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Luftbefeuchter schlägt Dampfkochtopf
MEIN DING: Das BOSE Wave System treibt den Musikkritiker CHRISTIAN HUBSCHMID in die Küche
«Klangwunder» klingt gut.
Nach Konzertsaal im Wohnzimmer. Nach Orchester im
Miniaturformat. Nach Hörgenuss pur. Endlich ein Vibrato,
das nicht am Gummibaum
hängen bleibt, sondern sich
daran vorbeischlängelt und
elegant um die Stehlampe segelt, bevor es sich sanft im
Ohr einnistet. «Klangwunder» klingt nach einem Rendezvous mit Anne Sophie
Mutter. Auf dem Sofa.
Das Bose Wave Music System
macht dieses Versprechen. In
Hochglanzmagazinen wird es
als Klangwunder gepriesen,
an dessen neuartigem Spitzenklang ein ganzes Forschungsteam gearbeitet haben soll.
Was auch immer ein «Single
Waveguide» sein soll technisch revolutionär klingt es
allemal. Umso erstaunter war
ich, als ich nach dem Test
sagen musste: Mein Ding ist
das nicht.
Dabei wäre es leicht, meine
alte Stereoanlage zu ersetzen.
Die ist völlig durchgenudelt,
muss ich sie als Musikkritiker
doch mit jedem Müll füttern,
von Oomph! bis Killerpilze.
Die Membran flattert jedes
Mal bedrohlich, wenn ich die
Steckbrief
Bose Wave Music System
Das Wave Music System von
Bose ist eine MiniHifiAnlage
aus einem Guss, ohne separate
Lautsprecher. Nicht grösser
als eine Schuhschachtel,
enthält es ein neuartiges
Soundsystem, das einen Raum
füllenden Klang verspricht.
• CDPlayer, der auch
MP3CDs abspielt
• Radio mit je sechs UKW
und MWStationsspeicher
• Kreditkartengrosse
Fernbedienung. Keine
Schalter am Gerät selber
• Backup Memory System
• Erhältlich in Schwarz oder
Weiss, nur direkt bei Bose
• Preis 1098 Franken
• www.bose.de
Sophie-Zelmani-CD
mit
Franz Ferdinand tausche.
Wie ein Bienenschwarm wummert es hinter dem Gummibaum hervor.
Doch der Mini-Hifi-Anlage
der amerikanischen Firma
Bose fehlt das Entscheidende:
eine Seele. Der Klang des Geräts ist zwar sauber, bleibt
aber flach. Die einzelnen Instrumente sind differenziert
selbst bei hoher Lautstärke
fügen sich aber nicht zu einem
Klangkörper
zusammen.
Diese Schallwellen sind steril
wie eine Spritze und so dünn
wie die kreditkartenkleine
Fernbedienung, die es dazu
gibt.
Um ein Wohnzimmer musikalisch zu füllen, ist das nichts.
Versuchen wir es also in der
Küche. Und tatsächlich:
Gegen den Dampfkochtopf
besteht das Wave Music System locker. Der scharfe
Klang setzt sich durch, und
weil die Minianlage so klein
ist, passt sie sogar in den Tellerschrank. Und hier, auf Augenhöhe, kann man auch
fasziniert zuschauen, wie die
CD automatisch im hauchdünnen Schlitz verschwindet.
Mit einem saugenden Geräusch, als würde Geheimagent James Bond an seinem
Aston Martin die Kanone ausfahren.
Wo es also nicht um Musikgenuss geht, sondern um Hintergrundbeschallung, sind die
Bose-Wellen durchaus einsatzfähig. Zum Beispiel auch
in einem Coiffeursalon. Aber
auch nur dann, wenn Schönheit keine allzu grosse Rolle
spielt. Für Ästheten ist die
Anlage nämlich nichts. Sieht
sie doch aus wie ein Luftbefeuchter, plump und billig.
Eigentlich erstaunlich für eine
Firma, die in grosser Konkurrenz zu Bang & Olufsen steht,
den dänischen Designkönigen. Immerhin ist das Wave
Music System billiger zu
haben als ein Hifi-Ferrari von
B & O, für 1098 Franken.
Das ist aber immer noch zu
teuer für ein besseres Küchenradio.
16. Juli 2006 SonntagsZeitung