Liebe, Lust und Leidenschaft

Transcription

Liebe, Lust und Leidenschaft
Ausgabe Nr. 81 - Dezember 2010
Thommener
Journal
Themen aus Suchttherapie und Klinikleben
Liebe, Lust und
Leidenschaft
Tabu oder
Thema in der
Suchtbehandlung
AHG KLINIKEN DAUN
Verhaltensmedizinisches Zentrum
für Seelische Gesundheit
Altburg | Am Rosenberg | Thommener Höhe
Impressum
Editorial
Thommener Journal
Themen aus Suchttherapie
und Klinikleben
Ausgabe: Nr. 81
Auflage: 2500 Stück
Herausgeber
Wir Thommener e. V.,
54552 Darscheid
Tel.-Nr.: 06592/2010,
Fax: 06592/201751
Internet: www.kliniken-daun.de
eMail: [email protected]
Redaktion
Patrick Burkard, Ute Grönke-Jeuck,
Winfried Haug, Elisabeth Petrov,
Claudia Quinten, Marita Schorn,
Arnold Wieczorek
Verantwortlicher dieser Ausgabe:
Patrick Burkard
Sekretariat
Elisabeth Petrov
Zeichnungen/Fotos
Patrick Burkard, Melanie Ziemons
(Titelbild), Patienten der Gruppe
B, C, D, F
Layout und Druck
creativdruck GmbH
www.creativ-druck.com
Patrick Burkard, Marita Schorn, Elisabeth Petrov, Claudia Quinten, Winfried Haug, Ute Grönke-Jeuck (v.l.n.r.)
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Liebe Leserinnen und Leser,
manchmal ist es einfach an der Zeit,
ausgetretene Pfade zu verlassen und
einmal ein Risiko einzugehen. Indem
man z. B. etwas Neues versucht, oder
etwas ganz anders macht als üblich. Das
haben wir gleich mehrfach getan, und
wir waren und sind gespannt, wie es
ankommt.
Da war zuletzt unsere Fachtagung
für Selbsthilfegruppen, für die dieses
Mal ein Tabuthema als Motto ausgewählt wurde, nämlich „Liebe, Lust
und Leidenschaft“. Ein Thema, über das
normalerweise weder frei noch gerne
gesprochen wird. Aber ein Thema, das
jeden angeht, insbesondere aus dem
Blickwinkel der Sucht.
Und da wir schon einmal dabei waren,
haben wir überlegt, auch diese Ausgabe
des Thommener Journals diesem Thema zu widmen und beides miteinander
zu verbinden. Und deshalb finden sich
in der aktuellen Ausgabe auch Beiträge von Referenten der Fachtagung, so
dass dieses Mal schwerpunktmäßig
Gastautoren zu Wort kommen. Den
Leitartikel übernimmt Klaus Fieseler, der
auch Hauptreferent auf unserer Fachtagung war. Aber auch unsere eigenen
Mitarbeiter haben sich mit dem Thema befasst und versuchen, sowohl in
ihrer Arbeit als auch in den Beiträgen,
der Frage nachzugehen, wie „Liebe, Lust
und Leidenschaft“ mit ganz unter-
schiedlichen Zielgruppen in der stationären Suchtbehandlung offen, wertschätzend und konstruktiv thematisiert
werden kann. Mutig, dass auch einige
Patienten der Seniorengruppe sich
dazu geäußert haben.
Unser diesjähriges Ehemaligentreffen
kollidierte mit einem anderen GroßEvent, nämlich der Fußballweltmeisterschaft. Kurzerhand haben wir beides miteinander verbunden: Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurde die Sporthalle umfunktioniert, und
für die Besucher des Ehemaligentreffens ein „Public Viewing“ auf einer
Großleinwand eingerichtet. Die Sporthalle platzte aus allen Nähten, und
nicht nur die deutsche Nationalmannschaft begeisterte mit ihrem
Spiel, sondern es entwickelte sich eine
großartige Stimmung im Publikum, indem leidenschaftlich mitgefiebert und
mitgejubelt wurde. Es wurde für alle,
die dabei waren, ein „berauschendes“
Fußballfest, und das ganz ohne Alkohol oder andere Suchtmittel.
Apropos Ehemaligentreffen: Unser Organisationsteam versucht in jedem
Jahr aufs Neue, ein für alle Besucher
möglichst interessantes und attraktives Angebot auf die Beine zu stellen.
Dazu haben wir uns überlegt, fragen wir
doch einfach mal diejenigen, um die es
geht, nämlich sie selbst, unsere Ehemaligen: Schreiben Sie uns Ihre Anregungen und Ihre Kritik, was Ihnen am
Ehemaligentreffen gefällt, was so bleiben soll, was Sie sich Neues oder Anderes wünschen, und worauf wir zukünftig eher verzichten sollten. Am besten per email ([email protected]), per
Fax (06592-201751) oder auf dem
Postweg (E. Petrov, AHG Kliniken Daun
Thommener Höhe, 54552 Darscheid).
Wir sind gespannt!
Wir wünschen Ihnen allen ein gesegnetes und besinnliches Weihnachtsfest
und ein gesundes und zufriedenstellendes Jahr 2011!
Das Redaktionsteam des Thommener
Journals
Liebe, Lust und Leidenschaft –
ein Tabuthema in der Selbsthilfe?
Klaus Fieseler
Ob Liebe, Lust und Leidenschaft Tabuthemen in der Selbsthilfe sind, wurde
meines Wissens noch nicht erforscht. Ich
fragte deshalb vor dieser Tagung in einer Selbsthilfegruppe nach. Dort wurde
mir versichert, es handele sich wirklich
um ein sehr großes Tabuthema, das in
den Gruppen nie be- und angesprochen
werde. Es folgte eine ausführliche und
sehr angeregte Diskussion zum Thema,
die Teilnehmenden sprachen dabei sehr
offen über ganz unterschiedliche Aspekte
der Fragestellung. So offen, wie es in dieser Gruppe besprochen wurde, erschien
es mir dann eigentlich gar nicht mehr als
Tabuthema.
In der Selbsthilfe ist Sexualität kein größeres Tabuthema ist als im Durchschnitt
der Bevölkerung. Auch im Sportverein, in
der Wählergemeinschaft, am Arbeitsplatz
oder beim Frisör werden Liebe, Lust
und Leidenschaft nicht häufiger thematisiert. Man wird den einen oder anderen Witz oder Tratsch hören. Aber man
wird am Arbeitsplatz kaum diskutieren,
wie sich die Arbeit auf die Liebe auswirkt.
Niemand sagt: „Der Stress hier macht
mich ganz lustlos“ oder „Bei diesem netten Betriebsklima und dem angenehmen
Arbeitstempo kann sich mein sexuelles
Begehren in der Freizeit voll entfalten.“
Insofern wundert es nicht, dass es auch
kein besonderes Thema in den Selbsthilfegruppen ist.
Man könnte behaupten, es sei kein Thema, weil es kein Problem sei, aber das
kann auch eine Strategie zur Vermeidung
des Themas sein. In der Selbsthilfe geht
es in erster Linie um die Bewältigung von
Schwierigkeiten, die durch die Abhängigkeit aufgetreten sind und wenn etwas
unproblematisch ist, dann muss man es
dort nicht unbedingt besprechen. Wenn
jemand behauptet, bei ihm sei sexuell alles in Ordnung, dann könnte man sich
darüber freuen und sagen: „Wunderbar,
Sie sind einer der wenigen Menschen, die
sexuell rundum zufrieden sind. Verraten
Sie uns doch, wie Sie das machen!“ Manche behaupten auch zu Beginn ihrer Abstinenz, Rückfallgedanken seien überhaupt
kein Problem und sie würden nie wieder
trinken, wollen das aber nicht weiter diskutieren.
Dennoch ist Sexualität ein wichtiges Thema auch für die Selbsthilfe. Abstinent lebende Alkoholabhängige müssen sich irgendwann fragen, wie sie Liebe, Lust und
Leidenschaft mit klarem Kopf erleben
wollen. Alkohol wirkt massiv auf die Gefühle ein. Es geht beim Trinken um die
Wirkung und die veränderte Wahrnehmung der Welt, sei es nun im Rausch
oder als Spiegeltrinker, der sich Unangenehmes weichspült. Nüchternheit
macht einen Unterschied im Erleben der
Welt.
Selbsthilfe will in der Gemeinschaft die
zufriedene Abstinenz stützen. Durch
Abstinenz kommen viele Dinge aus dem
vorherigen Gleichgewicht. Am Arbeitsplatz wird der Abstinente nicht mehr jede
Überstunde und jeden am Freitagnachmittag angekündigten Samstagsdienst
übernehmen - das ist neu zu regeln.
Ebenso sind die Beziehungen zu Angehörigen, Kindern und Freunden neu zu regeln. Vielleicht hat man in der ganzen alkoholisierten Selbstbeschäftigung nicht
bemerkt, wie die Kinder größer geworden sind und neue Interessen haben. Vielleicht fühlt man sich verletzt, wenn die
Kinder einem mit dem alten Misstrauen
begegnen und sich eher zurückziehen, wo
Vater doch jetzt trocken und liebevoll alles wieder gut machen will.
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Ähnliche Probleme treten in den Partnerschaften auf, die die „nasse“ Phase
überlebt haben und in denen die Partner sich neu aufeinander einstellen. Der
nicht-abhängige Partner muss den Weg
heraus finden aus dem ständigen Misstrauen, der Wachsamkeit, der Fürsorge,
die das Schlimmste zu verhindern versucht. In den Paaren muss jetzt mit einem nüchternen Partner Verantwortung, Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Kindererziehung, Freizeitgestaltung und
Sexualität neu geregelt werden.
Ein schwieriges Thema
Während man über einige Bereiche relativ leicht reden und zu Verhandlungslösungen kommen kann, ist das Verhandeln über Sexualität eine eher
schwierige Übung.
Meist ist Abhängigkeit tödlich für Liebe,
Lust und Leidenschaft. Zum einen wird
durch Alkoholkonsum niemand schöner,
gepflegter, attraktiver und wohlriechender. Betrunken ist man kein Traumpartner für Nüchterne - auch wenn
man das im betrunkenen Zustand mit
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dem dazu gehörigen Größenwahn mitunter anders sieht. Alkohol macht körperlich impotent und die erwartete Leidenschaft endet in Enttäuschung. Es ist
auch nicht förderlich für das Liebesleben,
wenn der nicht-abhängige Partner
hauptsächlich damit beschäftigt ist, die
Fassade aufrecht zu erhalten, den Alltag
zu organisieren und sich ständig über den
trinkenden Partner ärgert. Manche Menschen haben überhaupt keine Lust auf
Sex, wenn sie betrunken sind. Andere erleben erst betrunken enthemmten lustvollen Sex. Manche können sich nur unter Alkoholeinfluss ihre Wünsche zugestehen und diese äußern, Wünsche, die
sie nüchtern nicht für korrekt halten würden. Ich glaube auch nicht, dass es
einfach ist, in den Selbsthilfegruppen
über diese Themen zu sprechen. Voraussetzungen sind eine sehr vertraute
Gruppenatmosphäre und dass jemand
sich traut das Thema einzubringen. Das
geht nicht in Gruppen mit einem häufigen Wechsel der Mitglieder. Man
braucht einiges an Mut und Vertrauen,
um schwierige Themen in einer Gruppe
anzusprechen. Man muss sich gut überlegen, wie man sie einbringen kann. Man
erzählt eben nicht einfach, wie ekelerregend man betrunken war, sich aber für
ganz toll hielt und dann im Bett versagte? Das gibt niemand gern zu. Man
diskutiert nicht beiläufig darüber, wie
sehr man sich bei der Partnerin oder dem
Partner nach Liebe und Intimität oder
einfach nur gutem Sex sehnt. Wie es sich
anfühlt, wenn man abgewiesen wird und
wie man mit der Enttäuschung umgeht?
Fällt es leichter, mit Alkohol oder ohne
Alkohol seine Bedürfnisse zu zeigen? Und
wenn es nur mit Alkohol geht, lohnt dann
der Verzicht, ist es das wert?
Wie sagt man, dass man seine Frau verprügelt oder gar vergewaltigt hat? Auch
das ist ein Thema für die Selbsthilfe, denn
bei zwei Dritteln der schweren Gewalttaten in Beziehungen findet man ein Alkoholproblem beim Täter. Häusliche Gewalt ist immer noch eines der höchsten
Gesundheits- und Verletzungsrisiken bei
Frauen - nicht der Straßenverkehr. Etwa
ein Viertel der Frauen über 16 Jahren haben bereits sexuelle oder körperliche Gewalt in einer Partnerschaft erlebt. Die Betroffenen - Täter und Opfer - sind auch
in den Selbsthilfegruppen.
Wie kann man in Selbsthilfegruppen da-
rüber sprechen, dass man fremd gegangen ist und dass das Aufwachen danach
den Kater nur noch vergrößert hat?
Wie kann man darüber sprechen, dass
man nicht aus echter Zuneigung Sex hatte, sondern um den Partner zu besänftigen, um das schlechte Gewissen zu beruhigen, um den Schein zu wahren - aber
nicht weil man gerade Lust darauf hatte?
Wie soll man darüber sprechen, wenn
man nüchtern schüchtern ist und nur betrunken Kontakte knüpfen konnte, wenn
Sex in der bisherigen Erfahrung nur
mit Alkohol ging? Und wie soll man darüber sprechen, wenn man sexuelle Bedürfnisse unter Alkoholeinfluss aussprechen und befriedigen kann, sich
aber nüchtern nicht traut, sich nüchtern
nur mit dem zweitbesten Sex begnügt,
aber von der Ekstase des Betrunkenen
träumt?
Da ist es natürlich einfacher, sich unverfänglichere Themen zu suchen, denn
hier tut sich ein ganzer Rucksack mit unangenehmen, mit Scham und teilweise
Schuld belasteten Themenkreisen auf, die
vermutlich nicht in jeder Selbsthilfegruppe gut aufgehoben wären.
Ich kann für mein eigenes Arbeitsfeld in
der Beratung die Fragestellung umformulieren: „Liebe, Lust und Leidenschaft
– ein Tabuthema in den Beratungsstellen?“ Und meine Erfahrungen aus der Beratungsstelle passen in das Bild. Zum einen stehen in Krisensituationen nicht sexuelle Probleme auf der Tagesordnung.
Der Antrag auf Übergangsgeld oder der
aktuelle Konflikt mit dem Arbeitgeber
sind wichtiger. Zum anderen sprechen
nur wenige Betroffene in der Beratungsstelle das Problem von sich aus an.
Ich habe dennoch gute Erfahrungen
damit gemacht, offen mit dem Thema
umzugehen, den Bereich nicht auszuklammern und nicht aus falsch verstandenem Respekt zu warten, bis ich gefragt werde. Im Gegenteil, die Betroffenen haben „Antennen“ dafür, was mit
dem Berater besprochen werden kann
und was nicht. Durch gezieltes Ansprechen des Themenkreises Sexualität kann
ich signalisieren, dass hier ein Gesprächspartner für diese Fragen offen ist,
die die Menschen ohnehin beschäftigen.
Ich kann damit auch signalisieren, dass
ich mich nicht so leicht schocken lasse
und dass das Thema bei mir gut aufgehoben ist. Dazu reicht der Hinweis, dass
durch Alkoholprobleme Beziehungen
und Sexualität immer beeinflusst werden und dass Abstinenz neue Chancen
eröffnet. Die meisten Menschen reagieren positiv darauf, wenn das Thema hier
nicht ausgeklammert wird. Wartet man,
bis es die Ratsuchenden selbst ansprechen, kann der Eindruck entstehen, es sei
hier kein Platz dafür und es gehöre nicht
hierher. Man bietet damit einen sicheren Rahmen und einen sachlichen und
angemessenen Umgang mit den Themen
an. Man kann durchaus verschreckt
reagieren, wenn man mit intimen Details
und Sorgen der Ratsuchenden konfrontiert wird und es sich dann leicht machen, indem man die ganze Sache durch
die Brille der Moral handhabbar zu machen versucht. Das führt dann eher zu
Gedanken oder Aussagen, wie „das tut
man nicht, das haben wir noch nie getan, das gehört sich nicht, das ist ungerecht, das ist unanständig, das darf
nicht sein.“
Wer diese Haltung vermittelt, wischt jedes halbwegs sensible Thema gleich
wieder vom Tisch. Vielleicht hat der, der
seine Frau im Alkoholrausch geschlagen
hat, ohnehin einen Drang dazu. Wenn ein
Mensch sich mit seiner Schuld auseinandersetzen will und ihr nicht durch
Verschweigen ausweichen will, dann
werden Erschrecken und Empörung des
Gesprächspartners nicht helfen darüber
zu sprechen. Er wird ganz schnell merken, hier ist mein Thema nicht gut aufgehoben.
Täter haben sich allenfalls mit der Justiz auseinander zu setzen. Ansonsten
bleibt ihr Umgang mit Aggressionen, Beziehungsstörungen, mangelnder Konfliktfähigkeit, verleugneten Sehnsüchten
und ungesundem Egoismus - alles Dinge, die zum Zuschlagen und sexueller Gewalt führen können - ihnen selbst überlassen. Ich gehe davon aus, dass diese
Gewalttäter auch in den Selbsthilfegruppen auftauchen. Um die Gewaltproblematik anzusprechen und sie angemessen behandeln zu können, braucht
man schon eine gehörige Portion Mut,
Offenheit, Toleranz und Gelassenheit. Das
gilt auch für den Umgang mit den an-
deren oben genannten Fragestellungen. Und dafür muss jemand in der Gruppe, am besten erfahrene Mitglieder,
Verantwortung übernehmen.
Beziehungsregulierung
durch Alkohol
Es gibt noch etwas anderes, worüber sich
nicht so leicht sprechen lässt, nämlich die
beziehungsregulierende Funktion des
Alkohols. Nüchtern muss man Beziehungen eben anders regulieren. In einem
bekannten Fallbeispiel geht es um eine
nörgelnde Frau und einen Mann, der sich
durch den Gang in die Kneipe von ihr zurückzieht. Die Frau nörgelt und meckert
ständig, weil er in die Kneipe geht. Der
Mann geht in die Kneipe, weil sie ihn
ständig kritisiert. So würden es die beiden jeweils für sich sehen und das heizt
den Streit an, weil beide sich im Recht
fühlen. Sie können sich gegenseitig verstärken: Mehr Trinken führt zu mehr Nörgeln führt zu mehr Trinken .... Die beiden
haben auf diese Art immer stärker eine
ordentliche Distanz aufgebaut. Man
könnte ihnen nun empfehlen, weniger
desselben zu tun: Er soll seltener in die
Kneipe gehen und sie soll sich mit der
Kritik zurückhalten. Im Idealfall würde
sich alles wieder beruhigen und die
Partner würden wieder mehr Gemeinsamkeiten pflegen, wären zufriedener
miteinander.
Aber das ist nicht die ganze Geschichte, denn die Sache könnte ja auch Vorteile für beide haben. Die Frau kann nörgeln, damit er in die Kneipe geht und sie
sich einen ruhigen Abend machen kann.
Vielleicht will sie mit ihrer Freundin telefonieren, die Lieblingssendung sehen
oder im Internet flirten; vielleicht will sie
gar nicht erst, dass ihr Mann ihre Nähe
sucht, und sie kann auf diese Art seinen
sexuellen Wünschen ausweichen. Oder
der Mann geht in die Kneipe, damit er in
Ruhe einen Abend ohne seine Frau verbringen kann und sich mit ein paar Kumpels unterhalten kann. Zudem bringt er
sie dadurch zum Nörgeln, das führt zu
Streitereien und dann muss er auch nicht
schon wieder mit ihr schlafen. Hier hätte der Alkohol eine Funktion bekommen,
die den Bedürfnissen beider entgegen
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kommt. Entschließt sich der Mann zur
Abstinenz und lässt den Alkohol weg,
dann müssen die beiden auch ihre Abende neu regeln. Vielleicht versucht er, bis
Mitternacht Fanta zu trinken in der
Kneipe und das alte Muster wäre einigermaßen wiederhergestellt - nur eben
mit null Promille, aber das geht nicht lange gut. Ohne den Alkohol und das Genörgel müssen die beiden einen anderen
Weg auch im Umgang mit ihren Bedürfnissen nach Distanz finden. Manchmal will man eben einen ruhigen Abend
allein verbringen - kann man das dem
Partner sagen? Wie kann man das handhaben? Und manchmal will man eben
nicht auf die sexuellen Bedürfnisse des
Partners einsteigen - wie verhandelt man
das?
Man kann hier noch weitere Hintergründe unterstellen: Der Mann geht in
die Kneipe, dann kommt es zu Kritik,
Streit und sexueller Funkstille. Das kann
er wiederum zum Anlass für eine Außenbeziehung nehmen, und das fällt
auch erst mit ein paar Bier etwas leichter. Nüchtern müssten die beiden einen
neuen Umgang finden mit sexuellen Bedürfnissen - denen, die sie miteinander
teilen wollen und denen, die irgendwie
außerhalb der Beziehung sind. Oder sie
schweigen darüber, das ganze wird zum
Tabu, und nur der Alkohol erlaubt es, diesen Bedürfnissen nachzugehen. Das ermöglicht aber auch, dann alles als moralisch verwerflich zu sehen: Den Suff
und die dabei sich zeigenden sexuellen
Bedürfnisse. Und somit gibt man dem Alkohol die Verantwortung dafür und
muss sie nicht selbst übernehmen. Ebenso könnte es der Frau ganz Recht sein,
dass der Mann immer wieder in der Kneipe verschwindet und dass sexuell nichts
läuft. Damit könnte sie für sich rechtfertigen, sich ab und zu einen attraktiven Liebhaber zu gönnen und kann die
Schuld dem trinkenden Mann geben - der
wiederum wegen seiner untreuen Frau
mehr trinkt usw.
Wenn in solchen Beziehungen der Alkohol außen vor bleibt, der bislang eine
wichtige Funktion bei der Nähe-DistanzRegulierung hatte, müssen die Partner
nun selbst die Verantwortung übernehmen und sich damit neu sortieren, und
das ist nicht immer einfach. Man kann
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dem natürlich vorerst ausweichen, indem
man Sex aus den Beziehungen und aus
den Gesprächen verbannt. Das ist eine
eher bequeme, aber langfristig wenig erfolgreiche Möglichkeit, dieses Minenfeld
zu umgehen.
Langjährige
Partnerschaften
Viele Partnerschaften haben sowohl die
Zeiten mit Alkohol als auch die Umstellung auf Abstinenz trotz aller Belastungen überlebt. Die Partner hoffen natürlich, dass durch die Nüchternheit alles und wirklich alles - wieder gut werde, am
besten von allein. Sie werden aber feststellen, dass der Nachbar immer noch unfreundlich, das Gehalt eigentlich immer
noch zu niedrig und das Wetter oft immer noch zu kühl ist - obwohl man doch
mit dem Trinken aufgehört hat. Man
hofft auch, dass die Partnerschaft wieder in Ordnung kommt, dass man wieder Vertrauen findet, gemeinsam etwas
unternimmt, sich aufeinander verlassen
kann, die Kindererziehung wieder klappt
und man leidenschaftlichen Sex miteinander hat, also dass man ein gutes Team
in Haus, Garten, Freizeit, Bett und in Gedanken ist. Man ist gleichzeitig vertraut
und befreundet, ein verlässliches Elternpaar, hat die gleichen Interessen und
Ansichten, es funkt in der sexuellen Beziehung und beide haben Lust aufeinander.
Aber selbst bei nüchternen Paaren ganz
ohne Alkoholprobleme funktioniert das
nicht. Grimms Märchen mit den glücklichen Königskindern und die Hollywoodfilme mit dem Kuss als Happy-End
suggerieren das Klischee einer rundum
perfekten Partnerschaft und dauerhaften heißen Liebe und Leidenschaft. Und
es ist auch zu schön, daran zu glauben.
In der Zeit der ersten Verliebtheit steht
die große Leidenschaft im Vordergrund.
Dabei werden alle störenden Eigenschaften und Verhaltensweisen des Partners ausgeblendet. Mit der Zeit wird die
Liebe tragfähig, man zieht zusammen,
hat gemeinsame Kinder, geht Verpflichtungen ein. Dabei muss man sich auf den
Partner verlassen können. Es bilden sich
vertraute Abläufe, damit der Alltag
funktioniert. Das ist wichtig, sonst würde keine Partnerschaft bestehen. Aber es
ist auch das, was der wilden Leidenschaft
entgegen steht, denn die lebt immer noch
von der Überraschung, vom Erforschen,
vom Ausprobieren, vom Neuen. Je vertrauter ein Paar im Alltag wird, umso vertrauter wird es auch in der sexuellen Beziehung. Es schleift sich etwas ein, der
Speiseplan wird eingeschränkt und es
gibt nur noch das zu essen, was beiden
schmeckt - die Zeit der Experimente ist
vorbei. Wenn man sich aufeinander verlassen kann, vielleicht auch eine freundschaftliche Ebene miteinander hat und
ähnlich denkt, ähnliche Interessen hat
und gut miteinander reden kann, wird
möglicherweise die sexuelle Beziehung
als langweilig oder lustlos erlebt - von
einem oder von beiden Partnern. Das ist
ganz normal, weil verlässliche Partnerschaft und sexuelle Leidenschaft verschiedene Verläufe nehmen und gegenteilige Voraussetzungen erfordern.
Man kann Partnerschaften unter den Aspekten Freundschaft, Partnerschaft und
Leidenschaft beschreiben wie es der
Paartherapeut Michael Mary erläutert.
Wenn man diese Aspekte als Eckpunkte eines Dreiecks nimmt, kann man eine
Selbsteinschätzung treffen, wo man mit
der eigenen Partnerschaft steht. Die
freundschaftlichen Aspekte beschreiben eher die geistige Nähe, gemeinsame Interessen, Weltanschauungen und
Aktivitäten, wie vertraut man ist, wie gut
man sich über eigene Sorgen und Ideen
wie in einer guten Freundschaft austauschen kann. Die partnerschaftlichen
Aspekte beschreiben eher das gemeinsame Funktionieren, das Aufrechterhalten von Erwerbsarbeit und Hauswirtschaft, Kindererziehung und Zukunftssicherung. Ein Paar kann darin sehr
gut sein, sich aber sonst nichts zu sagen
zu haben, die freundschaftliche Ebene
wäre dann eher unterentwickelt. Die leidenschaftliche Ebene beschreibt die
Sehnsucht und das sexuelle Verlangen
des Liebespaares. Die passt nicht zum
partnerschaftlichen Aspekt, wenn man
sich beispielsweise nach einem Wolkenbruch nass und lustvoll ins Schlafzimmer zurückzieht, die Gartenmöbel
nass werden lässt, den Hund nicht füt-
tert und die Kinder nicht vom Schwimmbad abholt. Und wenn man dem Partner
ganz freundschaftlich erzählt, dass man
den Bademeister zum Anbeißen findet
und überlegt, ob er denn eine Sünde wert
wäre, dann ist vermutlich mit Störungen
auf der leidenschaftlichen und partnerschaftlichen Ebene zu rechnen. Die Beziehungen, die die Zeiten mit Alkohol
überstanden haben, sind meist sehr
partnerschaftlich organisiert. Man ist zusammen durch dick und dünn gegangen,
hat Enttäuschungen, Lügen, Demütigungen und sogar Kontoplünderungen
überstanden. Freundschaft macht so
etwas nicht mit, Leidenschaft auch nur
begrenzt. Belastungen wie Verschuldung und Hausbau bei gleichzeitiger Familiengründung, Bewältigung von
schwerer Krankheit der alten Eltern
oder vielleicht eines Partners können nur
bewältigt werden, wenn der partnerschaftliche Aspekt einer Beziehung gut
funktioniert. Aber alle drei Bereiche
gleichzeitig optimal zum Laufen zu
bringen ist eben wegen der Unterschiedlichkeit nicht möglich. Das geht nur
in Märchen, Arztromanen oder Hollywoodfilmen.
In den Selbsthilfegruppen wird immer
wieder der partnerschaftliche Aspekt
dieser Beziehungen gewürdigt, ohne
den diese Partnerschaften die Alkoholabhängigkeit nicht überlebt hätten. Interessant wird es, wenn man Bilanz
zieht und sagen kann: „Jetzt haben wir
eine schwere Phase bewältigt, die Partnerschaft hat uns dabei sehr geholfen.
Aber könnte jetzt auch wieder mehr Platz
für Freundschaft oder Leidenschaft
sein?“ Vielleicht ist für manche die Leidenschaft nicht so wichtig, das ist auch
in Ordnung, aber man sagt es einfach
nicht so laut. Das ist Liebe ohne Lust und
Leidenschaft. Heutzutage gehört Mut
dazu, sich dazu zu bekennen. Mit gutem
Grund stehen in einer bestimmten Phase Freundschaft und Leidenschaft im Hintergrund - Freundschaft trägt eben
nicht unbedingt die Lügen und Enttäuschung; Leidenschaft erträgt keinen
schlechten Atem und keine grundlose Eifersucht. Wie man die freundschaftlichen
Aspekte wieder in die Partnerschaft
bringt, auch angesichts aller Schäden, die
der Alkohol angerichtet hat, kann man
vielleicht in den Selbsthilfegruppen entspannter besprechen. Und dann kann
man ja vielleicht auch die Rückkehr von
Liebe, Lust und Leidenschaft in alkoholgeschädigte Beziehungen zum Thema
machen. Das ist nicht so leicht, aber es
lohnt sich. Und Sie werden vermutlich
immer jemanden finden, der dieses Thema ebenso spannend findet. Es ist nicht
leicht, solch heiße Eisen in der Selbsthilfe
anzupacken. Andererseits sind diese brisanten Themen eben da und irgendwie
wissen das auch alle.
Ich kann Sie nur ermutigen, sich offen
zu zeigen auch für schwierige Themen in
den Selbsthilfegruppen, auch einmal
etwas Ungewöhnliches auf den Tisch zu
bringen und damit zu experimentieren,
was geht und was noch nicht geht. Bleiben Sie dabei gelassen, hören Sie zu und
nehmen Sie die Ratsuchenden ernst. Bieten Sie einen sicheren Gesprächsrahmen.
Sie werden staunen, die Leute erzählen
Ihnen mehr als Sie erwartet haben.
Literatur:
Mary, Michael (2008). Lebt die Liebe, die ihr habt. Wie Beziehungen halten. Rororo.
Fieseler, Klaus (2007). Sexmythen – Zwischen Illusion und Realität. Schwarzkopf und Schwarzkopf.
Clemens, Ulrich (2008). Guter Sex trotz Liebe – Wege aus der verkehrsberuhigten Zone. Ullstein.
Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (2004).
Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland.
Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (2010). Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen.
(Beide Studien können über das Ministerium kostenlos bezogen werden, auch als PDF zum Herunterladen.)
Klaus Fieseler, Diplompädagoge und Systemischer Therapeut, arbeitet in der Suchtberatungsstelle des Diakonischen
Werks Waldeck-Frankenberg, in der Online-Erziehungsberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung
www.bke-beratung.de und bietet Paarberatung über www.paarberatung-online.de an.
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„Liebe, Lust und Leidenschaft“
Die etwas andere Fachtagung für Selbsthilfegruppen 2010
„Tabuthemen (nicht nur) in Selbsthilfegruppen“ - das war das Leitthema der
diesjährigen Fachtagung für Selbsthilfegruppen. Wir waren höchst gespannt
auf das Echo, ging es doch dieses Mal um
Themenbereiche, die man nicht so gerne vor anderen offenlegt. Und doch: 120
Mutige und Interessierte aus allen Gruppen kamen und stellten sich dem Thema.
Sie stellten sich zunächst bei dem Einführungsvortrag von Klaus Fieseler aus
Korbach, einem Spezialisten für dieses
Thema. In klaren, sachlichen Worten
schöpfte er aus seinem fundierten Wissen und seiner langjährigen Erfahrung
und trug zur Klärung der Tabuthemen bei,
und das auf eine Art und Weise, dass jeder Mann und jede Frau aus dem Publikum es für sich gut annehmen konnte.
Ich darf an dieser Stelle auf die Darstellung der Inhalte des Vortrags und ausgewählter Workshops in den Beiträgen
dieser Ausgabe verweisen, die die Referenten uns dankenswerter Weise überlassen haben. Ich will aber doch bemerken, dass es in Workshop 1 („Gewalt…) mit Frau Karin Hentschel sehr
ernst zuging; dass Reinhard Duhnke in
gewohnter Weise klar und deutlich die
Inhalte ordnete und zurecht rückte;
dass die Teilnehmer von Workshop 3 mit
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Elfi Sklepik von „Atmen-Fühlen-LustBegehren“ eine vibrierende Ahnung bekamen dass auch Beratungsstellen dem
Thema nicht ausweichen, wie Johanna
Alef-Bill in Workshop 4 bewies; dass Ketten ausgelegt wurden und die Frage des
Ankettens - in vielerlei phantasiereichen
Assoziationen - gestellt und beantwortet wurde. Dr. R. R. Salloch-Vogel und
seine Frau Ines Frere schlossen den Bogen der Fragen in Workshop 5 und resümierten, dass NUR Nüchternheit und
Liebe zusammenpassen.
Insgesamt erlebten wir eine Supertagung
mit hoch interessierten Gästen und hervorragenden Referenten und dürfen mit
Stolz sagen: Der Erfolg gab uns recht mit
der Auswahl dieses besonderen Themas.
Das betrifft auch gewisse Golfbälle, die
unsere moderierende Mitarbeiterin der
Abteilung Öffentlichkeitsarbeit Andrea
Ehses unter dem Schreibtisch von Winfried Haug gefunden haben will, auf denen etwas von Golf und Sex draufsteht
….. die beiden waren zuständig und
verantwortlich für diese Tagung.
Und dieses bewährte Team wird sich auch
um die Organisation und Durchführung
der nächsten Fachtagung kümmern: Dr.
Mathias Jung, Arzt, Philosoph und Psychotherapeut aus dem Bruckner Haus in
Lahnstein, Autor zahlreicher Bücher,
wird am 29.09.2011 einen Tag gestalten
zum Thema: „Sehnsucht - die Mutter
aller Süchte!“ Wir mussten den gewohnten Termin (erster Freitag im September) verschieben, weil Dr. Jung nur
noch am 29.09.2011 einen freien Termin
hatte. Also: Unbedingt vormerken, nähere
Informationen folgen in der nächsten
Ausgabe des Thommener Journals.
Winfried Haug
Fachtagung 2011
für Selbsthilfegruppen
29. September 2011
Gewalt - Die dunkle Seite
von Liebe, Lust und Leidenschaft
Dipl.-Soziologin Karin Hentschel
Im Rahmen der Fachtagung für Selbsthilfegruppen fand erstmalig ein Workshop exklusiv nur für Frauen statt. Das
Konzept, einen Workshop exklusiv für
Frauen zu vorzusehen, wurde im Plenum
durchaus kontrovers gesehen und so
wurden auch Wünsche nach Öffnung des
Workshops für Männer bzw. einer eigenen Gruppe für Männer geäußert.
Zum Thema „Gewalt“ macht es sicherlich sehr viel Sinn, eine eigene Männergruppe anzubieten, in der eine Konfrontation mit den Auswirkungen von
Gewalt, dem Mangel an Mitgefühl bzw.
Gefühlskälte und den Hintergründen
dafür stattfinden kann. So sind Wurzeln
der Gewalt oft Hilflosigkeit und mangelnde Flexibilität innerhalb eines rigide befolgten Verhaltenskodex, um Enttäuschung, Frustration, Wut und Ärger
auch anders ausdrücken zu können. Die
Strategie, die viele Männer wählen,
Macht und Kontrolle auszuüben, lässt die
Gewaltspirale immer weiter drehen und
hilft eben nicht zum Gelingen einer
guten Partnerschaft. Sie verstärkt stattdessen die persönliche Krise.
Der Workshop wurde von einer kleinen
Gruppe von zehn Frauen genutzt. Die Arbeit im Workshop konnte in Folge der Exklusivität in einem geschützten Rahmen
stattfinden. Deshalb kam in dieser Atmosphäre und der kleinen Gruppe schnell
eine vertrauensvolle Ebene zustande, die
Raum gab für intensive Auseinandersetzung mit dem Thema und Austausch.
Aus meiner 18-jährigen Erfahrung in der
Arbeit mit Frauen, die Gewalt erfahren
haben, weiß ich - und die Fachliteratur
belegt es - wie wichtig es ist, erst einmal in einer Gruppe Gleichgesinnter
zusammen zu kommen. Oft wird dort
erstmalig geäußert, dass Gewalterfahrungen erlebt wurden. Es ist für die Betroffenen wichtig, auf Verständnis und
Stärkung zu treffen. In dieser Atmosphäre
können sie dann über Schritte in Richtung Heilung nachdenken und sich öff-
nen auch für praktische Übungen zu Themen wie: „Wie erkenne ich meine Grenzen und wie setze ich sie durch?“ Die in
der Vorstellungsrunde der Teilnehmerinnen geäußerten Erwartungen an den
Workshop konnten in den Ablauf integriert werden.
Die wesentlichen Inhalte des Workshops werden im Folgenden zusammen
gefasst dargestellt:
Warum kommt dieses
Thema auf der Tagung
zu „Liebe, Lust und
Leidenschaft zur
Sprache“?
Eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in
Auftrag gegebene Studie von 2004 kam
zu erschreckenden Ergebnissen:
• Häusliche Gewalt ist immer noch ei-
nes der höchsten Gesundheits- und
Verletzungsrisiken – nicht der Straßenverkehr!
• Jede vierte Frau in Deutschland im
Alter von 16-85 Jahren hat in einer
Partnerschaft bereits sexuelle und/
oder körperliche Gewalt erlebt.
• In mehr als 50% dieser Beziehungen
wurde ein erhöhter Alkoholkonsum
bei den männlichen Beziehungspartnern angegeben.
Bei dieser Studie konnte kein Zusammenhang zwischen der Gewaltbetroffenheit und der Schichtzugehörigkeit
oder dem Bildungsstatus festgestellt
werden.
Was ist Gewalt?
Unter häuslicher Gewalt wird Gewalt im
9
Argumente hat. Beim Streiten ist klar,
dass jeder ein Recht auf seine Meinung
hat, die dann auch toleriert wird.
Gewalt hingegen kommt dann zum Einsatz, wenn eine andere Sichtweise nicht
geduldet wird.
In der Studie „Gewalt gegen Frauen in
Paarbeziehungen“ des Bundesministeriums von 2008 werden folgende Aspekte deutlich:
• Gewalt trifft Frauen aus allen Schichten.
• Die Dunkelziffer ist besonders in
mittleren und höheren Bildungsund Sozialschichten sehr hoch.
• Gewalt gegen Frauen ist kein Problem
am Rande unserer Gesellschaft, sondern findet in allen Schichten, also
mitten unter uns statt.
„Rad der Gewalt“
sozialen Nahraum, also Gewalt in Beziehungszusammenhängen, verstanden.
Im engeren Sinne ist damit vorrangig die
Gewalt in einer Paarkonstellation, zumeist als Gewalt zwischen den Geschlechtern, gemeint.
Darüber hinaus kann es sich auch um Gewalt zwischen erwachsenen Partnern allgemein, von Eltern gegenüber ihren
Kindern, Kindern gegenüber ihren Eltern,
Gewalt unter Geschwistern sowie gegenüber alten Menschen handeln.
Viele Gewalthandlungen finden auch
während oder nach einer Trennung statt.
Deshalb geht der Begriff häusliche Gewalt von einer Gewalt in Beziehungszusammenhängen aus und ist nicht an
einen Ort gebunden. Häusliche Gewalt
kann psychisch, physisch, sexuell und
durch Ausnutzung ökonomischer und anderer Druckmittel ausgeübt werden.
Häusliche Gewalt wird überwiegend –
aber nicht ausschließlich - von Männern
ausgeübt. Indirekte Opfer von häuslicher
Gewalt sind zudem die in der Beziehung
lebenden Kinder, auch wenn sich die Gewalt nicht direkt gegen sie richtet. Die
häusliche Gewalt ist durch Herstellung
bzw. Aufrechterhaltung eines Machtgefälles zwischen Opfer und Täter geprägt.
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Die Kontrolle dient dem Machterhalt.
Je nach gesetzlichem Auftrag oder beratungsorientierter Sichtweise können
sich Bewertungen, was als Gewalt zu bezeichnen ist, stark voneinander unterscheiden.
Soll die Bewertung beispielsweise juristischen Kriterien standhalten, darf sie sich
nur auf die strafrechtlich fixierten Tatbestände beziehen. Ist Gewalt dagegen
im Rahmen einer psychosozial orientierten Beratung zu beurteilen, geht
die Bewertung darüber hinaus und
schließt auch Verhaltensweisen, Mechanismen und Strukturen ein, die nicht
strafrechtlich zu fassen aber geeignet
sind, eine Person fortgesetzt zu demütigen.
Beispiele dafür werden in der Darstellung
zum Rad der Gewalt genannt (siehe
oben).
Der Unterschied zwischen
Streit und Gewalt
Beim Streit wird die andere Meinung
nicht unbedingt akzeptiert, es ist aber offen, ob man auch überzeugt werden
kann, und es ist offen, wer die besseren
• Mehr als ein Drittel der in der Studie
befragten Frauen wurde sehr schwer
bis lebensbedrohlich misshandelt
(Verprügeln, Zusammenschlagen,
Würgen, Verbrühen, Bedrohung oder
Verletzung mit einer Waffe, Vergewaltigung).
• Trennung oder Scheidung erhöhen
deutlich die Gefahr für die Frau,
Opfer körperlicher oder sexueller
Gewalt zu werden.
• Frauen in dieser Situation benötigen
daher gezielte Unterstützung.
• Auch die Androhung von Gewalt
durch den Mann ist ernst zu nehmen,
da die Drohung sehr häufig in die Tat
umgesetzt wird.
• In fast zwei Dritteln der Fälle ist
schwerste Gewalt gegen Frauen mit
einem erhöhten Alkoholkonsum des
Täters verbunden. Bei einem Drittel
spielt Alkohol keine Rolle.
• Frauen unter 35 Jahren werden häufiger und stärker misshandelt, wenn
beide Partner in einer schwierigen sozialen Lage sind, weil beide entweder über kein Einkommen, keine reguläre Erwerbsarbeit oder über kei
ne Schul- und Berufsausübung verfügen.
Haushalten mit mittlerem oder gehobenem Einkommen.
• Frauen über 45 Jahren sind vor allem
dann von Gewalt betroffen, wenn sie
über eine höhere Bildung verfügen
oder wenn sie bei Bildung, Beruf und
Einkommen dem Partner gleichwertig oder überlegen sind und damit
traditionelle Geschlechterrollen in
Frage gestellt werden.
• Darüber hinaus hat die große Mehr
heit der Männer und Frauen in Gewaltbeziehungen keinen Migrationshintergrund.
• Nur drei Prozent der Täter, die ihre
Partnerin schwer misshandeln, haben
weder einen Schul-, noch Ausbildungsabschluss. 52 Prozent der Täter verfügen über einen niedrigen
oder mittleren Abschluss und 37
Prozent über höhere Bildungs- und
Ausbildungsgrade.
• Männer, die in ihrer aktuellen Beziehung schwere körperliche, sexuelle
und psychische Gewalt ausüben,
sind zudem mehrheitlich berufstätig
und nicht von Sozialleistungen abhängig. Rund zwei Drittel von ihnen
leben mit ihren Partnerinnen in
• Gewalt, auch schwere Gewalt in
Paarbeziehungen, ist, wie die Untersuchung zeigt, nicht ein Problem
sozialer Randgruppen, sondern findet
bislang weitgehend unbemerkt in
der Mitte der Gesellschaft statt.
Was stoppt Gewalt?
Seit 2002 bietet das Gewaltschutzgesetz
Schutz für Opfer von häuslicher Gewalt.
Der Kernsatz dieses Gesetzes ist: Wer
schlägt muss gehen! Das Gewaltschutzgesetz enthält strafrechtliche und
zivilrechtliche Maßnahmen.
Die strafrechtliche Maßnahme besteht
darin, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft (öffentliches Interesse) nach
jedem Polizeieinsatz bei häuslicher Ge-
walt gegen den Täter ermittelt wird, egal
ob die von Gewalt betroffene Person dies
anzeigt oder nicht. Dies wird als „Offizialdelikt“ bezeichnet.
Die zivilrechtlichen Möglichkeiten bestehen in einer zeitlich befristeten Verweisung aus der Wohnung, einem Kontaktverbot (auch über alle audiovisuellen Medien wie z.B. Handy, Internet) und
Näherungsverbot („Bannmeile“, z.B. auf
30m nicht nähern) und können auch in
Bezug auf direkt oder indirekt betroffene Kinder gestellt werden (Kindergarten,
Schule).
Ein Antrag auf zivilrechtliche Schutzanordnungen kann ohne anwaltlichen
Beistand bei jedem Amtsgericht gestellt werden. Den aufgenommenen Antrag prüft meist noch am selben Tag ein
Richter, der dann nach der Glaubwürdigkeit und den möglichst vorhandenen
Beweisen (Atteste, Polizeianzeige etc.)
entscheidet.
Sehr ausführliche Informationen dazu
und zu Hilfsmöglichkeiten sowie Adressen sind zu finden unter www.gewaltschutz.info/index.php?kap.
Folgen von Gewalt
Die Schädigungen bzw. Schädigungsfolgen reichen von körperlichen Verletzungen (die zum Teil auch als dauerhafte
Behinderung bleiben wie Hörschäden,
dauerhafte Schädigungen an Knochen
und Wirbelsäule), (psycho)somatischen
Beschwerden, psychischen Störungen
und Erkrankungen bis hin zu tödlichen
Folgen. Angst- und Schlafstörungen,
Beziehungs- und Sexualprobleme, posttraumatisches Belastungssyndrom, Depressionen, Suizidalität, Suchtverhalten und -gefährdung werden u.a. als Gewaltfolgen benannt.
Übungen im Workshop
„Handdiagramm“
Im Workshop wurden mit den Teilnehmerinnen verschiedene Übungen zur
Stärkung der eigenen Persönlichkeit
durchgeführt. Dazu gehörte eine Übung
zum Bewusstmachen der eigenen Körpergrenzen durch leichtes Abklopfen
im Stehen mit dem Kopf beginnend bis
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zu den Füßen, eine Visualisierungsübung mit Anleitung zum Thema „Wie
können meine eigenen Grenzen aussehen?“ Zur Vertiefung gab es zehn Minuten Zeit, das eigene, vor dem inneren
Auge entstandene Bild für sich selbst zu
malen. Zudem wurde ein „Handdiagramm“ zu Erfahrungen aus engen persönlichen Beziehungen erstellt (siehe Abbildung). Zum Abschluss wurde eine
Stärkungsübung von der CD „Trauma und
Krise bewältigen“ von Christa Diegelmann durchgeführt.
Als Ermutigung und Begleitung bei dem
manchmal mühevollen persönlichen
Weg kann folgendes Gedicht von Portia
Nelson hilfreich sein:
Autobiographie in fünf Kapiteln
1. Ich gehe die Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich falle hinein.
Ich bin verloren...
Ich bin ohne Hoffnung.
Es ist nicht meine Schuld.
Es dauert endlos, wieder
herauszukommen.
2. Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich tue so als sähe ich es nicht.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben,
schon wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht meine Schuld.
Immer noch dauert es sehr lange
herauszukommen.
3. Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich sehe es.
Ich falle immer noch hinein...
aus Gewohnheit.
Meine Augen sind offen.
Ich weiß, wo ich bin.
Es ist meine eigene Schuld.
Ich komme sofort heraus.
4. Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich gehe darum herum.
5. Ich gehe eine andere Straße entlang.
Literaturempfehlungen:
Hirigoyen, Marie-France (2008). Warum tust du mir das an – Gewalt in Partnerschaften. München: dtv.
Spangenberg, Ellen (2008). Dem Leben wieder trauen - Traumaheilung nach sexueller Gewalt. Patmos.
Koppe, Angelika (2004). Mut zur Selbstheilung – Innere Körperreisen und Visualisierungen nach der Methode
Wildwuchs. Würzburg: Diametric.
Hülsemann, Irmgard (2000). Mit Lust und Eigensinn – Die weibliche Eroberung des Glücks.
Fischer Taschenbuchverlag.
Hülsemann, Irmgard (1999). Ihm zuliebe? Irmgard Hülsemann. Fischer Taschenbuchverlag.
Kavemann, Barbara & Kreyssig, Ulrike (2006). Handbuch Kinder und häusliche Gewalt. Wiesbaden.
Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (2004).
Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland.
Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (2010). Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen.
(Beide Studien können über das Ministerium kostenlos bezogen werden, auch als PDF zum Herunterladen.)
Karin Hentschel, Jahrgang 1957, absolvierte eine Ausbildung als Erzieherin und studierte Pädagogik, Publizistik, Psychologie und Soziologie. Sie ist Diplom-Soziologin und Fachberaterin für Psychotraumatologie. Sie war als Erzieherin in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Als Soziologin arbeitete sie in der Beratung für Frauen zur beruflichen Orientierung und Qualifizierung. Seit 18 Jahren ist sie in Gewaltschutzprojekten für Frauen tätig,
zunächst in einem Frauenhaus, später in einer Frauenberatungsstelle und in einer Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt. Zu ihren Aufgaben gehören besonders Prävention und Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Gewaltschutz.
Seit 2007 bietet sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Klaus Fieseler Paarberatung über das Internet an:
www.paarberatung-online.de.
12
„Ein bisschen Spaß muss sein … !“
Das Thema Sexualität in der Behandlung Suchtkranker
Reinhard Duhnke
Am Nachmittag unserer letzten Fachtagung für Selbsthilfegruppen bot ich,
wie auch andere interne und externe Kolleginnen und Kollegen einen Workshop
an, in dem es um Sexualität im allgemeinen, speziell aber um ihren Stellenwert und ihre Bedeutung in der Behandlung in den AHG Kliniken Daun
Thommener Höhe ging. Ich wusste schon
vorher, dass es für meinen Workshop viele Anmeldungen gab und fühlte daher
auch schon Stunden zuvor Reste einer
früher viel größeren Befangenheit in mir.
Bei aller Erfahrung und Geübtheit ist es
auch heute noch nicht wirklich leicht für
mich als Mensch, Mann und Therapeut,
mit anderen über Sexualität zu reden
oder an diesem Thema zu arbeiten.
Mit dieser Befangenheit und Anspannung
in mir betrat ich um 13.10 Uhr den T4,
ein Therapieraum, der ja nicht gerade
klein ist, und stellte fest, dass dieser
schon gut gefüllt war. Bei meinen ersten Blicken in die Runde sah ich viele, mir
schon seit langem bekannte und vertraute Gesichter, konnte mich entspannen und die Zuversicht entwickeln, dass
die nächsten zwei Stunden gut verlaufen würden.
Ich begann dann den Workshop damit,
dass ich einen kleinen geschichtlichen
Rückblick darauf gab, wie hier auf
Thommen in den letzten Jahrzehnten
therapeutischerseits mit dem Thema
Sexualität umgegangen wurde. Ich erinnerte an die Vorträge meines geschätzten und berenteten Kollegen Burghard Bredlow in den 80er Jahren und sah
dabei auf einigen Gesichtern ein
Schmunzeln in der Erinnerung daran,
dass Burkhard auch bei diesen Vorträgen
auf seinem Fußschemelchen stand. Ich
erinnerte daran, dass in den 90er Jahren
meine Frau Rose diese Vorträge übernahm und dabei natürlich einen ganz anderen Stil entwickelte. Rose war es
auch, die damit begann, auf Wunsch und
bei Bedarf mit Patientinnen und Pa-
© Stephanie Hofschlaeger / PIXELIO
tienten Einzelberatungen oder -therapien
bei sexuellen Schwierigkeiten durchzuführen. Als Rose Anfang der 2000er in
Rente ging, überlegten wir, wer die
Vorträge und die Einzelarbeit übernehmen könnte und - „oh Wunder“ - am
Ende landete beides bei mir. Das soll aber
nicht heißen, dass ich mich habe dazu
überreden lassen, sondern für mich
stellte das eine Entwicklungsaufgabe dar,
für die ich mich bewusst entschied.
Wenig später wurden im Rahmen konzeptioneller Teambesprechungen die
„Projekttage“ erfunden und als erster bot
ich zweimal jährlich Projekttage zum
Thema „Sexuelle Zufriedenheit“, getrennt für Männer und Frauen, an. Im
Laufe der Jahre haben bis heute etwa
450 Patientinnen und Patienten an sol-
chen Projekttagen teilgenommen und mir
wurde dadurch bewusst, was ich vorher
schon ahnte, nämlich dass sexuelle Unzufriedenheit oder Frustriertheit, Unsicherheiten und Ängste im Hinblick auf
Sexualität und vor allem sexuelle Traumatisierungen oft in einem engen Zusammenhang mit der Abhängigkeit zu
sehen sind. Anhand anonymisierter Fallbeispiele stellte ich diese Zusammenhänge den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Workshop dar und konnte
schon an den nonverbalen Reaktionen
ablesen, dass manch eine und einer
auch eine ganz persönlich schwierige Sexualitätsgeschichte hatte.
Im Anschluss gab ich den Ball in die Runde zurück und fragte danach, wie denn
nun mit dem Thema Sexualität in Selbst13
hilfegruppen umgegangen wird. Aus
den Rückmeldungen ergab sich ein vielschichtiges Bild: In manchen Selbsthilfegruppen stellt Sexualität offensichtlich
auch heute noch ein Tabu dar. In anderen wird in aller Vorsicht und mit viel
Rücksicht auf die Schamschwellen Sexualität doch ab und an thematisiert. In
einigen wenigen Selbsthilfegruppen
scheint schon ein sehr offener Austausch
darüber stattzufinden. In der großen Teilnehmerrunde zeichnete sich die klare
Tendenz ab, auch in der Selbsthilfegruppenarbeit Sexualität zu enttabuisieren und diese, so fern sie sich als
schwierig oder gar problematisch zeigt,
offener zu kommunizieren.
Wie schon erwähnt, habe ich in den letzten Jahren im Rahmen der Projekttage
„Sexuelle Zufriedenheit“ etwa 450 Patientinnen und Patienten kennengelernt, etwas über ihre sexuellen Prägungen erfahren und viel über die Not,
die sie auch im Hinblick auf Sexualität
erlebten. Ängste, Depressionen und
funktionaler Suchtmitteleinsatz waren
oft die Folge unseliger sexueller Prägungen und Erfahrungen. Insbesondere
die Arbeit mit Frauen veranlasst mich, ein
paar abschließende Bemerkungen in
Richtung meiner Mit-Männer zu formulieren:
Sex hat noch nie zuvor in der Geschichte so viel öffentliche Beachtung
und soziale Billigung erfahren wie heu-
14
te. Sex ist überall: Auf Werbeplakaten,
im Fernsehen, in Zeitungen und Zeitschriften, in Büchern, Filmen und im
grenzenlosen Raum des Cyberspace.
Das Problem liegt genau in dieser Übersättigung. Unser Alltag ist mit Sex derart überflutet, dass wir vergessen haben,
worum es tatsächlich geht. Der Grad der
Unwissenheit scheint in direkter Relation zum Grad der öffentlichen Darstellung
zu stehen. Die Männer, die sich selbst als
die besten Liebhaber rühmen, haben oft
am wenigsten Ahnung davon. Sie wissen zwar, was ihnen selbst Befriedigung
bereitet, doch nicht annähernd genug
darüber, wie sie ihren Partnerinnen sexuelles Vergnügen bereiten können. In einem Zeitalter, in dem die Frauen gerade begonnen haben, ihre Sexualität neu
zu entdecken und ohne Befangenheit
und Schuldgefühle sexuelle Erfüllung zu
suchen, grenzt dies an eine Katastrophe.
Wie lässt sich diese Situation ändern?
Sind die Frauen dazu verurteilt, nach erotischer Erfüllung suchend von Männern
dabei oft im Stich gelassen zu werden,
während die Männer weiter fest daran
glauben, sie würden schon alles über Sex
wissen? Oder lassen sich die Männer aus
ihrer falschen Selbstgefälligkeit reißen
und beginnen zu erkennen, dass Sexualität eine Form der Vereinigung ist, bei
der zwar die Technik Bedeutung hat, bei
der doch auch die Form der Annäherung
und die Geisteshaltung, die Stimmung
und das Gefühl eine gleichwertige wenn nicht noch wichtigere - Rolle
spielen? Ich empfehle daher allen Männern, die Sinnlichkeit der Frauen zu
respektieren und immer wieder sensibel
auszuloten, was ihnen in Erotik und Sexualität gefällt. Umgekehrt empfehle ich
den Frauen, dass sie nicht schicksalsergeben hinnehmen, was ihnen von Männern erotisch und sexuell angeboten
(manchmal auch zugemutet) wird, sondern selbstbewusst, in wohl verstandenem Sinne schamlos und offen Vorlieben,
Wünsche, Erwartungen anmelden.
Reinhard Duhnke,
Bezugstherapeut der Gruppe I
Die Liebe kennt kein Alter
"Alter schützt vor Liebe nicht.
Aber Liebe schützt vor dem Altern!"
Coco Chanel
Ute Grönke-Jeuck
Unsere Gesellschaft wird immer älter –
das zeigt die demographische Entwicklung. Wir verabschieden uns allmählich
vom "Jugendwahn" und das Thema "Liebe, Lust und Leidenschaft im Alter" tritt
vorsichtig aus dem tabuisierten Schattenbereich heraus. Trotzdem verliert
sich der dazugehörige Bereich der Sexualität weiterhin in Scham und Hemmungen. Deshalb sind Menschen, die diese Themen aktiv aufgreifen, oft umstritten.
Zu diesen Personen gehört auch der im
Alter von 81 Jahren in diesem Jahr verstorbene und bekannteste Sexualaufklärer Oswald Kolle, Sohn eines Psychiaters, der dagegen wetterte , dass die
jüngere Generation ihre Eltern und
Großeltern am ehesten versonnen auf der
Parkbank sitzend Rilke zitieren sehe. Seiner Meinung nach kenne Sexualität
keine Altersbegrenzung und sei so normal wie Essen und Trinken. Auch sei Sex
sogar ein wirkungsvolles Mittel gegen Altersdemenz.
Als ähnlich bekanntes, weibliches Pendant kann Erika Berger, Fernsehmoderatorin und Sexualberaterin, genannt
werden. Im Alter von 70 Jahren sah sie
sich genötigt, ein Buch über "Liebe,
Sex und Leidenschaft in reifen Jahren"
zu schreiben. In "Spätes Glück" verrät sie
Frauen in den Wechseljahren ihre Wohlfühlformeln: Z.B. sei es das Wichtigste,
sich als Frau zu pflegen (der graue
Haarknoten ist passé), auf die Figur zu
achten, sich sportlich zu betätigen (unbedingt viel Bewegung und frische Luft),
sich altersentsprechend zu kleiden (Minirock mit Gesicht voller Falten macht lächerlich) und sich medizinisch beraten
zu lassen (Schlafstörungen, Hitzewallungen, Depressionslöcher müssen nicht
sein). Eine reife Frau könne dann eine genauso große erotische Ausstrahlung haben wie eine junge, vielleicht sogar
eine noch größere, weil sie aus ihrem bisherigen Leben gelernt habe und weil sie
wisse, wie sie mit sich umgehen kann.
Äußerst provokant zeigt sich die Wienerin
Elfriede Vavrik mit ihrem Buch "Nacktbadestrand", in dem sie, schamfrei alle
Hemmungen ablegend, im Alter von 81
Jahren ihre späten erotischen Erfahrungen und Fantasien niederschrieb. Unpopulär betrieb sie eine Buchhandlung
bis 2006, heute ist sie durch ihre sympathische, tabulose Offenheit in Talkshows einem breiten Kreis bekannt. Humorvoll erzählt sie, mit 79 Jahren ihren
Hausarzt aufgesucht zu haben, um sich
ein Pülverchen gegen Schlafstörungen
verschreiben zu lassen. Als wesentlich effektivere Heilmethode gab der Arzt ihr
den Rat, sich einen Mann ins Bett zu holen. Nach dem ersten Schock gab die sehr
agil wirkende ältere Dame eine Anzeige
auf, in der sie ihr wirkliches Alter um 10
Jahre reduzierte und darauf hinwies, nur
Einsendungen von verheirateten oder in
festen Bindungen stehenden Bewer-
bern in Betracht zu ziehen. Sie erhielt
nach eigener Aussage eine Unmenge an
Anfragen. Nach einer Auswahl aus den
Briefen und mehreren Kennlerngesprächen in Cafés präferierte sie drei Männer im Alter von 43 bis 47 Jahren, mit denen sie lernte, eine erfüllte Sexualität
auszuleben. Ältere Männer lehnte sie auf
Grund der möglichen altersbedingten
körperlichen Unzuverlässigkeit ab. Sehr
selbstbewusst erklärte die Mutter von
drei Söhnen, welche die ungewöhnliche
Entwicklung ihrer Mutter begeistert
aufnahmen, dass sie mit einem Alkoholiker verheiratet gewesen sei und nach
der Trennung immer ein Händchen gehabt habe, wieder an einen Alkoholiker
zu gelangen. Die Distanz zu den Männern
gebe ihr heute die Sicherheit, sich nicht
schon wieder ins Fettnäpfchen zu stürzen. In ihren Interviews beschrieb E. Vavrik, dass ihr Schreiben zum einen „Sexersatz“ sei und zum anderen Frauen Mut
15
machen soll, die ebenfalls wie sie aus einer streng katholischen Familie stammen
und Sexualität als ein ungeliebtes Muss
erlebten, in ein lustvolles Abenteuer
einzutauchen, fern von einschränkenden
eigenen Gefühlen und der Verurteilung
durch das Umfeld.
Diese außergewöhnliche Frau, die zum
Polarisieren einlädt, unterstreicht das interessante Fazit einer Statistik: ES IST EIN
MYTHOS, DASS DIE LUST IN RENTE
GEHT! Rund 70 Prozent der
Menschen bis
75 Jahre sind
noch regelmäßig
sexuell aktiv, mit unterschiedlichen Intervallen. Voraussetzungen seien eine vertrauensvolle Beziehung, erlebte Erfahrungen und offener Umgang.
Eine Studie des britischen Gesundheitsdienstes bewertet sexuelle Aktivitäten
unter gesundheitlichen Aspekten höher
als Sport. Sexualität übt einen großen
Einfluss auf unser körperliches und geistiges Wohlbefinden aus. Sie sei gleichzusetzen mit anderen bestandenen Herausforderungen, stärke das Immunsystem durch das Freisetzen der Endorphine beim Orgasmus, verbessere die Herzfunktion und schütze durch die innere
Zufriedenheit besser vor Schlaganfällen.
Weitere Untersuchungen haben gezeigt,
dass regelmäßige Ejakulationen dem
Prostatakarzinom vorbeugen und je
mehr Orgasmen man erlebe, desto höher sei die Lebenserwartung. Auch können Erektionsstörungen auf kardiovaskuläre Erkrankungen hinweisen (Herz16
Kreislauf-Leiden). Da viele Menschen
glauben, dass sexuelle Funktionsstörungen im Alter normal sind, suchen sie
nicht den Arzt auf. Auch von Seiten des
Hausarztes erhält dieses Thema viel zu
wenig Gewichtung. Zumal es problematische medizinische Faktoren gibt, die
das Ausleben von Sexualität einschränken oder auch stoppen können wie z. B.
physische und psychische Erkran-
kungen
(Diabetes, Bluthochdruck, Depression, Sucht, etc.), Nebenwirkungen von
Medikationen, Folgen von Operationen,
altersbedingte körperliche Veränderungen, etc., die sich mit ärztlicher Unterstützung jedoch beheben oder mildern
lassen. Erwähnenswert ist auch die seit
1999 existierende Hotline des Informationszentrums für Sexualität und Gesundheit in Freiburg. „Über sexuelle
Probleme werde in der Gesellschaft entweder gelacht oder geschwiegen. Mit
kaum jemandem kann der Betroffene reden. Diese Lücke versuchen wir zu
schließen." erklärt das Freiburger Expertenteam.
Auch belegen weitere Umfragen, dass
sich Prioritäten verschieben können und
Nähe, Zärtlichkeit und lustvolle Berührungen für ältere Paare, die die nachlassende Wirkung der Geschlechtshormone wahrnehmen, an Bedeutung gewinnen. Hierbei ist es wichtig, bei einem
solchen Prozess gegenseitig wertschätzend im Gespräch zu bleiben. Einseitiger
schweigender Rückzug aus Scham oder
Versagensängsten kann eine Partnerschaft langfristig belasten; Rückzug mit
dem Gefühl, nicht mehr geliebt zu werden, kann die Folge sein.
Selbst Eifersucht ist bei älteren
Jahrgängen nicht selten und
kann die partnerschaftliche
Beziehung vergiften. Besonders wenn die Partner, geprägt von der Herkunftsfamilie und verinnerlichten
Wertevorstellungen, nicht
gelernt haben, über Gefühle, Wünsche und
Bedürfnisse zu
sprechen.
Andererseits
kann sich die
Partnerschaft
auch auf einer Basis von
Gleichgültigkeit
weiterentwickeln:
" Du hast recht und
ich habe meine
Ruhe!". Obwohl nur eine
Minderheit bedauert, die Ehe
nicht rechtzeitig beendet zu haben,
steigt die Anzahl der Scheidungen nach
dem 65. Lebensjahr. Souverän und mutig werden sie immer öfter von Frauen
eingereicht, die sich konsequent aus dem
abhängigen Verhältnis zum Ehemann lösen. Hierbei ist zu erkennen, dass Männer viel häufiger bei Partnerverlust zu
Suizid neigen als Frauen, die lernen, nach
der Trauerzeit das unabhängige Leben
wertzuschätzen und neue befriedigende Aktivitätsfelder erschließen.
Noch ein weiterer Aspekt ist zu beachten: Durch die steigende Lebenserwartung wird die Demenz zum Gesundheitsproblem Nr. 1 der westlichen Industrieländer werden: 15% der 80-Jährigen und 25% der 85-jährigen leiden
heute vor allem unter Morbus Alzheimer.
Wissenschaftler haben Zusammenhänge mit dem Lebensstil vermutet und
Partnerin sonnen und erhält das Gefühl,
noch einmal jung zu sein. Die Frau profitiert von seiner Erfahrung, genießt es
vielleicht, mit einem Mann zusammen zu
sein, der bewundert wird. "Zusammen
sind wir komplett und eine unschlagbare
Mischung!“
Bemerkenswert ist ebenfalls der neue Lebensstil der Älteren, die sich als Paar neu
finden: Jeder hat seinen Haushalt, sein
Umfeld, seine Gewohnheiten, und ist
nicht gewillt, seine individuellen Lebensgrundlagen für eine neue Beziehung
aufzugeben. LIVING APART TOGETHER
heißt dieser neue Lebensstil, eine Alternative zur konventionellen Ehe mit
Wohngemeinschaft. Falls sich diese Zukunftsperspektive dann mit dem Alltagsleben doch nicht so decken sollte,
kann eine Trennung viel unkomplizierter
und ohne problematische Konsequenzen
durchgezogen werden. Auch dies zeigt
die wachsende Experimentierfreudigkeit im Alter.
Lassen wir abschließend noch einmal
Coco Chanel sprechen:
„Alt ist man erst dann, wenn
man an der Vergangenheit
mehr Freude hat als an der
Zukunft!“
Die Liebe kennt kein Alter
konnten aufzeigen, dass Personen, die im
mittleren Lebensalter in einer festen Partnerschaft lebten, im Vergleich zu allen
Anderen, die ledig, getrennt lebend oder
verwitwet waren, ein signifikant niedrigeres Risiko hatten, im Alter zwischen 65
und 79 Jahren eine kognitive Beeinträchtigung zu entwickeln. Im mittleren
Lebensalter Verwitwete oder Geschiedene
waren mit einem dreifachen Risiko für
eine dementielle Entwicklung belastet im
Vergleich zu Verheirateten oder in fester Partnerschaft lebenden Personen.
Einerseits scheinen sich Liebe und Partnerschaft positiv auszuwirken, andererseits sagt dies natürlich noch nichts über
deren Qualität aus.
Interessant sind auch die gravierenden
Altersunterschiede, die besonders bei
manchen prominenten Paare auffallen wie bei Franz Müntefering und Frau mit
40 Jahren, Ulrich Wickert (29 Jahre), Helmut Kohl (34 Jahre) und Johannes Heesters (46 Jahre Differenz). Einerseits ist das
nicht mehr die Sensation, andererseits
übertrifft es extrem den vom Statistischen Bundesamt errechneten Durchschnitt von 2,8 Jahren, um die der deutsche Ehemann älter ist als seine Frau.
Wissenschaftler des Max-PlanckInstituts für demographische Forschung
fanden heraus, dass der Mann ein um 11
Prozent geringeres Sterberisiko hat,
wenn er sieben bis neun Jahre älter ist
als seine Partnerin, als wenn beide
gleich alt wären. Frauen profitieren von
dieser Konstellation kaum. Umgekehrt
haben Frauen ein um 20 Prozent höheres Sterberisiko, wenn der Partner sieben
bis neun Jahre jünger ist. Jedenfalls ist
der Altersunterschied differenziert zu bewerten: Das biologische oder kalendarische Alter kann in einer Schere zum
funktionalen oder sozialen Alter stehen.
"Ich bin zwar 60, aber ich fühle mich wie
40 Jahre." oder "Die jungen Alten und die
alten Alten!" Jeder entwickelt ein gewisses Selbstbild von sich und unterliegt
den Beurteilungen anderer. Je nachdem
kann die Differenz an negativer Bedeutung verlieren oder aber an Vorteilen gewinnen. Hantel-Quitmann, klinischer
Psychologe und Familientherapeut, sieht
darin einen „Tauschhandel der Gefühle“:
Der ältere Mann kann sich in der Schönheit und Jugendlichkeit seiner jüngeren
Ute Grönke-Jeuck
Bezugstherapeutin
Gr. K (Seniorengruppe)
17
Und das meinen Patienten der Seniorengruppe zum Thema:
„Liebe, Lust und Leidenschaft“
18
„Ich lebe lange allein. Da hat sich die
Wertigkeit verändert: Ich liebe besonders
meine Enkelin und meinen Sohn. Lust ist
für mich, wenn ich spazieren gehen kann.
Leidenschaft ist für mich, wenn ich etwas zum Naschen greifen kann.“
Hertha, 71 Jahre
„Sexualität gehört zu Liebe und Menschlichkeit, ist wichtig und hält gesund.“
Moritz, 59 Jahre
Meinungen
„Auch nach 50 Ehejahren ist die Liebe zu
meiner Frau nicht erkaltet, wenn auch in
meinem Bauch keine Schmetterlinge
mehr tanzen. Ich verspüre Zuneigung und
ich fühle mich in ihrer Nähe wohl. Trotz
meines wegen des zunehmenden Alters
gebremsten Testosteron-Ausstoßes bin
ich immer noch empfänglich für weibliche Reize. Bestimmte weibliche Attribute können in mir durchaus den
Wunsch nach sexueller Aktivität wecken.
Allerdings sind mir durch meine Prostata-Operation körperlich enge Grenzen
gesetzt. So bleibt mir Küssen, Streicheln,
Cunnilingus. Ich habe mich damit abgefunden, dass die Zeit der Leidenschaft für mich passé ist. Ich fahre nur
noch leidenschaftlich gerne Auto.“
Paul, 66 Jahre
„Zuneigung, Liebe, Sexualität und Leidenschaft fühlen sich beim Älterwerden
anders an als in jungen Jahren: Nicht so
stürmisch, sondern ruhiger und gelassener. Sexualität steht nicht an erster
Stelle, sondern Zuneigung und Liebe.“
Anton, 69 Jahre
WIR ... um Thommen • und um Thommen herum • ... um Thommen • und um Thommen herum
Projektarbeit
In einem gemeinsamen Gruppenprojekt beleuchten die
Patienten der Gruppen B, C, D und F die unterschiedlichen
Seiten von „Liebe, Lust und Leidenschaft“:
Mitglieder der Gruppe B:
Mitglieder der Gruppe D:
Mitglieder der Gruppe C:
„Liebe, Lust und Leidenschaft – ein Thema, das Sie alle irgendwie kennen! Hätten Sie gedacht, dass es auch mit Sucht
zu tun hat?
Emotionen herauszufordern kann auch
Sucht bedeuten! Ohne Suchtmittel hat
man eine andere Wahrnehmung und ein
anderes Empfinden. Versuchen Sie anhand der Bilder heraus zu finden, wieviele Suchterlebnisse Sie entdecken ...“
„Es wurden die negativen und positiven
Aspekte von Liebe, Lust und Leidenschaft dargestellt. Jedes Gefühl, was man
zu sehr lebt, birgt die Gefahr in sich, zur
Abhängigkeit zu werden und somit das
Leben negativ zu beeinflussen.“
„Das Projektthema Liebe, Lust und Leidenschaft rief in unserer Arbeitsgruppe
von 12 Teilnehmern die Vorstellung davon hervor, dass die drei Begriffe umgesetzt als Geschenk zu sehen sind.
Man kann jedes einzelne unabhängig von
den anderen an „jemanden“ verschenken,
je nach der Beziehung und Intention zwischen dem Schenkenden und Beschenkten. Auch sind diese drei Präsente zusammenhängend weiterzureichen.“
„Weh spricht vergeh. Doch alle Lust will
Ewigkeit, tiefe, tiefe Ewigkeit!“
Mitglieder der Gruppe F:
„Liebe, Lust und Leidenschaft – das sind
die Dinge, die in einer Partnerschaft aufeinander aufbauen sollen. Dies versuchte die Gruppe F auch in der Ergotherapie bei Frau Westerling umzusetzen. Indem sie die einzelnen Baukästen
aufeinander aufbauten, entstand unter
dem „Dach der Liebe“ dieses Objekt.“
19
WIR ... um Thommen • und um Thommen herum • ... um Thommen • und um Thommen herum
20
Projekt
WIR ... um Thommen • und um Thommen herum • ... um Thommen • und um Thommen herum
21
WIR ... um Thommen • und um Thommen herum • ... um Thommen • und um Thommen herum
Ehemaligentreffen 2010
Klein und groß, Männlein und Weiblein, hatten Spaß beim Torwandschießen mit
Teamchef „Jogi“ Kalmbach.
„Die Ruhe vor dem Sturm“, bevor…
Stilistisch können sich Klose und Podolski hier
noch eine Scheibe abschneiden (Wolfgang
Kirsch in Aktion).
Ein Orkan der Begeisterung die Sporthalle beben lässt, als
Deutschland das erste Tor schießt. (Deutschland gewann gegen Argentinien 4:0)
Der Rhythmus, bei dem jeder
mit muss!
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WIR ... um Thommen • und um Thommen herum • ... um Thommen • und um Thommen herum
Was haben die da jetzt wohl zusammen gebraut? Na ja, Hauptsache ohne Alkohol!
„Saturday night fever“ – die Stimmung ist auf dem Siedepunkt.
„Hab ich doch gut aufgelegt, oder?“ (DJ Michael Schultze)
Darscheid meets Afrika
„Wie lange dauert das denn noch, bis der
schönste Mann des Abends gewählt
wird?“
Nein, nicht „Das Supertalent“, sondern die drei wirklich tollen Sängerinnen von „Vocalice“.
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WIR ... um Thommen • und um Thommen herum • ... um Thommen • und um Thommen herum
Neues aus Thommen
Raina Wirth hatte am 17.9.2010 ihren
letzten Arbeitstag als Aufnahmetherapeutin und wechselte zum 01.10.2010 in
die Reha-Kliniken nach Bernkastel-Kues.
Andreas Pretsch hat die Abteilung Berufliche Reintegration zum 30.09.2010
verlassen, um sein Studium fortzuführen
Erika Nowotny hatte am 28.10.2010 ihren letzten Arbeitstag. Sie wurde in den
wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Frau Nowotny war seit über 10 Jahren in den AHG Kliniken Daun beschäftigt, davon die letzten 4 Jahre im Sekretariat Patientendokumentation. Die
Stelle wird von unseren bisherigen Teilzeitkräften Rita Lamberty und Marita
Schorn übernommen, die auf eine volle
Stelle aufgestockt haben.
Ich heiße Svenja Blasen, bin 24 Jahre alt
und ledig. Seit dem 12.08.2010 arbeite
ich als Aufnahmetherapeutin in den
AHG Kliniken Daun Thommener Höhe.
Meine Hobbys sind Musik, Lesen und
Sport. Ich bin freundlich, ordentlich und
engagiert. Allerdings muss ich mir
manchmal selbst Freizeit und Ruhe verordnen, da ich dazu neige, zu viel zu tun
bzw. zu arbeiten. Ich wünsche mir für die
Zukunft, dass mein Leben es weiterhin so
gut mit mir meint wie bisher!
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Mein Name ist Julia Zuk, ich bin 26 Jahre alt und verheiratet. Seit dem
01.11.2010 bin ich als Aufnahmetherapeutin in den AHG Kliniken Daun Thommener Höhe beschäftigt. Meine Hobbys
sind Malen, Lesen, Reiten, SchlittschuhLaufen, Skifahren und Fotografieren.
Ich freue mich, dass ich die Möglichkeit
habe, Menschen helfen zu können, über
die Hilfsbereitschaft meiner KollegInnen
und das gute Arbeitsklima. Für die Zukunft wünsche ich mir eine weitere
professionelle Entwicklung.
WIR ... um Thommen • und um Thommen herum • ... um Thommen • und um Thommen herum
Rita Lamberty, allen Patienten bekannt,
die morgens zwischen 8:00 und 8:30 Uhr
einen Auszahlungsschein abgeben müssen oder mit dem Laufzettel unterwegs
sind, feierte am 01.08.2010 ihr 30-jähriges Dienstjubiläum. 1985 wurde sie zunächst im Arztsekretariat und auch in der
Verwaltung (Job-Splitting ) eingesetzt.
Seit 1988 liegt ihr Arbeitsbereich im Arztsekretariat.
Klaus Keldenich, seit vielen Jahren
Sport-/Körpertherapeut in der Thommener Höhe, hat sich zu einer Auszeit
(neudeutsch: Sabbatical) entschlossen
und wird dazu für ein halbes Jahr die Eifel mit Südostasien eintauschen (da
gibt es wohl Schlimmeres). Aber das wird
kein Erholungsurlaub, sondern Hr. Keldenich wird in mehreren von den Steyler Missionaren betreuten Hilfsprojekten
hospitieren und mithelfen. Wir wünschen
ihm eine gute und erfahrungsreiche
Zeit, bis er dann, hoffentlich wohlbehalten und mit vielen neuen Eindrücken
versehen, am 01.04.2011 seinen Dienst
hier in der Thommener Höhe wieder aufnehmen wird.
Die Vertretung von Hrn. Keldenich übernimmt in dieser Zeit Elisa Kaufmann.
Herr Arnold Wieczorek hat nach dem
Ausscheiden des Chefarztes Herrn Dr. Dr.
Niels Bergemann kommissarisch die
Chefarztposition übernommen. Dafür
unseren herzlichen Dank!
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Auf einen Blick:
Behandlungsangebot der
AHG Kliniken Daun Thommener Höhe
Behandlungsdauer:
... wird vom Kosten- und Leistungsträger festgelegt und variiert in Abhängigkeit von der Problemlage und dem Umfang der Vorbehandlungen.
Die stationäre Entwöhnungsbehandlung beginnt mit einer 7-tägigen Aufnahmephase in den AHG Kliniken DaunThommener Höhe (umfassende medizinische und psychologische Anamnese,
Testdiagnostik, tägliche Aufnahmegruppe/Informationsvermittlung zum
Krankheitsbild, Bewegungstherapie).
Medizinische Angebote:
Ärztliche Betreuung durch Fach- und Assistenzärzte, Diagnostik und Behandlung
von Begleiterkrankungen und alkoholbedingten Folgeschäden (u. a. Labordiagnostik, EKG, Sonographie, Lungenfunktionstest).
Therapeutische
Angebote:
Gruppen- und Einzelpsychotherapie,
Sport- und Ergotherapie, Indikative
Gruppen (siehe unten), Vorträge, Angehörigen- sowie Kinder- und Jugendseminare, Paargespräche, angeleitete Arbeit im PC-Trainingscenter, sozialarbeiterische Beratung, Nachsorgeplanung.
Physiotherapie:
Massagen, Fangobehandlung, Krankengymnastik, Wirbelsäulengymnastik, Hydro-, Elektrotherapie, Rückenschulung,
usw.
Indikationsgeleitete
berufliche Reintegration:
Ein wichtiges Ziel unserer Rehabilitationsbehandlung ist die berufliche Wiedereingliederung an einen bestehenden oder neuen Arbeitsplatz. Hierzu
stellen wir eine Reihe von unterstützenden Maßnahmen zur Verfügung.
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Interne Adaption:
Für arbeitslose Patienten auf der Suche
nach einer beruflichen und sozialen
Neuorientierung 12-wöchige Anschlussmaßnahme im zentral gelegenen
Adaptionshaus Daun.
Spezialisierte
Bezugsgruppen
Die Behandlung der Medikamentenabhängigkeit (insbesondere von Schlaf-,
Beruhigungs- und Schmerzmitteln) erfolgt in einer darauf spezialisierten Bezugsgruppe.
Eine altershomogene Bezugsgruppe für
Senioren (60-80 Jahre) bietet eine Behandlung an, die sich insbesondere mit
Problemstellungen des höheren Lebensalters befasst.
Für Menschen, die bereits über Vorerfahrungen in stationärer oder ambulanter
Entwöhnungsbehandlung verfügen, bietet sich eine gezielte und in der Regel
verkürzte Stationäre Rückfallbehandlung an.
Die AHG Kliniken Daun bieten an den
Standorten Am Rosenberg und Thommener Höhe eine kombinierte stationäre
Behandlung für Paare an, bei denen beide Partner eine unbewältigte Abhängigkeitserkrankung aufweisen oder ein
Partner unter einer Abhängigkeitserkrankung und der andere Partner unter
einer psychosomatischen Erkrankung
leidet.
Für suchtmittelabhängige Schwangere bieten wir einen geschützten Raum,
um Abstinenzstabilität zu erlangen und
sich auf die Geburt vorzubereiten.
In Kooperation mit Betriebskrankenkassen kann eine bis zu 4-wöchige Stationäre Motivierungsbehandlung in
den Kliniken Daun zur Abklärung des
Krankheitsbildes und weiterer Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden.
In Kooperation mit ausgewählten Beratungsstellen, die die ambulante Entwöhnungsbehandlung durchführen, kann
eine 4-wöchige stationäre Behandlungsphase - Stationär-Ambulante Rehabilitation Sucht (STARS) - zur Abstinenzstabilisierung oder zur Rückfallbehandlung/Krisenintervention durchgeführt werden.
In zwei speziellen Gruppen bieten wir
russischsprachigen Migranten die Möglichkeit einer stationären Entwöhnung
mit Betreuung durch russischsprachige
Bezugstherapeuten und Bezugsärzte.
Indikative
(themenspezifische)
Gruppen:
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Soziales Kompetenztraining
Angstbewältigung
Depressionsbewältigung
Partnerschaft
Job-Coaching
Frauengruppe und Männergruppe
Nichtrauchergruppe
Lauftraining
Progressive Muskelentspannung
Autogenes Training
Feldenkrais
Gesundheitstraining
Gedächtnistraining
Wirbelsäulengymnastik
Eintägige
Intensivseminare
(Projekttage):
• Traumabewältigung
• Zufriedene Sexualität (jeweils speziell
für Frauen bzw. Männer)
• Trauerbewältigung
• Schmerzbewältigung
• Stressbewältigung
• Jugendalkoholismus
• Feldenkrais bei Rückenbeschwerden
• MPU-Beratung
• Bogenschießen
Weiterführende
Informationen:
www.kliniken-daun.de
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Das Redaktionsteam
und alle übrigen
Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der
AHG Kliniken Daun
wünschen Ihnen
ein gesegnetes
Weihnachtsfest
und alles Gute
für das neue
Jahr 2011!