Frankfurter Rundschau Magazin
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d/mag/F MAG2sa - 04.10.2011 14:36:51 - fr_monika.belz Cyan Magenta Gelb Schwarz 38 MAGAZIN d/mag/F MAG2sa - 04.10.2011 14:36:51 Cyan Magenta Gelb Schwarz Frankfurter Rundschau 1. bis 3. Oktober 2011 67. Jahrgang Nr. 229 D/SB/R1/R2/R3/R4/R5/S MAGAZIN 39 1. bis 3. Oktober 2011 67. Jahrgang Nr. 229 D/SB/R1/R2/R3/R4/R5/S Frankfurter Rundschau Zwei Zeugen belasten Jacksons Arzt Pass auf, Hintermann! BONANZA Schlag mich, twitter mich Geh ran! Lauf! Conrad Murray soll panisch reagiert haben L Von Karin Ceballos Betancur A us Amerika erreicht uns die Nachricht über eine neue Smartphone-App, die bisher allerdings nur japanischen Smartphone-Nutzern zur Verfügung steht. Es handelt sich dabei um eine Art Wecker, der immer dann, wenn man die Snooze-Taste drückt, um noch fünf Minuten länger schlafen zu können, via Twitter eine wahllose, meist peinliche Mitteilung über den Schlafenden in die Welt senden soll. Demnach versteht es die App, das international weit verbreiteDie Technik ist te Bedürfnis des Ausschlafür den fens mit dem in Menschen da Japan weit verbreiteten Interesse am Wahren des Gesichts ebenso raffiniert wie hinterhältig gegeneinander auszuspielen. Dem amerikanischen Bericht zufolge twittert die App nach Drücken der Snooze-Taste beispielsweise die Nachricht: „Von heute an werde ich auf einem Einrad zur Arbeit fahren.“ Mir ist früher nie klar gewesen, wie beklemmend es für Japaner sein muss, sich in Bockenheim aufzuhalten. Oder an anderen Orten von vergleichbarer alternativer Dichte, an denen der Anblick von Einrad-, Liegeradoder sonstwie-Rad-Fahrern niemandem erspart bleibt. Zugegeben: Ich würde mich auch nie auf ein Einrad setzen. Aber das liegt vor allem daran, dass mir Teer im Gesicht nicht steht. Versendet wird unter anderem auch der Satz: „Ich habe vor, mir einen roten Ferrari und ein Pferd zu kaufen.“ Wahrscheinlich muss man sehr, sehr müde sein, um das auszuhalten. Oder man ist Investmentbanker. Mir selbst liegt der Hang zur Selbstbestrafung eher fern. Und meine Snooze-Taste würde ich niemals von einer Maso-App kompromittieren lassen. Stattdessen warte ich seit Jahren darauf, dass die nächste iPhone-Generation über Sensoren auf dem Touchscreen verfügt, die es erlauben, den Promillegehalt des Nutzers zu messen und ab einer festgelegten Grenze das Versenden von SMSen und E-Mails unmöglich machen. Dann müsste eine Stimme aus dem Off sanft zu mir sprechen und sagen: „Ja, die Welt ist schlecht, und viele Deiner Mitmenschen sind es auch. Aber geh Du doch schon mal schlafen, und solange sage ich XY, was Du ihm schon immer mal sagen wolltest.“ Dann müsste es sich ausschalten. Immerhin ist die Technik für den Menschen da. Manchmal twittert die japanische App übrigens auch als Ausdruck beruflicher Frustration: „Ich habe mit dem Gedanken gespielt, Stewardess zu werden.“ Aber dieser Satz sollte nun wirklich niemanden um den Schlaf bringen. Außer vielleicht Philipp Rösler. D ie Führungskräfte des FC Bayern sind mächtig stolz dieser Tage. Zuerst die Siegesserie der Münchner in der FußballBundesliga, dann auch die überzeugende Siege in der Champions-League – die Welt des Rekordmeisters könnte so schön sein, wäre da nicht der Fall Breno. Der 21-jährige Brasilianer sitzt nach dem Brand seines Hauses noch immer wegen „Flucht- und Verdunklungsgefahr“ in Untersuchungshaft, und nachdem Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger der Süddeutschen Zeitung sagte, „wir kümmern uns jetzt Fremde FussballWelt Hartmut Meuleneers kümmert sich auch um das Privatleben der Spieler. IMAGO um Breno und seine Familie, aber das haben wir auch schon vorher getan“, entsteht der Eindruck, dass die Münchner dazu neigen, sich selbst ein wenig zu wohlwollend zu betrachten. IndenerstenvierTagennachder Inhaftierung konnte sich kein Bayern-Vertreter aufraffen, Breno in der JVA Stadelheim zu besuchen. Außerdem wurde ein altes Interview mit dem Brasilianer Zé Roberto hervorgekramt, der 2009 sagte: Für ausländische Profis sei es „bei Bayern schwer, sich durchzusetzen, wenn München ihre erste Station in Deutschland ist. Denn es fehlt die Infrastruktur, um sie bei ihrer Eingewöhnung zu unterstützen. Bay- Abgeben! Bewegt euch! Breno sagt, dass er in Brasilien ein glücklicherer Mensch war. Mit dem Erlernen der Sprache fangen für junge Profis die Probleme oft an. Der Fall Breno zeigt, wohin es führt, wenn ausländische Spieler sich nicht wohlfühlen / Von Daniel Theweleit Rück raus! Schieß doch! Arturo Vidal fiel es in Leverkusen nicht leicht, die deutsche Sprache zu lernen. AP Schneller! Spiel früher ab! Sprecht doch miteinander! DAPD ern ist ein großartiger Klub, aber in München ist man oft auf sich allein gestellt.“ Und Breno selbst hat vor einem halben Jahr gesagt: „Ich hatteinBrasilienwenigerGeldundweniger Luxus, war aber ein glücklicher Mensch. Hier habe ich Geld, aber mir fehlt alles andere.“ Irgendwie ist etwas schief gelaufen bei der Integration des hoch talentierten Verteidigers, für den der Rekordmeister 2008 zwölf Millionen Euro nach Sao Paulo überwies. Zé Roberto hat die Erfahrung gemacht, dass zum Beispiel Bayer Leverkusen jungen ausländischen Profis „mehr Hilfe“ anbiete, und viele Beobachter glauben, dass Brenos von Vereinsseite kaum bemerktes Abdriften in die Traurigkeit an vielen anderen Standorten nicht passiert wäre. In Dortmund bei- Entscheidend sind klare Worte auf dem Platz. Die Auswahl stammt aus dem Lehrbuch „Deutsch für spielsweise kümmert sich Hartmut Meuleneers um die Spieler aus Südamerika, wie beispielsweise der südamerikanische Angreifer Lucas Barrios. „Ich bin ein tagtäglicher Betreuer, ich bin mit in der Kabine, hole Lucas vom Training ab, und wir haben auch privat viel Kontakt“, sagt der studierte Lateinamerikanist. Es gibt zahlreiche Beispiele auch aus München, in denen Spieler mit privaten Problemen zur Vereinsführung kamen, und mit größtem Engagement unterstützt wurden. Breno hat offenbar geschwiegen, er ist nie Teil der berühmten Bayern-Familie geworden, und vielleicht lag das auch daran, dass er nach fast vier Jahren in Deutschland so gut wie kein Deutsch konnte. Anderswo gehört der Erwerb von Deutschkenntnissen zu den Gegenleistungen, die Profis für ihr Gehalt erbringen müssen, denn gute Sprachkenntnisse tragen zur Integration bei, glaubt Frank Ditgens, der die Ausländer bei Bayer Leverkusen betreut. „Das ist entscheidend, denn wenn ein Spieler im Alltag sprachlich zurechtkommt, fühlt er sich wohl, er ist besser integriert, er hat mehr Kontakt.“ Es gibt sogar ein Lehrbuch mit dem Titel „Deutsch für Ballkünstler“, das speziell auf die Lebenswelt von Profifußballern zugeschnit- die Kinder einen Platz in der Schule haben und das Auto vor der Tür steht, dann erzählt Meuleneers den Spielern, „wie man sich verhält und was man besser nicht macht.“ Spieler aus Afrika, Südamerika oder Asien müssen sich in einer völlig fremden Welt zurechtfinden, Behördengänge bewältigen, Versicherungen abschließen und Müll trennen. All das führt manchmal zu dramatischen Entwicklungen, meistens aber eher zu kuriosen Missverständnissen. Als der ehemalige Dortmunder Dede in seinem ersten Herbst in Deutschland mor- Ballkünstler“. BLZ/FISCHER, KÜHL ten ist. Es gibt darin Bildergeschichten, Autogrammkarten und Kommandos für den Fußballplatz, zusammengestellt von dem Studienrat Uwe Wiemann. „Das ist ein guter Leitfaden, dort wird die Arbeitssprache der Spieler vermittelt“, findet der Lateinamerikanist Meuleneers. Wenn die Spieler in Deutschland ankommen, geht es zunächst um Grundsätzliches. Sobald die Wohnung gefunden ist, gens eine Eisschicht auf der Frontscheibe seines Autos entdeckte, rief er im Verein an, klagte, dass sein Wagen über Nacht kaputt gegangen sei und wollte einen Abschleppdienst bestellen. Oder es gibt die Geschichte von der Freundin eines Profis, die spät in der Nacht bei Ditgens anrief, weil sie es nicht gewohnt war, selbst zu tanken. Bayer Leverkusen kümmert sich also auch um die Familien, als Ansprechpartner und mit Sprachunterricht. Denn wenn die Freundinnen oder Ehefrauen sich wohlfühlen, dann spielt meistens auch der Fußballer besser. Lucas Barrios nutzt ständig das Förderangebot seines Arbeitgebers Borussia Dortmund. IMAGO Allerdings kann kein Klub seine Spieler zwingen, sich zu integrieren. Auch Arturo Vidal, der bis zum Sommer bei Bayer 04 spielte, sprach nach drei Jahren in der Bundesliga kein Deutsch und war trotzdem einer der besten Spieler der Mannschaft. „Das ist immer typbedingt“, sagt Meuleneers, der auch den Chilenen betreute, „Vidal ist ein introvertierter Mensch, und wenn sich einer nicht so mit der Sprache auseinandersetzen möchte und familiärer ist, dann integriert er sich viel schwieriger.“ So ist es wohl auch bei Breno gewesen, und wenn es sportlich läuft, dann ist das oft gar nicht schlimm. Doch den Bayern-Profi verfolgte das Verletzungspech, und jetzt hat er noch viel schlimmere Probleme. OS ANGELES. Ein früherer Leibwächter von Michael Jackson hat am dritten Prozesstag den wegen fahrlässiger Tötung angeklagten Arzt Conrad Murray schwer belastet. Der Herzspezialist habe mit einer Hand versucht, den Sänger auf einem weichen Bett wiederzubeleben, gab Alberto Alvarez vor Gericht in Los Angeles zu Protokoll. Normalerweise wird eine Herz-Lungen-Massage auf einer harten Unterlage mit beiden Händen durchgeführt. Der Leibwächter war von Murray am 25. Juni 2009 zu Hilfe gerufen worden, als Jackson leblos in seinem Schlafzimmer lag. „Die Kinder weinten“ Der frühere Angestellte sagte weiter aus, Murray habe ihn angewiesen, Medikamente in eine Tüte zu packen, darunter auch ein Fläschchen mit milchfarbener Flüssigkeit. Staatsanwalt David Walgren erklärte, dabei habe es sich um Propofol gehandelt. Jackson war an einer Überdosis des starken Betäubungsmittels gestorben. Er habe daraufhin mehrere Behälter und einen Infusionsbeutel weggeräumt, noch bevor der Notarzt gerufen wurde, sagte Alvarez. Jackson habe zu diesem Zeitpunkt bereits leblos gewirkt. Er habe dann den Notruf getätigt, während Murray sich weiter auf panische Weise um seinen Patienten bemüht habe. Als weitere Zeugin beschrieb die frühere Köchin des Sängers die chaotische Szene. Murray sei außer sich gewesen und habe sie aufgeregt angeschrien, Jacksons Sohn Prince, die Leibwächter und Hilfe zu holen. „Er war verstört, hatte weit aufgerissene Augen, er schrie vor Panik.“ Um einen Notruf habe er sie aber nicht gebeten, sagte Kai Chase im Zeugenstand. Großes Interesse am Prozess Es seien mehr als zehn Minuten vergangen, bevor Leibwächter Alvarez die Ambulanz ins Haus rief. Sie habe dann noch gehört, wie Prince, Paris und die Haushälterinnen trauerten. „Die Kinder weinten und schrien. Wir haben uns an den Händen gehalten, im Kreis aufgestellt und gebetet.“ Laut Anklage hat Murray „grob fahrlässig“ gehandelt und den Tod durch das Verabreichen starker Medikamente herbeigeführt. Die Verteidigung will beweisen, dass der Sänger am Todestag etliche Medikamente ohne Wissen seines Arztes einnahm und sich damit versehentlich selbst tötete. Im Falle eines Schuldspruchs drohen Murray vier Jahre Haft. Welches Interesse der Prozess in den USA hervorruft, zeigt auch der Erfolg einer Anwendung für iPad und iPhone: Eine App, welche die Live-Übertragung des Prozesses auf den Tablet-Computer und das Smartphone ermöglicht, stand am Donnerstag auf Platz eins im Bereich „Aktuelles“ des App-Stores. Es bietet neben der Live-Übertragung auch Einschätzungen von Experten. Der Richter hatte eine Live-Übertragung im Fernsehen und im Internet befürwortet. (dpa, AFP) Sieg mit Schmachtballade Tim Bendzko gewinnt Raabs Bundesvision Song Contest K ÖLN. Über Geschmack mag sich streiten lassen, doch Eva Briegel schoss beim Bundesvision Song Contest mit ihrer hessischen Band Juli wirklich den Vogel ab. Gehüllt in ein rotes Kleid mit dem Durchmesser eines Heißluftballons, begleitet von einem Schornsteinfeger am Schlagzeug und drei geigenden Trauerweiden – spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, warum der musikalische Wettbewerb von Entertainer Stefan Raab nicht im Radio übertragen wird, sondern im Fernsehen. Zum siebten Mal inszenierte Raab am Donnerstagabend den Wettbewerb der 16 Bundesländer – dieses Jahr aus der Kölner Lanxess-Arena, weil 2010 Unheilig für Nordrhein-Westfalen gewonnen hatte. Die Zuschauer kürten Tim Bendzko aus Berlin zum Sieger des Wettstreits. Der Jüngling mit blonden Locken begeisterte mit seiner Liebes-Ballade „Wenn Worte meine Sprache wären“ – optisch begleitet von einer GroßbildLeinwand, auf der eine geheimnisvolle Schönheit lasziv durch einen Maschendrahtzaun blickte. Lena Meyer-Landrut, die aus dem Warteraum der Bands regelmäßig zugeschaltet wurde, stellte den Teilnehmern zwar unverfängliche Fragen, leider jedoch immer die gleichen: „Geht's euch gut?“, „Wollt ihr noch irgendwas sagen?“. Schon bevor die letzten Punkte vergeben waren, hatte sich Tim Bendzko uneinholbar an die Spitze gesetzt. Auf Platz 2 landete der Bremer Flo Mega mit einem Song aus dem Soul-Genre – wie sämtliche anderen Lieder komplett auf Deutsch. Ganz so, wie Stefan Raab es wünschte. (dpa) NACHRICHTEN Hochschwangere erschossen - Baby überlebt Ein 34-jähriger Mann hat in einer Kirche in Madrid eine hochschwangere Frau erschossen, eine weitere Frau schwer verletzt und sich danach das Leben genommen. Der Mann sei mit einer Pistole bewaffnet während der Abendmesse am Donnerstag in die Kirche gekommen, berichteten spanische Medien am Freitag. Aus bisher unbekannten Motiven habe er die 36-Jährige aus nächster Nähe mit einem Kopfschuss getötet. Einer Sanitäterin sei es gelungen, das Leben des Babys mit einem Kaiserschnitt zu retten. Laut Polizei wurde eine Beziehung zwischen den beiden ersten Ermittlungen zufolge ausgeschlossen. (dpa) Fünfeinhalb Jahre Haft für Missbrauch von Babys Wegen schweren sexuellen Missbrauchs und Misshandlung von Kleinkindern hat das Hamburger Landgericht einen Mann zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Der 56-Jährige hatte zuvor eingeräumt, zwischen 2008 und 2009 vor laufender Kamera einen einjährigen Jungen gequält und missbraucht zu haben. Sein zweites Opfer, ein sechs Monate altes Mädchen, wurde 2010 von ihm sexuell missbraucht. „Der Fall ist jedem von uns nahegegangen“, sagte der Richter am Freitag. Ein Gutachter attestierte dem Mann Pädophilie mit sadistischen Neigungen. Eine Sicherungsverwahrung sah das Gericht – anders als die Staatsanwaltschaft – aber als „unverhältnismäßig“ an. (dpa) Vietnam und Philippinen leiden unter Taifunen Rettungskräfte auf den Philippinen versuchen tausende Menschen zu erreichen, die vom Hochwasser im Norden des Landes vom Umland abgeschnitten sind. Am Wochenende droht der Region ein neuer Sturm. Die Behörden befürchteten am Freitag eine dramatische Verschlimmerung der Lage. Taifun „Nalgae“ bewege sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 170 Stundenkilometern auf die Philippinen zu. In der vergangenen Woche war Taifun „Nesat“ über die Philippinen gezogen. 43 Menschen starben, 30 werden noch vermisst. „Nesat“ hat inzwischen Vietnam erreicht, dort sind Zehntausende Menschen vor ihm geflohen. (dpa) 13-Jährige von Jugendlichen vergewaltigt Der strahlende Sieger Tim Bendzko (r.). DPA/HENNING KAISER Ein 13 Jahre altes Mädchen ist offenbar von vier Jugendlichen in Schwäbisch Hall vergewaltigt worden. Am Montag habe das dortige Amtsgericht daraufhin einen Haftbefehl gegen einen der Jugendlichen erlassen, sagte ein Polizeisprecher am Freitag. Dieser habe die Tat gestanden. Die anderen drei Tatverdächtigen seien zur Tatzeit noch strafunmündig gewesen, sagte der Sprecher. Die Vergewaltigung soll sich schon im Mai ereignet haben. Das Mädchen habe sich erst vergangene Woche an eine Vertrauensperson gewandt, die die Polizei verständigte. (dapd)