Melanchthon-Schule in Steinatal (Gymnasium) 22..
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Melanchthon-Schule in Steinatal (Gymnasium) 22..
… auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 … Melanchthon-Schule Gymnasium der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck 34628 Willingshausen-Steinatal /2011 rheft Steinataler Hefte Melanchthon ehren 9 Sonde Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www. melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – schulleitung@ melanchthon-schule.de – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon- Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen- „Evangelisch lernen“ Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schu- |4 Das Melanchthon-Jahr 2010 Melanchthon ehren Das Melanchthon-Jahr 2010 im Steinatal: ein Beitrag zur Lutherdekade in der EKD Steinataler Hefte 9 / 2011 Impressum Im Auftrag der Melanchthon-Schule Steinatal hg. v. Christel Ruth Kaiser Grafik/Layout: Jens Bödicker Kontakt: [email protected] Druck: PLAG Schwalmstadt Umschlagfoto (HNA): Johanna Georges, Jahrgangsstufe 12, 19.04.2010 5| Inhalt Grußwort des Bischofs 6 Zum Geleit 7 „Bildung braucht einen guten Grund …“ Vortrag von Bischof Prof. Dr. Martin Hein Das Melanchthon-Denkmal Steinatal 8 15 Das Melanchthon-Jahr 2010: 16 16. Februar – Eröffnung an Melanchthons Geburtstag16 Predigt im Schulgottesdienst über Römer 8,31 von Prälatin Marita Natt 16 Am Melanchthon-Denkmal Steinatal 21 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag22 Predigt im Schulgottesdienst zum Tod Melanchthons von Dekan Christian Wachter 22 Blick in die Gedenkfeier 26 „Philippus discipulus Philippi? Landgraf Philipp von Hessen und Philipp Melanchthon“ Festvortrag von Prof. em. Dr. Hans Schneider 34 Über Melanchthon als Namenspatron 43 01. November – Ausklang zum Reformationsfest44 Impressionen aus dem Schulgottesdienst 44 Predigt über 1. Korinther 12, 4-6 von Bischof Prof. Dr. Martin Hein 48 „Philipp Melanchthon – Humanist, Pädagoge und Theologe“ Vortrag vor der Jahrgangsstufe 12 von Prof. Dr. em. Martin Greschat 53 Dank61 |6 Das Melanchthon-Jahr 2010 Grußwort des Bischofs Die Melanchthon-Schule Steinatal hat das Jubiläumsjahr ihres Namenspatrons Philipp Melanchthon im vergangenen Jahr gebührend gefeiert. Aus den vielfältigen Veranstaltungen im 450. Todesjahr des Wittenberger Reformators entstand diese Sondernummer der „Steinataler Hefte“. Das Heft dokumentiert, wie die MelanchthonSchule das Jubiläum begangen hat: durch Selbstvergewisserung im historischen Rückblick und durch Positionsbestimmung im gegenwärtigen pädagogischen und bildungspolitischen Diskurs. Zwischen diesen beiden Polen hat das Jubiläumsjahr einen weiten Bogen gespannt. Die Beschäftigung mit dem „Praeceptor Germaniae“ lenkt den Blick auf die Tradition des europäischen Humanismus und gleichzeitig die Anliegen der Reformation. Mit der Berufung des jungen Humanisten Philipp Melanchthon an die aufstrebende Universität Wittenberg verband sich ein Programm: Ein gebildeter Glaube, der die Theologie im Dialog mit den anderen Wissenschaften hält, gehört zu den Kennzeichen des Protestantismus. An diese enge Verbindung von Reformation und Humanismus zu erinnern, ist nicht nur für die Weiterentwicklung des evangelischen Bildungsbegriffs unentbehrlich, sondern muss gegenwärtig auch darum betont werden, weil es in unserem Land zunehmend Tendenzen gibt, den Begriff des Humanismus atheistisch zu usurpieren. Mein Dank gilt allen, die sich in verschiedener Art und Weise darum bemüht haben, das Melanchthon-Jubiläum zu einem wichtigen Impuls für das Leben, Lehren und Lernen an der MelanchthonSchule Steinatal werden zu lassen. Stellvertretend für viele danke ich namentlich der Schulleiterin, Frau OStD’ i.K. Christel Ruth Kaiser. Möge das nun vorliegende Heft einerseits die Erinnerung an das Jubiläumsjahr wachhalten und andererseits dazu helfen, dessen Impulse weiter wirken zu lassen. Martin Hein Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck Zum Geleit Das im Rahmen der Lutherdekade bis zum Reformationsjubiläum 2017 in den Gliedkirchen der EKD feierlich begangene „MelanchthonJahr“ 2010 war auch in unserem Gymnasium ein würdiger Anlass, um die Bedeutung des Namenspatrons für unser Bildungsverständnis und die daraus resultierende besondere Prägung unserer Schulkultur in anschaulicher Weise bewusst zu machen. In der Tat dürfen wir stolz darauf sein, als einziges evangelisches Gymnasium in Deutschland den berühmten Namen zu tragen. Alle weiteren Melan chthonGymnasien, auch diejenigen an den Stätten der Reformation – wie Nürnberg und Wittenberg, die direkt auf die Gründungsinitiative Melanchthons zurückgehen – werden heute in staatlicher bzw. städtischer Trägerschaft geführt. So bot das Gedenkjahr mehrfache Chancen: den forschenden Blick auf den eigenen Schulnamen, das Nachdenken und die Vergewisserung über die Relevanz des Namensgebers für das heutige Schulleben und seine pädagogische wie theologische Orientierung, außerdem die Einstimmung in die EKDweite Vorbereitung der 500-Jahrfeier des Thesenanschlags Martin Luthers am 31. Oktober 2017. Unterrichtlich wie außerunterrichtlich stand 2010 Melanchthons herausragende Rolle als Christ, Reformator und „Lehrer Deutschlands“ im Mittelpunkt. Das vorliegende Sonderheft (9/2011) unserer Schulschriftenreihe „Steinataler Hefte“ dokumentiert drei zentrale Schulveranstaltungen, mit denen im Jahresver lauf des 450. Todestages des Reformators und Weggefährten Luthers gedacht wurde: die Eröffnung des MelanchthonJahres am 16. Februar 2010, dem Geburtstag Philipp Melanchthons; der Festakt am 19. April, seinem Todestag; und der Ausklang des Gedenkjahres zum Reformationsfest am 1. November (31.10). Doch nicht allein mit diesen nun publizierten Aktivitäten erinnerte die Schulgemeinde an ihren Namensgeber, sondern auch in anderen Zusammenhängen: z.B. mit dem sog. „Melanchthon-Projekt“, das seit dem 500. Geburtstag Melanchthons 1997 als profilbildende Einführungsveranstaltung für die jeweils neu aufgenommenen Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 5 im Schulprogramm unseres Gymnasiums verankert ist; oder im Kontext von Unterrichtsreihen zur Reformationsgeschichte 7| bzw. im Bereich der alten Sprachen Latein und Griechisch. Darüber wurde bereits an anderer Stelle – in den Steinataler Heften 2/2004 (Melanchthon im Steinatal. Der Name als Programm) und 8/2010 (Alte Sprachen pflegen. Vom Lernen der Fremdsprachen in der Melanchthon-Schule II) – berichtet. Den Kern der nun vorgelegten Dokumentation des MelanchthonJahres 2010 im Steinatal bilden die Predigten und Vorträge, die an den drei oben genannten herausragenden Gedenktagen gehalten wurden. Hinzu treten Einblicke in die Mitgestaltung der Feierlichkeiten durch Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte. Allen Beteiligten sei sehr herzlich für ihr beeindruckendes Engagement gedankt. In diesen Dank eingeschlossen sind Jens Bödicker, der die Grafik der Broschüre in gekonnter Weise betreute, die Druckerei Plag/ Schwalmstadt und nicht zuletzt die Schulstiftung der EKKW, die durch finanzielle Unterstützung diese Publikation erst möglich machte. Als Leiterin der MelanchthonSchule wünsche ich dem neuen Heft viele interessierte Leserinnen und Leser in der Schulgemeinde und darüber hinaus. Möge es auch zukünftig Anstöße zur Pflege protestantischer Erinnerungskultur geben, – das heißt „Melanchthon ehren“. Willingshausen-Steinatal, im Juli 2011 OStD’ i.K. Christel Ruth Kaiser |8 Das Melanchthon-Jahr 2010 „Bildung braucht einen guten Grund – Was wir von Philipp Melanchthon lernen können“ I. Aus „Schwartzerdt“ wird „Melanchthon“ Am 16. Februar 1497 wurde in der kurpfälzischen Amtsstadt Bretten Philipp Schwartzerdt geboren. Er war der Sohn des bekannten Waffenschmieds Georg Schwartz erdt und seiner Frau Barbara Reuter. Die Familie war recht wohlhabend, so dass der junge Philipp von einem Hauslehrer unterrichtet wurde und später auf die Lateinschule ins nahegelegene Pforzheim gehen konnte. Von Kindesbeinen an wurde Philipp Schwartzerdt im Sinne des Humanismus erzogen – einer Reformbewegung, die gemeinsam mit der Renaissance als fortschrittliche Geistesbewegung in jener Epoche auftrat, die wir heute als das Spätmittelalter bezeichnen. Kennzeichen des Humanismus ist die Hochschätzung der Antike, ihrer Sprache, ihrer Literatur, ihres Denkens. Das Erlernen der lateinischen und der griechischen Sprache, den großen Sprachen der Antike, war eine der Grundlagen humanistischer Bildung. Philipp Schwartzerdt hatte einen berühmten Verwandten: Es war der Humanist Johannes Reuchlin aus Pforzheim, der den jungen Mann förderte und ihm am 15. März 1509, als er gerade zwölf Jahre alt war, seinen neuen Namen gab. „Melanchthon“ ist die griechische Übersetzung des deutschen Namens „Schwartzerdt“. Eine solche Umbenennung entsprach den damaligen humanistischen Gepflogenheiten. Der Name Philipp Melanchthons war also Programm: Dieser Mann steht für eine humanistische Bildung. Im Oktober 1509 – immer noch im Alter von gerade 12 Jahren! – begann Melanchthon mit dem Studium in Heidelberg. Ein akademisches Wunderkind also! Knapp zwei Jahre später erlangte er schon seinen ersten akademischen Grad, den des „Baccalaureus artium“. 1512 wechselte er an die Universität Tübingen, wo er Anfang 1514 – kurz vor seinem 17. Geburtstag – den Magistergrad erwarb. Melanchthon betrieb verschiedene humanistische Studien – unter anderem lernte er Hebräisch – und veröffentlichte 1518 eine griechische Grammatik. Das Jahr 1518 wurde für ihn lebensentscheidend: Auf Empfehlung Reuchlins wurde er von Kurfürst Friedrich von Sachsen auf den neu errichteten Griechisch-Lehrstuhl an die Universität Wittenberg berufen. Melanchthon war also kein Fakultätskollege des Theologen Martin Luther, sondern Mitglied der sogenannten „Artistenfakultät“. Diese Fakultät war – nach heutigem Verständnis – für das allgemeine Grundstudium zuständig, das alle Studenten durchlaufen mussten, unabhängig davon, ob sie später Theologie, Rechtswissenschaften oder Medizin studieren wollten. Zwischen Luther und Melanchthon entwickelte sich eine lebenslange, intensive und fruchtbare Freundschaft und Zusammen- Bildung braucht einen guten Grund – Was wir von Philipp Melanchthon lernen können9| arbeit. Ohne Melanchthons umfassende Kenntnisse der biblischen Ursprachen hätte die Lutherbibel – die ein Gemeinschaftswerk der Wittenberger Reformatoren war – vermutlich nie die Qualität erreicht, die sie bis heute auszeichnet. Als Griechisch-Professor behandelte Melanchthon neben den klassischen Texten der Antike auch das – ebenfalls in griechischer Sprache geschriebene – Neue Testament. Da der Hebräisch-Lehrstuhl in Wittenberg über längere Zeit nicht besetzt werden konnte, lehrte Melanchthon bis 1521 zudem hebräische Grammatik, also die Sprache des Alten Testaments, und legte die Psalmen aus. Zudem erwarb er im Jahr 1519 den theologischen Grad eines „Baccalaureus biblicus“. Von da an hielt er regelmäßig Vorlesungen über biblische Bücher. Dennoch blieb Melanchthon zeitlebens Mitglied der „Artistenfakultät“. Einen von Luther einmal vorgeschlagenen Wechsel zur theologischen Fakultät lehnte er ab. Weiter ging es fast Schlag auf Schlag: 1521 legte Melanchthon das erste Lehrbuch des evangelischen Glaubens vor, man kann sagen: die erste evangelische Dogmatik. Sie trug den Titel „Loci communes“, zu Deutsch: „Allgemeinbegriffe“. Dieses Buch verstand sich als ein Leitfaden zur Lektüre der Bibel. Der humanistische Leitsatz „Zurück zu den Quellen“ galt für Melanchthon nämlich ebenso im Blick auf Theologie und Kirche: Sie sollten sich ebenfalls auf die Quellen, in ihrem Fall: auf die Bibel, besinnen. Weil die Bibel die Offenbarung Gottes enthält, muss man sich der Mühe unterziehen, sie in ihren Ursprachen Hebräisch und Griechisch zu lesen. Latein war im 16. Jahrhundert akademische Umgangssprache und wurde ohnehin von allen gesprochen, die an der Universität tätig waren – wie heute das Englische. Die Methode, allgemeine Begriffe („loci communes“) dazu zu verwenden, ein Thema zu bearbeiten, stammte aus der Antike und wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts von Erasmus von Rotterdam, dem unbestrittenen Haupt der Humanisten, wieder neu emp- fohlen. Melanchthon wandelte diese bewährte Methode insofern ab, als er die Allgemeinbegriffe nicht von außen an die Texte herantrug, sondern sie aus den darzustellenden Texten – also biblischen Texten – heraus entwickelte. Deutlich wird: Der humanistische Ruf „zurück zu den Quellen“ konnte das Motto der Reformation werden, weil er zur Bibel als der Quelle der Offenbarung und Richtschnur des Glaubens ruft. Bildung in diesem Sinne hat einen unmittelbaren Bezug zur Offenbarung. Neben seiner Lehrtätigkeit war Melanchthon in vielerlei Weise an der Reformation in Deutschland beteiligt: Er wurde die treibende Kraft bei der Reform der Universität Wittenberg und anderer Universitäten. Bei den Visitationen in Kursachsen – einer Einrichtung, mit der die Reformation in der Fläche des Landes durchgesetzt und gesichert werden sollte – war er maßgeblich beteiligt. Visitatoren – auf deutsch: Besucher – reisten durch die Lande, um die kirchlichen Zustände vor Ort zu besichtigen und zu ihrer Reform und Verbesserung beizutragen. Das war ein ebenso mühsames wie erfolgreiches Konzept, weil die Reformation auf diesem Wege bis in die letzten Winkel vordrang. Aus Melanchthons Feder stammt der berühmte und wegweisend gewordene „Unterricht der Visitatoren“, die Programmschrift dieses reformatorischen Konzepts, das weit über Kursachsen hinaus angewandt wurde. |10 Im Auftrag des Kurfürsten nahm Melanchthon an verschiedenen Reichstagen teil, wobei der Augsburger Reichstag 1530 der wichtigste war. Melanchthon verfasste für diesen Reichstag das „Augsburger Bekenntnis“, die „Confessio Augustana“, die wichtigste und maßgebliche Entfaltung des lutherischen Glaubens. Ziel Melanchthons war nicht die Beschreibung der Grundlagen einer neuen Kirche. Vielmehr bemühte er sich, die Übereinstimmungen mit den Altgläubigen hervorzuheben. Da aber diese Schrift vom Kaiser zurückgewiesen wurde, kam es zu der ursprünglich nicht beabsichtigten Trennung. Spätestens seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 gilt dieser Text als das Bekenntnis der lutherischen Konfession und es hat bis heute die Kraft, als Bekenntnis evangelischer Einheit zu wirken. Das Melanchthon-Jahr 2010 Das Augsburger Bekenntnis ist das einzige Bekenntnis der Reformationszeit, das in der Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ausdrücklich genannt wird. An dem Ort, an dem wir uns befinden (Anm. d. Red.: Schmalkalden), kann nicht unerwähnt bleiben, dass Melanchthon auch im Auftrag des Schmalkaldischen Bundes kirchenpolitisch tätig war, dessen gemeinsames Bekenntnis ebenfalls die Confessio Augustana war. Philipp Melanchthon war ein großer humanistischer Gelehrter des 16. Jahrhunderts. Aber er war niemand, der im sprichwörtlichen „Elfenbeinturm“ lebte und studierte, sondern war ein Gelehrter, der aktiv an den kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen seiner Zeit mitwirkte und viel zur Gestaltung der Neuzeit beigetragen hat. Aus gutem Grund legte man ihm den Ehrentitel „Praeceptor Germaniae“, „Lehrer Deutschlands“, bei. Im Oktober 1524 beschloss der Rat der Stadt Nürnberg, einer vom Humanismus geprägten freien Reichsstadt, die Gründung einer neuen Schule. Dabei hatte offenbar Martin Luthers Schrift „An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, dass sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen“ einen wesentlichen Impuls gegeben. Nürnberg wurde zu einem besonders illustren Beispiel für die bildungspolitischen Innovationen, die mit der Einführung der Reformation Hand in Hand gingen. Und an diesem Beispiel wird deutlich: Es ist nach evangelischem Verständnis nicht die Aufgabe der Kirche, sondern die Aufgabe der „weltlichen Obrigkeit“, Bildungseinrichtungen zu schaffen und zu unterhalten. II. „Lobrede auf die neue Schule“ (Nürnberg 1526) Innerhalb der Reformationsdekade der Evangelischen Kirche in Deutschland steht das Jahr 2010, das 450. Todesjahr Philipp Melanchthons, unter dem Motto „Reformation und Bildung“. Darum möchte ich anhand eines kurzen Textes aus Melanchthons Feder erläutern, wo er bildungspolitische Akzente setzte, die heute noch beherzigt werden können. August Groh (1871-1944): Die Schulgründung in Nürnberg 1526 Der Nürnberger Rat wollte Melanchthon als Rektor der neuen Schule gewinnen. Dieser lehnte ab, war aber bei der Schulgründung und ihrer personellen Besetzung beratend tätig. Gemeinsam mit Bildung braucht einen guten Grund – Was wir von Philipp Melanchthon lernen können11| seiner Frau nahm er die Einladung an, zur Eröffnung der neuen Schule nach Nürnberg zu reisen. Vor dem Rat und gebildeten Bürgern der Stadt hielt er am 23. Mai 1526 in St. Egidien seine „Lobrede auf die neue Schule“ („In laudem novae scholae“). Durch alle Wandlungen der Geschichte hindurch besteht diese Schule in Nürnberg bis heute fort und trägt – wie könnte es anders sein – den Namen „Melan chthon-Gymnasium“. Nun soll Melanchthon etwas ausführlicher selber zu Wort kommen. Zunächst beschreibt er die Unentbehrlichkeit der Bildung für alle Bereiche menschlichen Zusammenlebens: as anders […] verschafft denn dem gesamten Menschengeschlecht größere Vorteile als die Wissenschaften? Keine Kunst, kein Handwerk, wahrhaftig auch kein landwirtschaftliches Produkt, ja sogar nicht einmal die Sonne, die viele für die Urheberin des Lebens gehalten haben, ist in dem Grade notwendig wie die Kenntnis der Wissenschaften. Weil ohne Recht und Gesetz und ohne Religion weder staatliche Gemeinschaften aufrechterhalten noch Vereinigungen von Menschen zusammengeschweißt und regiert werden können, wird das Menschengeschlecht nach Art wilder Tiere umherstreifen, wenn die Wissenschaften untergehen. Denn durch sie werden gute Gesetze hervorgebracht und gute Sitten sowie Menschlichkeit geboren, durch die die Religion bis in unsere Zeit hinein fortgepflanzt worden ist und andauert. W Bildung ist also die Weitergabe und Weiterentwicklung von Wissen, Verhaltensweisen, Einstellungen – und nicht zuletzt von Glauben! Eine Gesellschaft, die auf Bildung in diesem umfassenden Sinne keinen Wert legt, ist in ihren Grundlagen gefährdet. Eine solche Gefährdung diagnostizierte Melanchthon für seine Zeit, die ja in der Tat eine Zeit weitgreifender Umbrüche war. Stichworte wie „Türken vor Wien“, die Erfindung des Buchdrucks, der Bauernkrieg und eben die Reformation deuten diese Umbrüche an. Melanchthon antwortet auf diesen radikalen Wandel – mit der Forderung nach Bildung! In einer Bildung, die sich auf die Quellen von Gesellschaftsordnung und Glauben besinnt, finden sich – davon war er überzeugt – die Kraft und die Ideen, die zur Bewältigung der Herausforderungen nötig sind. Weil die Lage ernst war, lobte Melanchthon die Nürnberger, dass sie die Gefahr erkannt hätten und sich ihr entgegenstellten: a die Sitten der Völker notwendigerweise dann in Barbarei entarten, wenn sie nicht durch die Wissenschaften zu Sittlichkeit, Menschlichkeit und Frömmigkeit angetrieben und angeleitet werden, so ist von euch eben dadurch vortrefflich und weise gehandelt worden, dass ihr in eure Stadt die angesehenen Wissenschaften – die Ernährerinnen aller Tugenden – gerufen habt und darauf bedacht seid, sie nach Kräften zu schützen und zu bewahren. Überdies D verdient gerade in diesen harten Zeiten euer Entschluss besonderes Lob, da nun die Gefahr droht, dass die Wissenschaften in den verhängnisvollen politischen Stürmen Schiffbruch erleiden. Denn durch Unwissenheit des Volkes veröden die Schulen. Humanistische Bildung, wie Melanchthon sie verstand und hier beschreibt, ist keineswegs auf die Bewahrung des Vergangenen beschränkt, sondern sie ist nach vorne hin ausgerichtet, denn sie soll ein wesentlicher Beitrag zur Zukunftssicherung einer Gesellschaft werden: enn ihr damit fortfahrt, bei den Leuten das Interesse für das Lernen zu erwecken, dann werdet ihr euch hervorragende Verdienste zunächst um eure Vaterstadt, aber auch um Auswärtige erwerben. Wenn auf eure Veranlassung hin eure Jugend gut ausgebildet ist, wird sie eurer Vaterstadt als Schutz dienen; denn für die Städte sind keine Bollwerke oder Mauern zuverlässigere Schutzwälle als Bürger, die sich durch Bildung, Klugheit und andere gute Eigenschaften auszeichnen. Die Spartaner sagten, die Mauern müssten aus Eisen, nicht aus Stein sein. Ich aber bin der Meinung, dass eine Stadt nicht so sehr durch Waffen wie durch Klugheit, Besonnenheit und Frömmigkeit verteidigt werden sollte. In heutiger Sprache formuliert könnte man sagen: Bildungsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen. Und zwar Investitionen, die eine gute Rendite versprechen! Melanchthon war, wie der Blick in seine Biographie gezeigt hat, W |12 Humanist, Philologe, aber ebenso stets Theologe. Darum überrascht es nicht, wenn er seine Forderung nach Bildung theologisch und nicht rein pragmatisch begründete: ie Religion und die guten Gesetze können nicht überdauern, wenn ihr sie nicht mit Hilfe der Wissenschaften bewahrt. Außerdem fordert Gott, dass ihr eure Kinder zur Tugendhaftigkeit und Religion erzieht. Wer keine Mühe darauf verwendet, dass seine Kinder so gut wie möglich unterrichtet werden, handelt nicht nur pflichtvergessen gegenüber Gott, sondern verbirgt hinter einem menschlichen Aussehen seine tierische Gesinnung. Folgenden Unterschied hat die Natur zwischen Mensch und Tier gemacht: Die Tiere geben die Sorge für ihren Nachwuchs auf, sobald dieser herangewachsen ist. Dem Menschen machte sie es aber zur Pflicht, dass er die von ihm in die Welt gesetzten Kinder nicht nur in frühester Kindheit ernährt, sondern dass er – sobald sie herangewachsen sind – ihre Gesinnung zur Sittlichkeit hin ausbildet. Daher besteht gerade in einer gut geordneten Bürgerschaft ein Bedarf an Schulen, in denen die Jugendlichen, die ja gewissermaßen die Pflanzschule der Bürgerschaft darstellen, ausgebildet werden können. Denn wenn einer meint, dass man ohne Unterweisung zu einer wirklichen Tüchtigkeit gelangen könne, so täuscht er sich gewaltig. Und keiner ist zur Leitung eines Staates hinreichend befähigt ohne Kenntnisse in denjenigen Wissenschaften, welche die ganze Methode enthalten, wie Gemeinwesen zu regieren sind. D Das Melanchthon-Jahr 2010 Die theologische Begründung der Forderung nach Bildung ist kein schmückendes Beiwerk, sondern für Melanchthon integraler Bestandteil von Bildung: Bildung zielt auf den ganzen Menschen ab. Darum braucht sie Religion – und zwar im eigentlichen Sinne des lateinischen Wortes „religio“, „Rückbindung“: Der Mensch muss wissen, worin er selbst gegründet ist. Nur so gewinnt er die Freiheit zur Weltgestaltung. Melanchthons Rede zur Eröffnung der neuen Schule in Nürnberg 1526 war eine Lobrede auf den Rat und die Bürgerschaft der Stadt. Sie hatten seiner Meinung nach die Zeichen der Zeit erkannt: Eine umfassende Förderung der Bildung ist unabdingbar, soll eine Gesellschaft aus den unruhigen Zeiten gestärkt hervor gehen. Für den Humanisten Melanchthon waren Glaube und Wissenschaft dabei Bündnispartner und keinesfalls Gegner. III. Was wir von Philipp Melanchthon lernen können Fragen wir 450 Jahre nach Philipp Melanchthons Tod danach, was wir heute von ihm lernen können, so ist zunächst zweierlei lapidar festzustellen: Die Bildungsdebatte, die sich heute mit Begriffen wie „PISA“ und „Bologna“ regelmäßig in die Schlagzeilen bringt, ist keine neue Debatte. Sie hat dieses Land schon vor 500 Jahren bewegt. Wenn Melanchthon Bildung als zentrales Kriterium für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft betont, ist dem – bei allen zeitbedingten Details seiner Darstellung – nichts hinzuzufügen. Über diese beiden Beobachtungen hinaus will ich zwei Aspekte besonders hervorheben: 1. Glaube und Bildung Dass Glaube und Bildung für Melanchthon keinen Gegensatz darstellen, wie das besonders in der Ideologie des Marxismus immer wieder betont wurde, habe ich bereits gesagt. Die Reformation war eine ausgesprochen institutionenkritische Bewegung. Indem sie die Notwendigkeit einer kirchlichen, priesterlichen Vermittlung des Heils ablehnte, stellte sie den Menschen direkt vor Gott. Die Reformatoren waren davon überzeugt: Der Einzelne darf sich für seinen Glauben nicht auf andere, auch nicht auf die Kirche verlassen, sondern muss sich selbst als Individuum vor Gott verantworten. Dazu aber muss er gebildet sein: Er muss wissen und verstehen, woran er glaubt. Er muss die Bibel als Offenbarungsurkunde des Glaubens lesen und verstehen können. Er muss in der Lage sein, Rechenschaft über seinen Glauben ablegen zu können, sich mit anderen Menschen über Fragen des Glaubens auszutauschen. Kurz gesagt: Mündige Christenmenschen brauchen entsprechende Bildung, um ihre Mündigkeit leben zu können. Umgekehrt braucht Bildung Religion, zumindest die Kenntnis über Religion. Ohne die Geschichte des Christentums lässt sich die Geschichte Europas nicht Bildung braucht einen guten Grund – Was wir von Philipp Melanchthon lernen können13| verstehen. Ohne die Kenntnis eines Grundbestandes an biblischen Texten lässt sich die Literatur unseres Landes nicht verstehen. Und – noch einmal etwas anders akzentuiert – ohne Glaubenserfahrungen und ohne die Erfahrung religiöser Deutungen des Lebens bleibt Persönlichkeitsbildung unvollständig. Darum hat in Deutschland – von unrühmlichen Ausnahmen wie in Berlin und Brandenburg abgesehen – der Religionsunterricht einen festen Platz in der Schule. Es geht beim schulischen Religionsunterricht nicht um „Mission und Mitgliederwerbung“, sondern es geht darum, Schülerinnen und Schülern authentische Begegnung mit gelebtem Glauben und mit theologischen Fragen zu ermöglichen, weil solche Erfahrungen zur Persönlichkeitsbildung dazu gehören. Das bedeutet zugleich, dass der Religionsunterricht es leisten muss, einen Bezug zu allen anderen schulischen Lehrfächern herzustellen, er sich also – wie man das heute nennt – in einen interdisziplinären Diskurs begibt. Ein Detail sei besonders hervorgehoben: Melanchthon insistierte – übrigens in völliger Übereinstimmung mit Luther – darauf, dass für Pfarrer eine gründliche wissenschaftliche Ausbildung einschließlich der biblischen Sprachen Griechisch und Hebräisch unentbehrlich sei. An diesem Standard halten wir aus guten Gründen bis heute fest. Theologie ist und bleibt zu einem wesentlichen Teil Philologie, nämlich Lektü- re der biblischen Bücher. Und nur wer diese Texte lesen kann, kann sie verstehen und angemessen für die heutige Zeit auslegen. Dass der Wissenschaftsrat, der sich kürzlich zur Theologie und anderen religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen gutachterlich geäußert hat, diese Position teilt, ist ein Beleg dafür, wie sehr Melanchthons Position selbst unter heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen überzeugt. Die Verbindung von reformatorischer Theologie und humanistischem Bildungsideal, die wir bei Melanchthon finden, ist nicht daran gebunden, dass Kirche und Bürgergemeinde im 16. Jahrhundert weitgehend deckungsgleich waren. Auch für aktuelle Fragestellungen, wie sich etwa Verfügungswissen und Orientierungswissen zueinander verhalten, lassen sich bei ihm viele Anregungen finden. 2. Bildung und Gemeinwohl Ein zweiter Aspekt ist in Melanchthons Nürnberger Rede unübersehbar: Bildung ist kein Selbstzweck, sie genügt sich nicht selbst, sie dient nicht nur dem Eigennutz. Die Gesellschaft soll sich in hohem Maße für die Bildung der Jugend einsetzen, weil Bildung dem Gemeinwohl dient. Auch dieser Aspekt ist bei Melanchthon nicht von seinen christlichen Wurzeln zu trennen. Es war eine zentrale reformatorische Erkenntnis Luthers, dass der Mensch, weil er durch den Glauben gerechtfertigt ist, um seiner Rechtfertigung willen keiner guten Werke bedürfe. Gerade dadurch werde er frei, seinen Nächsten, seinen Mitmenschen in Nächstenliebe zu dienen. Es ist unter den gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Bedingungen gewiss nicht überflüssig, an diesen Zusammenhang zu erinnern. Ein demokratischer Staat ist angewiesen auf gestandene Persönlichkeiten, Menschen mit einem gebildeten Charakter. Darum muss es in unserem Bildungssystem gehen: dass junge Menschen Raum und Zeit finden, ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Das ist keine Alternative zu fachlicher Bildung, zum Erwerb von Verfügungswissen. Beides gehört zusammen: Fachkompetenz muss mit sozialer Kompetenz Hand in Hand gehen. Defizite in diesem Bereich beeinträchtigen junge Menschen nicht nur bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, sondern sie schaden unserer Gesellschaft insgesamt. Bildungsgerechtigkeit ist eine Form der Teilhabegerechtigkeit. Und wir alle müssen ein vitales Interesse daran haben, dass Menschen in unserem Land an Bildung teilhaben können. Die Reformation hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass Bildung ein Allgemeingut wurde, dass sich so etwas wie „Volksbildung“ etablieren konnte, dass es zu einer Demokratisierung der Bildung kam. Noch einmal sei es gesagt: Dabei steht die Grundannahme im Hintergrund, dass ein mündiger Christenmensch die Bibel lesen können soll, um sich eigen- |14 Das Melanchthon-Jahr 2010 wir hier exemplarisch zeigen können, wie wir als Kirche Bildung verstehen und unsere Vorstellungen – selbstverständlich im Rahmen der allgemein geltenden Konzepte und Gesetze – umzusetzen gedenken. Am 19. April jährt sich der Todestag Philipp Schwartzerdts, genannt Melanchthon, zum 450. Mal. Das ist der äußere Anlass, sich in diesem Jahr besonders an ihn zu erinnern. Darüber hinaus aber gibt es – das hoffe ich gezeigt zu haben – viele inhaltliche Grün- ständig mit der Offenbarungsquelle des Glaubens zu befassen. Darum haben Generationen von Schulkindern anhand einfacher biblischer Geschichten Lesen und Schreiben gelernt. Für Bildungseinrichtungen zu sorgen, ist selbstverständlich vor allem eine Aufgabe des Staates im Rahmen seiner Verpflichtung zur Daseinsfürsorge für Bürgerinnen und Bürger. Allerdings gibt es in Deutschland die Regelung, dass der Staat bestimmte Aufgaben vornehmlich freien Trägern überlässt, sofern diese sich finden. Als evangelische Kirche nehmen wir im Gefolge von Philipp Melanchthon diese Aufgabe vor allem im Bereich von Kindertagesstätten, aber auch als Trägerin einiger Schulen wahr. Die Schmalkalder Martin-LutherSchule ist ein Beispiel dafür. Warum tun wir das? Wir tun es, weil de, sich mit dem „Lehrer Deutschlands“ zu beschäftigen. „Zurück zu den Quellen!“ – dieses zukunftsweisende Motto des Humanismus und der Reformation entstand in einer Zeit der Verunsicherung und der Umbrüche. Es kann in den heute notwendigen Neuorientierungen ausgesprochen hilfreich sein. Martin Hein Vortrag anlässlich der Eröffnung des „Melanchthon-Gedenkjahres“ am 14. April 2010 in der Evangelischen Stadtkirche St. Georg zu Schmalkalden. Wie Schülerinnen und Schüler der Klasse 7a im Jahr 2010 die Wirkung unserer Melanchthon-Büste beschreiben: Er hat freundliche Augen und ein ernstes Gesicht. Er wirkt nachdenklich. Dies verrät viel über sein Leben. Er ist ein in Gedanken versunkener Mensch. Er wirkt aufmerksam, streng und klug. Er ist hier der freundliche Melanchthon; jedoch auf anderen Bildern hat er einen sehr ernsten Gesichtsausdruck. Er wirkt, als würde er gerade versuchen, eine kniffelige Aufgabe zu lösen. Ich finde, Melanchthons Augen sind freundlich; allerdings sieht sein Mund ernst aus. Er wirkt auf mich freundlich, liebenswert und offen für neues Wissen. Bildung braucht einen guten Grund – Was wir von Philipp Melanchthon lernen können15| Das Melanchthon-Denkmal Steinatal Büste von Almut Heer, geschaffen zum 500. Geburtstag 1997 |16 Das Melanchthon-Jahr 2010 Melanchthon(-Jahr" 2010# 16. Februar – Eröffnung an Melanchthons Geburtstag Mit einer Andacht am Geburtstag Philipp Melanchthons – gehalten von der damaligen Pröpstin des Sprengels Hersfeld, Marita Natt (Anm. d. Red.: jetzt Prälatin und Stellvertreterin des Bischofs der EKKW) – wurde in der Melanchthon-Schule das Gedenkjahr zum 450. Todestag des Reformators (1497–1560) eröffnet. Nach Darbietungen zeitgenössischer Flötenmusik und dem von Melanchthon überlieferten Choral „Heut’ singt die liebe Christenheit …“ – mehrstimmig vorgetragen vom Oberstufenchor – brachte die Pröpstin der aufmerksam lauschenden Schulgemeinde die Bedeutung ihres Namenspatrons für die evangelische Kirche und ihr Bildungswesen näher. Predigt im Schulgottesdienst über Römer 8,31 Liebe Schulgemeinde, es ist Faschingsdienstag und möglicherweise war die eine oder der andere zu Beginn der Andacht noch nicht so ganz taufrisch. Aber wir haben ja gesungen: „All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu“. Und das ist eine schöne, erquickliche Zusage, oder? Und sie gilt auch für uns heute Morgen! So will ich mich frisch und neugierig dem Menschen zuwenden, der heute seinen 513. Geburtstag gefeiert hätte – wenn es so etwas gäbe … Dem Namensgeber eurer / Ihrer Schule, Philipp Melanchthon, widmet die Evangelische Kirche 16. Februar – Eröffnung an Melanchthons Geburtstag17| in Deutschland viele Veranstaltungen in diesem Jahr. Und auch hier werden im Frühjahr weitere Feierlichkeiten stattfinden, die sich um das Leben und Wirken dieses bedeutenden Mannes ranken. … Die Mathe-Genies haben es schon ausgerechnet: Sein Geburtsjahr war 1497, sein Geburtsort Bretten, das heute zu Baden gehört. Sehr gern bin ich heute Morgen als Geburtstagsgast aus Bad Hersfeld, dem Sitz der Propstei, hierher ins Steinatal gefahren, wo auch mein Mann vor vielen Jahren Schüler gewesen ist. Ich komme natürlich mit vielen Grüßen unseres Bischofs, Prof. Dr. Martin Hein, und ich freue mich, mit Ihnen und euch diese besondere Andacht feiern zu können. „Kleiner Mann – was nun?“ heißt ein Buch von Hans Fallada. Ich weiß nicht, ob man das im Deutschkurs liest. Es geht mir auch gar nicht um den Inhalt, sondern um den Titel! Er hätte wohl manches Mal die Überschrift über Melanchthons Leben sein können. Denn dieser Mann war ausgesprochen klein! „Klein, aber oho!“ Aufgrund seines Äußeren wurde er zunächst eher übersehen, wie die Menschen so sind, heute auch noch. Aber es war schon immer falsch, nach dem Äußeren zu urteilen … Da geben mir sicher viele recht. Philipp ist ein wunderbares Beispiel für das Pauluswort: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“. Das hat man dann auch damals sehr schnell bemerkt. Und darum erinnern wir uns heute an ihn! Der Chor hat uns ein MelanchthonLied gesungen, Pfarrerin HolkGerstung hat mit uns seinen Lieblingspsalm gebetet, und ich verrate nun, welches sein liebstes Bibelwort gewesen ist. Es ist ein Pauluswort, genauer gesagt: ein Vers aus dem Römerbrief, dem 8. Kapitel. Da steht: „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“ In einer etwas freieren Übersetzung heißt es: „Gott ist auf unserer Seite, wer kann uns dann noch etwas anhaben?“ Philipp Melanchthon haben diese Worte so viel bedeutet, dass sie später über dem Portal seines Geburtshauses eingemeißelt wurden. Sie haben ihm in vielen Augenblicken Mut gemacht, sie haben ihm geholfen in schwierigen Gesprächen und bedrohlichen Situationen. Und davon gab es genug in seinem Leben! Für ihn galt ganz und gar, was Paulus im Weiteren geschrieben hat: „Niemand kann die Menschen anklagen, die Gott erwählt hat. Denn Gott selbst spricht sie frei. Niemand kann sie verurteilen, Jesus Christus ist ja für sie gestorben. Mehr noch: Er ist vom Tode erweckt worden. Er sitzt an Gottes rechter Seite und tritt für uns ein. Durch Jesus Christus, unseren Herrn, hat Gott uns seine Liebe geschenkt. Darum gibt es in der ganzen Welt nichts, was uns jemals von Gottes Liebe trennen kann.“ „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes“, heißt es in der Lutherübersetzung, an der Philipp kräftig mitgearbeitet hat. Dass uns jemand lieb hat und es uns auch zeigt, das ist etwas Wunderbares, etwas elementar Wichtiges! Und da ist es gleichgültig, wie alt oder jung wir sind. „Wenn jemand sagt: Ich mag dich, du, ich find dich ehrlich gut, dann kribbelt es in meinem Bauch, dann hab ich wieder Mut!“, heißt es in einem Lied, das ich gern im Kindergottesdienst oder in der Grundschule gesungen habe. Zu wissen, die Eltern, die Freundin, der Freund stehen 100% hinter einem, ist – wie ich finde – unendlich wichtig, um selbstbewusst und gelassen durchs Leben zu gehen. Zu wissen, dass Gott, der Schöpfer allen Lebens, „Ja“ zu mir sagt, ist allerdings noch ungleich viel wichtiger, es macht ungemein frei. Frei von der Meinung anderer, frei von Gruppenzwängen, falscher Freundschaft, die man sich z.T. teuer erkaufen muss. „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein“, ist wie ein triumphierender Freudenschrei! Ähnlich denen, die wir jetzt bei den olympischen Winterspielen von den Medalliengewinnern hören können. Was lässt Paulus oder Melanchthon so triumphieren? Auf dem Siegertreppchen standen die beiden ja eher nicht! Es ist das tiefe Begreifen, dass durch das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu alle menschliche und – ich erlaube mir das Wort – teuflische Macht überwunden war. Im Neuen Testament lesen wir, dass Jesus seinen Geist, den Tröster, geschickt hat. Und dass dieser Geist bis heute wirkkräftig ist, das erfahren immer |18 wieder Menschen: häufig in Augenblicken, wo sie sich ganz schwach und elend, am Ende mit ihrer Weisheit fühlen. Schülerinnen und Schüler kennen das, Lehrer und Lehrerinnen auch! Sich dann zu erinnern, dass Jesus gesagt hat: „Ich bin bei euch alle Tage“, „Kommt her, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“, das ist wie eine Kraftquelle, das ist wie das Gefühl, auf dem Siegerpodest zu stehen! Solche Bedeutung hatte für Melanchthon das Pauluswort: „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein“! „Da kann man noch so viel kritisieren, sich über mich lustig machen, mich angreifen. Niemand kann mir wirklich etwas anhaben, weil ich mich von Gott geliebt, akzeptiert und getragen weiß“, mag Philipp Schwarzerdt gedacht haben, als er sich, 12 Jahre alt, an der Universität Heidelberg eingeschrieben hat. Stellt euch vor, ihr Quartaner, vor 500 Jahren konnte man mit 12 Jahren ein Studium beginnen! Allerdings musste man so wissbegierig, neugierig und sprachtalentiert sein wie Philipp. Wahrscheinlich wissen es viele von euch: Er war gerade mal 16 Jahre jung, da hat er bereits seine Magisterprüfung abgelegt in Tübingen. Und als 21-jähriger bekam er einen Ruf der Universität Wittenberg: Griechisch-Professor sollte er werden! Da hieß er übrigens schon „Melanchthon“, das ist die griechische Übersetzung seines Nachnamens „Schwarz-Erdt“. Das Melanchthon-Jahr 2010 Habt ihr eure Namen auch schon einmal ins Griechische zu übersetzen versucht? Sicher kämen interessante Wortschöpfungen dabei heraus! Ich verrate heute Morgen ein Geheimnis. Ich habe meinen Vornamen erst richtig gemocht, als ich hebräisch gelernt habe! Da ist mir das Wort „mara“ – „widerspenstig sein“ – begegnet. „Marita“ war die zweite Person Plusquamperfekt und hieß übersetzt: „du bist widerspenstig gewesen“! Als Studentin gefiel mir das irgendwie deutlich besser als die andere Möglichkeit den Namen abzuleiten. Das war nämlich die Übersetzung des lateinischen Wortes „maritus“, der „Gatte“! Weibliche Endung „a“, die „Gattin“ … Wie auch immer: Früher war es üblich, den Nachnamen ins Griechische zu übersetzen und unter dem Namen Melanchthon wurde Philipp später weltberühmt. Später, wohlgemerkt; denn als er damals in Wittenberg als 21-jähriger Professor antrat, lachte man ihn zunächst erst einmal aus. Es gab heftige Proteste, man wollte jemanden „Gestandenen“ haben, nicht so einen unscheinbaren, kleinen Jüngling. Euer Namensgeber war nämlich nur 1,50 Meter groß – wie gesagt: klein, aber oho! Dennoch: Er hatte noch keine 10 Minuten gesprochen, da klatschten schon alle begeistert Beifall und bald kamen die Studenten aus aller Herren Länder, um ihn zu hören! „Lehrer Deutschlands“ hat man ihn später genannt. Er war der Reformator der deutschen Universitä- ten, ein Schaffer, einer, der Tag und Nacht lesen konnte, der darüber sogar das Essen vergessen konnte. Er sieht auf manchen Bildern auch ganz schön schmal aus … Der Kopfschmuck, den er getragen hat, gehörte übrigens zur Kopfbedeckung der damaligen Zeit. Schade, dass er damit seine Haare verdeckt hat, sie müssen feuerrot gewesen sein! Ein Sprachgenie ist er gewesen. Er liebte die alten Sprachen, Latein und Griechisch, über alles. Sie waren für ihn unabdingbare Voraussetzung für das richtige Verständnis von Recht und Naturwissenschaften, der Theologie. So hat er in seiner Antrittsvorlesung gesagt: „Denn das ist allerdingst meine Meinung, dass niemand sich in der Gottes- oder Rechtsgelehrtheit, in der Kirche oder vor Gericht, wird auszeichnen können, der sich nicht zuvor eine gründliche allgemeine Bildung angeeignet hat.“ Und er ermahnt: „Vor allem lernt die Geschichte kennen. Sie lehrt euch, was schön ist und was schimpflich, was Nutzen bringt und was nicht.“ Leidenschaftlich hat er dafür gekämpft, dass alle Kinder – auch die Mädchen – lesen lernen konnten, „gebildet“ wurden. Das war früher bei weitem nicht so selbstverständlich wie heute! Und so wurde mit der „Oberen Schule“ in Nürnberg 1526 das erste deutsche Gymnasium gegründet. Natürlich wünschte man sich Melanchthon als Rektor – so wie Frau Kaiser eure Rekto- 16. Februar – Eröffnung an Melanchthons Geburtstag19| rin ist. Das hat er zwar abgelehnt, aber eine Rede hat er gehalten und u.a. gesagt: „Weil ohne Recht und Gesetz und ohne Religion weder staatliche Gemeinschaft aufrechterhalten noch Vereinigungen von Menschen zusammen geführt und regiert werden können, wird das Menschengeschlecht nach Art wilder Tiere umherstreifen, wenn die Wissenschaften untergehen …“ Sehr aktuell, finde ich! Eine gute Bildung trägt entscheidend dazu bei, Gewalt, Konflikte oder gar Kriege zu verhindern … Nicht zuletzt deshalb liegt unserer kurhessischen Landeskirche so viel an dieser kirchlichen Schule in der Schwalm und der Bildung, die hier im christlichen Geist vermittelt wird! „Ene mene muh und raus bist du“ soll hier nicht gelten! Stattdessen: „Raus bist du noch lange, lange nicht“! Weil bei Gott jeder eine Chance hat, weil Jesus das mit vielen schönen Gleichnissen von verlorenen Söhnen, Schafen und Groschen verdeutlicht hat, gibt es in einer kirchlichen Schule keine Starken und Schwachen, sondern von Gott geliebte Menschenkinder! Und wer sich einmal verirrt, bekommt eine zweite Chance. Jeder soll lesen und schreiben können, die Geschichte kennen lernen, sich mathematisch und sprachlich weiterbilden, sich ein Urteil bilden über Gott und die Welt. Das wollte auch Melanchthon! Damit viele von seinen Ideen und Gedanken erfuhren, hat er geschrieben und geschrieben, u.a. 9000 Briefe! Nicht schlecht, oder?! Außerdem: Schulordnungen, Grammatiken und theologische Abhandlungen. Die Hauptschrift der evangelischen Kirche, die ,,confessio augustana“ im Gesangbuch hinten abgedruckt, hat er verfasst. Wer gerade in der Konfer ist, kann ja einmal die zuständige Pfarrerin oder den Pfarrer bitten, dort nachzuschlagen und den Text miteinander zu lesen … das ist auch Bildung! – Man sagt, 6 Jahre hätte Melanchthon gearbeitet, ohne einen Tag Urlaub zu nehmen. Liebes Lehrerkollegium, das ist nicht gut! Und es hat natürlich seiner Gesundheit geschadet. Aber Melanchthon war nicht aufzuhalten. Er war so erfüllt von seiner Mission, dass er auf persönliche Bedürfnisse wenig Rücksicht genommen hat. „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?“ Mit seinem festen Glauben, der ihn mutig und innerlich frei gemacht hat, hat dieser kleine große Mann sich Freunde, aber auch Feinde gemacht. So ist das im Leben, das kennen vielleicht auch unter euch einige. Für Luther war er der Beste! „In meinem ganzen Lehramt achte ich nichts höher als den Rat Philipps“, hat er gesagt. Der unterstützte ihn tatkräftig bei seinen Disputen und – ich sagte es schon – beriet ihn intensiv bei seiner Bibelübersetzung. Sie waren zwei etwas ungleiche Freunde. Der eine liebte die kräftigen Töne, der andere die zarten. In Gesprächen mit der katholischen Kirche war Melanchthon wesentlich besonnener als Luther. Der geriet eher einmal so richtig in Wut, und dann konnte er durchaus auch laut und derb werden. Da war Melanchthon eindeutig der „Gebildetere“. Mich beeindruckt seine Gelassenheit. Und ich denke, Sie und ihr habt auch schon erlebt, dass „Ausrasten“ eine Situation eher verschlimmert als beendet. Es ist viel besser, mit Worten zu „kämpfen“ als mit den Fäusten. Auch da hat das Pauluswort in vielen Lebenssituationen seine Bedeutung: „Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?“ Im Bewusstsein, von Gott Rückenstärke zu bekommen, lassen sich viele Probleme und Konflikte anders meistern. Gottvertrauen macht stärker als das beste Muskeltraining. Es stärkt nicht nur den Bizeps, sondern das Rückgrat – und den Kopf und das Herz! Ich wünsche solche Herzensbildung und Glaubensstärke den Schülerinnen und Schülern der Melanchthon-Schule. Und ich gratuliere euch, dass ihr eine kirchliche Schule besucht, in der dieser Geist herrscht. Und ich bitte alle, die hier ein- und ausgehen, diesen Geist hochzuhalten, wertzuachten und weiterzugeben. Melanchthon hat ihn vielen, vielen nahegebracht, auch seinen eigenen vier Kindern. Und er hat mithilfe des Pauluswortes manchen Schicksalsschlag aushalten können: den Tod des Sohnes und der Tochter, seiner Frau. Die Verleumdungen und Anfeindungen, die ihm begegnet sind. Kurz vor seinem Tod |20 Das Melanchthon-Jahr 2010 Der kleine große Mann Als einst durch Wittenberges Toren man sah den Herrn Melanchthon ziehn, Studenten da und Professoren die Achsel zuckten über ihn. Sie flüsterten: „Du meine Güte! Die kleine schmächtige Gestalt!“ Sie ahnten nicht sein Hochgemüte, nicht seines Geistes Allgewalt. hat er auf einen Zettel geschrieben: „Du kommst zum Licht, du wirst Gott schauen und seinen Sohn, du wirst die wunderbaren Geheimnisse erkennen, die du in diesem Leben nicht begreifen konntest.“ Da war wirklich nur Freude – und ein bisschen Neugier – wie es sein wird – nach dem Tod. Er wusste: „Ich brauche mich vor nichts zu fürchten, weil Gott an meiner Seite ist.“ Sollten in eurem / Ihrem Leben Zeiten, Augenblicke kommen, die zum Fürchten sind, dann erinnert euch, erinnern Sie sich an das Wort, das Melanchthon immer wieder Kraft und Hoffnung gegeben hat: „Gott ist auf unserer Seite, wer kann uns dann noch etwas anhaben?“ Ich sage: Niemand! So sei es! Amen. Marita Natt, Prälatin Doch wie er schwang sich aufs Katheder gleich einem Reiter auf das Pferd und zuckt des Geistes Schwert, ward jeder gewahr, was dieser Ritter wert. Da saßen sie im Saal mit Staunen, bezwungen von der Rede Macht. Es ging im Kreis ein leises Raunen: „Bei Gott! Wer hätte das gedacht?“ Ja, ja, die klugen feinen Geister, sie sperrten Augen auf und Mund. Sie schauten nun in ihm den Meister, der wußt’ der Dinge Kern und Grund. Und all die Lehrer und Gelehrten erkannten den Magister an als den Gelehrtesten und ehrten den großen Geist im kleinen Mann! Gedicht aus dem Jahr 1910 (anonym) anlässlich des 350. Todestages von Ph. Melanchthon 16. Februar – Eröffnung an Melanchthons Geburtstag21| Am Melanchthon-Denkmal Steinatal Im Anschluss an den Gottesdienst zog die gesamte Schulgemeinde zum Melanchthon-Denkmal vor dem Hauptgebäude, wo Schulleiterin Christel Ruth Kaiser daran erinnerte, wie das Kunstwerk anlässlich des 500. Geburtstages von Philipp Melanchthon im Jahr 1997 seinen Weg ins Steinatal fand: aufgrund einer Elterninitiative gestiftet mit Fördermitteln der Kulturstiftung der Kreissparkasse Schwalm-Eder zum 50. Gründungsjubiläum des Gymnasiums. Ein Schüler aus der Klasse 7a trug das 1910 zum 350. Todestag Melanchthons entstandene Gedicht mit dem Titel „Der kleine große Mann“ auswendig vor, das den „Lehrer Deutschlands“ trotz äußerlich kleiner Gestalt als ganz Großen nach Bildung und Geistesgaben würdigt. Damit traf es den Kern der Predigt von Pröpstin Marita Natt. Der Zug der Schulgemeinde sammelte sich danach an einem von der Abiturientia 2009 gespendeten Fahnenmast auf dem Rasen oberhalb des Sportplatzes, wo bei feierlichen Bläserklängen die neue Fahne der Melanchthon-Schule – geziert mit dem Schullogo – gehisst wurde. Hier dankte die Schulleiterin den ehemaligen Schülerinnen und Schülern für ihre schöne Idee und erklärte das Melanchthon-Jahr 2010 im Steinatal als eröffnet. Zeichnung von Steffen Schmerer, Klasse 7a im Schulj. 2009/10 |22 Das Melanchthon-Jahr 2010 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag Der Gedenktag begann in der Melanchthon-Schule mit einem Gottesdienst, in dem der Dekan des Kirchenkreises Ziegenhain, Christian Wachter, an das Sterben Philipp Melanchthons und dessen gefasste Haltung auf dem Totenbett erinnerte. Predigt im Schulgottesdienst zum Tod Melanchthons Liebe Schulgemeinde, heute vor 450 Jahren ist Philipp Melanchthon gestorben. Und weil unsere Schule nach diesem protestantischen Lehrer benannt ist, soll dies entsprechend gewürdigt werden. Durch Augenzeugenberichte sind uns Aufzeichnungen der letzten Tage und Stunden des Reformators überliefert (Anm. d. Red.: s. dazu auch S. 24). Lucas Cranach d.J. hat ein Bild des Toten auf dem Sterbelager gezeichnet. Der Verstorbene macht in diesem Bild einen ausgesprochenen friedlichen und fast verschmitzt fröhlichen Eindruck. Das weiße Totengewand erinnert an das Taufkleid und daran, dass wir im Leben und im Sterben Gottes Kinder sind. Schreiben wir also: Wittenberg, den 7. April 1560. Philipp Melanchthon, 63 Jahre alt, 150 cm klein, seit 40 Jahren verheiratet, Vater von zwei Kindern, seit 42 Jahren Professor an der Theologischen Fakultät in Wittenberg an der Elbe. Den Gelehrten überfallen an diesem Tag ein starkes Fieber und ein kräftiger Husten. Er ist schwer erkrankt. Die ganze Nacht drückt er kein Auge zu. – Am nächsten Morgen ist er furchtbar matt und müde. Dennoch lässt er es sich nicht nehmen, um 6 Uhr seine Vorlesung zu halten. Wie immer ist der Saal voll und die Studenten hängen an seinen Lippen. Martin Luther hatte, als er Philipp Melanchthon zum ersten Mal gehört hat, begeistert ausgerufen: „Dieser kleine Griechisch-Professor übertrifft mich in der Theologie!“ Das Thema seiner letzten Vorlesung ist das Gebet Jesu vor der Gefangennahme im 17. Kapitel des Johannesevangeliums. Klassisch hat Philipp seine Vorlesung in drei Abschnitte gefasst. Erstlich: Nach dem Willen Gottes soll in dieser Welt eine Kirche die Christenheit sammeln und erhalten. Zum Anderen: Jesus bittet, dass die Kinder Gottes friedlich und einträchtig sein sollen. Melanchthon war ein auf Konsens bedachter Mensch, der den Frieden gesucht hat. Ihm lag daran, Brücken zwischen den zerstrittenen Fronten in der Kirche zu bauen. In der Confessio Augustana, der hauptsächlich von ihm verfassten Bekenntnisschrift der Protestanten, versucht er deutlich die unstrittigen Themen zu benennen, um einen Konsens zu ermöglichen. Zum Dritten: Ziel und Sinn der Kirche ist, dass die Kinder Gottes in ihr durch Wort und Sakrament Erben des ewigen Lebens werden sollen. Philipp stand in dieser Stunde selbst kurz davor, nun im Himmel zu sehen, was er zu Erdenzeiten geglaubt hat. – Am Abend dieses Tages wurde Melanchthon zugetragen, dass verschiedene Wittenberger Bürger Wolken gesehen hätten, die die Formen von Rutenbündeln gehabt hätten. Sie wollten von ihrem Lehrer wissen, was dies zu bedeuten hätte. In der Tat hatte Melanchthon im Gegensatz zu Luther einen gewissen Hang zur Astrologie, und er war überzeugt davon, dass Himmelserscheinungen zu deuten seien. Gott, so argumentierte er, hat die Planeten und Sterne an den Himmel gesetzt, damit wir aus ihnen lesen können, so wie die Weisen aus dem Morgenland an einem Stern erkannt hätten, dass der Messias geboren sei. Und wie aus den Sternen so versuchte man tatsächlich auch aus Wolkengebilden zu lesen und die Zukunft vorher zu sagen. An der Universität 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag23| in Wittenberg hat Melanchthon in seiner Wirkungszeit die Astrologie als eine der zentralen Wissenschaften installiert. Die Ruten am Abendhimmel deutete Philipp als eine väterliche Strafe. Er vermutete, es würde sich wohl um eine Teuerung handeln, und er sei sich sicher, dass diese väterliche Strafe die Wi- dersacher der Protestanten stärker treffen werde. In der kommenden Nacht hat Melanchthon geruht. Nach eigenem Bekunden hat er davon geträumt, himmlische Lieder gesungen zu haben. Die allerdings, die über seinen Schlaf gewacht haben, gaben an, nur lautes Schreien ge- Lucas Cranach d.J., Melanchthon auf dem Totenbett, 1560 hört zu haben. So gingen die Tage weiter bis zum 19. April. Philipp ließ sich in seine Studierstube führen. Dort stand sein Reisebettchen. Zunächst ging er noch ein wenig auf und ab. Dann legte er sich in das Bett hinein und bat gegen 18.00 Uhr, dass jemand kommen möge, der ihm die Haare schneiden solle. – Wenn es an das Sterben geht, dann heißt es Abschied nehmen von der Welt und sich vorzubereiten auf das, was kommt. Philipp Melanchthon war sich gewiss, dass das Leben ein Wandern zur Ewigkeit sei. Wer weiß, wer mich an der Himmelstür erwartet? Meine Mutter, mein Vater – Jesus Christus sicher. Also ließ er sich schmücken, als ihm bewusst wurde, dass er „wandern würde“, wie es im Augenzeugenbericht heißt, und weiter heißt es dort: „Er fuhr fein still und gelinde über seinem Gebet dahin zu seinem lieben Herrn Jesus Christus.“ So friedlich, wie Melanchthon gelebt und gewirkt hat, so friedlich ist er auch gestorben. Die Zusage und Hoffnung auf einen himmlischen Frieden mit Gott möge auch uns dazu ermutigen, schon zu Lebzeiten in allen Dingen den Frieden mit Gott und mit dem Nächsten zu suchen. Hierin kann uns Philipp Melanchthon, der Namenspatron unserer Schule, ein Vorbild sein. Amen. Christian Wachter, Dekan des Kirchenkreises Ziegenhain |24 Kurtzer Bericht Wie der Ehrwirdig, unser lieber Vater und Praeceptor, Philippus Melanchthon, sein Leben hie auff Erden geendet und gantz Christlich beschlossen hat. Beschrieben von Augenzeugen, in Auszügen zitiert nach Nikolaus Müller, Leipzig, 1910 Am siebenden Tage Aprilis in der nacht krigte er ein hitze mit einem zim lich starcken husten, das er die gantze nacht durchaus nicht schlieff, davon er sehr matt war. Also ward für gut angesehen, das man Joachimum Camerarium fordern solt, als der nu lenger denn viertzig jar mit Philippo gute kundschafft gehabt und in solcher freundschafft mit ihm gelebt hatte, als etwan leute leben mochten. Ungeacht aber derselbigen großen mattigkeit und schwacheit las er noch des morgens im Collegio umb sechse das 17. capitel Johannis von dem Gebet Christi... Er fasset aber das mal das Gebet Christi seinen zuhörern in die drey Heubtstück... Erstlich, das ja der himlische Vater eine Christliche Kirche im Menschlichen geschlecht sameln und erhalten wolt. Zum andern, das sie friedlich und eintrechtig sein solt. Zum dritten, das sie auch selig und Erben des Ewigen lebens werden solten. Da er nu die drey Heuptstücke also erzelet hatte, sprach er: »Ich gedenck, das mein lieber vater seliger drey tage vor seinem tod diese drey stück auch gebeten hat.« Diesen abend haben viel glaubwir diger Leute zwischen neunen und zehen am Himel gewülcken gesehen, Das Melanchthon-Jahr 2010 welche wie gebundene Ruten gestalt gewesen;... Da nun solches dem Herrn Philippo angezeigtet ward, sprach er: »Das bedeut Gott lob eine Veterliche straffe; denn die Veter brauchen Ruten und keine Schwerter. Ich halt aber, es werde uns Gott mit Teurung straffen. Aber unsere Widersacher werden ein hertere straffe leiden müssen.« Die folgende nacht hat er wol geruhet und sanffte geschlaffen; und er saget, es hette im getreumet, wie er gesungen hette »Mich verlanget hertzlich, mit euch dis Osterlamb zu essen« auf die Melodey, wie mans vor zeiten lateinisch in den Kirchen gesungen hat, und hette so laut geschrieen, das er darüber erwacht were. Bald darnach bekam er Brieff aus Schweitz, wie der Bapst zu Rom ein Concilium haben wolt; da saget er: »Es ist mir viel besser, ich sterbe, denn das ich auffs Concilium ziehen solt«; denn was da für ein schendlich gebeis sein würde, auch auff unserm teil, das hette ein jeder zu erachten. »Ich habe heint die nacht von der nerrischen disputation gedacht, das etliche fürgeben wöllen, Christus habe sich vor dem Tode nicht gefürchtet. Aber er hat besser verstanden, was sterben sey, darumb hat er sich one zweivel mehr dafür gefürchtet, denn wir uns fürchten.« »Nu ich bin schwach, und mir ist nicht wol, doch thut mir all mein kranckheit nicht so weh als der gros jamer um das elend der heiligen Christlichen Kirchen, welches aus unnötiger trennung, bosheit und mutwillen dem, die sich aus un menschlichem neid und hass wider uns one billiche ursach abgesondert haben, entstehet.« Also sind wir nu komen biss auff den neuntzehenden tag Aprilis, welches sein letzter tag in diesem leben gewesen ist. ( ... ) Er lies sich hinunter in sein studir stuben füren, da das Reisebetlin stund, da ging er ein weil hin und wider und legte sich darnach ins Betlein..., schnaube te sanfft und ruhet bis hin umb sechse, und, da er erwachet, bitt er Doctor Casparn, seinen Eiden, das er im die haar verschneiden solt, das geschahe... Also lies er sich zuvor schmücken, nach dem er vermercket, das er wandern würde. Der Herr aber lag eine stunde oder zwo, hatte die augen halb offen, zog die schnenckel bis weilen zu sich, streckt sie wider von sich, hub die decke auff, lies sie wider fallen, das man tödliche angst vermercken kundte... Unterdessen regte er die lippen, als betet er, wie er den tag über offt gethan hatte, und geht also uber dem Gebet dahin...; da kundten wir nicht mercken, das es im einen stoss gethan hette, oder das es im etwa den mund gekrümbt hette oder dergleichen etwas, sondern fur also fein still und gelinde uber seinem Gebet dahin zu seinem lieben Herrn Jhesu Christo. Zusammengestellt von Christian Lehnert in: Melanchthon. Ein Magazin zu seinem 450. Todesjahr, hrg. v. Kirchenamt der EKD, Frankfurt/M 2010, S. 80 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag25| In den letzten Stunden beobachteten Melanchthons Angehörige und Freunde, wie sich seine Lippen bewegten, ohne dass man Worte hören konnte. Betend ist er am 19. April 1560 heimgegangen. Die Kraft des Gebets as weiß ich: So oft ich mit Ernst gebetet habe, bin ich gewiß erhört worden und habe mehr erlangt, als ich erbeten habe. Unser Herrgott hat wohl bisweilen gewartet, aber letztlich dennoch erhört. Psalm 55, 23: »Wirf dein Anliegen auf den Herrn; der wird dich versorgen.« Ach, wer das Werfen gut lernen würde, der würde erfahren, daß es gewiß so ist. Wer dieses Werfen aber nicht lernt, der bleibt ein verworfener, ein unterworfener und umgeworfener Mensch. D In einer Vorlesung mitgeteilt (ca. 1555) Bitte um göttliche Bewahrung ch bitte den ewigen Gott und Vater unseres Heilands Jesus Christus, er wolle zu seinem Lob und zu seiner rechten Ehre sein heiliges Evangelium erhalten. Er möge auch uns, die wir aus dem heiligen Evangelium lernen ihn anzurufen und um seines einzigen Sohnes Jesus Christus willen Gnade, Hilfe, Schutz und ewiges Leben von ihm zu erbitten und zu erhoffen, gnädig annehmen, erleuchten, schützen und mit dem Heiligen Geist regieren. Unser Heiland Christus hat gesprochen, er werde uns nicht als Waisen zurücklassen, sondern werde uns den Geist der Wahrheit geben, den er in seinem Evangelium zugesagt hat (Joh 14, 17 f.). I Aus der Widmungsvorrede der deutschen Ausgabe der Loci (1553-1555) Christus als Fürbitter h Sohn Gottes, Jesus Christus, für uns gekreuzigt und auferweckt, Wort und Ebenbild des ewigen Vaters! Du hast den unermeßlichen Zorn Gottes über unsere Sünden auf dich genommen und bist zum Versöhner geworden. Erbarme dich unser und trete beim ewigen Vater für uns ein, leite und bewahre uns. O Aus einem Trostbrief an einen Freund (1545) Bitte um den Erhalt der Wahrheit er ewige, allmächtige, barmherzige Gott, der Vater unseres Heilands und Erlösers Jesus Christus, woldas Licht der Wahrheit bei uns rein erhalten und in vielen Herzen kräftig machen um seines Namens Ehre willen, auf daß viele tausend Seelen in Jesus Christus, seinem Sohne, bekehrt und des Teufels Reich zerstört werde. Dem wahrhaftigen, ewigen Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geist, sei Dank, Lob, Ehre und Preis in Ewigkeit. D le Aus einer Rede über die Rechtfertigung (1555) Melanchthons Grab in der Schlosskirche zu Wittenberg |26 Das Melanchthon-Jahr 2010 Blick in die Gedenkfeier Der offizielle Festakt der Schule zum 450. Todestag fand am Abend des 19. April 2010 in Anwesenheit des Kollegiums, der Mitarbeiterschaft und zahlreicher geladener Gäste statt. Im Mittelpunkt der von Schülerinnen und Schülern musikalisch wie textlich mitgestalteten Feierstunde stand der Festvortrag des Reformationshistorikers Prof. em. Dr. Hans Schneider aus Marburg. Im Rahmen ihrer Begrüßung der Festversammlung fasste Schulleiterin Christel Ruth Kaiser die Bedeutung des großen Namenspatrons für das Bildungsverständnis und das schulische Leben in der Melanchthon-Schule zusammen: senheit der Bundeskanzlerin – an den Bildungsreformator Philipp Melanchthon erinnert und ihn ehrt, so gedenken auch wir hier im Steinatal seiner herausragenden Bedeutung als Christ und „Lehrer Deutschlands“. Und wir dürfen stolz darauf sein, diesen besonderen Tag als das einzige evangelische Gymnasium in Deutschland begehen zu können, das den berühmten Namen trägt. Alle weiteren MelanchthonGymnasien – meines Wissens fünf an der Zahl: z.B. an Stätten der Reforma- Liebe Schulgemeinde, sehr geehrte Gäste: Wie die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland, die am heutigen Tag in Wittenberg mit einer zentralen Gedenkveranstaltung – in Anwe- Gedenkfeier zum 450. Todestag von am 19. April 2010 um 19.30 Uhr in der Melanchthon-Schule Steinatal Bläser-Ensemble: Etienne du Tertre (ca. 1520-1570), „Pavane“ und „Galliarde“ Festvortrag von Prof. Dr. Hans Schneider, Philipps-Universität Marburg: Begrüßung durch die Schulleiterin Philippus discipulus Philippi? Bläser-Ensemble: Jakob Arcadelt (um 1514-1572) / Josquin Desprez (ca. 1440-1521), „Chanson“ und „Motette“ Landgraf Philipp von Hessen und Philipp Melanchthon Lesung I: Vom Leben Philipp Melanchthons Blockflöten-Quartett: Pierre Phalese (um 1510-1573), „Putta Nera Ballo Furlano“ Oberstufenchor: „Heut singt die liebe Christenheit …“ nach Philipp Melanchthon und einer Melodie aus dem 16. Jh. bearbeitet für 3-5stimmigen Chor von Manfred Muche (2010) Dank Schulgemeinde: „Heut singt die liebe Christenheit …“ (Noten und Text umseitig) Lesung II: „Die Emmaus-Jünger“ (Lk 24, 13-35) griechisch – deutsch Bläser-Ensemble: Jacobus Gallus (1550-1591), Doppelchor „Alleluja. Zu Deiner Auferstehung … Himmel und Erde freuen sich …“ Ausklang mit dem Bläser-Ensemble: Michael Altenburg (1584-1640), Choralintrade und -satz „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ Zeit für Gespräche Lesung III: Aus den „Loci communes“ (1521), Die Rechtfertigung und der Glaube (6. Kapitel) lateinisch – deutsch Blockflöten-Quartett: Tilman Susato (gest. um 1561), „Ronde in F“ Mitwirkende aus der Melanchthon-Schule: Bläser-Ensemble des Schulposaunenchores unter Leitung von Landesposaunenwart Ulrich Rebmann; Blockflöten-Quartett und Oberstufenchor unter Leitung von Kantor/Musiklehrer Manfred Muche; Vortragende: Johanna Georges (Lebenslauf Melanchthons); Ines Diegler, Carola Merle und Oscar Jöckel (altsprachliche und andere Texte) 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag27| tion wie Nürnberg und Wittenberg, die auf Gründungsinitiative Melanchthons selbst zurückgehen – werden in staatlicher bzw. städtischer Trägerschaft geführt. Anders als in den Orten seines Wirkens ist Melanchthon nie im Steinatal gewesen, wenn auch ein kurzer Aufenthalt in Ziegenhain 1524 im Zuge einer Reise überliefert ist. Dennoch lautet der Titel eines unserer „Steinataler Hefte“: „Melanchthon im Steinatal“ – Der Name als Programm“ (Anm. d. Red.: Heft 2/2004) und bringt damit die Bindung unserer evangelischen Schule an das protestantische Bildungsverständnis zum Ausdruck, das wesentlich von unserem körperlich zwar kleinen, dazu sehr bescheidenen, nach Geistesgaben und Gelehrsamkeit jedoch ganz großen Namenspatron geprägt wurde. Natürlich kann Melanchthons Pädagogik in unserer Zeit nicht unverändert 1:1 Geltung behalten, aber sie gewann prägende Kraft für unser Bildungswesen insgesamt, wurde über die Zeit hinweg weiterentwickelt und fortgeschrieben. Das dürfte übrigens ganz in seinem Sinne sein, dessen Biografie von lebenslangem Lernen Zeugnis gibt. So hat heutiges schulisches Bildungsverständnis – und nicht nur das an einer evangelischen Schule – zahlreiche seiner Impulse aufgenommen und integriert, ohne dass uns dies allerdings im normalen Schulalltag ständig vor Augen steht. Um konkret zu werden, nenne ich zunächst ein paar Beispiele für Melanchthons Spuren, die uns durch eigenes Erleben in unserer Schule ge- läufig sind: Abgesehen von unserem Denkmal des Reformators, das zu seinem 500. Geburtstag 1997 von der Hamburger Künstlerin Almut Heer geschaffen und uns 1998 zum 50jährigen Schuljubiläum auf Initiative der Elternschaft von der Kulturstiftung der Kreissparkasse Schwalm-Eder gestiftet wurde, finden sich auch in den Gebäuden unserer Schule weitere eindrucksvolle Bildnisse, z.B. seit heute im Foyer des Schindelhauses ein Melanchthon-Portrait als Metallrelief im Stil eines Scherenschnittes, das schon 1997 in unserer Werkabteilung entstanden ist und am neuen Standort nun noch besser zur Geltung kommt als in den Jahren zuvor. Sichtbar und vielfach genutzt ist unser Schul-Logo, das „Melanchthon-M“, das unser Schrifttum, aber auch Gebrauchsgegenstände – einschließlich den Schulbus – ziert und sogar regelmäßig in den Rasen vor dem Kunst-Werk-Haus gemäht wird. Dies und manches mehr haben wir täglich vor Augen: als äußere Zeichen der Erinnerung und als Brücken zur Identifikation mit dem Schulnamen. Aber wie steht es um die inhaltlichen Spuren von Melanchthons Pädagogik im Unterrichtsprogramm und Schulleben unseres Gymnasiums? Das ist wahrlich ein „weites Feld“, weshalb ich jetzt nur stichwortartig einige wesentliche Aspekte nennen möchte: • die Wertschätzung der Bibel, die es zu kennen und zu verstehen gilt: als Quelle des christlichen Glaubens, damit junge Menschen in Fragen des Lebens- und Orientierungswissens sprach- und auskunftsfähig werden; • die Kenntnis und Pflege der Sprachen: der alten genauso wie heutzutage der neuen, die zu philologischer Genauigkeit und klarem, präzisen Denken führen, außerdem mit erworbener Sprachkompetenz ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit und kultureller Kompetenz vermitteln; • das pädagogische Ziel einer ganzheitlich angelegten Persönlichkeitsbildung auf der Grundlage eines breitgefächerten, fundierten und vernetzten Wissens, – also nicht ausschließlich „Faktenhuberei“ oder „Experten-Monokultur“; • ein Bildungsbegriff, der – ganz reformatorisch – beides will: Bildungschancen für alle geben und herausragende Begabung fördern; • ein Schulklima, das Dialog- und Kompromissbereitschaft fördert, Konflikt- und Problemlösungskompetenz integriert, kurz: das eine Kultur des Helfens und wechselseitiger Anerkennung wachsen lässt; • eine Andachts- und Gottesdienstpraxis, die uns den christlichen Glauben in ganz selbstverständlich gelebter oekumenischer Gemeinschaft erfahren lässt. Wir haben also allen Grund, den Namensgeber unserer Schule zu achten und ihm die Ehre zu erweisen: Wie schön, dass sich so viele eingefunden haben, dies mit uns zu tun. Ich wünsche uns eine anregende, inhaltlich reich gefüllte Feier! |28 Das Melanchthon-Jahr 2010 Lesungen, moderiert von einem Schüler und vorgetragen von drei Schülerinnen aus der Jahrgangsstufe 12, ließen exemplarisch Leben und Werk Philipp Melanchthons aufleuchten. Die Präsentation wurde bereichert durch zeitgenössische Bläser- und Chormusik, dargeboten von einem Auswahl-Ensemble des Schulposaunenchores sowie vom Oberstufenchor. Lesung I: Als Theologe wurde er der intellektuelle Kopf der Reformation. Ohne ihn hätte es die Bekenntnisschriften des Protestantismus – allen voran das Augsburger Bekenntnis – so nicht gegeben. Als Pädagoge verband er philologische Genauigkeit und wissenschaftlichen Scharfsinn mit einer besonderen Begabung zum Unterrichten. „Lehrer Deutschlands“ wird man ihn später nennen. Als Humanist förderte er wie wenige die Alten Sprachen – und erschloss so die Grundlagen des christlichen Glaubens und der abendländischen Kultur. Philipp Melanchthon ist eine der prägendsten Gestalten der Epochenwende im 16. Jahrhundert. Schauen wir zunächst auf seinen Lebensweg: Vom Leben Philipp Melanchthons Philipp Melanchthon wurde am 16. Februar 1497 in Bretten im Haus seines Großvaters geboren. Der Vater, Georg Schwartzerdt, ein weithin bekannter Waffenschmied, stand in Diensten des pfälzischen Kurfürsten Philipp und nannte seinen Erstgeborenen nach dem Landesherrn. Im Kreis von vier Geschwistern wuchs der kleine Philipp auf, bis er 1508 seine Heimatstadt mit dem Ziel Pforzheim verlassen musste, da innerhalb eines Monats der Vater (er hatte bei einem Feldzug aus einem vergifteten Brunnen getrunken) und der Großvater gestorben waren. In Pforzheim kam er in engen Kontakt zu seinem Großonkel, dem bedeutenden humanistischen Gelehrten Johannes Reuchlin (1455 – 1522), der voll Begeisterung für die ausgezeichneten Latein- und Griechischkenntnisse des Knaben den Familiennamen Schwartzerdt ins Griechische übertrug: Melanchthon (schwarze Erde). Nach dem Besuch der Pforzheimer Lateinschule wurde der erst 12jährige Melanchthon an der Universität Heidelberg immatrikuliert. 1512 bis 1518 studierte und lehrte er an der Universität Tübingen. Hier wurde er bald bekannt und erhielt einen Ruf auf den Griechischlehrstuhl der noch jungen Universität Wittenberg. Kaum an seiner neuen Wirkungsstätte angekommen, begann für Melanchthon eine intensive und freundschaftliche Zusammenarbeit mit Martin Luther (1483 – 1546), der ihn zur reformatorischen Theologie führte und dem er als Sprachgelehrter bei der Bibelübersetzung ins Deutsche half. Schon 1521 verfasste Melanchthon mit den „Loci communes“ die erste systematische Zusammenfassung der evan- gelischen Lehre. Sein theologisches Hauptwerk ist die auf dem Augsburger Reichstag 1530 vorgelegte „Confessio Augustana“: die wichtigste Bekenntnisschrift der lutherisch geprägten evangelischen Kirchen. Melanchthon schrieb eine Fülle humanistischer Lehrbücher und galt als einer der berühmtesten Universalgelehrten seiner Zeit. Bereits die Zeitgenossen gaben ihm den Ehrentitel „Praeceptor Germaniae“ (Lehrer Deutschlands). Durch seine Lehrpläne, Studienordnungen, Schulgründungen, Universitätsreformen, aber auch durch seine Schüler hat er das Bildungswesen im damaligen Deutschland entscheidend beeinflusst. Sein Ruhm als humanistischer Gelehrter, als reformatorischer Theologe, als Vermittler im Streit der Konfessionen verbreitete sich schon zu Lebzeiten in vielen Ländern Europas. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Am 19. April 1560 starb Melanchthon in Wittenberg; er liegt in der Schlosskirche neben Luther begraben. Lesung II: Im Jahr 1549 schreibt Ph. Melan chthon im damals geläufigen Latein über den Bildungswert des Griechischen: „Unter allen Sprachen erlangt die griechische – ob man nun die vielfältigen Lehrinhalte betrachtet, die Gott durch sie dem Menschengeschlecht übermittelt hat, oder ihre wohlklingende Schönheit – leicht den ersten 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag29| Rang. Denn zunächst hat Gott dieser Sprache das Neue Testament … anvertraut. … Um also den Inhalt des Neuen Testaments, welches das Evangelium Christi enthält, zu begreifen und recht zu verstehen, ist man auf die Hilfe dieser Sprache angewiesen. … Welche Freude bringt es, ja welches Glück, mit dem Sohn Gottes, mit den Evangelisten und Aposteln, mit dem heiligen Paulus ohne Dolmetscher sprechen und ihre echten und lebendigen Worte hören und wiedergeben zu können! …“ Hier begegnet uns Melanchthon also zugleich als Lehrer der Alten Sprachen und als frommer Christenmensch, der das Evangelium aus den Quellen verstehen will, – nicht aus Übersetzungen, die lt. seiner Erfahrung den ursprünglichen Sinn „verändern und verdunkeln“ können. So kurz nach Ostern hören wir jetzt die Erzählung von den „Emmaus-Jüngern“: im schönen Klang der griechischen Sprache des Neuen Testamentes, – ergänzt durch Martin Luthers deutsche Übersetzung: Die Emmaus-Jünger (Lk 24, 13-35): griechisch Die Emmaus-Jünger: deutsch Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in einen Ort, der lag von Jerusalem bei zwei Stunden Wegs; des Name heißt Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten. Und es geschah, da sie so redeten und bcsprachen sich miteinander, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen, Aber ihre Augen wurden gehalten, daß sie ihn nicht erkannten. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du allein unter den Fremdlingen zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen darin geschehen ist? Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das von Jesus von Nazareth, welcher war ein Prophet mächtig von Taten und Worten vor Gott und allem Volk; wie ihn unsre Hohenpriester und Obersten überantwortet haben zur Verdamm nis des Todes und gekreuzigt. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen würde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, daß solches geschehen ist. Auch haben uns erschreckt etliche Frauen aus unserer Mitte; die sind frühe bei dem Grabe gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, welche sagen, er lebe. Und etliche unter uns gingen hin zum Grabe und fanden’s so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht. Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren und trägen Herzens, zu glauben alle dem, was die Propheten geredet haben! Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen? Und fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen in der ganzen Schrift aus, was darin von ihm gesagt war. Und sie kamen nahe zu dem Orte, da sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weiter gehen, Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Und es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht |30 unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete? Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten nach Jerusalem zurück und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren, welche sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach. Lesung III: Als junger Dozent für die Alten Sprachen in Wittenberg öffnete sich Melanchthon schnell der reformatorischen Theologie. Bereits 1518 – also mit 21 Jahren! – trat er literarisch an die Seite Luthers, der ihn drängte, auch theologische Vorlesungen zu halten. Zur Auslegung und Deutung der biblischen Texte suchte er – angeleitet vom klassischen und humanistischen Wissenschaftsverständnis – bei der Lektüre eines Buches nach Grund- bzw. Leitbegriffen: in damaliger Praxis „loci communes“ genannt. Basierend auf dem zentralen biblischen Dokument der Reformation, dem Römerbrief des Paulus, bezeichnete Melanchthon als solche Grundbegriffe die Sünde des Menschen: peccatum, das Gesetz Gottes: lex und dessen Gnade: gratia. Unter diesen Gesichtspunkten entfaltete er in klassischem Humanisten-Latein die lutherische Rechtfertigungslehre. Damit wollte er der studierenden Jugend zum richtigen Das Melanchthon-Jahr 2010 Verständnis der Heiligen Schrift verhelfen und sie zum Bibelstudium ermutigen. Die Bedeutung dieser „Loci communes rerum theologicarum“, die erstmals 1521 erschienen, kann kaum unterschätzt werden, was sich auch darin zeigt, dass in den folgenden vier Jahren 18 Auflagen erschienen. Zahllosen Menschen erschlossen sie knapp und präzise den Inhalt der reformatorischen Botschaft. Luther schrieb 1542: „Ich habe Magistri Philipps Bücher lieber denn die meinen. Es gibt nach der Heiligen Schrift kein besseres Buch als Melanchthons ‚Loci communes‘.“ Melanchthon arbeitete an diesem Werk sein Leben lang. Die letzte Fassung erschien 1559, ein Jahr vor seinem Tod. Da war aus einem anfänglich schmalen Band eine breite Dogmatik geworden. Aus der thesenartigen Zusammenfassung im Kapitel „De justificatione et fide: Rechtfertigung und Glaube“, das die Mitte der Schrift und sozusagen das „reformatorische Herzstück“ bildet, hören wir nun eine kleine Auswahl zentraler Sätze in lateinischer und deutscher Sprache: Aus den „Loci communes“ (1521) lateinisch-deutsch Conferamus autem totam hanc disputationem de lege, evangelio ac fide in aliquot capita: Wir wollen dieses ganze Streitgespräch über das Gesetz, das Evangelium und den Glauben nun aber in einigen Hauptsätzen zusammenfassen: Lex doctrina est, quae facienda et omittenda praescribit. Das Gesetz ist ein Grundsatz, der vorschreibt, was zu tun und zu lassen ist. Evangelium est promissio gratiae dei. Das Evangelium ist die Verheißung der Gnade Gottes. Lex impossibilia exigit, amorem dei ac proximi. Das Gesetz verlangt Unmögliches: die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Qui legem per vires naturae seu liberi arbitrii exprimere conantur, externa tantum opera simulant, affectus, quos exigit lex, non exprimunt. Die, die versuchen, das Gesetz auf natürliche Weise oder durch freien Willen zu erfüllen, täuschen nur äußere Werke vor, ohne wirklichen inneren Antrieb. Legi igitur non satisfaciunt, sed sunt hypocritae, „sepulchra extrinsecus dealbata“, ut Christus vocat. Sie tun daher dem Gesetz nicht Genüge, sondern sind Schauspieler, „außen weiß übertünchte Gräber“, wie Christus sagt. Ergo non est legis opus iustificare. Daher ist das Rechtfertigen nicht ein Werk des Gesetzes. 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag31| Sed legis proprium opus est ostendere peccatum adeoque confundere conscientiam. Sondern das eigentliche Werk des Gesetzes ist das Aufzeigen der Sünde, ja, das Beschämen des Gewissens. Conscientiae agnoscenti peccatum et confusae per legem evangelium ostendit Christum. Dem Gewissen, das die Sünde erkennt und durch das Gesetz beschämt wurde, zeigt das Evangelium Christus. Fides, qua creditur evangelio ostendenti Christum, … est iustitia nostra. Unsere Gerechtigkeit ist der Glaube, durch den wir dem Evangelium glauben, das auf Christus weist, … Siquidem ea sola fides iustificat, meritorum nostrorum, operum nostrorum nullus plane respectus est, sed solorum meritorum Christi. Weil ja dieser Glaube allein rechtfertigt, werden unsere Verdienste und unsere Werke auf keinen Fall berücksichtigt, sondern allein die Verdienste Christi. Ea fides pacificat cor et exhilarat, ad Rom. V.: „Iustificati per fidem pacem habemus.“ Dieser Glaube schenkt Frieden und Heiterkeit, (so der Brief) an die Römer, Kapitel 5: „Weil wir durch den Glauben gerechtfertigt sind, haben wir Frieden“. Die Loci wurden von Melanchthon mehrfach überarbeitet und ausgeweitet; letzte Fassung 1559 (hier: 1553) |32 Das Melanchthon-Jahr 2010 1.Sopran 1.Sopran Alt S1 Heut singt die liebe Christenheit Heut singt die Heut singt die E E wig kei wig keit Ho heit Licht En gel bist S1 lie lie be Chris ten heit für sei ne als Hel und uns für sei für sei als Hel und uns ne in Angst Not und Ge fahr in Angst Not und Ge fahr sin gen dir All herr scher du hal te uns in dei ner Hut A. uns in Angst Not und Ge fahr sin gen dir All herr scher du hal te uns in dei ner Hut und Dank in En En Gott Lob und Dank in und spie geln sei ner daß du der Herr der Gott Lob und Dank in und spie geln sei ner daß du der Herr der gel scha ren, trau te. sen dest. gel scha ren, fer und Ver die Wäch ter trau te. sen dest. fer und Ver die Wäch ter trau te. sen dest. ne En gel scha uns fer und Ver die Wäch ter als Hel und uns und spie geln sei ner daß du der Herr der be Chris ten heit sin gen dir All herr scher du hal te uns in dei ner Hut S1 Gott Lob uns 2.Sie stehn vor Got tes An ge sicht 3.Wir dan ken dir Herr Je su Christ wig keit 2.Sie stehn vor Got tes An ge sicht 3.Wir dan ken dir Herr Je su Christ Ho heit Licht En gel bist A. E 1.Heut singt die lie be Chris ten heit 2.Sie stehn vor Got tes An ge sicht 3.Wir dan ken dir Herr Je su Christ Ho heit Licht En gel bist S1 ren, die Sie Er die Sie Er die auf vie le Wei sen wun der bar le Wei sen wun der auf vie le Wei sen wun Sie Er ihr hei lig hei lig hei lig zu, und ret te uns, Herr, durch dein Blut auf vie bar ihr hei lig hei lig hei lig zu, und ret te uns, Herr, durch dein Blut der ihr hei lig hei lig hei lig zu, und ret te uns, Herr, durch dein Blut 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag33| S1 be wie es wenn du S1 be wie es wenn du A. be hü hü hü wie es wenn du Je den ten ten Je den ten Je den und sa Streit und sa Streit und sa Streit be ja be be ja be wah schau en wah schau en be wah ja schau be en te, ren. dest. ren. te, dest. ren. te, dest. nach Philipp Melanchthon und einer Melodie aus dem 16. Jh.; Chorsatz von Manfred Muche, Musiklehrer und Kantor an der Melanchthon-Schule, eigens für den Oberstufenchor im Melanchthon-Jahr 2010 bearbeitet. |34 Festredner der Gedenkfeier war Prof. em. Dr. theol. Hans Schneider aus Marburg, der an der dortigen Philipps-Universität das Fach ‚Neuere Kirchengeschichte‘ lehrte und durch umfangreiche Forschungsarbeiten zur Reformationsgeschichte hervorgetreten ist. Umrahmt von Musik aus der Melanchthon-Zeit, die ein Blockflötenquartett spielte, ergriff Professor Schneider das Wort, um über Entwicklungen im Verhältnis von Landgraf Philipp von Hessen und Philipp Melanchthon zu sprechen. (Anm. d. Red.: Der nachfolgend abgedruckte Vortragstext liegt hier in gekürzter Form und ohne Quellen- und Zitatnachweise vor.) „Philippus discipulus Philippi? Landgraf Philipp von Hessen und Philipp Melanchthon“ Joachim Camerarius, der langjährige Freund Melan chthons, schildert in seiner Melan chthon-Biograp hie das erste zufällige Zusammentreffen Philipp Melanchthons mit dem Das Melanchthon-Jahr 2010 hessischen Landgrafen Philipp, das Ende Mai 1524 in der Nähe von Frankfurt stattfand und den Anlass bildete, dass Melanchthon nach seiner Heimkehr einige Fragen des Fürsten in einem Büchlein schriftlich beantwortete und ihm zuschickte, die Epitome renovatae ecclesiasticae doctrinae. Camerarius beschließt die Episode mit der Bemerkung: „Aus diesem Grunde wurde der Fürst später von manchen scherzhaft ein Schüler Philipps (discipulus Philippi) genannt.“ Es handelt sich also um ein zeitgenössisches Bonmot, das, wenn ich recht sehe, auf Luther zurückgeht. In einer seiner Tischgespräche aus dem Jahre 1540 erzählt Luther mit seinem ironischen Humor: „Ich und Philippus [Melanchthon] hatten zwei Schüler; ich den Mainzer [Erzbischof], er Philipp von Hessen. Mein Schüler hat mich enttäuscht, und ich habe gegen ihn geschrieben ...“ Und er fügt hinzu – es ist 1540, das Jahr der Doppelehe des Landgrafen: „Ich fürchte, dass auch Philippus noch gegen seinen Schüler schreiben muss.“ Und Luther schließt mit einem kräftigen Stoßseufzer: „Es fällt doch immer aller Dreck auf uns beide!“ Der Auftakt der Beziehungen zwischen Melanchthon und dem Landgrafen stand unter keinem günstigen Vorzeichen. Als sich die Wege der beiden jungen Männer – Melanchthon 27 Jahre, der Landgraf erst 19 – Ende Mai 1524 auf der Landstraße in der Nähe von Frankfurt zum ersten Mal kreuzten, war das keine geplante, sondern eine zufällige Begegnung. Der Landgraf war zu Pferd mit stattlichem Gefolge auf dem Wege zu einem Fürstentreffen in Heidelberg, Melanchthon, der 1,50m kleine Mann, der am Schreibtisch und Katheder eine bessere Figur machte als im Sattel, war mit einigen Freunden auf der Rückreise von einem Besuch in seiner pfälzischen Heimat nach Wittenberg. Es war, wie die Darstellung des Augenzeugen Camerarius erkennen lässt, für beide Seiten keine befriedigende Begegnung: Der Landgraf galt damals in Wittenberg noch als Erzfeind der Evangelischen, sodass Melanchthon über diese unerwünschte Begegnung so erschrocken schien, dass der Landgraf ihm erst einmal versichern musste, er habe nichts zu befürchten. Melanchthon entgegnete darauf – allen Mut zusammennehmend –, er fürchte sich ja gar nicht, aber beteuerte zugleich, er sei doch eine ganz unwichtige Person. Worauf der Landgraf ihm sogleich mit dem grobem Scherz, er könne ihn verhaften und an den päpstlichen Legaten Campeggio ausliefern, erneut einen Schrecken einjagte. Das war keine „vertrauensbildende Maßnahme“, und was Wunder, dass Melanchthon auf die Fragen des Landgrafen nur kurz antwortete und die Einladung des Landgrafen zu einem längeren Gespräch in seinem Nachtquartier ausschlug und stattdessen eine ausführliche schriftliche Antwort versprach. Er suchte der unheimlichen 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag35| Gegenwart dieses unberechenbaren fürstlichen Teenagers so schnell wie möglich zu entkommen. Mittel- und längerfristig handelte es sich jedoch um eine höchst folgenreiche Begegnung. Negativ wird man sagen können – ohne sich allzu sehr auf das Feld psychologischer Spekulation zu begeben –, dass bei Melanchthon der Eindruck der Unberechenbarkeit, den der jugendliche Fürst bei ihm, dem von Natur aus zaghaften Gelehrten, hinterlassen hat (der ihm ja hilflos ausgeliefert war!), immer latent vorhanden blieb. Noch nach einem Vierteljahr, als sich Melanchthon endlich an die versprochene schriftliche Beantwortung der Fragen setzte, scheinen sich die Gefühle Luft zu machen, die er bei der Begegnung empfunden hatte, wenn er gegenüber Freunden sarkastisch von jenem hessischen „Königlein“ sprach. Die positive Folge der Begegnung bestand vor allem darin, dass sie den Anlass zur Abfassung der Epitome (Anm. d. Red.: Zusammenfassungen) gab und diese dem Landgrafen zugeeignete Schrift den Auftakt für dessen dauerhafte Beziehung zu den Wittenberger Theologen bildete. Melanchthon hat in der Schrift beklagt, dass die Fürsten Mangel an guten Ratschlägen hätten, und sich selbst mit seinem Büchlein dem Landgrafen als Ratgeber angeboten. Und Philipp hat dieses Angebot angenommen. Diese solchermaßen aufgenommene Verbindung erhielt zeitlich parallel ihr politisches Gegenstück in der wachsenden Kooperation des Landgrafen mit Melanchthons Landesherrn, dem sächsischen Kurfürsten, seit dem Frühjahr 1525. (Damit wurde unter dem Vorzeichen der Reformation eine Umorientierung der hessischen Außenpolitik vom albertinischen Herzogtum Sachsen, wo Philipps streng altgläubiger Schwiegervater regierte, hin zum ernestinischen Kurfürstentum eingeleitet.) Somit wurden die Wittenberger theologischen Berater zugleich ein wichtiges Verbindungsglied zwischen der kursächsischen und hessischen Politik. Melanchthons dem Landgrafen übersandte schriftliche Antworten in Buchform bildeten den Auftakt zu einer ausgedehnten Korrespondenz bis zum Tod Melanchthons und auch zu einer Reihe Titelblatt der Erstausgabe der Epitome 1524 sowie einer deutschen Übersetzung persönlicher Begegnungen. Schon ein Blick auf den Briefwechsel gestattet einige aufschlussreiche Beobachtungen. Es handelt sich um insgesamt 112 erhaltene Korrespondenzstücke beider Briefpartner. (Zum Vergleich: Der Briefwechsel des Landgrafen mit Luther umfasst nur 66 Stücke.) Überblickt man den gesamten Zeitraum, so zeigen sich eine unterschiedliche Dichte in der Frequenz des Briefwechsels und verschiedene thematische Schwerpunkte. Die Briefe der ersten Jahre sind geprägt von den Fragen, die sich aus der offiziellen Einführung der Reformation in Hessen durch den Landgrafen nach dem Speyrer Reichstag von 1526 ergaben. Da ging es etwa um die Reform des Pfarrwesens, die Neugestaltung des Gottesdienstes und die Frage, was künftig mit den Klöstern und ihrem Besitz geschehen sollte. |36 Der erste erhaltene Brief des Landgrafen an Melanchthon und Luther lässt bereits erkennen, was zeitlebens seine Haltung zu ihnen kennzeichnete: Er schätzte ihren Rat, den er bei vielen wichtigen Anlässen einholte, aber er übernahm die Wittenberger Ansichten nie unkritisch – selbst wenn sie für ihn vorteilhaft schienen. Er gab sich mit unklaren Auskünften nicht zufrieden, sondern fragte genauer nach; und stets versuchte er, sich selbst ein Urteil zu bilden. In theologischen Fragen wurde er ein gelehriger Schüler. Aber auch hier war und blieb Philipp ein unbequemer Schüler, der den Wittenberger Vorgaben nicht unbesehen folgte. Die doppelte Verbindung des Landgrafen mit der kursächsischen Politik und den Wittenberger Theologen wurde 1527 weiter gefestigt. Philipp hatte den Wittenbergern den Entwurf der Homberger Kirchenordnung zur Begutachtung geschickt, die einen hessischen Sonderweg bei der Durchführung der Reformation vorsah, nämlich die Bildung von evangelischen Freiwilligkeitsgemeinden. Doch nach Luthers ablehnendem Votum wurde diese Ordnung nicht in Kraft gesetzt, sondern der Landgraf schwenkte auf die kursächsische Linie ein und führte die Reformation mit Hilfe von obrigkeitlichen Visitationen durch. Es ist bezeichnend, dass Luther die Anfrage über die Kirchenordnung beantwortete. Auch weiterhin lässt sich eine gewisse Das Melanchthon-Jahr 2010 Arbeitsteilung bei den Wittenberger Reformatoren beobachten, die sich aber auch in der Adressierung der Anfragen des Landgrafen widerspiegelt: Für die theologischen Grundsatzfragen war oft Luther zuständig, während Melanchthon bevorzugt dann konsultiert wurde, wenn es um konkrete Einzelfragen oder Probleme praktischer Gestaltung ging. Besonders für die Neugestaltung des Bildungswesens in Hessen ist die Bedeutung Melanchthons von der Forschung immer wieder betont worden. Sein Grundsatz, dass Glaube und Bildung keine Gegensätze sind, sondern zusammengehören, wurde hier in Hessen umzusetzen versucht. Seine Vorschläge zur Umwandlung der Klöster in Bildungseinrichtungen, das Vorbild seiner Wittenberger Studienreform für die Marburger Universität – sogar sein Einfluss auf die Besetzung der Professuren – und seiner Schulordnung für die hessischen Schulen zeigen das. Als Melanchthon Ende April 1528 in Weimar mit dem Landgrafen zum zweiten Mal persönlich zusammentraf, stand diese Begegnung in einem anderen Kontext als die bisherige Beratertätigkeit bei der kirchlichen Neuordnung des Landes. Hintergrund und Anlass des Treffens waren die Nachrichten über einen angeblich bevorstehenden Angriff katholischer Fürsten gegen die lutherischen Ketzer. Der sächsische Kurfürst hatte zu den Beratungen mit dem Landgrafen in Weimar Luther und Melanchthon mitgebracht. Das war eine neue Dimension der Beziehung zu dem Landgrafen. Die Wittenberger Theologen sahen sich jetzt mit akuten Problemen der Reichspolitik konfrontiert. Hier brachen zum ersten Mal die Grundsatzfragen auf, die die nächsten beiden Jahrzehnte als Dauerthemen begleiten sollten: Inwiefern sind militärische Maßnahmen zur Verteidigung der Religion statthaft? Darf man gegen den Kaiser Widerstand leisten? Mit wem können Koalitionen geschlossen werden? Ist die theologische Übereinstimmung Voraussetzung für ein Bündnis? Hier wurden die Wittenberger auch zum ersten Mal mit dem – für sie geradezu beängstigenden – Aktivismus des Landgrafen konfrontiert, der auf die Vorbereitung militärischer Gegenmaßnahmen und auf einen Präventivschlag drängte. Doch hier erwiesen sie sich als unbequeme Ratgeber. Dem Fürsten, der mit politischen Zweckmäßigkeiten argumentierte, standen die Theologen gegenüber, die nur die Verteidigung, aber keinen Angriffskrieg, auch keinen Präventivschlag gelten lassen wollten. Und es gelang ihnen, wenigstens den sächsischen Kurfürsten mit ihren Argumenten zu überzeugen. In den damaligen Debatten wurden bereits die Weichen gestellt, die später bei der Gründung des Schmalkaldischen Bundes der Protestanten dessen Ziele klar einschränkten. Ein evangelisches Bündnis konnte in Zu- 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag37| kunft nur noch defensiven Charakter tragen. Die angespannte Atmosphäre einer drohenden Kriegsgefahr, die sich unter den Reichständen ausgebreitet hatte, beherrschte auch den Reichstag zu Speyer, der im März 1529 zusammentrat. Hier begegneten sich der Landgraf und Melanchthon, der den sächsischen Kurfürsten begleitete, zum dritten Mal. Da es um politische Fragen ging, hatte der theologische Experte wenig zu tun und blieb vom Geschehen weitgehend ausgeschlossen. Die außenpolitische Konstellation hatte sich zugunsten des Kaisers gewandelt: Sieg über den französischen König und Arrangement mit dem Papst. Die altgläubige Seite trat härter auf und ließ die evangelischen Reichsstände spüren, dass diese in der Minderheit waren. Als Melanchthon von dem Mehrheitsbeschluss des Reichstags erfuhr, der das Wormser Edikt gegen Luther und seine Anhänger erneuerte, war er entsetzt. In Speyer hatte Melanchthon von weitergehenden Plänen des Landgrafen erfahren. Ihm reichte die feierliche Protestation, die von den 19 evangelischen Reichsständen abgegeben worden war, nicht aus. Er wollte mehr als nur ein Papier und suchte angesichts der drohenden Gefahr von Seiten des Kaisers und der katholischen Mehrheit der Fürsten nun auf evangelischer Seite ein Verteidigungsbündnis zwischen Kursachsen, Hessen, den südwestdeutschen Reichsstädten und möglichst unter Einbeziehung der evangelischen Schweizer Orte zustande zu bringen. Dies wirkte auf Melanchthon alarmierend und stieß bei ihm auf harte Ablehnung. Warum? Im Hintergrund stand der Streit um das Abendmahl, der seit einigen Jahren das evangelische Lager spaltete. Nach Auffassung Luthers und Melanchthons vertraten Zwingli und seine Schweizer Anhänger und seine Sympathisanten in Südwestdeutschland eine nicht akzeptable Irrlehre, weil sie die leibliche Gegenwart Christi im Abendmahl leugneten und die Einsetzungsworte nur symbolisch deuteten. Diese theologischen Meinungsverschiedenheiten erschienen ihnen so grundlegend, dass ein politisches Bündnis, mit solchen Irrlehrern, in ihren Augen nicht vertretbar war. Mit Argwohn beobachteten daher die Wittenberger die Kontakte des Landgrafen zu Zwingli und den Straßburgern und setzten alles daran, ihn von der Gefährlichkeit der Irrtümer jener zu überzeugen. Der Landgraf aber wollte Zwingli und Luther an einen Tisch bringen, um die theologischen Probleme zu lösen und damit das Haupthindernis für ein Bündnis aus dem Weg zu räumen. Obwohl Melanchthon wie auch Luther diese Pläne zu sabotieren suchten, setzte sich der Landgraf schließlich mit dem Projekt eines Religionsgesprächs durch. Bei dem Marburger Religionsgespräch im Oktober 1529 ist zu bemerken, wie der Landgraf die Fähigkeiten und Temperamente Luthers und Melanchthons scharfsichtig erkannt hatte. In geschickter Regie ließ er daher die Parteihäupter der verfeindeten Lager, Luther und Zwingli, nicht sofort aufeinanderprallen, sondern arrangierte eine erste Vorgesprächsrunde zwischen Zwingli und Melanchthon, die aufgrund ihrer gemeinsamen humanistischen Wurzeln verbindlicher miteinander reden konnten, und zwischen Luther und dem Basler Reformator Oekolampad, die beide ehemalige Mönche waren. Im Plenum diskutierten dann nur Luther, Zwingli und Oekolampad, während Melanchthon, der sich selbst und alle anderen als Statisten bezeichnete, sich nur einmal zu Wort meldete. Aber trotz aller Bemühung des Landgrafen kam keine Einigung zustande. Sie scheiterte nicht nur an Luthers Hartnäckigkeit, sondern auch an der Verweigerung Melanchthons, der damals noch fest an Luthers Seite stand. Das Wittenberger Misstrauen gegenüber dem landgräflichen Unionspolitiker schien sich für Melanchthon auf dem Reichstag zu Augsburg im folgenden Jahr zu bestätigen. Im Vorfeld des Reichs tages hatte Melanchthon von einem Marburger Theologen erfahren, dass die Schweizer und Straßburger den Landgrafen für ihre Abendmahlslehre zu gewinnen versuchten. Diese Möglichkeit erfüllte Melanchthon mit großer Besorgnis, die noch verstärkt wurde, als der Landgraf Vorbehalte gegen die |38 Formulierung des Abendmahlsartikels in dem von Melanchthon entworfenen Augsburger Bekenntnis andeutete (obwohl er es dann doch unterzeichnete). Zudem befürchtete Melan chthon immer mehr – und nicht ganz zu Unrecht –, dass der Landgraf im Verbund mit den Schweizern und Straßburgern eine kriegerische Auseinandersetzung planen könnte. Das würde zu einer endgültigen Kirchenspaltung führen, die Melanchthon auf jeden Fall verhindern wollte. Diese Befürchtung war ein wichtiger Grund für Melanchthon, mit allen Mitteln den Ausgleich mit der katholischen Seite zu suchen. Das ging dem Landgrafen viel zu weit und machte ihn misstrauisch. Als Philipp dann heimlich bei Nacht und Nebel den Reichstag verließ, sah Melanchthon seinen Verdacht bestätigt und fühlte sich durch die vorher beschwichtigenden Äußerungen des Fürsten getäuscht. Der alte Eindruck der Unberechenbarkeit erhielt neue Nahrung. Der Landgraf wiederum war über Melanchthons konziliante Verhandlungen mit der katholischen Seite verärgert und beschwerte sich bei Luther brieflich heftig über Melanchthons „Kleinmütigkeit“ und Nachgiebigkeit. Seine Gesandten auf dem Reichstag wies er an, das unredliche Spiel, das Melanchthon treibe, zu unterbinden. Die tiefe Entfremdung zwischen Melanchthon und dem Landgrafen nach dem Augsburger Reichstag ist unverkennbar. Das wird beson- Das Melanchthon-Jahr 2010 ders eindrücklich an dem Umstand, dass die Korrespondenz zwischen beiden abbrach. Vier Jahre lang, vom August 1530 bis September 1534 herrschte Schweigen. Die Beziehungen wurden erst 1534 wieder aufgenommen, und zwar durch den Landgrafen. Die Voraussetzung war eine gewandelte politische und theologische Situation. Die Niederlage der evangelischen Eidgenossen im 2. Kappeler Krieg mit dem Tod Zwinglis hatte die südwestdeutschen Städte ihres politischen Rückhalts beraubt; sie mussten jetzt den engeren Anschluss an die lutherischen Reichstände suchen. In Württemberg, das von Landgraf Philipp für Herzog Ulrich zurückerobert und von diesem sogleich der Reformation zugeführt worden war, hatte der Straßburger Theologe Martin Bucer eine Übereinkunft in der Abendmahlslehre ausgehandelt, die Stuttgarter Konkordie, die sogar Luthers Billigung fand. Die Annäherung der Südwestdeutschen an die Lutheraner entsprach bei Melanchthon selbst aber einer theologischen Annäherung an die oberdeutsche Auffassung des Abendmahls und ein erstes vorsichtiges Abrücken von Luther. Auf diesem veränderten Hintergrund ist sein Vorstoß beim Landgrafen zu sehen, als er im Herbst 1534 ein Gespräch und Maßnahmen zu einer Abendmahlskonkordie auf breiter Basis anregte. Das gewünschte Kolloquium kam dann auf Vermittlung des Landgrafen nach Weihnachten 1534 in Kassel zwischen Bucer und Melanchthon zustande und stellte eine wichtige Vorstufe der Wittenberger Konkordie von 1536 dar, bei der in der Tat eine Verständigung erzielt wurde. Diese erfolgreichen Verhandlungen betrachteten beide als einen Höhepunkt ihrer gemeinsamen Kirchenpolitik, die sich nun im Gleichklang befand und an der beide unbedingt gegen alle Widerstände festzuhalten gedachten. Das neu etablierte Zusammenspiel zwischen Melanchthon und dem hessischen Landgrafen kam bei dem wichtigen Ereignis des folgenden Jahres, dem Bundestag des Schmalkaldischen Bundes, zum Tragen. Vor dem Hintergrund der Diskussion um die Haltung der Protestanten zu dem Konzil, das vom Papst nun endlich angekündigt worden war, wurden die Fragen der Lehre erneut virulent. Schon zu Beginn der Tagung hatte Melanchthon den Landgrafen kritisch darauf hingewiesen, dass Luther den Entwurf für ein Bekenntnisdokument ausgearbeitet habe, die später sog. Schmalkaldischen Artikel, die durch ihre wieder unversöhnlich formulierten Aussagen über das Abendmahl den kurz zuvor mühsam erzielten Kompromiss unter den Protestanten und damit das Bündnis zu gefährden drohten. Die Absprachen zwischen Melanchthon und dem Landgrafen haben – vor allem nach der Erkrankung und Abreise Luthers – verhindert, dass dessen harte Schrift damals zum offiziellen Bekenntnisdoku- 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag39| ment erhoben wurde, und die hessischen Theologen haben sie auch später nicht unterzeichnet. Die Jahre 1540–1543 zeigen die dichteste Frequenz im Briefwechsel zwischen Melanchthon und dem Landgrafen. Der Grund ist dessen Ehe-Affäre. Seine Zweitehe mit Margarete von der Saale, die er trotz der Warnungen und Mahnungen der Wittenberger, aber legitimiert durch deren Beichtrat einging, sollte zu einer besonders schweren Belastungsprobe für das persönliche Verhältnis zu Melanchthon werden und zu den politischen Folgen führen, die dieser befürchtete. Aus der Zeit, als aber die Wittenberger noch nicht alle Hoffnung auf eine Sinnesänderung Philipps aufgegeben hatten, stammt das ausführlichste öffentliche Zeugnis Melanchthons über den Landgrafen. Es handelt sich um die Widmung an ihn vom 1. Januar 1540, die Melanchthon seiner Römerbrief-Ausleg ung voranstellte. Melanchthon würdigt ihn hier als Förderer evangelischer Theologie und Verbreiter des Evangeliums; lobt seine Gewissenhaftigkeit im Regieren, seine Großherzigkeit und Tapferkeit – also alle Tugenden, die spätere Geschichtsschreiber in dem Titel „der Großmütige“ zusammengefasst haben. Und der Grund dafür liege in der Frömmigkeit und dem Bekennermut des Landgrafen. Dieses Lob in der Widmung des Buches war wohl ein letzter Versuch, den Landgrafen von sei- nem verhängnisvollen Vorhaben abzubringen. Gewiss war es aufrichtig gemeint, was Melanchthon hier über den hessischen Fürsten sagte, aber es war auch höchst riskant, das in der jetzigen Situation zu schreiben. Wie sich bald zeigen sollte, blieb es ein untauglicher und ganz vergeblicher Versuch, den Landgrafen umzustimmen, und Melanchthon setzte sich mit seinen lobenden Worten dem Gespött der Altgläubigen aus. Luther kommentierte wenige Monate später: „Ich werde keinem mehr ein Buch widmen. Es ist dem Philippus [Melanchthon] bei dem Hessen nicht wohl geraten.“ Und aus jener Zeit stammt auch die eingangs zitierte Tischrede Luthers, in der er die Befürchtung ausspricht, dass Melanchthon nun bald gegen seinen „Schüler“ Philipp von Hessen zur Feder greifen müsse. Durch ein Überrumpelungsmanöver hat der Landgraf Melanchthon dann sogar zum Zeugen seiner Trauung mit Margarete von der Saale in Rotenburg gemacht und ihn damit noch stärker in die Mitverantwortung für das Geschehen eingebunden. Die desaströsen Folgen der Aktion wurden aber erst offenbar, als eintrat, was die Wittenberger um jeden Preis hatten verhindern wollen: Die Zweitehe wurde publik, und die Beteiligung der Theologen ließ sich nicht vertuschen. Diese ganze Entwicklung scheint Melanchthons Urteil über Philipp völlig verändert zu haben. Tief verletzt klagte er in Briefen an vertraute Freunde den Landgrafen an als den einzig Schuldigen an dem Unheil, das nun über die Protestanten hereingebrochen sei. Der Landgraf habe seine Freunde böswillig getäuscht, er sei arglistig und zu allem fähig, von „Venus-Begierde“ verblendet. Melanchthon vergleicht ihn mit Paris, dem griechischen Sagenheld, der durch die Entführung der Helena den Trojanischen Krieg auslöste, oder mit dem als Machtmenschen bekannten griechischen Feldherrn Alkibiádes. Er sei verstockt gegenüber dem Urteil der öffentlichen Meinung, ebenso schlimm wie Heinrich VIII. von England, und ein Heuchler dazu. Während der persönlichen Begegnung mit dem Landgrafen bei den Religionsgesprächen in Worms und Regensburg (Nov. 1540 bis Sommer 1541) hat Melanchthon sein Vertrauen zum Landgrafen nicht wieder gewonnen. Im Gegenteil: Die politische Annäherung Philipps an den Kaiser, die Melanchthon beobachten konnte, war ihm zutiefst suspekt. An einen Freund schrieb Melanchthon, der Landgraf bringe ihn jetzt durch seinen Abfall zum Kaiser noch ins Grab. Die schwere psychische Erkrankung, in die der sensible Melan chthon infolge all der Aufregungen fiel und an der er dem Landgrafen die Schuld gab, ist doch ein starkes Indiz für seine enge persönliche Bindung an den Fürsten. Er hat ihn aber nicht abgeschrieben, sondern unmittelbar nach seiner Krankheit |40 begütigend auf ihn eingewirkt und der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass gerade sein Leid, das er um des Landgrafen willen getragen habe, diesen milder und einsichtiger machen werde. Und auch als diese Hoffnung sich nicht erfüllte, hat er nach einer entschuldigenden Erklärung für Philipps Verhalten gesucht. Dessen Libido und die damit verbundene Skrupellosigkeit führte Melanchthon auf eine erbliche Belastung zurück – bekanntlich war ja der Vater des Landgrafen an der Syphilis gestorben. Auch der Landgraf zeigte sich wiederum von der Erkrankung Melanchthons nicht unbeeindruckt und von der Schuld, die man ihm daran anlastete. In einem Brief an Martin Bucer versuchte er sich zu entlasten, indem er eine andere Schuldzuweisung vornahm. Nicht die Doppelehe an sich habe Melanchthon krank gemacht, sondern die ständige Kritik des sächsischen Hofes daran hätten ihm dermaßen zugesetzt, dass er darüber mutlos und krank geworden sei. Im Mai 1541 kam der Landgraf nach Wittenberg und besuchte auch Melanchthon. Er berichtete darüber an Bucer und stellte – sich selbst beruhigend – fest, es gehe Melanchthon schon wieder „ganz gut“. Gerade diese schwere Krise hat die beiden Männer aber eng verbunden, wie auch der intensive Briefwechsel der nächsten Jahre ausweist. Immer wieder war es gerade Melanchthon, an den sich der Landgraf wandte, wenn die Das Melanchthon-Jahr 2010 öffentliche Diskussion um seine Ehe wieder einmal Wellen schlug, wenn neue Flugschriften gegen ihn erschienen oder als gar zu befürchten stand, dass Luther selbst noch literarisch in den Streit eingreifen könnte. Melanchthons hat trotz seiner Verletzungen die Kraft aufgebracht, auch jetzt noch seelsorgerlich, beruhigend und tröstend auf den Landgrafen einzugehen und zugleich mäßigend auf Luther einzuwirken. Bald zeigten sich aber die politischen Folgewirkungen der Ehegeschichte. Der durch die Bigamie straffällig und damit erpressbar gewordenen Landgraf hatte zur Erlangung der Verzeihung des Kaisers, d.h. des Verzichts auf Strafverfolgung, schwerwiegende vertragliche Zugeständnis machen müssen. Der Schmalkaldische Bund der Protestanten war praktisch lahm gelegt. Im selben Jahr, als die öffentliche Diskussion um Philipps Bigamie verebbte, konnte der Kaiser mit der Eroberung des Herzogtums Geldern, das nach dem Erzstift Köln zweitgrößte Territorium in Nordwestdeutschland, den Nutzen aus dieser Affäre ziehen. Vergeblich appellierte Melanchthon an den Landgrafen um politische Vermittlung. Dem waren durch seinen Vertrag mit dem Kaiser die Hände gebunden. Der Briefwechsel aus jenen Jahren lässt aber auch erkennen, dass Philipp nicht resignierte, sondern nach dem Schaden, den er angerichtet und dem Prestigeverlust, den er sich als politischer Führer des Protestantismus eingehandelt hatte, wieder politisches Terrain zu gewinnen suchte. Nach dem Tod Luthers im Februar 1546 schien Melanchthon sein selbstverständlicher Nachfolger als theologischer Wortführer des Protestantismus zu werden. Die Möglichkeiten, die sich für eine Zusammenarbeit mit dem Landgrafen eröffnet hätten, konnten aber nicht mehr erprobt werden, da der Schmalkaldische Krieg und die Niederlage der Protestanten die Situation grundlegend änderte und die Gefangenschaft des Landgrafen diesen als politischen Führer ausschaltete. Als er nach der demütigenden Kapitulation vom Kaiser in Haft genommen wurde, schrieb ihm Melanchthon einen Trostbrief. Ein Gebet um seine Befreiung und Wiedereinsetzung sind die letzten Worte, bevor der Briefwechsel zunächst für sieben Jahre unterbrochen wurde. Erst nachdem der Landgraf im Herbst 1552 nach Hessen hatte zurückkehren können, wurde der Kontakt wieder aufgenommen. Beide Männer waren freilich andere geworden. Philipp, von der Gefangenschaft gezeichnet, war nicht mehr der feurige Kopf, sondern ruhiger und besonnener geworden, nicht mehr der rastlose Dränger und unentwegte Pläneschmied und politische Vordenker, sondern ein Fürst, der sich in den Fragen der großen Politik auffällig zurückhielt. Auf protestantischer Seite war das Ge- 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag41| setz des Handelns an die jüngere Generation übergegangen. Wie auf der politischen Bühne machte sich auch in der deutschen Theologie ein Generationenwechsel bemerkbar und zugleich eine Zerklüftung der theologischen Szene. Was die Autorität Luthers zusammengehalten hatte, war – nicht zuletzt durch die politischen Ereignisse und ihre Folgen – in sich befehdende Parteiungen auseinander gebrochen. Melanchthons Kompromissbereitschaft hatte ihn schon bald zu einer heftig umstrittenen Gestalt innerhalb des Luthertums gemacht. Er war nicht mehr theologischer Wortführer des Protestantismus, sondern zunehmend nur noch Parteihaupt einer Fraktion. So teilten beide, der Landgraf und der Wittenberger Professor, je auf ihre Weise ein vergleichbares Geschick. Sie waren Repräsentanten einer Generation, die abgelöst wurde, ja, einer zu Ende gehenden Ära. Im März 1553 knüpfte Landgraf Philipp an die alte Verbindung zu Melanchthon wieder an. Der Kontakt war wieder hergestellt, und in den Jahren bis zu Melanchthons Tod 1560 entfaltete sich ein reger Briefwechsel. Die Zahl der in diesen sieben Jahren gewechselten Briefe macht mehr als ein Viertel der gesamten Korrespondenz zwischen dem Landgrafen und Melanchthon aus. Melanchthons Einfluss in Hessen schien so stark wie noch nie. Er wurde in kirchenrechtlichen Angelegenheiten mehrfach um Rat angesucht. Bei den hessischen Pfarrei-Visitationen wurde außer seiner Augsburgischen Konfession sein dogmatisches Lehrbuch, die Loci, zugrunde gelegt. In Universitätsangelegenheiten wurde Melanchthon ebenso konsultiert wie beim Auftreten verdächtiger Sektierer. Vor allem aber beschäftigen sich die Briefe der letzten Jahre mit der kirchenpolitischen Situation in und außerhalb Deutschlands. Die Lage der bedrängten Evangelischen in Italien, Spanien, Frankreich und den Niederlanden kommt zur Sprache und diplomatische Interventionen, etwa zugunsten der Hugenotten, werden erörtert. Vor allem aber steht die Lage der evangelischen Kirchen in Deutschland im Mittelpunkt der Briefe. Der Unionspolitiker Philipp und der stets auf versöhnlichen Ausgleich bedachte Theologe Melanchthon fanden in diesen letzten Jahren vor dem Hintergrund der neuen theologischen und kirchenpolitischen Konstellationen noch einmal zusammen. Manchmal kommen in Melanchthons Briefen geradezu nostalgische Reminiszenzen auf, Erinnerungen an vertane Möglichkeiten wie das Marburger Religionsgespräch. Ihnen gegenüber erscheint die Gegenwart oft in düsteren, ja geradezu apokalyptischen Farben. Am 19. April 1560, heute vor 450 Jahren, starb Melanchthon in Wittenberg. In einem Kondolenzschreiben an Kurfürst August in Dresden würdigte der Landgraf die Bedeutung Melanchthons für die evangelischen Kirchen. Mehr noch spricht sich die hohe Wertschätzung darin aus, dass er im folgenden Jahr anordnete, dass die Sammlung der Lehrschriften Melanchthons, das sog. Corpus Philippicum, von allen hessischen Pfarrern gekauft werden solle. Wir stehen am Ende und blicken zurück auf dreieinhalb Jahrzehnte einer wechselvollen Beziehung von jener ersten Begegnung der jungen Männer im Frühjahr 1524 bis zu den letzten Briefen des Jahres 1559. Es zeigen sich in der Rückschau fünf Phasen. Die erste ist gekennzeichnet von der reformatorischen Aufbruchstimmung: der junge begeisterungsfähige Fürst, der sich auf seinem Weg in die Politik der Reformation angeschlossen hatte und sich mit großem Lerneifer die evangelischen Überzeugungen zu eigen macht. Melanchthon, der nach anfänglichem Misstrauen sich dem Fürst als Berater anbietet, ihn bei der kirchlichen Neuordnung unterstützt und unversehens in die große Reichspolitik hineingezogen wird. Die 2. Phase führt nach dem erwachten Argwohn über die Bündnispläne des Landgrafen schließlich durch die Erfahrungen auf dem Augsburger Reichstag zum faktischen Abbruch der Beziehung. 3. Sie wird erst in einer gewandelten politischen Situation und nach Melanchthons theologischen Wandlungen wieder belebt, führt nun zu einem Gleichklang der Zie- |42 le von theologischer Konkordie und politischem Unionsbündnis. Die 4. Periode der Beziehung beginnt mit der schweren Belastung durch die landgräfliche Eheaffäre; aus der Krise geht aber eine gefestigte Verbindung hervor, die 5. zum Tragen kommt in den 50er Jahren, in denen Landgraf Philipp und Philipp Melanchthon als Repräsentanten einer zu Ende gehenden Ära noch einmal zu einer engen Kooperation finden. Gewiss, es waren zwei völlig unterschiedliche Charaktere und Temperamente, die hier zusammentrafen. Aber macht allein die Gleichgestimmtheit der Charaktere und Temperamente die Qualität und Intensität der Beziehungen aus und ist nur sie die Voraussetzung für Kooperation? Das Verhältnis des Landgrafen zu Melanchthon war sicher ein anderes als das zu einem anderen theologischen Berater, zu Das Melanchthon-Jahr 2010 Martin Bucer. Die kritische Freiheit, die sich der Elsässer im Umgang mit dem Fürsten herausnahm, hat Melanchthon nie gewagt. Auch den Enthusiasmus und Aktivismus des Landgrafen hat er nie geteilt, und dem Landgrafen waren sein Zaudern und seine Zurückhaltung manchmal höchst ärgerlich. Aber gerade in ihrer Gegensätzlichkeit haben sie wenigstens zeitweise zu einer verständnisvollen Kooperation gefunden. Ein halbes Jahr nach Melan chthons Tod, im September 1560, erinnerte der Marburger Theologe Andreas Hyperius in einem Brief noch einmal an die Bedeutung Melanchthons als Ratgeber des Landgrafen und sprach die Hoffnung aus, dass Philipp einen neuen Berater finden werde, den er künftig in schwierigen Fragen konsultieren könne, „so wie er sich zuvor in vielen verschiedenen Angelegenheiten, die anfielen, an Melanchthon zu wenden pflegte“. Der neue Ratgeber sollte nach dem Wunsch des Hyperius der Adressat des Briefes sein – Heinrich Bullinger, Zwinglis Nachfolger in Zürich – und diese Hoffnung wirft ein Licht auf die hessische Theologie und Kirche um 1560 und lässt bereits die Entwicklungen und auch die Konflikte ahnen, die in den nächsten Jahrzehnten bevorstanden, in der Ära nach Landgraf Philipp und nach Melanchthon. Prof. em. Dr. theol. Hans Schneider, Marburg 19. April – Gedenken an Melanchthons Todestag43| Über Melanchthon als Namenspatron: Sichtweisen der Klasse 7a, im Schulj. 2009/10 Ich finde es toll, dass er seinen Mitmenschen zeigen wollte, wie wichtig es ist zu lernen, und dass er trotz seiner schmächtigen Gestalt für das gekämpft hat, an das er glaubte; auch dass er Martin Luther so tatkräftig unterstützt hat, z.B. bei der Übersetzung der Bibel. Ohne ihn hätten viele Menschen erst sehr viel später erfahren, was in der Bibel steht. Ich finde an ihm interessant, wie er gelebt hat, unter welchen schlimmen Umständen er aufgewachsen ist und wie begabt er später in vielen Fächern war; auch, dass er Luther geholfen hat, die Bibel zu übersetzen, und mit ihm die Kirche reformiert hat; dass er viele Schüler bei sich hat wohnen lassen und alles teilte; außerdem, dass er der „Lehrer Deutschlands“ war und viele Studenten von weit her zu ihm kamen, um ihn reden zu hören. Ich finde gut, dass er ein christlicher, freundlicher und ruhiger Mensch war, der es vermied, sich zu streiten; auch dass er seinen Namen ins Griechische übersetzen ließ. Ich finde an Melanchthon interessant, dass er schon so früh auf die Universität gegangen ist und so intensiv die alten Sprachen Latein und Griechisch gelernt hat. Auch gefällt mir, dass er bereit war, Kinder zu unterrichten und dass er sie diese alten Sprachen gelehrt hat. Schön finde ich, dass Melanchthon viele Schulen gegründet hat, bzw. dass viele Schulen seinen Namen auf sich bezogen haben – wie unsere Schule. In Melanchthon steckten zwei Personen: Die erste Person ist seine äußerliche Erscheinung, – er war ein sehr kleiner Mensch. Doch die zweite Person, sein Wissen, war dafür umso größer. Das fasziniert mich an Melanchthon. Ich finde es erstaunlich, dass er stundenlang an seinen Studien sitzen konnte und sich kaum Zeit für andere Freiheiten nahm. Er muss sehr ehrgeizig gewesen sein. Mir gefällt an ihm, dass er klug war und dass er Lehrbücher geschrieben hat; auch, dass er Latein perfekt beherrschte, weil ich das auch gern mache. Ich finde es gut, dass er sich gegen die Ablassbriefe sowie alles, was nicht biblisch begründet war, gewehrt hat. Sein Sprachtalent finde ich auch nicht so schlecht. Melanchthon wollte seine Schüler über den Glauben aufklären. Und das haben wir ja auch hier in der Melanchthon-Schule: den Religionsunterricht und jede Woche eine Andacht oder einen Gottesdienst. Melanchthon hat sich für seine Schüler eingesetzt; das macht unsere Schule auch. Melanchthon hat immer auf gute Bildung geachtet. Das ist uns auch heute noch wichtig. Man kann bei uns z.B. die alten Sprachen Latein und Griechisch lernen, die Melanchthon ja perfekt beherrschte. Ja, vieles erinnert in unserer Schule an Melanchthon: Man denke an das Melanchthon-M als Schul-Logo, auch an das Denkmal vor dem Hauptgebäude und die vielen Bilder von ihm in den Gebäuden. |44 Das Melanchthon-Jahr 2010 1. November – Ausklang zum Reformationsfest Da das Reformationsfest am 31. Oktober 2010 auf einen Sonntag fiel, wurde es mit der Steinataler Schulgemeinde als Ausklang des Melanchthon-Jahres am Tag darauf (Mo., 01.11.2010) gefeiert. In einem festlichen Gottesdienst, der nochmals dem Gedenken Melanchthons gewidmet war, predigte Bischof Prof. Dr. Martin Hein über 1. Korinther 12, 4-6. Er hob die bleibende Bedeutung des Namenspatrons der Schule hervor und warb dafür, Melanchthon aus dem Schatten Luthers heraustreten zu lassen. Der Gottesdienst war von Schulpfarrerin Britta Holk-Gerstung vorbereitet worden. Zwei Schülerinnen und ein Schüler übernahmen die Lesung des Evangeliums – Römer 3, 21-28 – in griechischer, lateinischer und deutscher Sprache. Zahlreiche andere Jugendliche beteiligten sich mit Musik- und Wortbeiträgen an der Gestaltung der feierlichen Stunde. So erklang z.B. die Motette „Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gern, …“ von Heinrich Schütz (1585-1672), gesungen vom Oberstufenchor. Der Posaunenchor spielte Bläsermusik aus der Melanchthon-Zeit und begleitete die Gemeindechoräle, u.a. das Reformationslied „Ein feste Burg ist unser Gott, …“ (EG 362). Außerdem kamen – als Auszüge aus einer im Religionsunterricht gemeinsam verfassten Broschüre – einzelne Briefe von Schülerinnen und Schülern der Jahrgangs stufe 11 zu Gehör, die sie als kreative Schreibarbeiten entweder direkt an Melanchthon gerichtet bzw. in der Rolle seiner Zeitgenossen geschrieben hatten, um sich der Bedeutung des Reformators bewusst zu werden. Im weiteren Verlauf des Vormittags hielt dann Prof. em. Dr. Martin Greschat aus Münster einen Vortrag über „Philipp Melanchthon – Humanist, Pädagoge und Theologe“ vor der gesamten Jahrgangsstufe 12. Daran anschließend traf sich Bischof Hein zu Gesprä- chen mit Schülerinnen und Schülern eines Religionskurses im Jahrgang 11, um mit ihnen über ‚Gott und die Welt‘ zu sprechen. Impressionen aus dem Schulgottesdienst „Lieber Herr Melanchthon …“ – Briefe aus der Klasse 10c Steinatal, im Juli 2010 Lieber Herr Melanchthon, was ich Ihnen schon immer einmal sagen wollte: Sie sind der Namenspatron unserer Schule und ich finde, darauf können wir sehr stolz sein, denn Sie haben großartige Dinge vollbracht. Es ist bewundernswert, dass ein einfacher Mann wie Sie mit seiner Begabung und Überzeugung so weit gekommen ist und so vieles bewirkt hat. Sie hatten Ihre Meinung, von der Sie sich nicht abbringen ließen, und haben für Ihre Ansichten gekämpft. Solch ein Durchhaltevermögen finde ich sehr beachtlich! All dies haben Sie trotz Ihrer schweren Kindheit und Ihres anstrengenden Lebens erreicht. Sie haben immer wieder großen Mut bewiesen und dadurch konnten Sie Ihre Überzeugungen durchsetzen und haben die Geschichte verändert. Hochachtungsvoll Hannah Müller-Wolff 1. November – Ausklang zum Reformationsfest45| Anmerkung der Redaktion: Alle Schülertexte stammen aus der im Eigendruck erstellten Broschüre „Briefe der Klasse 10c zum 450.Todesjahr Philipp Melanchthons“, hg. v. OStR’ i.K. Lotte Kraushaar (AF-Leiterin und Religionslehrerin an der MSS), Steinatal 2010. – Die jugendlichen Verfasser schreiben dazu: „In diesem Heft wird Philipp Melanchthons Biographie in Briefform dargestellt. Die Idee dahinter ist, dass das Leben Melanchthons von Menschen erzählt wird, die ihm entweder nahe standen oder viel Zeit mit ihm verbracht haben. So werden seine Taten und Werke aus verschiedenen Perspektiven beschrieben.“ – Mitgewirkt haben: Leonie Brandner, Tobias Bräutigam, Patrick Ellenberger, Johanna Gerstung, Moritz M. Gietz, Carla K. Giesinger, Tobias Gottlieb-Stroh, Carolin Hermann,Torsten Hopf, Hendrik Kalbfleisch, Pascal Lindner,Tim Lückert, Rebecca Müller, Hannah M. MüllerWolff, Michelle Neumann, Christian Peter, Sophie Riebeling, Anne Schlitt, Maximilian Schmerer, Jeanette M. H. Schrewe, Dana E. Schweika, Julia Textor, Judith Wachter, Alexandra Werner, Lisa M. Weyers. Steinatal, im Juli 2010 Lieber Herr Melanchthon, was ich Ihnen schon immer sagen wollte ist, dass ich es bemerkenswert finde, wie Sie Ihre Kindheit verbracht haben. Der frühe Tod Ihres Großvaters und Vaters war sicher ein einschneidendes Erlebnis. Trotz dieser schwierigen Zeit haben Sie schon früh viele Sprachen fließend beherrscht. Ich habe durch die Arbeit an diesem Heft noch mehr über Sie erfahren als ich ohnehin schon durch Projekte an unserer Schule wusste. Ich finde dies sehr wichtig, da ich eine Schule besuche, die Ihren Namen trägt. Es ist eigentlich schade, dass wir erst jetzt begreifen, wofür der Name Melanchthon steht. Julia Textor Steinatal, im Juli 2010 Lieber Herr Melanchthon, was ich Ihnen schon immer einmal sagen wollte ist, dass ich Ihre Begabung für die Sprachen sehr bewundere. … Außerdem bewundere ich Sie für Ihre innere und geistige Kraft. Ich glaube, wenn mein Großvater – und kurze Zeit später auch noch mein Vater – sterben würde, hätte ich nicht so viel Kraft gehabt, mein Leben so wie sie selbst in die Hand zu nehmen. Johanna Gerstung Fiktiver Brief Martin Luthers an Johann Heß (Anm. d. Red.: 1490-1547, Reformator in Breslau) Wittenberg, im Jahre 1519 Lieber Johann, an unserer Universität gibt es einen neuen Hoffnungsträger, Philipp Melanchthon. Ich weiß nicht, ob du schon von ihm gehört hast. Aber er ist ein großartiger Sprachenkenner und ich möchte meine Beziehung zu ihm weiterhin vertiefen. Er ist mir bei seinen Vorlesungen über die griechische Sprache aufgefallen. Ich bin sehr begeistert von Philipp Melanchthon. Vor allen Dingen hat mich seine Antrittsrede fasziniert. Seine Auffassung über das Erlernen der alten Sprache stimmt mit meiner überein. Er sagte: „Es gilt, fremde alte Sprache zu erlernen, auf dass wir nicht wie ‚stumme Masken‘ mit den Theologen verhandeln.“ Und so sagte er auch, dass „niemand sich in der Gottesgelehrtheit wird auszeichnen können, der sich vorher nicht eine gründliche, allgemeine Bildung angeeignet hat.“ Dieser humanistische Gedanke hat mir gezeigt, dass Melanchthon meiner Meinung ist. Ich habe mich schon mit anderen Kollegen unterhalten, |46 Das Melanchthon-Jahr 2010 Fiktiver Brief Thomas Müntzers an Philipp Melanchthon und diese fanden – genauso wie ich –, dass die Antrittsrede unter uns wirklich Achtung und Sympathie ausgelöst hat. Trotz anderer Differenzen hat sich eine große Freundschaft entwickelt. Schon bald fing ich damit an, ihn unter meine Fittiche zu nehmen. Ich habe einen weitreichenden Plan. Meine frühere Reise nach Rom ließ mich erkennen, dass es nicht angehen kann, dass die katholische Kirche weiterhin Ablassbriefe an die des Lesens unkundigen Bürger verkauft, da diese wenig über die Bibel wissen und die Kirche dies ausnutzt. Es wird Zeit für eine Reformation! Die Bibel muss für jeden Menschen verständlich und zugänglich sein. Ich möchte, dass jeder Mensch dazu in der Lage ist, die Texte, auf die unser Glauben aufbaut, selbst zu interpretieren und sie zu leben. Es soll nicht länger die Kirche als Übermittlerin der Heiligen Schrift dienen, und jeder Mensch verdient das Recht auf Bildung. Es muss mit den Schulen beginnen: Lesen soll nicht mehr als kostbare Fähigkeit, sondern als selbstverständlich gelten. Mein erster Schritt in diese Richtung soll sein, dass ich mit Melanchthon die Bibel aus dem Hebräischen und dem Griechischen ins Deutsche übersetze. Mit seiner grammatischen Raffinesse und Sprachkenntnis wird es uns gelingen. Ich konnte ihn von meinen reformatorischen Gedanken überzeugen, – nun steht er mir bei meiner Aufgabe bei. Melanchthon hat meinen Vorlesungen zugehört und ein ordentliches Theologiestudium bei mir begonnen. Ich hoffe, dass er unserer Sache treu bleibt: Es wird ein mühseliger Weg sein, auf den wir uns begeben. Bei vielen Reformationsgegnern erwarte ich großen Widerstand, und für notwendige Auseinandersetzungen kann ich einen Argumentationspartner gut gebrauchen. Ja, Melanchthon scheint mir der perfekte Wegbegleiter mit seinem scharfen Intellekt zu sein. Ich hoffe, auch du, mein werter Kollege, wirst den Mut haben, deine Meinung über die momentane Kirche frei zu äußern und dich meiner Sache anschließen. Gott ist mit dir! Sei gesegnet, mein werter Kollege Johann. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen. Pascal Lindner, Patrick Ellenberger und Moritz Gietz, Klasse 10c, im Schulj. 2009/10 Allstedt, im Jahre 1522 Melanchthon, ich habe deinen Brief erhalten und mir deine kritischen Worte reichlich zu Gemüte geführt. Es ist richtig, dass ich mit deinem teuren Freund Martin Luther schon oft aneinander geraten bin. Du sagst, ich solle mich zähmen und zur Vernunft kommen. Doch vielleicht solltest du lieber das in Frage stellen, was dein liebster „wittenbergischer Papst“ dir über den Glauben klönt. Im Übrigen ist er auch nicht gezähmter als ich! Ich will nicht verhehlen, dass unsere Ansichten und Meinungen über die Reformation sich in einigen Punkten widersprechen. Und hier verstehe ich einfach nicht, wer dir diese Scheuklappen angebracht hat! Sicher dein Freund Luther, unser Doktor Lügner. Doch wie du bereits in deinem Brief an mich geschrieben hast: Einige Auffassungen teilen wir zumindest im Ursprung miteinander. Auch du hast dich, wie mir zu Ohren gekommen ist, bereits gegen die Lügen unserer kirchlichen Obrigkeit gewehrt. Denn besonders gegen den Papst und den Ablasshandel müssen wir angehen. Es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, dass sich ein jeder einfach von seiner Schuld frei kaufen kann. Als ob man sich die Vergebung der Sünden erkaufen könn- 1. November – Ausklang zum Reformationsfest47| te! Das, was unser Papst tut, kann man als nichts anderes als Handel bezeichnen. Denn wofür wird das Geld wirklich genutzt? Für die Vergoldung von Gotteshäusern, vor allem den Bau seines Gotteshauses in Rom. Melanchthon: Ist das Gerechtigkeit? Nein, es kann nicht richtig sein, das arme Volk um seinen letzten Groschen zu bringen. Menschen verhungern, während die Diener der Kirche mit ihren feisten Pausbacken ihr Leben zubringen in Fressen und Saufen! So ist es auch in deinem Interesse, dem Volk endlich die Augen zu öffnen. Die Übersetzung der Bibel, die du mit Luther zusammen unternimmst, ist deshalb eine Arbeit von großer Bedeutung. Das Volk muss verstehen, was im Gottesdienst geredet wird. Ein einfacher Bauer hat keine Möglichkeit zu erkennen, dass das lateinische Gefasel der Mönche (die Mäuler haben, dass man wohl ein Pfund Fleisch abschneiden könnte und doch Mauls genug be- hielt) reiner Unsinn ist. Ist es da ein Wunder, dass die Bauern beginnen, sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen? Ich verstehe sie und werde sie motivieren und ihnen helfen. Denn für mich ist der Glaube nichts, was an einem Buch hängt. Der Glaube ist in jedermann. Ein kleines Senfkorn, was ein jeder bloß in sich finden muss. Den Glauben kann man nicht durch den Buchstaben einfangen: Gottes Geist muss unmittelbar zum Menschen reden und ihn von innen erleuchten! Du wirst mir widersprechen, das ist mir gewiss, doch denke einmal an die Zeit, als Jesus auf Erden war. Ich muss dir wohl kaum in Erinnerung rufen, dass Jesus selbst die Schriftgelehrten bekämpft hat, die Gottes Liebe bloß im äußeren Wort gesucht haben. All die Pfaffen und Affen sind diesen nur gleichzusetzen! Ohne Zweifel ist es deshalb wichtig, den Gottesdienst auch für das einfache Volk eingängig zu gestalten. Melan chthon, um nichts anderes bin ich seit Jahren bemüht. Was wir brauchen, ist eine andere Art des Glaubens: die neue apostolische Kirche. Gottesdienste müssen lebendiger werden! Wir sollen singen und beten und zwar in Worten, die jeder versteht. Die Sakramente sollten abgeschafft werden. Denn wozu soll es gut sein, ein Kind beinahe im Wasser zu ertränken, wenn es doch der Geist ist, der einen Menschen erfüllen muss, damit er glauben kann?! So müssen wir kämpfen! Du hast damit Recht, dass ich mich als von Gott auserwählt erkenne. Ich bin dazu bestimmt, dass sich das irdische Leben schwinge in den Himmel. Und ich empfinde keine Scham hierfür. Melanchthon, ich appelliere an dich und deine Vernunft! Willst du eines Tages sein wie diese Pfaffen? Du bist ein gläubiger Mann und zusammen können wir es schaffen, eine neue Glaubensgemeinschaft aufzustellen. Wir haben die Macht, dem Volke endlich die Augen zu öffnen. Distanziere dich von bloßen Worten und finde Gott in dir! Ja, Melanchthon, du liegst völlig richtig, dass ich mit allen Waffen, auch mit Gewalt, für eine himmlische Welt ohne die Lügen unserer heuchlerischen Obrigkeit kämpfen werde, – mit dem Volk an meiner Seite! Ich werde, wenn es sein muss, auch mit einer scharfen Sichel Weizen von Unkraut trennen! Ich hoffe zutiefst, dich von meiner neuen Weltordnung überzeugt zu haben. Mit Freude würde ich dich an meiner Seite begrüßen. In segensreicher Erwartung Thomas Müntzer Carla Gisinger und Alexandra Werner, Klasse 10c, im Schuljahr 2009/10 |48 Predigt über 1. Korinther 12, 4-6 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Im 1. Korintherbrief schreibt der Apostel Paulus: „Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter, aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ (1. Korinther 12,4-6) Vor 450 Jahren, liebe Schulgemeinde, am 19. April 1560, ist Philipp Melanchthon gestorben. Das ist lange her. Aber die Erinnerung an diesen Mann ist so wichtig, dass Eure Schule seit ihrer Gründung im Jahr 1948 seinen Namen trägt. Und nicht nur hier im Steinatal erinnern wir uns an Philipp Melanchthon, sondern die Evangelische Kirche in Deutschland feiert 2010 an vielen, vielen Orten ein „Melanchthon-Jahr“. Würdet Ihr eine Umfrage in Ziegenhain, Neukirchen oder Treysa machen, wer Philipp Melanchthon ist, gäbe es als Reaktion wahrscheinlich ziemlich viel Kopf- Das Melanchthon-Jahr 2010 schütteln. Die meisten kennen nur Martin Luther, an den wir gestern am Reformationstag gedacht haben. Alles Licht fällt immer auf Luther. Er scheint es geradezu anzuziehen. Aber hinter Luthers breitem Rücken stehen manche im Schatten, die viele Jahre lang seine Mitstreiter waren und ohne die er nicht zu denken ist. Gewiss: Luther hat die Reformation der Kirche angestoßen. Aber dass daraus eine evangelische Kirche geworden ist – dazu haben die genauso beigetragen, die sich zusammen mit Luther ans Werk der Erneuerung machten: mit ihren eigenen Begabungen, Fähigkeiten und Einsichten. Es lohnt sich also, sie aus dem Schatten heraustreten zu lassen. Und der Wichtigste von ihnen allen ist Philipp Melanchthon. Er war so ganz anders als Luther! Zwei Welten trafen aufeinander, als Melanchthon, das akademische Wunderkind, mit gerade einundzwanzig Jahren in Wittenberg Professor für griechische Literatur wurde. Luther war Mönch gewesen und geprägt von der Frömmigkeit und Strenge eines Mönchslebens; Melanchthon verkörperte dagegen in genialer Weise den Geist und die Bildung des Humanismus. Was sollten sich die beiden zu sagen haben – der Mönchspriester und der kirchliche „Laie“, der zeitlebens nie zum Pfarrer ordiniert wurde? Aber aus ihrer Begegnung erwuchs eine tiefe, über Jahrzehnte andauernde Freundschaft. Die war zwar manchen Proben ausgesetzt und hielt trotzdem. Noch in seinem Testament drückte Melanchthon aus, was er Luther verdankte: „Ich habe von ihm das Evangelium gelernt“, schrieb er. Das klingt einfach und schlicht. Aber für Melanchthons Lebensgeschichte war das umwälzend. Das Evangelium, die frohmachende Botschaft von Gottes unbedingter Gnade gelernt zu haben – diese Erfahrung ließ den jungen Professor nicht mehr los. Seine ganze Gelehrsamkeit suchte er seither in den Dienst an der Lehre des Evangeliums zu stellen. Das hat der Reformation nicht geschadet, im Gegenteil! Sie gewann durch Melanchthon die Klarheit und Ordnung ihrer Gedanken. Luther hatte es nie darauf angelegt, seine Erkenntnisse zu einem geschlossenen System zusammenzufügen. Bei allem eigenen Scharfsinn blieb er viel eher ein Prophet. Er sagte das, was er zu sagen hatte, unmittelbar aus der Situation heraus. Melanchthon brachte demgegenüber die Strenge des Denkens ein, und mit der Strenge des Denkens die Möglichkeit, sich auseinanderzusetzen und sich zu verständigen. Es kam also nicht von ungefähr, dass er als erster ein Lehrbuch schrieb, das den evangelischen Glauben entfaltete. Und genauso wenig verwunderlich ist es, dass aus seiner Feder die Schrift stammt, die zum Grundbekenntnis der lutherischen Kirchen wurde: Es war das „Augsburger Bekenntnis“, das im Jahr 1530 vor Kaiser und Reich die evangelischen Einsichten 1. November – Ausklang zum Reformationsfest49| verständlich darlegen und dadurch die Gegenseite überzeugen wollte. Klassisch geworden ist zum Beispiel Melanchthons Feststellung, die Kirche sei überall dort, wo das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente dem Evangelium entsprechend gereicht werden. Mehr ist an Gemeinsamkeit nicht nötig. Alles andere, was damals trennen mochte und was uns immer noch von anderen Kirchen trennt, hat keine entscheidende Bedeutung. Die Kirchen dürfen in ihrer Gestalt und Ordnung unterschiedlich sein! Im heftigen Streit der damaligen Zeit war das ein großes Angebot zur Einheit des Glaubens. Nur wurde das nicht erkannt. Die Neigung zur Trennung war stärker. Erst heute, nach vielen Jahrhunderten, sind wir soweit zu entdecken, dass uns Melanchthon hier den Schlüssel zu einem offenen, vorurteilsfreien Umgang mit anderen christlichen Kirchen gegeben hat. Er verkörperte schon damals eine wahrhaft ökumenische Gesinnung. Melanchthon zog die Ordnung dem Chaos vor, und das rechte Maß liebte er mehr als Zügellosigkeit. Er war nicht nur Lehrer, sondern auch Gestalter seiner Kirche. Dabei suchte er eher zu bewahren als umzustürzen. Ohne seinen Einfluss sähe die evangelische Kirche womöglich anders aus. Martin Luther konnte sich bisweilen über die leise, abwägende und vermittelnde Art seines Freundes belustigen. Melanchthon trat nie so breitbeinig wie Luther auf, und er bot auch den höchsten Autoritäten nicht so wortgewaltig Paroli. Er war eher ein Leisetreter. Aber Luther wusste sehr wohl, was er an ihm hatte. Und Melanchthon, der stets auf Ausgleich bedacht war, hat der evangelischen Reform der Kirche letztlich ihre bleibende Gestalt gegeben. Das haben später nicht alle in gleicher Weise gewürdigt. Melanchthons Name ist über dem von Martin Luther in den Hintergrund gerückt. Im 19. Jahrhundert wurde eine Fülle von „Lutherkirchen“ errichtet, eine davon auch in Kassel. Aber immerhin gibt es in Deutschland wenn schon keine „Melanchthon-Kirchen“, so doch einige „Melanchthon-Schulen“. Eure gehört dazu! Und das ist sachgemäß, weil Melanchthon für das Schulund Bildungswesen in Deutschland Bahnbrechendes leistete. Man hat ihn deshalb den „Praeceptor Germaniae“, den „Lehrer Deutschlands“, genannt. Unsere evangelische Kirche, liebe Schulgemeinde, hat beide gebraucht: Luther und Melanchthon. Wir verdanken unsere Kirche nicht nur den ungebundenen und einsamen Propheten, sondern ebenso denen, die lehrend vermitteln und gestaltend ordnen. Es gibt da keine Rangfolge! Deshalb liegt Melanchthon auch unmittelbar neben Luther in der Wittenberger Schlosskirche bestattet. Damit hängt eine wichtige andere Einsicht zusammen: Nicht alles ist in der Kirche in einer einzigen Person vereint! Schon der Apostel Paulus wusste das und wurde nicht müde, die Verschiedenheit und die Besonderheit der Aufgaben in der Kirche hervorzuheben. Es ist seltsam, dass ausgerechnet wir Evangelischen oft dazu neigen, den Blick allein auf Martin Luther zu verengen und jene zu übersehen, die auf ihre Weise dazu beigetragen haben, das Evangelium wiederzuentdecken und ihm Gehör zu verschaffen. Wir haben alle unterschiedliche Gaben, und erst durch ihr Zusammenspiel entsteht, was die Kirche weiterbringt. Weil das so ist, soll am Schluss noch einmal Philipp Melanchthon selbst zu Wort kommen – Lehrer und zugleich Bekenner des Evangeliums: „Summa summarum: Der Mensch hat alle Dinge und vermag alle Dinge, der den Herrn Christus hat. Da sind Gerechtigkeit, Friede, Leben und Seligkeit. In dieser Weise siehst du die göttlichen Verheißungen aneinander hangen. Denn alle Verheißungen Gottes sind nichts anderes als Anzeige und Zeugnis des guten und gnä- |50 digen Willens Gottes gegen uns [...] Denn Gott befleißigt sich, uns durch die Geschichten der ganzen heiligen Schrift zu lehren und zu gewöhnen, dass wir unsere Zuversicht und unser Vertrauen auf seine Güte setzen.“ Das stimmt, liebe Schulgemeinde. Und wo er Recht hat, da hat er Recht – unser Philipp Melan chthon. Amen. Und der Friede Gottes, der alles menschliche Begreifen übersteigt, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck Das Melanchthon-Jahr 2010 Ein feste Burg ist unser Gott EG 362 Text und Melodie: Martin Luther fes - te uns hilft Burg frei ist aus un al 2. Mit uns - rer streit' für Macht uns ist der nichts 5 Wehr hat bald selbst und Waf be - trof ver - lo er - ko - Feind, ist? mit Er Ernst heißt ers Je - sein und ren; ren. es jetzt sus meint. Christ, grau - sam Rüs - ung ist, ist kein and - rer Gott, - ge te Gott, Not, fen. Der Fragst wir sind den Gott bö wer alt du. groß der Macht Herr 3. Und wenn die Welt voll Teufel wär / und wollt uns gar verschlingen, / so fürchten wir uns nicht so sehr, / es soll uns doch gelingen. Der Fürst dieser Welt, wie saur er sich stellt, tut er uns doch nicht, das macht, er ist gericht': ein Wörtlein kann ihn fällen. 4. Das Wort sie sollen lassen stahn / und kein' Dank dazu haben; er ist bei uns wohl auf dem Plan / mit seinem Geist und Gaben. Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin, sie habens kein' Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben. se das und viel List Ze - ba - oth, nicht seins - glei er be - hal gar hat ein gu - te die uns jetzt tan, Mann, - auf Erd ist das Feld muss ser ler 2. Er 12 - fen. 9 rech 1. 1. Ein Satz: Lukas Osiander - chen. ten. 1. November – Ausklang zum Reformationsfest51| HNA 02.11.2010 |52 Schon einmal – anlässlich des Festaktes zum 500. Geburtstag von Philipp Melanchthon am 16. Februar 1997 – hatte Professor Greschat im Steinatal einen Vortrag über den Bildungsreformator gehalten. Zum 450. Todestag sprach er hier erneut über ihn: diesmal vor Schülerinnen und Schülern im Jahrgang 12 sowie deren Fachlehrerinnen und -lehrern für Latein bzw. Griechisch und weiteren Interessierten. In dieser Veranstaltung ging es insbesondere um Melanchthons Liebe zu den alten Sprachen – Griechisch, Latein und Hebräisch –, die auch in der Melanchthon-Schule erlernt werden können (Hebräisch aktuell wieder in einer AG). Genauso waren aber diejenigen Zuhörer angesprochen, die neue Sprachen lernen, weil es im Vortrag nicht ausschließlich um die Vermittlung altsprachlicher Kenntnisse ging, sondern viel weitreichender: um Melanchthons Rolle in der Reformationszeit. Schulleiterin Christel Ruth Kaiser stellte den Kirchenhistoriker aus Münster dem Auditorium vor: Martin Greschat lehrte Evangelische Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte an den Universi täten Münster und Gießen. Er ist Verfasser zahlreicher Bücher bzw. Aufsätze von der Reformation im 16. Jahrhundert bis zum Ausgang des 20. Jahrhunderts: Die lange Liste seiner Veröffentlichung spiegelt die beeindruckende Bandbreite seiner Forschungen zur Kirchengeschichte. Zeit seines Lebens Das Melanchthon-Jahr 2010 hat er sich – neben vielfältigen anderen Forschungsgegenständen – immer wieder mit Melanchthon befasst hat. Exemplarisch seien nur drei seiner Schriften dazu genannt: Der Titel seiner Dissertation, mit der er 1965 zum Doktor der Theologie promovierte, lautet „Melanchthon neben Luther“, wobei es um Fragen der Rechtfertigungslehre ging. Am 16. Februar 1997 – anlässlich des 500. Geburtstages von Philipp Melanchthon – hielt er in der Melanchthon-Schule den Vortrag „Philipp Melanchthon: Intellektueller – Pädagoge – Christ“, der in der Fachzeitschrift „Patoraltheologie“ 1997/7 veröffentlicht wurde. Und in diesem Jahr des 450. Todestages Melanchthons hat er wiederum ein Buch herausgebracht, das den Titel „Philipp Melanchthon: Theologe, Pädagoge und Humanist“ trägt (Gütersloher Verlagshaus). Wir sehen schon an diesen Beispielen, die zu ergänzen wären, wie dicht am Leben und Werk unseres Namenspatrons Professor Greschat über Jahrzehnte hinweg gearbeitet hat. „Philipp Melanchthon – Humanist, Pädagoge und Theologe“ I. Von Chinesen und den alten Griechen Vor kurzem ging die folgende Nachricht durch die Presse1: Ein chinesischer Gelehrter forder te von den Studenten seines Landes Kenntnisse im Lateinischen und Altgriechischen. Liu Xiaofeng, Professor für Philosophiegeschichte an einer Pekinger Universität, erklärte in seinem Papier zur Hochschulpolitik, dass man den heutigen Westen nicht verstehe, wenn man ihn nicht im Zusammenhang und in seinen Beziehungen zu den griechischen und römischen Ursprüngen begreife. Liu hatte Theologie und Altgriechisch in Basel studiert. „Als ich den Urtext der Klassiker lesen konnte“, schrieb er, „spürte ich erst, wo der Urgrund der westlichen Bildung war.“ Jeder chinesische Student solle deshalb fünf klassische chinesische und fünf antike europäische Bücher gelesen haben, wozu er Homer, Platon und Xenophon zählte. Der wissenschaftspolitische Aspekt dieser chinesischen Zielsetzung muss uns hier nicht beschäf tigen. Doch daran ist zu erinnern, dass zur geistigen und kulturellen Eigenart Europas in der Tat der ständige Rückbezug zumindest der intellektuellen Führungsschicht auf die Antike gehörte. Im alten Rom wandte man sich 1 Das Folgende nach FAZ, 20.01.10. 1. November – Ausklang zum Reformationsfest53| intensiv der griechischen Kultur zu, nachdem ihre Städte unterworfen waren. Seit dem frühen Mittelalter galt das griechisch-römische Erbe als Leitbild und Lehrmeister, zusammen mit dem damit aufs engste verschwisterten Christentum. Dabei ging es keineswegs nur oder primär um ein Nachsprechen und Wiederholen, sondern stets auch um Neues, um Verwandlungen und Veränderungen. Das Urteil erscheint mir zutreffend: „Wann immer sich Menschen aufmachten, Abschied von ihrer eigenen Welt zu nehmen und eine bessere jenseits des eigenen Horizonts zu finden, wandten sie den Blick zurück in das ferne Land der Antike und [ ... ] hofften, [...] eine Wahrheit zu erfahren, über die keine Tradition Macht haben konnte.“2 Was machte (und macht) das Charakteristische jener Antike aus, insbesondere in ihrer altgrie chischen Ausprägung, womit sie Jahrhunderte lang die geistige, aber auch politische Physiognomie Europas beeinflusst hat? In der gebotenen Kürze: Es ging um Freiheit, um Freiheit sowohl im politischen als auch im persönlichen Bereich. Anders als in den umliegenden großen, aber auch kleinen Reichen und Stadtstaaten gab es in Griechenland nicht die dauerhafte Regierungsform der Universalmonarchie. Hier herrschten vielmehr, 2 Dahlheim, zit. bei Christian Meier, Kultur um der Freiheit willen. Griechische Anfänge – Anfang Europas? 2. Aufl. Frankfurt a.M. 2009, 15. in Gestalt des Adels zu nächst, eigenständige Persönlichkeiten, d.h. prinzipiell Gleiche. Insofern existierten hier Ansätze der Demokratie. Wenn jedoch in diesem Sinn Freiheit herrschte, wenn also das Zusammenleben nicht hierarchisch-metaphysisch geregelt war, sondern in eigener Verantwortung gestaltet werden musste, ergab sich schnell eine Fülle von Problemen. Denn natürlich drängten auch in Griechenland Menschen danach, sich gegen andere durchzusetzen, Machtpositio nen zu gewinnen und auszugestalten, kurz: als Diktatoren zu agieren. So blieb das Leben in der Polis durchgängig in Bewegung. Unruhe bildete nicht die Ausnahme, sondern die Regel, getragen von dem dauerhaften Mühen um die rechte Ordnung, um eine Mitte und ein Maß zu finden – wozu grundlegend die Bereitschaft zum Kompromiss gehörte. Es liegt auf der Hand, dass mit alledem die Entwicklung des Individuums zusammenging, die viel seitige Entfaltung auch der persönlichen Freiheit. Um anstehende Probleme zu lösen, bedurfte es der Ausbildung der Vernunft, des venünftigen Argumentierens. Zugleich bewegte diese Griechen die Frage, was der Mensch ist, was er vermag – und was ihn scheitern lässt. So konnten „menschliche Erfahrungen sondergleichen gemacht werden. Sie konnten sich auf den verschiedensten Feldern, in den verschiedensten Formen ,klassisch‘ niederschlagen.“ Das ist das Ur- teil des bekannten Althistorikers Christian Meier.3 Er fragt: Ist da nicht schon Europa? Und er fährt fort: „Als erste Kultur, die nicht auf Herrschaft beruhte, sondern auf Freiheit; als Maßstab, als Vorbild, vor allem als ganz neue Weise des Weltbezugs, als offene, radikale Art sowohl des Handelns wie des Beobachtens, des Entscheidens und damit des Diskutierens und Infragestellens.“4 Wir wissen, dass sich im Europa des Mittelalters nie eine Universalmonarchie durchzusetzen vermochte. Kennzeichnend war vielmehr ein dauerhaftes, strukturelles Mit- und Gegeneinander: von Kaiser, Königen und Fürsten; von Imperium und Sacerdotium; von Adligen und Bürgern – usf. Stets rangen unterschiedliche politische und geistige Kräfte miteinander. Insofern lässt sich von der dauerhaften Unfertigkeit Europas sprechen. Dazu gehörte wesentlich auch die Kirche. Um noch einmal Meier zu zitieren: „Das Christen3 Christian Meier, Kultur um der Freiheit willen. Griechische Anfänge – Anfang Europas? 2. Aufl. München 2009, 354. 4 Christian Meier, Athen und Rom. Der Beginn des europäischen Sonderwegs. In: Ders., Von Athen bis Auschwitz. München 2002, 64-100; Zitat 87. Vgl. auch: Ders., Um 1500. Das „Europäische Wunder“. Die Frage nach seinen Voraussetzungen, ebd., 39-63. Zum Ganzen: Eric L. Jones, Das Wunder Europa.Tübingen 1991; Caroline Ale xander, Der Krieg des Achill. Die Ilias und ihre Geschichte. Berlin 2009; Thomas A. Szlezák, Was Europa den Griechen verdankt. Tübingen 2010. |54 tum sog also Antikes gera dezu in sich hinein, füllte sich damit in Exegese, Theologie und Kirchenorganisationen bis weit in den Wortschatz, in die Begriffe hinein; es führte den Prozess der Hellenisierung und Romanisierung weiter, indem es neue Völker in ihn einbezog. Nicht zuletzt hat es die Bereitschaft und das Bedürfnis, Fragen zu stellen, übernommen – um dies alles dann weiterzugeben.“5 II. Der deutsche Humanismus des 16. Jahrhunderts und Melanchthon Ich konzentriere mich nun, unserem Thema entsprechend, auf den wohl bekanntesten Rück griff auf die antike Tradition mitsamt ihrer eigenständigen Umgestaltung in der Renaissance in Italien seit etwa dem 14. Jahrhundert und der speziellen Ausprägung durch den Humanis mus nördlich der Alpen seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert. Zu den bedeutendsten Huma nisten in Deutschland zählten Johannes Reuchlin und Erasmus von Rotterdam. Ersterer wurde von der neuen Geistigkeit nicht zufällig während eines Italienaufenthaltes in Florenz 1482 regelrecht überwältigt. Dass Reuchlin sowohl religiös-philosophische Schriften verfasste als auch philologisch-literarische Studien, machte ihn zur Idealgestalt des humanistischen wissenschaftlichen Gelehrten. Aufgrund seiner Kenntnis der 5 Christian Meier, Athen wie Rom (wie Anm. 4), 96. Das Melanchthon-Jahr 2010 drei alten Sprachen – Latein, Grie chisch und Hebräisch – galt er als die Galionsfigur des wahren Humanisten, der fähig war, sich den religiösen, geistigen und kulturellen Reichtum der Antike so umfassend wie eigenständig anzueignen. Der Ruhm des Niederländers Erasmus übertraf dann, eine Generation später, denjenigen des Schwaben. Es war einerseits der glänzende, an Cicero geschulte lateinische Stil des Erasmus, der faszinierte. Es war gleichzeitig ein neues Lebensgefühl, das er proklamierte: die Verschmelzung von christlichem Glauben mit antiker Bildung und Kultur – und daraus resultierend eine schlichte, innerlich-moralische Form der Frömmigkeit, die auf Bescheidung, Friedfertigkeit und Nächstenliebe zielte. Eine Vielzahl von Anhängern und direkten oder indirekten Schülern bewunderte Erasmus. Dazu gehörte auch Philipp Melanchthon. Doch Reuchlin wurde von ihm nie vergessen. Das lag daran, dass Philipp Schwartzerdt aus Bretten Reuchlins geliebter und geförderter Muster schüler war. 1509 verlieh Reuchlin dem Zwölfjährigen aufgrund von dessen glänzenden lateinischen und auch schon griechischen Sprachkenntnissen den humanistischen Ritterschlag, indem er dem Jungen jenen griechischen Namen verlieh, unter dem er dann bekannt und berühmt geworden ist: Melanchthon (melanos = schwarz, chtonos = Erde). Es geht nun also primär um Philipp Melanchthon. Inwiefern ist das berechtigt? Es gab fraglos neben Reuchlin und Erasmus eine Vielzahl bedeutender Humanisten, nicht nur in Europa, sondern auch in Deutschland. Nicht wenige von ihnen begegnen als große individuelle Begabungen, als faszinierende Literaten oder in die Breite wirkende Publizisten. Warum also die Fokussierung auf Melanchthon? Um die Antwort vorwegzunehmen: Weil niemand auch nur annähernd so viel wie er für die institutionelle Ausbreitung und Durchsetzung des humanistischen Gedankengutes in weiten Teilen Deutschlands geleistet hat. Reuchlin hatte zahlreiche gebildete Anhänger und Bewunderer. Um Erasmus kreisten in ganz Europa Persönlichkeiten wie Planeten um die Sonne. Melanchthon jedoch baute ein weit über Deutschland hinausreichendes modernes Schulsystem auf. Er kam 1518 als Schützling Reuchlins als Professor für griechische Sprache und Kultur nach Wittenberg, gerade 21 Jahre alt. Im Zuge der dortigen Universitätsreform hatte Kurfürst Friedrich der Weise neue Dozentenstellen bewilligt. Die meisten gingen an die Artistenfakultät – dazu sogleich mehr. Die Abkehr von der Scholastik und die Hinwendung zu einem biblisch -humanistischen Lehrbetrieb in Wittenberg bildeten den Anlass für diese Erweiterung. Die dortigen Professoren fingen an, keineswegs allein Luther, anstelle der mittelalterlichen philosophischen 1. November – Ausklang zum Reformationsfest55| und theologischen Kommentare zu den Schriften des Aristoteles die lateinischen und griechischen Auslegungen der Kirchenväter der ersten Jahrhunderte heranzuziehen, biblische Texte sowie andere griechische Autoren.6 Für diese Sprachen, angefangen vom verbesserten Latein bis zum Hebräischen und Griechischen, benötigte die Universität Dozenten. Sie sollten nicht nur – wie es heute weitgehend in den Theologischen Fakultäten die Regel ist – Unterricht in jenen Sprachen erteilen, sondern auch in die geistige und kulturelle Umwelt der antiken Überlieferung einführen. Der Kurfürst bewilligte also jene Stellen. Und weil ihm für seine geliebte Universität das Beste gerade gut genug war, fragte er bei Reuchlin an, wie jene Stellen erstklassig zu besetzen waren. So kam Melanchthon also nach Wittenberg. Und er machte dort sogleich Furore. Seine Antrittsvorlesung hielt Melanchthon „Über die Studienreform“ (De corrigendis adulescentiae studiis).7 Die Szene ist oft ge schildert worden: Wie der schmale, leicht lispelnde und zunächst schüchtern wirkende Jüngling mit seiner feurigen Rede die Zuhörer, zu denen auch Luther gehörte, mitriss und regelrecht begeisterte. Um es vorweg zu nehmen: Diese 6 Vgl. dazu den Überblick bei Martin Brecht. Martin Luther. Sein Weg zur Reformation 1483-1521. Stuttgart 1981, 264-268. 7 MStA, III, 29-42. Zustimmung hielt auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten an. In Melanchthons Vorlesungen strömten die Studenten. An Hörern übertraf er dauerhaft Luther. Man ging nach Wittenberg, hieß es, um Luther zu erleben. Und man blieb, um von Melanchthon zu lernen. Der war ein begnadeter Pädagoge und ein glänzender Redner. Seine erste Vorlesung fand allerdings auch deshalb ein so positives Echo, weil Melanchthon sich dadurch in die Front der Wittenberger Professoren einreihte, die auf eine umfassende Studienreform drängten, insbesondere im Blick auf die Eingangsstufe. In diese so genannte „Artistenfakultät“, benannt nach den „artes liberales“, den sieben antiken freien Künsten, lernten die jungen Menschen zunächst Grammatik, Dialektik und Rhetorik, danach Geometrie und Algebra, ein wenig Musik, Astronomie und Ethik – alles nach den logischen und ethischen Schriften des Aristoteles. Zum Abschluss dieses rund vier Jahre dauernden Studiums war man Magister (artium). Dieser Grad bildete die Voraussetzung für das Studium eines der drei Hauptfächer: Theologie, Jura oder Medizin. Sehr viele begnügten sich jedoch mit der Erlangung des Magistergrades – so auch Melanchthon, der bewusst nicht darüber hinausstrebte. Er blieb eine treibende Kraft des modernisierten humanistischen Studiengangs in Wittenberg, von 1518 an bis zu seinem Tod 1560. Es ist sicher richtig, dass sich um 1500 in Deutschland allgemein ein gesteigerter Drang nach mehr Wissen und Bildung bemerkbar machte, insbeson dere im städtischen Bürgertum, aber auch an den fürstlichen und kleineren adeligen Höfen. Unter solchen Voraussetzungen fielen Melanchthons Aktivitäten auf fruchtbaren Boden. Neben seiner Tätigkeit in Wittenberg, die nun zur größten deutschen Universität aufstieg, mühte sich Melanchthon um die Reform oder Neugründungen städtischer Lateinschulen, die dann meis tens auch von seinen Schülern geleitet wurden. Er wirkte nicht nur an der in Wellen verlaufen den Neuordnung der Universitäten Wittenberg und Tübingen mit: Man rief ihn auch als Fach mann für solche Reformen nach Frankfurt an der Oder, Leipzig oder Heidelberg. An den Neu gründungen der Universitäten in Königsberg und Jena war Melanchthon federführend beteiligt. Und blickt man auf die Fülle der Gutachten und Denkschriften, die er zu diesem Themenkreis verfasste, betrachtet man die Lehrpläne, Schulund Studienordnungen aus seiner Feder sowie die Grammatiken und Texteditionen, die Lehrbücher, die er schrieb, wird die führende Rolle Melanchthons als humanistischer Erzieher deutlich. Er galt zunehmend als die herausragende Autorität für das gesamte Bildungswesen. Und zu dem enormen Einfluss, den er auf diesem Gebiet ausübte, gehörte nicht zuletzt, dass man über- |56 all im Land, weit über Sachsen und sogar das Deutsche Reich hinaus, seinen Schülern auf den Kanzeln und Kathedern begegnete. Natür lich hing das auch mit der erfolgreichen Ausbreitung der Reformation zusammen – zu der Melanchthons Bildungskonzept nicht unwesentlich beigetragen hat III. Sprache und Kultur Ich hoffe, es ist mir gelungen, Ihnen einen Eindruck von der breiten pädagogischen und huma nistisch-kulturellen Wirkung Melanchthons zu vermitteln. Im Blick darauf bezeichneten ihn die Zeitgenossen als Lehrer Deutschlands, „Praeceptor Germaniae“. So redeten natürlich nur die Protestanten, und sie bezogen sich dabei primär auf die der Reformation zugewandten Territorien. Doch unübersehbar ist, dass die später von den Jesuiten getragene katholische Reform sich auf Melanchthons humanistischpädagogisches Erbe stützte. Einzelheiten mögen hier auf sich beruhen. Wichtiger erscheint mir jetzt, nach der Betrachtung der Außenseite von Melanchthons Wirken, deren Innenseite etwas genauer zu betrachten. Was motivierte ihn zu seiner Tätigkeit? Was faszinierte Melanchthon und dann auch seine Studenten bei diesem Tun? Da ist zunächst der Bereich der Sprache zu nennen. Melanchthon hatte nicht nur Freude an sprachlicher Eigenart und Eleganz, sondern besaß auch ein ästhetisches Empfinden für die klare logische Das Melanchthon-Jahr 2010 Fügung des Lateinischen, im Unterschied zum Wohllaut des Griechischen und der harten Ursprünglichkeit des Hebräischen. Sein besonderes Interesse und seine Vorliebe galten natürlich, schon aufgrund seiner Professur, dem Griechischen. Man übersieht leicht, dass Me lanchthon, ungeachtet seiner enormen quantitativen und qualitativen Beiträge zur reformatori schen Theologie, bewusst in der Artistenfakultät blieb und dort Jahr für Jahr Vorlesungen und Übungen über altgriechische Autoren anbot. Er las über Homer und Thukydides, über Pindar und Aristophanes – um nur einige der von ihm ausgelegten Klassiker zu nennen. Bis in seine späten Jahre warb Melanchthon unermüdlich für die Beschäftigung mit dem Griechischen. Seine 1549 gehaltene Rede über den „Bildungswert des Griechischen“ (Oratio de studiis linguae Graecae)8 eröffnete er mit dem Satz: „Porro inter linguas Graeca, sive multiplicem doctrinam spectemus, quam Deus per hanc linguam humano generi impertivit, seu suavitatem atque ele gantiam, facile primum locum obtinebit.“ (Unter allen Sprachen erlangt die griechische, ob man nun die Lehrinhalte betrachtet, die Gott durch sie dem Menschengeschlecht übermittelt hat, oder ihre 8 MStA III, 139-147. Die deutsche Übersetzung nach G. R. Schmidt, Philipp Melanchthon, Glaube und Bildung. Texte zum christlichen Humanismus, lateinisch und deutsch. Stuttgart 1989, 182-203. Zitate 182f., 187. wohlklingende Schönheit, leicht den ersten Rang.) Neben dem ästhetischen Genuss, den das Griechische vermittelte, sprach Melanchthon also davon, dass in und mit dieser Sprache das Wesentliche und Besondere dieses Denkens zum Ausdruck kommt – „die Lehre von einem sittlichen, bewusst gestalteten und wahrhaft menschlichen Leben“, wodurch die griechische Sprache „zur Lehrerin der besten und höchst lebenswichtigen Künste und Wissenschaften geworden war, zum Speicher der Vergangenheit und Weltgeschichte“. Das war der dritte Gesichtspunkt, der Melanchthon beschäftigte: Die Griechen übermittelten in umfassender Weise, d.h. auf sämtlichen Gebieten, das noch immer grundlegende Wissen der Antike. Ohne diese Tradition existierte mithin keine Wissenschaft. Unmittelbar zu den Überlegungen über die Sprache gehörte für Melanchthon die Frage des Stils. Als mustergültig erschienen ihm wiederum die Motive und Formen der Antike. Zum Vorbild erhob auch er vor allem Cicero. Man sollte ihn jedoch nicht mechanisch nachahmen, sondern zunächst einmal von einem Vorgang oder Gegenstand angerührt, ja ergriffen sein. Erst dadurch, urteilte Melanchthon, ließe sich Wesentliches erfassen und dann auch sprachlich angemessen aussagen. Stil war insofern Ausdruck einer gebildeten Persönlichkeit. Melanchthon hätte dem französischen Sprichwort voll 1. November – Ausklang zum Reformationsfest57| und ganz zugestimmt: „Le style, c’est l’homme.“ (Der Stil macht den Menschen aus.) Somit stehen wir bei Melan chthons Hochschätzung der Rhetorik. Sprachen hatten gewiss eine rationale Funktion: Mit ihrer Hilfe werden Informationen transportiert, wird Wissen vermittelt. Darauf hob Melanchthon häufig ab, z.B. bei seiner Forderung, Griechisch zu lernen, weil man nur so Zugang zu den antiken Kenntnissen und Wissenschaften erlangte. Aber Sprachen – und zumal die griechische – weckten zugleich Empfindungen, Mitgefühl, bereiteten Freude oder Trauer. Und ebenso wie die rationale Information auf den Leser oder Hörer zielte, wollte auch die emotionale Erfahrung weitergegeben werden. Beides geschah durch Sprache, durch Reden, Vortrag, Deklamation, Vorlesung oder auch Predigt. Sie sollten stets die Zuhörer bewegen, ihr Gemüt ansprechen, sie für das Rechte, Gute und Schöne mobilisieren. Man mag das moralisie rend nennen. Aber diese Rhetorik griff insofern darüber hinaus, als sie Sensibilität bewirken wollte, die Bereitschaft und Befähigung für Kultur und kulturelles Erleben. Ein Beispiel mag verdeutlichen, worum es Melanchthon in diesem Zusammenhang ging. Vermutlich 1520, also nach seiner Heirat und der Gründung eines eigenen Hausstandes, richtete er eine Privatschule ein, worin er besonders Begabte unterrichtete, allerdings auch Ju- gendliche, die ihm hochgestellte Persönlichkeiten anvertrauten. Für diese Schule gab Melanchthon mit exakten inhaltlichen Angaben ein Bild bei dem berühmten Maler Lucas Cranach dem Älteren in Auftrag, der nur wenige Häuser weiter in Wittenberg wohnte und dort eine große Werkstatt unterhielt. Dieses Bild brachte Melanchthon dann neben dem Katheder in seiner Privatschule an. Das Gemälde ging verloren. Erhalten geblieben ist lediglich ein vergröbernder Holzschnitt in Melan chthons 1523 erschienenem „Handbuch für den Elementarunterricht“.9 Dargestellt ist eine nahezu nackte, sitzende Frauengestalt mit wehendem Haar. Über ihrer Brust liegt ein durchsichtiger Schleier. In der Rechten hält sie ein Buch, bei dem es sich offenkundig nicht um die Bibel handelt. Mit der Linken hebt sie einen Strauß Rosen mit auffällig großen Dornen empor. Die Unterschrift lautet „Sophrosyne“. Beigefügt ist der Vers: „Auf dornigem Weg steigst Du zur Tugend hinan.“ Es handelt sich also um eine allegorische Darstellung der Mühen des Lernens, wodurch Erkenntnisse gewonnen werden, die Freude bereiten. 9 Enchiridion elementorum puerilium. Wittenberg 1523. Zu Cranachs allegorischen Darstellungen: Elke Anna Werner, Die Schleier der Venus. Zu einer Metapher des Sehens bei Lucas Cranach d.Ä. In: Cranach der Ältere. Frankfurt a.M. 2008, 99-109. Doch hinter dem, was sich dem Betrachter unmittelbar erschließt, steht mehr. Das lateinische Äquivalent „Temperantia“ umfasst weniger als das griechische „Sophrosyne“. Dieses Wort drückt einerseits das Begehren von Angenehmem, Lustvollem aus, andererseits aber auch dessen Eingrenzung durch Maßhalten und vernünftiges Planen. So verstanden Platon und Aristoteles das Wort.10 Unterstrich das Motto also das Mühen und die Anstrengungen des Lernens, legten Bild und Unterschrift den Akzent auf die daraus erwachsende Freude und den Lustgewinn. Doch warum ist die Dame nackt? Die geläufigen allegorischen Darstellungen der Tugenden zeigten stets bekleidete Gestalten. Erst Lucas Cranach der Ältere durchbrach diese Tradition. Er malte als erster Künstler nördlich der Alpen weibliche Akte. Dabei handelte es sich um lebendige Menschen – was Cranach z.B. durch die wehenden Haare ausdrückte. Dass es sich bei diesen Gemälden trotzdem nicht ausschließlich um die Abbildung weiblicher Schönheit handelte, belegt der auf diesen Aktgemälden stets begegnende Schleier. Er verhüllte nichts, unterstrich eher noch die ästhetische Körperlichkeit. Der Schleier besaß Verweischarakter: Er drückte aus, dass das Eigentliche, das Wahre hinter der unmittelbar erkennbaren Wahrnehmung existierte und dort zu suchen sei. 10Vgl. Platon, Politeia, Buch IV; Aristoteles, Nikomachische Ethik, IV, 3. |58 Das Melanchthon-Jahr 2010 Das war im Sinn der platonischen Metaphysik gedacht und gestaltet: durch das Sichtbare hindurch gelangte der nachdenkende, der intellektuell und sittlich strebende Mensch zum Wesentlichen. Das Gemälde verwies also auf die eigentliche Wirklich keit, auf die wahren, ideellen Werte. Das alles bedeutete: Melanchthon nahm mit seinem Bild die in konservativen Kreisen als heidnisch attackierte moderne Steigerung der Sinnlichkeit in Renaissance und Humanismus bewusst auf. Aber ebenso wie Cranach blieb er nicht dabei stehen, sondern unterstrich gleichzeitig die darüber hinausführende rationale Anstrengung, zu der Besonnenheit und Selbstbeherrschung gehörten. Was somit auf den ersten Blick als schlichte moralische Mahnung erscheinen mochte – darum ging es Melanchthon selbstverständlich auch – konnte und wollte den tiefer Blickenden, den auf dem Wege des Lernens, Strebens und Erkennens Voranschreitenden in eine dialektische Bewegung des Erlebens und Denkens, des emotionalen Erlebens und rationalen Verstehens hinein nehmen: „Sinnliche Lust, antike Mythenrezeption und christliche Tugendlehre schließen sich bei Cranach“ – und ich füge hinzu: ebenso auch bei Melanchthon – „also nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig, um die intellektuelle Reflexion des gebildeten Betrachters zu stimulieren.“11 IV. Humanismus und Reformation Solcher Humanismus führte zur Religion, keineswegs nur bei Melanchthon. Frömmigkeit und Bildung, Pietas et Eruditio, gehörten für ihn wesensmäßig zusammen. Melanchthon konnte beides sehr selbstverständlich aneinander rücken. In der bereits genannten Rede über den Bil dungswert des Griechischen erklärte er: Da Gott den Menschen in dieser Sprache sämtliche Erkenntnisse und Wissenschaften schenkte, wolle er zugleich, „dass wir in ihr auch nach der Lehre von seinen ewigen Gütern suchen, die er uns gleichzeitig mit diesen weltlichen mitteilen will.“12 Das bedeutete natürlich nicht, dass Wissen, Bildung und Kultur auf derselben Ebene wie die Offenbarung Gottes in Jesus Christus standen. Aber sie bildeten eben auch keinen Gegensatz dazu – weil es sich hier wie da um dieselben Menschen handelte. Das bedeutete zunächst einmal, im Blick auf die Umwelt: Angesichts der schon erwähnten gewachsenen intellektuellen Erwartungen führender Schichten in Deutschland um 1500 genügte vielen Menschen das traditionelle religiöse Angebot der Kirche nicht mehr. Die Kritik an der Kirche und ein gesteigerter Antiklerikalismus waren nicht zuletzt Ausdruck großer und dann enttäuschter Erwartungen. Vereinfacht ausgedrückt: Man wünschte nicht einfach mehr 11Elke Anna Werner [wie Anm. 5], 104. 12Wie oben, Anm. 4, 189. Messen und nur die Austeilung der Sakramente, verbunden mit allgemeinen moralischen Weisungen. Gefragt und gefordert waren vielmehr die persönliche Anrede und anspruchsvolle Antworten auf die Fragen des Glaubens und die Probleme des Lebens. Dem kamen die reformatorische Theologie und Praxis mit der Konzentration auf die Verkündigung des Wortes Gottes, die Predigt also, entgegen. Doch dieses Wort Gottes musste nun auch im Blick auf den Menschen bedacht und gestaltet werden. Anders ausgedrückt: Es galt, die Prediger so zu unterrichten, dass sie den Suchenden und Fragenden gleichsam auf Augenhöhe zu begegnen vermochten. Deshalb sollten die Pfarrer die gleiche Ausbildung erhalten wie die Bürger und sich im selben Bildungshorizont wie diese bewegen können. Die Prediger mussten also studieren und möglichst den Grad eines Magisters erwerben. Dahinter stand Melanchthons Vision des humanen christlichen Menschen, der inmitten der komplexen und komplizierten Umbrüche in der Kirche und Gesell schaft jener Zeit Antwort, Orientierung zu geben vermochte. Eine Kirche, die solchen human und kulturell entfalteten christlichen Werten in der Gesellschaft Raum gab und dafür überzeugend eintrat, würde auf viele Menschen anziehend wirken. Das alles war durchaus elitär gedacht. Aber es bedeutete nicht, dass das Evangelium darum auf 1. November – Ausklang zum Reformationsfest59| Intellektuelle oder kulturell gebildete Zeitgenossen zugeschnitten werden müsste. Es sollte allerdings auch auf dieser Ebene reflektiert werden, was Menschsein im Licht der Offenbarung Gottes bedeutete. Zu solcher Humanität gehörte die Fähigkeit des Maßhaltens und der Selbst begrenzung. Doch mindestens ebenso sehr zählte dazu die Freiheit, die Freiheit des einzelnen, seine Individualität mitsamt dem Willen, die eigenen geistigen Möglichkeiten zu entfalten und so der Würde des Menschen Ausdruck zu verleihen. Diese Feststellung fügt sich exakt in das Selbstverständnis des europäischen Humanismus ein. Deutlich ist, dass der Gedanke der Freiheit hier eine schlechthin grundlegende Rolle spielte. Unter dieser Prämisse konnte z.B. Ulrich von Hutten im Oktober 1518 seinen Brief an den Nürnberger Patrizier Willibald Pirckheimer mit dem Ausruf beschließen: „Oh Jahrhundert, oh Wissenschaft! Es ist eine Lust zu 1eben.“13 Die Freiheit des Menschen proklamierte Erasmus mit allem Nachdruck in seiner Schrift „De libero arbitrio“ gegen Luther und die Reformation. Man wollte loskommen von den tradierten Einengungen der Gesellschaft, wollte hinter sich lassen, was behinderte, wohl auch verpflichtete, um etwas Neues zu wagen. Gefeiert wurde das Individuum, geprie13Zit. bei Karl Kaulfuß-Diesch, Das Buch der Reformation. Leipzig 1917, 128. sen der Zusammenschluss gleich gesinnter Geister über alle Grenzen und Mauern hinweg. Man bejubelte die Großartigkeit des Menschen, rühmte seine Stärken, seine unerschöpflichen oder jedenfalls noch längst nicht ausgeschöpften Fähigkeiten. Gewiss, vieles davon war Literatur, war verbaler Auf- und Überschwang. Aber darin äußerte sich unverkennbar ein verändertes Welt- und Selbstverständnis. Das alles galt in hohem Maß auch für Melanchthon. Aber seine Teilhabe an diesem selbstgewissen, optimistischen Geist war durch seine Begegnung mit Luther und der reformatorischen Theologie reflektierter, spannungsreicher geworden. Melanchthon sah jetzt nicht nur reale Begrenztheiten und unübersehbare Schwächen des Menschen, sondern seine tiefe Fragwürdigkeit, Bosheit und Eigensucht, also was die Bibel „Sünde“ nannte. Diesem Faktum galt es ins Auge zu sehen, d.h. dem Gericht, der Verurteilung des Menschen durch Gott. Wer sich jedoch auf diese Weise Gott ausgeliefert sah und Gott Recht geben musste, der vermochte sich dann auch auf die frohe Botschaft des göttlichen Erbarmens einzulassen, auf die Zusage des Evange liums, d.h. des schenkenden und befreienden Wortes der Gnade, der Barmherzigkeit und Liebe Gottes. Theologisch formuliert: Aus dem Glauben an das Evangelium erwuchs die Rechtfertig ung des Sünders und darin die wahre, christliche Freiheit. „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan“, hatte Luther 1520 im Traktat „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ geschrieben, jedoch zugleich hinzugefügt: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“14 Luther schloss seine Ausführungen mit dem Satz: „Siehe, das ist die rechte, geistliche, christliche Freiheit, die das Herz frei macht von allen Sünden, Gesetzen und Geboten, welche jede andere Freiheit übertrifft, wie der Himmel die Erde.“ V. Orientierung für ein christliches Leben Wenn Frömmigkeit und Bildung jedoch die unerlässliche Grundlage des Lebens und Agierens des Christen ebenso wie der christlichen Gemeinde bildeten, stellte sich die Frage, wie von da aus das Zusammenleben zu organisieren wäre. Wie sollte die gebotene Ordnung aussehen? 1536 – es war auch das Jahr, in dem die „Wittenberger Konkordie“ gelang, die Übereinkunft der Wittenberger Theologen mit Martin Bucer und den süddeutschen Theologen in der Frage des Abendmahls; es war das Jahr, in dem der Kurfürst dem berühmten Professor Melanchthon das repräsentative Haus neben dem Augustinerkloster schenkte, das noch bestehende Melanchthonhaus – 1536 also hielt dieser eine Rede „De lau14Luthers Werke in Auswahl, hg. von Otto Clemen. Bd.2, Berlin 1950, 11, 6ff.; 27, 26ff. |60 de vitae scholasticae“, frei übersetzt: „Die Schule als Grundlegung des gesellschaftlichen Lebens“.15 Aus pietas und eruditio resultierten hier die beiden Richtpunkte Wahrheit und Gerechtigkeit. Melanchthon bezeichnete sie als zentral für das bürgerliche und religiöse Leben. Dazu formulierte er sogleich die These: „Beides zu erforschen und zu entfalten ist den Schulen anvertraut.“ Mit „Schule“ war hier die Hochschule, die Universität also, gemeint. Warum sie und nicht die Kirche, der Fürstenhof oder das Gericht, also Religion, Politik, Justiz oder Bürokratie? Weil sie alle, urteilte Melanchthon, abhängig waren von dem, was an der Universität gedacht, konzipiert und ausgearbeitet wird. Die genannten Größen schufen die Voraussetzungen nicht selbst, aufgrund derer sie agierten. Worum ging es dabei inhaltlich? Melanchthon sprach von Informationen, Kenntnissen und Wissen, die – stets ausgerichtet auf Wahrheit und Gerechtigkeit – an der Universität gewonnen werden. Doch es ging um mehr. Für Melanchthon war die freie Betätigung des einzelnen, sodann die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden wichtig, schließlich ihrer aller Bewusstsein der Verantwortung für das Ganze in Kirche, Staat und Gesellschaft. Die Vielzahl der Fächer, aber auch der Lehrenden 15G. R. Schmidt [wie Anm. 4], 204-221. Zitate 204f.; 211; 209. Das Melanchthon-Jahr 2010 boten eine Fülle von Anregungen. Das forderte zu Ver gleichen heraus, förderte die Diskussion und drängte zum Wettstreit untereinander. Jeder, der hieran teilnahm, ehrte und lobte dadurch zugleich Gott: „Denn er trägt zur Erhaltung lebensfördernden Wissens bei, zur Bildung der Gesinnung und des Urteilsvermögens, zur Bewahrung des Friedens und zur Verringerung vieler Missstände im öffentlichen Leben.“ Und nicht zuletzt resultierten daraus Freude und Lust an allerlei Erkenntnissen. Das würde, alles in allem, urteilte Melanchthon, „eine fröhliche Schule“ sein. Prof. em. Dr. theol. Martin Greschat, Münster Linolschnitt, Arbeit aus dem Kunstunterricht 1997 (500. Geburtstag Melanchthons) 61| Dank Wir danken denjenigen Personen und Gruppen, die zum Gelingen der Feierlichkeiten im Melanchthon-Jahr 2010 beigetragen haben. Im Einzelnen: aus der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck • • • • Bischof Prof. Dr. theol. Martin Hein: für seine Predigt am 01.11.2010 und die Abdruckgenehmigung seines Vortrags über Philipp Melanchthon am 14.04.2010 in der Stadtkirche St. Georg zu Schmalkalden; Prälatin Marita Natt: für ihre Predigt am 16.02.2010; Dekan Christian Wachter: für seine Predigt am 19.04.2010; Schulpfarrerin Britta Holk-Gerstung für die Vorbereitung und Mitgestaltung der Andacht am 16.02.2010 sowie der Gottesdienste am 19.04. und 01.11.2010; aus dem Hochschulbereich • • Prof. em. Dr. theol. Martin Greschat, Münster: für seinen Vortrag am 01.11.2010 und dessen Abdruckgenehmigung für dieses Heft; Prof. em. Dr. theol. Hans Schneider, Marburg: für seinen Vortrag am 19.04.2010 und dessen Abdruckgenehmigung (in gekürzter Fassung) für dieses Heft; aus der Schulgemeinde der Melanchthon-Schule • • • • • • • • dem Schüler Jan-Philipp Hofmann (Klasse 7a, im Schulj. 2009/10): für seinen Gedichtvortrag am 16.02.2010; der Schülerin Johanna Georges und dem Schüler Oscar Jöckel (beide Jahrgangsstufe 12, im Schulj. 2009/10): für Lesungen zu Biografie und Werk Melanchthons am 19.04.2010; den Schülerinnen Carola Merle und Ines Diegler (beide Jahrgangsstufe 12, im Schulj. 2009/10) und ihrem Sprachenlehrer Dr. Robert Nischan: für altsprachlichen Lesungen (griechisch/lateinisch) aus dem NT bzw. den „Loci communes“ samt deutschen Übersetzungen am 19.04. und 01.11.2010; den Schülerinnen Carla Giesinger, Hanna Müller-Wolff und dem Schüler Pascal Lindner (alle Jahrgangsstufe 11, im Schulj. 2010/11) sowie deren Religionslehrerin Lotte Kraushaar: für die Präsentation selbst verfasster fiktiver Briefe aus der Melanchthon-Zeit am 01.11.2010; den Schülerinnen und Schülern im Bläser-Ensemble des Schulposaunenchores unter Leitung von Landesposaunenwart Ulrich Rebmann: für ihr Vorspiel zeitgenössischer Bläsermusik aus dem 16. Jahrhundert bzw. ihre Begleitung des Gemeindegesanges an allen Festtagen; den Schülerinnen und Schülern des Oberstufenchores sowie des Blockflöten-Quartetts unter Leitung von Musiklehrer und Kantor Manfred Muche: für vielfältige Darbietungen musikalischer Werke aus der Melanchthon-Zeit am 19.04. und 01.11.2010; allen Lehrkräften, die sich in engagierter Weise für die Mitgestaltung des Melanchthon-Jahres eingesetzt haben; allen Mitarbeitenden, die organisatorisch für einen reibungslosen Ablauf der Festveranstaltungen gesorgt haben; aus der heimischen und landeskirchlichen Presse • • der HNA für ausführliche Berichterstattung über alle Festveranstaltungen im Melanchthon-Jahr 2010; dem „Kasseler Sonntagsblatt“ und „blick in die kirche“ für ihre Artikel zum 16.02. und 19.04.2010. Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – schulleitung@melanchthon-sch Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal tal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshause melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – htt Alljährlich publiziert die Melanchthon-Schule eine Broschüre der Schulschriftenreihe „Steinataler Hefte“ als spezifischen Beitrag zum Bildungs- und Erziehungskonzept an einer evangelischen Schule. Mit dieser Initiative verbindet sich die Zielsetzung, den Lesern eine authentische und facettenreiche ,Innensicht‘ unseres schulischen Lebens zu ermöglichen, d.h. Einblicke in die fachliche Arbeit der verschiedenen Aufgabenfelder, ebenso in das Angebot außerunterrichtlicher Aktivitäten zu geben. In Text und Bild – einem bunten Bilderbogen gleich – soll das pädagogische Konzept unseres Gymnasiums in der Trägerschaft der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) von Jahr zu Jahr ,greifbare‘ Konturen gewinnen und zeigen, was „evangelisch lernen“ heißt. Wir wünschen uns Hefte, die man gern in die Hand nimmt, weil sie Bildungserlebnisse in einer evangelischen Schule anschaulich präsentieren, fachlich Reizvolles darbieten, Anregung und Lust zum Lernen vermitteln, Erinnerungen an die Schulzeit wecken … Wir wenden uns darum zuerst an alle Mitglieder der Schulgemeinde: die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und Erziehungsberechtigten, Kollegium und Mitarbeiterschaft sowie den Kreis der ,Ehemaligen‘. Darüber hinaus freuen wir uns über alle Interessierten, die Schule in kirchlicher Trägerschaft als Modell und Chance für Schulentwicklung verstehen und unsere Arbeit in kritischer Zuwendung begleiten. – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-sc melanchthon-schule.de – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – schull – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – schulleitung@melanchthon-sc Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal tal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshause melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – htt – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – 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http://www.melanchthon-schule.de – schull – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – schulleitung@melanchthon-sc Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon-Schule Steinatal – 34628 Willingshausen-Steinatal – http://www.melanchthon-schule.de – [email protected] – Melanchthon hule.de – Melanchthon-Schule n-Schule Steinatal – 34628 – 34628 Willingshausen-Steina- en-Steinatal – http://www. tp://www.melanchthon-schule.de chule.de – schulleitung@ [email protected] chule.de – Melanchthon-Schule n-Schule Steinatal – 34628 – 34628 Willingshausen-Steina- en-Steinatal – http://www. tp://www.melanchthon-schule.de chule.de – schulleitung@ [email protected] chule.de – Melanchthon-Schule n-Schule Steinatal – 34628 – 34628 Willingshausen-Steina- en-Steinatal – http://www. tp://www.melanchthon-schule.de chule.de – schulleitung@ [email protected] chule.de – Melanchthon-Schule n-Schule Steinatal – 34628 In der Schulschriftenreihe „Steinataler Hefte“ sind bereits acht Themenhefte erschienen. Die Hefte können über die Wirtschaftsleitung der Melanchthon-Schule bezogen werden: Tel.: 06691 80658 0; Fax: 06691 80658 199; Email: [email protected]