Istanbul zwischen Minaretten und Moderne
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Istanbul zwischen Minaretten und Moderne
Eine Stadt mit Palästen, Moscheen, Märkten, aber auch neuen Restaurants und Bars in Trendquartieren. Istanbul zwischen Minaretten und Moderne 23.7.2015 In kaum einer anderen Stadt werden derzeit so viele neue Hotels eröffnet wie in Istanbul. Die Metropole boomt und zieht jährlich mehr als zehn Millionen Gäste an. Damit liegt sie im Ranking der meistbesuchten Städte auf Platz sechs. Sie verbindet Okzident und Orient, sie ist jung, dynamisch, laut, chronisch verstopft, aber auch behutsam und leise im Umgang mit Traditionen und der eigenen Geschichte, die griechische, römische, byzantinische und osmanische Epochen umfasst. Istanbul, eine Metropole zwischen Minaretten und Moderne. Heute reisen Touristen aus aller Welt an den Bosporus, um nicht nur die klassischen Sehenswürdigkeiten wie den TopkapiPalast und die Blaue Moschee zu besuchen, sondern auch, um das konsumfreundliche, trendige Istanbul mit seinen neuen Hotels, Restaurants und Bars zu erleben. Die Hotellerie Gastronomie Zeitung sprach in Istanbul mit dem Reise- und Tourismusexperten Özen Kulak über die Entwicklung der letzten Jahre. HGZ: Özen Kulak, es heisst, niemand wisse genau, wie viele Einwohner die heimliche Hauptstadt der Türkei habe. Was ist Ihre Schätzung beziehungsweise Ihr Wissensstand? Özen Kulak: Laut der letzten Volkszählung im Jahr 2014 liegt die offizielle Einwohnerzahl von Istanbul bei 14.160.467. Es handelt sich hier um Personen, die in Istanbul einen festen Wohnsitz angegeben haben. Mit den Arbeitern und Studenten, die jeden Tag in die Stadt pendeln, und mit den Touristen dürfte Istanbul heute weit mehr als 18 Millionen Einwohner haben. HGZ: Istanbul ist eine Boom City. Wie kommen die Einwohner damit zurecht? Kulak: Istanbul ist in jeder Hinsicht eine Verschmelzung aller Kulturen und Religionen und das nicht nur für den Europäer. Die Einwohner sind stolz auf die Vergangenheit ihrer Stadt und wissen mit dem Erbe gut umzugehen. Istanbul ist eine Weltmetropole und gehört nicht nur den Türken. Sie ist wie schon immer in ihrer Geschichte sehr tolerant und offen für alle Menschen. Für traditionell lebende Menschen ist Istanbul wie eine Reise in die Vergangenheit. Rein und unberührt in seiner besonderen Art. Für den westlich eingestellten und lebenden Istanbuler ist die Stadt der Inbegriff für Fortschritt und Moderne.. HGZ: 2013 demonstrierten Zehntausende wochenlang auf dem bekannten Taksim-Platz gegen ein geplantes Bauprojekt im Gezi-Park. Welche Auswirkungen hatten die Proteste auf die Tourismusbranche? Kulak: In vielen westlichen Medien wurden die Proteste in Anlehnung an den Arabischen Frühling teilweise als türkischer Frühling bezeichnet, was aber definitiv nicht der Fall war. Auch wenn es zu traurigen Ausschreitungen mit der Polizei kam, war es im Gesamtaspekt ein Akt der Demokratie und Meinungsfreiheit. Inzwischen sind gut zwei Jahre vergangen und Istanbul boomt als Besucherziel. Das vorübergehende schlechte Image ist inzwischen völlig aus den Köpfen verschwunden. Die grossen Passagierschiffe steuern Istanbul wieder an. Dieses Jahr und vor allem nächstes Jahr sind fast alle grossen Kongresse in Istanbul. Die Auslastung der Hotels in der Türkei lag 2014 durchschnittlich bei über 80 Prozent. Dieses Jahr lag die Zahl bis Ende Mai bei knapp 80 Prozent. HGZ: Aus welchen Ländern kommen heute die meisten Istanbul-Besucher? Kulak: Laut einem aktuellen Bericht des Ministeriums für Tourismus und des türkischen Reiseverbands (Türsab) kamen 2014 die meisten Besucher aus Deutschland, es folgen Gäste aus den arabischen Ländern und aus Fernost. HGZ: Wie hat sich die Istanbuler Hotellerie seit 2013 entwickelt? Kulak: Die Zahl der Hotels ist enorm gestiegen. Nahezu alle grossen Hotelketten aus der ganzen Welt haben in Istanbul wenigstens ein Haus oder schon zwei, drei Hotels. Auch einheimische Hotelbetreiber haben auf beiden Kontinenten Häuser eröffnet. In den letzten fünf Jahren ist auch der asiatische Teil Istanbuls zu einem Hotelparadies geworden, bedingt durch den Flughafen auf der asiatischen Seite. HGZ: Augenfällig sind die vielen Frauen in Hotelmanagement-Positionen. Ist das ein Zeichen für eine gewachsene Emanzipation? Kulak: Ja, und das gilt nicht nur für Istanbul, sondern auch für die Hotel- und Tourismusbranche im Süden der Türkei und an der ägäischen Küste. Dies ist für das Gesamtimage der Türkei und die arbeitende türkische Frau ein wichtiger und grosser Schritt im Bereich Emanzipation, die übrigens seit der Gründung der Republik und durch die Förderung Atatürks sehr gross geschrieben wird. HGZ: Sie sind Kenner der gastronomischen Szene Istanbuls. Welche Trends liegen derzeit in der Luft am Bosporus? Kulak: Der Istanbuler ist ein Genussmensch. Unabhängig von seiner Sozialschicht geht er für sein Leben gern essen und geniesst einheimische und internationale Küche. Vor allem sind Restaurants, Cafés und Bars beliebt, wo man auch im Winter draussen sitzen kann und einen Bosporusblick aus nächster Nähe oder von einem Hügel aus geniessen kann. Die Istanbuler mögen vor allem jede Art von Grillspezialitäten und Pasta. Dazu natürlich reichlich Meeresfrüchte und frischen Fisch. Deshalb sind die Restaurants und Bars an der Bosporus-Meile immer noch am beliebtesten. HGZ: Die Altstadt ist seit jeher ein Anziehungspunkt für Touristen. Welche Stadtquartiere sollte der gastronomisch und kulturell Interessierte unbedingt entdecken? Kulak: Die Altstadt bietet eine Menge guter Restaurants mit den verschiedensten Küchen aus allen Regionen der Türkei. Von Grill und Fisch bis zu vegetarisch und sogar vegan reicht die Palette der Auswahl. Bekannt für gutes Essen und gute Restaurants sind folgende Viertel der Stadt: die Istiklalstrasse und Pera, das ehemalige Fischerdorf Kumkapi, Karaköy und die Galatabrücke, Ortaköy und Bebek am Bosporus und auf der asiatischen Seite Kadiköy und die Bağdatstrasse. Gerne fährt der Istanbuler auch auf eine der Prinzeninseln und isst dort frischen Fisch. HGZ: Sie sprechen fliessend Deutsch. Woher kommt das? Kulak: 1984 sind aus der Bundesrepublik Deutschland mehr als 50.000 Gastarbeiterfamilien nach Istanbul zurückgekehrt. Eine dieser Familien war auch meine. Ich bin in Deutschland geboren und habe dort die achte Klasse beendet. In Istanbul bin ich dann auf ein deutsches Gymnasium gegangen und habe mein Abitur gemacht. Mein Studium habe ich noch im ersten Semester abgebrochen, denn mir war klar, dass ich bedingt durch meine Sozialkompetenz unbedingt in der Tourismusbranche tätig sein wollte und den Kontakt zum deutschsprachigen Raum somit beibehalten konnte. Ich profitiere heute von beiden Kulturen und Mentalitäten. Im Beruf bin ich mehr Deutscher, privat aber mehr der Türke – und das ist auch gut so. Özen Kulak ist Business Development Manager und arbeitet für Beynar Travel, eine Tochtergesellschaft der Dorak Holding mit Sitz in Istanbul. Beynar Travel organisiert Gruppen- und Individualreisen, Events und Kongresse. 2014 betreute das Unternehmen, zu dem auch zwölf Restaurants gehören, rund 600.000 Gäste. www.beynar.com Foto: ZVG Interview: Jörg Ruppelt Zwei Mövenpick Hotels am Bosporus In Istanbul schiessen derzeit neue Hotels wie Pilze aus dem Boden und verändern das Gesicht der Metropole. Allein im europäischen Teil der Stadt wurden seit 2011 rund 80 neue Hotels eröffnet. Die derzeitige gesamte Istanbuler Hotelbettenkapazität beläuft sich laut Experten auf 130.000 Betten, eine Aufstockung von rund 30.000 Betten wird bald Realität sein. International operierende Hotelkonzerne investieren in Istanbul, darunter auch Mövenpick Hotels & Resorts. Im März eröffnete das Unternehmen sein zweites Hotel in der Metropole: das Mövenpick Golden Horn. Kostenpunkt rund 40 Millionen Euro. Nur jeweils zehn Autominuten von der Altstadt und vom Halic Congress Center entfernt, ist das topmoderne Haus mit seinen 136 Zimmern, darunter sieben Suiten, sowohl für Touristen als auch für Business-Gäste interessant. Gestaltet und eingerichtet wurde das neue Hotel von Istanbuls Star-Designer Sinan Kafadar, der bereits das 2003 eröffnete, 20 Stockwerke hohe Mövenpick Hotel Istanbul im Business-Stadtviertel 4. Levent designte. Bis Ende Juni leitete der Schweizer Frank Reichenbach das renommierte Hotel, bevor er Anfang Juli das Marco Polo Hotel in Manila übernahm. Als längjähriger Regionaldirektor Türkei bei Mövenpick Hotels & Resorts förderte er Frauen und empfahl sie für mittlere und obere Managementpositionen. So führt heute Neyran Tan, eine Powerfrau mit mittlerweile mehrjähriger HôtelièreErfahrung, das neue Mövenpick Hotel & Resort Golden Horn als General Managerin. Gastronomisch spielen beide Hotels in der obersten Istanbuler Liga mit. Executive Chef im Azzur Restaurant im Mövenpick Hotel Istanbul ist der Italiener Giovanni Terracciano. Im Pruva Swiss Grill Restaurant im neuen Mövenpick Hotel Golden Horn führt das türkische Talent Ceyhan Aşcıoğlu Regie. Beide Köche setzen auf eine hochstehende mediterrane türkische Küche mit einem Hauch Mövenpick-Swissness. www.moevenpick-hotels.com Restaurant-Tipps Sardunya Seit 20 Jahren ein grosser Name in Istanbul. Direkt am Bosporus gelegen, nördlich des Kreuzfahrtterminals. Atemberaubende Sicht auf den asiatischen Teil Istanbuls. Ein Teil der Location ist Openair. Serviert werden typisch türkische Küche und Meeresspezialitäten. www.sardunyafindikli.com 360 Club & Restaurants Beliebtes In-Lokal mit Dachterrasse und 360-Grad-Rundumblick im obersten Stock des Misirli-Gebäudes Nr. 309 an der İstiklal Caddesi, der berühmten Flaniermeile Istanbuls. Mitbesitzer ist der südafrikanische Starkoch Mike Norman. www.360istanbul.com Ulus 29 Seit 15 Jahren eine der besten Fine-Dining-Adressen der Stadt. Das Restaurant auf einem der sieben höchsten Hügel der Stadt bietet einen bezaubernden Blick auf den Bosporus. Die Zahl 29 bezieht sich auf die 29 türkischen und internationalen Gerichte in absoluter Top-Qualität. www.ulus29.com Sur Balik/Arnavutköy Mehrstöckiges, altosmanisches Yali-Holzhaus. Ein «Must» für Fisch- und Meeresfrüchteliebhaber. 90 Prozent der Gäste sind Einheimische. Tipp: unbedingt die Vorspeisen Käse mit Seegras und die Miesmuscheln sowie den grillierten Seebarsch probieren und dazu Weissweine aus Kappadokien geniessen. Tolle Lage im Ausgehviertel Arnavutköy direkt am Bosporus. www.surbalik.com Surplus Frisch renoviertes, mit grossen Fensterfronten ausgestattetes Restaurant, in dem die gehobene Kebab-Kultur sowie die alte osmanische Küche zelebriert wird. Grosse Auswahl an türkischen Weinen, die meisten davon aus autochthonen Sorten gekeltert. Zentrale Lage in Eminönü am Golden Horn, nahe Galatabrücke. www.surplus.com.tr Mikla Urban und chic. Das Restaurant mit 360-Grad-Blick befindet sich im 11. Stock des Marmara Pera Hotels und ist mit verchromten Möbeln im Retrostil der 1950er- bis 1970er-Jahre eingerichtet. Küchenchef Mehmet Gürs, halb Finne, halb Türke, präsentiert anatolische, mediterrane und skandinavische Küche. www.miklarestaurant.com Suada Die künstliche Insel inmitten des Bosporus gehört dem Fussballclub Galatasaray. Vor sieben Jahren hat der Besitzer des Reina Clubs die Insel gepachtet und in einen der angesagtesten Orte Istanbuls verwandelt mit sieben Restaurants, einem Club-Teil und einem grossen Pool. www.suada.com.tr