Bauer, Tierarzt und Pferdezüchter aus Passion

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Bauer, Tierarzt und Pferdezüchter aus Passion
Management
Bauer, Tierarzt und
Pferdezüchter aus Passion
ten Generation eine Fleischhauerei in der
Villacher Innenstadt, die seine Schwester
Mathilde übernehmen wird.
„Bub, du gehst ins Gymnasium und
machst danach eine gescheite Ausbildung“, das waren die Worte meiner Oma.
Sie hat selbst das Gymnasium besucht
und ihr Leben lang gearbeitet. Sicher hat
sie den Grundstein gelegt und mich dazu
animiert, dass Lernen wichtig fürs Leben
ist. Mit Spaß und Freude Lernen war für
mich eine gelungene Abwechslung zu der
bestehenden Hofarbeit.“
Frühe Verantwortung
Fotos: Michenthaler
Von Kindesbeinen an hat der Villacher
am elterlichen Betrieb geholfen und ab
der Gymnasialzeit zusätzlich in der
Innenstadt-Fleischhauerei mit angepackt.
Was zuerst Pflicht war, ist später zur Freude, Berufung und zum Beruf geworden.
„Ich wusste schon in der Volksschule, das
ich Tierarzt werden will“, und es war vorhersehbar, das mich mein Lebensweg als
ich den Abschluss des Gymnasiums in
der Tasche hatte, nach Wien verschlagen
wird, um Veterinärmedizin zu studieren.
Der „Zufall“ ermöglichte es, dass ich nach
dem Studium ein Jahr in Oberösterreich
bei einem Tierarzt praktizieren durfte. In
dieser Zeit bekam ich die Chance, eine
Dissertation zu schreiben und hätte in
Oberösterreich als Tierarzt weiterarbeiten
können. Auch eine Rückkehr an die Veterinäruniversität als Assistenzarzt samt
wissenschaftlichem Karriereweg war eine
Option. Mein Bauchgefühl und der elterliche Betrieb holten mich letztlich wieder
zurück nach Kärnten.“
Tigerwallach „Lupo“ mit seinem stolzen Besitzer beim regelmäßigen Ausreiten.
Hofportrait Dass Tierärzte
auch gute Landwirte sein können, beweist Johann Wiedauf
aus Villach. Anna Maria
Michenthaler hat ihn besucht.
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it mehreren Standbeinen u. a.
als Tierarzt, Landwirt und Noriker-Züchter machte er seinen
Beruf zum Hobby. Johann Wiedauf (35)
aus Villach weiß, das er für seinen Erfolg
immer etwas tun muss. Seine Eltern (Mathilde und Johann) führen seit der vier-
Tierbetreuung
und Hofmanagement
Das die Wirtschaftsflächen an beiden Höfen im Umkreis von ca. 20 km sind, ist
darauf zurückzuführen, das Wiedaufs
Großeltern einen Stall ohne Grund und
ohne Bewirtschaftung gekauft haben.
„Nachdem meine Eltern bereits mit der
Landwirtschaft begonnen haben, war es
mir ein Bedürfnis, diese weiter auszubauen. Jeder in der Familie packt mit an. Auf
den Feldern werden Mais und Getreide
angebaut, die ich von den umliegenden
Wirtschaftsflächen nach Villach auf den
Betrieb hole. Eine weitere Futtergrundla4/2009
Ein Mann,
der kein Blatt
vor den
Mund nimmt
Daten und Fakten
Johann Wiedauf (Hofpacht seit 2001), eigene freiberufliche Tierarztpraxis am Hof
mit Schwerpunkt Großtiere samt Kleintierordination (seit 2003)
Ausbildung: Volksschule, Gymnasium,
Studium der Veterinärmedizin in Wien,
einjährige Praxis bei einem Tierarzt in OÖ,
ständige fachliche Weiterbildung.
Arbeitskräfte am Hof: Eltern und Schwester Mathilde
Flächenausmaße: 34 ha, davon 17 ha
Acker, 17 ha Grünwald, 12 ha gepachtete
Alm. Drei Ställe, davon zwei Kuhställe,
einer mit 30 Rindern, einer für 60 Rinder,
18 Pferdeplätze (auch für Einsteller).
Hofstelle: Wohnhaus (120 m2 mit eingerichteter Kleintierordination und Büroräumlichkeiten), Stallnebengebäude mit
kleinem einstöckigem Wohnhaus (70 m2),
Lagerhalle
Tierbestand: 85 Rinder, davon 20 Mutterkühe und der Rest Mastvieh. Diverse Klein-
ge bildet die Villacher Brauerei. Dort bekomme ich Biertreber, das nahrhaft und
eiweißreich ist. Wenn mich meine Tierarztarbeit sehr in Anspruch nimmt, machen meine Eltern die Stallarbeit.“ Nicht
alles ist vorhersehbar und schon gar nicht
planbar. So melden sich z.B. Kälbchen
nicht an, wenn sie mitten in der Nacht
auf die Welt kommen wollen.
Wiedauf pendelt aus Überzeugung
zwischen seinen Berufen.
4/2009
Johannn Wiedauf mit Hofhund „Baron“.
tiere (Hasen, Sulmtaler Hühner, Katzen,
Labrador-Mischling Baron.
Maschinenpark: drei Traktoren (Fiat, Steyr,
IHC), übliche Maschinen und Geräte.
Hobbys: Reiten und seine Berufe.
Norikerzucht wird forciert
„Auf Dauer lässt sich der Job als Tierarzt
und Landwirt nicht vereinbaren. Der Vorteil als Tierarzt ist, das ich Krankheiten
selbst behandeln kann. Dadurch, dass
meine Felder auseinander liegen und die
Modernisierung an der Hofstelle zu teuer
ist, muss ich Entscheidungen treffen.
Deshalb versuche ich bereits einen weiteren Betriebszweig und zwar den der vom
Aussterben bedrohten Rasse der Norikerpferde aufzubauen.“ In Wiedaufs Stall stehen mittlerweile bereits 18 Pferde. Auf einen seiner Wallache ist er besonders
stolz. Es ist ein wunderschön gezeichneter Schwarzflecktiger, der am Hof schonend eingeritten worden ist und in weiterer Folge an das Kutschenfahren gewöhnt
wird. „Die Pferde sind für mich einerseits
ein ausgleichendes Hobby, andererseits
ein zukunftsorientierter Einnahmezweig.
Meine Noriker finden Abnehmer bis an
die Holländische Grenze, in der Schweiz
und in Österreich. Am elterlichen Betrieb
gab es von Kindesbeinen an immer einige
Noriker. Ich selbst habe nach dem Studium schön langsam begonnen die Zucht
der Noriker aufzubauen.“ (sp)
dlz-Autorin Anna Maria
Michenthaler ist Lebensund Sozialberaterin sowie
freie Journalistin
(www.lebensberatungkaernten.com).
Landwirt, Pferdezüchter
und Tierarzt Johann Wiedauf nimmt kein Blatt vor
dem Mund. Für die Landwirtschaft sieht er durchaus
wieder bessere Einkommenschancen. Trotzdem sieht er
den Tierarztberuf für sich
selbst als Hauptstandbein.
Wie ist die aktuelle Situation am Hof
der Familie Wiedauf?
Wiedauf: „Ich tät gerne hauptberuflicher Bauer sein, kann aber nicht. Wenn
ich genügend Geld hätte, würde ich einen neuen modernen Stall kaufen. Das
Verhältnis zwischen Preis und Produkt
hat sich verändert. Ich will überschaubare Ein- und Ausgaben und keine Schulden. Ich habe Tage, da wär ich lieber
Bauer alleine, meistens dann, wenn meine Tierarztdienste sehr anstrengend und
besonders anspruchsvoll sind. Überwiegend sind die Tage, wo ich gerne Tierarzt
bin und es in Zukunft bleiben möchte.
Das Problem, die Landwirtschaft versorgungsgerecht weiterzuführen, liegt darin, dass meine Eltern und die Schwester
einen Volljob in der Fleischhauerei haben. Wir werden in nächster Zeit Entscheidungen treffen müssen, ob und wie
es mit der Landwirtschaft weitergehen
wird.
Wie hat sich das Arbeitsprofil des
praktischen Tierarzts verändert?
Wiedauf: Vor Jahren war der Beruf des
Tierarzts vergleichbar mit dem eines
Feuerwehrmanns, die immer und überall einsatzbereit sind. Wenn ein Tier
krank ist, dann ist und war es selbstverständlich, dass der Tierarzt kommt.
Mittlerweile geht die Tendenz vor allem
in großen Betrieben dahin, Krankheiten
zu vermeiden. Somit fällt die „klassische“
Behandlung des Einzeltiers weg, da große Betriebe viel mehr in die Prävention
wie z. B. Fütterungs- und Fruchtbarkeitsmanagement investieren. Man schaut im
Vorfeld, um etwaige Problemstellen auszuschalten und richtet die Futtermittel
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erst als österreichische Qualität kennzeichnen. Der Konsument soll wissen woher
die Ware kommt und es von der Geburt
des Tieres bis zum Verzehr nachvollziehen
können.
und die Tierhaltung danach aus. Eine spezielle Situation gibt es in Kärnten, bzw.
ganz Österreich. Die kleinen strukturierten
Landwirtschaften werden zur Problemstellung im Wettbewerb. Ich persönlich bewundere jeden Bauer, der noch weitermacht. Lebensmittel haben an Wertigkeit
verloren, 1 l Milch kostet ca. 70 Cent, ein
großes Bier oft schon 4 €. Jeden Tag werden zig Tonnen Lebensmittel in den reichen Ländern einfach weggeschmissen,
das regt zum Nachdenken an.
Wo wollen Sie mit Ihrem Hof im Jahr
2015, wo im Jahr 2030 stehen?
Wiedauf: Im Jahr 2015 wird die Norikerzucht ausgebaut sein. Generell will ich die
Noriker als Reit- und Freizeittier vermarkten. Die Frage, ob Stallneubau und modernisieren oder reduzieren, ist wie gesagt
noch offen. Ich kann es mir aber vorstellen, neben meiner Tierarzttätigkeit Hobbybauer mit wenigen Rindern zu bleiben.
Daher hoffe ich, dass ich im Jahr Jahr 2030
noch auf irgendeine Art und Weise als
Landwirt tätig bin.
Der Fleisch- und Viehhandel meiner Familie wird weiterbestehen, nachdem meine
Schwester in der Fleischhauerei arbeitet.
Unsere Familie ist eine von wenigen in
ganz Kärnten, wo die gesamte Produktion
von der Schlachtung bis zum Endprodukt
im eigenen Betrieb passiert. Die Großbetriebe nehmen überhand, die mittleren
Gewerbebetriebe sterben langsam aus,
ebenso die Fleischhauereien.
Wie hat sich der Tierarztberuf in der
Landwirtschaft geändert?
Wiedauf: Das Grundprinzip zwischen
Tierärzten und Landwirten, dass der Landwirt in die Behandlung miteingebunden
werden kann, ist in Ordnung. Dort, wo
Kompetenzen beschnitten werden, ist es
nicht vertretbar. Die Aufgabenbereiche
und Regelungen des Tierarzts und die der
Landwirte sollen eingehalten werden.
Was sind Ihre Nachjustierungsvorschläge den (Ö)TGD betreffend?
Wiedauf: Alles, was die Zusammenarbeit
zwischen Landwirt und Tierarzt optimiert,
ist wünschenswert, ebenso was zur Qualitätssicherung der heimischen Produkte
beiträgt.
Wie schätzen Sie die derzeitige Lage
von Österreichs Bauern ein? Wie die Lage im Jahr 2015 und 2030?
Wiedauf: Bis zum Jahr 2015 werden sich
die Bauern in zwei Gruppen spalten: Die
eine Gruppe wird im Nebenerwerb aktiv
sein, die andere Gruppe wird sich im Vollerwerb spezialisieren. Wir sind von den
Förderungen der EU abhängig, deshalb
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Der Villacher Tierarzt Johann Wiedauf
bei den Vorbereitungen für eine künstliche
Rinderbesamung.
stellt sich mir die Frage, wie viel uns gepflegte Landwirtschaft und heimische Produkte wert sein werden. Wenn die Wiesen
gemäht sind und die Landschaften gepflegt, sollte die Leistung dafür dementsprechend honoriert werden. Die Landschaft in Kärnten und Teilen Österreichs verfügt nicht über riesige Flächen wie im Osten. Wenn die Landwirtschaft in all ihrem
Nutzen optimaler vermarktet wird, steigt
der Wert. Der Qualität von gesunden Lebensmitteln sollte in der Wertschöpfungskette mehr Beachtung geschenkt werden.
Im Jahr 2030 wird es wegen der klimatischen Veränderungen weniger Nahrungsmittel geben. Der Preis dafür wird dann
wieder ansteigen.
In Europa werden wir „durchhalten“. Idealistische Bauern wird es immer geben. Die
Mittelbetriebe werden sich umorientieren
zu kleineren Betrieben und den wirtschaftlichen Nutzen aus Ihrem Betrieb herausholen. Stadtnahe Betriebe können Ihre Produkte am Markt anbieten, Landbetriebe
müssen Ihren Absatz woanders suchen.
Wie sehen Sie die Diskussion um die
Fleischkennzeichnung?
Wiedauf: Der Konsument soll nachvollziehen können, woher das Produkt kommt.
Wo Österreich draufsteht, soll österreichische Qualität drinnen sein, von der Tierhaltung bis zur Vermarktung. Derzeit wird,
wenn z. B. ein Schwein aus Deutschland in
Österreich geschlachtet wird, dieses automatisch als österreichische Qualität gekennzeichnet. Das gehört verändert, denn wenn
ein Schwein in Österreich aufwächst und bis
zur Endproduktion österreichisch ist, dann
könnte man es nach meinem Verständnis
Welchen Handlungsbedarf sehen Sie
daher bei der Auslobung und Kennzeichnung?
Wiedauf: Der Konsument kauft qualitätsvolle Ware, wenn er weiß, woher sie
kommt und gibt dafür auch etwas mehr
aus. Der gesundheitliche Aspekt rückt
mehr in den Vordergrund, beim Essen
nicht zu sparen. Ich könnte dem Konsumenten einen Anreiz geben, das Produkt
zu kaufen. Eine höhere Transparenz würde
erzielt werden, wenn Tierarzt, Landwirt
und Fleischer an einem Strang ziehen und
optimale Ergebnisse erzielen. Die Vermarktung hinkt noch hinterher. Der Konsument braucht die Sicherheit, dass er bei
österreichischer Qualität ein gesundes
Produkt aus artgerechter Tierhaltung auf
den Tisch bekommt. Unsere Systeme wie
der (Ö)TGD sorgen für diese Nachvollziehbarkeit und die damit verbundene
Transparenz.
Wie ist Ihre Einstellung gegenüber der
Verabreichung von Antibiotika?
Wiedauf: Ich verabreiche Antibiotika den
Tieren nur bei bakteriellen Infektionen, ohne diesen geht es leider nicht. Der Mensch
kann z. B. einen Harnwegsinfekt auch
nicht ohne Antibiotika ausheilen. Es gibt
gesetzlich vorgeschriebene Wartezeiten,
wenn dem Tier Antibiotika verabreicht
werden, die bis zur Verwendung des Fleisches strikt eingehalten werden müssen.
Ich sehe da keine Gefährdung.
Wie stehen Sie zur Diskussion bei der
Blauzungenerkrankung und den so genannten Impfverweigerern?
Wiedauf: Die Impfung ist gesetzlich verordnet worden. Jeder Tierhalter sollte
nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Ich als Tierarzt bin natürlich für
eine Impfung.
Noch ein Wort zu den Norikern: Ist dies
Hobby oder Zucht?
Wiedauf: Mir geht es nicht um den finanziellen Aspekt. Ich mag Noriker bereits seit
meiner Kindheit. Noriker sind für mich individuell einsetzbar, als Freizeit- und Sporttier, für jeden Hobbyreiter geeignet. Diesen
Bereich will ich fördern und erweitern. Mit
zwei meiner Partner hat sich eine optimale
Arbeits-egänzung ergeben. Ich stelle die
Futtermittel, Sägespäne und die Behandlung der Pferde zur Verfügung, während
meine Partner die Pferde regelmäßig reiten,
füttern und putzen.
– amm –
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