Bernd Eschment Chronik-Jubiläum-Holzwerkstatt
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Bernd Eschment Chronik-Jubiläum-Holzwerkstatt
Jubiläum Christianstraße Juli 2015 1 Jubiläum Holzwerkstatt 23.7.2015 Bernd Eschment Eine fünfundzwanzigjährige Erfolgsgeschichte Zu diesem Jubiläum gratuliere ich den hier Arbeitenden, aber auch ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich! Natürlich bin ich dankbar und zufrieden, dass ich diese Erfolgsgeschichte über viele Jahre mitgestalten konnte. Ich traue mich, von einer Erfolgsgeschichte zu sprechen und werde ihnen im weiteren Verlauf erläutern, warum ich dieser Meinung bin. In den 25 Jahren sind über 110 junge Menschen hier in dieser Werkstatt angeleitet und ausgebildet worden. Eine stattliche Zahl, dennoch für mich nur ein kleiner Teilbeleg, um den Begriff Erfolg zu benutzen. Die vorhandenen Ausbildungswerkstätten in den Heidehäusern und die berufsbildende Ergänzungsschule für Menschen mit einem besonderen Unterstützungs- und Förderungsbedarf waren 1986 für das Albert-Schweitzer-Familienwerk mit ausschlaggebend, die Trägerschaft für die Gesamteinrichtung zu übernehmen. 1988 fragte mich eine engagierte Mitarbeiterin des damaligen Arbeitsamtes, ob wir unsere Ausbildungsbereiche nicht ausweiten könnten, um in der Region eine Alternative zu den überregionalen Berufsbildungswerken zu haben. Jungen Menschen, die auf dem sgn. freien Ausbildungsmarkt nicht vermittelt werden konnten, sollte eine qualifizierte und auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Ausbildung in der Region ermöglicht werden, ohne dass sie hierfür ihr bisheriges Lebensumfeld aufgeben mussten. Aber natürlich war auch diese Entwicklung beim Arbeitsamt von finanziellen Aspekten geleitet, denn wir als regionale überbetriebliche Ausbildungsstätte bekamen zwar die Jubiläum Christianstraße Juli 2015 2 Ausbildungskosten für die Auszubildenden, jedoch keine investiven Mittel wie es bei den Berufsbildungswerken der Fall war. Hier mussten von unserer Seite kreativ andere Mittel eingeworben werden. Auf Grund der starken Nachfrage durch das Arbeitsamt mussten wir unseren vorhandenen Holzausbildungsbereich dringend erweitern. Hier bekamen wir glücklicherweise Kontakt zur Familie Kruse, die ihre Tischlerei hier in der Christianstraße nicht weiterführen konnte. Frau Kruse, so lernten wir auch zwei ihrer Söhne kennen, Georg-Wilhelm und Hermann, ebenfalls zwei exzellente Tischler, die aber letztendlich andere berufliche Wege gingen. Wir befinden uns hier in Werkstatträumen, die Sie, Frau Kruse, gemeinsam mit ihrem Mann, aus selbstgefällten Bäumen und aus Steinen der zerbombten Landeshauptstadt im wahrsten Sinne des Wortes mit Ihren Händen aufgebaut haben. Eine geschichtsträchtige Werkstatt, die zum Ortskern, zu den Heidehäusern und zur Jugendhilfeeinrichtung in der Waldstraße zentral gelegen ist. Dankenswerter Weise konnten wir zum 01.04.1990 den Pachtvertrag schließen. Eine gute Entscheidung für Alle, die von gegenseitigem Respekt, Achtung und Anerkennung getragen war und ist . Neudeutsch heute: „Eine Win-win Situation“! Als Ausbildungsmeister konnten wir Thomas Lange einstellen. Ihm zur Seite stand zunächst der Zivildienstleistende Wilfried Ripke, der ab 15.10.1991 als Tischlergeselle eingestellt wurde und seit 1999 bis heute diese Werkstatt als Ausbildungsmeister prägend leitet. Für mich sind Sie, Frau Kruse, die „Ehrenobermeistern“ dieser Werkstatt. Sie konnten und können den Jugendlichen sagen, wie die richtige Mülltrennung zu funktionieren hat. Am praktischen Beispiel an der Mülltonne war dieses des Öfteren möglich und nötig. Ja, Sie haben so manches Mal einen Jugendlichen oder auch die Jubiläum Christianstraße Juli 2015 3 Mitarbeiter(?) mit ihrer gütigen, aber unmissverständlichen Art genervt! Sie haben ein großes Herz für die Jugendlichen in der Werkstatt und geben ihnen die Möglichkeit, ganz neue und für sie fremde Erfahrungen zu machen. In diesem Zusammenhang müssen die legendären und so liebevoll gestalteten Weihnachtsfeiern in der Werkstatt und später auch in ihrer Wohnung genannt werden. Jeder bekam von Ihnen ein selbst eingepacktes kleines Geschenk. Den Kuchen hatten Sie selber gebacken. In der Werkstatt wurde ein großer Tisch zusammengebastelt. Den Clou bildeten jedoch die in jedem Jahr gesungenen Weihnachtslieder, für die sie Zettel vorbereitet hatten. Es war klar, dass dabei nicht nur die erste Strophe gesungen wurde… Das sind für mich elementare Erfahrungen, die sie den jungen Menschen einfach geschenkt haben. Zum Ausbildungsteam eines Ausbildungsbereiches gehören bis heute die handwerklichen Ausbilder, Sozialpädagogen und Stützlehrkräfte. Die besondere Situation in den Ausbildungsbereichen des ASF in Hermannsburg, war über viele Jahre die Beschulung der Azubis aus den sgn. Bearbeiter- und HelferInnenberufen in der eigenen berufsbildenden Ergänzungsschule. Die Berufsschule in Celle unterstützte diese Möglichkeit, da sie so keine zusätzlichen Bearbeiterklassen einrichten musste. So waren ganz enge Absprachen zwischen den Ausbildern, den Lehrern und Sozialpädagogen möglich. Stoffvermittlung in der Praxis und Theorie konnten eng abgestimmt und miteinander verknüpft werden. Darüber hinaus war es jederzeit möglich, die besonderen Befindlichkeiten der Auszubildenden in diese Überlegungen mit einzubeziehen. Jubiläum Christianstraße Juli 2015 4 Über viele Jahre gab es intensive Abstimmungen mit den Berufsberatern des Arbeitsamtes. Zu Beginn eines Jahres wussten die jungen Menschen, ob sie eine Berufsausbildung oder Berufsvorbereitung bei uns beginnen konnten. Zweimal jährlich fanden schriftlich vorbereitete Arbeitstreffen mit allen an der Ausbildung beteiligten MitarbeiterInnen und den Berufsberatern statt. Ein wesentlicher Baustein im Ausbildungsgefüge war auch die sgn. internatsmäßige Unterbringung. Für einige Jugendliche war es aus unterschiedlichen Gründen notwendig, unter der Woche in einer von uns betreuten Wohnform zu leben. Immer stand hierbei die Gesamtentwicklung des Jugendlichen im Fokus. Handwerkliche und lebenspraktische Fähigkeit wurden gleichermaßen gefördert und eingeübt. Und das war gut so! Der eingeengte Fokus der Kostenträger ausschließlich auf ihr Budget, geprägt von großer Sorge, eventuell fremde Aufgaben mit zu finanzieren und in der Berufsschule die Schülerstatistik nicht abfallen zu lassen, führte zu einer erheblichen Veränderung. Das inhaltlich so sinnvoll geknüpfte Netz in der beruflichen Bildung mit benachteiligten Jugendlichen, konnte so nicht fortgesetzt werden. Die eigene berufsbildende Ergänzungschule musste aufgelöst und die Auszubildenden in Celle beschult werden. Heute werden die Holzbearbeiter in der berufsbildenden Schule in Uelzen beschult. Die mehrfachen Strukturveränderungen in der Arbeitsverwaltung führten dazu, dass Jugendlichen zuverlässige Zusagen auf einen Ausbildungsplatz nicht mehr zeitadäquat gegeben werden konnten. Über einen langen Zeitraum war es so, dass erst kurz vor Ausbildungsbeginn Entscheidungen über die Platzvergabe getroffen wurden. Und so was ist schlecht! Wichtige Maßstäbe in der Ausbildung waren und sind im ASF: • Überschaubare Ausbildungsgruppen Jubiläum Christianstraße Juli 2015 5 • Wertschätzung der jungen Menschen, die hier in die Werkstatt kommen. • Umwege zulassen und zweite Chancen einräumen, jedoch auch eine Ausbildung zu beenden, wenn der Jugendliche nicht mehr zu erreichen ist. • Lernen, die eigenen Begrenzungen in der Arbeit auszuhalten. • Gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung der unterschiedlichen Professionen in der Berufsausbildung und Berufsvorbereitung. • Diese Haltung führt zur Gleichwertigkeit aller Mitarbeitenden in der alltäglichen Arbeit und erfordert gemeinsame Fortbildungen, regelmäßige Fallbesprechungen aller Teammitglieder und eine kritische Reflektion der eigenen Handlungsweisen. Das alles hat auch heute noch seine Gültigkeit. Die veränderten Rahmenbedingungen durch die Agentur für Arbeit konnten diesen Schatz nicht zerstören. In diesem Zusammenhang muss ich es sagen: Herr Ripke hat besonders in den Jahren, in denen es keine Planungssicherheit im Ausbildungsbereich mehr gab, unerschütterlich darauf vertraut, dass die von allen geleistete gute Arbeit fortgeführt werden konnte. Diese so positive Grundhaltung hatte eine starke Ausstrahlung auf die anderen Kolleginnen und Kollegen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von ihrem Beruf begeistert sind, ja für ihn brennen: ohne dabei zu verbrennen und mit Leidenschaft arbeiten, bewahren ein grundsätzlich positiv geprägtes Menschenbild. Sie sind trotz erschwerten Rahmenbedingungen in der Lage, zu den ihnen anvertrauten jungen Menschen, deren multiple Problemlagen sich ja nicht wesentlich verändert haben, eine Beziehung aufzubauen und denen, die bisher haltlos waren, einen guten verlässlichen Rahmen zu geben. Jubiläum Christianstraße Juli 2015 6 Es ist Herrn Ripke gelungen, die gute Arbeit seines Vorgängers Thomas Lange fortzuführen und zu erweitern. An diesem Erfolg ist Herr Guse erheblich beteiligt. So hat die Tischlerei heute einen festen Kundenstamm über die Region hinaus. Die Tischlerei des ASF genießt in der Region einen hervorragenden Ruf und steht in guter kollegialer Verbindung mit den anderen ortsansässigen Tischlereien. Die Ausbildung erfolgte von Beginn an, anhand von internen oder externen Kundenaufträgen und nicht in einer Laborsituation, wie das bei anderen Bildungsträgern i. d. Regel der Fall ist. Neben der handwerklichen Ausbildung stand immer auch die soziale Bildung, in dem die Auszubildenden lernen, höflich und zuvorkommend Kunden zu begegnen, und mit unmittelbar geäußerter positiver oder negativer Kritik adäquat umzugehen. Ich spreche von einer Erfolgsgeschichte, weil in dieser Ausbildungswerkstatt seit 25 Jahren Ausbilder, Sozial - und Schulpädagogen handlungs- und zielorientiert mit großer Fachkompetenz und Leidenschaft wirkten und wirken. Hier arbeiteten und arbeiten Menschen die sich immer wieder um kreative pädagogische Einzelfalllösungen bemüht haben und bis heute bemühen, und die nicht allein auf die scheinbaren Lösungsangebote von sogenannten Sozialingenieuren i. Rahmen von zertifizierten Qualitätsmanagementstrukturen setzten und setzen. Und nur so nebenbei, aber für die Betroffenen sehr wichtig : in dieser Ausbildungswerkstatt haben sich auch Ehepartner gefunden und Freundschaften entwickelt. Und das ist auch gut so!