s01 Titel 10-07 - CAD+Modelltechnik Jung
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s48 Koaxialrotoren:Layout 1 12.12.2007 11:11 Uhr Seite 48 Bei den kleinen Indoor-Modellhubschraubern hat das koaxiale Rotorsystem eine regelrechte Revolution ausgelöst. Doch woher kommen diese stabilen Flugeigenschaften, die sogar Einsteigern nach relativ kurzem Training erste Erfolge ermöglichen sollen? Und warum hat sich dieses Rotorsystem eigentlich nie richtig bei den manntragenden Hubschraubern – oder wenigsten den »großen« Modellhubschraubern – durchsetzen können? Mit diesen und anderen Fragen rund um das koaxiale Rotorsystem beschäftigt sich der folgende Beitrag. Zu Beginn der Hubschrauberentwicklung wurden Koaxialrotoren wesentlich häufiger eingesetzt als heute, denn man versprach sich von dieser Rotoranordnung eine höhere Effizienz. Ein Beispiel dafür ist die französische Konstruktion »Gyroplane-Laboratoire« aus dem Jahr 1933, bei der zwei Zweiblattrotoren verwendet wurden. Heutzutage kommen fast alle manntragenden Koaxialhubschrauber von dem russischen Hersteller Kamov, der sich auf diese Bauweise spezialisiert hat. Firmengründer Nikolai Kamov setzte von Anfang an auf Koaxialrotoren und entwickelte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mit der einsitzigen Ka-8 seinen ersten Koaxialhubschrauber. Später konstruierte Kamov zahlreiche weitere Koaxialhelis für verschiedene Aufgaben, darunter auch große Marine-Hubschrauber, die bis heute bei der russischen Marine in Dienst stehen. In der westlichen Eine der ganz wenigen »ausgewachsenen« Koaxial-Mechaniken mit allen Funktionen des manntragenden Vorbilds wird derzeit von der Firma CAD Modelltechnik Jung angeboten. Welt werden zivile KamovHubschrauber aufgrund ihrer stabilen Schwebeflugeigenschaften meist als fliegende Kräne bei präzisen Installationen, wie dem Errichten von Masten, Antennen oder Seilbahnanlagen, eingesetzt. Technik und Funktion von Koaxialrotoren Besondere Eigenschaften Das Koaxialrotorsystem besteht aus zwei gegenläufig drehenden Hauptrotoren, die in einer gemeinsamen Drehachse übereinander angeordnet sind. Die charakteristische Besonderheit dieser Bauweise besteht darin, dass sich die Drehmomente der beiden Rotoren aufheben und daher kein gesonderter Drehmomentausgleich durch einen Heckrotor erforderlich ist. Der Verzicht auf den Heckrotor ist ein wesentlicher Aspekt, der bei Koaxial-Hubschraubern für einen besonders stabilen Schwebeflug sorgt. Bei »konventionellen« Hubschraubern mit Hauptund Heckrotor sorgt der Heckro- Das Original: Der Hirobo X.R.B revolutionierte vor rund fünf Jahren die Indoor-Heliszene. 48 tor nämlich nicht nur für den Drehmomentausgleich und die Giersteuerung, sondern erzeugt durch seinen seitlichen Schub im stationären Schwebeflug auch eine seitliche Drift, die ständig mittels Rollsteuerung ausgeglichen werden muss. Dies ist bei einem Koaxialhubschrauber nicht der Fall. Ein weiterer Vorteil des Koaxialrotors ist sein deutlich höherer, spezifischer Rotorschub im stationären Schwebeflug. Dieser wird durch den unteren Rotor initiiert und ist nach Untersuchungen des Großhubschrauberherstellers Kamov um rund 13 Prozent höher als bei einem vergleichbaren Einzelrotor. Infolge des höheren Luftdurchsatzes steigt beim Koaxialrotor natürlich auch der spezifische Rotorschub. Da bei einem Koaxialhubschrauber zudem keine zusätzliche Antriebsleistung für eine Heckrotor benötigt wird, ist der Rotorschub – bei selber Antriebsleistung – sogar um insgesamt rund 20 Prozent höher, als bei Systemen mit Haupt- und Heckrotor. ROTOR 1/2008 s48 Koaxialrotoren:Layout 1 12.12.2007 11:11 Uhr Seite 49 Der Walkera HM-5/5 (links) ist gerade mal 20 Zentimeter lang und wiegt mit 121 Gramm nur halb soviel wie die bisher üblichen IndoorKoaxhelis. Trotzdem fliegt er – dank seiner überdimensionierten Stabilisatorstange – fast genauso stabil. Rotormast eines Blade CX2 (rechts). Während der untere Rotor mittels Taumelscheibe aktiv gesteuert wird, ist der obere Rotor nur mit der Stabilisatorstange verbunden. In dieser Konfiguration neigen sich beide Rotorkreise in unterschiedliche Richtungen, wodurch ein großer Abstand erforderlich ist. Aufbau und Steuerung Bei einem Koaxialrotor sitzt der untere Rotor auf einer Hohlwelle, in der die zweite Welle für den gegenläufigen, oberen Rotor gelagert ist. Die Steuerung der beiden Rotoren erfolgt wie üblich mit einer Taumelscheibe und Steuerstangen. Da die Rotoren jedoch in entgegengesetzte Richtungen drehen, kann der obere Rotor nicht direkt mit der unten liegenden Taumelscheibe Bild: Hubschraubermuseum Bückeburg Der einsitzige Gyroplane-Laboratoire des Franzosen Louis Breguet aus den frühen 30er Jahren gilt als erster voll funktionsfähiger Koaxialhubschrauber. Rotormast eines Kamov Ka-32. Laut Kamov beträgt der aerodynamisch günstigste Abstand zwischen den Rotoren etwa ein Zwölftel des Rotordurchmessers. Bei IndoorKoaxhelis ist dies aus technischen Gründen nicht realisierbar. verbunden werden. Aus diesem Grund ist eine zweite Taumelscheibe zwischen den beiden Rotoren erforderlich. Die Steuerung der Nick- und Roll-Funktion erfolgt wie beim normalen Hubschrauber mittels zyklischer Blattverstellung. Drehungen um die Hochachse (»Gieren«) werden beim Koaxialrotor dagegen durch eine gegensinnige, kollektive Blattverstellung gesteuert. Hierbei wird bei einem der beiden Rotoren der kollektive Blattanstellwinkel erhöht, während er beim anderen Rotor entsprechend reduziert wird. Durch den dabei entstehenden Drehmoment-Unterschied zwischen beiden Rotoren, dreht sich der Rumpf entgegen des Rotors mit erhöhtem Anstellwinkel. Der Gesamtauftrieb bleibt in Summe jedoch erhalten, so dass keine Korrektur mit dem Pitchhebel erforderlich ist. Einsatz im Modellhubschrauber Bisher wurden Koaxialrotoren, trotz ihrer offensichtlichen Vorteile, nur selten bei Modellhubschraubern eingesetzt. Dies liegt vor allem an ihrem relativ komplizierten Aufbau mit zusätzlichem Umkehrgetriebe und Hohlwelle, sowie zwei Rotorköpfen und Taumelscheiben, wodurch natürlich auch die Herstellkosten massiv ansteigen. Bei manntragenden Koaxialhubschraubern kommen noch spürbar höhere Wartungskosten ROTOR 1/2008 als bei konventionellen Hubschraubern hinzu. Anders sieht es bei den beliebten Indoor-Koaxialhubschraubern mit ihren »fixed-pitch«-Rotoren ohne kollektive Blattverstellung aus. Hier ersetzen zwei kleine Elektromotoren mit unterschiedlichen Laufrichtungen ein aufwendiges Umkehrgetriebe, und da nur der untere Rotor aktiv gesteuert wird, entfällt auch die zweite Taumelscheibe. Der obere Rotor ist lediglich mit einer Stabilisierungsstange verbunden. Bei der Verwendung von »fixed-pitch«-Rotoren fällt auch die komplexe Anstellwinkeldifferenzierung zwischen oberem und unterem Rotor für Drehungen um die Hochachse weg. Diese Funktion wird bei Indoor-Koaxialhubschraubern einfach durch Drehzahlunterschiede der beiden Antriebsmotoren gesteuert. Trotz der genannten Vereinfachungen bleiben die positiven Eigenschaften des koaxialen Rotorsystems weitgehend erhalten – und dies bewog die Firma Hirobo 2002 zur Konstruktion des ersten Indoor-Koaxialhubschraubers XRB, der im Gegensatz zu allen anderen Indoor-Helis der damaligen Zeit sensationelle Schwebeflugeigenschaften hatte. Der Rest ist Geschichte. Gunther Winkle 49