe Gottes. Der Teufel von Schiltach 23 Vor allem die geistliche Obrigkeit lehnte sie ab und „verteufelte“ sie im wahrsten Sinne des Worts. Sie benötigte nur einen Musikanten, der auf den einfachen Instrumenten - Pfeife oder Flöte und Trommel zugleich die Melodie und den Rhythmus spielte. So waren auch sie „Teufelsinstrumente“, zumal sie von gesellschaftlich verfemten Figuren wie Spielleuten, Narren oder eben dem Teufel selber gespielt wurden.14 Ein Holzschnitt von um 1470 zeigt einen derart musizierenden Teufel mit dem Satz: „Ich pauk und pfeiff euch all herein, hinten in die Hölle mein.“15 Wenn diese als lärmend und misstönig empfundene Musik tatsächlich im Schiltacher Wirtshaus ertönte, so wird verständlich, dass der über sie berichtende Pfarrer sie sofort als „teuflisch“ eingestuft hat (Dok. 1). Ein musizierender Teufel führt Verdammte in die Hölle. Holzschnitt von 1477. - Aus: Narren (wie Anm. 14), S. 560, Nr. 203. Der „Hausvater“ - der Schiltacher Wirt und Schultheiß Schernlin Da das vom Spuk betroffene Haus ein „Wirtshaus“ war, muss der “Hausvater“ dessen Wirt gewesen sein, wie ihn auch die anderen Quellen benennen (Dok. 3; 4). Ihn, der zugleich als Schultheiß amtierte (Dok. 2; 6), nennt der Zimmerische Chronist sogar mit Namen: „Hans Schernle“ (Dok. 8). Ein solcher ist um diese Zeit urkundlich jedoch nicht nachweisbar; das Lagerbuch von 1517 kennt nur einen 14 Vgl. Ines Heim: „Eyn Sackpfiff ist des Narren Spil“. Über die Musik der Narren, in: Narren, Schellen und Marotten. Elf Beiträge zur Narrenidee, Remscheid 1984, S. 309-331. 15 Reinhold Hammerstein: Diabolus in musica. Studien zur Ikonographie der Musik im Mittelalter, Bern/München 1974, S. 32 und Abb. 16. 24 Der Teufel von Schiltach „Jacob Schörnlin“, der in der Altstadt zwei Häuser besaß, eines davon im Bereich des „obern Thor“ (heute: Marktplatz 4).16 1525 ist Jacob Schörnlin auch als Schiltacher Schultheiß belegt, und ihn dürfte der Chronist gemeint haben, zumal 1551 sein Sohn Michel dieses Amt bekleidete und im selben Haus am Marktplatz wohnte.17 In diesem Haus bestand schon vor 1636 die Gastwirtschaft und Herberge „Zum Weißen Rössle“.18 Ob dies bereits 1517 unter Jacob Schörnlin der Fall war (und 1491, als das Haus dem Altschultheiß Rekonstruktion des Stadtgrundrisses nach dem Schiltacher Lagerbuch von 1517 von Franz Meckes. - Die (spätere?) Gastwirtschaft „Zum Weißen Rössle“ (heute: Marktplatz 4) ist mit Nr. 15 bezeichnet. Die unterstrichenen Zahlen geben die jährliche Steuer an. - Aus: Schiltach. Schwarzwaldstadt (wie Anm. 5), S. 252. 16 Hermann Fautz: Die alten Lagerbücher als Quellen für die Geschichte der Gemeinden SchiltachStadt und Lehengericht. Teil 2, in: Die Ortenau 48 (1968), S. 185-206, hier S. 189. - Vgl. Franz Meckes: Zur städtebaulichen und architektonischen Entwicklung des Stadtbildes seit 1491, in: Schiltach. Schwarzwaldstadt (wie Anm. 5), S. 251-279, hier S. 252 (Karte: Nr. 15); S. 278. 17 Helmut Horn / Herbert Pfau: Vorabentwurf Ortssippenbuch Schiltach bis 1650, Nr. 710 (StA Schiltach). 18 Vgl. Julius Hauth: Chronik der Fachwerkhäuser in Schiltach: Marktplatz 4, in: Nachrichtenblatt der Stadt Schiltach vom 3.11.1973, S. 21-23. Der Teufel von Schiltach 25 Heinz Fitschenmeyer gehörte),19 ist zwar nicht gesichert, aber bei dem Beharrungsvermögen einer Realwirtschaftsgerechtigkeit auch nicht unwahrscheinlich. So könnte das Wirtshaus von 1533 bereits das „Weiße Rössle“ am Marktplatz gewesen sein. Zu den Schiltacher Verhältnissen passt auch die Schilderung, dass nach dem Gottesdienst die Leute „so in den Tälern wohnen und fern heim haben“ in die Wirtschaften kommen und „darin zehren wollen“ (Dok. 2). Von den Schiltacher Schultheißen wird der erste, Bertold Schmid, schon 1404 genannt, als das Städtchen noch den Herzögen von Urslingen gehörte; 1486 tritt mit Heinrich Fitschenmeier der erste württembergische Schultheiß auf.20 Er wurde vom Landesherrn bestimmt und stand an der Spitze der Stadt. Eine herrschaftliche Institution war auch das „Gericht“, bestehend aus zwölf Bürgern, die als Kollegium verwaltungsmäßige, aber auch straf- und zivilgerichtliche Funktionen ausübten. 1487 urteilten „der Schultheiß und die zwölf geschworenen Richter des Gerichts der Stadt zu Schiltach“ in einem Streit und siegelten „mit unser Stadt Schiltach anhangendem Insigel“. Dies erbaten damals auch die Rippoldsauer „von den ehrbaren, weisen Schultheissen und Gericht zu Schiltach“. Es zeigt drei Schilde - 2:1 gestellt -, und so hängt es auch an einer 1500 in Wittichen ausgestellten Urkunde.21 Siegelstempel des ältesten Schiltacher Stadtsiegels aus dem 15. Jahrhundert. Um das Wappen mit den drei Schilden liegt ein gefaltetes Band mit der Umschrift „S.opidi.Schilttach.“ („Siegel der Stadt Schiltach“). - StA Schiltach. 19 Hermann Fautz: Die alten Lagerbücher als Quellen für die Geschichte der Gemeinden Schiltach-Stadt und Lehengericht. Teil 1, in: Die Ortenau 33 (1953), S. 72-88, hier S. 77. - Vgl. Meckes (wie Anm. 16), S. 278. 20 Klaus Schubring: Die Herzoge von Urslingen. Studien zu ihrer Besitz-, Sozial- und Familiengeschichte mit Regesten, Stuttgart 1974, R. 157. - Walther Pfeilsticker: Neues Württembergisches Dienerbuch. Zweiter Band, Stuttgart 1963, § 2753. 21 FUB 4, Nr. 212; 314; 543. - Vgl. Hermann Fautz: Geroldsecker Land im oberen Kinzigtal. Der Streit um die Langenbacher Allmend, in: Geroldsecker Land 10 (1967/68), S. 83-88. 26 Der Teufel von Schiltach Als Vertretung der bürgerlichen Gemeinde bestand der „Rat“, während die „Bürgermeister“ die Leiter des Rechnungswesens waren. So umgreift die Formel „Schultheiß, Bürgermeister, Gericht und Rat der Stadt Schiltach“ den Kreis derjenigen, die hier das Stadtregiment ausübten. Die Befragung des Teufels In Schörnlins Haus aber war seit dem 25. März 1533 „ein Erschrecken“ gefahren, und die Hausbewohner überkam „die Betrübnis“, so dass der Schultheiß auf Freitagnacht (28. März) „etliche geistliche und weltliche Männer“ in sein Haus bat, um „die grausamliche wunderbarliche Handlung selber zu hören und zu vernehmen“. Denn: „Wer solches nicht selber hören würde, würde es nicht glauben“ (Dok. 1). Kaum hatten sie und das Hausgesinde sich „in Gottes Namen“ zur Ruhe gelegt, hob „die wunderbarliche Wirkung“ sich wieder an, noch „wunderbarlicher“ und „je länger desto gräulicher“. Man begab sich auf die Jagd nach dem Gespenst, aber wann immer man meinte, es ergriffen zu haben, war dann doch „nichts Greifliches, noch Sichtbares“. Nun schlug die Stunde der hinzugezogenen Priester, die „diese Betrügerei“ durch die „Kraft Gottes und seines Wortes“ ermahnten, ihnen Antwort zu geben. Sie kam in Form von Pfiffen und Würfen mit Reifen, Holz und anderen Dingen, wobei einige „empfindlich“ getroffen wurden. Wieder ermahnten die Priester „das Gespenst des Teufels“ „mit dem Wort Gottes“ und teilten ihm mit, dass es „keine bleibende Stätte hier haben würde, denn Gott der Herr habe ihm alle seine Gewalt genommen und ihm seinen Kopf zerknitscht und zertreten“. So erfolgten noch viele Ermahnungen, die es jedoch alle „mit seinem Pfeifen spöttlich verwarf “. Als man es schließlich „durch das Wort Gottes“ fragte, Der Teufel von Schiltach 27 warum es da sei und wer es sei, konnte man aus seinem Pfeifen verstehen, dass es „der Teufel sei und ihm keiner helfen könne“. Da griff einer der anwesenden „Laien“ ein und fragte ihn nach seiner Art zu pfeifen, und ob er auch wie eine Drossel, eine Meise, ein Distelfink, ein Rabe und eine Krähe pfeifen könne. „Und wie jeder Vogel seinen natürlichen Gesang hat, so hat er denselben auch der Art nach gesungen und gepfiffen.“ Besonders eindrucksvoll muss sein „Rabengeschrei“ gewesen sein: „So ein gräuliches teuflisches Geschrei, wie es auf Erden noch nie gehört wurde.“ Danach sollte er „mit dem Wort Gottes mündlich reden“. Man sprach ihm das Glaubensbekenntnis vor, worauf er „mit menschlicher Zunge wie ein Weibsbild“ antwortete, nämlich: „Lass mich mit Liebe“, und dies dreimal und „je länger je gräulicher“. - Die nächste Probe war, „ob er sagen könne, was für Personen in der Kammer liegen“. Da hob er an und gab jedem seinen Namen und Taufnamen, egal ob Frau oder Mann, Geistlicher oder Laie; er wusste, „wer ein jeglicher sei“, kannte seinen Stand und woher er war, und dies nicht nur von den Anwesenden, sondern auch von ihren Verwandten und Zugehörigen. - „Ob er auch böser Weiber, die man nennet Unhulden, Wissen trage und wer dieselbigen seien?“ Auch darauf gab er Antworten, und zwar „ein Mal ja, das andere Mal nein“, so dass er „auf seinen Worten nicht geblieben ist“. Schließlich befragt, weshalb er hierher gekommen sei, kam die Antwort, „er wolle das Haus verbrennen und die ganze Stadt in der selbigen Nacht und alle Menschen, die darin liegen oder seien“. Damit war die Fragerunde beendet, und die Geistlichen zogen das Fazit, dass man ihm, dem Teufel, auf seine Worte und seine „teufelhaftige Arglistigkeit“ keinen Glauben geben dürfe, zumal das Wort Gottes klar besage, dass er lügenhaft sei. So ermahnten sie „das Volk“, sich tapfer an den christlichen Glauben zu halten und über die Liebe Gottes nachzudenken. Der wolle alle Menschen vor 28 Der Teufel von Schiltach allem Übel bewahren, und deshalb könnten sie „mit guter Ruh im Namen Gottes, des Herrn“ einschlafen. Tags darauf (Samstag, 29. März) hob sein Pfeifen jedoch wieder an, und man konnte verstehen, dass er mit ihnen zu Morgen essen wollte. Außerdem wollte er „bei einem liegen“, den er dann „zerdrücken“ wollte, womit auch eine homoerotische Komponente ins Spiel kommt. Es geschah noch „dergleichen viel Wunderlichs“, doch nach zehn Uhr hörte man dann nichts mehr von ihm, „weder durch Pfeifen oder anders, wie zuvor das Gespenst sich geübt“ (Dok. 1), wie wenn es nun selber ruhebedürftig gewesen wäre. Diese Geschichte vom Teufelsspuk und der Jagd nach ihm ist für ihren Verfasser - wohl der damals noch katholische Stadtpfarrer Johannes Schwarz - „eine erschreckende wahrhaftige Historie“. Seine Antwort (und Gegenmacht) findet er im Wort Gottes, im geistlichen Rat und Zuspruch, wiewohl er schließlich einräumen muss, dass „der listige Teufel“ sich wenig darum scherte und es ihm sogar gelang, „mit falschen Worten, Pfeifen, allerlei Gesang“ die „frommen Leute“ zu Schiltach zu betrügen und „zuletzt die Stadt gar zu verderben“. Der misslungene Exorzismus Wieso der von dem „Pfarrherrn besagten Städtleins“ und dem von Schenkenzell angewandte Exorzismus wirkungslos blieb, beantwortet die zweite Flugschrift (Dok. 2). Die feierliche Beschwörung des Teufels mit einem im Namen Gottes an ihn gerichteten Befehl, die Menschen in Ruhe zu lassen, übernahm ersterer. Zuerst wurde er nur „angewispelt“, als er aber die „Kraft des allmächtigen Gottes“ beschwor, ertönte ein überlautes „Mordio, Mordio“ und er wurde als „schandloser Pfaff“ beschimpft. Von der auf einmal sprechenden Erscheinung kam dann aber doch das Der Teufel von Schiltach 29 Geständnis „ich bin kein Geist, ich bin der leibhaftig Teufel“, und auf die Frage, was er da tue, die Antwort „ich bin da und will dem Schultheißen sein Haus verbrennen“. Denn dieser hätte ihm seine „Hure“, nämlich „die Magd im Haus“, vorenthalten. Danach sprach der Teufel sogar das Vaterunser, das Ave Maria und den „Glauben“ „tapfer nach“, mit Ausnahme der Stellen, die ihm nicht gefielen: „Da hat er gepfiffen.“ Insgesamt gewannen die Geistlichen jedoch keine Gewalt über ihn, im Gegenteil, der Teufel konfrontierte sie mit ihrem eigenen liederlichen Lebenswandel, wie auch Erasmus mitteilt: „Er achte ihre Drohungen für nichts, denn der eine von ihnen sei ein Hurer und jeder von ihnen ein Dieb“ (Dok. 4). Erstere Beschuldigung galt dem Pfarrer von Schenkenzell (Dok. 2). Ihn bezeichnete er nicht nur als „Schalk“, sondern hielt ihm auch die „sieben Huren“ vor, die er um sein Haus hätte, und dies mit Namen der „Weibspersonen“ und „wo sie dienen“. - Die hier geübte Kritik an der Verweltlichung des damaligen Klerus könnte kaum drastischer sein! Der Teufel und die sechs „Gesellen“ Während die erste Flugschrift die im Wirtshaus wirkende Erscheinung „das Gespenst des Teufels“ nennt (Dok. 1) und die zweite vom „Teufel leibhaftig“ spricht (Dok. 2), gebraucht Erasmus den Begriff „Dämon“ (Dok. 4). Der Zimmerische Chronist formuliert wahlweise „Incubus“, „Gespenst“ und „unreiner, böser Incubus“ (Dok. 8), doch bestätigen alle, dass dieser Geist kräftig rumorte und allerlei „Wunderwerk mit seinem ungeheuren Wesen“ trieb; er pfiff und „machte den Leuten zu Tanz. Dergleichen Affenspiel trieb er viel“ (Dok. 8). In dieser Situation holte der Wirt, nachdem er zuerst nach einem Einbrecher gesucht hatte (Dok. 4), auch „etliche weltliche Männer“ zu 30 Der Teufel von Schiltach Hilfe (Dok. 1). Deren Rolle malt die zweite Flugschrift gleichfalls kräftig aus,22 wonach es sechs „redliche Gesellen“ waren, die „solchen Geist oder Teufel beschwören und reden machen“ sollten. Der couragierteste unter ihnen war ein Müller, der ihn unter anderem fragte, ob er „wie eine Nachtigall“ singen könne. Das ließ selbiger sich nicht zweimal sagen und fing an „allerlei Gesänge“ zu singen, „was sie begehret haben“. „Seltsame Lieder“ seien es gewesen, die die Beteiligten aber doch kannten: Das erste Lied hatte den Titel „Es ist das allerböseste Weib“, das andere hieß: „Dass der Winter nicht stet will sein, das klagen die Maidlin sehre“ (Dok. 2). Letzteres, ein derbes Liebeslied, ist seinerseits als Einblattdruck aus der Zeit um 1530 überliefert,23 und die Erwähnung in der Flugschrift spricht für seine weite Verbreitung. So verging ein ganzer Tag, an dem der Teufel „mit ihnen Sprach gehalten“. Des Nachts sei er dann zu den Gesellen (und den Pfarrern) in die Schlafkammer gekommen, wobei er es vor allem auf den Müller abgesehen hatte: „Ich will bei dir liegen und dich diese Nacht erdrücken und ersticken.“ Es muss hoch her gegangen sein in jener Nacht, wo religiöse Beschwörungen - „so komm her in Gottes und unser lieben Frauen Namen“ - sich mit Beschimpfungen wie „lieg am Galgen“ und „ich schiss dir aufs Maul“ abwechselten. Es flogen Gegenstände, einer der „Pfaffen“ wurde „auf die Nasen getroffen“, und es war allen klar, „dass der Teufel solches getan hat“, wiewohl, wie sie meinten, der doch „weder Blut noch Fleisch“ habe. Schließlich verzog dieser sich „wispelnd“ auf ein hohes Haus „und allda die ganze Nacht gepfiffen und Trommel geschlagen bis an hellen lichten Tag“. Dies sei den ganzen folgenden Tag so weitergegangen, „dass alle Menschen im Städtlein gehört, aber ihn nicht gesehen“. 22 Das Flugblatt (Dok. 3) berichtet, das „Trummen und Pfeifen“ im Schiltacher Wirtshaus hätte „Abenteurer“ angezogen, die den Teufel beschwören wollten. Der aber zeigte ihnen seine Macht, indem er ihnen über den Kopf zusagte, „was sie getan und gestohlen haben“, damit seien sie sogar „böser dann er“. 23 Vgl. Rolf Wilhelm Brednich: Die Liedpublizistik im Flugblatt des 15. bis 17 Jahrhunderts, Bd. 2, Baden-Baden 1975, S. 90, Nr. 407. Der Teufel von Schiltach 31 Einer der Gesellen fragte den Teufel auch „der Lutherei halben“, womit die aufziehende Reformation ins Spiel kam. Diese hatte sich bis 1533 im Umkreis von Schiltach schon stark verbreitet: 1528 vertrieb man aus Rottweil über 300 Evangelische, Straßburg war bereits seit 1523 reformiert, im fürstenbergischen Kinzigtal förderte sie der Graf Wilhelm. Im Herzogtum Württemberg, das seit 1519 unter der Herrschaft Österreichs stand, wurde sie dagegen bekämpft, so dass man hier noch „gut katholisch“ war. - So steht die Frage nach „der Lutherei halben“ ganz im Kontext der damaligen, die Menschen verunsichernden kirchlichen Entwicklung, wobei jener „gute Gesell“, der sie gestellt hatte, eine gehörige Abfuhr erhielt: Ihm sagte der Teufel auf den Kopf zu, dass er in der ersten Fastenwoche in Basel verbotenerweise Fleisch gegessen hatte, er also selber ein „Lutherischer Schelm“ war, was dieser dann auch „frei“ bekannte.24 So trieb er „solche und viele seltsame Reden und Handlung ..., die ganz unglaublich wären, wo solches nicht so glaubhaftige Leute gehört“, wie die Flugschrift nochmals eigens betont. - Auch hier kündigte der Teufel an, dem Schultheiß sein Haus verbrennen zu wollen, zumal er ihm „das vorig Haus auch verbrennt“ habe. Dies schließt an die undeutliche Überlieferung eines um 1511 geschehenen Stadtbrands an.25 Für einen solchen spricht auch das 1517 neu angelegte Lagerbuch, das im Vergleich zu dem von 1491 fast vollständig neue Eigentümer benennt,26 wie wenn damals ein weitgehender Bevölkerungsaustausch stattgefunden hätte. Insgesamt weist der „Teufel“ sich in allen diesen Schilderungen als allwissend, drohend und übermächtig aus, was die von ihm veranstaltete dumpfe Musik unterstreicht. Doch zeigt er auch gesellige Züge: Er lässt sich auf die Leute ein und von ihnen befragen; es 24 Mit ostentativem Fleischessen stellten die Reformatoren die kirchliche Vorschrift des Fastens in Frage. 25 Vgl. Hermann Fautz: Die Schiltacher Stadtbrände, in: Die Ortenau 41 (1961), S. 13-43, hier S. 14f. 26 Vgl. Meckes, Entwicklung (wie Anm. 16), S. 252, 277-279. 32 Der Teufel von Schiltach macht ihm Vergnügen, Vogelstimmen zu imitieren; er nennt die im Wirtshaus Versammelten mit Namen und äußert sich, wenn auch unklar, zu den „Unholden“ (Hexen). Dass er das Beten mit schriller (verstellter?) Stimme verweigert, gehört wiederum zu seiner „Teufelhaftigkeit“, wie auch seine Ankündigung, das Wirtshaus und die ganze Stadt verbrennen zu wollen (Dok. 1). In Dok. 2 werden diese kommunikativen Eigenschaften nochmals kräftig ausgemalt, bis hin zum Absingen obszöner Lieder und deftiger Pfarrerbeschimpfung, so dass dem „Teufel“ hier eher schalkhafte, närrische Züge zugesprochen werden und er hier kaum mehr als die Verkörperung des Widergöttlichen erscheint. Die Magd Inzwischen hatte der Wirt die Schuldige an dem ganzen Spuk ausgemacht, nämlich seine aus Oberndorf am Neckar stammende Magd (bzw. Köchin), die ihre Stelle erst kurz zuvor angetreten hatte. „Dass die Sachen mit seiner Köchin und diesem Gespenst nicht recht zugingen“ (Dok. 8), schien schon deshalb klar, da selbiges offenbar kurz nach ihr ins Wirtshaus eingezogen war. Auch meinte man von ihm deutlich vernommen zu haben, dass es „bei ihr liegen wolle“ und sie seine „Hure“ sei (Dok. 2); „die Maid sei sein“ und der Wirt „solle sie ihm nicht aufhalten“ (Dok. 3). - „Auf solche Handlung“ hat der Wirt sie dann „aus dem Haus abgefertigt und hinweg geschickt“, und tatsächlich sei, „sobald sie aus dem Haus kam“, auch „der Teufel ... davon gefahren“ (Dok. 2). Die Magd, deren Namen nicht mehr bekannt ist, ging am 29. März zurück nach Oberndorf (Dok. 8). Es wurde jedoch weiter über sie geredet und man argwöhnte, „als ob sie ein Unhuld sei“ (Dok. 1). Spätere Nachforschungen ergaben, dass sie in Oberndorf bei ihrer Mutter in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen war. Zwischen Der Teufel von Schiltach 33 1512-1527, als Wilhelm Werner von Zimmern Stadtherr in Oberndorf war,27 kamen Mutter und Tochter „des Hexenwerks halb“ in Verdacht. Der von Zimmern ließ gegen sie ermitteln, worauf sie aus der Stadt flohen. Als 1527 dessen Bruder Gottfried Werner die Herrschaft übernahm,28 kam „die jung Tochter“ zurück. Sie wurde aber nicht mehr behelligt, da Gottfried Werner kein Hexenjäger war und eher „Abscheu vor solchen Händeln“ empfand. Da sie weiter nicht mehr auffiel, „da war auch das alte Geschrei und der Verdacht ... vergessen und veraltet“ (Dok. 8). In ihrer neuen Stellung in Schiltach tauchte ihr Ruf „des Hexenwerks halb“ dann wieder auf, da man für die „Gugelfuhr“ im Wirtshaus keine andere Erklärung fand. So kam es zu ihrer Entlassung, wiewohl der Wirt weder die Obrigkeiten einschaltete, noch diese ihrerseits Anlass für Nachforschungen sahen. Zwar findet sich auch die Andeutung, dass „der Sohn des Wirts“ (Dok. 4) oder sogar der Wirt selber (Dok. 7) eine Affäre mit ihr hatten, doch war das Gerücht nicht mehr aus der Welt zu schaffen, dass sie seit „vielen Jahren“ einen „unreinen, bösen incubum an ihr gehabt“,29 der ihr nach Schiltach gefolgt sei (Dok. 8). Und so bedauert der Zimmerische Chronist noch im Nachhinein, dass sein Onkel Gottfried Werner schon damals die Sache nicht verfolgt hatte, und zwar „bei Zeiten und ehe der Schaden geschah“ (Dok. 8). Gründonnerstag, 10. April 1533 Am Gründonnerstag fing, nach elftägiger Pause, die „Gugelfuhr“ in Schörnlins Wirtschaft erneut an, als nach dem morgendlichen Gottesdienst „viel redliche Leute“ dort eine Wegzehrung zu sich 27 Geschichte der Stadt Oberndorf a. N., Bd. 1, Oberndorf a. N. 1982, S. 220-222. 28 Ebd., S. 222-223. 29 Erasmus berichtet von einem Verhältnis „seit vierzehn Jahren“ (Dok. 4); das Flugblatt von achtzehn Jahren, die sie „mit dem Teufel zugehalten“ hätte (Dok. 3); nach Thoman „hätte der Teufel 17 oder 18 Jahre mit ihr zu schaffen gehabt“ (Dok. 7). 34 Der Teufel von Schiltach nahmen (Dok. 2). Der „Geist“ trieb „sein alte Weis mit Pfeifen und anderem“ und tat auch kund, dass, weil man ihm „sein Buhlschaft allda vertrieben“, er „das Städtlein verbrennen“ wolle (Dok. 8). Diese Ankündigungen und Warnungen - „ehe eine Stunde vergehe, muss es alles auf den Boden verbrannt sein“ - nahmen der Wirt und seine Gäste aber nicht mehr ernst: „Das haben sie verachtet und ein Gerede lassen sein“ (Dok. 2). Gleichzeitig soll die Magd jedoch unter dem Vorwand, etwas vergessen zu haben, ins Wirtshaus zurückgekehrt sein, wo man „ihr sonders nicht geachtet (hat)“. Auf einmal aber sei das Haus „angegangen und voll Feuers gewesen“, „das hat sobald nicht mögen gelöscht werden“. Es sind dann die anderen Häuser „darunter und darob auch angegangen“, und der Wind habe das Feuer „über die Gassen hinüber getrieben“, so dass „in Summa das ganz Städtlein verbrannt ist“, bis auf ein Haus (Dok. 8) bzw. drei „kleine Häuslein“ (Dok. 3). So waren, und zwar „ehe ein Stund vergangen“, siebzehn Häuser „auf dem Boden gelegen und in den Grund verbrannt und ist wenig herausgebracht worden“ (Dok. 2).30 Es blieb nicht so viel Holz übrig, um „einem Kind einen Brei machen“ zu können“ (Dok. 6). - Offensichtlich bestanden die Häuser aus Holz, mit Wänden, die mit Flechtwerk und Lehm ausgeriegelt waren, und Dächern aus Brettern oder Schindeln. Es gab weder massive Sockelgeschosse, noch gemauerte Wände oder Ziegeldächer, die als Brandschutzmaßnahme erst beim Wiederaufbau nach dem Brand von 1590 vorgeschrieben wurden.31 Der Feuerschein des brennenden Städtchens war von weitem zu sehen gewesen, so von Alpirsbach, wo Wilhelm Werner von Zimmern, der Onkel des Zimmerischen Chronisten, sich damals 30 Laut Lagerbuch von 1491 bestand die Schiltacher Kernstadt aus 17 Bürgerhäusern, 1517 waren es 18; vgl. Meckes, Entwicklung (wie Anm. 16), S. 251f. 31 Ebd., S. 265-267. Der Teufel von Schiltach 35 aufhielt. Er sah „die Brunst“ ganz deutlich und auch, dass sie zur Hälfte die Gestalt „des Gespensts gehabt“, sich des Effekts nicht bewusst, dass das menschliche Gehirn in Rauch und Wolken sehr leicht Gesichter und Gestalten erkennt. So sei man „dessen lange Zeit in Sorgen gestanden“. Kurz danach kam der damals vierzehnjährige Chronist selber durch das abgebrannte Schiltach: „Es ist ein erbärmlicher, erschreckender Anblick gewest“ (Dok. 8). Die Gerüchte Nachdem zuerst „kein Mensch hat wissen können, wodurch und woher es geschehen ist“ (Dok. 1), sind „auf den geschehenen Nachteil und verderblichen Schaden der Welt erst die Augen aufgegangen“ (Dok. 8). Trotz „aller Brunst und Jammer“ erinnerte man sich an die Magd, die einige Leute am Morgen des Brands in Schiltach gesehen haben wollten, danach aber verschwunden war. Erkundigungen in Oberndorf ergaben, dass sie dort in der Kirche gewesen und „mit andern Leuten zu dem Sakrament“ gegangen war. Zur gleichen Stunde soll sie jedoch auch in Schiltach gewesen sein, „gleichwohl beide Städtchen auf drei großer Stund Wegs von einander sein gelegen“ (Dok. 8). Diesen Widerspruch konnte man sich nur so erklären, dass die Frau die Strecke im Hexenflug, auf einer Ofengabel, zurückgelegt hatte und „in einer halben Stund ... gen Schiltach in das Wirtshaus auf ... gefahren“ war (Dok. 3). Dies führte zu einem großen „Geschrei“, und man tat dies „denen von Oberndorf kund“ (Dok. 8). Dort kam man nicht darum herum, die Frau, die jetzt „des Teufels liebste Buhlschaft“ genannt wird (Dok. 2), zu verhaften, was bereits am 11. April (Karfreitag) geschah (Dok. 3). Die im Oberndorfer Rathaus eingesperrte und wohl in Eisen gelegte Frau wurde vom Stadtgericht einem Beweisverfahren unterworfen. Da sie alle Vorwürfe bestritt 36 Der Teufel von Schiltach wurde, wurde sie „peinlich gefragt“ (Dok. 8) - üblich war das „Aufziehen“ mit auf dem Rücken gefesselten Händen - , da bei Hexerei nach damaliger Anschauung die Folter das einzige Instrument war, um den Dämon zu überwinden. Als Folterer betätigte sich der Scharfrichter, der auch ein Geständnis erreichte: „Die von Oberndorf ... haben die selbe Magd ... geurgichtet“ (Dok. 2), d. h. zu einem Schuldeingeständnis gebracht. Diese „Urgicht“ wurde schriftlich niedergelegt und in der folgenden Verhandlung öffentlich verlesen.32 Das Geständnis Es kamen 36 Artikel zusammen, „die sie in ihrer Urgicht bekannt hat, fast schändlich, schrecklich und schädliche Ding“ (Dok. 3), „böse Stücke, die sie getan hat“ (Dok. 7). Das Dokument selber ist nicht erhalten,33 doch lassen sich einige seiner Inhalte erschließen: 1. An der Spitze stand das Eingeständnis, dass „sie die gewesen, die das fragliche Haus verbrannt hat und die ganze Stadt“ (Dok. 1). 2. Indem sie „sich ihres Gottes, Maria, der Mutter Gottes, und der Welt verleugnete“ (Dok. 1), gestand sie ihre absolute Unreligiosität. 3. Dies zeigte sich gerade an jenem Gründonnerstag, als sie in Oberndorf die Sakramente empfing, aber „nichts darauf gehalten“ (Dok. 1). 4. Gleich danach sei sie „auf eine Ofengabel gesessen“ und „gen Schiltach geritten“ (Dok. 1). 5. Dort habe der Teufel auf dem Haus auf sie gewartet, und als sie gekommen sei, habe er ihr einen Hafen mit Inhalt gegeben und zu ihr gesagt: „Sie solle es auf das Heu aus 32 Vgl. Carl Georg Bonnekamp: Die Zimmerische Chronik als Quelle zur Geschichte des Strafrechts, der Strafgerichtsbarkeit und des Strafverfahrens in Schwaben im Ausgang des Mittelalters, Breslau-Neukirch 1940, S. 6-18; S. 33. 33 Mitteilung von Herrn KussmannHochhalter, Stadtarchiv Oberndorf a. N.. Der Teufel von Schiltach 37 schütten, dann werde das Haus verbrennen und die ganze Stadt“ (Dok. 1). 6. Danach sei sie „wiederum auf der Ofengabel hinweg geritten“ (Dok. 1). 7. Zuvor schon habe sie „Vieh und Leute verderbt und Schaden zugefügt“ (Dok. 3), sogar „etliche Menschen getötet und etliche lahm gemacht“ sowie „Ungewitter und Hagel“ verursacht (Dok. 7). 8. Es sei bereits „achtzehn Jahr“ gegangen, dass sie „mit dem Teufel zugehalten“, und „ihre eigene Mutter hat sie es selbst gelehrt“ (Dok. 3). 9. Sie erkärte auch, weshalb „drei kleine Häuslein“ vom Brand verschont geblieben waren: Zwei von ihnen gehörten „armen Gesellen“, das dritte war das städtische Armenhaus, und darüber habe der Teufel „keine Gewalt gehabt“ (Dok. 3). In diesem „Geständnis“ ist alles versammelt, was seit dem 15. Jahrhundert nach Meinung der „Dämonologen“ das Delikt der Hexerei ausmachte: Der Teufelspakt, die Teufelsbuhlschaft, der Hexenflug sowie der „Schadenzauber“, das Verursachen von Schäden und Katastrophen. Auch findet sich die Vorstellung, dass der Teufel der Hexe dazu einen Hafen übergab, den sie umschütten sollte, um so den Schaden herbeizuführen, in anderen Urgichten dieser Zeit.34 Ähnlich wie die Flugschriften, berichtet auch die Zimmerische Chronik, dass die Magd, „peinlich gefragt“, „alle Sachen bekannt (hat), wie es ergangen“: Als sie „zu Schiltach zu ihrem incubo kommen“, habe der ihr auf der Bühne von Schörnlins Haus einen „Hafen voller Wusts“ (Unrat) gegeben und sie geheißen, ihn auszuleeren, mit der Bemerkung, wenn sie das täte, „werde das Haus und die Stadt gleich 34 Vgl. Marion Zeck: Reichstadt Rottweil, in: Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Aufsatzband, hrsg. von Sönke Lorenz, Ostfildern 1994, S. 381-387, hier S. 386. 38 Der Teufel von Schiltach „Der Teufel von Schiltach 1533“. Zeichnung von Eduard Trautwein (1930). Museum am Markt Schiltach. darauf an- und in Grund abbrennen“. Sie habe dies nicht gleich tun wollen, „sondern sich dessen gewidert“. Da habe er ihr „so gute Wort geben, aber auch Drohungen ausgestoßen, dass sie es zuletzt gewagt und den Hafen umgestoßen habe. „Da sei es gleich eitel Feuer um sie worden.“ Weiter wisse sie nichts, denn gleich darauf habe sie einen alten Besen erwischt, „darauf sie gesessen, davon gefahren“ und so sei sie unerkannt nach Oberndorf zurückgekommen (Dok. 8). Die zweite Flugschrift malt die Szene zu einem richtigen „Hexensabbat“ aus und berichtet von einem Gelage auf der Heubühne „zu oberst“ im Haus des Schultheißen, bei dem noch zwei weitere „Buhlerinnen“ mit dem Teufel „gezecht“ hätten. Der habe ihnen dann einen „Topf“ gegeben, den sie auf dem Hausdach umstürzen, danach aber nicht „lang säumen“ sollten. Als erster fuhr der Teufel „aufs Haus“, pfiff und schlug die Trommel. „Da haben seine Buhlschaften den Topf umgestürzt“ und sind auch „davon Der Teufel von Schiltach 39 gefahren“, wobei die Oberndorfer Magd sich am „Schloss am Berg“ umdrehen sollte, um zu sehen „wie es gehen wird“: Dass nämlich „das Feuer oben und unten und von einem Haus in das andere gefahren“. „Und ist also das ganz Städtlein verbrannt worden“, wobei man nach zwei Stunden „weder Feuer noch Rauch mehr gesehen“, wie das bei Bränden sonst der Fall ist. Nach erfolgter Tat sei sie dann, wie wenn nichts gewesen wäre, in Oberndorf „in die Vesper“ gegangen, und dies alles habe sie „frei bekannt“ (Dok. 2). Die Hinrichtung War nach diesem „Geständnis“ die Schuldfrage geklärt, so musste nun ein Urteil gefunden werden. Dazu traf sich, unter Führung des Schultheißen und in schwarzer Kleidung, das zwölfköpfige Oberndorfer Stadtgericht und ging erst einmal zur Frühmesse. Danach versammelte man sich vor dem Rathaus in einem mit Schranken umgebenen Kreis, wohin der Stadtknecht die Angeklagte brachte. Der vom Stadtherrn bestellte Ankläger trug die Klage vor und begehrte ein Freiherr Gottfried Werner von Zimmern. Stifterbildnis vom Wildensteiner Altar des Meisters von Meßkirch, 1536. Staatsgalerie Stuttgart. - Aufnahme: StA Oberndorf a. N. 40 Der Teufel von Schiltach Urteil. Danach verlas der Gerichtsschreiber die Urgicht; falls die Angeklagte einen „Fürsprecher“ hatte, konnte dieser um Aufschub bitten, sie selber um ein mildes Urteil. Dann gingen die Richter zur Urteilsfindung ins Rathaus. Nach ihrer Rückkehr wurden sie nach ihrem Spruch gefragt, worauf der Schultheiß das Urteil verkündete, das, wie es das damalige Recht für Hexerei forderte, auf Tod durch Verbrennen lautete. Als letzte Handlung zerbrach er über der Verurteilten den Stab.35 Oberndorf a. N. auf der Rottweiler Pürschgerichtskarte von 1564. Aufnahme: StA Oberndorf a. N. Stadtherr von Oberndorf und Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit war noch immer der Freiherr Gottfried Werner von Zimmern, der eigentlich vor der gerichtlichen Verfolgung von Hexerei „Abscheu empfand“. Doch auch er konnte jetzt nicht anders, als - „nach langer Erkundigung deren Sachen“ - das Urteil zu bestätigen: Er „hat sie ... 35 Geschichte der Stadt Oberndorf (wie Anm. 27), S. 319, hier dargestellt nach Quellen des 17. Jahrhunderts. Der Teufel von Schiltach 41 lassen verbrennen“ (Dok. 8); „sie ist auf solch Bekenntnis verbrannt und darauf gestorben“ (Dok. 2). Dies geschah am 21. April 1533 in Oberndorf (Dok. 3), nur elf Tage nach den Schiltacher Ereignissen. Der Feuertod galt als „spiegelnde“ Vergeltungsstrafe sowohl für Brandstifter wie für Hexen, um sie so völlig vom Erdboden zu vertilgen.36 - In Oberndorf aber, wo „die Frau verbrennt worden“, ging die Angst um, dass „der bös Geist“ auch ihre Stadt anzünden würde. Auf dieses „Erschrecken“ reagierten die Oberndorfer mit gesteigerter Frömmigkeit: Um Schaden von sich abzuwenden, machten sie eine Prozession um die Stadt und baten „den allmächtigen Gott um Gnad“. Und auch der Chronist hoffte, „der Allmächtige habe sie gnädiglich erhört und dem bösen Geist seinen Mutwillen nicht gestatten wollen, sondern davor behütet worden (sind)“ (Dok. 8). Hexerei und die Verbindung mit dem Teufel („Teufelsbuhlschaft“) wurden erst seit dem 15. Jahrhundert als Ketzerei behandelt. 1484 hatte Papst Innozenz VIII. mit einer Hexenbulle den Befehl zur Verfolgung zauberischer Personen gegeben, für die die Dominikaner Heinrich Kramer und Jacob Sprenger 1487 mit dem „Hexenhammer“ eine theologische Begründung lieferten. Nun verfolgten vor allem die weltlichen Obrigkeiten das Hexereidelikt, und die Aufdeckung von Hexerei wurde zur regelrechten Epidemie, vor der weder Alter, Geschlecht, Stand noch Konfession schützten. Alte, vorchristliche Dämonenfurcht verband sich mit gelehrten theologischen Konstrukten über den „Teufelspakt“ zu einem unheilvollen Bündnis, das eine wahre Hexenseuche zu Folge hatte. Ihr fielen Zehntausende zum Opfer - die seriöse Forschung geht von europaweit etwa 50.000 Hinrichtungen aus, davon etwa die Hälfte im Deutschen Reich37 - , so dass die Hexenprozesse als eine der schlimmsten von Menschenhand angerichteten Katastrophen der europäischen Geschichte gelten. 36 Bonnekamp, Zimmerische Chronik (wie Anm. 32), S. 29 37 Vgl. Wolfgang Behringer: Hexen. Glaube - Verfolgung - Vermarktung, 3. Aufl. München 2002, S. 65f., 75. 42 Der Teufel von Schiltach Die Verbrennung einer Hexe in Amsterdam 1571. Rechts feiern die Richter das Urteil, im Hintergrund werden Hab und Gut der Verurteilten beschlagnahmt. - Aus: Brian P. Levack: Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa, 2. Aufl. München 1999, S. 189. Innerhalb dieses Zeitalters der europäischen Hexenverfolgung, das von etwa 1430 bis 1780 dauerte, fällt der „Fall Schiltach“ von 1533 in eine eigentlich „prozessarme“ Zeit: Nach einer ersten Phase größerer Verfolgung zwischen 1480 und 1520, einer Krisenzeit mit Missernten und Teuerung, kam es zu einem gewissen Ende der Hexenjagd.38 Dass der Hexenglaube jedoch weiterhin tief im Denken verwurzelt war, beweisen unter anderen die Schiltacher Ereignisse: Aufgrund der Brandkatastrophe wurde der alte Schadenzauberglaube virulent, mit der Folge, dass man sofort daranging, die vermeintliche Verursacherin des Unglücks zu jagen. Dass dazu auch drei verschiedene Flugschriften produziert wurden, verweist nicht nur auf die besondere Sensation des Geschehens, sondern auch auf die Bereit38 Ebd., S. 45, wo Schiltach „bei Basel“ lokalisiert wird. Der Teufel von Schiltach 43 schaft einer größeren Öffentlichkeit, wenn auch mit Schaudern, das Gerücht vom Teufel und seiner Buhlin als den Schuldigen zu akzeptieren. So zeigt das lokale Schiltacher Unglück beispielhaft, dass die „Ausrottung des Bösen“ immer dann zum Thema wurde, wenn unerklärliche Schadensfälle passierten.39 Neue Gerüchte Einige Zeit, nachdem die „Hexe“ in Oberndorf hingerichtet worden war, gingen jedoch neue Gerüchte durch das Land. Als erster berichtet Nikolaus Thoman von der „Sag“, dass alles, was man ihr vorgeworfen hatte, „eine Fabel“ und „nicht wahr“ gewesen sei (Dok. 7). Über dieses „Geschrei“ weiß die Zimmerische Chronik Genaueres: Es habe geheißen, „der Geist, der das Städtlein verbrannte“, sei in Wahrheit eine „Mannsperson“ gewesen, „der habe sich durch die teuflische Kunst und Hilfe können unsichtbar machen“. Er sei in Ingolstadt in Bayern verhaftet und hingerichtet worden. Wie Thoman, so hält auch der Zimmerische Chronist diese Nachricht „für Gerede“, denn was „Schwarzkünstler- und andere Zauberbüchle lehrten“, sei falsch und würde nur „Unverständigen und Einfältigen“ einleuchten; die Sache sei so zugegangen, wie er sie schilderte, also durch den Teufel, denn es sei „ein eitles Ding“, dass ein Mensch sich unsichtbar machen könnte (Dok. 8). - So war auch er zutiefst vom Vorhandensein von Hexen überzeugt und konnte die Zurückhaltung seines Onkels Gottfried Werner bei ihrer Verfolgung nur tadeln. Für ihn stand die Obrigkeit in der Pflicht, jedem Verdacht nachzugehen, um jeweils Schlimmeres zu verhindern, wie gerade das Schiltacher Beispiel lehrte. 39 Ebd., S. 47, 73f. 44 Der Teufel von Schiltach Der „Teufel von Schiltach“ - ein Deutungsversuch Überblickt man die über die Schiltacher Ereignisse berichtenden Quellen, so wird deutlich, dass sie alle Ähnliches berichten: Kern ist die Herleitung der Katastrophe als Werk des leibhaftigen Teufels, mit der Magd als seiner Geliebten und Handlangerin. Auffällig ist auch das Bemühen, die Ereignisse nicht nur mit dem Gründonnerstag, sondern schon früher beginnen zu lassen: Beim Teufel durch sein Treiben Tage zuvor, bei der Magd durch den bis in ihre Jugend zurückgeführten Verdacht „der Hexerei halb“. So wird der Eindruck eines lang geplanten Komplotts erzeugt, dem man hilflos ausgeliefert war, da alle Versuche, sich zu wehren, an der überlegenen Macht des Bösen scheitern mussten. Mit ihr wurde der Wirt genausowenig fertig, wie die zu Hilfe gerufenen „Gesellen“, und auch die Pfarrer waren mit ihrem Latein buchstäblich am Ende. So wird das Bild eines letztlich vergeblichen Kampfes gegen den Teufel entworfen, der in die Katastrophe münden musste. Als diese geschehen war und man in Schiltach Ursachenforschung betrieb, wurde offenbar sofort auf die Magd gezeigt, obwohl diese schon fast zwei Wochen zuvor das Städtchen verlassen hatte. Auch fehlte es nicht an Zeugen, die sie am Morgen des Brands hier gesehen haben wollten, wiewohl es aus Oberndorf hieß, dass sie in der fraglichen Zeit dort den Gottesdienst besucht hatte. Dass hier eine Seite die Unwahrheit sagte und die Magd falsch beschuldigte, fiel nicht mehr ins Gewicht. Zu groß war das diesbezügliche „Geschrei“, vor allem in Schiltach, wo man nicht nur vor den Trümmern seiner Existenz stand, sondern auch nach dem Schuldigen suchte. Man schrie nach Rache und Vergeltung, und es war das oft beobachtete „Verfolgungsbegehren der Bevölkerung“, das auch hier sein Opfer verlangte. So kam die Oberndorfer Obrigkeit unter Druck, sie musste die Magd in Gewahrsam nehmen und baldmöglichst bestätigen - und sei Der Teufel von Schiltach 45 es durch Folter - , was die Leute bereits wussten: Ihre langjährige Buhlschaft mit dem Teufel, obwohl „sie doch jährlich gebeichtet und die Kommunion empfangen hatte“ (Dok. 4); ihre Verführbarkeit für die Brandstiftung; schließlich den Hexenritt von Oberndorf nach Schiltach, mit dem allein ihre zeitnahe Anwesenheit dort in der Kirche und hier im Wirtshaus erklärt werden konnte. So stimmte alles zusammen: Der frühere schlechte Ruf der Frau, der mit ihr ins Wirtshaus eingezogene Spuk, ihre durch Zeugen bestätigte Fähigkeit der Bilokation40 und zuletzt das Wirken des Teufels, dessen Macht das Städtchen Schiltach insgesamt zum Opfer fiel. Dazu kam ihr Geständnis, dessen Zwangscharakter nicht weiter störte, da es nur bestätigte, was man sowieso schon wusste. So war in der Person dieser Magd eine überzeugende Schuldige für die sonst offenbar unerklärliche Katastrophe gefunden, und das darüber anhebende „große Geschrei“ (Dok. 8) war nichts anderes als die rachsüchtige Wut und die auf Gerede und Verdächtigungen beruhende Schuldzuweisung der Schiltacher, die, vor dem Nichts stehend, sich als Opfer übernatürlicher Kräfte fühlten. Es stellt sich die Frage, ob es außer dieser religiös-dämonologischen Deutung nicht auch andere Erklärungen für die Katastrophe gibt. So sind in der modernen Spuk-Forschung, der Parapsychologie, einige der Phänomene, wie sie in den Flugschriften berichtet werden, durchaus bekannt: Der seltsame Lärm, die sich von selbst öffnenden Türen, das Umherfliegen von Gegenständen, die physische Belästigung. Dafür werden sogenannte Poltergeister verantwortlich gemacht, hinter denen sich jedoch konkrete, diese Phänomene auslösende Personen verbergen sollen. Ursachen seien erhöhte gefühlsmäßige Spannungen, etwa Frustration, Aggression oder verdrängte innere Konflikte: aufgestaute seelische Energie entlade sich und 40 gleichzeitige Anwesenheit an verschiedenen Orten 46 Der Teufel von Schiltach wirke dabei auch auf Materielles.41 - Im Schiltacher Spukfall würde man diesbezüglich, wie schon die Zeitgenossen, vor allem auf die Magd deuten, da der Spuk mit ihrem Einzug begann und mit ihrem Auszug auch wieder endete. Mit ihr als möglichem „Poltergeist“ verträgt sich jedoch weder die Trommel- und Pfeifenmusik, geschweige denn, dass man ihr das „gräuliche Rabengeschrei“ (Dok. 1) zutrauen möchte. Dies alles kam vom „Teufel“, der in allen Quellen als eigene, selbständig handelnde Person geschildert wird, so dass der von ihm ausgehende Spuk nur über ihn aufgeklärt werden kann, und zwar weniger durch Dämonologie oder Parapsychologie, als durch historische Quellenforschung. Sie bietet denn auch weitere Indizien: Erasmus berichtet vom „Sohn des Wirts“, der der neuen Magd nachstellte und damit „den Dämon verärgerte“; dass der deshalb „das Städtchen vernichtete und die Frau verriet“, sei zwar „nicht sicher“, doch wohl auch „von der Wahrheit nicht weit entfernt“ (Dok. 4). Nikolaus Thoman hat „die Sag“ festgehalten, der Wirt selber „hätte es mit ihr (der Magd) gehabt“ (Dok. 7). Im Flugblatt streitet der Teufel mit dem Wirt um „die Maid“, denn sie „sei sein, und er soll sie ihm nicht aufhalten“ (Dok. 3). In gleicher Weise bezichtigt er auch in der zweiten Flugschrift den Schultheiß, dass er „mir meine Hure vorenthält“; auf die Frage, „wer ist deine Hure, hat er gesagt: Die Magd im Haus“ (Dok. 2). So scheint der ganzen „Gugelfuhr“ ein Konflikt zwischen dem Wirt (oder dessen Sohn), der Magd und einer unbekannten, dritten Person („Teufel“) zu Grunde zu liegen. Dabei ist deutlich, dass der „Teufel“ tatsächlich mit der Magd zu tun hatte, da er in dem Augenblick zu rumoren begann, als sie ihre Stellung im Wirtshaus antrat. Für die Identifizierung dieses „Teufels“ gibt der Zimmerische 41 Vgl. dazu: Im Bund mit dem Teufel. Alte Hexengeschichten, Freiburg 1981, Nachwort von Hildegard Gerlach, S. 132. Der Teufel von Schiltach 47 Musizierender Narr. Spielkarte nach 1450. - Aus: Narren (wie Anm. 14), S. 498, Nr. 22. Chronist den entscheidenden Hinweis: Nach der Hinrichtung der Magd sei ein neuerliches „Geschrei“ über die Schiltacher Ereignisse ausgegangen, dass nämlich nicht ein „Geist“, sondern eine „Mannsperson“, die „die teuflische Kunst“ beherrschte und sich unsichtbar machen konnte, „das Städtle verbrannt“ habe (Dok. 8). - Könnte es also nicht so gewesen sein, dass die Magd einen Mann nach Schiltach mitgebracht und im Wirtshaus versteckt hatte? Etwa einen Vaganten? Auf einen solchen verweist nicht nur die für Spielleute und Gaukler typische „Teufelsmusik“, sondern deuten auch die schalkhaften Züge, die dem „Teufel“ zugesprochen werden. So würde sich die „Gugelfuhr“ im Schiltacher Wirtshaus mit der, nicht ganz zu verbergenden Anwesenheit eines solchen Vaganten und einigen seiner Kunst- und Musikstückchen erklären, mit denen er die Schiltacher im wahrsten Sinn des Worts „zum Narren hielt“ - der „Teufel“ wäre identifiziert! Als der Wirt den beiden auf die Schliche kam, verwies er die Magd des Hauses, die „Mannsperson“ aber hätte sich elf Tage später mit der Brandstiftung gerächt. Aus der ursprünglichen Posse war bitterer Ernst geworden. Habhaft wurde man dieser „Mannsperson“ erst später in Ingolstadt, von wo sich denn auch die Nachricht verbreitete, dass er Schiltach angezündet hatte. Sie kann, anders als der Zimmerische Chronist es tut, nicht einfach abgetan werden, auch wenn Näheres 48 Der Teufel von Schiltach nicht bekannt ist.42 Sofort greifbar war für die aufgebrachten Schiltacher jedoch nur die mit dem „Teufel“ verbundene Magd, die am Gründonnerstag freilich in Oberndorf in der Kirche saß. Da man dort keinen Grund hatte, dies nicht zu bezeugen, fällt sie als Brandstifterin, etwa aus Rache ihrerseits, aus.43 Trotzdem wurde sie für schuldig erklärt, sprachen doch die „Gugelfuhr“ im Wirtshaus und ihr danach wieder ins Gespräch gekommenes „Vorleben“ von „des Hexenwerk halb“ gegen sie. Angesichts der Brandkatastrophe fanden sich auch sofort Zeugen, die sie am nämlichen Morgen hier gesehen haben wollten und ihr einen „Hexenflug“ zutrauten, der das zeitliche Dilemma überbrücken half. So gab es kein Entrinnen, der Scheiterhaufen war für sie schon vor ihrem „Geständnis“ bereitet. Vom Weiterwirken des „Teufels von Schiltach“ Als Sprichwort Die durch die Schiltacher Ereignisse aufgewühlte öffentliche Meinung war noch Jahre später nicht zur Ruhe gekommen. Eine Redensart trug die Erinnerung an sie weiter, wie der Zimmerische Chronist berichtet: „Es ist eine große Sage von dieser erschreckenden Tat durch alle deutschen Lande entstanden und zu einem Sprichwort geraten, dass man von dem Teufel von Schiltach meldet, so man von einer schrecklichen Tat sagen will“ (Dok. 8). So blieb der „Teufel von Schiltach“ in aller Munde und musste fürderhin die Verantwortung für alles „Erschreckende“ übernehmen, für das man keine Erklärung fand. Anders als beispielsweise das „Hornberger Schießen“ ging diese Redensart im Lauf der Zeit jedoch wieder verloren und ist nicht weiter nachzuweisen.44 42 Nach Mitteilung des Stadtarchivs Ingolstadt sind dort keine diesbezüglichen Quellen überliefert. 43 Vgl. zu einer solchen Erklärung, den Brand der Stadt Tangermünde im Jahr 1617 betreffend, die Novelle „Grete Minde“ von Theodor Fontane. 44 Mitteilung von Herrn Prof. Dr. Lutz Röhrich, Universität Freiburg. Der Teufel von Schiltach 49 In Wunderzeichen- und Exempelbüchern Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts kam eine neue Art dickleibiger Bücher auf den Markt, die „Prodigien“ oder „Wunderzeichen“ zum Inhalt hatten und die auf den seit der Erfindung des Buchdrucks gestiegenen Informations- und Sensationshunger der Menschen antworteten. Ihre zumeist protestantischen Autoren erklärten die Unglücke, Katastrophen und Wirren der Zeit, und zwar vor allem religiös-moralisch: Sie verwiesen auf den Zorn Gottes, der täglich neue Zeichen geschehen ließe, um die Menschen zur Buße zu mahnen und an das nahe Weltende zu erinnern.45 Titel der „Wunderzeichen“ des Job Fincel (Ausgabe von 1566). - Einer der Begründer dieser Wunderzeichenliteratur war Job Fincel (1526/30-1589). Der sich latinisiert Jobus Fincelius nennende Professor an der Universität Jena sammelte eifrig Flugblätter und Flugschriften. Sie bildeten die Grundlagen für seine ihn berühmt machenden „Wunderzeichen“, die seit 1556 in drei Bänden erschienen. Fincel verfasste sie freilich weniger aus Lust an der Sensation, seine Motivation kam aus seiner ausgeprägten protestantischen Religiosität. Er war vom baldigen Kommen der Endzeit überzeugt, 45 Rudolf Schenda: Die deutschen Prodigiensammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens Bd. 4 (1963), Sp. 638-710, hier Sp. 638f. 50 Der Teufel von Schiltach zumal sich ständig der Teufel zeige, und zwar vielfältiger und schlimmer als je zuvor.46 So verwies er für fast jedes wundersame oder ungeheuerliche Geschehen auf die teuflische Anstiftung, und auch die „wahrhaftige Historia“, die er (mit falschem Jahr 1535) aus Schiltach meldet, ist ihm Beweis für „des Teufels Gewalt und Bosheit“. Eine Quelle für sie gibt er nicht an, vermutlich kannte er jedoch die zweite Flugschrift (Dok. 2).47 Zum Jahr 1545 berichtet er auch aus Rottweil (das er ins Elsass verlegt), dass der Teufel dort sein Unwesen in Tiergestalten, als Hase, Wiesel und Gans, getrieben habe (Dok. 9). Ein Jahr nach diesem Kompendium erschienen 1557 in Basel auf lateinisch und in deutscher Übersetzung die „Wunderwerck“ des Conrad Lycosthenes (um 1518-1561). Der Autor, der seinen Namen Die Schiltach-Stelle in den „Wunderwerck“ des Conrad Lycosthenes (1557). - Vorlage und Aufnahme: UB Freiburg. 46 Vgl. Heinz Schilling: Job Fincel und die Zeichen der Endzeit, in: Volkserzählung und Reformation. Ein Handbuch zur Tradierung und Funktion von Erzählstoffen und Erzählliteratur im Protestantismus, hrsg. von Wolfgang Brückner, Berlin 1974, S. 326-392, hier S. 333. 47 Darauf lässt u. a. die von ihm übernommene, sonst ungebräuchliche Form „Kuntzenthal“ schließen. Der Teufel von Schiltach 51 Wolffhart in Humanistenart gräzisiert hatte, war protestantischer Professor und Diakon in Basel, wo er sein Werk aus antiken Autoren, Chroniken und den umlaufenden „Neuen Zeitungen“ zusammenstellte. Mit seinen zahlreichen Holzschnitten gilt es als „das wunderbarste Bilderbuch ... des 16. Jahrhunderts“,48 in dem sich in buntem Durcheinander unzählige Himmelszeichen, Monstren und Unglücksfälle finden. Unter diesen erscheint auch, wohl auf der Grundlage von Fincel (Dok. 9), zu dem es Anklänge gibt, ein Bericht über die Schiltacher Ereignisse. Im Mittelpunkt stehen der „Teufel“ und „sein Spiel“, das er zusammen mit „einer Unholden oder Hexen“ trieb und mit dem er „das Städtlein Schiltach in Schwaben auf den Grund hinweg brennt“. Lange Zeit sei er „der Vettel Buhle“ gewesen und oft sei er trommelschlagend „auf der Gasse“ umhergezogen und habe mit den Leuten geredet, wiewohl ihn niemand gesehen habe. „Die Hex ward hernach zu Oberndorf auch verbrennt.“49 Während die „Wunderwerck“ auf Grund ihres hohen Preises keine große Verbreitung fanden, war Fincel erfolgreicher. Auch er bot dem Leser des 16. Jahrhunderts, was dieser brauchte, nämlich „sensationellen Kitzel und spannende Unterhaltung“.50 So blieb nicht aus, dass man ihn eifrig abschrieb, was man als erstem Kaspar Goltwurm (1524-1559) nachweisen kann. Kaspar Goltwurm. Holzschnitt 1551. Aus: Volkserzählung (wie Anm. 46), S. 124. 48 Schenda, Prodigiensammlungen (wie Anm. 45), Sp. 651. 49 Conrad Lycosthenes: Wunderwerck / Oder / Gottes unergründtliches vorbilden ... Auß Herrn Conrad Lycostenis Latinisch ... durch Johann Herold ... Verteütscht, Basel 1557, S. 486f. 50 Schenda, Prodigiensammlungen (wie Anm. 45), Sp. 653. 52 Der Teufel von Schiltach Die Schiltach-Stelle im „Wunderwerck- und Wunderzeichen Buch“ des Kaspar Goltwurm (1557). Dieser protestantische Kirchenmann und Reformator des Landes Nassau-Weilburg brachte sein „Wunderwerck- und Wunderzeichen Buch“ 1557 heraus. In ihm beschreibt er in vielen Erzählungen auch das Wirken des Teufels, dessen „Mutwillen und Tyrannei wir denn mit verderblichem Schaden sonderlich zu diesen unsern verkehrten und letzten Zeiten spüren und befinden“.51 Dafür, „dass der leidige Teufel auch an den unschuldigen Städten Ritter werden und sich mit Morden und Brennen rächen (will)“, waren die Schiltacher Ereignisse das Exempel, das er, wie viele Übereinstimmungen belegen, von Finkel (Dok. 9) übernahm, ohne dies freilich zu vermerken.52 Aus Finkel schöpfte auch Andreas Hondorff (um 1530-1572), protestantischer Pfarrer in verschiedenen Dörfern der Gegend um Naumburg, der 1568 ein großes Historien- und Exempelbuch, „Promptuarium Exemplorum“, erscheinen ließ. Es stellte für den Gebrauch in Predigten einen „Vorrat an Exempeln“ (so seine deutsche Bedeutung) bereit, darunter die Schiltacher Ereignisse, die er sogar an zwei Stellen mit Hinweis auf Fincel (Dok. 9) vermerkte.53 Auch für Hondorff ist der Teufel „ein mächtiger Tausendkünstler“, der, wenn der Mensch sich nicht an die Gebote Gottes hält, leichtes Spiel hat, um ihn zu allen Schandtaten zu verführen.54 Genau 51 Bernward Deneke: Kaspar Goltwurm. Ein lutherischer Kompilator zwischen Überlieferung und Glaube, in: Volkserzählung (wie Anm. 46), S. 125-177, hier S. 156. 52 Kaspar Goltwurm: Wunderwerck- und Wunderzeichen Buch, o. O. 1557, Bl. 292 v. - Digitalisiert unter www.obrasraras.usp.br/obras/000154. 53Andreas Hondorff: Promptuarium Exemplorum, Frankfurt am Main 1568, Bl. 65 r.; 77 r. 54 Heidemarie Schade: Andreas Hondorffs Promptuarium Exemplorum, in: Volkserzählung (wie Anm. 46), S. 647-703, hier S. 673. Der Teufel von Schiltach 53 diese Erkenntnis belegt der Autor mit dem Exempel der Stadt Schiltach, die „der Teufel durch eine Zauberin ... plötzlich angezündet und abgebrannt (hat). Mit solcher Zauberin hat der Teufel zugehalten“, wiewohl man ihn „hat nicht sehen können, aber mit vielen hat er geredet, ist auch oft mit einer Trommel in der Stadt umgegangen, dass ihn jedermann gehört, doch nicht gesehen.“55 Die Exempelsammlung Hondorffs erfreute sich großer Beliebtheit, wie ihre rund 40 Auflagen bis Ende des 17. Jahrhunderts zeigen. Eine weitere derartige Sammlung schuf 1576 Wolfgang Bütner (um 1524/25 - um 1587), protestantischer Pfarrer in Wolfferstedt bei Weimar. Unter den rund 5000 Geschichten finden sich auch wieder die Schiltacher Ereignisse. Gestützt auf Fincel (Dok. 9), malt der Autor sie seinen Vorstellungen entsprechend aus. So nennt er die Magd „eine Teufelshure“, mit der „der Teufel zu Bette gangen und auf seine teuflische Weise ... mit ihr gehandelt“. Dass man sie dann „zu Oberndorf gefangen und verbrennet“, konnte da nur gerecht sein (Dok. 10). Allen diesen, aus der protestantischen Welt stammenden Prodigien- und Exempel-Büchern ist gemeinsam, dass sie das reale Umgehen des Teufels auf Erden beweisen wollen. Für sie war der Leibhaftige persönlich tätig, wenn es zu Untaten, Katastrophen und Schadenzauber kam. Dies entsprach der Ansicht Luthers, dass der Teufel von allen Seiten auf das Leben der Menschen einwirke. Von da war es nur ein kleiner Schritt, an die Helfer und Werkzeuge des Bösen, die Schwarzkünstler, Zauberer und Hexen, zu glauben, so auch Luther: „Die Zauberer oder Hexen, das sind die bösen Teufelshuren, die da Milch stehlen, Wetter machen, auf Bock und Besen reiten, auf Mäntel fah55 Hondorff, Promptuarium (wie Anm. 53), Bl. 77 r. 54 Der Teufel von Schiltach ren, die Leute schießen, lähmen und verdorren...“56. Für die Exempelsammler aber war wegen der ursächlichen Verbindung von Brandkatastrophe, Teufel und Hexe gerade das Schiltacher Beispiel schlagend, schien es diesen Zusammenhang doch exemplarisch zu belegen. Da dies nicht nur weithin so erzählt, sondern auch gedruckt in alle Lande getragen worden war, bestand an der Realität des Berichteten kein Zweifel. So entstand eine „Volkssage“, die sich wiederum zum Exempel eignete, zum Schaudern bei der Lektüre, aber auch für moralische Belehrung von den Kanzeln. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn auch in dem seit 1534 protestantischen Schiltach die Hexenjagd weiterging. In den Hexentraktaten der Dämonologen Als gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine neue Welle von Hexenverfolgungen durch Europa ging, wurde, begünstigt durch den Buchdruck und sinkende Papierpreise, auch die Auseinandersetzung mit dem Hexenglauben fortgesetzt. In literarischer Form beschäftigte sich die „Historia von D. Johann Fausten“ von 1587 mit dem Teufelspakt, der somit zu einem Thema der Weltliteratur wurde. Auch die gelehrte Diskussion zur Hexenlehre erlebte einen neuen Höhepunkt. Kritikern wie dem Arzt Johann Weyer (15151588), der 1563 die Hexenverfolgung als „Blutbad der Unschuldigen“ anprangerte, antworteten die „Dämonologen“, die mit ihren „Hexentraktaten“ die Hexenlehre weiter ausformten. Zu deren führenden Köpfen zählte Nicolas Rémy (latinisiert: Nicolaus Remigius, 1554-1612), seit 1591 Generalstaatsanwalt im katholischen Herzogtum Lothringen. Ausgehend von der großen 56 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 10 I/1, Weimar 1910 (Nachdruck 1966), S. 591 (Kirchenpostille von 1522). - Vgl. Jörg Haustein: Martin Luthers Stellung zum Zauber- und Hexenwesen, Stuttgart-Berlin-Köln 1988, S. 171f., 181f. Der Teufel von Schiltach 55 Gefahr, „die von den Hexen rühre“, begründete er in seiner 1592 erschienenen „Daemonolatria“ („Über den Teufelskult“) die Notwendigkeit ihrer Verfolgung. Dabei rühmte er sich offen, innerhalb von 16 Jahren an der Verbrennung von 800 Hexen mitgewirkt zu haben, wobei noch einmal so viele geflohen oder vor der Verurteilung an den Torturen gestorben seien,57 so dass er als einer der großen europäischen Hexenjäger gilt. In seinem 1596 ins Deutsche übersetzten Werk verweist Rémy, als Beispiel dafür, wie „Teufel und die ihnen anhängenden Hexen Häuser und Gebäude in Brand setzen“, auf den Fall Schiltach, von dem er durch den Brief des Erasmus (Dok. 4) erfahren hatte. „Schiltach“, das er irrtümlich „im Schweizerland“ lokalisiert, ist für ihn „ein gleichmäßiges Exempel“ für das Wirken des „Satans“, denn: Was in jenem „Städtlein“ geschah, das kann auch „zu diesen unseren Zeiten“ passieren, da sich immer „Leute“ finden, „welche dasselbe ganz meisterlich können“, nämlich, als Hexe dem Teufel zu dienen (Dok. 11). So dienten die Schiltacher Ereignisse einem der geistigen Anstifter der Hexenverfolgung und furchtbarsten ihrer Täter als Beleg für die Richtigkeit seines Tuns! Von katholischer Seite erschienen 1599 auch die „Disquisitionum magicarum libri sex“ („Untersuchungen über die Zauberei in sechs Büchern“) des spanisch-niederländischen Jesuiten Martin Delrio (1551-1608). Er galt als international größter Experte für Aberglauben und magische Praktiken wie Wahrsagerei, Liebeszauber oder Heilung durch Zauberformeln. Sie setzen für ihn einen Pakt mit dem Teufel voraus, sind also von vorne herein dämonische, schwarze Magie und damit eine schwere Beleidigung Gottes. Dementsprechend fordert er ein hartes Vorgehen gegen die mit dem Teufel im Bund stehenden Hexen. Sein gut 1000 Seiten starkes Werk in lateinischer 57 Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten. Katalogband, hrsg. von Harald Siebenmorgen, Ostfildern 1994, Nr. 186, S. 98f. 56 Der Teufel von Schiltach Die erste Schiltach-Stelle bei Martin Delrio (1599). Sprache, das bis 1755 insgesamt 25 Auflagen erfuhr, wurde nicht nur zum bekanntesten und maßgeblichsten Traktat über Hexerei, sondern auch zur juristischen Anleitung für deren Verfolgung. In diesem „Bollwerk des Hexenwahns“58 weist sein Autor, der mit Exempeln sonst relativ sparsam umgeht, das Wirken der Hexen auch am Schiltacher Beispiel nach: „Sie können mit Feuer Häuser vernichten, wie es der ganzen Stadt Schiltach widerfuhr, die in Schwaben im Jahr 1533 durch eine gewisse Zauberin völlig verbrannt wurde“; als Quelle sind die „Wunderwerck“ des Lycosthenes vermerkt.59 - Im Abschnitt „Von der brandstifterischen Zauberei“ kommt Delrio nochmals darauf zu sprechen, dass Zauberer und Hexen „nicht nur die Seele, sondern auch Körper, Häuser und Städte in Brand setzen können“. Beispiel dafür ist wieder der „verderbliche Brand“, für den er dieses Mal neben Lycosthenes auch Erasmus als Kronzeugen anführt. Zum Beweis druckt Delrio Teile des ErasmusBriefs (Dok. 4) ab,60 freilich ohne dessen Vorbehalte; zudem verlegt er die Stadt Schiltach „in die Schweiz“. So wird klar, dass er Erasmus nur aus zweiter Hand zitiert, nämlich nach der (lateinischen) Fassung des Nicolaus Rémy,61 mit der sein Text weitgehend übereinstimmt und der auch sein Gewährsmann für andere seiner Exempel ist. 58 Hexen und Hexenverfolgung, Katalogband (wie Anm. 57), Nr. 188, S. 99f. 59 Martin Delrio: Disquisitionum magicarum libri sex, hier zitiert nach der Ausgabe Mainz 1617, S. 142: „Demoni...possunt igne domos absumere, ut contigit integro oppido Sciltochio, quod in Sueuia anno 1533 fuit à quadam saga concrematum. b) Lycost. lib. de prodig.“ 60 Ebd., S. 422-424. Vgl. Edda Fischer: Die „Disquisitionum magicarum libri sex“ von Martin Delrio als gegenreformatorische Exempel-Quelle, phil. Diss. Frankfurt/Main 1975, S. 276, Nr. 120 61 Nicolaus Remigius: Daemonolatria, Frankfurt/Main 1596, S. 289f. Der Teufel von Schiltach 57 „Von der brandstifterischen Zauberei“. - Aus: Francesco Maria Guazzo, Compendium Maleficarum (1608). 1608 brachte der Mailänder Ambrosianermönch Francesco Maria Guazzo sein „Compendium Maleficarum“ heraus, das zum weitestverbreiteten italienischen Handbuch zur Hexerei wurde. Auch er hat seine Schiltach-Stelle, es ist die zweite bei Delrio, die er von diesem wörtlich übernimmt, sie jedoch dem Lycosthenes zuweist.62 Zugleich versah Guazzo sein Werk mit Illustrationen, darunter eine, die mit der Überschrift „Von der brandstifterischen Zauberei“ ein vornehm gekleidetes Paar von Teufel und Hexe zeigt, das soeben eine Stadt in Brand gesteckt hat. Dieses Bild befindet sich zwar nicht direkt bei der Schiltach-Stelle, es illustriert diese jedoch in eindrucksvoller Weise. Es erscheint insgesamt höchst bemerkenswert, wie die führenden Dämonologen der Zeit um 1600 auf das bereits historische Beispiel „Schiltach 1533“ zurückgriffen. Für sie, die die Existenz von 62 Francesco Maria Guazzo: Compendium maleficarum, hier zitiert nach der Ausgabe Mailand 1626, S. 179 (digitalisiert unter http://historical.library.cornell.edu/witchcraft). 58 Der Teufel von Schiltach Hexerei nachzuweisen und die Furcht vor ihr zu steigern versuchten und auch Anleitungen zu ihrer wirkungsvollen Verfolgung lieferten, war dafür offenkundig die Autorität des Erasmus ausschlaggebend. Dessen Schiltach-Bericht besaß für sie Gewährscharakter, zeigte er doch alles, um was es ging: Die reale Existenz des Teufels, der sich der Hexe bedient, um Schaden, und, wie damals in Schiltach, sogar eine größere Katastrophe zu verursachen. „Schiltach 1533“, das war ein zu schlagendes Beispiel für das Wirken des Teufels auf Erden, als dass ein gestandener Dämonologe darauf hätte verzichten können! Die Wirkungen ihrer Traktate aber war verheerend: Sie multiplizierten das Wissen über das Hexenwesen und gewannen vor allem die damalige Oberschicht - Pfarrer, Richter, Beamte und Magistrate - , die auf ihrer Grundlage jetzt zur Hexenjagd aufbrechen konnten. Durch öffentliches Verlesen der Anklagen vor den Hinrichtungen oder durch „Hexenpredigten“ wurden die gelehrten Hexereivorstellungen auch dem einfachen Volk nahegebracht, das dann seinerseits nach Verfolgung schrie. Bei zehn weiteren Hexenprozessen in Schiltach Am 26. August 1590 ereignete sich in Schiltach eine erneute Brandkatastrophe:63 Innerhalb der Ringmauer wurden alle 32 Häuser, die Türme der Stadttore, das Zoll- und das Rathaus vernichtet; 51 Familien mit zusammen 221 Personen waren obdachlos. Was „für ein Jammer, Heulen und Schreien wir an unseren Weibern und Kindern sehen müssen, ist nicht zu sagen“, schrieb Schultheiß Johann Vogler an den Landesherrn. Überdies seien die Bürger durch „Anreizung der benachbarten Papisten“ „in den Zweifel und Superstition“ geraten und sie wollten den Unglück bringenden Ort 63 Vgl. Fautz, Stadtbrände (wie Anm. 25), S. 21-32. Der Teufel von Schiltach 59 Die älteste Ansicht von Schiltach. Ausschnitt aus der Karte „Schiltacher Vorst“ von Georg Gadner 1592. Über der mit Mauer und Toren befestigten Stadt erhebt sich die Burg „Landsehr“ mit Bergfried, Palas und Ringmauer. Vorlage und Aufnahme: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, N 3, Nr. 1, Blatt 21. verlassen.64 Offenbar war die Erinnerung an den „Teufelsbrand“ von 1533 noch immer lebendig und wurde durch Anwürfe aus den katholischen Nachbarorten auch noch verstärkt. Herzog Ludwig von Württemberg beorderte einen hohen Beamten in die Unglücksstadt, der ihre völlige Zerstörung vorfand. Ein Abzug der Schiltacher aus ihrer „innerhalb 80 Jahren zu dreien unterschiedlichen Malen auf dem Boden hinweg verbrannten“ Stadt kam jedoch nicht in Frage. Dies verboten die landesherrlichen Rechte an Straße und Zoll, die Schiltach seine Funktion als Dienstleistungszentrum mit Wirtshäusern, Herbergen, Stallungen und Werkstätten verliehen. So entstand unter Leitung der Baumeister Georg Beer und Heinrich Schickhardt die Schiltacher Kernstadt wieder, mit dem Grundriss, der sich bis heute erhalten hat: dem sich trichterförmig zur Stadtmitte öffnenden Marktplatz 64 Ebd., S. 25. - Vgl. Johann Höflin: Handschriftliche Beiträge zur Geschichte der Stadt Schiltach, Heft 1 (1883), S. 15 (StA Schiltach). 60 Der Teufel von Schiltach und dem erhöht liegenden Rathaus als Abschluss.65 Bis 1593 waren 28 Wohnhäuser wiedererstanden, und als Schickhardt den Wiederaufbau inspizierte, fand er „die Stadt in guter Ordnung erbaut“. Bürgermeister Legeler erklärte, dass nicht ein Bürger da sei, „der eines Batzen ärmer sei, denn er vor der Brunst gewesen.“ Vom damaligen Wiederaufbau zeugt das „Jägerhäusle“ (Schenkenzellerstr. 11) mit der Jahreszahl 1590 im Türgewände. Ganz in Stein wurde das Rathaus errichtet, wo im Erdgeschoss in einem Deckenbalken das Jahr 1593 eingeschlagen ist. Die Säule und der das Stadtwappen tragende Löwe des „Städtlebrunnens“ stammen ebenfalls aus dieser Zeit, vielleicht als Denkmal für das Wiedererstehen der Stadt (vgl. Abb. Seite 101). Jahreszahlen vom Jägerhäusle und Rathaus. Ein Jahr nach dem Stadtbrand brachte man aber auch wieder eine „Hexe“ zur Strecke, wie im ältesten Taufbuch vermerkt ist: „Dise Brigitta ist als ein Hex verbrant worden 1591.“66 Der Eintrag bezieht sich auf eine „Brigita, Theiß Dieterlins Eheweib im Kaybach“, die 1587 von dem Schiltacher Bürger Theys Summ zur Patin seines Töchterchens Maria gebeten worden war. Damals noch unbescholten, wurde sie vier Jahre später „als ein Hex“ verbrannt, wobei die zeitliche Nähe zu der neuerlichen Brandkatastrophe auffällt. Musste, nach dem Vorbild von 1533, auch dieses Mal eine „Hexe“ als Schuldige dafür büßen? 65 Vgl. Franz Meckes: Schiltach, in: Heinrich Schickhardt. Baumeister der Renaissance, hrsg. von Sönke Lorenz und Wilfried Setzler, Leinfelden-Echterdingen 1999, S. 266-275. 66 StA Schiltach, erstes Taufbuch, S. 93. Der Teufel von Schiltach 61 Bald danach, im Juni 1598, wurden die beiden Schwestern Katharina Geyßler, Hebamme, und Anna Egman „als ein Hex zu Schiltach verbrennt“, nachdem sie dies auf der Folter bekannt hatten.67 1618 traf dieses Schicksal Genophe Schillinger aus dem Erdlinsbach in Vorderlehengericht. Man beschuldigte sie der Giftmischerei, zu der sie ein „verführerischer Geist“ namens „Lucifer“ verführt hatte. 1619 wurden allein vier Frauen wegen desselben Verbrechens hingerichtet: Agathe Maurer, die Ehefrau des Nachtwächters Abraham Maurer, der ein Geist namens „Gabelmann“ innewohnte.68 Margarete Hochmut war Witwe im Erdlinsbach und hatte „eine furchtbare, grausame und aller Natur spottende Mordtat gegen ihre eigene Tochter begangen“. Sie wurde dem Scharfrichter übergeben, der eine weißglühende Marterzange bei ihr in Anwendung brachte, so dass sie einen „trügerischen Geist“ namens „Gräßlin“ gestand. Wegen Giftmischerei, Totschlags und in gleicher Weise an Menschen und Vieh verübten Mordtaten mussten auch die Witwe Brigida Schillinger aus dem Hunersbach und die Schiltacher Hebamme Anna Volmer das Todesurteil hören: Beide wurden geköpft und ihre Körper auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Der Geist der Brigida hieß „schwarzer Kaspar“, der der Anna „Hänslein“. Gleichzeitig wurde Lorenz Schillinger, der Sohn der Brigida, wegen Blutschande mit seiner Mutter mit dem Beil enthauptet, seinen Rumpf begrub man auf dem Friedhof. 1620 stand Margarethe, die Ehefrau des Jakob Wigand, im Verdacht der Giftmischerei, war aber geflohen. Kundschafter fanden sie im Breisgau und brachten sie nach Schiltach zurück, wo sie zwei Monate gefangen saß. Dann wurde sie nach Hornberg gebracht, ver67 Ebd., erstes Taufbuch S. 105. - Ebd., erstes Ehebuch, S. 13, Nr. 16. 68 Ebd., erstes Ehebuch, S. 27: „Diese Agathe ist anno 1619 als ein Venefica (Zauberin) allhier verbrennt worden.“ 62 Der Teufel von Schiltach Blatt im ältesten Schiltacher Kirchenbuch mit dem von Pfarrer Simon Petrus Werlin verfassten Bericht über die Hexenprozesse von 1618, 1619 und 1620. - StA Schiltach. urteilt, enthauptet und gegen alles Herkommen ohne Verbrennung des Leichnams unter dem Galgen begraben. Sie hatte gestanden, sie habe „unter dem Bann des teuflischen verführerischen Geistes „Gräßlin“, der sie durch harte Prügelschläge dazu antrieb, das Pfarrhaus in Brand stecken sollen“. Aber weder „durch gleisnerische Worte“ noch durch Stockschläge habe sie sich „zu diesem schändli- Der Teufel von Schiltach 63 „Hexenverbrennung in Schiltach“. Zeichnung von Eduard Trautwein 1930. Museum am Markt Schiltach. chen Verbrechen“ zwingen lassen. Auch sei ihr, als sie im Bad ihres Bruders als Wärterin tätig war, durch den Bösen „in seinen Gesängen“ befohlen worden, dem Schiltacher Kirchendiener den Kopf so zu waschen, dass er die Wirkung der Lauge sein Leben lang spüren würde; nur durch göttliche Fügung sei diese Tat unausgeführt geblieben. Zusammenfassend berichtet ein im ältesten Schiltacher Taufbuch eingeklebtes Blatt über die Prozesse von 1618, 1619 und 1620, das, der Schrift nach, von Pfarrer Simon Petrus Werlin (Amtszeit: 16101629) verfasst wurde. Er schließt mit dem Satz „Jesu Christo, dem Heiland und Überwinder des Teufels, sei Lob, Ehre und Ruhm in ewige Jahrhunderte. Amen.“69 69 Vgl. Max Mayer: Hexenverbrennungen in Schiltach, in: Die Ortenau 8 (1921), S. 71-73. 64 Der Teufel von Schiltach Die in Schiltach zwischen 1591 und 1620 hingerichteten neun Frauen setzen nicht nur hier einen absoluten Höhepunkt der Hexenverfolgung. Sie gehören in einen europaweiten Zusammenhang neuerlicher, grausamster Hexenjagden, deren Hintergrund die sogenannte Kleine Eiszeit, eine Klimaverschlechterung zwischen 1560 und 1630, war.70 Auf lange kalte Winter und späte Frühjahre folgten nasse Sommer mit Überschwemmungen und Unwettern, die Missernten, Teuerung, Hunger, Vieh- und Menschensterben brachten. Diese als „unnatürlich“ empfundene Witterung und die durch sie hervorgerufenen Krisen führten zu großen Ängsten und gesellschaftlichen Verhärtungen, und dies unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit. In einem Klima, in dem Missgunst, Neid, Habgier und Streitsucht gediehen, ließen sich für die vielfältigen großen und kleinen Katastrophen in Gestalt der „wettermachenden“ Hexen die vermeintlichen Verursacher leicht ausmachen, so dass die Missgeschicke, Schäden, Krankheiten und Todesfälle eine einfache Erklärung fanden. Wenn sich dann die aufgebrachte Volksmeinung und die Bereitschaft der Obrigkeiten zur Verfolgung trafen, war der Boden für die Hexenjagd bereitet, wobei es in der Regel nicht Fremde, sondern Personen aus dem nächsten örtlichen oder gar familiären Umfeld traf. Dass dies, dem geschlechtsbezogenen Hexenglauben entsprechend, zumeist Frauen waren, bestätigt sich auch aus Schiltach. Von ihnen stammten drei aus Lehengericht, die anderen sechs aus Schiltach; alle waren sie verheiratet bzw. verwitwet. Dass zwei von ihnen als Hebammen amtierten, könnte die These stützen, dass vor allem heilkundige Frauen leicht in den Verdacht der schädlichen Zauberei kamen; auch scheint die Tätigkeit der Margarethe Wigand als „Badmutter“ sie gesellschaftlich verdächtig gemacht zu haben. 70 Vgl. Behringer: Hexen (wie Anm. 37), S. 47f. Der Teufel von Schiltach 65 Weitere soziale Merkmale der betroffenen Frauen sind nicht bekannt, doch deuten die Mehrfachhinrichtungen 1598 und 1619 auf Kettenprozesse, die durch „Besagen“, die auf der Folter erpresste Nennung von Komplizinnen beim „Hexensabbat“, zustande gekommen waren. Für die zehnte (und letzte) Schiltacher „Hexe“, die Witwe Gertrud Wolber vom Hunsel, sind die Prozessakten erhalten,71 so dass ihr Schicksal genauer bekannt ist. Am 2. September 1631 wurde sie im Rathaus von Untervogt Schmidt aus Hornberg im Beisein von Pfarrer, Schultheiß, Bürgermeistern, Forstmeister und Gerichtsmitgliedern der Stadt Schiltach der Hexerei wegen verhört. Zeugen hatten ausgesagt, sie, die als Bettlerin von Hof zu Hof zog, hätte bei ihrem Erscheinen durch plötzliche Stürze das Vieh krank gemacht, so dass sie sie „für ein große Hexen“ hielten. So behauptete Elisabetha Haberer, die Frau des Vogts im Reichenbächle, die Beklagte sei schuld am Tod ihres Stierleins, eines Kalbs, eines Schweins, einer Kuh und von sechs jungen Gänsen; auch hätte sie ihr „Häsläus“ ins Bett gezaubert. Unfähig „einen Tropfen Wassers zu vergießen“, reagierte die Beschuldigte aggressiv, mit Schimpfen und Leugnen, Fluchen und Zittern, was jeweils als ziemlich sicheres Zeichen galt, dass sie von „einem bösen Feind“ besetzt war. - Dass Menschen unter Angst und Schock oft nicht zu weinen vermögen, war als medizinische Erkenntnis nicht bekannt. - Auch Stadtpfarrer Georg Ludwig Kaiser, der sich gesondert um sie bemühte, gewann den Eindruck, „der Teufel habe sie mit Gewalt von einem Geständnis abgehalten“, obwohl sie ihm ausdrücklich versicherte, „sie kenne das Hexenwerk nicht“. 71 Hauptstaatarchiv Stuttgart A 209 Bü 1288. - Vgl. Carsten Kohlmann: „Mit dem Schwerdt zu Todt richten“. Gertrud Wolber aus Schiltach am 14. Oktober 1631 wegen Hexerei verurteilt, in: Schwäbische Zeitung vom 23.2.2001. - Vgl. Julius Hauth: Die Hexe von Hinterlehengericht. Aberglaube in alter Zeit, Amtliches Nachrichtenblatt für Schiltach (nach 1920, undatierte Kopie im StA Schiltach. 66 Der Teufel von Schiltach „Poenliche Urgichten“ der Gertrud Wolber vom 24. September 1631. Vorlage und Aufnahme: Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 209 Bü 1288: „Uf jüngst ergangene pöenliche urthel ist heut den 24ten Septembris anno 1631 beywesendt herrn undervogts zu Hornnberg, allß fürstlichen anwaldts und amptshalb clägers, herr pfarrers zu Schilittach magister Georg Ludwig Kaisers, item stattschreibers von Hornnberg Sebastian Bruders, vernners Jacob Wollenbers und Johann Schörnnlins beder unpartheyischer gerichtzpersohnen, die zu Schilttach verhaffte und zur tortur erkendte Gertrauta Jerg Wollenbers wittib durch den scharffrichter mit pöenliocher frag angegriffen worden, die bekhendt wie volgt. Vor ungevahr 4 Jahren, wehre der böße gaist, allß sie in Stammelbach erhinder ganngen, und kein brodt gehapt, In weyssen klaidern zu ihr kommen, sie angeredt mit ihme unzucht zu treiben, er wölle ihr, weil sie armuot leide, brodt gnug geben, deme sie im waldt, der Fiechtewaldt genannt, willfahrt, habs thuon müssen, dann er sie gezwungen, und sie schlagen wollen. Nota Bene: Bekhenndt hernacher, daß solches vor 10 Jahren geschehen. Nota Bene: Sey gantz schwartz geweßen, hab Hennßlin gehaißen.“ (Transkription: Carsten Kohlmann, M. A.) Der Teufel von Schiltach 67 Da auch ein zweites „gütliches“ Verhör kein Geständnis erbrachte, forderte man einen Scharfrichter aus Tübingen an, der die im Schiltacher Rathaus in Fesseln gehaltene Frau „zur Erlernung der gründlichen Wahrheit peinlich fragen und torquieren“ sollte. Dies erfolgte am 24. September in Anwesenheit des Untervogts, des Hornberger Stadtschreibers, des Schiltacher Stadtpfarrers sowie der beiden Bürger Jakob Wolber und Johann Schörnlin als Gerichtsmitgliedern. Ergebnis war ein Schuldbekenntnis, wonach sie seit einigen Jahren mit einem bösen Geist Unzucht trieb, der ihr, die „kein Brot gehabt“, „Brot genug“ versprochen hätte. Auch bekannte sie, dieser Geist habe „Hennßlin“ geheißen, was ein verbreiteter Name des Teufels war. Der habe von ihr verlangt, „Gott und alle seine Heiligen zu verleugnen“, und sie habe ihm versprechen müssen, dass „sie ihm in allen Sachen, was er sie heiße, folDer Teufel verführt eine Frau zum Abschluss eines Pakts. - Aus: Ulrich gen wolle“. Auf sein Geheiß Molitor, De lamiis et phitonicis habe sie durch „Anblasen“ mulieribus, 1489. Vieh und Schweine krank gemacht, „dass es abgegangen“, auch habe „der böse Feind“ sie immer wieder zu Boden geworfen. Von ihm habe sie auch ein Stöcklein gehabt, mit dem sie, nachdem sie es mit Salbe bestrichen habe, hinfahren konnte, wohin sie wollte. Sie nannte auch die Namen anderer Frauen, mit denen sie auf dem Schiltacher „Grien“ bei Hexentänzen 68 Der Teufel von Schiltach gewesen sei, doch habe sie nicht getanzt, weil sie gehunken habe und ein armes Weib sei, sie sei nur eine „Spielmagd“ gewesen. Dabei habe einer mit der Sackpfeife aufgespielt, und es habe allerlei Speisen, doch kein Brot gegeben. Damit waren ihr alle Bestandteile des Hexereidelikts - Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber - „nachgewiesen“. Man verhörte und folterte nach einem festen Fragenkatalog, um ein diesem Muster entsprechendes „Geständnis“ zu erreichen. So gleichen sich viele dieser Urgichten, jeweils mit einer Notsituation beginnend, die der Teufel ausnützt, um die Frauen in seine Abhängigkeit und dann zum Schadenzauber zu bringen; zugleich verleugnen sie Gott, wofür sie die Fähigkeit zum Hexenflug erhalten; sie nehmen am Hexensabbat teil, bei dem Spielleute mit der „höllischen“ Pfeifenmusik zum Tanz aufspielen; in der verkehrten Welt des Teufels gibt es beim Festmahl kein Brot und kein Salz, die die Zeichen echter Gastfreundschaft waren. Dass Gertrud Wolber den „Grün“ als Ort des Geschehens nannte, erklärt sich damit, dass dort der alte Schiltacher Tanz- und Versammlungsplatz war. Auch hatte es bei ihr mit dem „Besagen“ geklappt: Sie verriet die Namen anderer Frauen, die sie beim Hexentanz gesehen hatte. Erst nachdem dies alles abgehandelt war, das „Geständnis“ und die Erwartungen der Verhörenden übereinstimmten, wurde die Angeklagte aus der Folter entlassen. Mit dieser Urgicht als Ergebnis hatte sich die Zuziehung des Scharfrichters „gelohnt“, der dann auch das am 14. Oktober 1631 gefällte Urteil vollzog: Dass „die Beklagte wegen ihrer großen Missetat ... mit dem Schwert vom Leben zum Tod zu richten“ sei, „sodann folgend ihr toter Leib mit dem Feuer zu Asche verbrannt werden solle“. In Wirklichkeit aber hatte das Zusammenspiel von denunzierenden Nachbarn und ihnen ihr Ohr leihenden Obrigkeiten einen im wahrsten Sinne des Wortes „armen Teufel“ zur Strecke gebracht: Eine auf sich Der Teufel von Schiltach 69 allein gestellte, ältere Frau, die sich als Bettlerin durchzubringen versuchte und offensichtlich unter epileptischen Anfällen litt.72 Allein die von ihr „besagten“ anderen Frauen konnten sich erfolgreich gegen die Vorwürfe wehren, so dass das Verfahren gegen Gertrud Wolber keine Prozesslawine nach sich zog. In der Zwischenzeit hatte der Dreißigjährige Krieg auf Württemberg übergegriffen, mit Folgen, die in verheerender Weise auch in Schiltach zu spüren waren: 1634 bis 1638 wütete die „Seuche der abscheulichen Pest“; es gab eine „großen Hungers Not“, bei der nicht nur Arme „Ross- und Schelmenfleisch gegessen“, sondern es auch „höheren Leuten geschehen, dass sie dergleichen abscheuliche Speisen essen mussten“.73 Nachdem 1622 in Schiltach insgesamt 1070 Einwohner, 570 Erwachsene und 500 Kinder, gelebt hatten, waren es 1639, nach der Pest, noch 350 Erwachsene und 54 Kinder. Allein im Pestjahr 1635 starben 213 Menschen, ein Fünftel der Bevölkerung, weshalb der Friedhof erweitert werden musste. Aus dieser Zeit ist aus den jährlichen „Ruggerichten“, die vom Vogt der Amtsstadt Hornberg abgehalten wurden und bei denen die Bürger Beschwerden vorbringen konnten, einiges über die damaligen, von Aggressivität und Streitlust geprägten Lebensverhältnisse zu erfahren. Die erhaltenen Akten von 1640 und 1648 zeigen, dass auch das Thema „Hexerei“ gegenwärtig war und diesbezügliche Verdächtigungen leicht von der Zunge gingen. So stritten die Ehefrauen der verfeindeten Schmiedemeister Starck und des aus Lahr zugezogenen Seckhinger öffentlich miteinander, wobei erstere der anderen zurief: „Du weißt wohl, wes Geschlechts du bist, man hat deinem Vater zwei Schwestern verbrannt“. Die Reaktion Seckhingers, der, um seinen Leumund besorgt, nicht nur ein Sittenzeugnis aus Lahr beibrachte, 72 Vgl. Kohlmann, ebd. 73 Vgl. Alban Rößger: Bilder aus einer kleinen altwürttembergischen Schwarzwaldstadt vom Ende des dreißigjährigen Krieges, in: Württembergische Vierteljahrschrift NF 1 (1892), S. 386-408, hier S. 391, 393. 70 Der Teufel von Schiltach sondern auch um öffentlichen Schutz bat,74 zeigt, wie gefährlich es war, aus einer der Hexerei bezichtigten Familie zu stammen. Es trat auch der um die Sittlichkeit im Städtchen besorgte Stadtpfarrer auf und forderte, „es müsse nächstens wieder einmal allen Ernstes an die Untersuchung der gottlosen Hexerei gegangen werden, da nicht zu bezweifeln sei, dass solche Unholdinnen ihr Wesen in der Gemeinde treiben“. So habe „H.J. Rueffens Weib“ einem Bürger allen Schaden gewünscht, und diesem sei daraufhin Vieh zu Grunde gegangen. Es glaubte also auch der Pfarrer an den durch Hexen praktizierten Schadenzauber und rief zu ihrer Verfolgung auf. In diesem Punkt war der Gerichtsvorsitzende freilich vernünftiger: Bei dem großen Sterben sei ein solches auch beim Vieh nicht zu verwundern, doch ermahnte er die „Rueffin“, „nichts Böses zu tun“.75 Hier wird eines der Grundmuster deutlich, die normalerweise zur Anklage führten: Streit unter den Bürgern mit Drohungen und Verwünschungen, auf die man, als tatsächliche Unglücke passierten, mit der Hexereibeschuldigung zurückkam und zur Hexenjagd blies. Schiltach 1643. - Aus: Matthäus Merian, Topographia Sueviae, Frankfurt am Main 1643. 74 Ebd., S. 395. 75 Ebd., S. 405. Der Teufel von Schiltach 71 Diese Verhaltensweisen lassen sich noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts belegen. Offenkundig sahen manche Leute, trotz des nur mit großer Not überstandenen Dreißigjährigen Kriegs, in der Hexereibeschuldigung noch immer ein probates Mittel zur Deutung ihres persönlichen Unglücks, wobei sie vom Pfarrer unterstützt wurden (Dok. 18 a, b). Auch galten „wunderliche“ Menschen nach wie vor als „vom bösen Geist besessen“ (Dok. 18 c), und einen „Buhlen, der Geißfüße hatte“, konnte man nicht spaßig finden, selbst wenn ihm ein gelungener Streich zu Grunde lag (Dok. 18 d). Zu Hexenprozessen führten diese Meinungen und Bezichtigungen jedoch nicht mehr, darüber wachte die fürstliche Kanzlei in Stuttgart, der „Oberrat“, der mäßigend wirkte.76 Auch fanden die Schiltacher sich 1654 zu einer großen Friedensfeier mit einem geistlichen Schauspiel zusammen, bei dem 76 Personen mitwirkten, was auf ein sonst eher intaktes gemeindliches Zusammenleben verweist. Als Volksmagie und Aberglauben Unterschwellig rumorte der „Aberglauben“ jedoch weiter, jetzt von der kirchlichen Obrigkeit in Form des „Kirchenkonvents“ überwacht und verfolgt. 1679 kam es zu einer Anzeige gegen Matthäus Renner, weil er seinen Sohn zu einem „Teufelsbeschwörer“ geschickt habe. 1680 musste Georg Sum vom Liefersberg ein „Teufelsbüchlein“ und einen „Zettel oder Segen“ beim Stadtpfarrer abliefern, der beides öffentlich verbrennen ließ.77 An zauberische Praktiken wurde denn auch zumindest bis weit ins 19. Jahrhundert hinein geglaubt. Dabei unterschied man die „weiße Magie“, die unter Verwendung guter 76 Dok. 18; vgl. auch: Anita Raith: Herzogtum Württemberg, in: Hexen und Hexenverfolgung. Aufsatzband (wie Anm 34), S. 197-205, hier S. 203f. 77 Carsten Kohlmann: Kloster, Pfarrer und Gläubige in Krieg und Krise. Das Amt Hornberg und das Klosteramt Sankt Georgen des Herzogtums Württemberg im Dreißigjährigen Krieg und nach dem Westfälischen Frieden. Magisterarbeit im Fach Neuere Geschichte, Tübingen 2000, S. 93f. 72 Der Teufel von Schiltach (göttlicher) Mittel auf Heilung und Schutz ausgerichtet war, von der „schwarzen Magie“, die teuflische Praktiken anwandte, wobei die Grenzen beider fließend waren. Aus dem Kinzigtal berichtet darüber der Pfarrer und Volksschriftsteller Heinrich Hansjakob (1837-1916), wobei er den „weiße Sympathie“ betreibenden „Sympathiedoktoren“ aus dem Volk und ihren „Sympathiekuren“ selber nicht abgeneigt war.78 Auch die Schadenzaubervorstellungen hielten sich noch lange, etwa die, dass „einer einem etwas anwünschen könne“. 1684 Die älteste Ansicht des Schiltacher Marktplatzes, Zeichnung von Geometer Weber 1843. - Das Fachwerkhaus in der rechten Bildhälfte ist das ehemalige Gasthaus „Rössle“. - StA Schiltach. wurde im Schiltacher Kirchenkonvent der Fall des Christian Schillinger verhandelt, der „seinem Gevatter Michel Deusch das überschickte Neue Jahr wieder zurückgeschickt“ hatte. In der Redensart „das Neue Jahr anwünschen“ ist der alte Wortzauber enthalten, und die Zurückweisung dieses Wunsches war für die Betroffenen nicht nur eine Beleidigung, sie ängstigten sich auch vor bösen Folgen.79 78 Vgl. Manfred Hildenbrand: Heinrich Hansjakob - Rebell im Priesterrock, 2. Aufl. Haslach 2001, S. 92-94. 79 Vgl. Julius Hauth: Brauchtum im Jahreskreis, in: Schiltach (wie Anm. 5), S. 400-410, hier S. 407. 80 Vgl. Fautz, Stadtbrände (wie Anm. 25), S. 32-39. Der Teufel von Schiltach 73 Ein neuerlicher Stadtbrand, der am 8. Januar 1791 wiederum vom „Rössle“ am Marktplatz ausging, vernichtete 11 Häuser und beschädigte 10 weitere schwer.80 Die Wirtsleute Johann Georg und Catharina Barbara Reich fassten ihre „Krisenerfahrung“ danach in einer Bibelstelle zusammen, die sie beim Wiederaufbau ihres Hauses in dessen rechten Eckpfosten einschnitzen ließen: „Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeitet umsonst, die daran bauen. Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wachet der Wächter umsonst“ (Psalm 127,1). An den Teufel dachte man nicht mehr, geschweige denn, dass man ihn zur Bewältigung dieser Katastrophe nochmals gebraucht hätte. Stabilere wirtschaftliche, politische und soziale Verhältnisse, bessere Bildung und medizinische Versorgung hatten der Furcht vor Verhexung und Schadenzauber in der Zwischenzeit den Nährboden entzogen. Für den „Teufel von Schiltach“ interessierten sich schließlich nur noch die Geschichts- und Geschichtenschreiber. Inschrift am Eckpfosten des ehemaligen „Rössle“ am Marktplatz Weinfass, Flasche und Becher am Türsturz des Kellereingangs. 74 Der Teufel von Schiltach In der älteren Geschichtsschreibung Dass die Schiltacher Ereignisse von Anfang an auch für die Chronisten und Historiker ein Thema waren, zeigte sich schon bei dem Villinger Heinrich Hug (Dok. 6). 1548 vermerkte sie auch Johannes Stumpf (1500-1577/78), reformierter Pfarrer im schweizerischen Thurgau, in seiner großen Geschichte und Beschreibung der Eidgenossenschaft: „Schiltach das stettlin im Kintzgertal ward durch ein Hexen auf’s Tüfels anstifften verbrennt.“81 Mit diesem kurzen Satz nimmt er das Ereignis so auf, wie es ihm mit dem Flugblatt (Dok. 3) ins Haus gekommen war, das er in das Manuskript seiner Chronik einklebte.82 Noch in der Hochzeit der Hexenverfolgung vermerkte Martin Crusius (1526-1607), Professor für Griechisch und Latein an der Universität Tübingen, den „Fall Schiltach“ in seinen „Annales Suevici“, einer lateinisch geschriebenen Geschichte des schwäbischen Stammes von 1595/96 (Dok. 9). Für seine Darstellung des „Teuflischen Brands des Städtleins Schiltach“ hatte er jedoch kein Quellenstudium betrieben, sondern berief sich auf den Brief des Erasmus (Dok. 4). - Durch Crusius und seinen Übersetzer Johann Jacob Moser ging das Schiltacher Der württembergische Historiker Martin Crusius. Vorlage und Aufnahme: UB Freiburg. 81 Johannes Stumpf: Gemeiner löblicher Eydgenossenschaft Stetten, Landen vnd Völckeren Chronick wirdiger thaaten beschreybung ..., Bd. 1, Zürich 1548, S. 95 (zum Jahr 1533). - Vgl. Rudolf Schenda: Johannes Stumpf (1500-1577/78), in: Sagenerzähler und Sagensammler der Schweiz, hrsg. von Rudolf Schenda und Hans ten Doornkaat, Bern/Stuttgart 1988, S. 91-119. 82 Vgl. Schenda, ebd., S. 105. Der Teufel von Schiltach 75 Die Schiltach-Stelle bei Matthäus Merian 1643. Geschehen in die weitere Geschichts- und Landesbeschreibung ein. So auch in die „Topographia Sueviae“ des Matthäus Merian d. Ä. von 1643 mit dem Textautor Martin Zeiller, wo sich auch der erste Schiltach-Stich findet;83 oder in die 1744 erschienene „Neue Wirtenbergische Chronik“ des Johann Ulrich Steinhofer.84 Die 1660 erschienene „Würtembergische kleine Chronica“ des württembergischen Beamten Narcissus Schwelin (1588-1669) bringt gleichfalls eine kurze Darstellung (Dok. 13), für die sich der Autor auf nicht genannte „Scribenten“ stützt. Er bietet für den Brand mit dem „Oster-Abend, den 24. Martii“ jedoch ein falsches Datum, das dann auch von anderen Autoren übernommen wurde. Auch behauptet er, wie Rémy (Dok. 11), das „Weib“, das die „Buhl83 Topographia Sueviae ... an den Tag gegeben undt verlegt durch Matthaeum Merian, Frankfurt 1643. Neue Ausgabe 1960, mit einem Nachwort hrsg. von Lucas Heinrich Wüthrich, Kassel und Basel 1960, S. 170. 84 Johann Ulrich Steinhofer: Ehre des Herzogtums Wirtenberg In seinen Durchlauchtigsten Regenten, Oder Neue Wirtenbergische Chronik, Bd. 1, Tübingen 1744, S. 231f.; S. 317. 76 Der Teufel von Schiltach schaft“ des „bösen Geist“ gewesen sei, habe „zuvor mit dem Pfaffen daselbst 14 Jahr zugehalten“, was auf ein Missverständnis der entsprechenden Stelle bei Erasmus (Dok. 4) zurückgeht. Für Schwelin war es selbstverständlich, dass „diese Hex oder Zauberin hernacher wegen dieser Übelthat zu Oberndorf verurteilt und öffentlich verbrannt worden (ist)“ (Dok. 13). Zu Beginn des „aufgeklärten“ 19. Jahrhunderts, nachdem Schiltach an das Großherzogtum Baden gekommen war (1810), wollte man von den alten Geschichten dann nicht mehr viel wissen: Der Freiburger Archivrat Johann Baptist Kolb (1774-1816), der die erste badische Landesbeschreibung verfasste, hielt mit seinem Unverständnis über den Hexen- und Teufelsglauben der alten Schiltacher nicht zurück: „Den 10. April 1534 (!) wurde Schiltach ganz eingeäschert, und man war ungerecht genug, dieses Unglück einer sogenannten Hexe zuzuschreiben, die zu Oberndorf auf dem Scheiterhaufen sterben musste: Allein im J. 1590 traf dieses Städtchen ein ähnliches Schicksal, ohne dass der Teufel sein Spiel dabei hatte.“85 Auch der Karlsruher Gymnasialprofessor Karl Friedrich Vierordt (1790-1864) versuchte, ausgehend vom Erasmus-Brief (Dok. 4), dem Schiltacher Geschehen eine rationale Deutung zu geben: Er tippte auf eine „Nachtwandlerin auf dem Dache“, die dann auf der Folter zu dem Geständnis gezwungen wurde, „dass sie nicht nur die bald darauf ausgebrochene Feuersbrunst veranlasst, sondern auch 14 Jahre lang mit dem Teufel fleischlichen Umgang gehabt habe“.86 Doch das Sagenhaft-Gruselige, das dem „Teufel von Schiltach“ anhaftete, war damit noch lange nicht aus der Welt. 85 Historisch-statistisch-topographisches Lexicon von den Großherzogthum Baden, hrsg. von J. B. Kolb, Bd. 3, Karlsruhe 1816, S. 170. 86 Karl Friedrich Vierordt: Geschichte der evangelischen Kirche in dem Großherzogthum Baden, Bd. 2, Karlsruhe 1856, S. 124. Der Teufel von Schiltach 77 In Sagen und Geschichten Gestützt auf die alten Berichte, bemächtigten sich nun Literaten und Schriftsteller des Schiltacher Geschehens, die es ihrer Welt, der Sage und Dichtung, zuordneten. Als erste nahmen die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm (1785- Jacob und Wilhelm Grimm. 1863/ 1786-1859) „Des Teufels Brand“ in ihre 1816 erschienenen „Deutschen Sagen“ auf (Dok. 14). Wie ihre „Kinder- und Hausmärchen“, so sollten auch die „Sagen“ den Deutschen ihre Ursprünge und ihre Identität bewusst werden lassen, wozu die Grimms die „im Volksgedächtnis“ verborgenen Geschichten aufspürten. Bei ihnen vermerkten sie zur Betonung des geschichtlichen Ursprungs auch die Quellen, für des „Teufels Brand“ Erasmus (Dok. 4) und Rémy (Dok. 11). Wie man ihnen nachgewiesen hat, hielten sie sich jedoch ausschließlich an Rémy,87 von dem sie die Lokalisierung Schiltachs „im Schweizerland“ sowie die Behauptung, das „Weib“ hätte „vierzehn Jahre“ mit einem der beiden geistlichen Exorzisten „zusammengelebt“, übernahmen. Auch sonst sahen sie keine Widersprüche, da Sagen und Märchen „das sinnlich Natürliche und Begreifliche stets mit dem Unbegreiflichen mischen“; das Volk habe noch nicht ganz aufgehört, „an seine Sagen zu glauben, und sein Verstand sondert nicht viel darin“.88 Ganz im Sinne der Romantik sollten Sagen das Gefühl und das Gemüt ansprechen und brauchten sich deshalb um die historische Wahrheit nicht zu kümmern. Auf Erasmus (Dok. 4) stützte sich auch der Freiburger Oberamtmann und Geschichtsforscher Kasimir Walchner (1771-1837), 87 Barbara Kindermann-Bieri: Heterogene Quellen - Homogene Sagen. Philologische Studien zu den Grimmschen Prinzipien der Quellenbearbeitung untersucht anhand des Schweizer Anteils an den Deutschen Sagen, Basel 1989, S. 116-120. 88 Deutsche Sagen, hrsg. von den Brüdern Grimm. Zwei Bände in einem Band, Darmstadt 1956, S. 8f. 78 Der Teufel von Schiltach der 1827 an den Stoff heranging. Unter dem Titel „Wie der Teufel und ein Weib miteinander das Städtlein Schiltach verbrennen“,89 lässt er, von seiner dichterischen Freiheit regen Gebrauch machend, die Geschichte beim „Salmenwirt“ spielen, der des Abends samt Hausknecht und Hund mit Schwert und Hellebarde einem „Gezisch und Geflüster und Gekreische“ nachgeht. Fündig werden sie im Küchenkamin, wo sie einen „Bocksfuß“ entdecken, womit für sie feststeht, dass hier „der Teufel sein Wesen (hat)“. Beim Exorzismus wird nur die Schwiegertochter des Wirts unruhig: „Kaum hatte sie aber die Gasse betreten, so ergriff sie der Teufel beim Schopf und setzte sie auf’s Dach und zu oberst auf das Kamin. Da gab er ihr einen Topf in die Hand und befahl ihr mit drohender Gebärde, denselben auszuleeren. Das tat sie, und noch bevor eine Stunde verfloss, stand das ganze Städtlein in Flammen.“ Dann führt Walchner die Andeutungen von Erasmus über den Wirtssohn als des Teufels „Nebenbuhler“ weiter, wozu ihm die (erfundene) Figur der Schwiegertochter dient. Sie habe bis zu ihrer Heirat 14 Jahre lang „mit dem Satan verliebte Bekanntschaft unterhalten und manchen schönen Spazierritt zum Tanz mit ihm gemacht“. Da sie dann aber „die Bekanntschaft mit dem Schwarzen aufgegeben und seine Anträge abgewiesen hatte, so ward er eifersüchtig und wollte sich an ihr und dem Städtlein dadurch rächen, dass er es durch sie anzünden ließ“. So findet Walchner zu seiner Deutung des Geschehens: „Den Teufel hat die Eifersucht zu dem Bubenstück gebracht.“ Als Märchen- und Sagenschreiber betätigte sich auch der Thüringer Ludwig Bechstein (1801-1860), herzoglicher Archivar in Meiningen, der den „Teufel in Schiltach“ gleichfalls in sein 89 Freiburger Adreß-Kalender 1827, S. 31-38. - Vgl. Badisches Sagenbuch. Eine Sammlung der schönsten Sagen, Geschichten, Märchen und Legenden des Badischen Landes aus Schrifturkunden, dem Munde des Volkes und der Dichter, hrsg. von August Schnezler, Bd. 1, Karlsruhe 1846, S. 468-472. Der Teufel von Schiltach 79 „Deutsches Sagenbuch“ von 1853 aufnahm (Dok. 15). Wie für die Brüder Grimm, so war auch für Bechstein die Sage „ein ureigenstes Gut des Volkes“, „mehr Dichtung als Wahrheit“, so dass „die Dichter eigentlich an sie mehr Anrecht (haben), als die Forscher und die Wissenschaft“.90 Aus diesem Grund verzichtet er auf Quellenangaben, doch ist aus seiner Darstellung deutlich, dass ihm die zweite Flugschrift (Dok. 2) Ludwig Bechstein. vorlag. Er hält sich denn auch, von dem ihm eigenen „Ton der Erzählung“91 abgesehen, an die Schilderung der Ereignisse, wie sie in diesem Dokument vorgegeben sind. Originell ist seine Charakterisierung des Teufels als „Erzabenteurer“ und „unsauberer Geist, der „trommelte und pfiff, rasselte und prasselte“. Auch verzichtet Bechstein nicht auf eine eigene Deutung: Nachdem der Teufel erklärt hatte, „des Wirts Magd sei seine liebste Buhle“ und sie aus ihrer Stellung entlassen worden war, schied sie aus Schiltach „zornig und mit Heulen und Schreien“. Und als sie den Berg in Richtung Aichhalden hinaufging, „sah man droben bei ihr einen langen schwarzen Mann stehen, und darauf war es stille...“ Der „schwarze Mann“ erschien am Gründonnerstag dann wieder, und schon „brannte des Wirts Heuboden hellerlichterloh und das Feuer flog von Dach zu Dache...“ - Für Bechstein war der Stadtbrand also ein gemeinsamer Racheakt von „Teufel“ und 90 Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853, S. XI. 80 Der Teufel von Schiltach 91 Ebd., S. VIII. Magd. Unklar bleibt, wie er zu der Inschrift „Am 10. April 1533 hat der Teufel die Stadt verbrannt“ am „neuerbauten Rathaus“ kam. Dieses ist 1551 erstmals belegt, und es heißt, es sei „ein fein Gebäwe gewesen“,92 eine derartige Inschrift ist historisch jedoch unbekannt. Falls es eine solche je gab, wäre sie beim neuerlichen Stadtbrand 1590 zu Grunde gegangen. So dürfte bei Bechstein hier vor allem die dichterische Eingebung gewaltet haben. „Der Teufel von Schiltach“ war mit dieser „Sage“ für ihn aber noch nicht abgehandelt. 1854 erschien dieser Stoff nochmals, unter dem Titel „Teufelsbuhlschaft“ und als erste seiner sechs „Hexengeschichten“ (Dok. 16). Hier gibt er nun auch seine Quelle an: „Nach einer ausführlichen gleichzeitigen handschriftlichen Berichterstattung im Hennebergischen Gesamtarchiv zu Meiningen.“ Damit meinte er freilich, wie wörtliche Bezüge belegen, die zweite Flugschrift (Dok. 2), von der ihm offensichtlich ein Exemplar oder eine Abschrift im Meininger Archiv vorlag.93 Außerdem kannte er den Brief des „hochgelahrten Erasmus“ (Dok. 4), der die Schiltacher Ereignisse jedoch „andern nachgeschrieben“ habe, und auch Rémy (Dok. 11) hätte die Geschichte nur „dürftig“ erzählt. Da konnte Bechstein weiter ausholen, gestützt auf die „Berichterstattung“ der Flugschrift, deren erster nachweisbarer Bearbeiter er damit war. Bechstein hat genaue Ortskenntnisse: Er lokalisiert „Schildach“ „der württembergischen Grenze ganz nahe“, beschreibt das „gleichnamige Bergwasser“, das „munter hindurch (rollt)“, und kennt das Stadtwappen mit den „drei roten Schildlein im silbernen Felde“.94 92 93 94 Meckes, Entwicklung (wie Anm. 16), S. 252. - Fautz, Stadtbrände (wie Anm. 25), S. 27. Nach Mitteilung des Thüringischen Staatsarchivs Meiningen bisher unauffindbar. Ludwig Bechstein: Hexengeschichten, Halle 1854, S. 3; 5. Der Teufel von Schiltach 81 Hier lässt er nun eine ganze Reihe von Personen auftreten, an der Spitze Ehrn Vollrad, „Ratsherr, Stadtschultheiß und Ratswirt zu Schildach“. Ihm zur Seite steht die Dienstmagd Kathrin, „die hübsch, tüchtig und fleißig war“. Für den Ablauf der Ereignisse hält Bechstein sich an die Flugschrift (Dok. 2), deren Formulierungen er teilweise wörtlich übernimmt. Mit der ihm eigenen spielerischen Sprachlust lässt er „den bösen Feind in höchsteigener Person“ auftreten: „Es trommelte, und zum Trommelschlag scholl die Pickelpfeife, hell und deutlich, als nahe eine Söldnerschar.“ Nach dieser ersten Begegnung, bei der ihm war „als wenn das wütige Heer hindurchziehe“, ließ der Schultheiß die Pfarrherren von Schiltach und Schenkenzell sowie „sämtliche Beisitzer eines hochedlen Magistrates allhier zu Schildach“ zu sich bestellen. Mit gelindem Spott malt Bechstein dann die Sitzung der „edlen Herrn im Festtagsgewand“, nicht ohne auch sie mit viel Phantasie zu charakterisieren: den Müller, den Bäcker, den Kauf- und Handelsherrn, den Brauherrn, den Huf- und Waffenschmied, den Metzger sowie den Chirurg, Apotheker und Bader, „die größte Geistessonne von Schildach“. Letzterer plädiert, nachdem der Schultheiß „das seltsame Abenteuer der vergangenen Nacht“ mitgeteilt hat, „dass hier ein ‚Casus magicus’, wo nicht ‚diabolicus’ vorliegt“. Da fällt „des Städtleins wohlbestalltem Pfarrherr“ nur noch ein Wort ein: „Exorzismus!“ Davor aber wird „der bedenkliche Fall noch reiflichst durchgesprochen und erwogen, und nebenbei wurde auch die große Kanne, die voll Wein gewesen war, leer ...“ Alsdann tritt die ganze Gesellschaft zur Durchführung des Exorzismus an: „Exorcisco te, creatura diabolica per deum † vivum, per deum † verum, per deum † sanctum“, wobei es dem Pfarrer „wispernd und summend immer um den Kopf herum (ging) ... und er merkte wohl, mit wem er es zu tun habe“. Weiter geht das „Teufelsexamen“ - entsprechend den Vorgaben der Flugschrift - , die wiederzugeben Bechstein sichtlich Freude macht, vor allem die Beschimpfung des Schenkenzeller 82 Der Teufel von Schiltach Pfarrers durch den Teufel: „Schalksnarr, Schandpfaff, was fragst du mich? Hast du doch ... der Buhlschaften sieben um dein Haus herum; die Metzen Gret, die Kättners Lies, die Trutschels Vronel, die Bäcker-Ev, die Kärbles Kätter, die Trachtlers Annsibyll, die Schulzen Mareibärbele!“ Doch auch die Unheimlichkeit des Spuks kommt zur Sprache, etwa dass „den Zuhörern endlich die Haare zu Berge stiegen und die Haut schauderte, und sie mählich ein großes Grausen ankam, und auf alle eine Angst fiel und ein unerklärliches Bangen“. So versucht der Schultheiß unter die Angelegenheit einen Schlussstrich zu ziehen, indem er seine Magd aus dem Haus weist, sie als „Teufelsbuhlschaft“ beschimpfend, „die den ganzen schnöden Spuk uns zuwege bringt“. Diese aber heult laut und schreit und schreckt auch vor Drohungen nicht zurück: „Wenn ich eine Teufelsbuhle sein soll, soll’s Euch der Teufel gedenken, dass ich eine bin, und Ihr sollt an mich denken!“ Und als sie über die Höhe nach Oberndorf abzieht, bleibt sie dort nochmals stehen, „sie drehte sich, sie wandte sich, sie streckte den Arm aus gegen das Städtlein, sie schien jetzt ein riesengroßes Weib zu sein. Und siehe, neben ihr ward erblickt die Gestalt eines großen, langen, hagern Mannes, dunkelfarbig, so dass nichts von ihm erkennbar war, und dann verschwand dieser Mann mit ihr hinter der Höhe.“ Bei der Rückkehr des Teufels am Gründonnerstag zeigt dieser dann auch nichts mehr von seinem „zuvor wahrgenommenen heiteren und schalkhaften Humor“, sondern „eine Miene voll bösen Ernstes“. Die Brandstiftung durch den Teufel und drei seiner Buhlinnen schildert Bechstein gleichfalls nach der Flugschrift, die er am Schluss jedoch verlässt, um Partei zu ergreifen: Zuerst gegen die Schiltacher, deren Unglück zwar „schrecklich“ ist, ihr „Zorn“ aber nicht minder, der sich nun gegen das „Werkzeug des Teufels“ wendet, „seine liebste Buhle“. Dass sie nämlich die Ursaches des Der Teufel von Schiltach 83 Brands ist, „dieser Glaube stand baumfest“. Und so bezichtigen sie „jene Oberndorfer Maid“ der „Teufelsbuhlschaft“ und bringen den tödlichen Prozess gegen sie in Gang. Alsdann findet er die Folterung der „armen Kathrin“, die ihr die Antworten in den Mund legt, die „man haben wollte“, genauso „zum Haarsträuben“, wie ihr Todesurteil auf dem Scheiterhaufen „von Rechts wegen“. Und Bechstein bedauert zutiefst, „dass aus ihrer Asche die eingeäscherten Häuser von Schildach nicht wieder aufgebaut werden konnten“. Spätestens hier wird deutlich, dass es ihm nicht nur darum geht, die Mechanismen aufzuzeigen, die zu den Hexenprozessen führten. Bei aller behaglichen Ironie und Fabulierlust verurteilt er auch: den Glauben an die Existenz von Hexen ebenso, wie den aus ihm geborenen Verfolgungswahn. In der Folge bemächtigten sich weitere Sagen- und Geschichtensammler95 des Stoffs, der damit immer wieder neu aufbereitet wurde. So erschien 1926 die „Wahrhaftige Geschichte von der Hexe zu Schiltach“ in einer Anthologie „Das böse Weib“96 fast wortgetreu in der Fassung, wie sie Schwelin (Dok. 13) bereits 1660 unter die Leute gebracht hatte. Dessen Charakterisierung der Magd als „Buhlschaft“ zugleich des „Pfaffen“ wie des „bösen Geist“, und damit als „Hex“ oder Zauberin“, entsprach offenkundig den Kriterien des „bösen Weib“, wie sie jene Anthologie verbreiten wollte: „Was ist ein böses Weib? Ein Blasbalg voller Sinnen, der dieses, jenes bald erzürnet will beginnen; ein böser Skorpion, der uns mit seinem Gift oft unverhofft verletzt; ein Pfeil, der tödlich trifft, bis in das Mark und Bein ...“97 Bei so viel 95 Anton Birlinger: Volksthümliches aus Schwaben, Bd. 1, Freiburg i. Br. 1861, S. 236f., Nr. 364: „Wie Schiltach verbronnen“, bringt den Text von Schwelin (Dok. 13). - Darauf bezieht sich: Johannes Künzig: Schwarzwald Sagen, Jena 1930, S. 16. - Anton Birlinger: Aus Schwaben. Sagen, Legenden, Aberglauben, Sitten, Rechtsbräuche, Ortsneckereien, Lieder, Kinderreime, Bd. 1, Wiesbaden 1874, S. 120-122, Nr. 142: „Hexe verbrennt Schiltach“, mit dem Text der Zimmerischen Chronik (Dok. 8). - So auch: Leander Petzoldt: Schwäbische Sagen, 3. Aufl. München 1993, S. 44-46. - Die Schwarzen Führer. Schwarzwald, bearb. von Ines Heim, Freiburg 1986, S. 155-157, mit einer Beschreibung des Gemäldes am Schiltacher Rathaus und einem Auszug aus dem Erasmus-Brief (Dok. 4). 96 Das böse Weib. Alte Schwänke und Geschichten, neu erzählt von Ernst Guggenheim, Berlin 1926, S. 293. 97 Ebd. S. 3. 84 Der Teufel von Schiltach „Unwesen“, das sie auch „in der peinlichen Folter zugestanden“, war es für Ernst Guggenheim, den Bearbeiter der Geschichte, in der Nachfolge Schwelins nur logisch, dass sie „hernach wegen ihrer Übeltat in Oberndorf verurteilt und öffentlich verbrannt worden (ist)“. 98 Diese Sichtweise nahm auch der Donaueschinger Schriftsteller Max Rieple (1902-1981) auf. Seine Fassung „Der Teufel von Schiltach“99 lehnt sich an „Das böse Weib“ (1926). K. Walchner an und bietet dessen Interpretation mit „des Salmenwirts hübscher Schwiegertochter“ als „des Teufels Buhlin“: Viele Jahre vor ihrer Heirat hätte sie sich „dem Teufel verschrieben“, „des wüsten Treibens müde“ sich dann jedoch „in den sicheren Hafen der Ehe geflüchtet“. Der Teufel gönnte aber „seine Buhlin keinem anderen, und da sie seinen Lockungen und Versprechungen hartnäckig widerstand, sann er auf furchtbare Rache. In der Flammenglut, die Schiltach verzehrte, sollte sie wieder die Seine werden“. Diese schreckliche Macht des Teufels verlangte jedoch einen Ausgleich, womit Rieple seine Sicht der Geschehnisse findet: „Feuer muss durch Feuer gesühnt werden.“ Das Opfer hatte „die Hexe“ zu erbringen, „der 98 Ebd., S. 293. 99 Max Rieple: Sagen und Schwänke vom Schwarzwald, Konstanz 1965, 4. Aufl. 1994, S. 60-63. Der Teufel von Schiltach 85 Arm der Gerechtigkeit“ griff nach ihr, „und auf dem lodernden Scheiterhaufen zu Oberndorf sühnte sie ihre Schuld“. 100 - So wurde der Hexenprozess von 1533 auch noch im 20. Jahrhundert gerechtfertigt, und dies hundert Jahre nach den kritischen Bemerkungen Bechsteins über Hexenwahn und Folter! Im historischen Roman 1876 zog der Schriftsteller Wilhelm Jensen (1837-1911), der bereits eine Vielzahl historischer Erzählungen und Romane verfasst hatte,101 von Norddeutschland nach Freiburg. Dort brachte er ein Schwarzwald-Buch heraus,102 das der in Gutach lebende Maler Wilhelm Hasemann (1850-1913) illustrierte. In ihm bezeichnete Jensen Schiltach als „eine der interessantesten Städte des Schwarzwaldes“, wobei er, den Bericht von Crusius (Dok. 9) zitierend, auch auf das „Feuergeschick“ von 1533 zu sprechen kam.103 Von diesem Ereignis offenkundig fasziniert, verfasste er darüber auch einen 272 Seiten umfassenden historischen Roman, der unter dem Titel „Der Teufel in Schiltach“ 1883 erschien (Dok. 17). Schauplätze der breit angelegten Geschichte sind das Pfarrhaus, das Pfarrer Damian Übelhör und seine ältliche Haushälterin Ursula Röckenfeller bewohnen, sodann die Wirtschaft „Zum Lindenbaum“ und schließlich das baufällige Schloss auf dem Schlossberg, auf dem der heruntergekommene Ritter Burkhard Söldenrich mit seiner Tochter Stilla haust. Das hier gezeichnete „Schiltach“ weist jedoch wenig Lokalkolorit auf („St. Trudpertskirche“, „Norderthor“, „Blick auf den Kandel“), und auch die Handlung kommt nur schleppend in Gang: Vom Kloster Alpirsbach her zieht die Reformation ein, der sich 100 Ebd., S. 62f. 101 Vgl. Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisch-bibliographisches Handbuch, begründet vom Wilhelm Kosch, 3. Auflage, Bd. 8, hrsg. von Heinz Rupp und Carl Ludwig Lang, Bern/München 1981, Sp. 561-564. 102 Wilhelm Jensen: Der Schwarzwald, Berlin 1890. 103 Ebd., S. 87-89. 86 Der Teufel von Schiltach der Pfarrer sofort anschließt und gleich eine dem Kloster Wittichen entsprungene Nonne heiratet. Mehr Bewegung bringt der Einzug des jungen, sich auf Schatzsuche befindenden Landsknechts Görz Rüdenklau. Er gewinnt die Herzen der Schiltacher und vorzüglich das der neuen Pfarrersfrau, in deren Haus er Quartier nimmt. Dort ist er fortan dem Pfarrherrn bei der Abfassung eines Teufelsbuchs behilflich. Auf dem Schloss macht er mit dem Burgherrn alchimistische Versuche und verliebt sich in dessen hübsche Tochter. In der Silvesternacht auf 1533 gerät er in den Hexensabbat auf dem Kandel, wohin auch die Pfarrhaushälterin ausgeflogen war. Sie, eine aus dem „Welschland“ zugezogene ehemalige Marketenderin, erkennt in ihm später ihren leiblichen Sohn, worüber sie in Wahnsinn verfällt. Davon ahnt der junge Held jedoch nichts, der damit beschäftigt ist, seine große Liebe Stilla wiederzufinden, die in der Zwischenzeit von ihrem Vater ins Kloster Wittichen gesteckt wurde. Mit List und Tücke gelingt es ihm, sie von dort zu entführen und im verlassenen Kloster Alpirsbach zu verstecken. Der Der Teufel von Schiltach 87 Schlupfwinkel wird jedoch entdeckt, und Stilla eilt, von den Witticher Nonnen verfolgt, ihrem Liebsten nach Schiltach entgegen. Der hat unterdessen im Keller des Schlosses den Schatz entdeckt und ihn, als Teufel verkleidet, dem Burgherrn entrissen. Nun überschlagen sich die Ereignisse: Während Görz „von drunten, wo die gute Stadt Schiltach lag, eine einzige ungeheure, bis in die Wolken lodernde Riesenflamme entgegenschlug“,104 kommt ihm die Verfolgerschar entgegen, die im letzten Moment von Stilla ablässt: Sein Teufelskostüm, mit dem er bereits den Burgherrn erschreckte, wirkt auch jetzt in der höchsten Not: „Er hat sie - er holt sie - der Leibhaftige hat sie in den Krallen!“ Und „blutig von der ungeheuren Lohe drunten angestrahlt, ward Stilla Söldenrich dort von zwei roten Armen aufgefangen, ein schwarzer Kopf mit Hörnern und langem Bocksbart bückte sich drüber, die Hände desselben umklammerten sie, hoben sie in die Höhe und wirbelten im nächsten Moment, spurlos mit ihr verschwindend, gerade in die dicke, schwarze Rauchwolke hinein, die der Sturm nach dem Waldgebirg hinter der Burg hinüber schob.“105 Görz aber soll gegen Ende des Jahrhunderts als Ratsherr in Bamberg unter Hinterlassung einer „ungewöhnlich zahlreichen, doch wohlversorgten Familie hochbetagt gestorben sein“.106 Der Teufel, den Jensen auftreten lässt, ist also eine Art Theaterteufel, ein Kostüm, mit dessen Hilfe der Held den Schatz erwirbt und seine Geliebte rettet. Für den Stadtbrand hat Jensen zwei Deutungen: Zuerst nimmt er ein ungewöhnlich heißes Frühjahr an, in dem ein „aus dem schweren, tagverdunkelnden, doch völlig regenlosen Wettergewölk herabgefahrener Blitzschlag“ den Brand entzündete, womit er für eine „natürliche“ Ursache plädiert. Doch 104 Wilhelm Jensen: Der Teufel in Schiltach, Berlin 1883, S. 262 (ebd. „362“). (ebd. „367/368“). 106 Ebd., S. 272 (ebd. „372“). 88 Der Teufel von Schiltach 105 Ebd., S. 267f. dann kehrt er wieder in seinen Roman zurück und bringt „Augenzeugen“ ins Spiel, die auf dem Dach des Pfarrhauses „eine dunkle, entsetzlich aussehende Weibsgestalt mit windfliegenden Haarsträhnen und etwas wie einer Pechpfanne in den Händen“ gesehen haben wollten. Sie habe Schiltach an den Teufel verwünscht, worauf die ganze Stadt in Flammen aufgegangen sei. Man habe gerichtlich festgehalten, „dass es eine Hexe gewesen, welche vom Teufel aufgestiftet, die Stadt zu verderben“. Jenes „Kebsweib des satanischen Tückebolds“ konnte aber nur „die Pfarrersköchin Ursula Röckenfeller“ gewesen sein,107 der Jensen von Anfang an die Unglücksrolle zugedacht hatte. Mit ihr als Schuldiger übernimmt er die Behauptung von einem „Weib“, „mit welcher der Pfaff vierzehn Jahr lang hatte zugehalten“ (Dok. 11), die er seinerseits zur „Pfarrersköchin“ macht. Originell ist jedoch seine Deutung des „Teufels“ als bloßer Mummenschanz eines in Schiltach eingezogenen Fremden, mit dem dieser sein possenhaftes Spiel auf die Spitze treibt. Mit dieser Idee hat er, auch wenn sein Roman insgesamt eher gekünstelt wirkt, die Ereignisse um den „Teufel von Schiltach“ wohl richtig erkannt. In der Geschichtsforschung 1886 erreichte das Schiltacher Bürgermeisteramt ein Schreiben eines Freiherrn von Cornap aus Dresden, der um „auf den mysteriösen Vorfall von 1533 Bezug nehmende Urkunden in der Gemeinderegistratur“ bat. Bürgermeister Adolf Christoph Trautwein schaltete den Hauptlehrer Johann Höflin (1826-1892) 107 Ebd., S. 262-264 (ebd. „362-364“). Der Teufel von Schiltach 89 ein, der jedoch nichts fand und davon ausging, dass beim zweiten großen Brand 1590 auch „alle alten Urkunden“ zu Grunde gegangen waren. Er konnte Cornap, der sich mit der „Erforschung der Kulturgeschichte des deutschen Volkes“ beschäftigte, aber mit den diesbezüglichen Stellen der älteren Chroniken dienen (Dok. 8; 12). Cornap revanchierte sich mit einer Abschrift der von ihm in der „königlichen Bibliothek zu Berlin“ aufgefundenen Flugschrift von 1533 (Dok. 2), die so den Weg zurück nach Schiltach fand, wo Höflin sie in seine (ungedruckt gebliebenen) „Beiträge“ aufnahm.108 Darauf bezog sich als erster Max Mayer, 1917-1929 evangelischer Stadtpfarrer in Schiltach, in seinem Beitrag über die Hexenverbrennungen in Schiltach, in dem er auch die Ereignisse von 1533 erwähnt, nicht ohne Mitleid über das Schicksal der „Köchin oder Magd“: „Das bedauernswerte Weib musste in Oberndorf den Flammentod erleiden.“109 Teile der Flugschrift erschienen 1925;110 ediert wurde sie 1961 von dem Heimatforscher Hermann Fautz (1898-1979),111 der sie jedoch nicht auswertete. Auch er kritisierte den „Hexenwahn“ und die „Hexenbrenner“, für die die Schiltacher „Märe“ von 1533 eine „gefundene Sache“ gewesen sei. Als Brandursache tippte er auf einen „Kaminbrand“, den „man in der Aufregung und in der Befangenheit des Hexenwahns nicht rechtzeitig löschen konnte und dafür die Schuld einer Teufelsbuhlin zuschob“,112 womit er freilich hinter den in den Quellen angelegten Deutungsmöglichkeiten zurückblieb. Von Oberndorfer Seite stellte der Historiker Hans Peter Müller die Ereignisse als den „frühesten Hexenprozess in Oberndorf und der ganzen Gegend am oberen Neckar überhaupt“ vor, wobei er 108 Höflin, Beiträge (wie Anm. 64), S. 56-70 109 Mayer, Hexenverbrennungen (wie Anm. 69), S. 73. 110 Würdigt das Vergangene. Stehet zur Gegenwart. Schafft für die Zukunft! Vierzig Jahre freiwillige Feuerwehr Schiltach, Schiltach 1925, S. 21. 111 Fautz, Stadtbrände (wie Anm. 25), S. 16-18. 112 Ebd., S. 19f. 90 Der Teufel von Schiltach sich auf die Nacherzählung des Berichts der Zimmerischen Chronik (Dok. 8) beschränkt.113 - In der landesgeschichtlichen Hexenforschung griff Johannes Dillinger (Tübingen) den Schiltacher Fall auf.114 Er stützt sich jedoch gleichfalls nur auf den Zimmerischen Chronisten und spricht den Flugschriften als „Sensationsflugblättern“ den Quellenwert ab. Der „Teufel“ ist für ihn ein „Poltergeist“, den er nicht weiter hinterfrägt. Dafür zeigt er die Mechanismen auf, die zum Hexenprozess führten, vor allem die der Magd zugeschriebene Fähigkeit zur Bilokation, die man sich nur mit einem Hexenflug erklären konnte. Sie zeuge „von einem geschickten Umgang mit der Hexenlehre“, weil sie die Anklage ermöglichte und entlastende Zeugenaussagen zugleich irrelevant wurden. Als „Stimulus der Verfolgung“ wirkte dann der Stadtbrand, analog den Ernteverlusten und Wetterkatastrophen, die auch sonst schwere Hexenverfolgungen auslösten. Von besonderem Interesse ist die Feststellung, dass das Motiv von „Hexe und Teufel als Brandstifter“ in der Geschichte der Hexenprozesse sonst kaum eine Rolle spielt, so dass der „Sensationsfall“ Schiltach doch relativ einmalig dasteht. Diese Einschätzung wird man ihm auch aus anderen Gründen zubilligen müssen: In „verfolgungsarmer Zeit“ passiert, wurde er für Zeitgenossen und Nachfahren zum realen Beweis dafür, dass der Teufel sein Unwesen auf Erden treibt und in seiner teuflischen Art Menschen zum Pakt mit ihm verführt, so dass man zumindest diesen seinen Werkzeugen, den Hexen, das Handwerk legen musste. Dass er mit seiner Macht sogar eine ganze Stadt verdarb, blieb nicht nur eine mündlich und schriftlich durch alle Lande eilende Märe, sondern wurde zum Präzedenzfall, mit dem Chronisten, Dämonologen und Wunderzeichen-Autoren ihre Hexengläubig113 Geschichte Oberndorf a. N. (wie Anm. 27), S. 321. 114 Johannes Dillinger: Hexenverfolgungen in der Grafschaft Hohenberg, in: Johannes Dillinger, Thomas Fritz, Wolfgang Mährle: Zum Feuer verdammt. Die Hexenverfolgungen in der Grafschaft Hohenberg, der Reichsstadt Reutlingen und der Fürstpropstei Ellwangen, Stuttgart 1998, S. 1-161, hier S. 32-35. Der Teufel von Schiltach 91 keit, Teufelskonstrukte und Morallehren beweisen konnten. So entstand aus diesem Exempel eine „Volkssage“, die bis in die Neuzeit von Literaten und Sagensammlern aufgegriffen und weiterverbreitet wurde. In der Kunst In Schiltach selber trugen vor allem Künstler dazu bei, dass die Geschichte vom „Teufel“ lebendig blieb. 1925, anlässlich des damaligen Feuerwehrjubiläums, brachte der von hier gebürtige Karlsruher Kunstprofessor Karl Eyth (1856-1929) eine auf Kupferdruckkarton gedruckte, naturalistische Steinzeichnung „Der Teufel von Schiltach. Anno 1533“ heraus,115 die große Verbreitung fand. Sie zeigt im Vordergrund den Schiltacher „Grün“ mit dem in sein Horn stoßenden, aufgeschreckten Nachtwächter; dahinter brennt es im „Städtle“, wo auf dem höchsten Giebel eine nackte Frauengestalt Öl in die Flammen gießt und dabei von einem in der Luft schwebenden, überdimensionalen „Teufel“ gestützt wird. Dieses Motiv hat Eyth auch in zwei Ölgemälden ausgeführt (jeweils undatiert), die sich im Besitz des Schiltacher „Museums am Markt“ befinden.116 Mit unterschiedlich belebtem Vordergrund, aber gleicher Perspektive, baut sich auch bei ihnen ein mächtiger, triumphierender Teufel über der brennenden Stadt auf, der ein das Feuer schürendes, nacktes Mädchen in Händen hält (vgl. Titel und Abb. S 100). Der gleichfalls aus Schiltach stammende Kunstmaler Eduard Trautwein (1893-1978)117 edierte 1934 die Kunstmappe „AltSchiltach“, die auch zwei, 1930 entstandene Zeichnungen mit den Titeln „Der Teufel von Schiltach 1533“ und „Hexenverbrennungen 115 Als Beilage zu: Vierzig Jahre freiwillige Feuerwehr (wie Anm. 110); vgl. ebd., S. 55. - Vgl. Peter Homberg-Harter: Schiltacher Künstler, in: Schiltach. Schwarzwaldstadt (wie Anm. 5), S. 380-382f., hier S. 380f. 116 Das eine Gemälde ist dort ausgestellt, Inv.-Nr. 85/110; das andere befindet sich im Depot. Kunstgeschichtliche Untersuchungen über sie gibt es bisher nicht. 117 Homberg-Harter, Schiltacher Künstler (wie Anm. 115), S. 381f. 92 Der Teufel von Schiltach Der Teufel von Schiltach 93 in Schiltach“ enthielt (vgl. Abb. S. 39 und S. 64). Letzteres Motiv nahm Trautwein dann auch in seinen Freskenzyklus auf, mit dem er 1942 das Schiltacher Rathaus bemalte. Als weitere Szenen aus der Stadtgeschichte gehören dazu die Flößer und der Herzog Reinold von Urslingen; ein Arbeiter und eine Arbeiterin symbolisieren die Metall- bzw. Tuchindustrie, und unter der Stadtfahne verbrüdern sich - ein ausgesprochen nationalsozialistisches Motiv - die „Arbeiter der Faust und der Stirn“. Sie alle sind Kraftgestalten, die den Monumentalstil ihrer Entstehungszeit nicht verleugnen können. Am ausdrucksstärksten erscheinen jedoch der gehörnte „Teufel“ mit seinen Bocksfüßen und die mit nackten Beinen und wehendem Rock lüstern lachende „Buhlin“, die jener mit Wohlgefallen umgreift und zur Brandstiftung anweist (vgl. Abb. S. 102). So ragt der „Teufel von Schiltach“ bis heute an prominenter Stelle in die städtische Öffentlichkeit hinein, wo er in der Intention des Künstlers wohl ein permanentes Schaudern hervorrufen sollte. Als „Schiltacher Teufel“ bei der Fastnacht Schon bei der Gründung der „Freien Narrenzunft“ 1949 sprachen die Beteiligten über eine für Schiltach typische Fastnachtsmaske. Dass sie dabei auf den „Schiltacher Teufel“ kamen, war naheliegend, besaß diese Figur doch eine ortsgeschichtliche Anbindung, mit der man sich identifizieren konnte. Dies kam auch bei der Präsentation des „Urteufels“ 1953 zum Ausdruck, der sich mit den Versen einführte: „Ein Teufel sein, oh welche Lust, zu weilen in der Stadt, die vor 400 Jahren ich zuletzt betreten hab... Heut stell ich mich euch wieder vor, weil mir es hier gefällt, denn ohne mich - so schön es wär, geht’s nicht auf dieser Welt.“118 118 Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Narrenzunft Schiltach e. V. vom 4. bis 6. Februar 2000, hrsg. von der Narrenzunft Schiltach e. V., Schiltach 2000, S. 18. 94 Der Teufel von Schiltach Wohl war den Beteiligten klar, dass der „Teufel“ die Erklärung der damaligen Schiltacher für den Stadtbrand war, mit der sie die Katastrophe einer greifbar Schuldigen in die Schuhe schoben.119 Andererseits fügte sich die Teufelsmaske bestens in das Umfeld der Schwäbisch-Alemannischen Fastnacht ein, in der die Teufel zu den ältesten Gestalten überhaupt gehören. Auch lebten gerade in der jüngsten fastnächtlichen Entwicklungsstufe vor und nach dem Zweiten Weltkrieg die Dämonengestalten in großer Zahl wieder auf,120 so dass sich die „Schiltacher Teufel“ zu den vielen alten und neuen diabolischen Wesen im Lande gesellten. Mit dem Stadtwappen am Häs erinnern sie zwar an die Geschichte von 1533, doch treten sie vor allem als Figuren der Straßenfastnacht auf, die mit ihrer Verkleidung für Späße und ein wenig Erschrecken sorgen. So haben sich die örtliche Sagengestalt und der Fastnachtsbrauch längst vermischt, die Heimatverbundenheit, aus der die „Teufel“ hervorgingen, und das aus der Fastnachtstradition stammende Schreckwesen sind ineinander übergegangen (vgl. Abb. S. 103). Davon abgesehen, erscheint der von der Narrenzunft vorgebrachte Bezug auf die Ereignisse von 1533 auch nicht unbegründet. Dies vor allem, wenn den Schiltachern damals tatsächlich zuerst eine Posse gespielt wurde, und zwar durch einen Vaganten, wie ihn zu jener Zeit etwa auch die Gestalt des Till Eulenspiegel verkörpert. So wäre der „Teufel“ von 1533 zugleich der erste Schiltacher „Narr“ gewesen. Dass sein Treiben durch den Stadtbrand und die dadurch ausgelöste Hexenjagd wenig später in eine größere Katastrophe mündete, ist freilich die dunkle Kehrseite. Sie wird auch von den heutigen Narren gesehen, wenn auch auf ihre Weise. So haben sie dem „Teufel“ die „Magd“ als „Gefährtin“ zur Seite gestellt (seit 1969), und zwar wiederum „in Anlehnung an die Sage des 119 Ebd., S. 2. 120 Vgl. Werner Mezger: Das große Buch der schwäbisch-alemannischen Fasnet. Ursprünge, Entwicklungen und Erscheinungen organisierter Narretei in Südwestdeutschland, Stuttgart 1999, S. 49f. Der Teufel von Schiltach 95 Schiltacher Teufels“.121 Beim nächtlichen „Teufelstanz“ wird diese auch „verbrannt“, zu den Klängen des Narrenmarschs und den Versen „Die liadrig Hex a jeder kennt! Sie wird - ihr Leut - jetz glei verbrennt!“122 Von außerhalb des närrischen Treibens könnte man dieses Spektakel in Frage stellen, doch ist auf der anderen Seite klar, dass es hier nicht um eine Art von Gedenken oder um geschichtliche Aufarbeitung geht, sondern um das Aufgreifen eines örtlichen Ereignisses und sein Nachempfinden im Sinne der „närrischen Gegenwelt“. Diese bestand schon immer aus archaisch-anarchistischen Elementen, wozu auch die Freunde am Schaurig-Schönen gehört, die offenkundig auch in unserer vernunftmäßig ausgerichteten Zeit ein Bedürfnis ist. So bildet das Auftreten von „Teufel“ und „Magd“ nur die Folie, auf der sich Gefühlswelten entfalten können, für die außerhalb der närrischen Zeit wenig Raum ist; gerade das Aufbegehren gegen alles Rationale und politisch Korrekte macht ja zum guten Teil das Wesen der Fastnacht aus. In ihrem Selbstverständnis gibt die Schiltacher Fasnet „einfach die närrisch-freizügige Interpretation der Vorkommnisse von vor 400 Jahren, und wie oft in der Schwäbisch-Alemannischen Fastnacht werden historische Hintergründe närrischen Ideen und närrischem Treiben untergeordnet.“123 Als Fernsehfilm Im Auftrag des Südwestrundfunks entstand 1984 der Fernsehfilm „Chronik vom Brand der Stadt Schiltach im Kinzigtal anno 1533“, Buch und Regie von Frank Wesel.124 Gestützt auf die damals bekannten Quellen (Dok. 2; 3; 8) sowie Bechsteins „Teufelsbuhl121 Festschrift (wie Anm. 118), S. 20. 122 Vgl. ebd., S. 30. 123 Mitteilung von Herrn Jakob Wolber, Hausach, früher Mitglied der Narrenzunft Schiltach. 124 Länge: 53 Min. 23 Sek., Erstsendung am 17.5.1984. - Videokopie im StA Schiltach. 96 Der Teufel von Schiltach schaft“ (Dok. 16) gibt der Autor eine Deutung der Schiltacher Ereignisse mit den Mitteln des Films. Dieser spielt in einer bedrohlichen, alpinen Felsenlandschaft, in der ein steinernes, abweisendes Schiltach mit seinen verschlossenen Einwohnern liegt. In seinem Gasthof stellt der verwitwete Schultheiß der jungen Magd Kathrin nach, die sich jedoch selbstsicher zu wehren weiß. Ihr wahrer Freund ist der Gaukler Jockel mit seiner Fidel, den sie in einer Höhle unterm Haus versteckt hat. Er schleicht des Nachts durch Haus und Gasse und will durch Geräusche und Stimmen dem Wirt Angst einjagen, um ihn so von Kathrin abzuhalten. Der wiederum holt den Pfarrer zum Exorzismus. Unter den tückischen Augen der Männer erbittet die Magd daraufhin die Kündigung und verlässt, angsterfüllt, den ungastlichen Ort. Dieser steht, nachdem ein schweres Wetter aufgezogen war, wenig später in Flammen. In seiner Not - er hat bereits das zweite Mal Hab und Gut verloren - will der Wirt Kathrin für sich gewinnen. Als sie sich ihm verweigert, wird sie von ihm vergewaltigt. Zugleich ruft in der Kirche, als Ventil für die ins Elend geratenen Einwohner, ein Mönch zur Hexenjagd auf. Dies bringt den rachsüchtigen Wirt dazu, Kathrin im Beichtstuhl als Hexe anzuschwärzen. Da dies auch noch einer seiner Freunde tut, ist es um sie geschehen: Auf ihre Verhaftung folgen Folter und Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen. Dass Jockel gesteht, im Keller des Wirtshauses aus Angst um sie die Teufelsrolle gespielt zu haben, interessiert, nachdem die „Hexe“ gebrannt hatte, niemanden mehr, und man prügelt ihn zum Städtchen hinaus. Der mit langen Bildeinstellungen arbeitende und mit spärlichen Dialogen auskommende Film hat eine eindeutige Botschaft: Das zu den sozialen Außenseitern zählende Paar von Magd und Vagant wehrt sich mit seinen bescheidenen Mitteln gegen die Nachstellungen des gut situierten Wirts. Der aber ist stärker als sie, nicht Der Teufel von Schiltach 97 nur körperlich und weil er die Pfarrer auf seiner Seite hat; er scheut sich auch nicht, die das Städtchen durch Blitzschlag getroffene Brandkatastrophe zur Intrige und Rache auszunützen und die ihn abweisende Magd ans Messer zu liefern. Dabei hat er seine willigen Helfer, nicht zuletzt die kirchlichen Oberen, die zur Hexenjagd blasen. Auf der Stecke bleibt auch Jockel, ein wirklicher „armer Teufel“, der dem Wirt eigentlich nur einen Schrecken einjagen wollte. - Mit dieser Interpretation greift der Autor Frank Wesel nicht nur auf die Deutung des Erasmus (Dok. 4) als Eifersuchtsgeschichte zurück, er nimmt auch die Nachricht des Zimmerischen Chronisten über den in Ingolstadt hingerichteten Vaganten auf (Dok. 8). So entlarvt er den „Teufel von Schiltach“ als einfaches menschliches Drama, in das sich die verschiedenen Personen auf Grund ihrer unvereinbaren Gefühlswelten verstricken und in dem sich die Mächtigen gegen die Guten, aber Ohnmächtigen, durchsetzen. 98 Der Teufel von Schiltach Das Flugblatt von 1533 (Dok. 3). Vorlage und Aufnahme: Zentralbibliothek Zürich. Der Teufel von Schiltach 99 Karl Eyth: „Der Teufel von Schiltach“. Ölgemälde (undatiert). - Museum am Markt Schiltach. 100 Der Teufel von Schiltach Der Wappenlöwe auf dem Schiltacher Städtlebrunnen (um 1600). Der Teufel von Schiltach 101 Eduard Trautwein: „Der Teufel von Schiltach“. Fresko am Rathaus Schiltach (1942). 102 Der Teufel von Schiltach Schiltacher Teufel in der Fastnacht, Aufnahme von 1980. Der Teufel von Schiltach 103 Schiltacher Mägde in der Fastnacht, Aufnahme von 1980. 104 Der Teufel von Schiltach Der Teufel von Schiltach Quellendokumentation Dokument 1: Flugschrift von 1533:125 [S. 1] Ein erschrocklich War= hafftige History wie es yetz auff den Gründonnerstag im Kintzgertal zu° Schiltach im dreyundreissigsten jar / der listig Teüfel die frumen leüt daselbs / mit falschen worten / pfeiffen / allerley gesang / rc. be= trogen / zu° lest die Statt gar verderbt / und e verbrent hat. Was er für wort und gesprach mit den leüten gehalten / auch wie man in beschworen hat / wie er wider ant= wurt geben / findestu gründtlich in e disem buchlin getruckt ston. M. D. XXXiii. e [S. 2] Es hat sich zutragen ein groß erschrocklich wunderbarlich geschicht durch ein gespenst zu° Schiltach im Kintzgertal angehebt auff unser lieben frawen verkündung tag / zu° nacht in einem wirtse hauß / daselbst mit ungehortem wesen seiner vorhandelung mit pfeiffen wie ein mensch durch sein mund zuwegen mag bringen / e gethon / weltliche lieder das man hatt künden verstehn und horen die weiß solches liedts oder gesangs / doch nit mit ußtrucklicher 125 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Theol. qt. 3280. - Vgl. Verzeichnis der im Deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des XVI. Jahrhundert - VD 16 -, hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek in München in Verbindung mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. I. Abteilung, Bd. 6, Stuttgart 1986, Nr. E 3856. - Das dort nachgewiesene Exemplar befindet sich in „Privatbesitz“. - Der Druckort ist nicht bekannt. Der Teufel von Schiltach 105 menschlicher zung / sonder wie durch ein wicken126 zu tantz gemacht / als hette er fleischliche finger gehabt wie ein natürlicher mensch das mit weltliche freüd gemachet. Und niemands hat küne den etwas sehen / greiffen / horen / oder taschten / und doch wie ein fleischlicher mensch mit werffen / stein / holtz und anders sich gebraucht zu werffen gethon hat. Also das das haußvolck sollichs e hauß in der gemelten nacht hat mussen auffstehen sich zu einane e der verfugt / und der haußvatter sollichs hauß / sein volcklin freüntlich und trewlich gesterckt unnd ermanet zum Christlichen glauben / zu der forcht und liebe Gottes / und ir gu°t vertrawen und hoffnung in den barmhertzigen Got setzen / der [?] werde sie nit verlassen. Aber als vilen gemelter haußvatter mit solchen und andern Christenlichen ermanungen an sein haußgesind gethon / das gespenst des teüfels im mit seinem pfeiffen die wort verspottet e / das man klarlich hat künden verstehen das der teüfel sei gewesen mit seiner arglistigkeit. Und so man hat vermeynt an dem ort do er sei mit seinem pfeiffen / daselbs man hinkummen / er gleich von stund an in einem andern ort gewesen mit seinem pfeiffen / wie man zu tantz pfeiffet und trummen schlecht / und doch nichts sichtbars oder greiflichs gewesen. e Item mer und weitter wie solche betrugnis sein argli [S. 3] stickeyt inn vilfeltickeyt mit pfeiffen weltlicher lieder / die dann dem teüfel mer und seiner geselschafft zu dienen seiner freüd / dann Gott dem herrn zu° lob / eer / dancksagung er sein abentheür und arglisticke eit gebraucht / wie gattung127 allerlei vogel und zu° tantz gepfiffen / und als mit fleischlichen natürlichen fingern / wie ein trummen schlaher sein trummen schlahen sampt mit pfeiffen jemants vermeint hette gethon / solche abentheür bestanden / da durch einn erschrecken inn die menschen solches haus unnd anderer kummen 126 wie durch ein Nichts (?) 106 127 in der Art Der Teufel von Schiltach e / also das gemelter haußvatter / da dann die betrugnis in gewonet / e etlich geistlich und weltlich manner gebetten auf freitag nach der verkündung Marie / selbige nacht die grausamliche wunderbarliche e handlunng selbs zu°verhorn und zuvernemen / wann welcher e mensch solches nit wer horn / ehr im kein glauben würde geben / wann unchristlich sein verhandlung128 sei. Freitag zu°nacht / als sich das haußgesind inn Gottes namen zu° rhu° nidergelegt zu°entschloffen / deßgleichen die erbetnen persone / so durch den haußvatter erbetten sind worden / selbige nacht die e wunderbarlichen wirckung zu°verhorn / auch den wunderwirckune gen zu°gehort / hat sich vonn stund an als bald man sich zu° ru°w nidergelegt / sein abenthewr bestanden / und aber angehebt wie e zu°vor / wunderbarlicher dann nie sich geubt / ye lenger ye grewlie cher. Also das mancher mensch mochte vermeint und gedacht e haben / er wolte das gespenst ergriffen haben / aber nichts greiflichs noch sichbars. Also das durch etliche priesterschafft und e andern so zu°gegen sind gewesen / diese betrugnis durch die kraft Gottes und seins worts / ermanet antwort zu° geben / aber keine geben / sonder mit pfeiffen verworffen / und reyfen / holtz und anders / wie in der kammer gelegen / auff die personen geworffen / empfintlich gewesen / aber kein entsitzen 129 der personen gewesen / in widerumb [S. 4] mit dem wort Gottes ermanet / das er kein bleibhafftige stat do haben werde / dann Gott der herr im allen seinen gewalt genommen / und im seinen kopff zerknitscht unnd zertretten hab / das ehr weiters kein gewalt über ein yeglichs Christen mensch haben sol oder werde haben. Dergleichen auß vil ermanungen auß dem wort Gottes an in beschehen / aber alles mit seie nem pfeiffen spotlich verworffen. Also durch vil fragstuck durch das wort Gottes erfraget worden / warumb er da sey / oder wer ehr 128 Gebaren 129 Entsetzen, Furcht 130 niemand 131 Laie Der Teufel von Schiltach 107 sey / Er durch sein pfeiffen das man wol hat künden versten / das der teüfel sei / unnd im nienermit130 zu°helffen. Auff sein antwort / befragt in ein Ley131 in der kammer nach seinem pfeiffen / ob er auch künde pfeiffen wie ein trostel / meiß / distelvogel / und der gleichen / zu° letst wie ein rap und krey / und als bald es das rappenn geschrey natürlich angehebt / so ein grewlich teüflisch e geschrey / das kein mensch auff erdrich nie erhort hat. Und wie ein yeglicher vogel sein natürlich gesang hat / also er das selbig auch artlich gesungen unnd pfiffen hat. Nach solchem teüflischen rape pen geschrey das auf erdtrich nie erhort ist worden / gebraucht / und über ein kleine weil nach solchem geschrey weitter an gefordert mit dem wort Gottes mündtlich zu°reden / den glauben132 im fürgesprochen / er angehebt mit menschlicher zungen wie ein weibs bild angehebt zu°reden / Nemlich / Laß mich mit lieb / und das selbig zu°m tritten mol ye lenger ye grewlicher. Also er befragt wordenn / Ob er künde sagen was für personen in der kammer ligen / er angehebt und einem yeglichen seinen namen geben / wie er sein tauff namen empfangen / hat er es sey weib oder mann gewesen / geystlich oder weltlich / unnd wer ein yeglicher sey / seines standts / und woher er sei / der gleichen nit sunderlich den jhenigen irn namen geben so inn gegenwertigkeit gewesen / sonder auch e die jhenigen inen verwant und zu°geho [S. 5] rig / genennet ires namens wie ein yeglichs seines namens hieß. Also nach seiner abenthewr seiner arglistikeit wie er sich erzeygt wie vorgemelt / e befraget worden / Ob auch boser weiber / die man nennet unhulden / wissen trage / wer die selbig seien / Er die antwurt mündtlich geben ein mol ja / das ander neyn / also das er auff seinen worten nit bliben ist. Der gleichen er befragt / Warum er dahin kummen sei e / Er sein antwort geben er wolle das hauß verbrennen und die gantz statt die selbig nacht / und alle menschen die darinnligen oder 132 Glaubensbekenntnis 108 Der Teufel von Schiltach seien. Aber auff sein anzeygung seiner wort / auch seiner teüffelhafftigen arglistigkeit im keinen glauben geben / nach dem unnd klerlich das wort Gottes vermag / das er lugenhafftig ist / unnd in keiner warheit nie gestanden noch sich gehalten hat / und also noch aller arglistigkeit seiner rede sich gebraucht. Also durch geistliche priesterschafft das volck ermant selbigen stund und zeit sich dapffer Christlichs glaubens zuhalten der liebe ires Gots nachgedencken / der alle menschen begert zubewaren vor allem übel das e inen zustendig mochte sein an seel und leib / darumb mit gu°ter ru°w im namen Gottes herrn entschlauffen. Item auff Sambstag morgen es widerumb sein pfeiffen angehebt e / dz man in befraget hat / was er wolle / Er durch sein pfeiffen e geantwort das man hat künden verstehen / er wolle mit den selbigen zumorgen essen. Item so man ihn gefraget hatt was er thu°n e e wolle / er durch sein pfeiffen geantwort / er wolle bei eim ligen. e Und so er befragt worden / was er thu°n wolle / er gepfiffen das man e hat künden verstehen / er wolle in zertrucken / und der gleichen vil wunderlichs. Und also auff Sambstag nach der zehendt ur nichts e mer gehort worden / weder durch pfeiffen oder anders / wie zuvor e das gespenst sich geubt. Unnd also angestanden biß auff den grünen dornstag / [S. 6] sich zugetragen / das das gemelte hauß angangen unnd verbrent / und die gantz statt / und kein mensch nit hat künden wissen wo durch oder woher es beschehen ist / ist aber ein person in dem gemelten hauß gewesen ein magt darinn gedient ein zeitlang / unnd aber verargwonet / als ob sie ein unhuld sei / und zwischen der wunderbarlichen handlung hinweg kummen / und hie zwischen gefenglich angenommen zu Oberndorff / und verichen133 / das sie die gewesen / die das gemelt hauß verbrent hab und die gantz stat / wann sie sich bekant hat in irer veiehung134 / 133 gestehen 134 Geständnis Der Teufel von Schiltach 109 sich ires Gots / Marie der mu°tter Gots / und der welt sich verleügnet habe. Unnd wie sie zu Oberndorff das hochwirdig Sacrament auff den grünen dornstag empfangen / hab nichts darauff gehalten. Unnd nachgendigs gleich auff ein ofengabel gesessen / gen Schiltach geritten. Do hab der teüfel ir auff dem hauß gewartet / und do sie kummen sei / der teüfel ir ein hafen geben / etwas darinn gewesen / zu ir gesagt / Sie sols auff das hew außschütten / so werde das hauß verbrennen unnd die gantz statt. Das selbig leyder Gott erbarms geschehen ist / und sie von stund an widerumb auf der ofengabel hinweg geritten. Solcher handlungen als das e gespenst geubt hat / so vilfeltig unnd wunderbarlich ist gewesen / das nit alles zubeschreiben mag oder kan werden / wann zubee dencken / welcher sein abenteür nach seiner handlung gehort hette e / der selbig wol mocht sprechen / Als lang die welt gestanden / der e gleichen nie gehoret worden / Gott der herr schicke uns alles zugu°tem / Amen. Actum zu Schiltach Der geben ist Sambstag nach dem Sontag Quasimodo135 / im M. D. und xxxiii. jar. 135 26. April 110 Der Teufel von Schiltach Dokument 2: Flugschrift von 1533:136 [S. 1] Ein wunderbarlich erschrockenlich handelunge / So sich auff den Grün Dorn= stag dis iars / inn dem Sted= lin Schiltach / mit einer e brunst durch den bosen geist gestifft / begeben hat / im M. D. xxxiii. [S. 2] Fur newe zeittung füge ich euch warhafftig zu wissen / das zu Schiltach im Kuntzelthal / seltzam newe meer inn verganger fasten dis Jars beschehen / Nemlich also / Auff unser Frawen abendt / ist der Teuffel leibhafftig / doch unsichtbar / gen Schiltach im e e Kuntzelthal / so dem Land zu Wirtenberck zugehorig / inns Schulthey[sen]137 das Wirtshaus komen / alda sein wesen und gugelfewer gehabt. Und als er / der Schultheis hat wollen schlaffen gehen e / hat er zu seiner magt odder kochin gesagt / sie sollen sich schlaffen legen / und das haus zuschliessen. Hat der Teuffel geredt und 136 Vorlage ist das Exemplar in der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., RA 87/71; vgl. Datenbank VD 16 ZV 22225. - Es umfasst sieben Seiten im Format 19,8 x 15,5 cm, ein Druckort ist nicht angegeben. Die Flugschrift wurde vor oder im Jahr 1637 mit anderen Drucken zu einem Band zusammengebunden, den die UB Freiburg erst 1987 antiquarisch erwarb (Mitteilung von Frau Dr. Karasch, UB Freiburg). - Von ihr unterscheiden sich in Aufmachung und Orthographie: 1. Das Exemplar der Staatsbibliothek zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz (Flugschrift 1533 - 3), publiziert bei Fautz, Stadtbrände (wie Anm. 25), S. 1618. - 2. Die beiden Exemplare der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel [T 989.4° Helmst. (5) und 171.30 Quod. (21)]; sie stammen aus der ehemaligen Universitätsbibliothek Helmstedt bzw. der Bibliothek des Herzog August zu Braunschweig-Lüneburg, in dessen Katalog von 1667 es eingetragen ist. - 3. Das Exemplar der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (8° H. misc. 338/15). - Vgl. VD 16 (wie Anm. 125), Bd. 22, Stuttgart 1995, Nr. W 4588, wo Michael Blum in Leipzig als Drucker angegeben ist. Er ist dort von 1525-1550 nachzuweisen, vgl. Josef Benzing: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2. Aufl. 1982, S. 278f. 137 so im Berliner Exemplar der Flugschrift Der Teufel von Schiltach 111 gesagt / Magd lege dich nidder / ich will dir gleich nachfolgen / und e bey dir ligen. Da solchs der Schultheis gehoret / der dann niemands inn seinem haus gewust / hat er umb sich gelaucht / und gedacht wer e da rede / aber niemands gesehen / wol gehort/ hat der Schultheis gesaget / lig am galgen / wer bistu doch? und zu der magd gesagt / legt euch nidder / denn ein kleines meidlin bey ir gelegen / und beschliesset die kamer wol / da hat der Teuffel gesagt / sie werden e vor mir nicht konnen vorschliessen. e Also ist die magt mit dem meidlin schlaffen gangen / und die thur wol beschlossen. Balde darnach / als der Schultheis ein kleine zeit e verhart / ist die stubenthur / des gleichen die kamer auff und zu e gangen / Ist der Schultheis hinaus gelauffen / und die kamer geoffent / und mit einem liecht gesucht / umb sich inn der kamer geschlagen und gehawen / aber niemands gesehen. So er nu solchs gethan / hat der Teuffel angefangen zu pfeiffen und dromelschlagen / und dasselb die gantze nacht [S. 3] getrieben / itzt auff dem Haus e / itzt inn der stuben / itzt underm tische / schier inn der kuchen / das e inn meniglich gehort / aber niemand gesehen. e Morgens frue hat der schultheis nach seinem Pfarrherrn / desglichen gen Schenckenzoll (ist ein Dorff nahe dabey) nach desselben dorffs Pfarrherrn / und sonst nach sechs redlichen gesellen geschicket / sie gepeten bey im zu sein und verhelffen / solchen geist odder Teuffel zubeschweren / und reden zumachen. Benante beyd Pfarrherrn sampt den sechs knechten sein erschinen / und hat der Pfarherr bemelts Stedlins angefangen / den Teuffel odder geist inn viel weg versucht zubeschweren / hat aber kein antwort geben / denn das er in angewispelt138 hat. Zu letzt hat der Pfarrherr zu im gesagt / Ich beschwere dich bey der krafft des allmechtigen Gottes 138 wispeln: zischen, pfeifen 112 Der Teufel von Schiltach / das du mit mir redest / und mir sagest / wer du seiest / und ist dir e e zuhelffen / so wollen wir / so viel uns muglich / dir hulff thun? Hat der Teuffel uberlaut geschrien / Mordio / mordio / du schandt loser Pfaff. Hat in der Pfarrherr gefragt / wer bistu? hat er gesagt / ich bin kein geist / ich bin der leibhafftig Teuffel. hat er inn weiter e gefragt / was er da thu odder thun woll. Hat er gesagt / ich bin da und wil dem Schultheisen sein haus verbrennen / Hat der Pfarrherr gesagt / warumb wiltu das thun / darumb / das er / der Schultheis e mir mein huren furhelt139 / Hat er gefragt / wer ist dein hurn / Hat er gesagt / die magd im haus / ich hab im das vorig haus auch verbrennet / ich wil im das auch verbrennen. e Nach solchem haben sie in gefragt / ob er auch beten kunne / hat er inen das Vater unser / Ave [S. 4] Maria / und den glauben dapffer nachgesprochen. Da er komen ist / Herr vergib uns als wir vergeben / hat er inen dafur gepfiffen / und was im inn solchem nicht gefallen / hat er gepfiffen / die andern wort verstendiglich geredt / e da[s]140 viel erbar leut sampt den obgenanten acht personen gehort. e Es is[t]141 auch ein muller unter den acht personen gewest / der hat in mehr denn andere gefraget / nemlich / Kanstu singen wie ein Nachtigal / Hat der angehaben / zu singen allerley gesenge / was sie begeret haben. Er hat auch offentlich gesungen / Das der Winter nicht stett will sein / das klagen die meidlin sehre / Dergleichen. Es e ist das allerboste weib rc. und viel selzamer lieder / und den gantzen tag mit inen sprach gehalten. Und als er auff den abend und zu nacht komen / sind alle / mitsampt dem Schultheisen / so bey im gewest / inn ein kamer schlaffen gangen / ist der Teuffel mit inn die kamer komen / als sie sich 139 vorenthalten 140 so im Berliner Exemplar 141 so im Berliner Exemplar Der Teufel von Schiltach 113 nidder geleget haben. Doch haben sie liechter bey inen gehabt / und e e sehen wollen / was er weiter handeln woll. Hat er inn der kamer zum e e Muller gesagt / Ruck auff ein ort (der dann selbander gelegen ist) ich wil bey dir ligen / ich wil dich diese nacht erdrucken und erstecken. e Hat der Muller gesaget / lig am galgen / darffst also bey mir nicht ligen. Hat der Teuffel gesagt / Ruck / ich wil bey dir ligen und dich e diese nacht erdrucken. Hat der Muller weitter gesagt / Mus es denn sein und ist es Gottes will / so komher inn Gottes und unser lieben e Frawen namen / und lig bey mir. Hat der Teuffel zum Muller gesagt / ich schiss dir auffs maul / und mit der selbigen antwort ein worff gethan / mit stecken und mit einem raiff / [S. 5] und ein Pfaffen auff e die nasen getroffen / und ein pletzlin darab geworffen / Ist der Muller zornig worden / und gemeinet / seine gesellen hetten solchen wurff gethan / haben sie nein gesagt / da ist er erst innen worden / das der e Teuffel solchs gethan hat. Der Muller hat auch gesaget / Wie kanstu solchs volbringen / hastu doch wedder blut noch fleisch? hat er im dafur gewispelt / und ist auff ein hoch haus gesessen / und alda die gantze nacht gepfiffen und dromen geschlagen / bis an hellen liechten tag / und darnach den gantzen tag / und darnach den gantzen e tag [!] / das alle menschen im Stedtlin gehort / aber in nicht gesehen. e Es ist auch ein guter gesell komen und zu dem Muller gesaget / Frag in der Lutherey halben. Hat der Teuffel gesaget / Du Lutherischer schelm / was sagstu? Weistu nicht / das du inn der ersten Fastwochen am dinstag zu Basel fleisch hast gessen. Haben die andern in gefraget / ob es war sey / hat ers frey bekand das war sey. Er hat auch e zum andern Pfarherrn gesaget / Hore du schalck / was fragstu mich / weistu nicht / das du sieben hurn hast umb dein haus / und hat sie alle nach einander genennet / Er hat auch anzeigt / wie sie [er]142 im das erste haus hat helffen verbrennen / Und die weibs personen 142 so im Berliner Exemplar 114 Der Teufel von Schiltach genennet mit irem namen / und angezeiget wo sie dienen. Solchs und viel seltzamer rede und handlung hat er getrieben / die gantz e ungleublich weren / wo solches nicht so glaubhafftig leute gehort. e Auff solche handlung / hat der Schultheis sein Kochin aus dem haus abgefertiget / und hinweck geschickt / Alsbald sie aus dem haus komen / ist der Teuffel auch mit ir davon gefaren / aber nicht lang aussen blieben. e [S. 6] Weitter ist er am Grunen Donrstag / als jederman ist inn der Kirchen und inn Gottes dienst gewesen / widder gen Schiltach inn des Schultheisen haus komen / und als sie aus der kirchen heim komen / hat er sein gugelfewer143 widder angefangen / und den e Schultheisen gewarnet / Er woll in [und]144 das Stedlin / auff dem boden hinweck brennen / und sie trewlich gewarnet haben / aber solchs alles inn verachtung gestalt / Hat er gesagt / ehe denn zwo stund vorgehen / mus es alles geschehen. Als nu viel redlicher leute / so inn den thalern wonen / und fern heim haben gehabt / inn des e Schultheisen haus komen / und darinnen zeeren wollen / die selbigen leute sind durch den Teuffel gewarnet / sie sollens nicht lange machen / denn ehe ein stund vorgehe / mus es alles auff den boden verbrent sein / das haben sie veracht und ein rede lassen sein. e Nu ist aber bemelte kochin / des Teuffels liebste bulschafft / zu Oberndorff bey Rotweil am Necker gewest / und auff den selben dornstag auch da selbest zum Sacrament gangen / aber nichts von diesen dingen gebeicht. Und als sie von der kirchen daselbst komen / und zu morgens gessen hat / ist sie auff ein offengabel gesessen / und zu irem bulen dem Teuffel gen Schiltach inn ires herren haus e / des Schultheisen / auffs hew zu oberst gefaren / und mit dem Teuffel gezecht selbdritt / und als wol odder bas145 denn die andern 143 Gugelfuhr: lärmende Possen; ausgelassenes, mutwilliges Treiben; lärmendes Durcheinander 144 so im Berliner Exemplar Der Teufel von Schiltach 115 geste gelebet. Und als er mit in ausgezecht / hat er ein topff gehabt e / den hat er seinen dreien bulerin fur gestalt / und gesagt / Nu e wenn ich vor euch auff das dach kom / so sturtzt den topff umb / und gedenckt das ir euch nicht lang seumet. Und zu der magd gesagt / so du bey dem [S. 7] Schloss am berg hinauff komest / so ker dich umb wirstu sehen wie es gehen wird / Also ist der Teuffel vor in dahin auffs haus gefaren / gepfiffen und drommel geschlagen e / Da haben seine bulschafften den topff umb gesturtzt / und auch davon gefaren / von stund ist das fewr oben und unden / und von einem haus inn das ander gefaren / und ehe ein stund vergangen / sind xvii. hewser auffm bodem gelegen und inn grund verbrandt / und wenig ausbracht worden / und ist also das gantz Stedlin verbrandt worden. Als nu solches beschehen / ist die rede ausgangen / wie des e Schultheisen kochin odder magd / dem Teuffel solchs geholffen / und denen von Oberndorff das kund gethan / die haben die selben magd gefencklich angenomen / geurgicht / die solches frey bekandt / das e sie dem Teuffel am Grundornstag also hab helffen verbrennen / und in zweyen stunden also verbrent / das man widder rauch und fewer mehr gesehen / wie denn von anderm fewer geschicht. Sie ist auch auff solch bekentnis verbrant / und darauff gestorben / und vor meniglich das bekannt / das sie von Oberndorff nach essens ist ausgefaren / mit irem bulen dem Teuffel gezecht / und die Stad volbrandt [verbrand]146 / und inn zweien stunden alles verbracht [volbracht]147 / und nichts deste minder zu der Vesper widderumb zu Oberndorff gewesen / und inn die Vesper gangen. Dis alles ist glaubhafftig also geschehen.148 145 besser 146 so im Berliner Exemplar 147 so im Berliner Exemplar 148 Am Rand ist handschriftlich vermerkt: „Anno Domini 1546 seynt / och solche dicentes außge- / gangen, das yn der statt / Luttenburg / seyn dy Teufel yn der gstalt / der Katzen und Haßen durch / dy stat gelofen und mensch- / liche Styme von yn gegeben, / den Menschen gedrowet / mit dem Tod.“ - Die exakte Lesung verdanke ich Herrn Dr. Kurt Andermann, Karlsruhe. 116 Der Teufel von Schiltach Dokument 3: Flugblatt von 1533:149 Ein erschröcklich geschicht Vom Tewfel und einer unhulden / beschehen zu Schilta bey Rotweil in der Karwochen. M.D.XXXiii Jar. Newe zeytung geschehen drey meyl von Rotweyl da ist ein Stedlein im Hornberger tal das hayst Schylta do ist der teufel in das selbig stetlein in ein Wirts hauß kummen / ist ungefarlich drey oder vyer tag im selbingen Wirts hauß gewesen / hat daselbst angefanngen zu Trummen und Pfeyffen in der Stuben und allenthalben im Hauß man hat aber nichts sehen künden sonder so e seltzam ding / der gleichen vor nie / gehort. Es sind ethlich abetewrer150 kummen unnd haben in wellen beschweren151 do hat der Teufel angefangen zu reden sie sollen sein miessig ghen152 / Was e sie in wellen beswerent [?] sie seyn boser dann er / hat in gesagt was sie gethon und gestolen haben. Zu letzt hat er so vil mit dem wiert geredt er soll die mayd auß dem hauß thon er well im sunst daß hauß verbrennen dann die mayd sey sein unnd er soll ims nit auffhalten / do hat der wierdt der mayd urlawb153 geben. Nach dem ist der Teufel hinweg gefaren hat zum wierdt gesagt er soll sich dar e zu rusten154 er well im das hauß auff den gryenen Donerstag in der karwuchen verbrennen. Darnach auff den Grienen Donerstag ist die mayd auff ein ofengae e bel gesessen ist in einer halben stund zwu meyl von Rotweyl gen 149 Text nach dem Exemplar in der Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung, PAS II 12/18. - Maße: 32,1 x 23,6 cm. Es stammt aus der sogenannten Wickiana, der Flugschriftensammlung des Züricher Geistlichen Johann Jakob Wick (1522-1588); vgl. Hans Fehr: Massenkunst im 16. Jahrhundert. Flugblätter aus der Sammlung Wickiana, Berlin 1924, S. 94 und Abb. Nr. 32. - Ein weiteres Exemplar ist im Manuskript der Chronik des Johannes Stumpf eingeklebt, Zentralbibliothek Zürich, MS A2, S. 721; vgl. Schenda, Stumpf (wie Anm. 81), S. 105; S. 115, Anm. 41. - Ein drittes Exemplar befindet sich in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, HBFC 85. 150 Abenteurer 151 beschwören 152 ihn in Ruhe lassen 153 Urlaub 154 darauf vorbereiten Der Teufel von Schiltach 117 Schiltach in das wierds hauß auff einen hewbaren155 gefaren / do ist der Teuffel zu ir kummen hat ein hefelein156 gepracht und zu ir gesagt e sie soll das hefelein umschutten so wer es gleych als brinnen157 / welchs so bald sie es gethon ist es als brinnent worden.158 In dem ist sie hinweg gen Oberndorff gefaren da ist von stundan das hauß angangen unnd das gantz Stedtlein biß on drey kleine heußlein ungefärlich159 in anderhalber stund gar verbunnren [!]. Aber uber die drey heuslein / wie sie in der urgicht160 bekennt / hat der Teuffel kain gewalt gehabt. Die zway sinnd zwayer armen gesellen gewest und das dritt eines dabey die armen unnd was sunst niemants hat wellen beherbergen / herberg gehabt haben. Wie solchs beschehen hat man nach ir gryffen sie gefencklich angenumen161 am Karfreytag zu Oberndorff / und daselbst am montag vor sanct e Gorgentag162 verbrent / und sechsundreyssig artickel verlesen die sie e in irer uergycht bekent hat / fast schendtlich schrocklich und schede liche ding wie sie viech unnd leut verderbt und schaden zugefugt hat Achtzehen jar hat sie mit dem Teufel zugehalten und ihr eygen mute ter hat sie es selbst gelert. Solch erschrecklich geschicht solt uns bililch163 zuhertzen ghen und zur besserung unsers lebens raytzen / in eim rechten glauben gegen Got unnd thetiger lieb gegen dem e nechsten zuwandlen / dieweil er uns umb unser sundt willen so mit e schrocklicher straff heymsucht / Darbey auch erlernen / wie uns Got inmitten des ubels und der straff behu° ten kan / wie er auch Daniel in mitte der lewen und die drey kinder im feurigen ofen unverletzt e behut hat / damit wir auch in seiner forcht unnd nach seinemwillen e e wandlen / auff dass er uns nit einfiir in versuchung sonder behut uns vor ubel unnd verleych uns nach disem leben das ewig Amen. Steffan Hamer Briefmaler. 155 Heubarren 156 Häfelein 157 so würde es gleich alles anzünden 158 ist alles angezündet worden 159 ungefähr 160 Geständnis vor Gericht 161 gefangengenommen 162 21. April 163 billig 118 Der Teufel von Schiltach Dokument 4: Brief des Erasmus von Rotterdam an Damião de Góis vom 25. Juli 1533:164 (Auszug in deutscher Übersetzung165) Das Städtchen, von welchem Dir erzählt wurde, heißt auf deutsch Schiltach; es ist von Freiburg gut acht große deutsche Meilen entfernt. Ob alles, was gemeinhin darüber geredet wird, wahr ist, wage ich nicht zu bestätigen. Sicher wahr ist, dass das ganze Städtchen plötzlich in Flammen aufging und dass eine Frau aufgrund ihres Geständnisses hingerichtet wurde. Die Feuersbrunst ereignete sich am 10. April, dem Donnerstag vor Ostern, im Jahr 1533 nach Christi Geburt. Einige Bürger des Städtchens haben dem Rat dieser Stadt166 zuverlässig erzählt, wie es sich zutrug und wie es mir wiederum Heinrich Glareanus167 berichtet hat, wenn ich mich richtig erinnere: Ein Dämon machte sich von einem bestimmten Teil eines Hauses durch Pfeifen bemerkbar. Der Wirt, der den Verdacht hatte, es sei ein Dieb, stieg hinauf, fand aber niemand. Jedoch wurde dasselbe Signal erneut aus dem oberen Stockwerk gegeben. Auch dort stieg der Wirt hinauf, um den Dieb zu verfolgen. Während auch dort niemand war, wurde das Pfeifen von der Spitze des Schornsteins gehört. Da begriff der Wirt, dass es ein Dämon sein müsse; er hieß die Seinen, sich vorzusehen. Es wurden zwei Priester herbeigeholt und der Exorzismus angewandt. Er gab zur Antwort, er sei ein Dämon. Auf die Frage, was er hier treibe, sagte er, er wolle die Stadt verbrennen. Als sie ihm mit heiligen Zeichen drohten, antwortete er ihnen, ihre Drohungen beeindruckten ihn nicht, denn der eine von ihnen sei ein Hurer und beide seien sie Diebe. Einige 164 Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami (wie Anm. 7), Nr. 2846, S. 270-276, hier S. 275. - Erstmals gedruckt, in: De praeparatione ad mortem liber unus. Epistolae aliquot ..., quarum nulla fuit antehac excusa typis, Basel 1534, S. 144. - Vgl. dazu und zu den weiteren Ausgaben: Opus epistolarum (wie Anm. 7), S. 270. - Vgl. Ferdinand Graner: Erasmus von Rotterdam und die Feuersbrunst im wirtembergischen Städtchen Schiltach, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 11 (1958), S. 215-219. 165 Unter Mithilfe von Dr. FranzDieter Sauerborn, Freiburg i. Br. 166 Freiburg i. Br. - Nach Mitteilung des StA Freiburg sind die Ratsprotokolle von 1533 nicht mehr vorhanden. 167 Schweizer Humanist (1488-1563), lebte seit 1529 in Freiburg i. Br. Der Teufel von Schiltach 119 Zeit darauf hob er eine Dirne, mit welcher er seit vierzehn Jahren Verkehr hatte, während sie doch jährlich gebeichtet und die Kommunion empfangen hatte, hoch in die Luft und setzte sie auf die Spitze des Schornsteins. Er gab ihr einen Topf und befahl, dass sie ihn ausleere. Sie leerte ihn aus, und innerhalb einer Stunde war das ganze Städtchen abgebrannt. Ob der Dämon verärgert war, weil der Sohn des Wirts als sein Nebenbuhler aufgetreten war und er deshalb das Städtchen vernichtete und die Frau verriet, ist nicht sicher, doch ist es wohl von der Wahrheit nicht weit entfernt. Das Gerücht über dieses Geschehen in der näheren Umgebung hält sich so hartnäckig, dass es nicht als erfunden betrachtet werden kann. Es wird auch von anderem Derartigem gesprochen, ich will aber Deine Ohren mit solchem Gerede des gemeinen Volkes verschonen. Dokument 5: Brief des Erasmus von Rotterdam an Nicolaus Olahus vom 7. November 1533:168 (Auszug in deutscher Übersetzung) Eine Stadt, die von hier169 zwei Tagesreisen entfernt ist, brannte zur Gänze ab, und zwar auf Grund eines von einem Dämon angestifteten Feuers, wie ein Gerücht hartnäckig behauptet. Dokument 6: Heinrich Hugs Villinger Chronik:170 [S. 206] Item uff den hellgen gru°nen donstag zwischa achten und nunen im tag, alls man fon der kilchen was komen und man ob 168 Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami (wie Anm. 7), Nr. 2877, S. 315-316, hier S. 316. Freiburg i. Br. - Dass damit Schiltach gemeint ist, ergibt sich auch aus der Entfernungsangabe. 170 Heinrich Hugs Villinger Chronik von 1495 bis 1533, hrsg. von Christian Roder, Tübingen 1883, S. 206f. 169 120 Der Teufel von Schiltach dem morgenmalle war, do ging ain fur uff in des schulthaßen huss zu° Schiltach oben im huss; fon demselben fur ferbran Schiltach das gantz stettle gar uß, neher dan in ainer stund uff den boden hinweg, das nitt so fill holtz belaib, das ma hette aim kind ain mu°ß machen [kinen]. Do ging die red uß, der tuffel hette Schiltach ferbrent. Da ward ain frow gefangen zu° Oberdorf, die ferjach, wie sy und der tuffel gehandlett hettend. Die ferbrant ma, und [S. 207] ging an truck darvon uß in alle land, wie es hergangen wer uff gru°ndonstag 33. Dokument 7: Die Weißenhorner Historie des Nikolaus Thoman:171 Wunderberlich ding. Anno 33 da geschach ayn wunderberlich ding zu Schiltach am Schwartzwald gelegen. Da waß ayn fraw, die enpfieng das hochwurdig sacrament am grienen dunstag in aynem dorf, nit weyt von Schiltach, darnach fueret sy der tewfel gen Schiltach in aynes wurtz hauß, hett sy vormals gedienet, was ach172 die sag, der wurt hetz an im gehept, desgleichen hett der tewfel 17 oder 18 jar mit ir zu schaffen gehapt, der hett zu ir gesagt, „Da stat ain hafen, den stoß umb, so wurt die statt außprinnen.“ Des beschach buß an 3 hewser. Sy wart gefangen, veriach ob den 30 beser173 stuck, die sy gethan hett, etlich mentzen174 ertett, etlich erlempt, ungewütter, hegel. Also ward sy verprint. Darnach wart die sag, eß were ayn fabel, were nit war, dabey hab ichs beleiben lassen. 171 Nicolaus Thoman: Weißenhorner Historie. Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hrsg. von Franz Ludwig Baumann, Stuttgart 1878; Neudruck Weißenhorn 1968, S. 190. 172 auch 173 böse 174 Menschen Der Teufel von Schiltach 121 Dokument 8: Die Chronik der Grafen von Zimmern:175 [S. 1] In disem capitel wurdt vermeldet vom teufel von Schiltach, auch ander dergleichen gespensten... In dem jar nach Christi gepurt 1533 do hat sich die erschrockenlich prunst zu Schiltach im Kinziger thal begeben, in dero das ganz stettle biß an ein haus allerdings in wenig stunden abbronnen. Das ist ußer volgender ursach zugangen. Es het ein fraw, hieß ...,176 sampt irer dochter vor etlichen jaren zu Oberndorf am Necker gewonet, die war ires übelhaltens, auch das sie und ir dochter des hexenwerks halb so gar hoch im verdacht, zu Oberndorf nit wol sicher, muste sich vor herrn Wilhelmen Wernhern von Zimbern, der dozumal dise herrschaft inhet, besorgen, das sie gefengclich angenomen und villeucht weiter irem beschulden nach mit inen gehandelt würde. Derhalben tratten sie uß, enthalten sich hin und wider, wo sie konten. Indes, als herr Wilhelm Wernher sich an das cammergericht thette, do übergab er die herrschaft seinem brueder, herr Gotfriden Wernhern [...]. Wie nun ain newer herr zu Oberndorf, do erkeckt die jung dochter auch wider, dann ir muetter hiezwischen auch [gestorben war];177 und dieweil villeucht die amptleut daselbs von irem herren, herrn Gotfridt Wernhern, kain sondern bevelch irenthalben bekommen, der auch für sich selbs ein abschewens ab solichen hendeln, do verhofft dieselbig auch dester sicherer zu sein, thette sich nach und nach wider geen Oberndorf und wandlet in der ersten haimlich, hernach aber offenlich dahin; und seitmals sie etwas wesenlicher und unargweniger, dann hievor beschehen, sich hielte, do ward auch das alt geschrai und der verdacht dester ehe vergessen und veraltet. 175 Zimmerische Chronik. Nach der von Karl Barack besorgten zweiten Ausgabe neu hrsg. von Paul Herrmann, Bd. 3, Meersburg 1932, S. 1-4. 176 Lücke in der Handschrift 177 So eingefügt bei: Die Chronik der Grafen von Zimmern, hrsg. von Hansmartin Decker-Hauff unter Mitarbeit von Rudolf Seigel, Bd. 2, Darmstadt 1967, S. 340. 122 Der Teufel von Schiltach Standt also etlich zeit an, das sie geen Schiltach sich zu eim würt, hieß Hanns Schernle, verdinget. Die het nun [S. 2] vil jar ein sollichen unrainen, bösen incubum an ir gehapt, der wolt sie izmals auch nit verlassen, sonder volgt ir nach geen Schiltach. Da trib er wunderwerk im würtshaus mit seinem ungeheuren wesen, auch pfiff er und macht den leuten zu danz. Dergleichen affenspill trib er vil. Das fieng an uf unser Frawen tag irer verkündung. Das weret so lang, das der würt zu letst merken must, das die sachen mit seiner kechin und disem gespenst nit recht zugiengen. Derhalben gab er ir urlaub, wolt sie nit mer wissen im haus. So wolten die oberigkaiten auch nit darzu thuen, bei zeiten und ehe der schad beschach. Damit gieng es auch, wie hernach volgt. Und unangesehen das die kechin sich von Schiltach het gethon und widerumb geen Oberndorf kam, so blib doch der gaist zu Schiltach. Da trib er sein alte weis mit pfeifen und anderm, ließ sich auch merken, seitmals man ime sein bulschaft aldo vertriben, so wellte er das stettlin verbrennen. Aber man achtet sein nit und ließ es ain red sein. Das stande also an biß uf den hailgen grönen donderstag. Do ward die kechin zu Oberndorf gesehen mit andern leuten zu dem sacrament geen. In derselbigen stunde ist sie auch zu Schiltach gesehen worden, gleichwol beide stettlin uf drei großer stund wegs von ainandern sein gelegen, hat sich angenomen, etwas alda im haus vergessen haben. Man hat ir sonders nit geachtet, sie hat ir gefert oben uf der binin im würtshaus gehapt. Nit mag man wissen aigentlich, wie, es ist das haus ainsmals angangen und vol feurs gewesen. Das hat sobald nit megen gelöscht werden, es sein die andern heuser darunder und darob auch angangen. So hats der luft über die gassen hinüber getriben, das in somma das ganz stetlin verbronnen ist biß an ain haus. Es ist ein erbermbclicher, erschrockenlicher anblick gewest darum, dann ich selbs inerhalb achtagen darnach aldo durchgeraist und das gesehen. Herr Wilhelm Wernher freiherr zu Zimbern war dozumal solliches grönen donderstag zu Alberspach im closter bei apt Ulrichen, der hat die brunst gerait sehen megen Der Teufel von Schiltach 123 und darbei abnemen, das es des gespensts halb die gestalt gehapt und darauß sei ervolgt, wie oblaut, und man dessen lange zeit in sorgen gestanden. In aller prunst und jammer do ist die kechin zu Schiltach verloren und uf selbige zeit [S. 3] widerumb zu Oberndorf gesehen worden. Uf den beschehnen nachtail und verderplichen schaden do sein der welt erst die augen ufgangen, das man sie zu letst zu Oberndorf, als das geschrai ie so groß worden, gefangen und peinlich gefragt. Do hat sie alle sachen bekennt, wie es ergangen, namlich, als sie zu Schiltach zu irem incubo kommen, hab ir derselbig uf der binin in des Schernlis haus ein hafen voller wusts geben und sie gehaißen, den umbzuschitten, mit vermelden, wover sie das thuen, werde das haus und die statt gleich darauf an und in grundt abbrinnen. Das hab sie nit gleich thuen wellen, sonder sich dessen gewidert. Do hab er ir so guete wort geben, darneben auch ain betrawung angehenkt, das sie sollichs zum letsten hab gewagt und darauf den hafen umbgestoßen. Do seie es gleich eitel feur umb sie worden. Weiter künde sie nit wissen, wie es zugangen, dann sie gleich darauf ain alten bösen erwüscht, darauf sie gesessen, darvon gefaren, und seie ganz heimlich, das sie von niemands gesehen, widerumb geen Oberndorf kommen. Nach langer erkundigung deren sachen, hat sie herr Gottfridt Wernher fürstellen und peinlich zu Oberndorf beclagen lassen, auch entlichen lasen verbrennen. Ist gleich nach ostern in obbemeltem jar beschehen. Es ist ain große sag von dieser erschrockenlichen that durch alle deutsche lande entstanden und zu ainem sprüchwort gerathen, das man von dem teufel von Schiltach meldet, so man von ainer erschrockenlichen that sagen will. Und demnach der bös gaist sich vernemen lassen, das er nit allein Schiltach verbrennen, sonder auch Oberndorf, do hat diß cleglich exempel, so zu Schiltach fürgangen, bei denen von Oberndorf ain sollichs erschrecken gepracht, das sie in ainer kürze darnach sich verainet, den allmechtigen Got umb gnad 124 Der Teufel von Schiltach gebetten und gemainlich sampt der priesterschaft mit dem hochwürdigen sacrament umb den flecken Oberndorf in der procession gangen, in aller masen, als uf den tag Corporis Christi gewonlichen beschicht. Verhoffenlich, der allmechtig hab sie gnedigclichen erhört und dem bösen gaist seinen muetwillen nit gestatten wellen, sondern sein darvor behüet worden. Etlich zeit hernach, als die fraw zu Oberndorf [S. 4] verbrennt worden, do ist ain geschrai ußgangen, als ob der gaist, der das stettle verbrennt, nit sei warhaftigclichen ain gaist gewesen, sonder ain mannsperson, der hab sich durch die teüfelische kunst und hilf künden unsichbar machen und durch solchen behelf dester beherzter gewest, seine ungetliche fürnemen zu verbringen. Derselbig seie hernach zu Ingolstatt in Bairn begriffen und gericht worden. Das ist für ain red zu achten, dann die sach ergangen, wie oblaut, zudem es ain eitels ding, das sich ainer sollt unsichtbar kinden machen, wie dann die schwarzkünstler-, auch andere zaubrecherbüechle fälschlichen lären und den unverstendigen, einfeltigen ain won ufthun und vil verhaißen; dann da ain solchs wunderwerk sollte under die gemain welt gepracht werden, was großer bubenstuck und unmentschlicher thaten würden fürgenommen! Es könte kain biderman sicher sein oder die seinen von schand und schaden erretten. Dokument 9: Job Fincel: Wunderzeichen178 [C III v.] Im selben jar 1535. Ist ein stedtlein in Schwaben im e e Kuntzenthal gelegen blotzlich angezund, und abgebrunnen / welchs der Teufel durch ein Zauberin / mit welcher er zu thun e gehabt / angelegt. Es ist abgebrandt drey tage fur Ostern / den 178 Job Fincel: Wunderzeichen. Warhafftige Beschreibung und gründlich verzeichnus schrecklicher Wunderzeichen und geschichten..., Frankfurt am Main 1556, Bl. C III v. - C IIII r. Der Teufel von Schiltach 125 e teufel hat man nicht gesehen konnen / Aber mit vielen hat er geredt / Und ist offt mit einer baucken in der Stadt gangen / das e in jederman gehort hat. Die [C IIII r.] magd aber so den schaden e gethan / ist zu Oberndorff / nit weit von Rotweil offentlich verurtheilt und verbrandt worden. Von des teufels gewalt und bosheit wil ich hie eine warhafftige Historiam melden... [H II v.] Im selben jar 1545 ... hat sichs zugetragen in eim Stedlein im Elsas Rottweil genandt / das / Nachdem die Oberkeit darinne eine lange zeit dez Evangelii feinde gewessen / und etliche e Gottfurchtigte Leute daraus vertrieben / hat der teufel im selben stedlein sichtbarlich umbgangen ist / bisweilen in eines Hasen / darnach in einer Wieseln / auch zu weilen in einer Gans gestalt / e hat mit klarer deutlicher Stim geredet / mit gedrawung / er wolle e die Stadt anzunden. Dokument 10: Wolfgang Bütner: Epitome Historiarum179 Anno 1533. brandte ein Stedlein abe / im Kuntzenthale / das hatte der Sathan durch eine Zauberhure angestossen / Mit der Magd ist der Teufel zu bette gangen / und auff seine Teuflische weise / wie die Zauberhuren und Schelmen zu Halberstad und Quedlinburg / mit e ir gehandlet. Man hat den Teufel in diesem Stedlein offt horen die Drommel schlagen / und seine stimme vernommen / doch hat man e in nicht sehen noch kennen konnen. Die Magd ist zu Oberndorff gefangen / und verbrennet. Vide Finc. lib. 1. 179 Wolfgangus Bütner: Epitome Historiarum. In Fünff Bücher, o. O. 1576, Bl. 237 v. 126 Der Teufel von Schiltach Dokument 11: Nicolaus Remigius: Daemonolatria180 e [S. 335] Ehe ich beschliesse wil ich noch ein gleichmassiges Exempel auß dem Erasmo Roterodamo erzehlen. Es liegt ein e Stattlein spricht er / im Schweitzerlandt / mit Namen Schiltach / e welches auff den 10. Tag April. im Jahr 1533 plotzlich ist in Grundt abgebrandt / unnd man sagt / das dieser Brandt auff folgende Weiß e e entstanden sey / wie denn die Burger deß Orts solches fur der Obrigkeit zu Freiburg haben angezeigt. Der Teuffel ist oben im Hauß gesessen / unnd hat ein Zeichen von sich geben / als ob er pfischete / daß ist / als ob er einem andern mit linder lißbelender Stimm zurieffe unnd winckete / er solte schweigen. Daher der Wirth im Hauß vermeint / es were ein Dieb / gehet hinauff so findt er niee mandt. Darauf hat er es wiederumb von einen hoheren Gemach her e vernommen: Der Wirth gehet auch da hinauff / vermeint er wolle den Dieb ergreiffen. Wie aber auch da niemandt vorhanden war / da hort er entlich solche Stimm oben im Schornstein. Daher dem e Wirth so bald infiehl / wie es muste ein Teufels Gespenst seyn / Redet derhalben den seinen zu / spricht sie sollen getrost unnd e unuerzagt seyn / GOTT werde sie beschirmen / so bald last er zween Priester kommen / dieselbigen beschweren den Geist / fragten ihn wer er were / darauff der Geist ihnen zur Antwort giebt / er sey der [S. 336] leibhafftige Teuffel / wie sie ihn nun weiters fragten / was e er da machte / sagte er / er wolle die Statt in Grundt verderben. Als ihn aber die Priester betraweten / sprach er / ihre Trawwort giengen ihn nichts an / denn es were der eine / ein verhurter Bub / sie beyd aber weren zugleich zween grosse Dieb. Nicht lang hernach hat eben der selbige Geist / ein Weib / mit welcher der Pfaff vierte zehen Jahr lang hatte zugehalten (ob sie wol taglich beichtete und 180 Daemonolatria Das ist / Von Unholden und Zauber Geistern / deß Edlen / Ehrfesten und Hochgelärten Herren / Nicolai Remigii... Auß dem Latein in hoch Teutsch ubersetzt / Durch Teucridem Annaeum Priuatum ... 1598 Franckfurt, S. 335-336. Der Teufel von Schiltach 127 e zum H. Nachtmal gieng) uber sich in die Lufft gefuhrt / unnd oben auff ein Schornstein gesetzt / hat ihr ein Dopf in die Hand geben e und ihr befohlen / sie solte ihn umbkehren und außschutten / Wie sie dasselbig gethan / ist der gantze Flecken in einer Stundt abgee brandt. Nun sollen wir uns nicht fast hochlich verwundern / dessen e / daß der Sathan so plotzlich und leichtlich einen Brandt kan verursachen / denn wir haben auch zu diesen unseren Zeiten Leut / e welche dasselbig gantz meisterlich konnen. Dokument 12: Martin Crusius: Annales suevici (1596)181 e [S. 235] Teufflischer Brand des Stadtleins Schiltach Im Jahr 1533... [S. 236] Den 10. April Donnerstags vor Ostern, e gieng das Stadtlein Schiltach im Schwartzwald innerhalb Stundes e Frist vollig im Rauch auf, als eine gewisse Weibs=Person, welche 14. Jahr mit dem Teuffel einen Bund gehabt, und dessentwegen nachgehends verbrannt worden, von dem Teuffel auf den Gipffel e eines Rauchfangs oder Camins gefuhret wurde, und allda auf seinen Befehl einen Hafen umkehrete. (Erasm. im 20. Brieff des 27. Buchs seiner Brieffen.) Dokument 13: Narcissus Schwelin: Würtembergische kleine Chronica (1660)182 Am Oster-Abend / den 24. Martii [1533] / ist das Städtlin Schiltach am Schwartzwald / gar außgebronnen / die Scribenten melden / der 181 Martin Crusius: Annales suevici ..., Pars 3, Bd. 2, Frankfurt 1596, S. 622f. - Hier in der Übersetzung von Johann Jacob Moser: Martin Crusii ... Schwäbische Chronick ... Aus dem Lateinischen erstmals übersetzt... von Johann Jacob Moser, Bd. 2, Frankfurt 1733, S. 235f. 182 Würtembergische kleine Chronica / Oder Beschreibung viler denckwürdigen Geschichten / die sich in dem Hertzogthumb Würtemberg und etlich andern Orten in Kriegs- und Fridens-Zeiten begeben haben..., zusammen getragen von Narcisso Schwelin, Stuttgart 1660, S. 151. 128 Der Teufel von Schiltach böse Geist habe sich auch darbey gefunden/ und im Städtlin mit einer Pauken sich hören lassen / auch ein Weib / so sein Bulschafft gewesen / und zuvor mit dem Pfaffen daselbst 14 Jahr zugehalten / in die Lufft geführet / auff den Schlot gesetzt / ihr ein Hafen in die Hand gegeben / und befohlen / denselben außzuschütten / und als sie das gethan / seye das Städtlin in einer Stund außgebrant / dise Hex oder Zauberin ist hernacher / wegen diser Ubelthat / zu Oberndorff verurtheilt / und offentlich verbrant worden. Dokument 14: Brüder Grimm: Des Teufels Brand183 [S. 282] Es liegt ein Städtlein im Schweizerland mit Namen Schiltach, welches im Jahr 1533 am zehnten [S. 283] April plötzlich in den Grund abgebrannt ist. Man sagt, daß dieser Brand folgender Weise, wie die Bürger des Orts vor der Obrigkeit zu Freiburg angezeigt, entstanden sey. Es hat sich in einem Hause oben hören lassen, als ob jemand mit linder, lispelnder Stimme einem andern zuriefe und winkete, er solle schweigen. Der Hausherr meint, es habe sich ein Dieb verborgen, geht hinauf, findet aber niemand. Darauf hat er es wiederum von einem höheren Gemach her vernommen, er geht auch dahin und vermeint den Dieb zu greifen. Wie aber niemand vorhanden ist, hört er endlich die Stimme im Schornstein. Da denkt er, es müsse ein Teufels-Gespenst seyn und spricht den seinigen, die sich fürchten, zu, sie sollten getrost und unverzagt seyn, Gott werde sie beschirmen. Darauf bat er zwei Priester zu kommen, damit sie den Geist beschwüren. Als diese nun fragten, wer er sey, antwortete er: „der Teufel.“ Als sie weiter frag183 Deutsche Sagen. Herausgegeben von den Brüdern Grimm, Berlin 1816, S. 282f. (Nr. 206). - Als Quellen werden angegeben: „Erasm. Rotterodam. epist. fam. L. 27. c. 20. - Nic. Remigii daemonolatria p. 335. 336.“- Neuausgabe: Deutsche Sagen (wie Anm. 88), S. 218f. (Nr. 207). Der Teufel von Schiltach 129 ten, was sein Beginnen sey, antwortete er: „ich will die Stadt in Grund verderben!“ Da bedräuen sie ihn, aber der Teufel spricht: „euere Drohworte gehen mich nichts an, einer von euch ist ein liederlicher Bube; alle beide aber seyd ihr Diebe.“ Bald darauf hat er ein Weib, mit welchem jener Geistliche vierzehn Jahre zusammengelebt, hinauf in die Luft geführt, oben auf einen Schornstein gesetzt, ihr einen Kessel gegeben und sie geheißen, ihn umkehren und ausschütten. Wie sie das gethan, ist der ganze Flecken vom Feuer ergriffen worden und in einer Stunde abgebrannt. Dokument 15: Ludwig Bechstein: Der Teufel in Schiltach184 [S. 735] Zu Schiltach, einem badischen Grenzstädtlein am Schwarzwald, trug sich im Jahr 1533 ein seltsamlich Abenteuer zu mit dem bösen Erzabenteurer, dem Teufel. Im Ratswirtshaus nistete er sich ein gleich einem Kobold, führte unziemliche Reden, ohne doch sichtbar zu sein, warf Türen auf und zu, trommelte und pfiff, rasselte und prasselte, wisperte und flüsterte, und machte dem Ratswirt, einem Witwer, himmelangst mit seinem Höllenspuk. Als es Tag war, sandte der Wirt nach dem Ratsbeisitzer und nach dem Pfarrer von Schenkenzell und nach dem von Schiltach, die beschworen den unsaubern Geist, aber der tat ihnen allerhand Gröbungen an, warf ihnen Unsittlichkeiten vor, und schwur, dem Schultheißen das Haus überm Kopf anzubrennen. Das ganze Städtlein lief zusammen und hörte das Teufelsgeplärre mit an, das in allerlei Gassenhauern und Schlumperliedlein bestand. 184 Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853, Nr. 901, S. 735f. - In normalisierter Orthographie. - Abgedruckt in: Alemannische Sagen. Heimelige und unheimliche Geschichten aus Baden, Vorarlberg, der Schweiz und dem Elsaß, hrsg. von Ulf Diederichs und Christa Hinze, Frankfurt a. M. / Berlin 1987, S. 108f. 130 Der Teufel von Schiltach Auch in der Nacht gab der Teufel keine Ruhe und keinen Frieden, er stellte sich auf das Hochhaus (den Söller) und pfiff und trommelte alle Märsche und Trommelstücklein bis an den hellen Morgen, und über den ganzen Tag, und erklärte, des Wirts Magd sei seine liebste Buhle. War sonst für ein ehrlichs Mensch erachtet worden, da hieß sie der Wirt aufpacken und aus dem Haus ziehen, und da ging die Maid zornig und mit Heulen und Schreien aus Schiltach und den Berg hinan, den Fußpfad gen HinterAuhalden185 entlang, und man sah droben bei ihr einen langen schwarzen Mann stehen, und darauf war es still, der Spuk hörte auf. Die Magd war über Auhalden und Waldmössingen nach Oberndorf gegangen, allwo ihre Heimat war. Wer war froher als der Wirt? Er dachte schon, das Häslein hätte ihn geleckt,186 aber nach 14 Tagen, am Gründonnerstag, ging im eigentlichsten Sinn der Teufel wieder los und musizierte gräulich, und als viel Volk sich sammelte, auch aus Nachbarorten, schrie der Teufel, immer unsichtbar, diesem zu, es solle sich von dannen heben, denn das Nest müsse in Grund und Boden verbrennen. Und da sah man droben auf dem Schlossberg wieder den schwarzen Mann und drei Weiber bei ihm, und plötzlich brannte des Wirts Heuboden hellerlichterloh und [S. 736] das Feuer flog von Dach zu Dache, wie ein Drache und zündete alles an, und binnen einer Stunde lagen das Rathaus und des Örtchens 26 beste Häuser in Asche. Nach dem Brand zog man die verwiesene Maid ein, und diese musste bekennen, dass sie des Teufels Buhle sei, dass sie auf dem Dache auf sein Geheiß einen Kessel umgekehrt und umgeschüttet auf welches Bekenntnis sie lebendig verbrannt wurde. An das neuerbaute Rathaus aber ward ein Denkstein angebracht mit der Schrift: IV Idus Aprilis conflagravit Oppidum Diabolus MDXXXIII. 187 185 Aichhalden 186 ihm sei etwas Angenehmes widerfahren Teufel die Stadt verbrannt.“ 187 „Am 10. April 1533 hat der Der Teufel von Schiltach 131 Dokument 16: Ludwig Bechstein: Teufelsbuhlschaft188 (Auszug) (Nach einer ausführlichen gleichzeitigen handschriftlichen Berichterstattung im Hennebergischen Gesamtarchiv zu Meiningen) [S. 33] ... und auch mehrere Zechgäste gewahrten es, und nach und nach alle, dass die Leute draußen auf dem Markte stehenblieben und zusammentraten und hinauf zum Schlossberg deuteten, hinter dem eine seltsame, schwefelgelb gefärbte Wolke aufstieg. Und auf dieser hellen Wolke schnitten sich vier dunkle Gestalten ab, und zwar die eines langen hageren Mannes und dreier Weiber, und obschon die Entfernung vom Markplatz zu Schildach bis hinauf zum Schlossberggipfel keine ganz geringe war, so glaubten einige doch die Weibspersonen zu kennen, und es wurden Stim[S. 34] men laut, welche riefen: „Kathrin, die Ratswirtsköchin!“ „Marlies, die Pfarrköchin!“ - „Metzen Gret, die Pfarrköchin von Schenkenzell!“ Jetzt gaben die vier droben sich einander die Hände und begannen einen Ringelreigen zu drehen, und immer höher stieg die schwefelgelbe Wolke. Und des Volkes, das zusammenlief und gaffte und einander zuschrie, die Gestalt des Teufels lasse sich sehen droben auf dem Schlossberge, ward mehr und mehr. Und da zuckte es wie ein jäher Blitz in der Wolke, und die vier Tänzer waren hinweg. 188 Ludwig Bechstein: Hexengeschichten, Halle 1854 (Nachdruck: Hildesheim/Zürich/New York 1984), S. 1-40 (hier S. 33-40). - Neuausgaben: Im Bund mit dem Teufel. Alte Hexengeschichten, Freiburg 1981, S. 9-32. - Hexengeschichten von Ludwig Bechstein. Mit farbigen Illustrationen von Monika Wurmdobler, Frankfurt am Main 1986, S. 15-52. 132 Der Teufel von Schiltach Und jetzt wandte sich das Volk um und schaute nach dem Rathaus, und noch einmal zuckte es flammend über den Markt, aber gar nicht wie ein rechter Blitz, auch folgte kein Donner - aber eine Rauchwolke wälzte sich schwarz hinterm Rathausdach empor, vom Hintergebäude, worauf des Stadtschultheißen Heuboden war, und es züngelten Flammen hinein, und der Ruf erscholl von hundert Stimmen: „Feuer! Feuer! Feuerjo!“ Und der Wächter stieß ins Lärmhorn, und die Glocken läuteten Sturm, und die Männer drängten ins Rathaus und langten zum erstenmal die neuen Feuereimer herunter, andere liefen nach den Leitern, nach den Haken, aber schneller als alle lief das Feuer; das schlug lichterloh empor und spottete des Wassers; in ganzen Ballen rollte es vom Rathausdach auf die Nachbar- [S. 34] dächer, bald erhob sich heulend der Sturm und fachte die Lohe und gab ihr Flügel, und mit Windsbrautschnelle flog sie von Haus zu Haus rings um den Markt. Bald waren Feuereimer und Spritzen nicht mehr brauchbar, denn die Flamme zündete hier, zündete dort auf den Schindeldächern des Schwarzwaldstädtleins und ließ sich nicht Einhalt tun, und ehe eine Stunde verging, waren das Rathaus und sechsundzwanzig andere Häuser niedergebrannt bis fast zum Grunde, die schönsten des Ortes rings um den ganzen Markt, und die schwarzen Feuermauern starrten nur noch empor. Gar wenig hatte aus den brennenden Häusern gerettet werden können, denn allzu schnell war das Flugfeuer gewesen, und es war nun ein großer gewaltiger Jammer in dem ohnehin armen Städtlein, dessen Herz ausgebrannt war und zu Staub und Asche verkohlt ... [S. 36] Schrecklich war das Unglück, und aller Zorn wandte sich gegen das Werkzeug des Teufels, seine liebste Buhle, denn dass diese und niemand anders des Brandes Ursache, dieser Glaube stand baumfest. Der Teufel von Schiltach 133 Als daher nach Beseitigung des Notwendigsten und Dringendsten zur Linderung des Elendes des gänzlich hilflos gewordenen Teiles der abgebrannten Einwohner Schildachs der Stadtrat in einem verschont gebliebenen Hause unter dem Vorsitz des tief bekümmerten und hart geschädigten Schultheißen seine erste Sitzung hielt, wurde ein Schreiben entworfen an den großgünstigen, wohlachtbaren, ehrsamen und fürsichtigen, freundnachbarlichen Rat des Städtleins Oberndorf und demselben darin der ausführliche Bericht des erlittenen Unglücks mitgeteilt ... Absonderlich aber ward jene Oberndorfer Maid der Teufelsbuhlschaft ... ausdrücklich bezichtigt. Da griff der Rat zu Oberndorf zu und ließ die Maid gefangen nehmen. Natürlich leugnete sie rundweg jedes Einverständnis mit dem bösen Feind. Aber da schritt der Rat zur scharfen Frage. Sotane Frage pflegte stets dem Gedächtnis auf eine furchtbare Weise zu Hilfe zu kommen. [S. 37] Die arme Kathrine wurde viel, viel mehr gefragt, als sie wusste, denn eigentlich wusste sie über das, was sie gefragt wurde, gar nichts, aber was man haben wollte, das sie wissen sollte, das lehrte ihr die scharfe Frage, die legte ihr Antworten und Aussagen in den Mund zum Haarsträuben. Als sie geschnürt worden war und die Haarseile ihr die Handgelenke wund gerieben hatten und die Daumschrauben ihr das Blut unter den Fingernägeln hervorgepresst hatten, und als sie auf die Leiter gespannt worden und der gespickte Hase ihr nach dem Henkerrecht dreimal über den Rücken hinauf und hinab gelaufen war, und als die Züge sie so gedehnt und gereckt hatten, dass sie fast selbst in den letzten Zügen lag, da hatte man ein ganz vollständiges Bekenntnis von der vormaligen Ratswirtsköchin zu Schildach, das lautete in kurzer Aufeinanderfolge also: „Ja, ich bin eine Teufelsbuhle, ja, ich habe dem 134 Der Teufel von Schiltach Herrn Christum verschworen und mich dem Satan verlobt; ja ich habe zum öftern des Teufels Besuche angenommen, ich habe aber niemand was zu Leide tun wollen, darum ist der böse Feind mir feind worden und hat mir das Unglück angerichtet ...“ [S. 39] Auf solches Bekenntnis wurden die beiden Pfarrköchinnen zu Schildach und Schenkenzell auch alsbald eingezogen, welches ihren Herren sehr störend war, und wurden nun auch erst in der Güte, dann ebenfalls scharf befragt, und zwar so lange, bis ihre Aussagen mit denen jener Kathrine genau übereinstimmten, dann wurden sie auf ihre Bekenntnisse hin als Teufelsbuhlen alle drei zum Scheiterhaufen verurteilt und auf selbigem lebendig verbrannt. Von Rechts wegen. Schade, dass aus ihrer Asche die eingeäscherten Häuser von Schildach nicht wieder aufgebaut werden konnten. Hernachmals ist der abgebrannte Teil von Schildach doch allmählich wieder aufgebaut worden, auch das Rathaus schöner denn zuvor, und ist das Städtlein zum merklichen Flor gekommen. Die Geschichte aber kam weit und breit in der Welt herum, und hat sogar der hochgelahrte Erasmus Roterodamus ihrer gedacht ..., doch hat er es andern nachgeschrieben, und ebenso dürftig wird auch in Remigii Dämonolatria ... die Geschichte erzählt, daraus sie in die deutschen Sagen der Gebrüder Grimm [S. 40] ... übergegangen, wo aber Schildach irrig ein Städtlein im Schweizerland genannt ist. An das neue Rathaus ließ der Stadtrat nach einem Beschluss ein Wahrzeichen als Gedenktafel mit einer kurzen kernigen Inschrift anbringen, welches zu deutsch lautete: Am zehnten April 1533 hat der Teufel dieses Städtlein abgebrannt, und also aussah: JV. JDVS APRJLJS CONFLAGRAVJT OPPJDVM DJABOLVS. MDXXXJJJ. Der Teufel von Schiltach 135 Dokument 17: Wilhelm Jensen: Der Teufel in Schiltach189 (Auszug): [S. 262] Da schlug ihm190 von drunten, wo die gute Stadt Schiltach lag, eine einzige ungeheure, bis in die Wolken lodernde Riesenflamme entgegen. Und nun befindet der wahrheitsgetreue Berichterstatter der Vorgänge in und um Schiltach am Morgen des zehnten Apriltages des Jahres 1533 sich nicht mehr in der Lage, mit geschichtlicher Gewissenhaftigkeit verbürgen zu können, was den Anlass dazu gegeben, die gesamte Stadt in weniger als einer Stunde ohne Übriglassung eines einzigen Gebäudes in einen heillosen, vollständigen Schutthaufen zu verwandeln. Seine Meinung neigt sich dahin, dass der einzige an jenem Morgen aus dem schweren, tagverdunkelnden, doch völlig regenlosen Wettergewölk herabgefahrene Blitzschlag das Pfarrhaus entzündet und bei dem gleichzeitig losgebrochenen Sturmwind den Brand mit rasender Geschwindigkeit über alle von der wochenlangen Sonnenhitze zunderartig ausgedörrten Dach- und Wandschindeln der Häuser fortgewälzt habe. Dem steht aber, wie nicht zu verschweigen, allerdings eine andere gewichtige und späterhin von den Aussagenden auch mit gerichtlichem Eid verstärkte Anschauung entgegen. Dieser gemäß hatten mehrere Augen - freilich bei dem unsicheren Licht nur in Umrissen - von der Gasse aus wahrgenommen, dass um die besagte Zeit sich über dem Dach des Pfarrhauses eine dunkle, entsetzlich aussehende Weibsgestalt [S. 263] mit windfliegenden Haarsträhnen und etwas wie einer Pechpfanne in den Händen heraufgehoben. Dieselbe habe mit grauenvoller Stimme gerufen: Die ganze Stadt 189 Wilhelm Jensen: Der Teufel in Schiltach, Berlin 1883, S. 262-264 (ebd.:“362-364“). - Die Paginierung ist teilweise falsch. - Der Roman umfasst 272 Seiten (StA Schiltach). - In moderner Rechtschreibung. 190 dem Landsknecht Görz Rüdenklau, einer der Hauptpersonen des Romans. 136 Der Teufel von Schiltach Schiltach sei des Teufels, der Teufel selbst liege eingeschlossen unter ihr im Hause und sie sei des Teufels Mutter! Und im nächsten Augenblick sei sie in einem dick um sie her aufqualmenden Rauch verschwunden, aus dem nur ein roter Höllenschein aufgebrochen und sie spurlos mit in die Luft hineingelodert habe. Hieraus entnahmen die Augenzeugen, und auch das Gericht schloss sich später aus mannigfachen Erwägungen ihrer Ansicht an, dass es eine Hexe gewesen, welche vom Teufel aufgestiftet, die Stadt zu verderben, und sowie sie ihr Werk vollbracht, von ihrem Buhlen geradenwegs in die Hölle fortgeschleppt worden... Die einzige Bewohnerin der Stadt aber, auf die aller Verdacht, jenes Kebsweib des satanischen Tückebolds gewesen zu sein, sich hinwälzte, war die Pfarrersköchin Ursula Röckenfeller, denn die Wetterhexe hatte sich einesteils auf dem Hausdach Damian Übelhör’s191 erhoben, um dies der unter ihm weilenden Frömmigkeit [S. 264] und streitbaren Gottesgelahrtheit halber zuerst in Asche zu legen, und andernteils bildete Ursula Röckenfeller die einzige Angehörige Schiltachs, über welche die schützenden Engel des Himmels nicht ihre Fittiche gebreitet hatten, so dass sie allein - wenn ihr höllischer Leib- und Seelenverderber sie nicht in seinen Klauen mit sich genommen - zu Kohle verbrannt mit unter dem großen, tagelang qualmenden Schutthaufen hätte verschottert liegen müssen. Das sind die beiden streitigen Anschauungen über die Ursache des bedauerlichen totalen Untergangs der trefflichen Stadt Schiltach am Morgen des zehnten Apriltages im Jahre 1533 post Christum natum. Mit historischer Gewissheit aber kann der Geschichtsschreiber wieder berichten, dass, nachdem der erste Entstehungsanlass stattgehabt, das Feuer wie an Spinnweben von 191 Pfarrer von Schiltach Der Teufel von Schiltach 137 Dach zu Dach lief, hier übersprang, dort aus der Luft niederfiel und kaum den Inwohnern Zeit ließ, sich unter Zurücklassung ihrer sämtlichen Habe mit tausendstimmigem Geschrei, Klagen und ratlosem Getümmel aus den gleichzeitig brennenden Häusern ins Freie, hauptsächlich gegen den zunächst Lebenssicherheit bietenden Schlossberg zu flüchten. In kürzerer Frist als einer Viertelstunde war Alles zwischen den alten Ringmauern in eine einzige lodernde, sprühende, rauchende, fauchende und schnaubende Masse verwandelt ... Dokumente 18 a-d: Hexereibeschuldigungen in Schiltach (1644-1698)192 a) Im September 1644 verstarb 20jährig Paul Schweicker, Sohn des Schiltacher Bürgers und Gerichtsmitglieds Stoffel Schweicker. Vor seinem Tod hatte er dem Pfarrer gegenüber geäußert, dass Barbara Arnold, die Frau des Stadtknechts, seinen Zustand verschuldet hätte. In der Leichenpredigt sagte der Pfarrer, dass der Junge seine Krankheit „von einem bösen Weib“ gehabt habe. Barbara Arnold bezog diese Äußerung auf sich und beschwerte sich, zusammen mit ihrer Tochter Helena Mayer, beim Pfarrer. Der meinte jedoch, wenn sie ein gutes Gewissen hätte, dann hätte sie ihn nicht aufgesucht. - Beim Ruggericht am 16. 9. 1644 kamen diese Vorkommnisse zur Sprache, die der Hornberger Untervogt an die vorgesetzte Kanzlei nach Stuttgart berichtete. Der Oberrat ordnete die Verhaftung und das Verhör der verdächtigen Frau an. Es hieß, dass ihre Mutter vor 30 Jahren in Wolfach und ihre Schwester, die Hebamme war, vor 25 Jahren in Schiltach verbrannt worden waren;193 eine weitere Schwester, die in Schramberg lebte, stand 192 Aus den Akten des Hauptstaatsarchivs Stuttgart, zusammengestellt von Anita Raith (Stuttgart). 193 1613 saßen in Wolfach neun der Hexerei verdächtige „Weibspersonen“ im Turm, vgl. Franz Disch: Chronik der Stadt Wolfach, Wolfach 1920, S. 379. - 1619 wurde in Schiltach die Hebamme Anna Volmer als Hexe hingerichtet (vgl. S. 62). 138 Der Teufel von Schiltach gleichfalls im Ruf der Hexerei.194 - Es gibt keine weiteren Akten, so dass es wohl zu keinem Prozess kam und Barbara Arnold wieder aus der Haft entlassen wurde. b) 1649 wurde Georg Benne, genannt Liemp, ehemaliger Kuhhirt, von Matthäus Schweicker (Bruder des 1644 verstorbenen Paul Schweicker) und dessen Weib als „Hexenmann und Zauberer“ bezichtigt: Er soll der Kuh die Milch genommen haben. - Der Oberrat erteilte dem Untervogt den Befehl, „in der Stille gute Achtung zu geben“ und bei weiteren Vorkommnissen zu berichten.195 - Weitere Akten fehlen, so dass es wohl auch in diesem Fall nicht zum Prozess kam. c) 1668 wird über Anna Maria Arnold, Witwe des Matthäus Arnold, berichtet: Sie ist ca. 50 Jahre alt und hat eine Tochter, die zu einer Pflegefamilie gegeben werden musste. Sie führt wunderliche Reden: Sie könne nicht mehr arbeiten, seit der „Hurenteufel“ in ihr sitze; sie hätte gerne wieder einen Mann gehabt, fände aber keinen. Seit sechs Jahren verwitwet, pflegt sie einen „bösen Wandel, Müßiggang, Faulenzen“. Ein Jahr zuvor hat sie verlauten lassen, dass sie das Städtchen verbrennen wolle. - Der Pfarrer verbietet ihr, den teuflischen phantastischen Einbildungen nachzugeben. Er vermutet, dass sie vom bösen Geist besessen ist. - Die Oberräte plädieren dagegen auf „Torheit und Blödigkeit“, da der Böse eventuell sein Spiel mit ihr treibt, und sehen keine Ursachen für Hexerei. Der Pfarrer soll ihr zusprechen und sie zu fleißigem Gebet anhalten.196 d) 1698 war die aus Tirol stammende Maria Koch Pfarrmagd im Schiltacher Pfarrhaus. Sie spielte einer anderen Dienstmagd einen Streich, indem sie in Männerkleidung als Buhle auftrat und ihr die 194 196 HStA Stuttgart A 209 Bü 1291. HStA Stuttgart A 209 Bü 1296 195 HStA Stuttgart A 209 Bü 1292 Der Teufel von Schiltach 139 Ehe versprach. Eines Nachts fiel dieser Dienstmagd auf, dass „der Buhle“ sich ins Bett der Maria Koch legte. Da, wie Nachforschungen ergaben, kein Mann im Hause war, behauptete diese, bei ihr sei ein Buhle gewesen, der „Geißfüße“ hatte. - Der Oberrat ordnete an, Maria Koch besichtigen zu lassen, ob sie ein Hermaphrodit sei. Nach mehrtägiger Haft gestand sie schließlich das Schelmenstück und wurde aus dem Land gewiesen.197 197 HStA Stuttgart A 209 Bü 1304 140 Der Teufel von Schiltach Hans Harter Der Teufel von Schiltach Im Jahr 1533 ereignete sich in Schiltach im Schwarzwald eine Brandkatastrophe, bei der das ganze Städtchen zu Grunde ging. Die verunsicherten Einwohner bezichtigten eine Dienstmagd der Brandstiftung, obwohl diese an jenem Tag in ihrer Heimat Oberndorf am Neckar gewesen war. Man unterschob ihr einen Pakt mit dem Teufel, der ihr einen Hexenflug nach Schiltach ermöglicht und sie zur Brandstiftung verleitet habe. Sie wurde in Oberndorf als „Hexe“ verbrannt. Die Kunde davon ging durch alle Lande, und der „Teufel von Schiltach“ wurde ein Thema für Publizisten, Dämonologen, Chronisten, Theologen, Sagensammler, Historiker, Schriftsteller und Künstler. Die Schiltacher Narrenzunft hat den „Teufel“ zu einer ihrer Fasnachtsfiguren gemacht. Titel und Holzschnitt eines Flugblatts von 1533. ISBN 3-00-016011-6 Titelbild: Karl Eyth: „Der Teufel von Schiltach“ Ölgemälde (undatiert). Museum am Markt Schiltach