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FRÜHJAHR 2015 CHF 9.00 / 9.00 € OLIVIERO TOSCANI BAR REFAELI VERSACE DESIGN REISEN ZÜRICH ART FREIHEIT, SEELE & VORSTELLUNG OLIVIERO TOSCANI 12 13 ART ART FOTOS OLIVIERO TOSCANI 14 15 ART OLIVIERO TOSCANI Der Provokateur der Fotoszene Oliviero Toscani ist wohl eine der schillerndsten Persönlichkeiten unter den Fotografen. Berühmt geworden ist er durch seine Fotos für die weltbekannten Werbekampagnen des italienischen Modelabels Benetton. Die Plakate erregten mit ihren schockierenden Motiven die Öffentlichkeit und lösten viele kontroverse Diskussionen aus. Oliviero Toscani wurde 1942 in Mailand geboren und erlangte internationale Bekanntheit als kreative Kraft hinter erfolgreichen Marken, wie Esprit, Valentino, Chanel, Fiorucci und Prenatal. Von 1982 bis 2000 entwickelte er die Kampagnen für United Colors of Benetton. Das Unternehmen wurde dank seiner Ideen zu einer der meistbeachteten Modemarken der Welt. Als Modefotograf arbeitete er bereits für bekannte Zeitschriften wie Elle, Vogue, L‘Uomo Vogue, GQ, Harper’s Bazaar, Esquire und Stern. 1990 konzipierte und gründete er «Colors», das erste globale Magazin, dessen Leitung er auch übernahm. 1993 begann er mit dem Aufbau von «Fabrica», einem internationalen Forschungszentrum für moderne Kommunikationskunst. Fabrica realisiert redaktionelle Projekte, Bücher, Fernsehprogramme und Ausstellungen und lieferte schon Beiträge für die Vereinten Nationen, den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), La Repubblica, Arte, MTV, RAI und Mediaset. In dem Zentrum werden auch Filme produziert, die bei den Filmfestspielen in Cannes und Venedig bereits drei Preise gewinnen konnten. Toscanis Arbeiten wurden auf den Biennalen in Venedig und Sao Paulo, der Triennale in Mailand, in den Museen für moderne Kunst in Lausanne, Mexiko City, Helsinki, Rom und vielen weiteren Museen weltweit ausgestellt. 16 17 ART Über die Freiheit sich ZU LÖSEN INTERVIEW NICO LODISE Herr Toscani, was bedeutet für Sie «Provokation»? Dieses Wort wird häufig negativ gedeutet, obwohl es etwas ganz anderes meint. Ich denke, das Leben wäre sehr langweilig ohne Provokation. Was heisst «Provokation»? Liebe provoziert, Kultur provoziert. Wenn von «provozieren» die Rede ist, denkt man sofort an etwas Schlechtes. Das ist aber absolut nicht so. Die Kunst braucht die Provokation geradezu und umgekehrt werden, um zu provozieren, häufig die Ausdrucksformen der Kunst genutzt. Wenn ich ins Kino gehe, will ich provoziert werden. Es ist merkwürdig, dass viele Angst haben vor Provokation. Sie haben Angst davor, dass dadurch ihr Credo infrage gestellt wird. Wir alle sind faul, das ist das Problem. All die moderne Technik hilft uns eigentlich nicht, wir sind zwar ständig online, aber wir sprechen nicht mehr miteinander, die Kommunikation ist tot. Alle Dokumente sind schnell korrigierbar, wie zum Beispiel Fotos mithilfe von Photoshop. Jeder versucht, keine Fehler mehr zu machen. Ich glaube aber nicht daran, dass die elektronische Kommunikation jemals die menschliche Kommunikation ersetzen kann und wird. Wir werden dadurch vielleicht sicherer, weil alle Fehler und Unzulänglichkeiten korrigiert werden können. Schlussendlich bleiben wir aber trotzdem unsicher. Genau dadurch werden wir jedoch überhaupt erst kreativ. Wenn man sich sicher fühlt, ist man nicht kreativ. Und umgekehrt bringt uns die Kreativität dazu, Dinge zu tun, bei denen wir uns nicht sicher fühlen. 18 19 ART Oliviero Toscani im Gespräch mit Sette Owner Nico Lodise Wenn man die Mode- und Fotowelt von heute mit der vor 30 Jahren vergleicht, was fehlt heute? Es fehlt die Seele. Alle können singen, aber es gibt Beethoven und es gibt Hunde, die heulen. Ich mache seit 50 Jahren Modefotos und mich hat die Mode selbst nie interessiert, aber das Verhalten der Frauen. Früher, in meiner Generation, hat man anders fotografiert, die Frauen waren verkleidet und man hat einfach Fotos von ihnen gemacht. Aber heutzutage fehlt die Seele in den Fotos. Alles muss korrigiert werden und perfekt sein. Wenn man ein Stück von den Beatles hört, merkt man, dass viele technische Fehler darin sind. Mit der modernen Technik wird alles sofort korrigiert, aber dadurch wird die Musik uninteressant. Ihr fehlt die menschliche Seite, die menschliche Imperfektion. Alle wollen nur noch schön und perfekt sein. Die heutigen Models sind zwar makellos, aber auch leer. Was ist für Sie «Schönheit»? Ich habe 60.000 Personen porträtiert. Dabei habe ich entdeckt, dass niemand schlecht aussieht. Jeder hat eine Seele. Intensität ist nicht oberflächlich. «Wenn ich ins Kino gehe, will ich provoziert werden.» Sie haben in der Schweiz studiert, wie finden Sie die Schweiz? Die Schweiz ist eine grosse Nation. Dort ist alles entweder obligatorisch oder verboten. Aktuell habe ich einen Job an einer Zürcher Schule und bin zudem wegen der Arbeit an einem Buch immer wieder in Zürich. Momentan ist die Kindermodemarke Virus in Zürich sehr angesagt. Für die werde ich die gesamte Werbekampagne erstellen. Was empfehlen Sie heute einem jungen, talentierten Fotografen? Zuerst muss man schauen, ob er wirklich talentiert ist. Nehmen wir an, er hat Talent, dann sollte er studieren – 22 Kunst, Philosophie und Psychologie. Fotografie ist nicht nur eine Sache von Technik, ein Fotograf braucht eine Vision von der heutigen Gesellschaft und Ethik. Er muss zudem im positiven Sinne kritisieren können und zeigen, was schön und auch nicht so schön ist. Zudem sollte er die Fähigkeit besitzen, seine eigene Arbeit zu analysieren. Herr Toscani, können Sie mit einem Wort oder einem Bild das Leben erklären? Mit einem Wort? Interessante Frage! Für mich bedeutet «Leben», sich die Zukunft vorzustellen. Das gelingt aber nur, wenn man versucht, in die Zukunft zu sehen, aber leider wird diese Übung immer seltener gemacht. Vor allem die jungen Menschen haben keine Vorstellung von der Zukunft. Sie wissen zwar dank der modernen Technik alles von heute und alles von gestern, sie haben einfach alles, aber sie haben keine Zeit mehr zum Träumen. Als ich 20 Jahre alt war, habe ich ein Bild von Brigitte Bardot aufgehängt und mir vorgenommen, irgendwann mit ihr zu schlafen. Das war zwar nur eine Vorstellung, aber solche Träume bringen Menschen ganz kostenlos auf Ideen. Sie sind Übungen und schaffen eine eigene Realität. Leider gibt es sowas heute nicht mehr. Letzte Frage: Was heisst für Sie «Freiheit»? Für mich heisst Freiheit, mich an ein Projekt zu binden, mich zu befreien von diesen Komplexen, dir wir alle haben – dass wir nicht gut genug oder zu wenig intelligent oder faul sind und nicht in der Lage, etwas gut zu machen. Das Gefühl, frei zu sein, empfindet man am ehesten, wenn man etwas tut. Freiheit heisst nicht, ans Meer zu fahren und Ferien zu machen, dabei langweilt wird man sich schnell. Ich muss immer etwas tun und mich unter Druck setzen, um zu sehen, ob ich das schaffe oder nicht. 23