Empathie, Tabubruch, Katharsis
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Empathie, Tabubruch, Katharsis
Masterthesis - schriftlich - 3. Februar 2015 Master of Arts in Design – Animation Empathie, Tabubruch, Katharsis Moderner Trickfilmhumor für Erwachsene Jane Mumford Hochschule Luzern, Design&Kunst Dozierende: Jan Eckert, Fred Truniger Mentor: Frank Hesse Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Abbildungen Titelseite: Oben Links: The Skeleton Dance (1929), Walt Disney, Still. Auf: <http://img3.wikia.nocookie.net/__cb20130619214827/disney/images/3/39/The_skeleton_dance_6large.jpg>, gespeichert am 23.12.2014 Oben Rechts: Ren & Stimpy (1991-96), NIckelodeon, Gif-Still. Auf: <http://3.bp.blogspot.com/-UJwwZoQzcLs/UzxTyXnmW1I/ AAAAAAAA4LI/6qy87JIR0VE/s1600/Ren%2526Stimpy_5.gif>, gespeichert am 30.1.2015 Unten Links: TripTank, «Pool Party» (2014), Comedy Central, Still. Auf: <http://payload245.cargocollective. com/1/13/419751/7211135/Triptank_PoolPartyFullRes_102113%200-00-15-10.png>, gespeichert am 13.1.2015 Unten Rechts: South Park, «The Human CentiPad» (2011), Comedy Central, Still. Auf: <http://campblood.org/Newblog/wpcontent/uploads/2011/04/humanCentiPad.jpg>, gespeichert am 30.1.2015 2 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre hiermit an Eides Statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbständig angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Datum: Luzern, den 3.2.2015 Unterschrift: 3 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 4 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis INHALTSVERZEICHNIS 7 Abstract 9 1. Einführung 12 12 15 16 18 2. Theorien zum Lachen 2.1 Lachen als Resultat eines kognitiven Prozesses 2.2 Lachen als Resultat eines emotionalen Prozesses 2.3 Empathie und Humor 2.4 Empathische Besonderheiten im Trickfilm 21 21 22 23 3. Wahrnehmungsebenen im Trickfilm 3.1 Bildebene - Naturalismus und Abstarktion 3.2 Tonebene - «echt» oder «cartoony» 3.3 Narrativ-cinematographische Ebene - expect the unexpected 25 4. Der Kriterienkatalog für die Analyse 27 29 36 43 49 5. Trickfilmbeispiele: die Analysen 5.1 South Park 5.2 Family Guy 5.3 TripTank 5.4 Zusammenfasung Trickfilmbeispiele 50 6. Gegenüberstellung Trickfilm - Realfilm 53 7. Schlussfolgerungen 57 57 59 61 63 65 67 69 76 I Bibliographie II Online-PDFs III Filmographie IV Internetnachweise V Bildquellen VI Bildquellen Annex VII Glossar VIII Trickfilmhumor - ein kurzer historischer Abriss IX Stimmen zu Trickfilmhumor für Erwachsene 5 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 6 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis «Humor is seen as a Key factor in interest and as an important attention device, an important stylistic feature, as an element which affects ethos, and as an important element in acceptance. Humor is seen as basic to entertainment value, as a means of establishing audience polarity, as a strong weapon in attack and defense - including reductio ad absurdum» (Anderson 1972, S.2 ) Abstract Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit Trickfilmhumor. Der Humorstil vieler moderner Trickfilmserien für Erwachsene ist oft von Schock und Tabubruch geprägt, sowohl in den grafischen Darstellungen als auch auf inhaltlicher Ebene. Diese Art von Darstellungen und Handlungen lösen im Zuschauer kathartisches Lachen aus, welches sich aus der Lösung innerer Spannungen (psychologischer und dramaturgischer Natur) sowie aus dem Schock eines Tabubruches ergibt. Trotz diesen schockierenden Elementen wissen Trickfilme jedoch, die Sympathie des Zuschauer durch eine strategische Nutzung von empathischen Elementen und Figuren aufrecht zu erhalten, was bei den populärsten Serien wie The Simpsons und South Park sicherlich eine wichtige Zutat für ihr langjähriges Bestehen ist. Dazu werden auf formaler Ebene typisch trickfilmspezifische Eigenschaften eingesetzt, inhaltlich gibt es jedoch in Humorgenre und Humorstil erstaunlich wenige Unterschiede zu modernen Realfilmcomedies. In einer Analyse verschiedener Beispiele von Trickfilm- und Realfilmcomedy für Erwachsene wird untersucht, welche humoristischen und Mittel und welche Empathiestrategien tatsächlich noch dem Medium Trickfilm vorbehalten sind, und inwiefern sie den heute typischen kathartischen Humorstil beeinflussen. 7 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 8 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 1. Einführung Abbildungen 1-3: Kontroverse moderne Trickfilmsitcoms: «Drawn Together», «Ugly Americans» und «Brickleberry» (v.l.n.r.) Ausgsangslage Trickfilme werden auch nach einem beinahe 100-Jährigen Bestehen vornehmlich als Kindermedium wahrgenommen. Wenige Serien haben den Sprung zur Assoziation mit erwachsenem Humor geschafft, darunter Familiensitcoms wie The Simpsons, Family Guy und American Dad, oder gewagtere Serien wie Drawn Together, Ugly Americans und Brickleberry (siehe obere Abbildungen). Seit einiger Zeit beobachte ich mal aus kritischer Distanz, mal aus beteiligter Begeisterung, die Entwicklung von populären Comedyserien für Erwachsene hin zu expliziten Darstellungen und der (Über-)Benutzung des «Schock-Faktors». Fernsehserien gelten dann als «18+» wenn sie die Entwicklung der jugendlichen Psyche gefährden indem sie etwa Gewalt fördern, übermässig Angst erzeugen oder eine «sozialethische Disorientierung» erschaffen (vgl. Wikipedia, 29.1.20151). Trickfilmhumor für Erwachsene scheint heute genau solche Aspekte zu bevorzugen. Der Humor zeichnet sich durch explizite Darstellungen von Gewalt, Sexualität und tabuisierten Verhaltens aus. Da Trickfilme unbegrenzte visuelle Möglichkeiten haben, wäre es naheliegend zu glauben, dass solche grenzwärtigen Tabuthemen und explizite Darstellungen für ihr Medium besonders geeignet wären. Doch einen ebenso visuellen und tabubrechenden Humor finden wir in beliebten Realfilmcomedies und -sitcoms wie z.B. Little Britain, Key and Peele oder Workaholics (siehe Abbildungen unten). Abbildungen 4-6: Populäre moderne Sketchcomedyshows: «Little Britain», «Key&Peele» und «Workaholics» (v.l.n.r.) 1http://de.wikipedia.org/wiki/Freiwillige_Selbstkontrolle_Fernsehen 9 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Fragestellung Wenn die Annahme stimmt, dass Trickfilme besonders gut geeignet sind, mit visuellen Darstellungen schockieren zu können: mit welchen grundlegenden Trickfilm-affinen Attribut erreichen sie dies? Oder sind sie etwa gar nicht grundlegend besser dafür geeignet, und folgen bloss dem humoristischen Trend einer Generation? Hypothese Ein Lachen, das einem Schock folgt, ist Freud’s psychoanalytischen Theorien zufolge eine «Ersparung an Hemmungs- oder Unterdrückungsaufwand» (Freud, 1940, S.133). Ein erleichterndes, kathartisches Lachen, bei dem eine innere Hemmung oder die Unterdrückung eines tabuisierten Gedankens überwunden wurde. Trickfilme können durch ihre klare visuelle Distanzierung zur Realität womöglich leichter und konsequenzloser solche innere Barrieren überwinden, und uns mit ihnen diese mit-überwinden lassen. Gleichzeitig lassen sie Zuschauer als Projektionsfläche stärker mit den Trickfilmfiguren identifizieren. Je mehr wir uns in die Figuren einfühlen können, die kathartischen Aktionen vollziehen, umso stärker auch der kathartische Effekt in uns selbst - also das reinigende Gefühl, sich von einer inneren Spannung, die dem Einhalten eines Tabus entstemmt, gelöst zu haben. Eine solche Gefühlskombination aus Befreiung, Erleichterung und Unterhaltung hat Suchtpotential - und vielleicht sind genau deshalb die expliziteren Serien heute so populär. Eingrenzung Die derzeit populärsten Animationsserien für Erwachsene haben vieles gemeinsam: auf der Tonebene die Gemeinsamkeit der Dialoglastigkeit, und auf der Bildebene den gezielt reduzierten Animationsstil. Ich halte mich für meine Analyse an amerikanische Beispiele. Ihre Ausbreitung in der westlichen Medienlandschaft ist für mich ein Zeichen dafür, dass ihr Humorstil nicht nur ländereigen ist, sondern ganze Generationen anzusprechen scheint. Somit hoffe ich davon ausgehen zu können, dass diese Serien auch die grossflächigen Trends modernen Trickfilmhumors für Erwachsene repräsentieren. Gliederung Im folgenden Kapitel spreche ich zuerst über Theorien des Lachens (Kapitel 2.1 und 2.2), um dann die spezifischen Auslöser unseres Lachens im Bezug auf kathartischen Humor im Trickfilm anzusprechen (Kapitel 2.3 und 2.4). Dabei interessiert mich die Frage, inwiefern Trickfilme auf die Empathie des Zuschauers angewiesen sind, und wie sie diese für humoristische Zwecke nutzen. In Kapitel 3 und 4 werde ich die Herleitung meiner Methode zur Analyse von Trickfilmbeispielen erläutern. Analytisches Vorgehen Die Beispielanalyse dient zur Überprüfung, ob Trickfilme tatsächlich trickfilmspezifische Elemente für kathartische Witze einsetzen, und ob sie unsere Empathie auf andere Art als Realfilmcomedies manipulieren. Mit den oben erwähnten Auslösern kathartischen Lachens im Hinterkopf werde ich anhand von Beispielen versuchen, Tendenzen und Gemeinsamkeiten im Humor moderner Trickfilmserien für Erwachsene festzustellen. Dazu werden die einzelnen Clips in Wirkungsebenen aufgeteilt (Bild, Ton und zeitlich-narrative Aspekte wie Schnitt, Erzählstil 10 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis etc. siehe Kapitel 3) um die Einwirkung einer jeden Ebene auf einzelne kathartische Momente zu eruireren. Für die detaillierte Analyse all dieser Ebenen nutze ich ein Amalgamat der GTVH (General Theory of Verbal Humor, siehe Kapitel 2.1) und eine von der Kunstwissenschaftlerin Annie Gérin abgeleitete Methode, welche ein Kunstwerk Schicht für Schicht, formal bis inhaltlich betrachtet und analysiert, um schlussendlich eine intrinsische Botschaft auszuformulieren (siehe Kapitel 4). Durch das Kapitel 5 hindurch werden Trickfilmbeispiele untersucht und schliesslich in Kapitel 6 einigen Realfilmbeispielen für ausgewählte Vergleiche gegenübergestellt. Die Schlussfolgerung in Kapitel 7 versucht schliesslich, aus den Analysen und Vergleichen eine allgemeine Beobachtung zu ziehen, welche sich auf die Entwicklung modernen Trickfilmhumors für Erwachsene ausweiten lässt. Relevanz Als eher feinfühliger Teenager war ich schockiert und empört über Serien wie South Park, als ich sie zum ersten Mal am Fernsehen sah. Heute aber bin ich ein grosser Fan des kathartischen und gesellschaftskritischen Kerns der Serie, und bewundere sie wegen genau den Elementen, die mich früher entsetzten. Die faszinierenden psychologischen Zusammenhänge zwischen Katharsis, Humor und dem Trickfilmmedium besser kennen zu lernen ist für mich perönlich auch darum eine grosse Bereicherung, da ich den längerfristigen Wunsch hege, mehr Satire in meine eigene Arbeit einfliessen zu lassen. Diese Zusammenhänge sind aber auch allgemein für Trickfilmschaffende und Humoristen wichtig, um ihr Publikum zu erreichen - sei es als Autorenfilmemacherin das Kurzfilmpublikum, in der Animationsbranche ein Werbekunde und durch ihn ein grosses Fernsehpublikum, oder als Charakterdesignerin in einer Grossproduktion - da populärer Humor wie eingangs beschrieben zur Zeit aus eben diesen schockierenden und doch unterhaltsamen Elementen besteht. Für das breitere Spektrum von Design Research kann die Analyse von modernem Trickfilmhumor hoffentlich einen Beitrag leisten im grösseren Diskurs über Humortrends, den gesellschaftlichen Umgang mit heiklen Themen und womöglich vom Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenenhumor. Detaillierte Vergleiche zwischen einzelnen Trickfilmserien und -Kurzfilmen aus Perspektive einer Humorforschung sind mir während meiner Recherche keine über den Weg gelaufen, sehr wohl aber aesthetische und narrative Vergleiche. Meine Arbeit sehe ich aber auch als Teil der grösseren aesthetischen Auseinandersetzung mit Trickfilmen, da in der Analyse durchaus formale Gemeinsamkeiten in Bild- und Animationsstil und ihre Einwirkungen auf Humor, Empathie und Katharsis beschrieben werden. Somit hoffe ich, einen spezifischen humorbezogenen, aber auch einen allgemeinen Beitrag zur Betrachtungsweise von modernem Trickfilmhumor für Erwachsene leisten zu können. 11 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 2. Theorien zum Lachen «[...] das Komische oder Lächerliche [ist] also immer die ungefährliche Verletzung irgendeiner Norm» (Prütting 2013, 681) Unser Lachen kann viele Ursachen haben. Man lacht wenn man gekitzelt wird, aus Spott und Schadenfreude, aber auch ob einer erfreulichen Überraschung. Es gibt keine Theorie, die von sich behaupten kann, alle diese Lacharten mithilfe einer einzigen Formel erklären zu können, wohl aber Theorien, die grosse Ursachenbereiche für Lachen abdecken. Da gibt es, um nur die am weitesten anerkannten Beispiele zu nennen: die Inkongruenztheorie, die Bisoziations- oder Kipptheorie, die Distanztheorie, Energietheorie und Superioritätstheorie2, (vgl. Müller-Kampel 2012, S.6) sowie die auf verbalen Humor spezialisierte GTVH (The General Theory of Verbal Humor). Bei der Inkongruenztheorie und der Bisoziationstheorie gehen aktive kognitive Fähigkeiten dem Lachreflex voraus. Bei der Distanztheorie und Energietheorie wird hingegen unsere nicht bewusst steuerbare emotionale Befindlichkeit durch die Narrative eines Witzes oder einer Situation angesteuert und manipuliert, um unser Lachen auszulösen. Schauen wir uns beide Ursachen und ihre Funktionsweise genauer an. 2.1 Lachen als Resultat eines kognitiven Prozesses Lachen als Fehlfunktion Zu Beginn meiner Recherche in dieses Thema hat mich ein grundlegend biologischer Ansatz interessiert, denn es schien mir, dass Lachen in den meisten Fällen von einem ähnlichen Überraschungs- oder Überforderungsmoment ausgelöst wird. Mathematisch-biologische Ansätze sehen den Lachreiz als physische Reaktion auf einen Fehler im Prozess unserer Informationsverarbeitung. M. Suslov («Computational Sense of Humor», 1992) postuliert und erklärt mithilfe von Variabeln relativ nachvollziehbar den Zusammenhang zwischen Lachen und dem Prozess der «Ideenverwerfung», in der eine gefasste Meinung oder Erwartung korrigiert werden muss. Abbildung 7: Eine von der Autorin vereinfachte Grafik aus Suslov›s Arbeit (links) mit einer eigenen beigefügten zusammenfassenden Beschriftung (rechts): ein stark vereinfachtes neuronales Grundmodell der menschlichen Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. 2 Auf diese werde ich allerdings nicht weiter eingehen, da es sich mehr um einen Hierarchie-Wiederherstellenden Affekt handelt als um einen durch den Witz in Gang gesetzten kognitiven Prozess. 12 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Beim Wahrnehmen eines Äusseren Reizes (A) bilden sich Variationen (E) seiner möglichen Bedeutung. Bei Punkt B ist diese Variantenbildung vorüber, weil die Kapazität des Hirns, parallele Möglichkeiten im operativen Gedächtnis bereitzuhalten, irgendwann erschöpft ist. Spätestens bei Punkt B wird A eine mögliche Bedeutung zugeteilt werden müssen, um als bewusster Gedanke nach D in unsere Verarbeitungszentrale weitergeleitet zu werden. Weil Menschen aber oft schon vor dem Ende aller möglichen Variationsbildungen eine Assoziation verknüpfen wollen, wird ein Variationsstrang (hier E) bereits bei Punkt C getroffen und über B direkt ins Bewusstsein weitergeleitet. Falls sich dann durch nachträglich erhaltene Information herausstellen würde, dass die Variante E’ korrekt war, muss dieser zu früh gewählte Strang nachträglich korrigiert werden. Abbildung 8: Eine von der Autorin bearbeitete Version der Grafik aus Abb. 7. Ein neuer Informationszuschuss (A’) bestärkt die Gültigkeit des Strangs E’ und schiesst mit der bestätigten Bedeutungszuordnung E’D an der Verbindung ED vorbei. Der nunmehr irrelevante Punkt C muss aufgelöst werden. Suslov postuliert, dass unser «Sinn für Humor» eher eine Fehlerentdeckungs- und Fehlerbehebungsinstanz ist, die im Laufe unserer Evolution entstand, um schneller Information verarbeiten zu können. Wer schneller Information aufnehmen kann, hat womöglich den Vorteil eines kritischen Reaktionsvorsprungs beim Eintreffen von Unvorhergesehenem - muss aber womöglich öfters seine schnell gemachte Annahme nachträglich korrigieren. (frei nach Suslov 1992, S.7) Dieses Modell wurde anhand von klassischen Wortwitzen erstellt, weshalb ich als nächstes auch eine populäre Theorie verbaler Witze vorstellen werde: Inkongruenztheorie Die Inkongruenztheorie sieht Lachen als direktes Resultat einer kognitiven Überraschung oder Überforderung. Geprägt von solch bekannten und unterschiedlichen Denkern wie Aristoteles, Beattie, Kant und Schopenhauer (Wikipedia, am 3.12.20143), ist sie ein Amalgamat verschiedener Auffassungen und Herleitungen. Arthur Schopenhauer (1788 - 1860) meint damit die Diskrepanz unserer Erwartungen an ein Konzept und dem resultierenden entsprechenden Objekt in der Realität (Wikipedia, am 20.1.20154). James Beattie (1735 - 1803) bezeichnet Lachen wiederum als Resultat der Erkenntnis eines Zusammenhangs zwischen zwei unvereinbaren Gegensätzen (Titze, 2009, S.20). Eine Inkongruenz wahrzunehmen heisst auch immer, ein Stück weit überrascht zu sein über den Fehler in unserer Erwartung und dem schlussendlich wahrgenommenen Resultat. Abbildung 9: Eine von der Autorin bearbeitete Version der Grafik aus Abb. 7. Ein neuer Informationszuschuss (A’) lässt eine nicht in Betracht gezogene Verknüpfung oder alternative Bedeutung entstehen, welche ausserhalb des Bereiches unserer Erwartungen (E-E’) liegt. 3http://plato.stanford.edu/entries/humor/#IncThe 4http://de.wikipedia.org/wiki/Witz 13 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Bisoziationstheorie Es gibt aber auch den Überraschungsmoment beim Eintreten von etwas komplett unerwartetem, aber dennoch harmlosen (vgl. Stanford Encyclopedia of Humor, 27.1.20155) . Wenn dies aus der bisherigen inneren Logik eines Systems vollkommen herausfällt, führt dies ebenfalls zu einem Lachen. Mit Suslov’s Modell wäre es so erklärbar, dass nicht plötzlich ein Nebenstrang desselben Systems aktueller wird als ein bisheriger Strang. Vielmehr wird ein vollkommen neuer Wahrnehmungszweig mit seinen eigenen Verästelungen über das bisher bearbeitete System gelegt. Dies ist eher einer Reizüberflutung als einer nachträglichen Fehlerbehebung gleichzusetzen. Es darf sich aber um kein so fremdes System handeln, dass es überhaupt nichts mehr mit dem vorangegangenen System zu tun hat. Im Humorkontext bestünde dabei die Gefahr, dass nur Verwirrung resultieren würde. Wobei auch dies von Fall zu Fall variieren kann. Nützlich ist bei gewissen Humorformen, dass rhetorische Strategien schnell erkennbar sind. Wo also bereits die Erwartung im Raum steht, dass eine Lösung zu einem Problem humoristisch geboten werden wird, so ist die Auflösung dieser Erwartung - selbst dann lustig anstatt verwirrend, wenn es aus einem komplett neuen System kommt. Denn das übergeordnete System eines Witzes wird dadurch nicht gebrochen. Abbildung 10: Eine von der Autorin bearbeitete Version der Grafik aus Abb. 7. Ein neuer Informationszuschuss (A’) aus einer völlig unerwarteten Richtung prallt auf eine bestehende Bedeutungsebene und bringt ein vollkommen neues System ins Spiel. Eine Verbindung zwischen den Reizen A und A’ herzustellen ist nicht möglich, denn die zwei Systeme haben keine gemeinsamen Verästelungen. Keine Varianten werden gebildet, womit B ausfällt. Verbaler Humor Zusätzlich zu den oben erwähnten Theorien gibt es noch eine allgemein anerkannte Theorie zur Funktionsweise von sprachlichem Humor im Allgemeinen: die General Theory of Verbal Humor (GTVH). Diese ist eine detailierte, aktuelle und von Humorforschern anerkannte Methode zur Ermittlung von Humor in einem verbalen Witz oder einem witzigen Dialog. Die GTVH Analysemethode umfasst folgende Punkte: (vgl. Attardo/Raskin 1993, S.2-3; Gérin 2013, S.13) - Sprache (Language) Grundelemente an Wörtern, Grammatik und Syntax, die fürs Verständnis relevant sind. - Erzählstrategie (Narrative Strategy) Die narrative Struktur des Witzes (ist es z.B. ein Frage-Antwort Witz, eine Erzählung mit Schlusspointe, ein Stabreim usw.) - Zielscheibe (Target): Worüber macht sich der Witz lustig? Worüber wird gelacht? - Ausgangslage (Situation): Grundausstattung der Prämisse (welche Bauteile sind für das Gelingen des Witzes notwendig? Dies kann eine Strasse sein, oder aber der Akt des Strassen-überquerens selbst, ein Schuh, eine Gangart usw. ) - Logische Funktionsweise (Logical mechanism); Die Art, mit der zwei Deutungsebenen des Witzes zusammengeführt werden (z.B. falsche Analogien, Fehllogiken, Gegenüberstellungen usw.) - Script Opposition (Inkongruenz der Deutungsebenen): Wie unterscheiden sich die zwei Deutungsebenen voneinander? Wie stehen sie sich gegenüber? (Hier müssen Widersprüche, Inkongruenzen oder Bisoziationen gefunden werden. Unterschiede von zwei Deutungsebenen können ganz banal sein, wie z.B: möglich/unmöglich, sozialen Konventionen entsprechend/völlig unkonform) 5http://de.wikipedia.org/wiki/Bisoziation 14 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 2.2 Lachen als Resultat eines emotionalen Prozesses Die bisher erwähnten Theorien finden auf einer rein intellektueller Ebene statt. Die emotionale Nähe des Zuschauers zum Geschehenen hat wenig Auswirkung auf das Gelingen eines Witzes, da es sich vornehmlich um Gegenüberstellungen von Konzepten, Ideen, Vorstellungen und realen Objekten, Situationen und Resultaten handelte. Anders ist dies bei der Energie- und besonders in der Distanztheorie. Diese verlangen vom Zuschauer ein Mindestmass an emotionaler Beteiligung und Empathie, um richtig zu funktionieren. Energietheorie - Empathie und Katharsis Die Energietheorie, im Englischen trefflicher «relief theory» (Befreiungstheorie) genannt (vgl. Wikipedia, 3.12.20146), beschreibt das Lösen einer Spannung als Ursache unseres Lachens. Es kann sich hierbei um eine kathartische Lösung psychologischer Spannung handeln, wie Freud propagierte (vgl. Freud 1940, S.133), aber auch durch den eigentlichen Schock des aulösenden Ereignis handeln, welches eine Überforderung des Hirns durch momentane Reizüberflutung verursacht. In der psychologischen Variante lösen sich angestaute Aggressionen, unterdrückte Wünsche und verbotene Aussagen über Tabuthemen (in einem sicheren Rahmen) von ihrer Anspannungsenergie. Aristoteles definiert Katharsis im Bezug auf Bühnenstücke und Dramen als seelische «Reinigung» von emotionalen Affekten des Zuschauers durch das Mit- und Durchleben der starker Gefühlsregungen der beobachteten Schauspieler (vgl. Wikipedia, am 20.12.20147). Das kathartische Lachen, welches bei Tabubruch oder dem Ausleben niederer Triebe (auch stellvertretend durch die Beobachtung eines solchen Bruches), hervorgerufen wird, ist gemäss Philosoph und Soziolog Helmuth Plessner «Ausdruck einer Krise im Selbst- und Werteverhältnis einer Person [...], bei der es den Menschen buchstäblich hin und her reisst.» (in Prütting 2013, S.41). Denn im Moment unserer Erleichterung von einer unterdrückten Spannung müssen wir uns gleichzeitig auch eingestehen, dass wir diese unterdrückten Gefühle oder Triebe in uns trugen. Es wird uns eine unangenehme Wahrheit unseres Selbst vor Augen geführt, das uns gleichzeitig überrascht und entsetzt. Auch wenn unser Hirn eine gröbere Korrektur einer Annahme vornehmen muss (wie z.B. bei grossen bisoziativen Uneinigkeiten), war alle bisher geleistete Arbeit auf dem überholten neuronalen Strang vergeblich (siehe z.B. wieder Abbildung 9), und eine ähnliche Überforderungsreaktion wie bei der oben genannten Reizüberflutung bei einem Schock-Faktor kann ein Lachen auslösen Die Energietheorie kann also viele Arten des Entlastungs-, Entspannungs und Befreiungslachen erklären (vgl. Müller-Kampel 2012, S.6). Dieses Lachen kann also im filmischen Kontext ganz einfach aus der simplen Lösung eines dramaturgischen Spannungsbogens oder aus dem erhofften Einsetzen einer erwarteten Handlung resultieren, oder durch das Aussprechen des sonst Verschwiegenen, aber auch durch unerwartete schockierende Bilder und Handlungen. Distanztheorie - Sympathie und Spott «[...] das Komische setzt, soll es voll wirken, etwas wie eine zeitweilige Anästhesie des Herzens voraus, es wendet sich an den reinen Intellekt.» (Bergson 1914, S.11) Die Distanztheorie ist etwas schwummriger, da sie als Bestandteil verschiedener anderer Theorien zu finden ist8. Es handelt sich wohl um ein Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz, zwischen Anteilnahme und Gleichgültigkeit, zwischen Sympathie und Antipathie. Distanz kann in gewissen Fällen auch mit einem Gefühl der Befremdlichkeit gleichgesetzt werden. Wo z.B. Nähe zur Identifikationsfigur verspürt wird, deren Hand- 6 http://en.wikipedia.org/wiki/Theories_of_humor sowie http://plato.stanford.edu/entries/humor/#IncThe 7http://en.wikipedia.org/wiki/Catharsis 8 z.B. Bergson (1914), Freud (1940) 15 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis lungen uns aber gleichzeitig befremdlich vorkommen, kann Lachen als aggressives Verneinen der eigenen Verbindung mit der Identifikationsfigur fungieren. Spott und hämisches Lachen fällt in diese Kategorie. Es wird somit mehr ausgelacht, um «die Pechvögel und Peinlichen dieser Welt» (vgl. Müller-Kampel 2012, S.20) hierarchisch von sich herabzusetzen, ihnen gleichzeitig aber (vor allem im filmischen Kontext) mit Interesse weiter folgen zu können. Empathie wird zu Sympathie «herabgestuft», und worin sich diese zwei unterscheiden wird nun auch sogleich klargestellt. 2.3 Empathie und Humor Obwohl es kein «normales Mass» an Empathie gibt, das man in einer bestimmten Situation empfindet, so helfen uns bekannte soziale Konventionen und Normen bei der Definierung eines wenn nicht «normalen», dann zumindest erwarteten Verhaltens in gewissen Situationen. Soziale Konventionen diktieren uns nicht nur, welche Gesprächsthemen welchen Situationen angemessen sind (während eines Jobinterviews vom Tod der Grossmutter zu erzählen gilt nicht als angemessen), sondern auch wie wir auf gewisse Gesprächsthemen zu reagieren haben (bei einem Treffen mit Freunden wäre das vorherige Thema z.B. «normal», und würde vom Freundeskreis zuallererst eine empathische Anteilnahme, eine Beileidsbekundung und Trost verlangen). «Katharsis setzt [...] Betroffenheit voraus» (Prütting 2013, S.213), und betroffen sein bedeutet für den Zuschauer eines filmischen Mediums eine emotionale Beteiligung am Geschehenen. Und diese emotionale Beteiligung kann nur zum Zuge kommen, wenn man sich als Zuschauer in das Gesehene auch hineinversetzen kann. Obwohl ich in verschiedenen Quellen verschiedenste Unterscheidungen und Vermischungen der folgenden zwei Begriffe fand, werde ich versuchen meine eigene Definition an die grössten Gemeinsamkeiten der gefundenen Quellen anzugleichen: Sympathie ist die Form von Mitgefühl, bei der man zwar den Gemütszustand eines anderen Lebewesens erkennen kann, sich selbst aber nicht genauer mit dessen Lage auskennt oder sich unbedingt damit assoziert. Man kann oder will nicht aus eigener Erfahrung nachempfinden, was das andere Lebewesen gerade durchmacht, wohl aber Gefühle wie Mitleid und Sorge und Zuneigung empfinden. Empathie ist die direkte Mitleidenschaft, bei der man somatisch und emotional nachvollziehen kann, was ein anderes Lebewesen gerade durchlebt. Eigene Erfahrungen und Empfindungen werden innerlich hervorgerufen, um den Zustand des anderen Lebewesens in sich selbst nachzufühlen und somit seine Situation auch besser verstehen zu können. Man erlebt somit in ausgeprägten Fällen den Zustand eines Anderen innerlich mit, als ob es der eigene Zustand wäre. (vgl. Stueber 2008, Online, vgl. aber Wikipedia, am 25.1.20159) Sympathie kann somit als Vorstufe zur Empathie betrachtet werden, wenn das Ziel die Auflösung der Grenze zwischen Zuschauer und Akteur sein soll. Bei der Sympathie bleibt nämlich die Grenze zum eigenen «ich» stärker intakt als bei der Empathie, wo eine Symbiose stattfindet. Sich in jemanden hineinversetzen ist sowohl emotional als auch somatisch möglich: «Since the lived-body is our common existential ground of being in the world, we can understand other bodies through our own bodies [...]. Hence somatic empathy is a reflexive, prereflective form of participation or feeling with others. lt is a basic process that does not ask for higher cognitive hypothesis testing or inference-making.» (Hanich 2011, S.107) Besonders somatische Empathie hat in letzten Jahren grosse wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. In den 90ern wurde die Entdeckung der Spielgelneuronen und dem «Mirror-System» grosse Wichtigkeit im 9 16 http://en.wikipedia.org/wiki/Sympathy und http://de.wikipedia.org/wiki/Sympathie Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Zusammenhang mit der menschlichen Lernfähigkeit und der Entwicklung von Sprache zugesprochen (vgl. Wikipedia, am 28.1.201510). Es scheint ein ganzes System von Neuronen im Hirn zu geben, die sowohl bei der eigenen Ausführung einer Aktion (z.B. das Aufheben eines Bleistifts vom Boden) als auch bei der Beobachtung einer solchen Aktion aktiviert werden. Dies würde das merkwürdige Phänomen erklären, dass man durch das Lachen einer anderen Person selbst dann «angesteckt» werden kann, wenn man die Ursache ihres Lachens nicht kennt. Nun wird aber spekuliert, dass dieses System ebenfalls für unsere empathischen Fähigkeiten verantwortlich ist (vgl. Wikipedia, am 28.1.201511). «... these neurons can not only help simulate other people’s behavior but can be turned ’inward’—as it were—to create second-order representations or meta-representations of your own earlier brain processes. This could be the neural basis of introspection, and of the reciprocity of self awareness and other awareness.» (Ramachandran 2009, Weblog12) Vermutungen über den Zusammenhang von Spiegelneuronen und mimetischer Empathie (Marsh/Ramachandran 2012; Hanich 2011) suggerieren, dass Zuschauer eines Bühnenstücks oder eines Films durch stellvertretende Handelnde und Handlungen selbst eine ähnliche Katharsis, oder Befreiung von unterdrückten Emotionen, empfinden können als wenn sie selbst die Handlung unternommen hätten (vgl. Wikipedia, am 29.1.201513). Obwohl es für diese Annahme noch keine definitiven Beweise gibt, können eigene empirische Erfahrungen durch dieses Phänomen erklärt werden. Dass man beim Trösten einer weinenden Person nicht nur die eigene Gesichtsmimik seiner Trauer anpasst, sondern sich auch innerlich in eine ernste Stimmung versetzt um sich der Person gedanklich anzunähern, wäre dadurch erklärbar. Wer selbst Trauer erlebt hat, kennt diesen Schmerz, und erkennt sich in der trauernden Person wieder. Erkennen wir uns allerdings in einem negativ-konnotierten Charakterattribut einer fiktiven Figur wieder, könnte anstatt der gewünschten Empathie ebensogut Empörung oder Entsetzen entstehen. Das schwierigste an kathartischem Humor ist wohl das sorgfältige Abwägen zwischen Empathie und Gleichgültigkeit, Empörung und Belustigung. Trickfilme müssen sich von Grund auf mit dem Thema Empathie beschäftigen: ohne reale menschliche Darsteller müssen sie bewusster über nachvollziehbare und nachfühlbare Handlungen, Charakterzüge und Gefühle eine Brücke zum Zuschauer schlagen. Zuschauer müssen sich genau wie im Realfilm ein Stück weit in den handelnden Figuren wiedererkennen können und Anteil nehmen. Ist man im Moment einer möglichen Katharsis empathisch unbeteiligt, sieht man die erscheckende oder unerwartete Handlung nur mit Sympathie - oder womöglich komplett gleichgültig, was Zuschauer für kathartischen Humor unempfänglich macht. Wie also nutzen Trickfilme ihr Medium um in Zuschauern Empathie zu wecken, damit kathartischer Humor funktioniert? 10http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegelneuron 11 Ebenda und http://en.wikipedia.org/wiki/Mirror_neuron 12http://edge.org/conversation/self-awareness-the-last-frontier 13http://en.wikipedia.org/wiki/Catharsis 17 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 2.4 Empathische Besonderheiten im Trickfilm Trickfilme haben ihr prägendes Merkmal sogar in ihrem Namen eingebettet: es handelt sich um einen Trick. Technische Mittel versuchen den Betrachter «auszutricksen» um ihm durch die Bild-, Ton- und narrative Abläufe vom Eigenleben dieser fiktiven Figuren zu überzeugen. Damit der Zuschauer seine Aufmerksamkeit dieser Fiktion widmet, benötigt es einer gehörigen Portion «suspension of disbelief», also der Aufhebung der Unglaubwürdigkeit - ein kritischer Moment, in dem der Zuschauer die gezeichneten oder modellierten Figuren nicht nur als Zeichnungen oder Objekte sieht, sondern sich mit diesen Fantasiefiguren auseinanderzusetzen und Sympathien zu entwickeln beginnt. Dies bedeutet nicht, dass der Zuschauer gänzlich vergessen muss, dass er einen Trickfilm schaut. Es bedeutet lediglich, dass er die fiktive Welt als kohärent wahrnimmt, mit inneren Zusammenhängen und Regeln, und dass er sich den Leiden, Wünschen und Handlungen der darin agierenden Figuren auf gleiche Art empathisch zu widmen vermag, wie wenn es reale Darsteller wären. Wie viele Regeln eine fiktive Welt brechen kann ohne ihre Kohärenz zu verlieren, ist stets eine Gratwanderung. Ein amüsantes Beispiel dazu aus der Comic-Welt: «Gary Larson [...] noted that readers wrote him [regarding his comic strip «The Far Side»] to complain that a male mosquito referred to his job sucking blood when it is in fact the females that drain blood, but that the same readers accepted that the mosquitoes live in houses, wear clothes, and speak English.» (Wikipedia, am 26.1.201514) Abb. 11: In Cartoon Network›s Serie Cow and Chicken (1997-99) wird das menschliche Verhalten der beiden «Geschwister» seltener in Frage gestellt als die Tatsache, dass sie verschiedenen Spezies angehören. Dass ein Zuschauer eine Situation (wie das Zitat sowie die Abbildung oben illustrieren) nicht sofort als unlogisch abstempelt, und somit für Humor unempfänglich ist, muss die Situation in eine für den Zuschauer verständliche und bekannte Realität übersetzt werden. Erst dann kann man sich empathisch in die Geschehnisse hineinversetzen. Obwohl beim Realfilm eine fiktive Welt ebenso sehr davon abhängig ist, dass der Zuschauer sie mit seiner eigenen erlebten Realität in Verbindung setzt, ist dieser Schritt bei Trickfilmen auf viel grundlegender Ebene wichtig: denn sie sind offensichtlich geschaffen worden, und somit «nicht echt», wohingegen im Realfilm von der «Echtheit» der Menschen als solche ausgegangen werden kann, selbst wenn sie fiktive Figuren darstellen. Der Trickfilm ist stets eine Realitätsstufe weiter weggerückt als der Realfilm, denn sein reines Erscheinungsbild benötigt bereits eine kognitive Übersetzung. Da der Unterschied zwischen naturalistisch und realistisch für die Analyse wichtig sein wird, hier eine kurze Definition dieser Begriffe: 14http://en.wikipedia.org/wiki/Suspension_of_disbelief 18 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Realismus ist die Glaubwürdigkeit einer Handlung, die Realitätsnähe einer Situation oder eines Gespräches, in welches man sich empathisch hineinversetzen und nachvollziehen könnte, das man vielleicht auch aus eigener Erfahrung kennt. Eine Situation ist dann realistisch, wenn sie auch von uns in der physischen, von uns als Realität wahrgenommenen Welt stattfinden könnte (vgl. Florschütz, 23.1.201415). Naturalismus ist die mimetische Nähe an der von Menschen erlebten Realität, und bezieht sich vielmehr auf die realitätsnahe Darstellung von Figuren und Objekten, deren Bewegungen, oder der Echtheit der Tonebene. Eine naturalistische Figur kann sich also auch unrealistisch verhalten, und eine unnaturalistische FIgur kann durchaus realistische Charakterzüge besitzen. Abbildung 12 & 13: Thanksgiving bei Family Guy (links) und The Simpsons (rechts). Links ist die Szene zwar naturalistischer dargestellt (Farben, Details, Anatomie) aber gleichzeitig idyllischer. Die rechte Situation scheint - womöglich aus eigener Erfahrung der Autorin bewertet - die realistischere Variante zu sein. Trickfilmserien im klassischen Situationskomik- oder Sitcomformat erwecken in uns eine automatische Empathie, da wir Aspekte dieser Alltagssituationen meistens aus eigener Erfahrung kennen (Frühstücken, Familienausflüge, Arbeitsalltag usw...). Dieses Wiedererkennen unseres eigenen Schicksals in den Handlungen ikonischer Figuren weckt Empathie. Gleichzeitig wirkt ein Wiedererkennen seiner Selbst in anderen Figuren wie ein Erlösen von unserem Einzelschicksal, ein geteiltes Leid, und dies kann ebenfalls zu einem kathartischen Lachen aus Erleichterung dank dem geteilten Schicksal führen. Wir erkennen uns aber nicht nur in Situationen von Trickfilmen wieder, sondern auch in Figuren. Scott McCloud sieht in der ikonischen Bildsprache von Cartoons (und somit auch Trickfilmen) den Schlüssel zur empathischen Verbindung: «Die Sprache des Cartoons [ist] universell. Man könnte sagen, je cartoonhafter ein Gesicht ist, desto mehr Menschen stellt es dar.» (McCloud 1993, S.39) Abb. 14: Scott McCloud sieht Abstraktion als eine Wahrnehmungserleichterung.. 15http://www.uni-kiel.de/medien/empath.html 19 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis McCloud spricht von einer Konzentration auf bestimmte Details. Es scheint mir tatsächlich so, dass wir im Laufe unseres Lebens viele Gefühlszuständen verschiedenster Individuen beobachten, sammeln und daraus die gemeinsamen, reduzierten, vereinfachten Grundzüge (Mimik, Körpersprache und Stimmlage) destillieren, die unser Grundvokabular an lesbaren Emotionen bilden (vgl. aber McCloud 1993, S.40-45). Im «Gesicht» einer abstrahierten Trickfilmfigur sehen wir ebendiese Grundzüge eines Gefühls oder eines inneren Zustandes: der Prototyp eines Gefühls. Es könnte also sein, dass wir mit abstrahierten Figuren viel unabhängiger von Geschlecht und Alter (und Spezies) Empathie empfinden können, da sie innerhalb einer Erzählung wie eine Variable für einen beliebigen Menschen funktionieren - oder einen beliebigen Zuschauer. Solche Symbole wie Ikone muss man aber zuerst in etwas übersetzen, das man auf die eigene Realität und das eigene Erleben der Welt anwenden kann. Man hat die Gemütszustände und die innere Logik einer Figur somit mehr «aus sich heraus» erlebt, anstatt «vorgelebt bekommen». Nachdem nun der Zusammenhang zwischen Empathie und Humor und Besonderheiten dieses Zusammenspiels im Trickfilm erläutert wurden, können wir uns den verschiedenen formaleln Aspekten eines Trickfilms widmen mit dem Ziel, wichtige Punkte für die Analyse der Beispiele daraus ableiten zu können. Zuerst möchte ich aber gerne noch darauf hinweisen, dass ich im Rahmen meiner Recherche einen kurzen historischen Abriss über Trickfilmhumor für Erwachsene erstellt habe. Viele Eigenschaften des heutigen Trickfilms in Bezug auf seinen Umgang mit Humor und Empathie sind nämlich in erstaunlich frühen Beispielen aufzufinden, und haben massgeblich unsere Wahrnehmung dessen, was Trickfilme können und dürfen, beeinflusst. Dies schien mir für meine persönliche Recherche wichtig genug, um die Entdeckungen in ein strukturiertes Unterkapitel einzuarbeiten. Leider hätte dies den formalen Umfang dieser Arbeit überdehnt, und so habe ich es im Annex untergebracht. Wenn also jemand mehr wissen möchte zu den Fragen, welche humoristischen Stilmittel populäre Trickfilme in der Vergangenheit verwendeten, und inwiefern sie sich in der Zeit seit ihrer Entstehung in den 20er Jahren in ihrer Nutzung von Empathie, Tabubruch und Katharsis verändert haben, so verweise ich gerne auf Seite 69, Kapitel VIII. 20 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 3. Wahrnehmungsebenen im Trickfilm Zu Beginn dieser Arbeit stellte ich die Frage, ob Trickfilme für kathartische Witze auch tatsächlich trickfilmspezifische Methoden anwenden. Um die Wahrnehmung solcher Methoden im Trickfilm zu erleichtern, folgen einige Aspekte der Bild- und Tonebene, die für Empathie (und die resultierende Katharsis) wichtig sind. Maureen Furniss hat in ihrem Buch «Animation Aesthetics» (2013, S.146) einen spannenden Vergleich der zwei Serien The Simpsons und King of the Hill unternommen, bei dem sie dem Einsatz von «limited Animation» (sehr minimalistisch eingesetzter Animation zwecks Kostensparung) durch die grossflächige Betrachtung allgemeiner aesthetischer Grundelemente, cinematographischen Mittel und Erzählstrategien nachgegangen ist. Ihre gesamtheitliche Anayse bot viele Einsichten, und hat mich in meiner Intuition bestärkt, auch inhaltlich abstrakte Aspekte wie Humor in allen Ebenen der formalen Erscheinung sowie der Struktur zu suchen. «Animation is, in theory, capable of showing anything visually. There is no scenario that animation couldn’t depict, provided you had the right animator working on it.» Felix Colgrave16 3.1 Die Bildebene - Naturalismus und Abstraktion Abstraktion, Überzeichnung, Farbgebung, graphischer Stil und Animationsstil eines Trickfilms können - gewollt oder ungewollt - im Zuschauer Assoziationen wecken, die seine Erwartung an den Inhalt beeinflussen, seine Empathie wecken und einen Vergleich mit unserer erlebten Wirklichkeit ermöglichen oder widerlegen. Abb. 14: Kontrast pur: In der brutalen Kurzfilmserie Happy Tree Friends (2006 a dato) erfahren die unnaturalistischen, anthropomorphen Charaktere in kindlicher Bildsprache die naturalistiche Einwirkung eines Baseballschlägers. Der Abstraktionsgrad der Bildsprache ist eines der Hauptmerkmale von Trickfilmen. Eine stark vereinfachte Figur kann einen Zuschauer auf andere Art empathisch ansteuern, als dies eine naturalistischere tut. Bei einem starken Abstraktionsgrad werden sie verstärkt zu Platzhaltern und Projektionsflächen für die Identität des Zuschauers (vgl. McCloud 1993, S.23) Ein naturalistisches Erscheinungsbild kann dafür eine stärkere Katharsis auslösen, wenn wir einen Tabubruch auch somatisch nachfühlen können. Farben, Formen und Linienführung lassen indes Assoziationen an bekannte Genres entstehen, die Zuschauer ebenfalls mit gewissen Erwartungen an Inhalt und soziale Konventionen verknüpfen (siehe Abb. 14 oben). 16 In einer persönlichen Korrespondenz vom 22.1.2015 21 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Der Animationsstil lässt, wie die Bildsprache auch, Erwartungen an den Naturalismus einer Geschichte entstehen. Durch die Bewegungen der Figuren werden wir als Zuschauer besonders stark somatisch-empathisch angesprochen, oder aber daran erinnert, dass es sich um eine fiktive Welt handelt die anderen physikalischen Regeln als den unseren gehorcht. 3.2 Die Tonebene - «echt» oder «cartoony» Filmmusik («score») diente ursprünglich sowohl der fortwährenden Unterhaltung des Zuschauers als auch der Betonung der Handlungen. Die offensichlichste humorvolle Nutzung von Musik ist sicherlich das starke «Mickey-Mousing» (vgl. Wikipedia am 1.2.201517) in älteren Trickfilmen. Diese Technik kam besonders in Gag-lastigen Geschichten zum Zug. Eine kathartische Wirkung ist ihr allerdings nicht zuzuschreiben, es sei denn in kombination mit einer kathartischen Handlung. Soundeffects im Sinne von «Foleys» - also der Nachvertonung eines animierten Objektes oder Handlung verstärken oder vermindern indes den Naturalismus einer Szene. Bei Vertonung durch ihr reales Pendant erleichtern sie uns das somatische Empathisieren. Wie die Musik sind sie zwar selten alleine für eine Katharsis verantwortlich, können eine solche Szene jedoch massgeblich mitgestalten, z.B. durch ein brutal naturalistisches Geräusch in einer hoch abstrahierten Szene, oder eines unerwartet «cartoonesken» Soundeffects innerhalb einer ansonst eher naturalistischen Szene. Dialoge sind - besonders in Serien - neben der Bildsprache wohl die wichtigsten Träger von Witzen und Humor. In der Evolution vom Stummfilm zum Tonfilm haben sowohl Realfilme als auch Trickfilme grosse Wandlungen in ihrer Genrebandbreite, ihrer narrativen Struktur, und möglicher Charaktertiefe erfahren. Sprechende Charaktere können innere Gemütszustände erläutern, Meinungen äussern, Fragen stellen, und können dem Zuschauer so auf kognitiver Augenhöhe begegnen. Genauso wie es soziale Konventionen für Verhaltensweisen gibt, existieren Kommunikationsregeln für Sprache welche, innerhalb des Kulturkreises in dem wir uns bewegen, für einen reibungslosen Informationsaustausch notwendig sind. Verbale Kommunikation erfolgt durch Gesprächs- und Verhaltensregeln, die jedoch von allen Gesprächspartnern eingehalten werden müssen. Paul Grice’s Überlegungen zur Logik von Unterhaltungen - genauer gesagt seinem Cooperative Principle - entnehme ich folgende vier Maxime verbaler Kommunikation: Quantität: Ein Gesprächsbeitrag sollte so gehaltvoll sein, dass es dem unmittelbaren Gesprächsverlauf dient. Nur so viel Information wiedergeben, wie verlangt ist, Qualität: Keine Aussagen machen, die nicht ernst gemeint sind oder durch Beweise belegbar sind Relation: Themenbezogen und sachdienlich antworten. Manier: Mehrdeutige Aussagen vermeiden. (übersetzt von Grice 1975, zit.n. Davies 2000, S.2) Als Beispiel eines reibungslosen und trockenen Gesprächsverlaufs nennt die Sprachforscherin Shuqin Hu folgendes Beispiel (Für Gender-Klischees beider Beispiele entschuldigt sich die Autorin im Voraus) : «Husband: Where are the car keys? Wife: They are on the table in the hall.» (Hu 2012, S.2) 17 die starke Korrelation von Soundeffects und der Filmmusik, wie z.B. wenn alle durchgeführten Aktionen einer Figur im genauen Rhythmus der Musik erfolgen oder Soundeffects sowie Gefühlslagen von musikalischen Instrumenten illustrtiert werden. http://en.wikipedia.org/wiki/Mickey_Mousing 22 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Witzige Dialoge können wir somit schnell durch ihre Abweichung von «effizienter Kommunikation» erkennen. Das genaue Gegenteil davon wäre im folgenden Dialog der Serie The Simpsons enthalten. In dieser Situation geht Marge ganz normal auf Homer zu, während er auf seinem altbewährten Sofa sitzt: Marge: «Homer, I’ve gotten you the most important gift a man your age could get!» Homer: «You’re having your boobs embiggened? You don’t have to, they’re fine just the way they’ll be.» («Homer’s Colonoscopy» 2008) Quantity: Homer beginnt Marge ausgiebig zu danken, anstatt ihre genauere Beschreibung abzuwarten. Quality: Er widerspricht sich innerhalb desselben Satzes, indem er den Vorschlag als nicht notwendig ablehnt, aber den neuen Zustand als sicherlich eintretend im Futur I statt im Präsens dekliniert erwähnt. Relation: Er kennt das Subjekt ihres angekündigten Geschenkes noch gar nicht, und sollte sich deswegen eigentlich noch gar nicht äussern. Manner: Sein Satz beginnt indem er das vermeintliche Angebot ablehnt, endet jedoch auf einer dankbaren Annahme desselben. Nicht nur was gesagt wird kann humoristisch genutzt werden, sondern auch wie es gesagt wird. Zum Beispiel mit stilisierter Sprache oder verstelleter Stimme. Das Trickfilmmedium bietet eine breite Palette an «lustigen Stimmen», und sicherlich sind sie eines der prominentesten Merkmale vieler Trickfilme. Sie dienen dem Humor ähnlich wie die Bildsprache auf grundlegender Ebene: «[...] the unnatural voices of cartoon characters can be thought of as analogous to the characters’ ’distorted’ and ’elastic’ bodies.» (Maureen Furniss 2014, S. 102) Stimmen sind eine weitere Möglichkeit, das Naturalismus-/Abstraktionsspektrum zu beeinflussen. Innerhalb dieses Spektrums kann eine Stimme zudem Sympathie wecken (wenn eine Figur z.B: auf kindlich-naive Art spricht) Antipathie wecken (z.B. mit einer irritierenden Tonlage) und auch ganz direkt Assoziationen wecken (wenn sie eine bekannte Sprecherstimme hat oder eine bekannte Figur nachzuahmen versucht). Nun da die Ebenen Bild und Ton bereits behandelt wurden bleibt noch die genauere Betrachtung der Aspekte ihrer Synthese im zeitlichen Ablauf filmischer Medien. 3.3 Die narrative & cinematographische Ebene - expect the unexpected! Abweichung von einem erwarteten Szenarium/Norm Gefährliche Abweichung von einem erwarteten Szenarium Harmlose Abweichung von einem erwarteten Szenarium = eine Geschichte = ein Thriller/Drama = eine Komödie Erzählstil Narrative cinematographische Medien leben durch eine Aneinanderreihung von Sequenzen, Szenen und Kameraeinstellungen. Die Wahl der Einstellungen, die mise-en-scène, das Erzähltempo und die Szenenfolge sind alles kreative Entscheidungen, die dafür getroffen werden müssen. Viele Humorgenres18 weisen typische Einsätze ebendieser Aspekte auf. Das visuelle Zitieren von Realfilmgenres ist z.B. für viele Witze und Parodien essentiell. Obwohl man annehmen kann, dass prozentual wenige Zuschauer über ein filmwissenschaftliches Hintergrundwissen verfügen, konsumieren doch die Meisten von ihnen genügend viele filmische Medien, um ein empirisches «Gefühl» für die Normen gewisser Erzählstilen zu bekommen. Viele Zuschauer können z.B. nicht nur eine gelungene Actionsequenz von einer weniger gut erzählten unterscheiden (selbst 18 Siehe dazu auf S.67 Kapitel VII, Glossar, für Erklärungen und einer Auflistung der für diese Arbeit relevanten Genres. 23 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis wenn sie die genaue Ursache dafür nicht benennen könnten) sondern auch eine Parodie derselben sofort als solche erkennen. Brüche von Konventionen können auch im Bezug auf erzählerische Konventionen sehr humoristisch eingesetzt werden. Die Kameratechnik eines Trickfilmes kann sich entweder an cinematographischen Standards der Realspielfilmwelt orientieren (mit Schwenks, Kamerafahrten etc.) oder mit minimalem Aufwand wie vor einer Theaterbühne oder einem Puppenhaus stehen: statische frontale Totalaufnahmen. Letzteres ist in modernen Trickfilmcomedies die Norm geworden. Denn Schwenks, Kamerafahrten und das Bewegen der Kamera durch den fiktiven Raum ist im Trickfilm ein sehr arbeitsintensiver Vorgang. Somit sind Trickfilmserien ähnlich wie Realfilmsitcoms von frontalen Kameraeinstellungen und statischen Dialogen geprägt. Trickfilmserien nutzen dies oft zu ihrem Vorteil, indem krasse Handlungen in «langweiligen» Einstellungen gezeigt werden, oder vice versa. Der Schnitt gestaltet ebenfalls den Erzählfluss und trägt massgeblich zum Timing von Witzen bei. Durch den Schnitt von einer Szene zur Nächsten können spezifischen Momenten einer Erzählung Wichtigkeit verliehen oder negiert werden, was ebenfalls sehr nützlich sein kann im Umgang mit kathartischen Momenten und dem Bruch von Konventionen. Da nun die verschiedenen einen Trickfilm konstituierenden Ebenen einzeln angeschaut wurden, kann bald schon mit geschärften Sinn für humorrelevante Details in die Analyse eingetaucht werden. Was noch fehlt ist die Erstellung eines geeigneten Kriterienkataloges, nach dem die Beobachtungen strukturiert zusammengefasst werden können. Es folgt eine Beschreibung der Herleitung meiner Kriterienkataloges. 24 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 4. Der Kriterienkatalog für die Analyse In Kapitel 2.1 (S.13) wurde bereits die General Theory of Verbal Humor (GTVH) mitsamt ihrer Analysepunkte erwähnt. Hier nochmals zur Erinnerung und zum darauf folgenden Vergleich die sechs Kriterien: - Sprache (Language) - Erzählstrategie (Narrative Strategy) - Zielscheibe (Target) - Ausgangslage (Situation) - Logische Funktionsweise (Logical mechanism) - Inkongruenz der Deutungsebenen (Script Opposition) Obwohl die Anwendung der GTVH primär für die Analyse von Sprach- und Wortwitzen gedacht ist, eignet sie sich ebenfalls als Ausgangslage für eine narrativ-inhaltliche Auseinandersetzung mit temporalen Medien. Bei der Herleitung meines eigenen Kriterienkataloges fielen mir besonders viele Ähnlichkeiten der GTVH mit der kunstwissenschaftlichen Herangehensweise von Annie Gérin auf, welche sich allerdings mit Humor in statischen Kunstwerken beschäftigt - wo überhaupt keine verbale Ebene vorkommt. In ihrem 2013 erschienenen Aufsatz, «Humor in the Visual Arts», analysiert Annie Gérin moderne Kunstwerke, die ein ironisch-subversives Humorpotential aufweisen. Dabei stützt sie sich auf verschiedene bestehende kunsthistorische, linguistische und humorwissenschaftliche Werke aus dem 20.Jahrhundert wie z.B. Panofsky und Gombrich’s Arbeiten zur Ikonologie sowie ebenfalls Raskin und Attardo’s Aufsätze zu verbalem Humor. Somit stellt ihre Analysemethode bereits eine Zusammenführung mehrerer Betrachtungsansätze dar, sowohl aus der Kunstwelt als auch aus der perspektive der Humorforschung. Gérin schläft konkret folgende zehn Kriterien vor: - Prä-ikonographische Deskription - Ikonographische Analyse - Visueller Aspekt - Inkongruenz - Rhetorische Strategie - «Target» - Zielpublikum - Präsentationskontext - Künstler - Ikonographische Interpretation/intrinsischer Inhalt (vgl. Gérin 2013, S.14-15) Sowohl Gérin’s Ansatz als auch die GTVH beinhalten eine Aufzählung von Grundelementen und arbeiten sich über eine Ergründung der narrativ/rhetorischen Strategie zum Kern des Witzes vor (die Script Opposition bei Attardo&Raskin oder der intrinsische Inhalt bei Gérin) der sich als unterschwellige oder direkte Botschaft aus dem Gesamtpaket ergibt. Die einzigen Elemente die noch fehlen, um dieses Analysetool auf Trickfilme anzuwenden, ist auf der Bildebene die Animation sowie der Aspekt der Filmmusik und Soundeffects auf der Tonebene. Ausgelassen habe ich in meiner Analyse den Gérin’s Kriterium des Künstlers, da ich es für meine Zwecke nicht als notwendig erachte und Zuschauer der Beispielserien selten von Hintergrundwissen zu den Schöpfern selbst profitieren, ausser dass sie mit der Zeit ihren spezifischen Humorstil zu schätzen lernen. 25 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Mein adaptiertes Modell zur Betrachtung von Filmsequenzen wird einige Themen gruppieren (wie Logische Funktionsweise und Script Opposition19) und andere (formale Aspekte der Bild- und Tonebene) auffächern. Dadurch können die Beispiele besser auf die Frage hin bearbeitet werden, ob sie besonders trickfilmspezifische Methoden in ihrem Einsatz von kathartischem Humor verwenden. Kriterien A - Deskription der Handlung Primär sichtbarer Inhalt und Handlung wird beschrieben, Dialoge werden notiert. B - Sozialer Kontext Konventionen und Normen werden gesucht, und deren Einhaltung oder Bruch festgestellt. C - Bildstil Stil, Farbgebung und Materialität des Bildes werden betrachtet. Wie naturalistisch bzw. abstrakt sind die Darstellungen? Welche Assoziationen werden geweckt? D - Animationsstil Die Animationstechnik wird bestimmt und Qualitäten wie Geschwindigkeit der Aktionen, Posenstärke und Naturalismus/Überzeichnung genauer betrachtet. E - Soundeffects und Musik Wie viel Musik wird unterlegt, ist sie als eigenständiges Stück komponiert worden oder spezifisch für den Trickfilm generiert? Tritt «mickey-mousing» auf, oder sind die Soundeffects realitätsnah? F - Analyse der Dialoge und Stimmen Wie wird Sprache stilistisch genutzt? Wie wichtig ist sie für das Verständnis der Witze? Sprechen die Charaktere mit natürlichen oder verstellten Stimmen? G - Rhetorische Strategie / Erzählstil Der übergreifende Humor- und Erzählstil wird definiert: Parodie, Groteske, Satire, Carnevalesche, Schwarzer Humor... H- Kamera/Schnitt/Montage Timing, Erzählfluss, Schnitt und Schnittgeschwindigkeit werden betrachtet. J - «Targets»/Zielscheiben des Spotts Auf wen oder was wird im Witz gezielt, worüber wird gelacht? Besonders im Bezug auf «B» wichtig. K - Präsentationskontext/Zielpublikum Wiedergabemedium und Zielpublikum, für das ein Sketch oder eine ganze Show konzipiert wurde. L - Vermittlung des intrinsischen Inhaltes Was ist die Botschaft hinter dem Witz? Gibt es eine «Moral», welche durch die Katharsis vermittelt wird? 19 Zu denen auch im Artikel zu Ruch, Attardo & Raskin (Toward an Empirical Verification of the GTVH, 2009, S.4) vermerkt wird, dass sie in Raskin’s erster Theorie, der SSTH (Semantic Script Theory of Humor), als zwei Aspekte desselben Attributs vereint waren. 26 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 5. Beispielanalyse Witze zu reissen über tabuisierte Themen wie Krankheit, Tod, Gewalt, Sexualität, Religion oder Minderheiten sind in modernen Trickfilmen für Erwachsene besonders häufig vertreten. Situationen mit einer hohen Anforderung an Selbstbeherrschung sowie rigide und unumgängliche soziale Konventionen sind gut geeignet dafür, Zuschauer durch das Brechen all dieser inneren Spannungen in kathartisches Lachen zu versetzen. Für die Analyse habe ich deshalb nur Beispiele gewählt, in denen ein Spitalbesuch thematisiert wird. Die meisten von uns kennen solche Situationen aus eigener Erfahrung, und die wenigsten von uns empfinden sie als angenehm oder entspannt. Wie die Regisseure dieser Sendungen mit dem Thema des Spitalbesuchs umgegangen sind, und wo kathartische Momente eintreten, wird nun in der Analyse genauer untersucht. Beispiele werden mithilfe der im letzten Kapitel aufgestellten Kriterienpunkte nach trickfilmspezifischen Elementen untersucht, um danach ihre Wirkung auf und während der kathartischen Momente festzustellen. 1: South Park Season 08 Episode 25: «Cartman›s Incredible Gift» http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift Volle Länge Episode: 21:29 Totale Länge Clip: 01:10 min 2: Family Guy Season 04 Episode 17: «Fat Guy Strangler» https://www.youtube.com/watch?v=-bFNYu7VKpk Volle Länge Episode: 30 min Totale Länge Clip: 00:48 min 3: TripTank Season 01 Episode 01: Head, Shoulders, Knees and Toes http://www.cc.com/video-clips/jtm9w1/triptank-head--shoulders--kneesand-toes Volle Länge Episode: 22:00 Totale Länge Clip: 00:48 min 27 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Vor Beginn der Analyse möchte ich noch festhalten, dass mir bewusst ist, auf welch subjektives Terrain ich mich mit einer Analyse von Humor begebe. Dieselbe Serie und dieselbe Szene kann und wird je nach UntersucherIn auf komplett gegensätzliche Art gelesen werden, je nach Betrachtungspuntke und persönlicher Grundeinstellung. Dazu ein Beispiel einer Meinung aus der Essayveröffentlichung «Taking South Park Seriously», die eine komplett andere Meinung zum Einsatz von kathartischem Humor und Empathie in der Serie South Park vertritt, als ich durch meine Analyse feststellen konnte: «Fundamentally, what South Park trains its audience to do through this satire of corny morals is to rebuff sentiment and empathy. Emotional involvement is not encouraged on South Park: Not a single character in South Park elicits a complicated emotional reaction from the viewer. Indeed, through the portrayal of repeated violent acts, the viewer becomes immune to the «reality» of this violence and is is discouraged from registering any emotional reaction. What is produced instead is a sort of free-floating, intense enjoyment of socially unacceptable behavior.» (Weinstock 2008, S.33) Falls einige Lesende mit den gewählten kathartischen Momenten oder meinen Erklärungen zur Funktionsweise von Humor und Empathie nicht einverstanden sind, so hoffe ich doch, dass sie meine Wahl durch die dazugehörigen Beobachtungen, Begründungen und Schlussfolgerungen nachvollziehen können werden. 28 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Beispiel 1: South Park Aus Season 08 Episode 25: «Cartman›s Incredible Gift» http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift Episodenlänge: 22 min Totale Länge Clip: 01 min 35 s BILDEBENE TONEBENE HANDLUNG HUMOR/EMPATHIE DIALOG: «And now again, one man›s Ein runder Junge mit gebastelten Kar- Parodie vision ushers in a new era of aereo- tonflügeln und Helm steht an der Kante travel. Proving the power of imaginati- eines Hausdaches und hält eine Rede. FUNKTIONSWEISE: Inkongruenz on and intellect. The magic of flight!» zwischen dramatischer Inszenierung und amateurhaftem Gebastel MUSIK: orchestrales Crescendo EMPATHIE: Die Rede soll in uns Bewunderung und Respekt wecken DIALOG: *kleines Ächzen* Er springt - und fällt dumpf in den HUMORTYP: Slapstick MUSIK: - Schnee. FUNKTIONSWEISE: Erwartungsbruch: Auflösung der angestauten Spannung SOUNDFX: ein leiser, dumpfer, unspek- ins Nichts. Erleichterungslachen. takulärer Aufprall. EMPATHIE: Beim realistischen Aufprall- und «Ächz»-Geräusch aktiviert DIALOG: - Die Menge ist baff, es herrscht HUMORTYP: mechanische, regungs- MUSIK: - absolute Stille. lose Starre der Kinder ist eine leichte Übertreibung einer Schockreaktion SOUNDFX: - EMPATHIE: Wir sind am stummen Schock der Kinder mitbeteiligt und es drängt zu einer Reaktionshandlung Schnitt zurück. Er regt sich nicht. HUMORTYP: DIALOG: - FUNKTIONSWEISE: Repetition und MUSIK: - Zeitdehnung zur Steigerung des Effektes. SOUNDFX: - EMPATHIE: Er scheint ernsthaft verletzt zu sein und es drängt uns innerlich weiter zu einer Handlung SOUNDFX: Vögel beginnen wieder Die Kinder verlassen unaufgeregt den HUMORTYP: schwarzer Humor leise zu zwitschern Schauplatz, die Show ist vorbei. FUNKTIONSWEISE: Inkongruenz der erwarteten Reaktion und der tatsächlich beobachteten Handlung. Katharsis: Erleichterung über Bruch der Stille/des Wartens.EMPATHIE: Nur der Blonde bemerkt die Inkongru- 01:15 enz mit uns KATHARSIS 1 SOUNDFX: Vogelgezwitscher Nachdem Butters (der Blonde) entgeis- HUMORTYP: schwarzer Humor tert beobachtet, wie seine Freunde den FUNKTIONSWEISE: Erwartungsbruch: Platz verlassen, tut er›s ihnen gleich - mit ebenfalls ruhiger, entspannter Alltagsmiene. Empathiefigur geht ebenfalls EMPATHIE: Nun bleibt uns zur identifikation nur noch Cartman, der verletzt und verlassen am Boden liegt. 01:20 KATHARSIS 2 29 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis BILDEBENE TONEBENE MUSIK: Übergangsjingle HANDLUNG HUMOR/EMPATHIE Schauplatzwechsel Humor: Wortwitz im Spitalnamen MUSIK: - Schauplatzwechsel, Maschinen zur Empathie: wir bemitleiden den SOUNDFX: ein leises Piepsen der Lebenserhaltung arbeiten vor sich hin. kleinen Jungen, dessen Freunde ihn SOUNDFX: - im Schnee liegen liessen und der Lebenserhaltungsgeräte jetzt dermassen zerstört an so vielen Maschinen angehängt ist. SOUNDFX: das Piepsen geht weiter... DIALOG: Mutter: «Oh my God, Eric! Eric! Cartman›s Mutter rennt an seine Seite, Humor: Erwartungsbruch:. Statt einer bückt sich über ihn und streichelt Diagnose von Cartman›s physischem seinen Kopf. Danach wendet sie sich Zustand erklärt der Arzt das wirkliche zum Arzt um ihn zu befragen. Problem hinter dem Unfall. Mummy›s here, sweetie. Oh what›s Empathie: der Arzt reisst uns mit wrong with him?» 01:29 KATHARSIS 3 seiner Begründung aus unserer Arzt: «I›m afraid your son is... incredibly Mitleidshaltung heraus in eine distan- stupid.» SOUNDFX: das Piepsen geht weiter... zierte objektivere Wahrheit. Der Arzt gibt ihr die «Diagnose» Humor: der Unfall wird als Symptom von Dummheit behandelt, wobei DIALOG: Dummheit eine ernst zu nehmende Arzt: «He thought he could fly with card- Krankheit ist. (traurig aber wahr...) board wings. The stupidity is so severe that it has caused a fall which has put Empathie/Sympathie für die Mutter, him into a deep coma.» die sich dieses Urteil anhören muss. Mutter: «Oh my god. For how long?» Arzt: «There›s no telling. He may never recover. We›ll just have to wait... and see.» MUSIK: ein Harfenglissando Kamerafahrt nach oben und Harfenglis- Humor: Inkongruenz unseres Mitleid SOUNDFX: leises Piepsen der Lebens- sando erinnern an das Aufsteigen der für Cartman›s soeben betonter Eigen- Seele aus dem Körper in den Himmel, verantwortung und Dummheit. dabei ist es ein musikalisches Intro für Empathie: viel schwächer als zu die folgende Sequenz: Beginn der Szene. Standbild Humor: erhaltungsgeräte MUSIK: Chorgesang mit orchestraler Begleitung: Ein pathetischer Chor bricht durch die «Seasons change , time passes by... as Ruhe der letzten Szene und besingt die Dauer der vom Arzt angekündete the weeks become the months become Wartezeit auf eine Besserung Cart- the years.» MUSIK: - mans› Zustandes. Kamera fährt langsam wieder die Wand Humor: Inkongruenz: Cartman ist hinunter bis wir einen bärtigen Cartman immer noch gleich klein, aber dafür im Bett liegend sehen, ohne die vielen mit Bartwuchs. lebenserhaltenden Maschinen. Empathie: der Bart lässt uns glauben, Cartman habe seine gesamte Jugend im Spital im Koma verbringen müssen 30 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis BILDEBENE TONEBENE HANDLUNG HUMOR/EMPATHIE DIALOG: Cartman: *ächz* Cartman erwacht aus seinem Koma. Empathie: ein glücklicher, erleich- Mutter: «Doctor, he›s awake! Die Mutter freut sich, der Arzt eilt terter Wiederbegegnungsmoment Cartman: «Where am I?» herbei. zwischen Mutter und Sohn kann vom Zuschauer nachempfunden werden. Mutter: «You›ve finally come back, it›s a miracle!» MUSIK: sanfte Klavierbegleitung DIALOG: Schauplatzwechsel, Maschinen zur Humor: Die übertriebene Ernsthaf- Arzt: «You›re at the hospital, Eric. Lebenserhaltung arbeiten vor sich hin tigkeit des Dialoges wird gebrochen You›ve been in a coma for some time.» durch die undramatische Zeitangabe. Cartman: «Coma? How long?» Anfang der Erleichterungs-katharsis. Arzt: «It›s been... two days. MUSIK: 02:33 KATHARSIS 4 DIALOG: Schauplatzwechsel, Maschinen zur Humor: Absurder Prop-Gag. Der ikoni- Arzt: «Nurse, you can remove his Lebenserhaltung arbeiten vor sich hin. sche Bart wird als «Facewarmer» de- facewarmer now.» klariert. Da das Entfernen so schnell Nurse: «Yes, Doctor.» auf die verbale Auflösung der Span- MUSIK: - nung («Wie lange lag er im Koma?») folgt, ist dies zusammen als eine einzige Katharsis wahrzunehmen. DIALOG: Der Arzt spricht mit Cartman. Humor: Erwartungsbruch/Inkon- Arzt: «Now Eric, you›ve suffered massi- gruenz: Die dramatisch-klischierte ve head-trauma. Your road to recovery seifenoper-Unterhaltung wird will be long and arduous. At least weitergeführt, endet aber in einer another two days.» - Inkongruenz als das hohe Drama mit einer Zeitspanne von zwei Tagen in Verbindung gebracht wird. DIALOG: Chorgesang: Wiederholtes Standbild Humor: «Seasons change , time passes by, Wiederholung & Inkongruenz: hoch pa- as the weeks become the months thetischer Gesang wird genau gleich become the years.» wiederholt. Inkongruenz des Gesangs- MUSIK: Unterstützende orchestrale texts und dem neuen Vorwissen, dass Musik zum Chorgesang. es sich erneut wieder lediglich um 2 Tage handeln wird. DIALOG: Die Mutter hilft Cartman, etwas aus Empathie: Die Sorge der Mutter sowie Mutter: einem Becher zu trinken. ihre Verwendung des Kosenamens «You›re doing so much better, Muffin:» «Muffin» setzt eine liebevolle Grundstimmung für Cartman. DIALOG: Cartman beschwert sich lautstark und Humor: Tabubruch, Unerlaubtes Cartman: «Why the hell do I have to fluchend über seine Situation. auszusprechen. Erwartungsbruch: share my room with other patients? die zärtliche Stimmung wird durch This is bullcrap!» Cartman›s gehässiges Fluchen gebrochen. 02:55 KATHARSIS 5 DIALOG: Die Mutter nimmt dies als Normalzu- Humor: Inkongruenz zwischen ihrer Mutter: «Oh you›re sounding just like stand dankbar an. Freude über seine Genesung und you›re old self again!» sein tatsächliches Verhalten ihr gegenüber. Empathie: empathische Beziehung zur Mutter mehr aus Mitleid als Identifikation angesichts der bedingungslosen Liebe trotz undankbaren Sohnes. 31 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Beispielanalyse 1: South Park Season 08 Episode 25: Cartman›s Incredible Gift Die 5 kathartischen Momente (jeweils unter dem entsprechenden Bild als solche beschriftet) werden nun im Detail betrachtet auf die Frage: welche der Analysetool-Punkte dabei von Bedeutung sind. Eigenschaften, die ich als trickfilmspezifische Elemente betrachte, sind in den Beschreibungen stets fett markiert. Allgemeine Beobachtungen: C - Bildstil allgemein: South Park nutzt ikonische Darstellungen von Menschen mit sehr wenig Anspruch an Naturalismus. Die Figuren und ihre Umgebungen sind hoch stilisiert und abstrahiert. Der visuelle Stil eines analogen Legetricks, in der ausgeschnittene Grundformen übereinandergelegt werden, wird angestrebt. Der Stil wirkt gebastelt, low-budget, unkompliziert, naiv, intuitiv. Die Farbgebung ist eher bunt, was zum kindlichen Legetrick-Look passt. Assosiazionen mit Kindersendungen sind unvermeidbar. Diese Erwartung wird allerdings vom dramatischen Inhalt nicht erfüllt. Der Stil erfordert vom Zuschauer einen hohen «suspension of disbelief» um sich in die Handlung hinein zu versetzen, weil die ganze Bildsprache unabstreitbar «gebastelt» ist. D - Animationsstil Die Bewegungen sind wie der Bildstil stark abstrahiert. Die Figuren bewegen sich schemenhaft, die Lippensynchronisation ist dagegen sehr präzise. Gesichtszüge der Figuren sind durch ihre Vereinfachung sehr ausdrucksstark. F - Dialoge & Stimmen Die Stimmsprecher der Erwachsenen Figuren verwenden eine stilisierte Sprache: die parodistische «ernste Arzt»-Stimme, die beinahe engelhafte Mutter. Die kindlichen Hauptfiguren (wir sehen in diesem Ausschnitt nur Cartman) haben alle eine verstellte Stimme, die im nachhinein digital höher gepitcht wurde. K - Präsentationskontext/Zielpublikum Das Zielpublikum ist vor allem ein Stammpublikum an hartgesottenen South Park Fans. Dieses lacht umso schneller und herzhafter über Cartman’s voraussehbarem Unglück, denn das Zielpublikum kennt Cartman’s sture, selbstherrliche Charakterzüge von Beginn an. Man dürfte also eher weniger Empathie vom Zuschauer erwarten, als dass die Bilder aus dem Kontext herausgegriffen suggerieren würden. Kathartische Momente: Katharsis 1: die Kinder lassen Cartman liegen ---------------------A - Reine Deskription: Die Darstellung eines kleinen Jungen der vom Dach springt und am Boden aufprallt ist etwas, das vermutlich niemand gerne als Realfilm nachgestellt sehen würde, denn einem echten Jungen hätte ein solcher Sturz das Genick gebrochen. Die Handlung ist sehr trickfilmgeeignet. B - Sozialer Kontext: Westliche, christliche Moralvorstellungen dominieren sowohl in der diegetischen Umgebung sowie im Zielpublikum (im fiktiven Dörfchen South Park als auch in Amerika ist das Christentum die dominierende Religion). Einem solchen Sturz tatenlos zuzusehen gilt als unmenschlich, und doch wissen die meisten von uns aus empirischer Beobachtung dass Sozialcourage nicht selbstverständlich ist. Die Szene spricht also eine unangenehme Wahrheit aus und führt dadurch zur Katharsis. C - Bildstil: Ein solch gravierender Unfall hätte im Realfilm unsere Empathie stärker geweckt als unser Erstaunen. Das tatenlose Zusehen der Kinder wird verstärkt durch die übertrieben erstaunte Gesichtsmimik. 32 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis D - Animation: mit einem sofortigen Gesichtsmimikwechsel von schockiert zu unbekümmert verlassen die Kinder den Unfallort. Eine solche Gleichgültigkeit an den Tag zu legen wäre in der Realität höchst verpönt. E - hier dient der Soundeffect von Cartman’s Aufprall dem kathartischen Schock, indem er überraschend naturalistisch wirkt. H - Montage: Aktions- und Reaktionssequenzen (und deren Wiederholung) zwischen den Einstellungen von Cartman’s Bruchlandung und der regungslos verharrenden Kinderschaar lässt uns umso länger in einem Schwebezustand zwischen Schadenfreude (ob Cartman’s Dummheit) und Besorgnis (ob seines Zustandes) verharren. Die Spannung wird zudem verstärkt indem die Gesichtsausdrücke der Kinderschar überzeichnet und komplett starr auf ihren Gesichtern verbleibt. Im Trickfilm kann der Spannungsmoment endlos ausgedehnt werden, ohne dass die Sorge um das Wohlergehen Cartmans die Belustigung über das Nicht-Reagieren der Kinder übersteigen würde. J - Target: Einerseits wird ein wenig Spott auf Cartman’s unglaubliche Selbstüberzeugung gelenkt, indem man den Moment seines Scheiterns in die Länge dehnt. Wenn das kathartische Lachen noch eine Spur aggressiver Distanzierung von moralisch verwerflichem Verhalten beinhaltet, so kann man sagen dass die unbekümmerten Kinder ebenfalls Spott abbekommen. Am meisten aber wird die Situation belacht, die wir als unterschwellige Kritik an unsere Gesellschaft - und somit auch an uns selbst - annehmen müssen. L - Botschaft: Selbstüberschätzung ist eine Dummheit, Dummheit wird sofort bestraft (physischer Unfall) und ohne Mitleid behandelt (keine Hilfsbereitschaft). Aber auch: unsere Gesellschaft kann tatenlos zusehen, während sich andere Schaden zufügen. Katharsis 2: Sogar Butters distanziert sich ---------------------B - Sozialer Kontext: Als Butters merkt, dass eine Nichtbeteiligung ungestraft möglich ist, schliesst er sich der Menge an. D - Animationsstil: Auch hier wirkt der blitzschnelle Gefühlswechsel seiner Gesichtszüge überraschend. G - Rhetorische Strategie: Kurz nach Katharsis 1 gab es einen empathischen Anknüpfungspunkt als Butters entgeistert zuschaute, wie seine Freunde die soziale Konvention der Hilfsbereitschaft und Fürsorge brachen. Seine Perspektive gab uns Anlass zu glauben, er würde sich anders als sie verhalten. L - Botschaft: Ein Beispiel der unschönen Menschlichen Eigenschaft, sich aller Verantwortung zu entziehen, wenn es keine Gefahr gibt, dadurch gesellschaftlich stigmatisiert zu werden. H - Kamera: Die Einstellung zeigt uns Butter’s Reaktion mit Cartman im Hintergrund. Indem er nicht einmal zu Cartman zurückschaut als er sich zu gehen entscheidet, verstärkt sich die Katharsis. J - Target: Butter’s Verhalten wirkt doppelt unmoralisch und deshalb auf kathartische Art lustig, weil er sich zuerst über das Verhalten der anderen entsetzt zeigte, und es ihnen schlussendlich genau gleich machte. Wir lachen über seine Schwäche, und weil wir bis zuvor noch mit seinem Entsetzen empathisierten, auch über uns selbst, weil wir uns in einer solchen Situation aus egoistischem Empfinden auch ganz gerne unbeteiligt und ohne schlechtes Gewissen entfernen würden. L - Botschaft: am Ende schaut doch jeder für sich. Katharsis 3: «I’m afraid your son is... incredibly stupid.» ---------------------B - Sozialer Kontext: der Arzt bricht unsere erwartete Norm der ärztlichen Neutralität und Sachlichkeit, und bricht ausserdem das Tabu, dass man Müttern gegenüber ihre Kinder niemals als «dumm» bezeichnet. Der Arzt bricht ein Tabu indem er direkt ausspricht, was er denkt. Diese Aussprache ist auch darum so befriedigend, weil es nicht nur «verboten» ist, sondern gleichzeitig absolut wahr. F - Dialoge & Stimmen: die Ernsthaftigkeit, mit welcher der Arzt seine Aussage macht, verstärkt die Katharsis indem es zu einem gravierenden Urteil wird. G - Rhetorische Strategie: die Szene ist durch die Wortwahl und der ernsten Stimme des Arztes als Parodie von Seifenopern oder Spitalserien inszeniert und endet ebenfalls auf einer ernsten Note. J - Target: hier ist Cartman Ziel des Spottes. Er wäre zwar bemitleidenswert, weil er sich nicht gegen diese Beleidigung wehren kann, aber unser Mitleid wird dadurch, dass er unabstreitbar etwas Dummes gemacht hat, sowie durch den parodistischen Kontext gemindert. L - Botschaft: Dummheit ist eine unheilbare Krankheit. Traurig, aber wahr. 33 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Katharsis 4: Lösung der Erwartungsspannung «Wie lange lag er im Koma?» ---------------------A - Reine Deskription: Eine sehr kurze Zeitspanne wird genannt - die Sorge war umsonst. B - Sozialer Kontext: Aus Medien und Erzählungen geht man von einem längeren Komazustand aus. C - Bildstil: Der Prop-Gag des angeklebten Bartes lässt uns glauben, die Zeitspanne war tatsächlich lange. F - Dialog & Stimmen: Die ernste Stimme des Arztes lässt die Katharsis unerwartet einsetzen - es dauert eine Weile, bis man die Zeitangabe als kurz identifizieren kann, da sein Ernst etwas Längeres suggeriert. G - Rhetorische Strategie: Spannungsaufbau zur Frage «Wie lange wird es dauern, bis er genesen ist?» wurde mit dem vorhergegangenen parodistischen musikalischen Intermezzo unterstützt. H - Kamera/Schnitt: durch das langsame Hochpannen zum musikalischen Intermezzo und das langsame Hinunterpannen zurück zu Cartman wird uns ebenfalls eine lange Zeitspanne angedeutet. J - Target: Unser Lachen richtet sich an die Erzählrhetorik, die so clever war, uns auszutricksen - und auch ein wenig an uns selbst, die wir darauf hereingefallen sind. L - Botschaft: reine parodistische Übertreibung... Katharsis 5: Cartman hat den Spital satt ---------------------A - Reine Deskription: Cartman geht es wieder «besser», was sich seinem Energieüberschuss entnehmen lässt. Ein Teil der Katharsis ist sicherlich auch Erleichterung über seine Genesung. B - Sozialer Kontext: Cartman’s agressives Fluchen widerspricht unseren Normen der Höflichkeit. Wir sind von der Aussprache einer unterdrückten «Wahrheit» kathartisch befreit. Cartman spricht unsere egoistischsten inneren Triebe an, die wir durch Erziehung und soziale Konventionen zu unterdrücken gelernt haben - aber keineswegs aus der Welt geschafft haben. Zu unserem Schrecken und Schaudern ist seine Haltung irgendwo tief in uns drin nachvollziehbar und weckt somit trotz Verwerflichkeit unsere Empathie. G - Rhetorische Strategie: Cartman’s Genesung mit einer verschlechterung seines Gemütszustandes gleichzusetzen ist eine nützliche Bisoziation, die unseren sozialen Normen widerspricht. J - Target: wir belachen Cartman’s asoziale Haltung - lachen ihn vielleicht auch aus, um uns innerlich von seinem Verhalten zu distanzieren, das wir als intrinsisch menschliche Wahrheit erkennen. L - Botschaft: Womöglich gibt uns sein unsympathisches Verhalten zu denken, und man erwischt sich beim Denken des Tabu-Gedankens: «Wäre er doch bloss im Koma geblieben». 34 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Empathie VS Humor Die Figuren sind folgendermassen aufgeteilt: Arzt = Humorträger Patient = Wechselt zwischen Empathie- und Humorträger Mutter = Empathieträgerin Trickfilmspezifische Aspekte: Nach dieser genaueren Betrachtung müssen zwei Fragen geklärt werden, nämlich: Welche humoristischen Elemente dieses Filmbeispiels sind besonders trickfilmspezifisch? Und wie wurden diese zur Provokation von Katharsis und Empathie genutzt? Die trickfilmspezifischsten aller Aspekte sind Bildstil, Stimmen und Bewegungen der Figuren. Diese gehören zur Grundausstattung der gesamten Serie und bilden ein effizientes «Humorsystem», innerhalb dessen jede Handlung und jedes Gespräch schon in sich zu einem gewissen grad lustig wirkt. Besonders trickfilmgeeignet ist aber - neben dem Prop-Gag des Bartes, bei dem man nicht feststellen konnte, ob er nun diegetisch echt war oder nicht - auch Cartman’s gravierender Unfall und die dazugehörige Katharsis 1 und 2. Im Moment des Sturzes lachen wir nicht aus Erleichterung einer Spannung, sondern einer unerwarteten Bisoziation der Trickfilmwelt (in der Trickfilmfiguren sich nie ernsthaft verleten) und unserer Realität (in der ein Sturz vom Dach tödlich enden kann). Im Realfilm hätte ein solcher Anblick zu viel Mitleid ausgelöst, sodass Katharsis 1 und 2 mehr Empörung als Belustigung bewirkt hätten, Cartman wäre somit mehr Sympathie (bzw. Mitleid) zugekommen wäre, was wiederum Katharsis 3 negativ beeinflusst. 35 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Beispiel 2: Family Guy Aus Season 04 Episode 17: «Fat Guy Strangler» https://www.youtube.com/watch?v=-bFNYu7VKpk Länge Episode: 30 min Totale Länge Clip: 1:35 s BILDEBENE TONEBENE SoundFX: Soundeffect eines einzelnen HANDLUNG Standbild Autos, das off-screen vorbeifährt. HUMOR/EMPATHIE Die Ansicht des Spitals könne bereits jetzt schon als empathische Ankündigung gedeutet werden. Lois: «So, Doctor, is Peter healthy?» Der Arzt tastet mit dem Stethoskop an Empathie und sanfte Erwartung einer Peter›s Bauch herum. positiven Antwort. Arzt: «Oh my goodness, you›ll be dead Der Arzt entfernt das Stethoskop, Peter Empathie: die plötzliche schlechte within a month!» & Lois erschrecken. Nachricht weckt zumindest Sympathie mit den zwei Besuchern. Lois & Peter: «What?» Arzt: «Oh ‹Hagar, the horrible›, if you Der Arzt nimmt ein Heft hinter dem Humor: Dass er von der Hauptfigur keep up that lifestyle of pillaging and Untersuchungstisch hervor, in dem er dieses Comicbuchs gesprochen hat, giant turkey legs you›ll be dead within zu lesen beginnt. ist so weit hergeholt, unerwartet und absurd (ausserdem völlig aus dem a month! Now - on to you.» Spitalkontext herausgerissen), dass eine bisoziative Komik entsteht. Die «Erleichterung» des Energieablasses einer Katharsis kann nur teilweise entstehen, da Teil der kognitiven Energie für das bisoziative Verknüpfen wieder aufgewendet wird. Peter: «So, what do you think? Pretty Peter versucht den Arzt für eine neue, Empathie bildet sich nach diesem healthy, huh?» diesmal ernst gemeinte, positive Bruch ins Absurde nur vorsichtig Diagnose zu motivieren. Der Arzt nimmt wieder auf... Arzt: «Well Mr.Griffin, let›s take a look at your physical results. 36 einen Ordner mit Testresultaten hervor. Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis BILDEBENE TONEBENE HANDLUNG HUMOR/EMPATHIE Arzt: «Ah!» Der Arzt ershrickt ab dem Inhalt des Humor: Eine zweite absurde, aus dem Peter & Lois: «Ah!» Ordners - allerdings lag es nicht an den Spitalkontext herausgerissene Über- Resultaten selbst: er schüttelt ange- raschung, die den Spannungsmoment ekelt eine Spinne aus der Mitte. der Resultate weiter hinausschiebt. Arzt: «There›s a spider in here. Now, here we go:» Wir durchschauen das Schema und erahnen, dass es noch mehrere solche Wiederholungen geben wird. Arzt: «Mr. Griffin, you›re going to expire Der Arzt liest diesmal auch tatsächlich Humor der Wiederholung: Dass Peter in a month.» in den Unterlagen. Seine Aussage & Lois immer noch glauben, dass schockiert Peter & Lois von Neuem. eine ernst gemeinte Aussage kommt, Peter: Lois: «Ah!» ist belustigend, da wir als Zuschauer nun wissen, dass dies nicht der Fall sein wird. Durch ihre durchschaubare Naivität entsteht auch keine Empathie mehr mit ihrem Schockmoment. Arzt: «This is your drivers licence, Er hält eine aus den Unterlagen hervor- Humor: Das Verb «to expire» des isn›t it?» geholte Karte (ein Führerschein, darf vorangegangenen Satzes macht Sinn, man annehmen) hervor. denn anstatt «to die» (wörtl. Sterben) nutzte der Arzt ein Wort, das mehr für das Ablaufen von Waren hindeutete. Bisoziation findet diesmal in einem zumindest leicht glaubwürdigeren Kontext statt. Arzt: «Now unfortunately I›m afraid Er liest erneut in den Unterlagen. Humor: Wiederholung, und somit Betonung ihrer Naivität you›re going to die.» Peter & Lois: «Ah!» Arzt: «When you watch these «Dean Der Arzt holt von dem Regal hinter ihm Humor: dieses Wortspiel führt Martin Celebrity Roasts›!» eine Videokassetten- oder DVD-Hülle zu einer erneut weit hergeholten hervor und übergibt sie Peter. Es han- Bisoziation. Lois: «WIll you just tell us how Peter›s health is?!» delt sich um eine Comedy-Show. Arzt: «Uh, Mr. Griffin, I›m not quite sure Der Arzt strengt sich sichtbar an, die- Humor: Wiederholung & Erwartungs- how to say this... Kim... Basinger? sen Namen korrekt auszusprechen. bruch. Der Satz «I›m not quite sure (bah-sin-djer) Ba... Basinger? (bay- how to say this...» wird generell für singer) Basinger? (bay-sin-djer) Hm... « schwerwiegende Tatsachen genutzt, bei denen man um die richtigen Worte ringt. Der Arzt meint aber wortwörtlich damit, dass er sich nicht sicher ist, wie er etwas sagen/aussprechen soll (in diesem Fall den Namen eines bekannten Stars). Arzt: «But now, on to the cancer.» Peter & Lois: «Oh my god!» Arzt: «You are a cancer, right? You were born in July? Now on to these test results.» Er liest wieder in den Unterlagen. Humor: Wortspiel mit dem Wort «cancer». Durch den Spitalkontext erwarten wir die Krankheit, er spricht aber vom Sternzeichen. Ein sehr platter Kalauer. (Empathie mit den Besuchern entsteht nun mehr als Folge der schlechten Witzen, denen sie ausgesetzt werden, und nicht ihrer Angst vor dem Resultat...) 37 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis TONEBENE BILDEBENE HANDLUNG HUMOR/EMPATHIE Arzt: «My, they›re much worse than I Er nimmt ein Blatt von den Unterlagen Humor: Erneuter Wortwitz. «test re- thought.» hervor, welches ein grosses «D» darü- sults» können auf Englisch sowohl Re- bergekritzelt hat. sultate einer Analyse/Untersuchung Peter & Lois: «Oh no!» sein, wohl aber auch die Bewertung Arzt: «My son got a ‹D minus› on his einer Schulprüfung. history test.» Wiederholung des Peter/Lois schocks Arzt:» Now Mr. Griffin, that liver›s got to come out.» Peter & Lois: «What?!» Arzt: «It›s been in the microwave for Schnitt, ganz leicht herangezoomt: der Humor: Im Spitalkontext nehmen three minutes, it›ll get dry. Now...» Arzt dreht sich zu einer Mikrowelle um, wir an, der Arzt spreche von Peter›s die links neben das Bücherregal einge- Leber. Dabei meinte er eine Leber als baut ist, und nimmt einen dampfenden Gericht, welches er in der Mikrowelle Teller mit einem braunen Gericht erhitzt hatte. darauf heraus. Lois: «Please, please, we can›t take Schnitt, Halbtotale auf Peter & Lois. Humor: Lois erkennt in einem any more ‹shtik›. Please just tell us, is Lois fleht den Arzt mit Gestikulation selbstreferenziellen Moment die Peter healthy?» und Gesichtsmimik an, Peter bleibt Kalauer des Arztes als rhetorische stoisch. Humorstrategie. («shtik» ist yiddisch für «Stück», also Empathie: Lois› Stimme verrät ihre ein Gag oder Witz) Erschöpfung, und klingt authentisch Verzweifelt und Eindringlich. Durch ihr eigenes Durchschauen der Humorstrategie der Szene wird ihre bisherige Naivität weniger Lächerlich. Arzt: «Oh! Oh yeah he›s fine, he›s just Close-up des Arztes mit stoischem Humor: obwohl der Arzt seine Aussa- really fat.» Ausdruck. ge so lange herauszögerte und somit den Eindruck einer schwerwiegenden Diagnose erweckte, ist nichts daran besonders Besorgnis erregend. Inkongruenz und Überraschung: die ganze Aufregung war umsonst. 01:10 KATHARSIS 1 Lois: «Oh thank god.» Schnitt zurück zu Lois & Peter. Lois ist Empathie: wir fühlen die kathartische erleichtert. Peter ist überrascht. Erleichterung ab der gelösten Spannung mit Lois mit. Peter: «Woah, hey, wait, hang on a Peter wirft vorwurfsvolle Blicke an den Humor: obwohl Peter in seiner ganzer second. Did you just say I was fat?» Arzt. Fettleibigkeit vor uns sitzt, scheint er sich selbst noch nie als fettleibig betrachtet zu haben. Inkongruenz: dies scheint uns unmöglich. Wir können nur wenig mit Peter empathisieren, denn sein Schock ist übertrieben und scheint unglaubwürdig. 38 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis TONEBENE BILDEBENE Arzt: «Well, yeah, you are pretty fat.» HANDLUNG Schnitt zu einem Close-up des Arztes. HUMOR/EMPATHIE Humor: der Arzt wiederholt mit stoischer Miene und ohne Mitgefühl seine Überzeugung. Peter: «Um, okaaaay, this is news Peter ist sichtlich verstört, dann Humor: Peter macht einen weit herge- to me. Ah. Boy this is more awkward beschämt. holten Vergleich, dessen Bisoziativität than having sex with a rhinoceros who viel Konzentration und Energie zur doesn›t love you anymore.» Verarbeitung und Verknüpfung mit seiner Situation benötigt. Durch diesen Energieaufwand kann sich auch kaum Empathie bilden, denn der Verstand und der Intellekt stehen im Vordergrund und versuchen das Gesagte zu interpretieren. Peter: «Why wouldn›t you look at me Schnitt zu einer Situation ausser- Humor: Überraschung! Der Vergleich during...?» halb des Spitals, womöglich in der wird eins-zu-eins wiedergegeben Vergangenheit oder zeitlich parallel Inkongruenz: Peter›s Aussage gleicht dazu in Peter›s eigener Fantasie. Peter einem Seifenoper-Dialog, der in aller liegt traurigen Blickes im Bett neben Regel aber von einer Frau an den einem sichtlich emotional unbeteiligten Mann gerichtet ist. Die Körperspra- Rhinozeros. che des Rhinozeros und Peters sind denn auch klischierte gender-typische Posen. Ausserdem deutet seine Aussage 01:27 auf einen tatsächlich stattgefunde- KATHARSIS 2 nen Geschlechtsverkehr zwischen ihm und dem Rhinozeros hin. Diese Vorstellung alleine bricht schon so einige Tabus... Peter: *heult lauthals los* Das Rhinozeros steht wortlos auf und Inkongruenz: die unrealistische verlässt das Zimmer. Situation wird voll ausgespielt und Peter scluchzt, überdramatisch und weinerlich, wie ein kleines Kind. Empathie oder kathartischer Humor? Ob wir nun mit Peter›s Weinen auf einer emotionalen Ebene empathisieren sollten, ist fragwürdig. Viel eher hören wir seinen Jammer versuchen uns empathisch stärker von ihm als jämmerlicher Figur zu distanzieren, um so wenig wie möglich von uns in ihm wiedererkennen zu müssen. 39 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Trickfilmspezifische Analyse 2: Family Guy Aus Season 04 Episode 17: «Fat Guy Strangler» Allgemeine Beobachtungen: C - Bildstil Die Farbgebung ist flächig und eher bunt. Die Figuren sind karikaturesk, allerdings naturalistischer (detaillierter) dargestellt als in den anderen Beispielen: wir sehen Doppelkinne, Kleidungsdetails, ausgearbeitete Hintergründe und relativ realistische Körperproportionen - ausgenommen der überdimensionalen Köpfen, ein klassisches Trickfilmmerkmal das der Verstärkung der Gesichtsmimik dient. F - Dialoge und Stimmen Sind zwar leicht stilisiert aber nicht per se «lustig». K - Präsentationskontext Der Clip entstammt einer vollen Episode von Family Guy, in der es allgemein um Fettleibigkeit geht. Dieser Clip stellt sozusagen Peter’s «Erwachen» dar vor der Tatsache, dass er selber Fettleibig ist. D - Animationsstil Bewegungen sind sehr schemenhaft. Durch die eher detaillierteren Figuren dieses Beispiels wirkt die undetaillierte Animation umso mechanischer. Das Päärchen erschrickt bei jeder Ankündigung auf dieselbe Art, und fällt danach sofort zurück in eine komplette Starre des teilnahmslosen Abwartens. Die vereinfachte Animationstechnik begünstigt den komischen Effekt dank den exakten Wiederholungen. Kathartische Momente: Katharsis 1: Die Sorge war umsonst - Peter ist nur sehr dick. ---------------------B - Sozialer Kontext: Höflichkeitsnormen würden ein vorsichtigeres Ansprechen von Peter’s Fettleibigkeit verlangen. Das direkte Erwähnen seiner Fettleibigkeit ist auch eine Erleichterung einer unterdrückten Feststellung, die wir von Beginn der Szene hatten. Die Fettleibigkeit einer Person zu belachen ist zwar in vielen sozialen Kontexten ein Tabu, jedoch ist es in Trickfilmserien desöfteren ganz offensichtlich Zielscheibe des Spottes20. F - Dialog & Stimmen: Dass Peter und Lois den Arzt zwischendurch auffordern, ihnen mitzuteilen dass Peter kerngesund ist, führt zu einer Verstärkung unserer Wahrnehmung seiner Fettleibigkeit. Dies zu wissen und nicht angesprochen zu hören, führt zu einer Anspannung die erst mit der Aussage des Arztes gelöst wird. G - Rhetorische Strategie: Durch die Endlosschlaufe der furchtvoller Erwartung und deren Auflösung ins Nichts, als der Arzt ihnen keine Antwort gibt, steigert sich die Erwartung bei Lois’ plötzlicher flehender Haltung schlagartig ins Ernste. Dass darauf die Antwort des Arztes banal ausfällt, löst sämtliche Spannungen komplett auf. Die ultimative Erleichterung. H - Kamera: Die Aussage des Arztes ist die naheste Einstellung der Szene. Dies verleiht seiner undramatischen und uneinfühlsamen Aussage noch mehr Nachdruck. J - Target: Wir lachen einerseits über Peter und Lois’ unnötige Besorgnis, auch über die freche Selbstverständlichkeit, mit welcher der Arzt seine Aussage macht, als auch etwas Schadenfreudig ob der Feststellung von Peters unabstreitbaren Übergewicht. 20 z.B. The Simpsons Season 7, Episode 135: «King Size Homer» (1994), South Park, Season 01, Episode 02: «Weight Gain 4000» (1997), South Park Season 04, Episode 15: «Fat Camp» (2000), Family Guy Season 4 Episode 17: «Fat Guy Strangler» (2004) (allesamt auf http://en.wikipedia.org recherchiert, Stand am 23.1.2015) 40 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis L - Botschaft: Die Auflösung lässt nicht auf eine klare Botschaft schliessen. Katharsis 2: Die Szene läuft ins Absurde hinaus ---------------------A - Reine Deskription: Ein Mann und ein Rhinozeros liegen in einem Ehebett. G - Rhetorische Strategie: das unkonventionelle Ausspielen einer bloss dahergesagten Metapher überrascht beinahe so fest wie der dargestellte Inhalt. Inhaltlich bietet die Szene keinen Zusammenhang zur übrigen Geschichte ausser dass sie von Peter erwähnt wurde. Bisoziative Anstrengungen laufen ins Leere hinaus und die überschüssige Energie fördert die Katharsis. J - Targets: Peter ist hier Zielscheibe des Spottes, da er zwar sein Satz mit «...schlimmer als wenn...» als surrealer Vergleich formulierte, die sogleich nachgestellte Szene aber suggeriert, dass Geschlechtsverkehr tatsächlich stattgefunden hatte. Seine intensive emotionale Haltung darin macht ihn zur lächerlichen Figur. L - Botschaft: Peters absurder Vergleich lässt kein Schlussfazit der Szene zu. Eine komplett neue, unzusammenhängende und unmögliche Situation bildet das tragische Ende einer absurden Szene. Trickfilmspezifische Aspekte: Typische formale Trickfilmmerkmale finden wir in der Darstellung der Figuren und den exakten, fast mechanischen Wiederholungen von Gefühlszuständen (Peter & Lois’ Erstaunen). Die schemenhaften Bewegungen sind auf ein solches Minimum reduziert dass man als Zuschauer nur gerade den Augenbewegungen folgen können muss. Die Gesichtszüge geben allerdings die Gemütszustände der Figuren sehr präzise wieder. Katharsis 1 wird vor allem von Punkten F und G ausgelöst, und könnte so auch gut im Realfilm gelingen. Besonders trickfilmspezifisch ist allerdings die absurde Katharsis 2 mit dem Rhinozeros, welches sich wie ein Mensch verhält und bewegt: Anthropomorphismen sind tatsächlich eines der letzten Bastionen des Trickfilms. Eine Realfilmcomedy hätte entweder ein echtes Rhinozeros einsetzen müssen (wobei klar gewesen wäre, dass es Peter’s Frage nicht versteht) oder einen Mensch in einem Rhinozeroskostüm (wobei klar gewesen wäre, dass es kein echtes Rhinozeros ist). Im Trickfilm kann man durch «suspension of disbelief» tatsächlich eine Beziehung zwischen einem Rhinozeros und einem Menschen als Realität vorschlagen. Eine bisoziative Katharsis wäre allerdings auch als Realfilm eingetreten. Empathie VS Humor Arzt = Humorträger Patient = Wechselt zwischen Empathie- und Humorträger Ehefrau = Empathieträger 41 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 42 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Beispiel 3: TripTank Season 01 Episode 01: «Head, Shoulders, Knees and Toes» http://www.cc.com/video-clips/jtm9w1/triptank-head--shoulders--knees-and-toes Totale Länge Clip: 48 s BILDEBENE TONEBENE HANDLUNG HUMOR/EMPATHIE Frau: «I just got the call. How›s my Beide Figuren stehen schon im Bild. Humor: Stimme der Frau wird von son?» Mit minimaler Animation aber guter einem Mann auf nicht wirklich über- Gesichtsmimik und Körperhaltung wird zeugende mimische Art gesprochen. die Besorgnis der Frau transportiert. Empathie: Die Sorge um ihren Sohn weckt Empathie. Arzt: «Yeah your son was in a really Der Arzt reagiert völlig unpassend mit Humor: die Stimme des Arzts ist bad car accident» lässiger Haltung und unbesongter ebenfalls stark stilisiert. Fröhlich Gestikulation. und lispelnd übermittelt er ihr die (Mit Lispeln ausgesprochen: «yeah your schlechten Nachrichten wie beim thon wath in a really bad car accident») Kaffeeklatsch, Inkongruenz von Verhaltensweise und Situation. Frau: «Please just tell it to me straight, Die Haltung und Sorge der Frau bleibt Empathie: Mitleid mit der Mutter, Doc.» indes unverändert. deren Anliegen nicht ernst genug genommen wird. Arzt: «Oh, of course, pardon me.» Der Arzt schämt sich ein wenig seines Der Satz der Frau wird üblicherweise Verhaltens und «normalisiert» wieder. so interpretiert: er soll ihr unverblümt sagen, wie schlimm es um ihren Sohn steht. In einem Bruch mit der kohärenten fiktiven Welt interpretiert er es aber als Aufforderung, mit «normaler» Stimme mit ihr zu sprechen. Er war sich also seines übertriebenen Verhaltens als Trickfilmfigur bewusst. 00:06 KATHARSIS 1 Arzt: «Regarding your son, I›m afraid I Close-up Schnitt auf die Aussage des Empathie: die Stimmung wird schlag- don›t have any good news.» Arztes. artig ernst, es gibt keine guten Neuigkeiten. Stimme und Verhalten des Arztes sind realistischer geworden. Frau: «Oh my god» Der Animationsstil/Bildstil der Frau Humor: Um dem Ernst einen (in stilisiertem Amerikanisch ausge- verändert sich ins groteske. Eine sehr Kontrast zu setzen, «überspielt» der isolierte, schematische Handgeste soll Stimmsprecher die Sorge der Mutter ihr Besorgnis unterstreichen. merklich. Auch die Bildsprache kippt sprochen: «Ehmehgehd») wieder in stilisierte Bewegungen um. 43 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis BILDEBENE TONEBENE HANDLUNG HUMOR/EMPATHIE Arzt: «I mean, his organs are all Humor: Der familiäre Umgangston, ist F*****, Bro.» stark inkongruent zum Arzt-Patienten Verhältnis. Ein kathartisches Erleich- (das «fucked» wird mit einem langen terungslachen Piepsen zensiert) entsteht womöglich durch den Kraftausdruck, um dem schlimmen Zustand des Jungen Ausdruck zu verleihen, das sonst mühsam umschrieben werden müsste. Frau: «Just tell me, is my son gonna Empathie: Diesmal ist die Stimme be ok?» der Frau überzeugender gespielt, die Sorge in ihrer Stimme wirkt authen- Arzt: «Well, considering the state of tischer, den Tränen nahe. Dies wird his...eh... what›s it called...» auch mit einem zusätzlichen Glänzen in ihrer sich vergrösserndern Pupillen betont. Frau: (dazwischengeworfen) «I don›t Der Arzt geniert sich nicht davor, Humor: Der dazwischengesprochene know» laut nach dem Namen des richtigen Satz der Frau wirkt lustig, weil wir Körperteils des verunfallten Sohnes zu darin die improvisierte Stimmung bei suchen. Durch den fragenden Tonfall den Stimmsprechern erkennen. scheint er die Mutter an seiner Suche Die Unbehutsamkeit seiner Aussage, zu beteiligen. welche die Angst der Mutter wachsen Arzt: «Uhm... that part of him that is mashed into bits...?» lässt, wirkt ebenfalls inkongruent zu seiner Profession. Arzt: «Unrecognizable mush?» Der Arzt spricht die Worte ganz klar Humor: Das Wiederholen der aus. beängstigend präzisen Beschreibung des unpräzisen Körperteils, sowie die unprofessionelle Formulierung spannt die Mutter und die Zuschauer zusätzlich auf die Folter. Arzt: «What? I dun- I dunno I haven›t Close-up auf die Frau, deren Angst und Humor: Wo üblicherweise Empathie seen him!» Ungeduld wächst durch die hörbare Verzweiflung in ihrer Stimme und der dringlichkeit ihrer Blicke einsetzen würde, wirkt der Effekt humorvoll durch das offensichtlich bewusst eingesetzte Verzögern der Antwort des Arztes, und der verstellten Stimme der Mutter. Arzt: «Well...spoiler alert!» Die Ungeduld und Irritation der Frau ist Humor: Inkongruenz des extrem fa- Frau: «What›s wrong with my son!» an ihrem Höhepunkt angelangt. miliären und jugendlichen Ausdrucks «Spoiler-Alert» im Spitalkontext. Empathie: Wir fühlen in dem Moment womöglich als Zuschauer schon mehr Anspannung, als es die Stimme der Mutter zu vermitteln vermag. Arzt: «Mmmmh what is iiiiit...?» Er studiert ein letztes Mal Humor: Dieser letzte Anlauf wirkt sehr absichtlich in die Länge gezogen. Inkongruenz zwischen der erwarteten Professionalität des Arztes und der offenbar sadistischen Schadenfreude daran, die richtigen Worte zu finden. 44 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis TONEBENE BILDEBENE Arzt: «Oh! His....» HANDLUNG HUMOR/EMPATHIE Erster Schnitt auf eine Totale: dem Arzt Humor: das plötzliche Herauszoomen fällt das gesuchte Wort ein. auf eine Totale bewirkt gleichzeitig eine emotionale Distanznahme zu dem, was der Arzt sagen wird. Üblicherweise wird in filmischen Medien dramatische Information durch Nahaufnahmen vermittelt. Arzt: *gesungen* «...heeead shoulders Der Arzt beginnt, ein bekanntes Humor: Das unerwartete Verwenden knees and toes, knees and toes! Head, Kinderlied zu singen mitsamt der dazu eines Kinderliedes zur Verdeutlichung shoulders knees and toes, knees and passenden «Tanzschritte», nämlich das der verunfallten Körperteile eines toes...» anfassen des jeweils ausgesprochenen kleinen Jungen ist auf eine Art kon- Körperteils am eigenen Körper. gruent (Kinderunfall, Kinderlied) und auf andere Art grotesk (jedes dieser Frau: «w-what?!» Körperteile ist ja gemäss seiner Aus- (Die Stimme der Frau klingt, als ob der sage komplett unerkennbar entstellt). Stimmsprecher selbst lachen musste 00:34 KATHARSIS 2 Katharthisches Lachen aus Schock während dieser «Performance») und aus Erleichterung, dass das Warten auf die Aussage vorbei ist. Arzt: *gesungen* «...and his eyes...» Close-up für die Betonung der auf- Humor: Der spontan wechselnde Frau: «Ohmygod» gezählten Gesichtsmerkmale. Diese Bildstil der erwähnten Körperteile werden bei ihrer Erwähnung detaillierter wirkt überraschend. Die verspielt- und unpassend zum übrigen Bildstil am kindliche Aufdringlichkeit und Freude Gesicht des Arztes visuell betont. des Arztes am Aufzählen des Leidens Arzt: «...and his ears, and his mouth, and his nose...» ihres Sohnes ist inkongruent zur Frau: «No!» uneinfühlsamen Überforderung die er der Mutter dadurch beschert. Arzt: «your son...eh...is just mush now, Stolz beendet der Arzt seine kleine Humor: Der kurze Aussetzer im so make another boy!» Vorführung, während die Mutter ihre Liedfluss erinnert uns erneut daran, Haltung nicht verändert. Ihre Stimme dass die Stimmsprecher wohl spon- aber verrät, dass sie innerlich zusam- tan improvisierten. Dass der Junge menbricht. «mush» ist, bedeutet, dass nicht nur Mutter: *wimmert nur noch leise vor sich hin* die erwähnten Körperteile entstellt sind, sondern dass der Junge komplett «zermalmt» ist. Tabubruch indem keine Trauer ob dem Verlust 00:47 KATHARSIS 3 ihres Sohnes verlangt wird, sondern sogleich dazu aufgefordert wird einen «neuen Jungen zu machen» um den alten zu ersetzen, was kathartisch schockierend wirkt. 45 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Trickfilmspezifische Analyse 3: TripTank Season 01 Episode 01: «Head, Shoulders, Knees and Toes» Allgemeine Beobachtungen: C - Bildstil Stark reduzierte, ikonische Figuren erinnern an Comics und Illustrationen für Kinder. Die Farben sind naturalistisch und unspektakulär. Gesichtszüge der FIguren sind sehr ausdrucksstark. D - Animationsstil Passend zum Bild ist die Animation sehr reduziert. Die Gestik der Charaktere ist schemenhaft und die Posen enden allesamt in freeze-holds, es wird kein naturalismus in der Bewegungsart oder -geschwindigkeit angestrebt. Das schnelle Wandeln zwischen Animations- und Bildstilen geschieht unangekündigt und unterstreicht Aspekte des Dialoges sowie die inneren Gemütszustände der Figuren. F - Dialoge und Stimmen Stimmen und Dialoge werden ohne Berücksichtigung einer 4. Wand21 eingesetzt: den Stimmsprechern ist es egal wenn Zuschauer realisieren, dass sie den Dialog dieser Figuren nur «vorspielen». G - Rhetorische Strategie, Erzählstil Die Geschichte beginnt als Parodie einer dramatischen Spitalszene, wird aber immer anarchischer, bis hin zur Auflösung der Geschichte in schwarzem Humor durch den Schlusssatz des Arztes: «...dein Sohn ist kaputt, also mach dir einen neuen kleinen Jungen!» K - Präsentationskontext Die Absurdität wird weiter unterstrichen durch die Tatsache, dass dieser Trickfilm innerhalb einer Serie mit mehreren kurzen, wild durcheinandergewürfelten animierten Kurzfilmen präsentiert wird. Die Szene beginnt also völlig ausser Kontext des zuvor (annahmsweise mit einem Witz) endenden Clips, und das hohe Level an Drama der ersten Einstellung lässt den Zuschauer schlagartig von der Belustigung über den letzten Clip in eine Ernsthaftigkeit überkippen, die der Spitalprämisse im echten Leben angemessen wäre. Kathartischen Momente: Katharsis 1: Durchbrechen der vierten Wand ---------------------B - sozialer Kontext: Indem der Arzt sofort seinen Tonfall abstreift wird sein «vorspielen» innerhalb einer fiktiven Szene sehr deutlich betont. Erleichterungslachen über das Brechen der suspension-of-disbelief. F - Dialog & Stimmen: Hier löst das Verwenden einer stilisierten Sprache als auch das Sprechen mit einer verstelten Stimme zusammen mit der sofortigen Unterbindung derselben die Katharsis aus. G - Rhetorische Strategie: durch ein so schnelles Einsetzen der ersten Katharsis können Zuschauer sich schnell von der Idee lösen, diese Szene ernst zu nehmen oder sich empathisch tiefer auf die Figuren einzulassen. J - Target: der Arzt wirkt lächerlich weil er so unprofessionell sprach und sich dessen scheinbar bewusst war. L - Botschaft: Die selbstreferenzielle Moral, die der Arzt zu begreifen scheint, ist: man sollte nicht unseriös mit den Müttern von kranken Kindern sprechen, selbst wenn man sich «nur» in einem Trickfilm befindet. 21 29.1.2015) 46 Für eine Erläuterung dieses Prinzipes aus dem Bühnenspielkontext, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Vierte_Wand (abgerufen am Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Katharsis 2: Das groteske Kinderlied ---------------------B - sozialer Kontext: Das Lied «Head, Shoulders, Knees and Toes» ist ein bekanntes englischsprachiges Kinderlied, bei dem man jedes genannte Körperteil in der richtigen Reihenfolge demonstrieren muss. Das Verwenden eines Kinderliedes ist auf merkwürdige Art kongruent - da es sich um ein Kind handelt, und auch um dessen Körperteile, jedoch im Kontext der Situation überhaupt nicht konventionell angebracht. C - Bildstil: Die Mimik verändert sich je nach Inhalt eines Satzes markant, und spielt so auf einen spezifischen Humor an, der sich im Internet etabliert hat, und sich durch standardisierte «Meme»-Gesichtsausdrücke22 kennzeichnet. Dies bricht ebenfalls unsere Erwartungen an einen durchgehenden Bildstil, und einer kohärenten fiktiven Welt. F - Dialog & Stimmen: Der Liedtext verleiht dem Lied in diesem Kontext eine ganz neue Bedeutung. G - Rhetorische Strategie: der unerwartete Erzählstilwechsel innerhalb der Szene (es wird beinahe zu einem Musical) wirft uns derart aus der Bahn, dass auch unsere Empathie kurzzeitig aufgehoben wird. H - Kamera/Schnitt: Der Schnitt von der Nahaufnahme des nach-Worte-ringenden-Arztes zur Totale, als er das gesuchte Wort endlich findet, ist hier die Ankündigung für die Katharsis. Konventionell sehen wir nämlich in filmischen Medien die Verwendung von nahen Kameraeinstellungen während dramatischen Aussagen. Die unerwartete Verwendung eines Kinderlieds für eine brutale Aussage entwickelt so noch mehr Wucht, weil wir durch die (visuelle und empathische) Distanz weniger Empathie mit der Mutter empfinden, denn es steht nunmehr die gesangliche und körperliche Blödelei des Arztes im Vordergrund. Sie wird aber dennoch mit in die Totale genommen, damit wir empathisch durch sie gleichzeitig die Katharsis durchleben können - diesmal im ursprünglichen Sinne Aristoteles’ als Reinigung durch das Erleben vom Jammer und Schrecken anderer (vgl. Wikipedia, am 29.1.201523). J - Target: Am meisten Lachen und Spott erntet wohl das Motif selbst: die gesamten Erwartungen an eine Arzt-Patienten-Unterhaltung wird ins Absurde getrieben. L - Botschaft: Der Wechsel zu einem Lied ist im Grunde nur eine Blödelei. Katharsis 3: Banalisieren eines toten Kindes ---------------------B - Sozialer Kontext: seine fröhliche Art ist das genaue Gegenteil dessen, was man an Einfühlsamkeit von einem Arzt erwartet, der einer Mutter beibringen muss, dass von ihrem Sohn nur noch Brei übrig ist. F - Dialog & Stimmen: der letzte Satz ist eine Pointe insofern als endlich festgehalten wird, dass ihr Sohn tot ist. G - Rhetorische Strategie: die Szene endet auf der höchsten Stufe der Uneinfühlsamkeit des Arztes, und auch auf ein direktes Ansprechen eines Tabuthemas - ein totes Kind. Schock-Faktor auf verbaler Ebene. J - Target: Die Mutter ist zwar Empathieträgerin, wirkt durch ihre stilisierte Sprache und die Männerstimme aber gleichzeitig lächerlich, als sie gespielt vor sich hin wimmert. Der Arzt schockiert uns mehr als dass wir ihn auslachen. L - Botschaft: Ein uneinfühlsamer und unempathischer Gedanke: «Nicht weinen, mach ein neues Kind.» 22 Für eine Erläuterung dieses Phänomens, siehe http://netforbeginners.about.com/od/weirdwebculture/f/What-Is-an-Internet-Meme.htm (abgerufen am 29.1.2015) 23http://de.wikipedia.org/wiki/Katharsis_(Literatur) 47 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Trickfilmspezifische Aspekte: Die trickfilmspezifischen Aspekte sind erneut vor allem Bildstil, Stimmen und Bewegungen der Figuren. Da die Sequenz nur zwei agierende Figuren beinhaltet, wurde diesmal die Empathietragende Figur - die Mutter - teilweise zur Humorträgerin. Wäre sie reine Empathieträgerin, würde dies dazu führen, dass die Hälfte der Aktionen und Dialogen nicht humorvoll wären. Dank ihrer «falschen» Stimme kann jeder ernst gemeinte Satz ebenfalls lächerlich wirken. Sie muss dennoch ein Mindestmass an Empathie im Zuschauer hervorrufen, weil sonst die kathartischen Momente weniger stark einschlagen würden. Alle drei kathartischen Momente wären zwar theoretisch in einer Realfilmcomedy ebenfalls durchführbar, jedoch müsste dabei ein als Frau gekleideter Mann die Rolle der Mutter übernehmen. Dies würde eventuell just dieses mindestmass an Mitleid & Empathie verschwinden lassen, welche für die Katharsis von Vorteil ist - denn das reale Bild einer Totale eines als Frau verkleideten Mannes hätte weniger diegetische Glaubwürdigkeit (die hier dank der trickfilmspezifischen «suspension of disbelief» gegeben ist). Die trickfilmspezifischen Aspekte sind hier also rein formal, aber zu Zwecken der Empathie nicht weniger nützlich. Empathie VS Humor Arzt = Humorträger Mutter = Empathieträger / Humorträger 48 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 5.4 Zusammenfassung Beispielanalyse Trickfilmspezifische Elemente der Katharsis In Beispiel 1 ist das Wiedererkennen unterdrückter egoistischer Triebe in den formal ikonischen Trickfilmfiguren für die Katharsis besonders dienlich. Dass sie durch ihre «unschuldigen» Kindergestalten stets aufs neue unsere Empathie zu wecken versuchen, nur um sich dann gegen alle Konventionen zu wenden und uns zu schockieren, funktioniert besonders gut durch ihren reduzierten Stil. Auf der inhaltlich-narrativen Ebene gibt es in allen Beispielen nur zwei Situationen, die für einen Realfilm «unmöglich» wären (oder zumindest in der Umsetzung viel weniger lustig), nämlich: Cartman’s brutaler Sturz vom Dach in Beispiel 1 (welcher Katharsis 1 und 2 auslöst), und Peter’s Rhinozerosszene in Beispiel 2 (Katharsis 2). Empathische Figuren Alle Beispiele enthalten mindestens eine Figur, die komplett unempathisch auf ihre Umwelt reagiert und uns ein empathisieren mit ihr unmöglich oder unerwünscht machen, und zwar ist dies in jedem Beispiel der Arzt. Ebenfalls enthalten alle Beispiele eine Figur, die ganzheitlich oder zu einem Grossteil den «Normalzustand» von sozialem Verhalten und empathischen Fähigkeiten darstellt. Dies ist in allen Fällen die weibliche Figur. Der Patient hat indes, wo er sichtbar ist, eine Mischfunktion: er weckt Mitleid in seiner Opferrolle (der Untersuchung, des Spottes, der Bewertung durch Aussenstehende), wir empfinden aber eher Sympathie als Empathie. Denn die Patienten weisen Rücksichtslosigkeit, Selbstüberzeugung und Arroganz auf (wie in Beispiel 1) oder Dummheit, Naivität und Absurdität auf (wie in Beispiel 2) und lassen uns so aus Selbstschutz vor der Identifizierung mit ihnen eine distanzierte Haltung einnehmen. Dies erleichtert uns dafür das distanztheoretische Lachen. Es folgen nun einige Gegenüberstellungen von Trickfilmbeispielen und thematischen Realfilmpendants. Dabei soll sich herausstellen, ob die soeben genannten «typischen» Trickfilmelemente sowie die Verwendung von Empathischen Figuren auch wirklich exklusiv auf ihr Medum zugeschnitten sind, oder ob es sich um allgemeine Humormethoden handelt, die sich lediglich besonders oft im Medium Trickfilm wiederfinden. 49 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 6. Gegenüberstellung Realfilm - Trickfilm In folgenden Beispielen versuche ich, für die oben erwähnten trickfilmspezifischen Elemente im Einsatz mit Katharsis Pendants aus dem Realfilm zu finden. Dies sollte meine ursprünglichen Fragen, inwiefern Trickfilme ihre typischsten Merkmale für kathartische Momente anwenden und ob sie Empathie anders als im Realfilm einsetzen um die Anteilnahme und Distanzierung des Publikums zu manipulieren. A1 50 Abb. 19: Cartman›s brutale Landung A2 Abb. 20: Workaholics - ein besoffener Unfall B1 Abb. 21: Cartman flucht in der Gegend herum B2 Abb. 22: Eein gar sehr frühreifes kleines Mädchen C1 Abb. 23: Family Guy›s absurde Rhinozerosmetapher C2 Abb. 24: Monty Python›s absurde Erklärung Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis A1 & A2: Gewalt - oder das plötzliche Auftreten des naturalistischen innerhalb der Fiktion South Park stellt ungehemmt und mitleidlos Cartman’s Unfall dar - zwar von weitem gesehen, aber mit überraschend naturalistischen Soundeffects. Kurz zuvor konnten wir uns allerdings dank seiner übertriebenen Selbstüberzeugung und Selbstherrlichkeit von seinem «edlen» Vorhaben, einen ersten Flug zu wagen, distanzieren, sodass wir seinen Sturz moralisch als «Folge seiner selbstverschuldeten Dummheit» wahrnehmen konnten. Somit ist unser kathartisches Lachen einerseits Resultat des Schocks vom unerwarteten Wechsel von der Trickfilmdiegese in etwas sehr realistisches, aber es ist teilweise auch ein ganz simples Auslachen als Distanzierungsmassnahme. Die amerikanische Serie Workaholics (2011 a dato auf Comedy Central) arbeitet gerne mit visuellen graphischen Shock-Faktoren, wie in diesem Beispiel das Aufspiessen des Charakters im Morgenmantel, der sich in einen Schaukasten voller Trophäen stürzt (man sieht im Bild den Sockel aus seiner Bauchgegend herausragen). Er war allerdings zum Zeitpunkt dieser Aktion vollkommen betrunken, was unser Mitleid für ihn gleich wie bei Cartman aus Gründen seiner selbstverschuldeten Dummheit sinken lässt. Trotzdem ist der somatisch empathische Effekt einer solchen Darstellung mit einem realen Menschen sehr viel höher als beim Betrachten Cartman’s auf Grundformen reduzierten Körpers. Auf somatischer Ebene könnte man sagen, dass der Realfilm solche Momente schockierender naturalistisch darstellen kann als Trickfilme. Anderseits ist es womöglich leichter, sich auf psychologischer und wertender Ebene von diesem Menschen zu distanzieren, da wir uns nicht so stark in ihn hineinprojezieren wie in Cartman’s ikonischer Kinderfigur. Weniger Empathie führt somit auch zu weniger Beteiligung, und auch zu weniger Mitleid. Was bleibt ist der somatisch-empathische Schock der Verletzung. B1 & B2 - Unschuld - oder das befremdliche Distanzieren Cartman appelliert durch seine Rolle als Kind im Spital an unsere Empathie, zwingt uns durch inkongruentes erwachsenes Verhalten zur Distanznahme, äussert aber dennoch eine tabuisierte Wahrheit, und löst in uns dadurch eine Katharsis aus. Am Ende hat sie dennoch einen Teil unserer Empathie zurückgewonnen, da sie einen (wohl unerwünschten aber wahren) Teil unseres eigenen Charakters wiederspiegelt. Little Britain’s kleines Mädchen, das auf dem Weg zu einer Operation ist, spielt mit seiner Mutter ein Spiel, indem sie einander eine endlose Reihe von Liebesbeweise zusäuseln. Anfänglich wirken alle Figuren sehr unschuldig, und nutzen dies um unsere Sympathie und Empathie zu gewinnen. Dies ist der letzte, zur Pointe führender Wortwechsel ihres Dialoges: Kleines Mädchen: «I love you more than Snoopy» Mutter: «I love you more than cupcakes» Kleines Mädchen: «I love you more than black cock.» Das kleine Mädchen wechselt von Empathieträgerin auf einen Schlag in eine Humorträgerin. Kathartisches Lachen entsteht durch unerwartete Brechen des Tabus der kindlichen Unschuld, sowie das verbotene Aussprechen solcher Vorlieben in der Öffentlichkeit - besonders im Familienkreis. Dies ist so schlecht mit unserem Bild von Kindern vereinbar, dass wir innerlich sofort Distanz einnehmen und sie womöglich auch wieder mehr als «ein als Mädchen verkleideter Darsteller» wahrzunehmen versuchen. Das Mädchen in ihrer Rolle (unschuldiges Kind im Spital) appelliert ebenfalls an unsere Empathie, zwingt uns ebenfalls durch inkongruentes erwachsenes Verhalten zur Distanznahme. Sie äussert allerdings eine tabuisierte sexuelle Vorliebe statt einer allgemein-menschlicher egoistischer Haltung. Die Szene endet also mit einer stärkeren befremdlichkeit dem Mädchen gegenüber als die Szene von South Park. C1 & C2: Pointe im Nichts - Der Schnitt ins Absurde 51 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Family Guy’s absurde Schlussszene, die den gesamten vorherigen Erzählbogen bricht, und dazu noch etwas komplett unmögliches aufzeigt, scheint sehr trickfilmspezifisch und postmodern im Umgang mit Montage und Erzählrhetorik. Doch mit einem Blick zurück zu den Königen des Absurden, Monty Python, wird schnell klar dass solche Methoden längst keine neue Trenderscheinung sind. Die unteren Bilder sind zwei aufeinanderfolgende Einstellungen desselben Monty Python Sketchs, «Flying Sheep» aus dem Jahr 1969. Der Sketch ist Teil von Episode 2: «Sex and Violence24 (vgl.Wikipedia, am 20.1.2015) Was die kathartische Reaktion in der Rhinozerosszene ausmachte, war zuerst einmal der Wechsel von einem ernsten Schauplatz in einen unernsten (unernst nur deshalb, weil es eine unmögliche Situation darstellt) und die einhergehende Lösung einer thematischen Anspannung. Dann kommt die Realisation, dass dies gleichzeitig das Ende der vorherigen Szene war, und wir überhaupt keine befriedigende Schlussfolgerung bekamen - was eine Lösung des dramaturgischen Spannungsbogens bewirkt. Und als letztes kommt der leichte Schock ab der unmöglichen Situation an sich, der wir nicht einmal mit all unserer «suspension of disbelief» folgen können. Sie bricht schlichtweg alle Regeln der zuvor aufgestellten fiktiven Welt. Und wie sieht es bei «Flying Sheep» aus? Abb. 25: Der Landmensch versuchen sich zu erklären, weshalb seine Schafe wohl glauben, dass sie Vögel seien, und zu fliegen versuchen. Abb. 26: Schnitt auf zwei Klischeefranzosen, die zwar nicht erklären, weshalb seine Schafe dies glauben, dafür aber wie ein flugfähiges Schaf konstruiert sein müsste, um kommerziell erfolgreich zu werden. Oben links (Abbildung 25) sehen wir eine relativ naturalistische Einstellung, in der ein Stadtmensch und ein Landmensch sich darüber unterhalten, dass eine Herde Schafe sich seit einigen Wochen nur noch in Bäumen aufhält. Darauf folgt unerwartet ein Schnitt zu einer diegetisch komplett verschiedener Einstellung (Abbildung 26). Die einzige Verbindung zur vorherigen Szene ist die Erwähnung eines fliegenden Schafes (genau wie bei Family Guy, wo die einzige Verbindung Peter’s Erwähnung der Rhinozerosmetapher war). Von einer naturalistischen Situation wird zu einer absurden gewechselt, was die thematische Anspannung auflöst (die erwartete Pointe der Szene fällt aus). Dann kommt ein leichter rhetorischer Schock, wenn uns bewusst wird dass diese Figuren komplett stilisiert parodistisch sprechen und angezogen sind, und einen völlig anderen Humorstil vertreten. Die fiktive Welt dieser neuen Einstellung hat nichts mehr mit der zuvor aufgestellter fiktiver Welt zu tun. In beiden Fällen sind wir bisoziativ überfordert, müssen überschüssige Energie loswerden die wir im Hinblick auf eine Pointe zur Auflösung des dramaturgischen Spannungsbogens angestaut hatten, und werden vom reinen Schock des Weltenwechsels ebenfalls zu einem Überforderungslachen veranlasst. 24http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Monty_Python%27s_Flying_Circus_episodes 52 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis 7. Schlussfolgerungen Die letzten Tabuthemen Von den drei Hauptmerkmalen der drei analysierten Beispiele liessen sich relativ passende Realfilmpendants finden, was aufzeigen könnte, dass es nichts grundlegend Trickfilmspezifisches gibt, was Realfilme - unter denselben Zensurbedingungen - nicht ebenfalls darstellen könnten. Dies ist zwar eine grobe Extrapolation auf eine schier endlose Fülle an möglichen Szenen und Handlungen, doch nachträglich vermute ich, dass es nur ein Thema gibt, welches nachweisbar im Realfilm unmöglich darzustellen wäre. Und das wäre gewisse Arten von verbotenen sexuellen Handlungen, die nur wenige moderne Trickfilme bisher darzustellen gewagt haben. Wobei Sodomie und Zoophilie in einigen Realfilmcomedies auf verspielte angedeutet werden können, sind Darstellungen wie die unten (sexuelle Perversionen wie Leichenschändung, härter Sado- Masochismus, angedeuteter Vergewaltigung, oder unten rechts sogar Pädophilie) immer noch ein Tabu für am Fernsehen ausgestrahlte Realfilmcomedies. Abb. 27: Die Hauptcharaktere der Serie Drawn Together benehmen sich oft und ungeniert «der reinen Ekelhaftigkeit wegen ekelhaft» Abb. 28: In «Miss Teacher Bangs a Boy» verliebt sich South Park›s Kindergartenlehrerin in einem (sehr) minderjährigen Schüler. In den obigen Beispielen nutzen die Trickfilme Übersteigerungen ins Absurde, also eine Verstärkung der Extreme, um die inhaltlichen Extremen abzuschwächen. Links ist im Kontext z.B. ganz klar, dass es sich um eine demonstrative und übertriebene Form von Tabubruch handelt, die von der Aussage einer Nebenfigur provoziert wird: Miss Taint: «There are a lot of magical and mysterious creatures [who] don’t take too kindly to those who are disgusting for the sake of being disgusting» (Drawn Together 2010, Online25) Die Figuren verharmlosen ihr Verhalten, da sie es als selbstreferenzielle Reaktion tun, als Gag, nur um der Miss Taint einen Strich durch die Rechnung zu machen. Ein derartiges Ausmass an Abartigem in einem Realfilm wäre aber auch mit einer solchen Ausrede unmöglich, ausser in einem Hardcore-Porno. Die rechte Abbildung stellt eine pädophile Szene dar. Wir schneiden auf die Szene nachdem der eigentliche Akt stattgefunden hat - die Lehrerin spricht es aber sogleich aus: Miss Teacher: «That was unbelievable! I’ve never felt like such a woman before» (South Park 2006, Online26) Die Folge distanziert sich aber massgeblich von der Realität indem sie das pädophile Verhältnis übertrieben darstellt. Statt eines frühpubertierenden Jugendlichen ist das Verhältnis sogar mit einem Kindergärtner 25https://www.youtube.com/watch?v=GRBAWrfdbtw 26http://southpark.cc.com/full-episodes/s10e10-miss-teacher-bangs-a-boy 53 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis entstanden. Eine Tatsache die - wie wir erleichtert innerlich feststellen - die gesamte Situation absurd und, so hoffen wir zumindest, physisch unmöglich macht. Kathartisches Lachen entsteht hierbei denn auch aus Erleichterung darüber, dass es eben absurd und fiktiv ist. In einem Realfilm wäre eine solche Darstellung auf naturalistische Art viel zu nahe an dem Ekelerregenden oder Pornographischen. Folgende aristotelische Beschreibung von Humor trifft demnach besonders gut auf Trickfilme zu: „Das Lächerliche ist ein […] Fehler27, der indes keinen Schmerz und kein Verderben verursacht.“ (Aristoteles, 335 v.Chr. zit. n. Bildung-MV, 2014, S.128) Fiktive Figuren können der realen Welt und ihren Bewohnern - zumindest physisch - kein Schmerz und Verderben verursachen. Und je stärker sie uns daran erinnern, dass sie fiktiv sind, umso extremer können sie innerhalb ihrer fiktiven Welt unsere Tabus brechen. Die Vermutung, Trickfilme seien im Vergleich zum Realfilm durch ihre grössere Entfernung zur Realität auch dementsprechend freier in ihrer extremen Darstellungen und tabubrechenden Handlungsmöglichkeiten, scheint allerdings nur auf die äussersten Extreme zuzutreffen. Es scheint nur noch wenige Tabus zu geben, die dem Trickfilm vorenthalten bleiben. Empathie und die Gesellschaft Da Trickfilme eine schwächere somatische Empathie fördern, durch ihre ikonische Erscheinung dafür eine stärkere emotionale und psychologishe Empathie begünstigen, wären die kathartischen Erleichterungen, die sie Zuschauern bieten können, auch eher psychologischer Natur. Als Spielplatz für Gedankenexperimente und reflektiver Rebellion haben sie dennoch einen starken Akzent auf das gleichzeitige Darstellen ihrer Exzesse gesetzt, denn die kathartischen Moment sind besonders effektiv, wenn sie visuell und nicht nur verbal getriggert werden. Die stark kathartische Funktion, welche Serien wie South Park in unserer Generation übernehmen, könnten als Gegenreaktion auf eine strikte «political correctness» im Alltag gesehen werden, deren Bruch mit sofortigem sozialem Stigma einhergeht29. Eine kathartische Erleichterung von diesen Ansprüchen, wenn auch nur für eine halbe Stunde, finden wir im Betrachten solcher Serien. Um eine weitere Formulierung Aristoteles’ zu verwenden: (Glei) «Die Funktion der Komödie dürfte nach Aristoteles also darin bestanden haben, durch ein kontrolliertes, lokal und temporär begrenztes Ausleben niederer Triebe und Aggressionen ein Überhandnehmen derselben zu verhindern und so die bestehende gesellschaftliche Ordnung zu stabilisieren.» (S.299) Was dürfen wir also von Trickfilmen in der Zukunft erwarten? Werden sie den Boden ebnen für Realfilmcomedies, die ebenfalls versuchen die letzten Tabus zu brechen? Werden sie, wie von vielen befürchtet, zu einem Abstumpfen unserer Empathie beitragen (vgl. Halson et. al. 2008)? In solchen Unterhaltungen finde ich es wichtig, Trickfilme nicht als exklusive Träger von moralischen Botschaften und akzeptierten Verhaltensweisen zu sehen. Was wir als Tabubruch empfinden ist als solcher ja nur wahrnehmbar, weil er gesellschaftlich auch tatsächlich noch als Tabu wahrgenommen wird. Wir können uns also jedes Mal auch erleichtert fühlen, wenn ein solches Tabu in seinen Extremen dargestellt wird, denn dies bestätigt stets seine Gültigkeit in der von uns erlebten Realität. Wichtig ist auch zu vermerken, dass in jeder der erwähnten Beispiele das Absurde und Unkonforme stets von einer uns erkennbaren Normalität gerahmt wird. Obwohl ich durch meine Beobachtungen nur wenige exklusiv trickfilmspezifische Auslöser von katharti27 Was Aristoteles als Fehler bezeichnet ist in dieser Arbeit der Abweichung von einer Norm gleichzusetzen. 28 http://www.bildung-mv.de/export/sites/bildungsserver/downloads/Handreichung_Das_-Komische.pdf (am 27.1.2015) 29 Man denke an Tweets von Politikern, die sich wie Lauffeuer verbreiten, wann auch immer nur ein Hauch von Gedankengut herausspürbar ist das nicht den sozialen Normen der jeweiligen Gesellschaft oder Partei entspricht. 54 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis schen Momenten finden konnte, so kam in denen doch zum Vorschein, dass es sich um formale Aspekte handelte, die noch lange nicht ausgeschöpft sind von denjenigen Serien und Kurzfilmen, die Erwachsene mit Schock und Überraschung anzusprechen gewohnt sind. In Anbetracht der unbegrenzten visuellen Möglichkeiten des Trickfilmmediums sowie einer Era, in der sich Trickfilmserien für Erwachsene ein Wettrennen um das Brechen neuer Tabus leisten, scheint die Popularität einer Serie weniger eine Frage von «WAS muss gezeigt werden, um Katharsis auszulösen?» zu sein, sondern «WIE muss ein Kathartis auslösendes Ereignis gezeigt werden?». Und obwohl das WAS relativ konstant bleibt gibt es für das WIE eine grosse Bandbreite an indivduellen Geschmacksrichtungen, welche von Serien als Zielpublikum angepeilt werden können. Empathisch werden wir auch nicht so schnell abstumpfen, wenn wir dies nicht so wollen: denn es bleibt uns stets den Knopf auf der Fernbedienung oder der simple Mausclick, um uns zurück in eine Realität zu befördern, in der die Tabus noch intakt sind. 55 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Mit Dank an: Verena Mumford, Frank Hesse, Jonathan Wüst, Dustin Rees, Felix Colgrave, Meret Landolt und Kata Probst 56 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis ILiteraturverzeichnis Barthes, Roland (1977), Image, Music, Text. London, Fontana Press. Bergson, Henri (1914), Das Lachen. Übersetzt von Frankenberger, Julius; Fränzel, Walter. Jena, Eugen Diedrichs. Bulgakowa, Oksana; Hochmuth, Dietmar (2009), Eisenstein - Disney. SDL Berlin, Potemkin Presse. Freud, Sigmund (1940), Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Frankfurt am Main, S.Fischer Verlag GmbH. Furniss, Maureen (2007), Art in Motion. 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Auf: < http://www.cc.com/video-collections/mkxwxx/ugly-americans-leonard-powers/zdtt4b>, gesichtet am 15.1.2015 Abb. 3: Brickleberry, (2012-2014), Comedy Central, Promotional Still. Auf: <http://renewcanceltv.com/wp-content/uploads/2014/05/brickleberry.jpg>, gespeichert am 13.1.2015 Abb. 4 Little Britain›s Daffyd, a.k.a ‹the only gay in the village› (2003-2006),BBC , Promotional Still. Auf: <http:// wiki.youth-guard.org/index.php?title=File:Little_britain.jpg>, am 26.1.2015 Abb. 5 Key&Peele, «Al Qaeda Meeting» (2014), Comedy Central, Screengrab. Auf: <http://www.govexec.com/management/2014/12/video-sketch-comedy-central-show-calls-tsa-agentslistless-sketch-key-peele-terrorism/101235/>, gespeichert am 26.1.2015 Abb. 6 Workaholics, (2011 a dato) Comedy Central, Promotional Still. Auf: <http://www.theworldsbestever.com/2012/05/22/a-good-mix-of-the-weird/>, gespeichert am 26.1.2015 Abb. 7 Suslov, M. (1992), Bearbeitete Grafik aus Computer Model of a ”Sense of Humour”, S.7. Auf: <http://arxiv.org/abs/0711.3197>, aufgerufen am 1.12.2014 Abb. 8 Ebenda, aber von der Autorin weiter bearbeitet. Abb. 9: Ebenda, aber von der Autorin weiter bearbeitet. Abb.10: Ebenda, aber von der Autorin weiter bearbeitet. Abb.11: Cow&Chicken (1997-99), Cartoon Network, Promotional Still. Auf: <http://unrealitymag.bcmediagroup.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2013/08/cast-of-cow-andchicken-3.jpg>, gespeichert am 23.1.2015 Abb.12 Family Guy, «It›s Thanksgiving in Quahog» (2011), 20th Century Fox, Still. Auf: <http://www.thanksgiving.com/fun/thanksgiving-tv-episodes-fun/>, gespeichert am 26.1.2015 63 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Abb.13 The Simpsons, (1989 a dato), 20th Century Fox, Thanksgiving-Grusskartenillustration. Auf: <http://meganalton.com/wp-content/uploads/2013/04/simpson-thanksgiving-meal-greeting-card. png>, gespeichert am 13.1.2015 Abb.14 McCloud, Scott (1993), Understanding Comics/Comics richtig lesen, S.38, gescanntes Bild. Abb. 15 Happy Tree Friends (2006 a dato), Mondo Media,Promotional Still. Auf: <http://images5.fanpop.com/image/photos/27500000/Pinjata-happy-treefriends-27554774-450-450.jpg>, gespeichert am 27.1.2015 Abb.16 Dieses Standbild und die folgenden Bildschirmfotos der Beispielanalyse aus: South Park, «Cartman›s Incredible Gift» (2004), Comedy Central, Bildschirmfoto. Auf: <http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift>, gesichtet und gespeichert am 15.1.2015 Abb. 17 Dieses Standbild und die folgenden Bildschirmfotos der Beispielanalyse aus: Family Guy, «Fat Guy Strangler» (2005), 20th Century Fox, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=-bFNYu7VKpk>, gesichtet und gespeichert am 21.1.2015 Abb.18: Dieses Standbild und die folgenden Bildschirmfotos der Beispielanalyse aus: Triptank, «Head, Shoulders, Knees and Toes» (2014), Comedy Central, Bildschirmfoto. Auf: < http://www.cc.com/video-clips/jtm9w1/triptank-head--shoulders--knees-and-toes>, gesichtet und gespeichert am 20.1.2015 Abb. 19 South Park, «Cartman›s Incredible Gift» (2004), Comedy Central, Bildschirmfoto. Auf: <http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift>, gespeichert am 15.1.2015 Abb. 20 Workaholics, «Return of the Ders» (2015), Comedy Cendral, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=HvvncQi0liM>, gespeichert am 25.1.2015 Abb. 21 South Park, «Cartman›s Incredible Gift» (2004), Comedy Central, Bildschirmfoto. Auf: <http://southpark.cc.com/full-episodes/s08e13-cartmans-incredible-gift>, gespeichert am 15.1.2015 Abb. 22 Little Britain USA, «I Love You More Than» (2008), HBO, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=cgTsQMH1Lhc>, gespeichert am 18.1.2015 Abb. 23 Family Guy, «Fat Guy Strangler» (2005), 20th Century Fox, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=-bFNYu7VKpk>, gespeichert am 21.1.2015 64 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Abb.24 Monty Python, «Flying Sheep» (1969), BBC, Bildschirmfoto. Auf: < https://www.youtube.com/watch?x-yt-ts=1422579428&x-yt-cl=85114404&v=Vkw2DdoskPY>, gespeichert am 22.1.2015 Abb. 25 & 26 Ebenda Abb. 27 Drawn Together, the Movie (2010), Comedy Central, Bildschirmfoto: Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=GRBAWrfdbtw>, gespeichert am 22.1.2015 Abb. 28: South Park, «Miss Teacher Bangs A Boy» (2006) Comedy Central, Bildschirmfoto. Auf: <http://southpark.cc.com/full-episodes/s10e10-miss-teacher-bangs-a-boy>, gespeichert am 30.1.2015 VI Bildquellen Annex Abb. I The Skeleton Dance (1929), Walt Disney, Still. Auf: <http://img3.wikia.nocookie.net/__cb20130619214827/disney/images/3/39/The_skeleton_ dance_6large.jpg>, gespeichert am 23.12.2014 Abb. II Steamboat Willie (1928), Walt Disney, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=ogI0kvc5Vw0>, gespeichert am 23.1.2015 Abb. III Oswald the Lucky Rabbit: «Wolf Wolf» (1934), Universal Cartoon, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=ge6PDCx7zT4>, gespeichert am 23.1.2015 Abb. IV Silly Symphonies, «Three Little Pigs» (1933), Walt Disney, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=zEunxzlC5Yg>, gespeichert am 22.12.2014 Abb. V Bugs Bunny, «The Wabbit Who Came To Supper» (1942), Warner Bros. Cartoons, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=aZSp0YQU9zM>, gespeichert am 7.1.2015 Abb. VI Red Hot Riding Hood (1943), M.G.M. Cartoons, Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=IXcWQrhzlMU>, gespeichert am 23.1.2015 Abb. VII Bugs Bunny, Herr Meets Hare (1945), Warner Bros. Cartoon, Still. Auf: <http://addbcdbimages.s3.amazonaws.com/wb/herr_hare4.jpg?u=>, gespeichert am 15.1.2015 65 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Abb. VIII: Bugs Bunny, Herr Meets Hare (1945), Warner Bros. Cartoon, Still. Auf: <http://www.filmoteca.cat/web/sites/default/files/activitats/8317/imatges/herr.jpg>, gespeichert am 15.1.2015 Abb. IX The Flintstones (1960-66), Hanna-Barbera, Promotional Still. Auf: <http://timeentertainment.files.wordpress.com/2011/07/01_top10cartoonthemesongs1. jpg?w=480&h=320&crop=1>, gespeichert am 15.1.2015 Abb. X The Jetsons (1962-87), Hanna-Barbera, Promotional Still. Auf: <http://www.philosophymatters.org/wp-content/uploads/2012/07/jetsons.jpg>, gespeichert am 15.1.2015 Abb. XI The Simpsons, «Bart vs. Thanksgiving» (1992), 20th Century Fox, Still. Auf: <http://www.thesun.co.uk/sol/ homepage/showbiz/tv/3274911/Hand-over-the-doh-Santa-Claus.html>, gespeichert am 23.1.2015 Abb. XII SouthPark, «Erection Day» (2005), Comedy Central, Bildschirmfoto. Auf: <http://southpark.wikia.com/wiki/Erection_Day>, gespeichert am 23.1.2015 Abb. XIII: The Ren & Stimpy Show (1991-96), Nickelodeon, Still. Auf: <http://www.wallpaperup.com/184550/REN_and_STIMPY_ep.html>, gespeichert am 23.1.2015 Abb. XIV: Felix Colgrave, «Full Body Prolapse» (2012), Bildschirmfoto. Auf: <https://www.youtube.com/watch?v=WbG1lPDFYBI>, gespeichert am 27.1.2015 Abb. XV: Felix Colgrave, «Water to Wine» (2014), Still. Auf: <http://img.youtube.com/vi/213T5grWfVw/0.jpg>, gespeichert am 30.1.2015 66 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis VIIGlossar Aus verschiedenen Auflistungen habe ich folgende Genres zusammengetragen, die für mich im Kontext der Analyse von kurzen Trickfilm- und Realfilmcomedysequenzen sinnvoll erscheinen1: Die Bösen: Satire Schwarzer Humor/Morbider Humor Die Absurden: Anarchischer Humor Burlesque/Hyperbolic/Droll Die Wortlastigen: Situationskomik Standup/Schwank Die Schenkelklopfer und Schadenfreudige: Parodie Farce/Screwball Slapstick/Gags/Props Trickfilme und Sketchcomedyshows sprengen den Rahmen dieser Genrekategorien jedoch oft schon damit, dass sie in jedem ihrer Sketches oder nach Bedarf für den Zweck eines einzelnen Witzes in ein anderes Genre wechseln könnten. Gewiss hat aber jeder Trickfilm eine Häufung von Eigenschaften im Einsatz von Humor, welches man als ihren Humorstil bezeichnen könnte. Die Bandbreite an Stilen, innerhalb der sich einzelne Trickfilme bewegen ist grösser, je anarchischer und postmoderner eine Show sich gibt. Was unser Lachen schlussendlich auslöst ist aber, egal in welchem Genre, auf dieselben Grundimpulse reduzierbar. Satire Ein anprangernder, beissend spöttischer Humor, der stets Kritik an einem Zustand äussert. Menschliche Schwächen und gesellschaftliche Missstände werden meist auf die Spitze getrieben dargestellt, um eine intrinsische Aussage über deren Rechtfertigung in der Gesellschaft oder der Verachtungswürdigkeit zu machen. (Beispiel: South Park, The Simpsons) Schwarzer Humor/Morbider Humor Tabus werden gebrochen, von der Gesellschaft mit Samthandschuhen behandelte Themen werden auf die leichte Schulter genommen (Tod, Krieg, Vergewaltigung, Abtreibung etc...) und eine sehr pessimistische Weltansicht vertreten. (Beispiel: South Park) Anarchischer/Absurder Humor Hier entsteht der Witz in einer art «steam-of-consciousness» Manier, bei der wenig rationaler Zusammenhang zwischen Handlungen und Resultat und viel Absurdität herrscht. Oftmals sehr wortlastig. Kann aber auch durch eine Reihe unerwarteter Gags und Slapsticksequenzen eintreten. Das Ziel ist es, den Zuschauer zu schockieren, verwirren und aus dem Kontext des eigentlichen Erzählstranges zu reissen. (Beispiel: Brickleberry, American Dad) Burlesque/Hyperbolic/Droll Ein auf groteske Übertreibungen spezialisiertes Genre, in dem oftmals mit dem Dargestellten oder Gesagtem mehrere Tabus gebrochen werden. (Beispiel: TripTank, oft auch South Park Folgen) Parodie Sich über ein bekanntes Genre, eine bestehende Geschichte oder eine real existierende Person mockieren, oder durch Übertreibung seiner Seriosität berauben. Setzt beim Zuschauer ein Vorwissen voraus, ausser es wird sehr platt betrieben (damit sogar Zuschauer, die mit dem Motif wenig vertraut sind, doch noch draufkommen können) oder mehrschichtig (damit die Zuschauer, die das Motif nicht wiedererkennen, den Witz auf einer anderen Ebene trotzdem lustig finden)(Beispiel: Robot Chicken, oft auch South Park Folgen) 1 http://www.dailywritingtips.com/20-types-and-forms-of-humor/ (16.12.2014) sowie http://de.wikipedia.org/wiki/Humor (16.12.2014) und http://thescriptlab.com/screenplay/genre/comedy# (am 15.1.2015) 67 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Farce/Screwball In steigender Geschwindigkeit aufeinanderfolgende Ereignisse, die Verwirrung oder Chaos auslösen und übertriebene Reaktionen erzwingen. Enthält Slapstick und Prop-Gag Elemente, dient aber trotzdem der Weiterführung eines angefangenen Erzählstranges. Oftmals ist es ein Farce/Screwball-Element, das im 2. Akt einer Trickfilmgeschichte den Plot vorantreibt und zum Höhepunkt der Erzählung führt - nämlich der meist unerwarteten Lösung des Problems oder der totalen Katastrophe. (Beispiel: The Simpsons, Brickleberry) Slapstick/Gags/Props Bezeichnend für den Slapstick ist eine durch körperliche Aktion hervorgerufene Komik, die ohne Worte auskommt und meist isoliert (also ohne Auswirkungen auf den höheren dramaturgischen Bogen, siehe «Screwball/Farce») auftritt: harmlose Unfälle wie das Ausrutschen auf einer Banane und Dominoeffekte die im klassischen fallenden Klavier enden, zum Beispiel. Auch das Spiel mit lustigen Objekten oder deren Manipulation fällt in diese Kategorie. Ich würde ebenfalls die Verwendung und Darstellung von härterer physischer Gewalt hier einordnen. (Beispiel: Tom&Jerry, Happy Tree Friends) Situationskomik Wichtig ist eine immer gleiche Grundausstattung an Orten und Figuren in einer kohärenten Welt, deren Abläufe und Normen immer aufs Neue gebrochen werden und den Erzählstrang aus der Bahn geraten lassen. Alltagssituationen können sein; ein Familienausflug oder der Arbeitsalltag einer Figur. Funktioniert selbst dann, wenn diese gar nicht Menschlich sind z.B. Meermenschen unterwasser, Tiere in einem zoo oder Aliens auf einem anderen Planet. (Beispiel: The Simpsons, Futurama, aber auch Family Guy & South Park) Wortwitz/Schwank Dialoglastiges Genre, welches von schnellen Wortwechseln zwischen zwei oder mehr Charakteren lebt. Tendiert zum «Talking Heads» Trope2 bei Animationen (=keine Aktion, nur Dialog), kommt aber selten alleine vor. In den meisten Sendungen ist es lediglich ein Teil eines besonders gelungenen Scripts, wenn zwei Charaktere sich ohne grössere Handlung auf witzige Weise miteinander unterhalten können. 2 68 vgl. http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/TalkingHeads (am 15.1.2015) Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis VIIITrickfilmhumor Ein historischer Abriss Abbildung I: The Skeleton Dance (1929): Walt Disney. Abb. II: Steamboat Willie (1928), Ub Iwerks für Walt Disney. Anthropomorphe, charakterlose Figuren unterhalten mit Gags und musikalischen Einlagen. Durch präzise Animation wird somatische Empathie gefördert. Mickey wird zu einer empatisch nachvollziehbaren Figur mit Charaktertiefe. Er unterhält aber weiterhin mit Gags und musikalischen Einlagen. 1920er Jahre: Disney’s Zauberformel Die ersten Trickfilme, welche ab 1920 in den Kinosäälen der westlichen Welt Einzug hielten, überraschten und unterhielten ihr Publikum durch ihre reine Existenz. Musikalische Trickfilme waren das non plus ultra der damaligen leichten Unterhaltung, welche plump ausgedrückt darin bestand, dass lustige Figuren sich zu lustiger Musik lustig bewegen. In Sergej Eisenstein’s gesammelten Notizen zu Walt Disney, von Oksana Bulgakowa und Dietmar Hochmuth herausgegeben, singt Sergej Eisenstein ein Loblied auf das scheinbar grenzenlos wandelbare «ProteusElement» der beweglichen und beliebig manipulierbaren Trickfilmfigur in diesem «Theater der Entzückung» (Bulgakowa & Hochmutz, 2011, S.81-83). Flaig postuliert, dass in den frühesten Trickfilmen das Sehvergnügen fürs Publikum weniger mit der Geschichte zu tun hatte, sondern durch empathische «Propriozeption» hervorgerufen wurde - also ein durch Spiegelneuronen hervorgerufener Nachempfindungsversuch des Hirns beim Betrachten von Bewegungen, die auf uns als Betrachter fremd wirken, übertrieben erscheinen, oder schlichtweg für die menschliche Anatomie unmöglich sind. (vgl. Flaig, 2012, S. 12) ’Draw[ing] an audience in’, to recall Johnston and Thomas’s phrase, here means not an emotional identification with a character caught up in a dramatic situation but rather a bodily engagement suddenly alive to a shockingly funny world. The constant motion and transformation produce a sensation of liberated movement within the audience’s now engaged proprioception. (Flaig, X X X X) Dies wird manchmal auch mit «somatischer Empathie» bezeichnet (vgl. Florschütz und Hanich), die in Kapitel 2 bereits ausführlicher behandelt wurde. Ebenfalls wichtig für damalige Trickfilme war der Einsatz von «Gags», wie sie in der Stummfilmera besonders populär waren. «Gags provide small units of action that do not require sustained concentration on the part of audience members or the retention of narrative information over a long duration of time. Instead, gags bombard audiences with aural and visual information intended to sustain laughter. The gags appearing in animation can be seen as an equivalent to the slapstick comedies (...) (Furniss, P.95» 69 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Die ersten Trickfilme mussten ein breites Publikum begeistern können, denn in den Kinosäälen waren nicht selten auch Familien mit Kindern und jugendlichen anwesend. Die frühsten Silly Symphonies zeigten also vornehmlich anthropomorphisierte Gruppen von sympathischen Tieren, Pflanzen und Fantasiefiguren, die in keinen dramaturgischen Bogen eingebettet waren, sondern isolierte unterhaltsame Handlungen vollzogen. Die Figuren sprachen auch nicht in Dialogen miteinander, sondern sangen höchstens diegetisch miteinander. «During the silent era1 of animation, a gag structure - one funny incident after another, with little or no plot development - already was considered the most commercially desirable formula for entertainment purposes.» (Furniss, 2013, S. 95) Disney’s frühe Entdeckung der gewinnbringenden Möglichkeiten des Merchandising markierte bereits in den 20er Jahren eine definitive Abkehr von erwachsenem Humor, um sein Branding klar von anderen Studios abzuheben. (frei nach Furniss, 2007, S.124) In den 20er Jahren wurden aber auch schon Figuren mit spezifischen Attributen, Zielen und Charakterentiefe entwickelt, z.B. der schnell zum Star avancierte Mickey Mouse im Klassiker Steam Boat Willy (siehe Abbildung). Zwar handelt es sich immer noch um Gag-orientierte Komik, wie bei der Silly Symphonie «The Three Little Pigs» (siehe Abbildung X X ), in der Unfälle und Streiche die Geschichte vorantreiben. Ebenso sind die Figuren immer noch anthropomorphisierte Tiere. Aber die detaillierten Gesichtsausdrücke und emotionale Reaktionen auf andere Figuren lassen Zuschauer leichter eigene Gefühlslagen und Erfahrungen in ihnen wiederfinden. Gut und Böse wird klar definiert, und somit wird auch der Zuschauer dazu motiviert, Partei zu ergreifen und sich moralisch am Gesehenen zu beteiligen. Glücklicherweise für den Zuschauer gab es damals noch eine sehr klare Unterscheidung zwischen Held und Bösewicht (siehe Abbildungen unten). Abb. III: Oswald the Lucky Rabbit in: «Wolf Wolf» (1934) Ub Iwerks. Der Wolf spricht sich Mut zu: «These lambs are pretty smart, I gotta use my head...» Abb.IV: The Three Little Pigs (1933), Walt Disney. Der Wolf spricht ein Klischee für Erwachsene an: «I›m the Fuller Brush man, I work ‹me way through college!» 1930er Jahre: Fiat Vox Mit dem Ende der Stummfilm-Era um 1929 herum (Zitat Wikipedia) nahm auch die Popularität von Slapstickhumor und Gag-lastigen Filmen ab. Regisseure und Schauspieler im Realspielfilm nutzten diese neue Möglichkeit des Dialoges rege: eine intellektuell anspruchsvolle, Wortwitz- und Wortwechsel-lastigere Form von Humor wurde in Comedyfilmen populär. In der Animationsbranche fand gleichzeitig ein ähnlicher Wandel statt: die Einführung von sprechenden Figuren mit mehr Charakterentiefe. Mit der Verwendung von Sprache wurden gewisse Trickfilmfiguren auch ein Stück erwachsener: 1 mit «silent» wird hier nicht ’ohne Ton’, sondern ’ohne Sprache’ gemeint 70 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis In den Beispielen Wolf, Wolf oder Three Little Pigs (Abbildungen X & X) basiert der Humor zwar weiterhin auf Gag-lastigen Sequenzen und Schadenfreude ob der Niederlage des Bösen Wolfes. Wir finden im genannten Beispiel der Abbildung XXX aber auch schon einige Anspielungen, die an ein älteres Publikum gerichtet sind. Zum Beispiel die Aussage des verkleideten Wolfes der, an der Türe des Schweinchens klopfend behauptet, dass er Bürsten verkaufe um sich sein Universitätsstudium finanzieren zu können2 (siehe Abbildung X unten). Gedankengänge der Charaktere werden zum ersten Mal nachvollziehbar erörtert (siehe Bildunterschrift der Abbildung X). Nun können Trickfilmfiguren zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden und somit moralische Standpunkte einnehmen oder hinterfragen. Unser empathischer Reflex als Zuschauer ist daher, uns ebenfalls mit denselben Gedanken und Fragen zu befassen, wie sie uns von den Trickfilmfiguren vorgelebt und vorgedacht werden. Abb. V: The Wabbit who Came to supper (1942), Warner Bros. Ein selbstsüchtiger und sadistischer Bugs Bunny macht dem dümmlichen Elmer Fudd das Leben schwer: das Publikum liebt ihn dafür. Abb. VI: Red Hot Riding Hood (1943), M.G.M. Cartoons. Ein lüsternder Wolf verführt eine attraktive Nachtklubsängerin. 1940er Jahre: Moral und Anarchie Wo Moral im Spiel ist, kann aber auch unmoralisches Verhalten dargestellt werden. Es kann auch mit unmoralisch agierenden Charakteren Sympathie erweckt werden - und dies markiert womöglich den ersten Schritt zu einer Aufteilung von Humor in Altersgruppen. Denn nun gab es also Trickfilme, in denen klare moralische Aussagen gemacht werden, und andere, in denen anarchistische und rebellische Hauptfiguren gegen unsere gesellschaftlichen Konventionen verstossen, ohne die Sympathie der Zuschauer zu verlieren: denn ihre clevere und überlegene Art gekoppelt mit der doch relativer harmlosigkeit ihrer Aktionen (es sind schliesslich alles «nur Trickfilme» die unsere Realität nicht physisch tangieren) und der zeitweiligen unsympathischen Natur ihrer «Opfer» (auch der simpel gestrickte Elmer Fudd in Abbildung XX hat seine unsympathischen Momente) liess sie am Ende als Sieger dastehen. Zuschauer sympathisieren von Natur aus mit der anfänglich unterlegenen Figur, vor allem wenn sie am Ende der Geschichte die Oberhand hat. Elemente, welche die vierte Wand3 durchbrechen, wurden ebenfalls vermehrt eingesetzt, um die anarchische Stimmung dieser Trickfilme zu steigern und dem Publikum immer wieder ihrer Rolle als fiktive (und somit harmlose) Figuren in Erinnerung zu rufen (siehe Abbildung XX). Der Humorstil erlebte auch eine ruckartige Beschleunigung durch zackige Dialoge, jeder Satz mit Anspielungen und Wortwitzen gespickt. Trickfilme verloren noch lange nicht das ursprüngliche visuelle SlapstickElement, mit dem sie angefangen hatten, aber die Gags überschlugen sich beinahe bei dem aufgedrehten Tempo vieler besonders vom Studio Metro-Goldwyn-Mayer produzierten Trickfilme. 2 Dieser Satz war zum Zeitpunkt der Erstaufführung sogar mit einem starken Yiddishen Akzent vom Wolf gesprochen worden. Die Verwen- dung dieses Stereotyps des hausierenden Judens wurde nachträglich durch eine akzentfreie Version ersetzt. Die Verwendung eines Stereotyps dieser Art ist aber ebenfalls zu vermerken als ein Humorelement, das sich vornehmlich an Erwachsene richtet. 3 Die «vierte Wand» bezieht sich auf die imaginäre, unsichtbare Wand zwischen den Schauspielern auf der Bühne und dem Publikum. Diese Wand zu «durchbrechen» und das Publikum anzusprechen würde bedeuten, seine eigene Funktion als fiktive Figur zu durchschauen und somit auf die narrative Struktur des Dramas direkt Einfluss nehmen zu können, z.B. indem man dem Publikum inmitten einer Szene die eigene Meinung mitteilt (siehe Abbildung X rechts) 71 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Abb. VII: Herr Meets Hare (1946) Friz Freeleng für Warner Bros. Abb. VIII: Herr Meets Hare (1946) Friz Freeleng für Warner Bros. Bugs Bunny Parodiert Hitler, und ein «echter» Göring unterwirft sich. Ein selbstreferenzielles Durchbrechen der 4. Wand Dies war auch das Jahrzehnt der Propagandafilme, und Trickfilme boten sich als filmisches Medium ideal dafür an, bewegte Karikaturen gesellschaftlicher Feinde darzustellen. Kriegspropaganda als Thema werde ich nicht weiter ausführen, jedoch ist dies ein Bereich, der eindeutig an ein erwachsenes Publikum gerichtet war. Der Einsatz von Karikaturen oder realistischeren Darstellung realer Personen, Politiker sowie Hollywood Stars sei hier noch besonders hervorzuheben. Denn auch diesen Einsatz richtet sich vornehmlich an ein erwachsenes Publikum. 1950er Jahre: der Fernseher löst die Kurzfilme ab Was bereits in den 40er Jahren begann, stellte sich als erfolgreiche Formel heraus. Anarchische, selbstreferenzielle Figuren, Parodien, Gastauftritte realer Persönlichkeiten und ein sehr schneller, zum Teil brutaler Humor. Erwachsene Elemente wie Alkoholkonsum, Zigaretten, angedeutete Rotlichtmilieus und Glücksspiele waren keine Seltenheit und schienen sogar den Zensurbureaus nichts weiter auszumachen (vgl. Furniss, 2007, 201).. 1955 stellte Walt Disney aber nach mehreren Streiks und einer unbefriedigenden Rendite die Produktionen seiner Kurzfilmabteilung endgültig ein. Nur zwei Jahre später folgte ihm das Studio Metro-Goldwyn-Mayer, das seine Animationsabteilung mangels zufriedenstellender Rendite während einer grösseren Umwälzung der Führungskräfte schliessen liess (vgl. Wikipedia, 23.1.20154). Als Letzter der drei grossen Kurzfilmstudios würde Warner Brothers seine Trickfilmabteilung 1960 schliessen lassen, womit die goldene Era der kurzen Trickfilme für die Kinoleinwand endgültig beendet wurden (vgl. Wikipedia, am 28.1.20155). Da der Markt für Spielfilmanimationen grösstenteils von Disney beherrscht wurde, suchten viele der entlassenen Animatoren nach Alternativen, um ihr kreatives Schaffen weiterführen zu können, und fanden ein neues Medium vor: das Fernsehen, das seit dem Ende des Krieges besonders in der Mittelklasse stetig an Nachfrage zunahm. Bis Mitte der 50er Jahre war die Idee, ganze Animationsserien in einem halbstündigen Format herzustellen, immer noch vollkommen undenkbar. Animationen erschienen am Fernsehen nur für Werbefilme und in gewissen Kindersendungen, und immer in einem Stil mit extrem reduzierten Arbeitsaufwand, was die Animationshistorikerin Maureen Furniss auf nicht-wertende Art «limited Animation» zu nennen pflegt. (vgl. Furniss, 2007, 126 & 142) Doch Ex-Studioanimatoren wie William Hanna und Joseph Barbera machten den Sprung und entwickelten einen Animationsstil für Trickfilmserien, der ähnlich wie die damaligen Werbungen fernsehbudgettauglich war. (vgl. Wikipedia, 23.1.20156) 4http://en.wikipedia.org/wiki/Metro-Goldwyn-Mayer 5http://en.wikipedia.org/wiki/Warner_Bros._Cartoons 6http://en.wikipedia.org/wiki/Hanna-Barbera 72 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Abb. IX: The Flintstones (1960-66) Hanna Barbera Studios. Abb. X: The Jetsons (1962-87) Hanna Barbera Studios. Eine prähistorische Familienidylle. Eine futuristische Familienidylle Rather than producing films for the ’big screen’, animation studios began creating work for a new exhibition venue: the ’small screen’ - television» (Furniss, 2007, 141) 1960-70er: Die Era Hanna-Barbera In den 1960ern gab es eine rasante Zunahme an exklusiv für die Fernsehausstrahlung konzipierte Serienanimationen, hauptsächlich durch das Studio Hanna-Barbera. Zum ersten Mal wurde, wie in Realfilmserien, Publikumsgelächter beigemischt. Situationskomik, Farcen und Familiendramen - klassische Realfilmgenres, nahmen zu. Zwar wurde die Location dafür mal in die Steinzeitwelt, mal in einen von anthropomorphen Tieren besiedelter Wald, oder in die Zukunft verlegt, um es aesthetisch etwas spannender zu machen. Jedoch hätte man das meiste, was sich an Handlung zwischen den Charakteren ereignete, ohne weiteres von realen Darstellern ausführen lassen können. Die Grenze zwischen dem Humor von realen und gezeichneten Sitcoms verschwamm und das Zielpublikum wurde wieder bürgerlicher und familienorientierter. «Hanna-Barbera cartoons compensated for their visual shortcomings with excellent comedy scripts, but before long all the good intentions were defeated by the sheer volume of work.» (Maltin, 19XX; zit. nach Furniss, 2007, P.145) Der Trickfilm-Rhythmus hatte sich eindeutig weg von der visuellen Sensation und konstantem Gag-Fluss der Silly Symphonies zu einer «Talking Heads»-form hin bewegt, in der die Tonebene, sprich der Dialog, die Geschichte vorantreibt, und die Themen statt wilden Fantasieflügen ganz alltägliche Probleme sind, mit denen sich die Working Class der 50er und 60er Jahre zu Hause vor dem Fernseher leicht identifizieren konnte. «Rather than detracting fromthe overall quality of the work, its use [limited animation] actually adds a positive element in terms of storytelling. Limited animation is in keeping with a kind of middle-class sensibility that is central to the two series, creating a ‹flatness› in the families› daily lives (...). These two series [King of the Hill & The Simpsons] are not about people who move fast or have overly exciting lives; limited animation helps to reinforce this fact visually.» (P.148, Furniss) Kurzfilme aus vergangenen Jahrzehnten, die am Fernsehen ausgestrahlt wurden, mussten sich zum ersten Mal einer Zensur unterwerfen. Denn das stark familienorientierte Fernsehmedium erlaubte nun keines der anfangs Kapitel 3.4. erwähnten Laster in die Wohnzimmer seiner geschätzten Kundschaft auszustrahlen (vgl. Wikipedia, 28.1.20157). 7http://en.wikipedia.org/wiki/Looney_Tunes 73 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Abb. XIII The Ren and Stimpy Show (1991-96), Nichelodeon. Eine der beunruhigend detaillierten Nahaufnahmen von ekelerregenden Körpererscheinungen, die zum Markenzeichen dieser verstörender Show wurden. Die wilden 90er: die Grenzen verschwimmen Die 90er Jahre läuteten einen neuen Boom in Trickfilmen für Jugendliche ein. Privatsender wie Cartoon Network (Entstehungsjahr 1992) und Nickelodeon (der seine ersten Hauseigenen Trickfilmserien ebenfalls in 1992 lancierte) entdeckten eine neue Marktlücke für sich: anarchische, parodistische, absurde Kindertrickfilmserien (vgl. Wikipedia, 23.1.20158) - drei Attribute die bisher eher in den Bereich der Erwachsenenserien gehörten. Eine besonders kontroverse Erscheinung davon war die pädagogisch fragwürdige Sendung The Ren & Stimpy Show (Abbildung gegenüber). Ekelerregende Darstellungen, explizite Brutalität, sexuelle Anspielungen und beunruhigende psychische Zustände der Hauptfiguren prägten diese Serie, die zwischen 1991-93 unter Regie von Jim Kricfalusi auf dem Kindersender Nickelodeon lief. (vgl. Wikipedia, 23.1.20159), und auch für (heute erwachsene) ursprüngliche Fans noch als Kultserie geliebt wird. Den endgültigen Durchbruch einer modernen Trickfilmserie gelang The Simpsons10 (Abbildung gegenüber, oben links) mit einem fulminanten Start kurz vor dem Dekadenwechsel, im Dezember 1989. Dies war die erste Trickfilmserie seit Hanna-Barbera’s Flintstones, welche die Besetzung eines heiss umkämpften «prime-time slots» (also die Sendezeit zwischen 19:00 und 22:00) erhaschen konnte, und überholte die Flintstones 1997 in ihrem bisherigen Rekord der am längsten laufenden Trickfilmserie. Sie hat seit 2009 auch den stolzen Titel der am längsten laufenden Sitcomserie überhaupt, Realfilmsitcoms mitinbegriffen. (vgl. Wikipedia, 24.1.201511) Obwohl der visuelle Aspekt ihres Humors familientauglich ist (viel explizitere Darstellungen als in Abbildung XX muss man als Zuschauer nicht befürchten), sind viele Witze an ein erwachsenes Publikum gerichtet, da die Themen Familienleben, Arbeitswelt und soziale Konventionen oftmals hinterfragt und in realistischer Disharmonie dargestellt werden. Damit ein jugendliches Publikum Szenen, in denen an Erwachsene gerichtete Themen angesprochen werden, ebenfalls mitverfolgen können, werden die erwachsenen Figuren oft naiver und kindlicher als die Kinderfiguren selbst dargestellt. Bei den daraus resultierenden Blödeleien, Gags und vereinfachten Schlussfolgerungen kann auch ein jüngeres Publikum mitlachen. Ein ausschliesslich an Erwachsene gerichteter Humor ist von The Simpsons somit gar nicht unbedingt angestrebt. 8 http://en.wikipedia.org/wiki/History_of_Nickelodeon und http://en.wikipedia.org/wiki/Cartoon_Network 9http://en.wikipedia.org/wiki/The_Ren_%26_Stimpy_Show 10 The Simpsons hat im Vergleich zu Ren&Stimpy eine harmlosere Bildsprache, ist narrativ konventioneller, weniger explizit und endet durch die zyklische Episoenstruktur immer wieder im wohltuend bürgerlichen gemeinsamen Familienbild vor dem Fernseher. Womöglich war Ren & Stimpy sogar für Erwachsene eine Stufe zu absurd und anarchistisch, um auf Dauer zu überleben. 11 http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Simpsons#Geschichte_der_Produktion 74 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Abb. XI: The Simpsons (1989 a dato). Die Familienidylle wird gebrochen, aber viele Zuschauer können sich in dieser Distopie wiedererkennen. Abb. XII: South Park (1997 a dato). Die Kleinstadtidylle, sowie alle erdenklichen Tabus unserer Gesellschaft werden gebrochen. Hier versucht z.B. ein körperlich behinderter Junge, bei einer Prostituierte seine irritierenden Erektionsstörungen «behandeln» zu lassen. Die Serie South Park hingegen (Abbildung oben rechts), dessen Folgen seit 1997 am Fernsehen ausgestrahlt werden und im Internet jederzeit gratis abspielbar sind, sind die wohl explizitesten Provokateure der populärsten Trickfilmserien. Kein Tabu wird umgangen, keine Randgruppe wird verschont. Die Bildsprache ist zwar kindlich, aber da hört auch schon die Kindertauglichkeit auf. Nach diesem kurzen Überblick über die Entwicklung von Humor in Trickfilmen im letzten Jahrhundert kann zusammenfassend gesagt werden: Trickfilmhumor für Erwachsene ist seit jeher geprägt von Tabubrüchen. Manchmal sind sie integraler Bestandteil des dramaturgischen Bogens, oftmals werden sie aber ähnlich wie die Gags der ältesten Trickfilme unabhängig von der Rahmenhandlung wie ein Adrenalinkick für die Verstärkung der Aufmerksamkeit des Zuschauers eingesetzt, um ihn so kurzweilig zu unterhalten. Viele dieser Sendungen wollen uns zwar schockieren, aber die populärsten darunter (South Park, Family Guy, The Simpsons) scheinen eine Balance gefunden haben zwischen Sympathie und Antipathie, bei der ihre Figuren zwar absurde und unkonventionelle Handlungen ausführen, uns aber dennoch genügend empathische Anknüpfungsfläche und Charaktertiefe bieten, damit wir ihnen über 20 Jahre12 treu bleiben und weiter an ihrem Schicksal Interesse zeigen können. 12 Die Serie The Simpsons hatte ihren Sendestart 1990, South Park’s Sendestart liegt indes auch schon mehr als 10 Jahre zurück, nämlich 1997 75 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis IX Stimmen zum Trickfilmhumor für Erwachsene Dustin Rees Animator/Gastdozent an der HSLU E-mail Korrespondenz vom 20. Januar 2015 « 1. they can be way more violent - and get away with it. 2. they feel a bit desperate in my eyes - like they really want to prove something. probably because there are so many… » Felix Colgrave Freelance Animator/Designer E-mail Korrespondenz vom 24. Januar 2015 « Animation is, in theory, capable of showing anything visually. There is no scenario that animation couldn›t depict provided you had the right animator working on it. To me, television comedies seem to exist in 3 planes of reality: some are grounded in a minor variation of our own world, where, though events may be comical and exaggerated, and the world may have a certain «tone» about it, nothing impossible is going to happen (most live action sitcoms are this). Then, you have shows that exist in their own reality with their own set of rules, or where anything at all can happen, which may be set in a fictitious world/universe, or a fantastic re-imagining of the real world (there are several examples in both live action and animation of this). Then, there is a third category which seems specific to comedy, in which the central plot line (though possibly farfetched) is grounded in the realm possibility, and if you were to read the synopsis, it would seem like the first category I mentioned. However, the show will still include impossible ‹gags› provided they are inconsequential to the plot. The Simpsons is generally an example of this (excluding their Halloween episodes), as while the central plot line will be grounded in a far-fetched version of reality, they will still include gags such as Professor Frink riding past on a hover bike he has built, or the affairs of the main characters being watched by aliens (which happens to the degree that the two aliens are recurring characters, and are known by name (Kodos and Kang)). These jokes as a general rule do not affect the central plot line, and could be omitted from the episode without issue (apart from the loss of a good joke). This remains a popular realm for animated sitcoms, as it means the show doesn›t require learning the rules of a new universe to understand, and is easily digested by fans of the live-action sitcom genre, however it maintains an edge over live-action sitcoms by being able to casually include jokes completely off the plane of reality whenever they want. This can be done in live action, though it›s significantly more expensive (in which case they would be much less inclined to use them for throw-away jokes), or they would have to incorporate animated elements. Whereas in animation, both possible and impossible scenarios generally require the same amount of effort and money. Family Guy, though containing impossible elements such as a talking dog and baby, and occasionally including impossible scenarios in their main storyline, will still generally obey familiar conventions of film (such as time travel, teleportation, and other science fiction staples), making them just as easy to digest as a show grounded in reality. More surreal and outrageous jokes (of which there are many) will as a rule not affect the main plot, and will often in fact will be presented as isolated «sketches» as opposed to happening within the same timeline as the storyline. 76 Empathie, Tabubruch, Katharsis | Jane Mumford | Animation | Masterthesis Animated comedies that embrace their ability to go in any direction, and don›t follow the rules of reality (or pre-established genres of live-action and written fiction such as science fiction, folk tales or fantasy), are often labeled «surreal» or «psychedelic» by audiences. Regardless of how traditional the underlying sense of humour is, the context of «anything» creates opportunities for jokes that would not be arrived at in a more conventional setting. Early «slapstick» animated comedies such as Looney Tunes, though very familiar now would have been very surreal and unusual before the conventions were established- such as the frequently used gag of lifting up and moving holes as if they were physical objects. These animations were generally set in familiar settings such as suburbia, medieval Europe, the Wild West, etc, with larger than life characters allowing impossible things to happen as extensions of their personalities, not unlike live action slapstick comedians such as Charlie Chaplin. These days, there seems to be a shift towards heavily imagined settings, responsible for just as many new and impossible ideas as the characters within. The immediate examples that come to mind are Adventure Time, Regular Show, Superjail and Wander Over Yonder. » Abb. XIV «Full Body Prolapse» (2012), Felix Colgrave. In seiner Freizeit animiert Colgrave gerne Kurzfilme mit düsteren, aber oft sympathischen Figuren in manchmal absurden, manchmal realitätsnahen Situationen. Abb. XV «Water to Wine» (2014), Felix Colgrave für TripTank, Comedy Central. Für den Trailer der animierten Sketchcomedyshow TripTank wurde Colgrave für eine kurze Animation kommissioniert. Ein nur im Trickfilmmedium umsetzbarer Gag zeigt uns wie Jesus Wasser zu Wein macht, und dabei ausversehen einen seiner Jünger berührt. Auf einen Schlag wird sein gesamter Körperwassergehalt zu Wein. «TripTank», pointless, unfunny violence. Comedy Central cartoon series is neither amusing nor shocking. Von Tom Conroy, 2. April 2014, für Medialife Magazine « Two children are burned in the exhaust of a talking rocket ship; then other children aboard the rocket die from asphyxiation. An old woman is murdered for her toaster. A fluffy bunny is crushed under a boulder flung by a starving wolf, which then eats and vomits up the bunny. Those are just some of the gags in the first few minutes of the premiere episode of Comedy Central’s new animated series “TripTank.” What’s remarkable about those moments is that they’re unremarkable. Latenight “adult” animation on TV — which is actually aimed at adolescent boys of all ages — specializes in supposedly funny gore, with a special emphasis on the death of innocent victims. The other specialty of the show is also typical of adult animation: a sort of free-associated illogic that comic geniuses can sometimes pull off. On this show, it mostly falls flat. Although the second episode of “TripTank” is mercifully less bloody than the premiere, neither one provides enough laughs. The success of Adult Swim proves that there is an audience for this type of simple-minded comedy, but one likes to think that if those young men were offered something better, they’d watch it. [...] The blood and guts and bad taste would be bearable if they had a discernible satirical target. As is, the show as a whole feels misanthropic and bleak. Violence in TV cartoons is losing its shock value. In one of the phone-in segments, a pretty young woman says that “TripTank” is “so bad it makes us want to gouge our eyes out.” Rather, the show makes our eyes roll but then glaze over. « 77