Mondrian und De Stijl Reduktion statt Unübersichtlichkeit

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Mondrian und De Stijl Reduktion statt Unübersichtlichkeit
Mondrian und De Stijl
Reduktion statt Unübersichtlichkeit
Warum die strengen abstrakten Bildwerke des Piet Mondrian so unverwechselbar geworden
sind, wie sein Weg zu diesen Bildern aussah und was ihn mit den Künstlern verband, die wie
er in der Künstlergruppe De Stijl für klare, einfache Formen und Farben kämpften – das alles
zeigt eine spannende Ausstellung, die derzeit in München zu sehen ist
Gemeentemuseum Den Haag
Jacoba van
Heemskerck,
Zwei Bäume,
1908–1910
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NeuroTransmitter 5 · 2011
Journal
Gemeentemuseum Den Haag
© 2011 Mondrian/Holtzman Trust c/o HCR International Virginia USA
NeuroTransmitter-Galerie
Piet Mondrian, Bloeiende Appelboom (Blühender Apfelbaum), 1912.
Theo van Doesburg, Komposition XVII, 1919. Öl auf Leinwand.
Ä
hnlich wie in Deutschland das in Weimar gegründete Bauhaus hat die De-Stijl-Gruppe um Piet Mondrian und Theo
van Doesburg versucht, durch Kunst und Architektur, durch
Design und Möbelbau dem Leben wie dem Geist neue Klarheit
in unübersichtlicher werdenden Zeiten zu geben. Bis heute wirken diese Ideen nach, sie muten sogar immer noch modern an
– und sind in ihrer ikonografischen Klarheit auch gern übernommene Vorlagen für Gestaltung und Werbung. Gegründet
wurde die Gruppe1917 in Leiden, begleitend dazu erschien bis
1928 auch eine Zeitschrift dieses Namens, herausgegeben von
Theo van Doesburg. Aus vielen europäischen Ländern lieferten
Künstler und Theoretiker dazu Beiträge, mit denen die Neugestaltung fast sämtliche Bereiche des Lebens diskutiert wurden.
Universelles und Individuelles in Balance bringen
Beispielhaft dafür stehen die Architekturentwürfe van
Doesburgs ebenso wie die Bildtafeln Mondrians, die sich nach
neoimpressionistischen und kubistischen Versuchen immer
weiter einer strengen Beschränkung nähern, in denen nur noch
senkrechte und waagrechte Linien und Farbfelder verschiedener
Größe in den Primärfarben Blau, Rot und Gelb vorherrschen.
Laut dem Manifest von De Stijl, das Mondrian und van Doesburg
gemeinsam verfassten, sollte so ein „gleichmäßiges Verhältnis
des Universellen und des Individuellen“ hergestellt werden.
In gewisser Weise bildete sich bei De Stijl sogar so etwas wie
ein einheitliches Erscheinungsbild heraus – so sehr die unterschiedlichen Künstler auch arbeiteten, man verbindet den von
den Künstler geprägten „Stijl“ auch heute noch vorwiegend mit
einem sachlichen Konstruktivismus. Es ist augenfällig, wie sehr
sich Mondrians Bilder mit den Architekturentwürfen van
Doesburgs oder Gerrit Rietvelds Designentwürfen wie dem „RotBlauen Stuhl“ zu einem „Corporate Design“ verbinden.
NeuroTransmitter 5 · 2011
Darüber hinaus zeigen sich in vielen Unternehmungen der
De-Stijl-Gruppe durchaus lebenspraktische Bezüge, ob es um
die Farbgestaltung von Jugendzimmern geht oder um Kleider
für Kleinkinder, die diese – durchaus ungewöhnlich für das frühe 20. Jahrhundert – auch ohne fremde Hilfe an- und ausziehen
können.
„Neue Realitäten“
Durch die strenge Geometrie dieser Bilder versuchte Mondrian,
auch die letzten Bezüge zu realen Dingen zu eliminieren und
dafür eine neue geistige Wirklichkeit zu prägen. Oder besser
gesagt: eine grundlegendere, tiefer gehende Wirklichkeit, eine
„reine“, also geistig konstruierte Realität.
Die Art und Weise, wie Mondrian die Farbflächen auf der
Leinwand zu teils spannungsvollen, teils wunderbar ausgeglichenen Kompositionen fügt, spricht jedenfalls auch heute noch
einen universellen Sinn für eine Ruhe vermittelnde Ordnung
an. AUTOR
Volker Schuck, München
Mondrian und De Stijl bis August 2011 in München
Die Ausstellung „Mondrian und De Stijl“ ist noch bis zum 15. August 2011 in München im Kunstbau der Städtischen Galerie im Lenbachhaus zu sehen.
Der Katalog zur Ausstellung aus dem Verlag Hatje Cantz kostet
an der Ausstellungskasse 32 Euro, im Buchhandel 39,80 Euro.
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