8 - DGZfP

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8 - DGZfP
Seminar des FA Ultraschallprüfung – Vortrag 8
Ultraschallprüfung an Turbinenschaufeln
mittels Oberflächenwellen
Ernst RAU 1
Joachim BAMBERG 1
Pius BERWIG 2
1
MTU Aero Engines AG, München
2
HS München, München
Kurzfassung:
Die Verwendung moderner intermetallischer Materialien für Turbinenschaufeln
bringt enorme Gewichtsvorteile, stellt aber die zerstörungsfreie Prüfung hinsichtlich
Fehlergröße vor neue Herausforderungen. Selbst kleinste Anrisse müssen
zuverlässig detektiert werden können. Erste Versuche zeigten, dass eine Prüfung mit
Ultraschall-Oberflächenwellen (Rayleigh-Wellen) hier ein großes Potential bieten.
Es wird der momentane Stand der Grundlagenuntersuchungen dargestellt. Des
weiteren wird aufgezeigt, wie diese Prüfmethode zukünftig in einem SerienPrüfablauf umgesetzt werden könnte.
1.
Einleitung
Die Intermetallischen Titanaluminid-Legierungen (TiAl) werden seit den 50er Jahren
untersucht und gelten als potenzieller Ersatz für die schwereren Nickelbasislegierungen im
Hochtemperaturbereich des Triebwerks. Im Gegensatz zu herkömmlichen Titanlegierungen
besitzen sie eine Hochtemperaturbeständigkeit von bis zu 750 °C. In Betriebstemperatur
verfügen Titanaluminide trotz ihrer geringen Dichte über hohe Festigkeits- und
Steifigkeitseigenschaften. Durch das geringere Gewicht einer Turbinenschaufel aus TiAl
verringert sich die Zentrifugalkraft und das dynamische Ansprechverhalten wird verbessert
[1]. Für geplante MRO müssen kleinste Ermüdungsrisse zuverlässig nachgewiesen werden.
Im Vorfeld werden deshalb neben den konventionellen Rissprüfverfahren wie FPI und
Wirbelstrom auch alternative Inspektionsmethoden untersucht. Die Versuche mit RayleighWellen zeigen ein großes Potential. Da das Reflexionsverhalten von Rayleigh-Wellen an
kleinen Fehlstellen mit unterschiedlichen Geometrien noch nicht untersucht wurde, sind
relevante Szenarien zu analysieren und zu erproben, da gängige Simulationssoftware
(CIVA) eine Simulation einer Inspektion mit Rayleigh-Wellen nicht abdeckt. Final sollte
die Machbarkeit einer wirtschaftlichen Serienprüfung an einer aktuellen Schaufelgeometrie
(Abbildung 1) nachgewiesen werden.
1
Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/
Abbildung 1: Turbinenschaufel aus 𝛾 βˆ’ 𝑇𝑖𝐴𝑙 (PW1133-G Stufe 3, A320 Neo)
2.
Grundlagen zur Rissdetektion mit Rayleigh-Wellen
In Abbildung 2 ist das Verhalten der Rayleigh-Welle an einem Riss dargestellt. Bei der
Wechselwirkung vom Riss mit der Rayleigh-Welle entstehen reflektierte und transmittierte
Oberflächenwellen, zusätzlich entstehen modenkonvertierte Volumenwellen (Longitudinalund Transversalwellen). Der primär reflektierte Schall wird meist für Detektion von Rissen
in der Impuls-Echo-Technik verwendet und besitzt 0 % – 40 % von der Amplitude der
einfallenden Rayleigh-Welle. Ein sehr großer Anteil der Energie geht durch
Modenkonversion in Volumenwellen verloren (ca. 50 %). Der transmittierte Anteil der
Energie ist sehr gering (1 – 10 %). Diese Werte gelten für optimale Bedingungen.
Realistische Risse besitzen meist eine zerklüftete Oberflächen, was das Reflexionsverhalten
negativ beeinflusst. Außerdem treten neben Reflexion noch Streuung und Beugung auf.
Diese Effekte werden signifikant, wenn der Riss im Vergleich zur Wellenlänge klein ist.
Ein typischer Ermüdungs-Initialriss an der Oberfläche besitzt eine Halbkreisform mit
Radien von 10 ΞΌm bis zu 1 mm. In Abbildung 2 ist die Streuung der Ultraschallenergie an
solch einem Riss schematisch dargestellt. Man sieht, dass der reflektierte Anteil deutlich
größer ist als der transmittierte [2].
Abbildung 2: Rayleigh-Wellen am Riss (J.L. Blackshire, 2003 [2])
2
3.
Rissdetektion mit Rayleigh-Wellen in der Praxis
Da in der Praxis nicht von einem idealisierten Riss ausgegangen werden kann ist
Gegenstand der Untersuchung die Detektion von Fehlstellen mit unterschiedlicher
geometrischer Orientierung. In der Praxis sollte eine Prüftechnik in der Lage sein, eine
halbkreisförmige Fehlstelle mit einem Radius von 200µm bei einer Varianz bis zu 10°
sicher zu detektieren. Dies wurde in einem Testkörper aus 𝛾 βˆ’ 𝑇𝑖𝐴𝑙 mittels erodierter
Schlitze dargestellt.
Abbildung 3: 𝛾 βˆ’ 𝑇𝑖𝐴𝑙 Probe mit Testschlitzen
Für die Grundlagenuntersuchungen werden 3 unterschiedliche Prüffrequenzen
hinsichtlich der Reichweite der Rayleigh-Welle und Auflösungsvermögen betrachtet. Zum
Einsatz kommen folgende Prüfköpfe in Tauchtechnikanordnung (Koppelmittel Wasser
(c=1480m/s)):
Tabelle 1: Übersicht der Prüfköpfe (Fokusdurchmesser und Fokusschlauch = -6dB)
Bei den Untersuchungen mit der Rayleigh-Welle sollte die Wasservorlaufstrecke
gleich dem Fokusabstand sein, damit sich die höchste Schalldruckamplitude auf der
Bauteil-oberfläche befindet und die Rayleigh-Welle mit der maximalen Intensität angeregt
wird. Bei der Einschallung wird die Wasservorlaufstrecke an der Probenkante eingestellt.
Der Blendenbereich kann großzügig um den Fokuspunkt gewählt werden, da weder das
Eintritts- noch das Rückwandecho bei Messungen mit der Oberflächenwelle vorhanden ist.
Mit den drei ausgewählten Prüfköpfen werden jeweils verschiedene Messreihen
durchgeführt. Bei beiden Messreihen wird der Einschallwinkel um den aus den
Voruntersuchungen ermittelten kritischen Winkel gekippt. Die Verstärkung wird so
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eingestellt, dass die höchste Amplitude der Reflexion von den Schlitzen 90%
Bildschirmhöhe (BSH) nicht übersteigt [1]. Die Abtastung der Probe erfolgt
mäanderförmig mit 0,1mm Schrittweiten.
Messaufbau:
Abbildung 4: Messaufbau mit A- und C-Bildern
Im C-Bild der Abbildung 4 stellt die untere Anzeige die direkte Reflexion der
Longitudinalwelle an der Probenkante dar. Bei der zweiten Anzeige mit gleicher
Charakteristik handelt es sich um das Signal der 2. Kante, an der die Rayleigh-Welle
reflektiert wird. Die Untersuchungen sollen die Empfindlichkeit bei einer Varianz des
Einschallwinklels sowie die Detektion der Schlitze bei unterschiedlichen Frequenzen und
Neigungswinkeln betrachten. Zielgröße ist eine Detektion der Fehlstellen mit einem Signal
12dB über dem Rauschen.
3.1
Einfluss der Varianz des Einschallwinkels unter Berücksichtigung der Orientierung
des Reflektors
Aus Rechnungen ist bekannt, dass sich die Rayleihgh-Welle bei einem Einschallwinkel von
knapp 24° optimal ausbreitet. Bei der Messanordnung wird der Einschallwinkel von 21-27°
variiert und das Signal am Referenzschlitz mit der ungünstigsten Orientierung (Nr.9) bei
gleichbleibender Verstärkung betrachtet. Aus dem Diagramm (Abbildung 5) ist ersichtlich,
dass ein ausgezeichnetes Signal zu Rauschverhältnis (Signal to Noise Ratio = SNR)
zwischen 23° und 25° gewährleistet ist. Eine geringfügige Varianz des Einschallwinkels
von +/-1,0°, während den Messungen an reellen Bauteilen, stellt sich als akzeptabel dar.
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Abbildung 5: Signal-Rausch-Verhältnis an Schlitzen unterschiedlicher Orientierung,
Messungen mit dem Prüfkopf UTX IX-593 (25MHz)
3.2
Betrachtung der Ergebnisse weiterer Prüffrequenzen
Die Empfindlichkeit auf Risse mit geringeren Ausdehnungstiefen steigt mit der Frequenz
an, da sich die Eindringtiefe der Rayleigh-Welle mit steigender Frequenz verringert.
Allerdings sind Risse mit Ausdehnungstiefen bis zu 100 ΞΌm über alle untersuchten
Frequenzen (10, 15 und 25 MHz) mit Signal-Rausch-Verhältnissen über 12 dB
detektierbar. An den C-Bildern (Abbildung 6) sieht man, dass die Auflösung bei höheren
Prüffrequenzen deutlich besser ist. D.h. mit einer Prüffrequenz von 25 MHz können selbst
hintereinanderliegende Schlitze getrennt dargestellt werden [1]. Zu beachten ist allerdings,
dass mit der hohen Auflösung bei 25 MHz bedingt durch ein kleineres Scan-Inkrement die
Messzeit ansteigt, da höhere Frequenzen stärker abgeschwächt werden und somit ihre
nutzbare Reichweite sinkt.
Abbildung 6: Betrachtung der C-Scans unterschiedlicher Frequenzen
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4.
Scanversuche an reeller Schaufelstruktur
Bei den folgenden Untersuchungen an den Schaufelfüßen wird der Winkel 23,5°
eingestellt. Die Wasservorlaufstrecke wird anhand der direkten Reflexion des oberen
Radius eingestellt. Von dort an wird der Messbereich mäanderförmig bis zum 2. Radius
abgescannt (Abbildung 7). Die Reflexion der Radien ergeben sich aus den
Longitudinalwellen der Vorlaufstrecke und dienen als Nachweis, dass der relevante
Prüfbereich abgedeckt ist. Bei dem simplifizierten Laboraufbau verändert sich während
des Scans strukturbedingt die Wasservorlaufstrecke, somit auch die Intensität der
Rayleigh-Welle. Die Effekte werden vorerst vernachlässigt, da die Objektoberfläche
weiterhin im Fokus liegt und genügend Schalldruck vorhanden ist.
Abbildung 7: Anordnung des Prüfkopfes und des Bauteiles während der Prüfung
Abbildung 8: C-Scan einer Schaufelstruktur mit Detektion einer erodierten Fehlstelle
Im C-Scan (Abbildung 8) ist die Detektion einer künstlichen Fehlstelle
(Länge=191µm, Tiefe=74µm) bei einer Frequenz von 25MHz sichtbar. Die Signalhöhe
zeichnet sich 26dB über der Echohöhe des benachbarten Rauschens ab. Die Machbarkeit an
einem reellen Bauteil ist somit nachgewiesen.
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5.
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick auf die Möglichkeit der
Industrialisierung
Innerhalb der bisherigen Arbeiten konnte die Prüfbarkeit von Schaufelfuß-Geometrien
nachgewiesen
werden.
Selbst
künstliche
Fehlstellen
mit
ungünstigen
Geometrieeigenschaften können mit einem ausreichendem SNR dargestellt werden.
Innerhalb des Labor-Aufbaus, bei dem die Schaufel in Tauchtechnik geprüft wird, stellt
sich die starke Dämpfung der Rayleighwelle an der Oberfläche als limitierender Faktor für
einen Serienbetrieb heraus. Ziel ist es, zukünftig die Rayleigh-Welle an einer Grenzfläche
Luft/TiAl laufen zu lassen, und die Struktur in einem B-Scan Verfahren zu prüfen. Hierzu
sollte mit einem direkt fokussierten 1D-Array in Kontakttechnik mit zusätzlicher
elektronischer Fokussierung, die Schallwelle an der Oberfläche eingekoppelt werden
(Abbildung 9). Die Reflexion der Kante am Ende des Prüfbereiches kann resultierend für
eine Verifikation einer guten Schalleinkopplung verwendet werden.
Abbildung 9: Mögliche Anordnung einen Arrays zur Prüfung mittels B-Scan
Referenzen:
[1]
P. Berwig, Bachelor Arbeit β€žAnwendung von Ultraschall-Rayleigh-Wellen zur
Rissdetektion an Turbinenschaufeln aus Titanaluminidβ€œ, HS München, 2014
[2]
J.L. Blackshire: Nondestructive Materials Characterization, Springer Verlag, 2003
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