Strukturen der rechtsextremistischen Szene in Baden

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Strukturen der rechtsextremistischen Szene in Baden
Strukturen der rechtsextremistischen Szene
in Baden-Württemberg
ab 1991
LANDESAMT FÜR VERFASSUNGSSCHUTZ
Strukturen der rechtsextremistischen Szene
in Baden-Württemberg
ab 1991
Impressum
Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
Taubenheimstraße 85 A
70372 Stuttgart
1
Inhalt
1.
2.
3.
Strukturen der rechtsextremistischen Szene .............................................. 3
1.1
Quantitative Entwicklungen seit der Wiedervereinigung .......................... 3
1.1.1
Die Entwicklung des rechtsextremistischen Personenpotenzials ............ 3
1.1.2
Die Entwicklung der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ........... 4
1.2
Qualitative Entwicklungen seit der Wiedervereinigung ............................ 8
1.2.1
Erscheinungsformen des Rechtsextremismus ......................................... 8
1.2.2
Subkulturell geprägte Rechtsextremisten (hauptsächlich Skinheads) ..... 8
1.2.3
Neonazismus ......................................................................................... 10
1.2.4
Das rechtsextremistische Parteienspektrum.......................................... 12
1.3
Örtliche Schwerpunkte oder Gelegenheitsstrukturen? .......................... 20
1.4
Weitere Aspekte .................................................................................... 23
1.4.1
Rechtsterrorismus ................................................................................. 23
1.4.2
Islamfeindliche Bestrebungen................................................................ 25
1.4.3
Rechtsextremistische Einflussnahme .................................................... 26
Vernetzung der rechtsextremistischen Szene ........................................... 28
2.1
Vorbemerkung ....................................................................................... 28
2.2
Die rechtsextremistische Szene – ein Bündel von Netzwerken ............. 28
2.2.1
Vernetzung subkulturell geprägter Rechtsextremisten mit Neonazis..... 28
2.2.2
Vernetzung rechtsextremistischer Parteien mit Neonazis...................... 30
2.3
Räumliche Vernetzung .......................................................................... 33
2.3.1
Vernetzung mit Rechtsextremisten anderer Bundesländer.................... 33
2.3.2
Vernetzung mit Rechtsextremisten im und aus dem Ausland................ 33
Stellenwert der Musikszene für die „rechte Szene“ .................................. 36
3.1
Vorbemerkung ....................................................................................... 36
3.2
Vielfalt der rechtsextremistischen Musikszene ...................................... 36
3.3
Musik als Teil der „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ ............................ 37
3.4
Organisation von Konzerten .................................................................. 38
3.5
Veranstaltungsorte ................................................................................ 39
3.6
Vertrieb rechtsextremistischer Musik ..................................................... 40
3.7
Rechtsextremistische Musik und der NSU............................................. 41
3.8
Inhalt der Liedtexte ................................................................................ 41
Anhang .................................................................................................................. 44
2
1.
Strukturen der rechtsextremistischen Szene
„Entstehung ehemaliger und aktueller Strukturen sowie örtlicher Schwerpunkte der
rechtsextremistischen Szene in Baden-Württemberg ab dem Jahr 1991“
1.1
Quantitative Entwicklungen seit der Wiedervereinigung
1.1.1 Die Entwicklung des rechtsextremistischen Personenpotenzials
Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg weist für das Berichtsjahr 1991 nach Abzug der Mehrfachmitgliedschaften eine damalige tatsächliche
Mitgliederzahl rechtsextremistischer Organisationen im Land von 4.875 Personen
aus.1 Der Verfassungsschutzbericht des Bundes geht für das gleiche Jahr von bundesweit 39.800 deutschen Rechtsextremisten aus.2 Demnach lebte im Jahr 1991
rund ein knappes Achtel (12,3 Prozent) der organisierten deutschen Rechtsextremisten in Baden-Württemberg. Dieser Anteil entsprach fast exakt dem Anteil der Einwohnerschaft Baden-Württembergs an der Einwohnerschaft des gerade wiedervereinigten Deutschlands (10,00184 Millionen von 80,275 Millionen,3 demnach
12,5 Prozent). Auf 100.000 Einwohner Baden-Württembergs entfielen 49 Rechtsextremisten, während bundesweit 50 Rechtsextremisten auf 100.000 Einwohner kamen.
Im Ergebnis waren Rechtsextremisten im Jahr 1991 in Baden-Württemberg im gesamtdeutschen Vergleich weder signifikant unter- noch überrepräsentiert.
Bis zum Jahr 2013 hatten sich diese quantitativen Dimensionen und Relationen deutlich verschoben. Nunmehr lebten nach den jeweiligen Verfassungsschutzberichten in
ganz Deutschland rund 21.700,4 in Baden-Württemberg etwa 1.800 Rechtsextremisten.5 Das bedeutete einen Rückgang im Vergleich zum Jahr 1991 im Bund um annähernd die Hälfte, im Land sogar um annähernd zwei Drittel. Zieht man zum Vergleich
das Jahr 1993 heran, als sowohl im Land (ca. 7.0406) wie im Bund (ca. 64.5007) die
jeweils höchste Anzahl an Rechtsextremisten seit der Wiedervereinigung bis heute
registriert wurde, fallen die Rückgänge auf beiden Ebenen noch drastischer aus: Im
Bund schrumpfte das rechtsextremistische Personenpotenzial demnach innerhalb
von 20 Jahren um knapp zwei Drittel, im Land sogar um fast drei Viertel. Das bedeu1
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Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1991, S. 111.
Vgl. Bundesminister des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1991, S. 72.
Vgl. www.statistik.baden-wuerttemberg.de vom 21. Juli 2014.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 70.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 144.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1993, S. 17.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1994, S. 78. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes bezog erst ab diesem Jahresbericht das Mitgliederpotenzial der
Partei „Die Republikaner“ in das rechtsextremistische Personenpotenzial mit ein, nunmehr auch
rückwirkend bis einschließlich des Jahres 1992.
3
tet, dass sich der Trend rückläufiger rechtsextremistischer Personenpotenziale in
Baden-Württemberg noch ausgeprägter vollzogen hat, als im Bundesgebiet insgesamt. Im Jahr 2013 lebte demzufolge nur noch ein knappes Zwölftel (8,3 Prozent)
der organisierten deutschen Rechtsextremisten in Baden-Württemberg.
Der Anteil der in Baden-Württemberg wohnhaften Rechtsextremisten am gesamtdeutschen rechtsextremen Personenpotenzial (8,6 Prozent) lag im Jahr 2012 deutlich unter dem Anteil der Einwohnerschaft Baden-Württembergs an der Einwohnerschaft Deutschlands (10,569111 Millionen von 80,524 Millionen,8 etwa 13,1 Prozent).
Auf 100.000 Einwohner Baden-Württembergs entfielen 2012 demnach 18 Rechtsextremisten, während bundesweit 27 Rechtsextremisten auf 100.000 Einwohner kamen.
Im Ergebnis waren Rechtsextremisten im Jahr 2012 in Baden-Württemberg somit im
gesamtdeutschen Vergleich sichtbar unterrepräsentiert.
Allerdings zeigen die folgenden Ausführungen, dass trotz rückläufiger rechtsextremistischer Personenpotenziale in Baden-Württemberg weiterhin ein Kern rechtsextremistischer Personen mit hoher Extremismusintensität9 und auch Gewaltorientierung aktiv ist.
1.1.2 Die Entwicklung der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten
Im Folgenden soll aus der quantitativen Entwicklung der rechtsextremistisch motivierten Straftaten die Teilmenge der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten herausgegriffen werden. Zwar handelt es sich dabei in der Regel um eine relativ kleine
Teilmenge (im Jahr 2013 in Baden-Württemberg 3,9 Prozent10). Doch nicht zuletzt
aufgrund der Folgen für die Opfer stehen diese Gewalttaten in stärkerem Maße im
Fokus der Öffentlichkeit und der Sicherheitsbehörden als Propagandadelikte wie etwa Hakenkreuz-Schmierereien, die insgesamt die übergroße Zahl rechtsextremistischer Straftaten ausmachen.11
Am 10. Mai 2001 beschloss die „Ständige Konferenz der Innenminister und
-senatoren des Bundes und der Länder“ rückwirkend zum 1. Januar 2001 die Einführung eines modifizierten Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität“. Mit ihm
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Vgl. www.statistik.baden-wuerttemberg.de vom 21. Juli 2014. Das Statistische Landesamt BadenWürttemberg weist noch keine Angaben für 2013 aus, daher musste dieser Vergleich für 2012 angestellt werden.
Die Extremismusintensität bezeichnet den Grad der Ablehnung von Normen und Regeln des demokratischen Verfassungsstaates. Vgl. zu diesem Begriff: Armin Pfahl-Traughber, Extremismusintensität, Ideologie, Organisation, Strategie und Wirkung. Das E-IOS-W-Schema zur Analyse extremistischer Bestrebungen, in: Ders. (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2011/2012 (I), Brühl/Rheinland 2012, S. 7-27, hier S. 10-12.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 145.
Vgl. Das LfV BW führt keine eigenen Statistiken zu Straf- und Gewalttaten mit extremistischem
Hintergrund. Diese werden vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg erstellt und u. a. in den
jährlichen Verfassungsschutzberichten des Landes veröffentlicht. Für den Bund und andere Bundesländer gilt Entsprechendes.
4
erfasst die Polizei seither alle politisch motivierten Straf- und Gewalttaten. Die Straftaten mit extremistischem, also verfassungsfeindlichem Hintergrund sind nur eine
Teilmenge davon, die jedoch im Bereich der rechtsextremistischen Gewalttaten regelmäßig über 90 Prozent ausmacht. Zu dem Katalog der politisch bzw. extremistisch motivierten Gewaltdelikte zählen seither: Tötungsdelikte, versuchte Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brandstiftungen, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion,
Landfriedensbruch, gefährliche Eingriffe in Bahn-, Luft-, Schiffs- und Straßenverkehr,
Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung sowie Widerstandsdelikte.12
Dieses neu eingeführte Definitionssystem macht einen direkten Vergleich der vor
dem Jahr 2001 erhobenen Zahlen mit späteren Zahlen schwierig. Zwar war auch
schon vor dem Jahr 2001 die Berechnungsbasis mehrfach geändert worden. Doch
waren diese Änderungen nicht so gravierend, als dass man danach die Zahlen der
jeweiligen Vorjahre nicht nach den neuen Maßstäben umrechnen konnte.
Betrachtet man die Häufigkeit rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten in BadenWürttemberg seit dem Jahr 1990,13 so ergibt sich – wie im wiedervereinigten
Deutschland insgesamt – keine einheitliche, in eine Richtung weisende, sondern eine
wellenartige, von Schwankungen gekennzeichnete Entwicklung. Anhand der Zahlen
lassen sich sechs Phasen unterscheiden:
Phase 1: Anfang der neunziger Jahre
Anfang der neunziger Jahre stieg die Anzahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten explosionsartig an. Der Negativhöhepunkt wurde im Jahr 1992 erreicht, als allein in Baden-Württemberg 129 (Bund: 1.48514) rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten registriert wurden. Vor allem die Zahl der Angriffe und Anschläge auf von
Migranten bewohnte Gebäude nahm erschreckende Ausmaße an. Hoyerswerda,
Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen sind bis heute als Schauplätze solcher
Verbrechen in bundesweiter Erinnerung. Doch auch Baden-Württemberg war betroffen. So rotteten sich in Mannheim vom 25. bis 29. Mai 1992 täglich bis zu 400 Personen – darunter alkoholisierte und gewaltbereite Jugendliche – vor einem Asylbewerberheim zusammen, um gegen angebliche sexuelle Übergriffe von Asylbewerbern auf deutsche Frauen zu protestieren. Im Zuge dieser Zusammenrottungen wurden auch fremdenfeindliche Parolen skandiert und Asylbewerber provoziert.
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In den Jahren 2003 bis 2012 wurden vom Verfassungsschutzbericht des Bundes auch die politisch
bzw. extremistisch motivierten Sexualdelikte in diesem Katalog aufgeführt, was statistisch allerdings nie ins Gewicht fiel: Von 2003 bis 2012 wurde demnach bundesweit kein einziges rechtsextremistisch motiviertes Sexualdelikt registriert.
Bis einschließlich des Jahres 1990 liegen für Baden-Württemberg keine Zahlen vor.
Vgl. zu beiden Zahlen: Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht
Baden-Württemberg 2000, S. 23.
5
Am 31. Mai 1992 wurden sogar zwei Molotowcocktails auf das Wohnheimgelände
geworfen.15 Nur gut einen Monat später endete ein Überfall auf ein von Ausländern
bewohntes Arbeiterwohnheim in Ostfildern-Kemnat im Kreis Esslingen tödlich: Am 8.
Juli 1992 drangen vier vermummte, unter anderem mit Baseballschlägern bewaffnete
Täter gewaltsam in das Gebäude ein und erschlugen einen Kosovo-Albaner. Einen
weiteren Kosovo-Albaner verletzten sie schwer. Die 20 bis 32 Jahre alten Täter hatten den Entschluss zu der Tat unter Alkoholeinfluss und nach dem Anhören von Hitler-Reden gefasst.16
Phase 2: Mitte der neunziger Jahre
Mitte der neunziger Jahre beruhigte sich die Situation. Bis zum Jahr 1995 fiel die
Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten in Baden-Württemberg auf 28
(Bund: 61217) und damit auf den niedrigsten hierzulande je festgestellten Wert.
Gründe hierfür waren der massive Verfolgungsdruck, verbunden mit einer konsequenten Strafverfolgung, eine Vielzahl an Vereinigungsverboten neonazistischer Organisationen, aber auch die geringere Anzahl der Asylsuchenden sowie die breite
gesellschaftliche Ächtung von Gewalt gegen Ausländer.
Phase 3: Die Jahrtausendwende
Auf diese Beruhigung folgte jedoch wieder eine fast kontinuierliche Verschärfung der
Situation. Im Jahr 2000 lag die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten
mit 107 (Bund: 99818) zum zweiten und bisher letzten Mal im dreistelligen Bereich.
Dabei wirkte der vermeintlich rechtsextremistische Sprengstoffanschlag am 27. Juli
2000 in einem S-Bahnhof in Düsseldorf wie ein Fanal. Er zog im Zuge der öffentlichen Diskussion über die Gefahren des Rechtsextremismus ähnlich wie bereits zu
Beginn der 1990er Jahre eine Reihe von Nachahmungsgewalttaten – auch in BadenWürttemberg – nach sich.19 Auch das Wiedererstarken der Neonaziszene dürfte hier
eine maßgebliche Rolle gespielt haben.
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19
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1992, S. 77.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1992, S. 24.
Vgl. zu beiden Zahlen: Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht
Baden-Württemberg 2000, S. 23.
Vgl. zu beiden Zahlen: Ebd.
Vgl. hierzu: Helmut Rannacher, Gesetzesverletzungen mit rechtsextremistischem Motivationshintergrund, in: Thomas Fliege/Kurt Möller (Hrsg.), Rechtsextremismus in Baden-Württemberg. Verborgene Strukturen der Rechten, Freiburg i. Br. 2001, S. 69-84.
6
Phase 4: Das Jahr 2001
Vom Jahr 2000 auf das Jahr 2001 weist die Statistik nahezu eine Halbierung der
Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten auf 5520 (Bund: 70921) aus. Das
ist insbesondere auf den hohen staatlichen Kontroll- und Verfolgungsdruck und die
im Jahr 2000 von Bund und Ländern beschlossenen umfangreichen Maßnahmen zur
Bekämpfung des Rechtsextremismus zurückzuführen. Hierzu zählen Aussteigerprogramme, die Intensivierung der Kriminalprävention, Aufklärung, Jugendsozialarbeit
und Öffentlichkeitsarbeit.
Phase 5: Die Jahre 2002 bis 2006
Ab dem Jahr 2002, als in Baden-Württemberg 5122 (Bund: 77223) rechtsextremistisch
motivierte Gewalttaten begangen wurden, stieg die Zahl wieder an, und zwar bis auf
9924 im Jahr 2006 (Bund: 1.04725). Das war unter anderem auf verstärkte Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Rechts- und Linksextremisten zurückzuführen. Dies ging einher mit einer Zunahme neonazistischer Demonstrationen und einer
generell ansteigenden Gewaltbereitschaft von Neonazis und Skinheads.
Phase 6: Entwicklung der letzten Jahre
Die Entwicklung der letzten Jahre seit einschließlich dem Jahr 2007 ist für BadenWürttemberg alles in allem positiv zu bewerten, da die Zahl der rechtsextremistisch
motivierten Gewalttaten im Land seither fast kontinuierlich und in der Summe deutlich auf nunmehr 35 im Jahr 201326 und damit auf den niedrigsten Wert seit 1995
zurückgegangen ist. Zwar ist auch auf Bundesebene mit 801 Fällen27 ein deutlicher
Rückgang innerhalb dieses Zeitraumes zu verzeichnen, der jedoch bei weitem nicht
so stark ausfiel wie in Baden-Württemberg.
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27
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2001, S. 26.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2001, S. 37.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2002, S. 23.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2002, S. 32.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2006, S. 129.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2006, S. 31-33.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 145.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 37-38.
7
1.2
Qualitative Entwicklungen seit der Wiedervereinigung
1.2.1 Erscheinungsformen des Rechtsextremismus
Üblicherweise werden sowohl durch die Verfassungsschutzbehörden als auch in der
öffentlichen Diskussion innerhalb des Gesamtphänomens Rechtsextremismus drei
Teilphänomene unterschieden: der subkulturell geprägte Rechtsextremismus (hauptsächlich Skinheads), der Neonazismus und der parteiförmige Rechtsextremismus.
Die Realität der rechtsextremistischen Szene in Baden-Württemberg wie in Deutschland ist allerdings insgesamt viel zu komplex, um sie in idealtypischen, angeblich klar
voneinander abgrenzbaren Kategorien wirklich eindeutig und abschließend zu erfassen. Viel eher ist der baden-württembergische und mit ihm der deutsche sowie der
europäische Rechtsextremismus ein Netzwerk, das über vielfältige Verbindungen
und Überschneidungen in sich verknüpft ist und kommuniziert (siehe hierzu Ziffer 6).
Der neonazistisch gesinnte Skinhead, der Mitglied einer rechtsextremistischen Partei, aber auch mit sonstigen rechtsextremistischen Organisationen verbunden ist, ist
kein rein theoretisches Konstrukt. Andererseits war und ist die rechtsextremistische
Szene in Baden-Württemberg und Deutschland teils aus ideologischen, teils aus persönlichen Gründen zerstritten und in der Folge durch organisatorische Zersplitterung
gekennzeichnet. Diese Zerstrittenheit und Zersplitterung gehen auch mitten durch die
oben genannten Kategorien. Erinnert sei hier nur an die frühere organisatorische
Zersplitterung des rechtsextremistischen Parteienspektrums, die zeitweilig zurückging, sich in jüngster Zeit in Form von Parteineugründungen aber offenbar zu wiederholen scheint. Sie beruht nicht zuletzt auf den teils recht unterschiedlichen Extremismusintensitäten und den ideologischen Standpunkten der einzelnen Parteien.
In analytischer Hinsicht ist ein genauerer, differenzierender Blick in die einzelnen
Teilphänomene des baden-württembergischen und deutschen Rechtsextremismus
erforderlich: Dieser Blick relativiert – bedauerlicherweise – auf der qualitativen Ebene
den an sich positiven quantitativen Rückgang beim rechtsextremistischen Personenpotenzial seit dem Jahr 1993. Um es auf eine Formel zu bringen:
Die Szene wurde zwar personell deutlich kleiner, aber im Durchschnitt auch jünger,
aktiver und extremismusintensiver. Denn tendenziell verschwanden eher die lebensälteren, passiveren und weniger extremismusintensiven Segmente als die lebensjüngeren und aktiveren. Mit anderen, bildlichen Worten: Die „weichen“ Ränder schmolzen weit stärker als der harte Kern. Er blieb und ist phasenweise entgegen der allgemeinen Gesamttendenz gewachsen.
1.2.2 Subkulturell geprägte Rechtsextremisten (hauptsächlich Skinheads)
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die rechtsextremistische Skinheadszene, die trotz ihrer seit Jahren anhaltenden Krise bis heute den Hauptteil der
subkulturell geprägten Rechtsextremisten ausmacht, sowie auf die quantitative Ent8
wicklung der Skinheadszene seit dem Jahr 1991 in Baden-Württemberg. Nicht alle
Skinheads in Deutschland sind Rechtsextremisten. Neben den rechtsextremistischen
gibt es linksorientierte und linksextremistische, aber auch unpolitische bis antipolitische Skinheads. Bei der rechtsextremistischen Skinheadszene handelt es sich um
eine jugendliche, gewaltaffine Subkultur innerhalb der rechtsextremistischen Gesamtszene mit diffus widersprüchlicher Ausrichtung, die immer wieder auch ins Neonazistische ausgreifen kann.28
Die Verfassungsschutzberichte des Bundes und des Landes Baden-Württemberg
weisen erst seit dem Berichtsjahr 1991 Angaben zur Zahl der rechtsextremistischen
Skinheads aus. Demnach wohnten damals in Baden-Württemberg etwa 190 rechtsextremistische Skinheads.29 Das waren nicht einmal vier Prozent der badenwürttembergischen Rechtsextremisten insgesamt. Rein personell-quantitativ betrachtet stellten rechtsextremistische Skinheads damals in der rechtsextremistischen Gesamtszene also eine Randerscheinung dar.
Danach war aber ein fast kontinuierlicher Anstieg dieser Zahl zu beobachten, der
sich gegen Ende der 1990er Jahre in einen regelrechten Boom der rechtsextremistischen Skinheadszene steigerte und im Jahr 2005 seinen Höhepunkt erreichte, als
allein für Baden-Württemberg im Verfassungsschutzbericht etwa 1.040 rechtsextremistische Skinheads ausgewiesen wurden.30 Das bedeutete einen Anstieg um das
annähernd Viereinhalbfache, während im gleichen Zeitraum die Zahl der Rechtsextremisten insgesamt um 20 Prozent zurückging (von 4.87531 auf 3.90032). Der Anteil
der rechtsextremistischen Skinheads an der Gesamtszene vervielfachte sich dadurch
auf über ein Viertel. Innerhalb von nicht einmal anderthalb Jahrzehnten waren die
rechtsextremistischen Skinheads in Baden-Württemberg also von einem quantitativ
marginalen zu einem zentralen Faktor innerhalb der rechtsextremistischen Gesamtszene angewachsen. Damals kam die Realität dem bereits seit Ende der 1980er
Jahren verbreiteten Klischee vom Skinhead als dem typischen, repräsentativen Ver28
29
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31
32
Vgl. zur Skinheadsubkultur allgemein: Christian Menhorn, Skinheads: Portrait einer Subkultur, Baden-Baden 2001. Kurt Möller/Nils Schuhmacher, Rechte Glatzen. Rechtsextreme Orientierungsund Szenezusammenhänge – Einstiegs-, Verbleibs- und Ausstiegsprozesse von Skinheads, Wiesbaden 2007.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1991, S. 111. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes sprach von Mitgliedern von „Zusammenschlüssen neonazistischer Skinheads“ und gab eine Zahl von ca. 4.200 an, vgl. Bundesminister
des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1991, S. 72.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2005, S. 116. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2005 veröffentlichte nur eine Gesamtzahl der subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten, die zwar hauptsächlich, aber nicht ausschließlich aus rechtsextremistischen Skinheads bestehen. Diese Zahl betrug für 2005 ca. 10.400, siehe Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht
2005, S. 55.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1991, S. 111.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2005, S. 112.
9
treter des Rechtsextremismus – neben dem „gescheitelten“ Neonazi – noch am
nächsten.
Nach dem Jahr 2005 setzte allerdings eine Krise der rechtsextremistischen Skinheadszene ein, die bis heute anhält. Bereits seit Jahren unterliegt die Skinheadsubkultur einem Erosionsprozess, der Zweifel weckt, ob ihr – und damit auch der rechtsextremistischen Skinheadszene – eine langfristige Zukunft beschieden sein wird.33
Mittlerweile (2013) gibt es laut Verfassungsschutzbericht „nur“ noch ungefähr 400
rechtsextremistische Skinheads in Baden-Württemberg.34 Das sind allerdings immer
noch mehr als doppelt so viele als im Jahr 1991 und entspricht über einem Fünftel
des rechtsextremistischen Gesamtpersonenpotenzials.
Im Ergebnis konnte sich die rechtsextreme Skinheadszene bis zum Jahr 2005 vergrößern, obwohl das rechtsextremistische Personenpotenzial insgesamt deutlich zurückging. Mittlerweile befindet sich die rechtsextremistische Skinheadszene allerdings in einer tiefen Krise.
1.2.3 Neonazismus
Die hier zugrundeliegende Definition des Terminus „Neonazismus“ orientiert sich
möglichst eng am Bezugspunkt des historischen Nationalsozialismus (NS). Demnach
sind nur diejenigen rechtsextremistischen Einzelpersonen, Organisationen oder auch
Medien als Neonazis bzw. neonazistisch zu kategorisieren, die ein direktes oder indirektes Bekenntnis zu Ideologie, Organisationen, Protagonisten oder aber auch wesensverwandten bis wesensgleichen Vorgängerphänomenen35 des historischen NS
erkennen lassen und in letzter Konsequenz auf die Abschaffung der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung zugunsten eines totalitären Führerstaates nach dem
Vorbild des „Dritten Reiches“ ausgerichtet sind.36
33
34
35
36
Vgl. Christian Menhorn, Die Erosion der Skinhead-Bewegung als eigenständiger Subkultur. Eine
Analyse des Wandels elementarer Stilmerkmale, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für
Extremismus- und Terrorismusforschung 2009/2010, Brühl/Rheinland 2010, S. 125–150. Ders.,
Skinheads – eine aussterbende Subkultur? Eine Jugendbewegung im Wandel der Zeit, in: Armin
Pfahl-Traughber/Monika Rose (Hrsg.), Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Schule für Verfassungsschutz und für Andreas Hübsch, Brühl/Rheinland 2007, S. 284–303.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 159.
Vgl. Hierunter ist z. B. und insbesondere die völkische Bewegung des Kaiserreiches und der frühen
Weimarer Republik zu verstehen.
Vgl. Walter Jung, Neonazismus in der „Deutschen Stimme“. Eine ideologietheoretische Analyse
der NPD-Parteizeitung, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2008, Brühl/Rheinland 2008, S. 193–-246, hier S. 200-201. Ders., Positive Rekurse auf die Völkische Bewegung des Kaiserreichs und der Weimarer Republik innerhalb des aktuellen deutschen Rechtsextremismus. Über einen Aspekt rechtsextremistischer Traditionspflege und
seine historisch-ideologischen Hintergründe, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2011/2012 (I), Brühl/Rheinland 2012, S. 134–179, hier S.
166. Diese Neonazismus-Definition entspricht im Wesentlichen derjenigen, die z. B. auch das baden-württembergische Landesamt für Verfassungsschutz zur Grundlage seiner Arbeit in diesem
Bereich macht. Vgl. dazu auch: Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2013, S. 167.
10
Nach dieser Definition handelt es sich bei der Neonaziszene also um eine ideologisch besonders „harte“ Rechtsextremismus-Variante mit besonders hoher
Extremismusintensität. In Deutschland bildet sie den „harten Kern des harten Kerns“
des Rechtsextremismus. Zudem liegt das Alter der Aktivisten in der Regel unter dem
Durchschnitt. Das kommt nicht zuletzt in den jugendlichen Alterskohorten zum Ausdruck, aus denen sich die zahlreichen regionalen, zumeist informellen Kleingruppen
(z. B. sogenannte Kameradschaften) und Teilszenen (wie z. B. „Autonome Nationalisten“) rekrutieren, aus denen die Neonaziszene nach den gegen sie gerichteten
Vereinsverboten der 1990er Jahre besteht.
Ausgerechnet dieser härteste Kern des deutschen Rechtsextremismus war von dem
quantitativen Schrumpfungsprozess der rechtsextremistischen Gesamtszene in den
letzten zwei Jahrzehnten über weite Phasen nicht betroffen und ist heute größer als
Anfang der 1990er Jahre. Im Jahr 1993, für das die Verfassungsschutzbehörden sowohl in Baden-Württemberg als auch in ganz Deutschland die bis heute höchste Zahl
an Rechtsextremisten seit der Wiedervereinigung auswiesen, gab es demnach im
Land ungefähr 25537 und im Bund etwa 2.450 Neonazis.38 Demnach stellten Neonazis im Jahr 1993 in Baden-Württemberg ebenso wie in ganz Deutschland nicht einmal vier Prozent der damals landesweit etwa 7.040 bzw. bundesweit etwa 64.500
Rechtsextremisten. Zusammenfassend waren rein personell-quantitativ betrachtet
Neonazis damals in der rechtsextremistischen Gesamtszene also eine Randerscheinung.
Diese Relationen hatten sich 2013 – und bereits lange davor – auf Landes- wie auf
Bundesebene vollständig gedreht. Die nunmehr etwa 410 Neonazis in BadenWürttemberg stellten ein Fünftel bis ein Viertel der in Baden-Württemberg wohnhaften Rechtsextremisten.39 Das entsprach der gleichzeitigen Entwicklung in ganz
Deutschland, wo im Jahr 2013 die Neonazis sogar über ein Viertel der deutschen
Rechtsextremisten ausmachten (5.800 von 21.700).40 Im Ergebnis waren die Neonazis in Baden-Württemberg und ganz Deutschland innerhalb von 20 Jahren von einem
quantitativ relativ marginalen zu einem zentralen Faktor innerhalb der (insgesamt
geschrumpften) rechtsextremistischen Gesamtszene angewachsen. In den Jahren
2003 bis 2011 entkoppelte sich die personelle Entwicklung der Neonaziszene in
Bund und Land sogar konsequent über Jahre hinweg von der personellen Entwicklung der rechtsextremistischen Szene insgesamt und verlief in die entgegengesetzte
Richtung. Ein Grund dafür liegt darin, dass etwa seit dem Jahr 2003 die neonazisti37
38
39
40
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1993, S. 17.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1994, S. 78.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 144.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 70.
11
schen „Autonomen Nationalisten“ (AN) in Erscheinung treten, die 2011 schon über
ein Drittel der baden-württembergischen Neonazis stellten.41 Während die Zahl aller
Rechtsextremisten in Baden-Württemberg sich zwischen den Jahren 2002 und 2011
mehr als halbierte (von ca. 4.20042 auf ca. 2.00043), wuchs die Teilmenge der Neonazis im selben Zeitraum von etwa 27044 auf rund 51045 an. Auf Bundesebene vollzog sich währenddessen fast dieselbe Entwicklung: Hier halbierte sich die Zahl der
Rechtsextremisten insgesamt von etwa 45.000 im Jahr 200246 auf etwa 22.400 im
Jahr 201147, während sich die Zahl der Neonazis von etwa 2.60048 auf etwa 6.00049
mehr als verdoppelte.
Erst nach dem Jahr 2011 scheint sich die Neonaziszene dem allgemeinen Trend im
Rechtsextremismus angeschlossen zu haben; sie hat auf Bundes- wie auch auf Landesebene Angehörige eingebüßt.
1.2.4 Das rechtsextremistische Parteienspektrum
In Baden-Württemberg sind bzw. waren verschiedene rechtsextremistische Parteien
aktiv, die zumindest teilweise auch im Landtag vertreten waren. Besonders auffällig
ist, dass mit der NPD und der neuen Partei „Die Rechte“ noch heute zwei Parteien
aktiv sind, die eine hohe Extremismusintensität aufweisen.
„Die Republikaner“ (REP)
Die im Jahr 1983 gegründete Partei „Die Republikaner“ (REP) wurde seit Dezember
1992 durch die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder beobachtet.50 Diese Entscheidung hatte schon im folgenden Jahr einen erheblichen statisti41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2011, S. 189. Vgl. zu den AN relativ aktuell: Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2013, S. 169–175. Und aus wissenschaftlicher Sicht: Rudolf van Hüllen, „Autonome Nationalisten“ zwischen politischer Produktpiraterie und „Nähe zum
Gegner“. Eine Analyse zu Sprachcodes, Widerstandsverständnis und Gewaltrituale als Brücken zu
den linksextremistischen Autonomen, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2009/2010, Brühl 2010, S. 191–210. Christian Menhorn, „Autonome Nationalisten“ – Generations- und Paradigmenwechsel im neonationalsozialistischen Lager?,
in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, 19. Jahrgang 2007,
Baden-Baden 2008, S. 213–225.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2002, S. 21.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2011, S. 153.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2002, S. 21.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2011, S. 153.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2002, S. 23.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 57.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2002, S. 23.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 57.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1992, S. 21.
12
schen Effekt: Dass die Verfassungsschutzbehörden für das Jahr 1993 sowohl in Baden-Württemberg als auch in ganz Deutschland die bis heute höchste Zahl an
Rechtsextremisten seit der Wiedervereinigung auswiesen, war fast ausschließlich
darauf zurückzuführen, dass für dieses Jahr erstmals die REP-Mitglieder in diese
Statistik einbezogen wurden. Denn mit ca. 2.500 REP-Mitgliedern im Land und
ca. 23.000 im Bund handelte es sich bei den REP damals – wie übrigens auch bei
der „Deutschen Volksunion“ (DVU) mit ihren 26.000 Mitgliedern51 – für rechtsextremistische Verhältnisse um eine „Massenorganisation“. Im Jahr 1993 stellten die REP
damit je über ein Drittel der ca. 7.04052 baden-württembergischen bzw. der
ca. 64.50053 deutschen Rechtsextremisten. Umgekehrt hatte der sukzessive personelle Niedergang der REP in den folgenden Jahren (REP-Mitgliederzahl im Jahr
2006 bundesweit etwa 6.00054, in Baden-Württemberg etwa 90055) und das Ende
ihrer Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
(LfV BW) am 21. März 2010 als letztes Bundesland großen Anteil daran, dass die
von
den
Verfassungsschutzbehörden
ermittelte
Anzahl
der
badenwürttembergischen bzw. deutschen Rechtsextremisten heute so weit unter den Vergleichswerten des Jahres 1993 liegen.
Zumindest parlamentarisch musste Baden-Württemberg in den 1990er Jahren als
„Hochburg“ der REP gewertet werden. Nur hier gelang es der Partei, zweimal in Folge in das Landesparlament einzuziehen: Im Jahr 1992 mit 10,9 Prozent und im Jahr
1996 mit 9,1 Prozent der Stimmen, so dass sie erst im Jahr 2001 mit 4,4 Prozent der
Stimmen wieder aus dem baden-württembergischen Landtag ausschied. Außerdem
hatte die Partei seit Ende des Jahres 1994 einen Bundesvorsitzenden aus BadenWürttemberg.
Im Falle der REP, so die Einschätzung des Brühler Soziologen und Politologen Armin Pfahl-Traughber im Jahr 2012, konnte „allenfalls von einem geringen Intensitätsgrad von Extremismus“ gesprochen werden.56 Dieser Tatsache trugen die Verfassungsschutzbehörden in ihrer Berichterstattung über die REP auch Rechnung. Beispielsweise wurde im Verfassungsschutzbericht des Bundes über das Jahr 1993 die
Entscheidung, die REP-Mitglieder bei der Berechnung des rechtsextremistischen
Personenpotenzials noch nicht zu berücksichtigen, wie folgt begründet: „Es liegen
51
52
53
54
55
56
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1993, S. 76.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1993, S. 17.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1994, S. 78. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes bezog erst ab diesem Jahresbericht das Mitgliederpotenzial der
REP in das rechtsextremistische Personenpotenzial mit ein, nunmehr aber auch rückwirkend bis
einschließlich 1992.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2006, S. 52.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2006, S. 172.
Vgl. zum Begriff der Extremismusintensität bereits oben (Fußnote 11).
13
zwar Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen dieser Partei vor […],
dies reicht jedoch nicht aus, um alle Mitglieder als Rechtsextremisten einzustufen.“57
Auch der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg betonte immer wieder:
„Schon seit Jahren gilt: Nicht jedes einzelne REP-Mitglied verfolgt verfassungsfeindliche Ziele.“ Außerdem wurde im Verfassungsschutzbericht 2006, als den REP letztmals ein eigenes Unterkapitel gewidmet wurde, dieses Unterkapitel zur Abgrenzung
von eindeutig rechtsextremistischen Parteien mit der Überschrift „Parteien mit Anhaltspunkten für eine rechtsextremistische Zielsetzung“ versehen.58 Klagen der Partei gegen die Beobachtung durch das LfV BW in den 1990er Jahren blieben erfolglos.59 Angesichts dieser Fakten kann folgendes Fazit gezogen werden:
• Quantitativ hätte es ohne die REP – und die nachfolgend dargestellte DVU – im
wiedervereinigten Deutschland und in Baden-Württemberg weder den von den
Verfassungsschutzbehörden konstatierten Höchstwert des Jahres 1993 beim
rechtsextremistischen Personenpotenzial noch den anschließenden Rückgang in
diesen Dimensionen gegeben.
• Qualitativ indes hat die rechtsextremistische Szene angesichts der tendenziell
eher geringen Extremismusintensität der REP mit den REP nichts von ihrem harten Kern verloren. Es brach nur ein großes Stück vom Rand ab.
„Deutsche Volksunion“ (DVU)
Die im Jahr 1987 gegründete „Deutsche Volksunion“ (DVU) ging in den Jahren 2010
bis 2012 in einem Fusionsprozess in der NPD auf. Während ihrer rund zweieinhalb
Jahrzehnte währenden Existenz war die eindeutig rechtsextremistische DVU im Wesentlichen durch vier Faktoren geprägt:
• Durch die – nicht zuletzt finanzielle – Dominanz ihres Gründers und bis zum Jahr
2009 amtierenden Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey (1933–2013).
• Durch ihre Erfolge an der Wahlurne: Die DVU war phasenweise die erfolgreichste
rechtsextremistische Wahlpartei in Deutschland. So konnte sie beispielsweise bei
den Landtagswahlen in Bremen im Jahr 1991 mit 6,2 Prozent, in SchleswigHolstein im Jahr 1992 mit 6,3 Prozent, in Sachsen-Anhalt im Jahr 1998 mit
12,9 Prozent und in Brandenburg in den Jahren 1999 und 2004 mit 5,3 Prozent
bzw. 6,1 Prozent der Stimmen in die jeweiligen Landesparlamente einziehen. Da-
57
58
59
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1993, S. 74.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2006, S. 172–173.
Vgl. hierzu Hans-Jürgen Doll, Der organisierte Rechtsextremismus, in: Thomas Fliege/Kurt Möller
(Hrsg.), Rechtsextremismus in Baden-Württemberg. Verborgene Strukturen der Rechten, Freiburg
i. Br. 2001, S. 49 ff.; VG Stuttgart, Urteil vom 26. Mai 2000 – Az. 18 K 5658/93.
14
nach wurde sie als erfolgreichste rechtsextremistische deutsche Wahlpartei von
der NPD abgelöst.
• Durch ihre Bedeutung als personell-quantitativer Faktor innerhalb des deutschen
Rechtsextremismus: In der ersten Hälfte der 1990er Jahre hatte die Partei nach
Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden einen sehr hohen Mitgliederstand.
Der Höchstwert im Bund betrug in den Jahren 1992 und 1993 etwa 26.000 Mitglieder.60 Dieser Mitgliederstand schmolz jedoch bis zum Untergang der Partei
immer drastischer ab. So hatte die Partei im Jahr 2011 bundesweit nur noch etwa
1.000 Mitglieder.61
• Qualitativ zeichnete sich diese phasenweise große DVU-Mitgliederschaft jedoch
immer wieder durch Passivität und schließlich auch Überalterung aus.
Der baden-württembergische DVU-Landesverband zählte innerhalb der Partei zu den
unbedeutenderen und inaktiveren Landesverbänden. Dies zeigte sich schon darin,
dass die Partei nicht zu einer einzigen baden-württembergischen Landtagswahl antrat. Schon seit dem Jahr 2009, also noch vor Beginn des Fusionsprozesses mit der
NPD, begann der Landesverband zu zerfallen. Allerdings stellte die DVU besonders
in den 1990er Jahren auch hierzulande einen teils extrem hohen Anteil am rechtsextremistischen Personenpotenzial. Dieser Anteil lag im Jahr 1992 bei annähernd zwei
Drittel (etwa 2.900 von 4.560 Personen, demnach 63,6 Prozent). Angesichts dieser
Fakten bleibt festzuhalten:
• Quantitativ hätte es ohne die DVU – wie auch ohne die REP – im wiedervereinigten Deutschland und in Baden-Württemberg weder den von den Verfassungsschutzbehörden konstatierten Höchstwert des Jahres 1993 beim rechtsextremistischen Personenpotenzial noch den anschließenden Rückgang in dieser Größenordnung gegeben. In der Summe stellte die DVU zusammen mit den REP in Baden-Württemberg im Jahr 1993 noch über drei Viertel des rechtsextremistischen
Personenpotenzials.62 Im Jahr 2013 waren beide Parteien aus bekannten Gründen aus dieser Statistik verschwunden.
• Qualitativ verlor die rechtsextremistische Szene mit der DVU zwar einerseits eine
ihrer phasenweise erfolgreichsten Wahlparteien, andererseits jedoch eine passive
und schließlich auch überalterte DVU-Mitgliederschaft.
„Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD)
60
61
62
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1993, S. 125.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 57.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1993, S. 17.
15
Die im Jahr 1964 gegründete „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) ist
eine nicht nur außergewöhnlich langlebige rechtsextremistische Organisation, sondern vor allem auch seit Jahren die bedeutendste rechtsextremistische Kernorganisation in der Bundesrepublik Deutschland und die einzige rechtsextremistische Partei
mit bundesweiter Bedeutung. So ist sie seit Jahren die mit Abstand mitgliederstärkste
rechtsextremistische Partei auf gesamtdeutscher Ebene und in Baden-Württemberg,
was aber im Wesentlichen darauf zurückzuführen ist, dass zwei Parteien, die noch
vor wenigen Jahren weit mehr Mitglieder hatten als die NPD, mittlerweile nicht mehr
existieren (DVU) bzw. nicht mehr der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden unterliegen (REP). Die NPD in Baden-Württemberg hatte im Jahr 1991 etwa 1.200 Mitglieder63, womit der hiesige Landesverband knapp ein Fünftel der bundesweit damals etwa 6.100 NPD-Mitglieder64 stellte. Zugleich wiesen die Verfassungsschutzberichte dieses Jahres für die DVU ca. 2.90065 (Baden-Württemberg)
bzw. ca. 24.00066 Mitglieder (Bund) aus. Obwohl ungefähr mit der Wiedervereinigung
ein über Jahre anhaltender, in der Summe drastischer personeller Niedergang der
NPD eingesetzt hatte, änderte sich an diesem quantitativen Abstand zur DVU (und
später auch zu den REP) im Grundsatz nichts, weil auch diese Parteien deutliche
Mitgliederrückgänge zu verbuchen hatten. Im Jahr 1996, nach dem Ende der Ära des
baden-württembergischen Bundesvorsitzenden Günter Deckert (1991–1995) und zu
Beginn der Ära Udo Voigts in diesem Amt (1996–2011), war die Partei an einem
Tiefpunkt angelangt: Sie hatte bundesweit nur noch ca. 3.500 Mitglieder67, in BadenWürttemberg nur noch etwa 44068. Zum Vergleich: DVU und REP hatten im Jahr
1996 bundesweit beide jeweils ca. 15.00069 bzw. ca. 1.900 Mitglieder70 in BadenWürttemberg. Doch während diese beiden Parteien in den Folgejahren tendenziell
weiter an Mitgliedern verloren, erlebte die NPD ihren „zweiten Frühling“:71
63
64
65
66
67
68
69
70
71
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1991, S. 111.
Vgl. Bundesminister des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1991, S. 112.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1991, S. 111.
Vgl. Bundesminister des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1991, S. 110.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1996, S. 90.
Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1996, S. 80.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1996, S. 90.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1996, S. 24.
Vgl. Armin Pfahl-Traughber, Der „zweite Frühling“ der NPD zwischen Aktion und Politik, in: Uwe
Backes/Eckhard Jesse (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie 11 (1999), Baden-Baden
1999, S. 146–166. Teils wortgleich, aber etwas aktueller zu demselben Thema von demselben Autor: Die ideologische, strategische und organisatorische Entwicklung der NPD in der zweiten Hälfte
der neunziger Jahre, in: Heinz Lynen von Berg/Hans-Jochen Tschiche (Hrsg.) im Auftrag von Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e. V., NPD - Herausforderung für die Demokratie?, Berlin 2002, S. 13–30.
16
Bis zum Jahr 2007 stieg ihre Mitgliederzahl im Bund wieder auf etwa 7.20072 an, eine
Entwicklung, die nur zu Beginn des neuen Jahrtausends aufgrund des ersten NPDVerbotsverfahrens kurzfristig durch deutliche personelle Einbußen unterbrochen
wurde. Nach dem Jahr 2007 begab sich die NPD-Mitgliederzahl wieder in einen sich
zuletzt beschleunigenden Sinkflug. Im Jahr 2013 lag sie bundesweit nur noch bei
ca. 5.50073, womit sie jedoch im Rahmen des verbliebenen rechtsextremistischen
Parteien- und sonstigen Organisationsspektrums konkurrenzlos hoch ist.
Im Rahmen ihres „zweiten Frühlings“ gelang es der NPD auch, die DVU nach dem
Jahr 2004 als erfolgreichste rechtsextremistische Wahlpartei in Deutschland abzulösen. In den Jahren 1966 bis 1968 war sie schon einmal bei sieben aufeinanderfolgenden Landtagswahlen in sieben westdeutsche Landesparlamente eingezogen,
darunter im Jahr 1968 mit 9,8 Prozent – dem höchsten Landtagswahlergebnis der
bisherigen Parteigeschichte – in den Landtag von Baden-Württemberg. Zwischen
den Jahren 2004 und 2011 gelang es ihr, jeweils zweimal in Folge in die Landtage
von Sachsen (2004: 9,2 Prozent; 2009: 5,6 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern
(2006: 7,3 Prozent; 2011: 6,0 Prozent) einzuziehen. Nach der Landtagswahl vom
31. August 2014 ist die NPD nicht mehr im sächsischen Landtag vertreten (4,9 Prozent). Zuvor scheiterte sie bei Landtagswahlen im Saarland (2004: 4,0 Prozent), Thüringen (2009: 4,3 Prozent) und Sachsen-Anhalt (2011: 4,6 Prozent) relativ knapp an
der 5 Prozent-Hürde.
Die Verfassungsfeindlichkeit der NPD steht außer Frage: Ihre ideologische Ausrichtung ist entschieden rechtsextremistisch, in Teilen sogar neonazistisch74. Seit Jahren
übt die Partei den Schulterschluss mit Neonazis, die sie auch in ihre Reihen aufnimmt und teils in hohe Parteifunktionen aufrücken lässt. Die NPD ist also eine
rechtsextremistische Partei von hoher Extremismusintensität, mit – zudem häufig
relativ jungen – Mitgliedern, die oft einen hohen Fanatisierungsgrad und einen damit
verbundenen Aktionismus aufweisen. Dieser Befund relativiert auch, dass die NPD
früher weniger Mitglieder hatte als die damals weit weniger extremismusintensiven
REP oder als die von der Überalterung und der Passivität ihrer Mitglieder geprägte
DVU. Ideologisch zählt die NPD ähnlich wie die Neonaziszene eindeutig zum harten
Kern des deutschen Rechtsextremismus.
Der baden-württembergische NPD-Landesverband ist innerhalb der Gesamtpartei –
im Vergleich zu anderen, mitgliederstärkeren, aktiveren oder bei Wahlen erfolgreicheren Landesverbänden – von untergeordneter Bedeutung. Der „zweite Frühling“
der NPD wurde eindeutig eher von anderen Landesverbänden getragen als von dem
72
73
74
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2007, S. 52.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 91.
Vgl. Walter Jung, Neonazismus in der „Deutschen Stimme“. Eine ideologietheoretische Analyse
der NPD-Parteizeitung, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2008, Brühl/Rheinland 2008, S. 193–246.
17
hiesigen. So gehört Baden-Württemberg nicht zu den Bundesländern, in denen die
Partei seit dem Jahr 2004 Landtagswahlerfolge erringen konnte oder auch nur in die
Nähe der 5 Prozent-Hürde gekommen wäre. Auch personell-quantitativ ging der
„zweite Frühling“ der NPD am baden-württembergischen Landesverband weitgehend
vorbei: Während die Zahl der NPD-Mitglieder bundesweit trotz der Rückgänge der
allerletzten Jahre immer noch deutlich höher liegt als im Jahr 1996, ist sie in BadenWürttemberg im Vergleich zu damals noch einmal zurückgegangen (1996: ca. 44075;
2013: ca. 41076). Vergleicht man die relativ aktuellen Mitgliederzahlen des Jahres
2013 mit denen des Jahres 1993, als die Verfassungsschutzberichte die höchste
Zahl an Rechtsextremisten seit der Wiedervereinigung auswiesen, bleibt als Ergebnis, dass die Partei im Bund heute etwas besser dasteht als damals (ca. 5.500 Mitglieder77 im Vergleich zu ca. 5.00078), in Baden-Württemberg im Gegensatz dazu
aber regelrecht eingebrochen ist (von ca. 750 bis 80079 auf ca. 41080).
Alles in allem weist der baden-württembergische Landesverband der NPD lediglich
eine Besonderheit auf, die ihn von manch anderem Landesverband deutlich zu seinem Vorteil unterscheidet: Seit Jahren zählt der baden-württembergische Landesverband der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) gemessen
an der Zahl seiner Mitglieder und seiner regionalen „Stützpunkte“ zu den stärksten
JN-Landesverbänden bundesweit, wenn er nicht sogar der stärkste ist. Die JN sind
die größte rechtsextremistische Jugendorganisation in Deutschland. Im Jahr 2013
lebten ca. 7081 und damit knapp ein Fünftel der bundesweit ca. 380 JN-Mitglieder82 in
Baden-Württemberg. In früheren Jahren war der Anteil des JN-Landesverbandes am
NPD-Landesverband und an den Bundes-JN sogar noch deutlich größer: Im Jahr
2008 lebten sogar noch ca. 11083 der damals bundesweit ca. 400 JN-Mitglieder84 in
Baden-Württemberg, also mehr als ein Viertel. Damit waren auch knapp ein Viertel
der damals ca. 450 baden-württembergischen NPD-Mitglieder85 der eigenen Jugendorganisation zuzurechnen, auch wenn damals wie heute die einzelnen JN75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1996, S. 80.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 144.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 91.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1993, S. 130.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1993, S. 53.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 144.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 190.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 104.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2008, S. 160.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2008, S. 96.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2008, S. 160.
18
„Stützpunkte“ unterschiedlich aktiv waren. Der NPD-Landesverband war also – und
ist in gewisser Weise auch heute noch – demographisch relativ jung. Im Ergebnis ist
festzuhalten:
• Durch den Wegfall von DVU und REP ist die NPD seit Jahren die einzige rechtsextremistische Partei von bundesweiter Bedeutung.
• Auch wenn sie ihre Mitgliederzahlen von Anfang der 1990er Jahre im Bund wie im
Land Baden-Württemberg nicht halten bzw. nicht wieder erreichen konnte, hat sie
ihre Existenz trotz mittlerweile zweier gegen sie angestrengter Verbotsverfahren
bislang behaupten können.
• Seit Jahren ist sie innerhalb einer geschrumpften rechtsextremistischen Gesamtszene die bedeutendste Kernorganisation. In den letzten zehn Jahren hatte sie
sogar wieder vereinzelte, allerdings im Wesentlichen auf Ostdeutschland beschränkte Landtagswahlerfolge zu verbuchen, was ihr zuvor 36 Jahre lang nicht
gelungen war.
• Mit ihrer eindeutig rechtsextremistischen, teils bis ins Neonazistische tendierenden
ideologischen Ausrichtung, ihrem in Teilen der Partei festzustellenden Aktionismus
und ihrer relativen Jugendlichkeit ist die NPD – zusammen mit der Neonaziszene
– ein deutlicher Beweis dafür, dass vom quantitativen Niedergang der rechtsextremistischen Szene in der Bundesrepublik weit weniger deren extremismusintensivere, aktivere und jüngere Teile, also deren harter Kern betroffen war.
• Im Jahr 1993 stellten NPD und Neonaziszene zusammen keine 15 Prozent des
rechtsextremistischen Gesamtpersonenpotenzials in Baden-Württemberg (1.005
bis 1.055 von 7.04086). Im Bund betrug dieser Anteil gerade einmal etwas mehr als
ein Zehntel (ca. 7.450 von ca. 64.50087). Bis zum Jahr 2013 hatte sich das Bild
komplett gewandelt: In Baden-Württemberg war zwar „nur“ knapp die Hälfte der
Rechtsextremisten der NPD oder der Neonaziszene zurechnen (ca. 820 von
ca. 1.80088), was der relativen Schwäche des NPD-Landesverbandes geschuldet
war. Im Bund jedoch stellten diese beiden Faktoren zusammen sogar mehr als die
Hälfte der deutschen Rechtsextremisten (ca. 11.300 von ca. 21.70089).
• Der quantitative Schrumpfungsprozess der rechtsextremistischen Szene hat deren
qualitativ am eindeutigsten rechtextremistischen Teile am wenigsten oder gar nicht
betroffen. Die „weichen“ Ränder schmelzen ab, der „harte“ Kern ist weitgehend
86
87
88
89
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1993, S. 17, 53.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1994, S. 78.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2013, S. 144.
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 70.
19
erhalten geblieben und bildet mittlerweile einen erheblichen Teil der rechtsextremistischen Gesamtszene.
„DIE RECHTE“ und „DER III. WEG“
Neben der etablierten NPD existieren zwei noch junge Parteien, die versuchen, in
der deutschen Parteienlandschaft Fuß zu fassen. Ende Mai 2012 wurde in Hamburg
die Partei „DIE RECHTE“ gegründet, die insgesamt fast 500 Mitglieder (2013) hat.90
Ein Großteil der Mitglieder und Funktionäre sind eher lebensältere ehemalige Angehörige der DVU und eher jüngere ehemalige bzw. aktuelle Angehörige der neonazistischen Szene. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen wird die enge Vernetzung zwischen Partei und Neonaziszene deutlich, da zuvor verbotene Kameradschaften offenbar ihre Tätigkeit unter dem Schutz des Parteienprivilegs fortsetzen. Anfang August 2013 wurde in Karlsruhe der Landesverband Baden-Württemberg gegründet.
Das hiesige Personenpotenzial beläuft sich nach eigenen Angaben der Partei auf
aktuell 73 Personen.91
Die Partei „Der III. Weg“ gründete sich im September 2013 in Heidelberg und hat aktuell bundesweit weniger als 100 Mitglieder.92 In Baden-Württemberg existiert kein
sogenannter Stützpunkt der Partei, es sind noch keine Strukturen und – abgesehen
von der Gründung der Partei – auch kaum öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten feststellbar. „Der III. Weg“ versuchte erst gar nicht, an der Europawahl am 25. Mai 2014
teilzunehmen, und „DIE RECHTE“ scheiterte an dem selbst gesetzten Ziel, an dieser
Wahl teilzunehmen. Bei den am selben Tag abgehaltenen Kommunalwahlen traten
weder „Der III. Weg“ noch „DIE RECHTE“ in Baden-Württemberg an.
1.3
Örtliche Schwerpunkte oder Gelegenheitsstrukturen?
Bei Fragen nach örtlichen Schwerpunkten des Rechtsextremismus in BadenWürttemberg ist meist von „Hochburgen“ die Rede. Allerdings ist die Kategorisierung
einer bestimmten Gemeinde oder Region als „Hochburg des Rechtsextremismus“ in
der Regel problematisch. Im Folgenden nur die drei wichtigsten Argumente:
1) Rechtsextremismus ist in seinem ganzen Charakter ein zutiefst überregionales,
gesamtdeutsches, zuweilen sogar internationales bis globales Phänomen und
Problem, für das Gemeinde-, Landkreis- oder Bundesländergrenzen keine und
Staatsgrenzen nur eine geringe Rolle spielen. Die Verführung, das komplexe Phänomen Rechtsextremismus auf einen (zu) einfachen Nenner bringen zu wollen,
indem man es auf bestimmte Landstriche, Landkreise, Regionen oder gar auf ein90
91
92
Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 70.
Stand: 01. September 2014.
Vgl. Innenministerium Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2013, S.
43.
20
zelne Ortschaften herunterbricht, ist zwar groß, führt jedoch, wenn man ihr nachgibt, in der Regel nicht weiter. Denn zum einen verleiht die Stigmatisierung eines
bestimmten, womöglich sehr eng umgrenzten geographischen Raumes, besonders stark für Rechtsextremismus anfällig zu sein, dem Phänomen eine trügerische Eingrenzbarkeit, Übersichtlichkeit und Eindimensionalität, die seiner Komplexität nicht gerecht werden. Zum anderen kann sie von anderen, womöglich direkt
benachbarten geographischen Räumen leicht als Alibi missbraucht werden.
2) Anstatt von „Hochburgen“ ist es meistens angebrachter, von günstigen Gelegenheitsstrukturen für den Rechtsextremismus zu sprechen. Deren Entstehung ist jedoch oftmals Zufällen geschuldet, die nicht auf eine besonders tiefe Verankerung
rechtsextremistischer Strukturen oder Einstellungen vor Ort hinweisen müssen.
Auch sind Gelegenheitsstrukturen immer wieder an einzelne Personen gebunden
und daher sehr flüchtig. Drei Beispiele:
• In den Jahren 2003 bis 2005 wurde die Stadt Schwäbisch Hall mit einer regelrechten Serie von ca. zehn kleineren und größeren neonazistischen Demonstrationen überzogen. Im Jahr 2005 war auch Heilbronn von drei solchen Veranstaltungen betroffen. Diese Demonstrationsserien waren im Wesentlichen dem
ideologisch motivierten Aktionismus eines einzelnen Neonazis und den von ihm
geführten oder sogar allein personifizierten neonazistischen Kleinstorganisationen geschuldet. Dieser Neonazi lebte aber weder in Schwäbisch Hall noch in
Heilbronn, er hatte sich diese beiden Städte aus unterschiedlichen Gründen gezielt ausgesucht und sich auf sie konzentriert. Seit Herbst 2006 zügelte er seinen ideologisch motivierten Aktionismus deutlich. Prompt rissen die neonazistischen Demonstrationsserien in Schwäbisch Hall und Heilbronn ab. Drei für den
Herbst 2006 bereits angemeldete Demonstrationen, wovon in zwei Fällen wiederum diese beiden Städte betroffen gewesen wären, wurden von ihm sogar
wieder abgesagt.93
• Zweites Beispiel: Baden-Württemberg hatte im Jahr 2005 die in diesem Bundesland bislang höchste Zahl an rechtsextremistischen Skinheadkonzerten zu
verzeichnen, nämlich insgesamt 26. Dieses Faktum war unter anderem einer
vorübergehenden Sonderkonstellation geschuldet: Acht und damit fast ein Drittel dieser Konzerte fanden zwischen Mitte Januar und Ende Mai 2005 im damaligen Clubhaus einer Rockergruppe in Mannheim-Rheinau statt, obwohl nicht
von einer inhaltlich-ideologischen Annäherung der rechtsextremistischen Skin93
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2003, S. 184–185, 203–207. Dass. (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004,
S. 134-135. Dass. (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2005, S. 134–137. Dass.
(Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2006, S. 157.
21
headszene an diese Rockergruppe im Speziellen oder an die Rockerszene im
Allgemeinen – oder umgekehrt – ausgegangen werden konnte. Vielmehr scheinen hier vorrangig kommerzielle Interessen im Vordergrund gestanden und private Beziehungen eine Rolle gespielt zu haben, zumal die damaligen Skinheadkonzerte zumeist von einem bekannten, damals vor Ort in Mannheim ansässigen Rechtsextremisten veranstaltet worden waren. Nach dem 21. Mai
2005 wurde in dem Clubhaus kein Skinheadkonzert mehr durchgeführt, da die
Rockergruppe dieses Gebäude zum 31. Mai 2005 verlassen musste.94
• Drittes Beispiel: Anfang des Jahres 2010 mietete ein Angehöriger der rechtsextremistischen Szene eine Gaststätte in Rheinmünster-Söllingen/Kreis Rastatt.
Das Mietverhältnis endete bereits wieder zum 30. Juni 2011. In diesen rund anderthalb Jahren fand jedoch allein in diesem Objekt die Hälfte aller rechtsextremistischen Skinheadkonzerte statt, die in den Jahren 2010 und 2011 in Baden-Württemberg veranstaltet wurden. Zwischen Juni und November 2013 fanden wieder entsprechende Konzerte in dem Objekt statt, und zwar mehr als die
Hälfte solcher Konzerte im Land im Jahr 2013 (fünf von acht). Aufgrund der
Planungssicherheit, die für die Szene mit einer solchen Gelegenheitsstruktur
verbunden ist, waren diese Konzerte in Rheinmünster-Söllingen in der Regel
zudem überdurchschnittlich gut besucht. Die Gaststätte wurde zum 1. Januar
2014 vom Landkreis Rastatt gepachtet und steht daher für rechtsextremistische
Veranstaltungen nicht mehr zur Verfügung.95
3) Selbst wenn aufgrund solcher Gelegenheitsstrukturen an einem bestimmten Ort in
relativ kurzer Zeit mehrere rechtsextremistische Veranstaltungen wie Konzerte
oder Demonstrationen mit teils dreistelligen Teilnehmerzahlen stattfinden, kann
fast immer davon ausgegangen werden, dass viele, wenn nicht die meisten der
Teilnehmer nicht aus dem Veranstaltungsort oder dessen näherer Umgebung
kommen. Der Veranstaltungsort ist bei solchen Anlässen nie mit dem Wohnort aller Teilnehmer gleichzusetzen. Die Mobilität ist in den relevanten Teilen der
rechtsextremistischen Szene erfahrungsgemäß sehr hoch. So treten rechtsextremistische Skinheadbands aus anderen Bundesländern in Baden-Württemberg auf.
Auf rechtsextremistischen Demonstrationen im Land sprechen zuweilen sogar eigens aus dem Ausland angereiste Redner.
94
95
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2005, S. 123–124.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2010, S. 147, 166–167. Dass. (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2011, S.
154-155, 177–178. Dass. (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2013, S. 146–
147, 162–163.
22
1.4
Weitere Aspekte
1.4.1 Rechtsterrorismus
Rechtsterrorismus steht seit dem Bekanntwerden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) am 4. November 2011 im Fokus des öffentlichen Interesses. Obwohl
die Sicherheitsbehörden immer wieder abstrakt auf die Gefahr hinwiesen, dass sich
im Bundesgebiet eine rechtsterroristische Gruppierung formieren könnte, die aus
dem Untergrund mit Waffengewalt ihre politischen Ziele verfolgt, wurden die Taten
des NSU nicht mit einem rechtsextremistischen Hintergrund in Verbindung gebracht.96 Das Interesse an Waffen ist der rechten Szene immanent, immer wieder
kommt es zu Versuchen, sich legal oder illegal Waffen zu beschaffen. Körperliches
Training, verschiedenste Vorbereitungen (zum Beispiel die Teilnahme an Survival
Camps) sowie die Erwartung und Hoffnung, dass das politische System zusammenbrechen werde, sind in Teilen der rechtsextremistischen Szene verbreitet.
Rechtsterrorismus steht als Sammelbezeichnung für gewaltgeneigte Gruppen, die
auf der ideologischen Basis von Nationalismus und Rassismus Anschläge insbesondere gegen Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten durchführen.97 Während sich der Rechtsterrorismus etwa in der Weimarer Republik mit Anschlägen auch
gezielt gegen demokratische Politiker richtete, zielt der NachkriegsRechtsterrorismus auf die Angehörigen von Minderheiten. Mittelbar kann allerdings
auch hier von politisch motivierten Gewalttaten gegen staatliche Belange gesprochen
werden: Den ethnischen und religiösen Minderheiten steht – wie allen anderen Bürgern auch – das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG)
zu, das ihnen der Staat zu gewährleisten hat. Gewalttaten gegen die Angehörigen
dieser Gruppe richten sich somit indirekt auch gegen den Staat; zum einen gegen
sein Gewaltmonopol, zum anderen gegen seine Schutzpflicht.
Schon lange bevor der NSU seine Verbrechensserie begann, war die Bundesrepublik Deutschland wiederholt von Rechtsterrorismus betroffen, auch BadenWürttemberg. So verübte die Gruppe „Deutsche Aktionsgruppen“ die Mehrzahl ihrer
Anschläge im Jahr 1980 in Baden-Württemberg: in Esslingen, Ostfildern und Leinfelden (beide Kreis Esslingen) sowie Lörrach.98
Eine länger existierende paramilitärische Kampftruppe war die im Jahr 1974 gegründete „Wehrsportgruppe Hoffmann“.99 Ihr entstammten eine Reihe von rechtsextremistischen Terroristen wie etwa Gundolf Köhler, der im Jahr 1980 einen Anschlag
96
97
98
99
Vgl. z. B. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht BadenWürttemberg 1995, S. 39.; Dass. (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 1996,
S.44.
Vgl. Armin Pfahl-Traughber, in: Schule für Verfassungsschutz (Hrsg.), Kleines Lexikon des Linksund Rechtsterrorismus, S. 60–62.
Vgl. Bernhard Rabert, Links- und Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland von 1970
bis heute, Bonn 1995, S. 273–288.; Bundesminister des Innern (Hrsg.), betrifft: Verfassungsschutz
1980, S. 44–46.
Vgl. Bundesminister des Innern (Hrsg.), betrifft: Verfassungsschutz 1980, S. 26.
23
auf das Münchener Oktoberfest mit 13 Toten durchführte, oder Uwe Behrendt, der
einen jüdischen Verleger und dessen Lebensgefährtin ebenfalls im Jahr 1980 ermordete. In beiden Fällen konnte aber nicht juristisch zweifelsfrei belegt werden, dass
die beiden Personen im Auftrag der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ gehandelt hatten.
Im Jahr 1982 entstand die „Hepp-Kexel-Gruppe“,100 benannt nach ihren beiden führenden Aktivisten, dem aus Baden-Württemberg stammenden Odfried Hepp und
Walter Kexel (abweichende Schreibweise: Walther Kexel). Nach mehreren Banküberfällen ging die Gruppe mit hohem planerischen Aufwand zu Anschlägen gegen
Angehörige der US-amerikanischen Streitkräfte über. Im Jahr 1983 gelang es der
Polizei, die wichtigsten Aktivisten zu verhaften und die Gruppe zu zerschlagen. Die
„Hepp-Kexel-Gruppe“ galt bis dahin als die am weitesten entwickelte Gruppierung
des Rechtsterrorismus.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede von „altem“ und „neuem“ Rechtsterrorismus101
Wenn man die Morde des NSU im Kontext der Geschichte des deutschen Rechtsterrorismus betrachtet, wird deutlich, dass einerseits Analogien, andererseits aber auch
Unterschiede zwischen „altem“ und „neuem“ Rechtsterrorismus bestehen: So entstammten die Täter in nahezu allen historischen Fällen anderen rechtsextremistischen Organisationen (der Neonazi-Szene oder der NPD), und auch die im NSU aktiven Personen hatten ihre Wurzeln im weiteren politischen Umfeld der NPD. Bereits
in den 1990er Jahren existierten Überschneidungen zwischen Anhängern der Neonazi-Szene und der NPD in den neuen Bundesländern.
Ebenso wenig gibt es Unterschiede gegenüber dem früheren Rechtsterrorismus bei
der Auswahl der Opfergruppen und Zielobjekte des NSU, denn auch der frühere
Rechtsterrorismus richtete sich häufig gegen Menschen mit Migrationshintergrund.
Ein grundlegender Unterschied besteht aber in der Gewaltintensität: Später aufgefundene Unterlagen belegen, dass die NSU-Aktivisten ihre Morde systematisch vorbereiteten. Ein solches Vorgehen lässt sich bei den früheren Formen des Rechtsterrorismus nicht feststellen. Häufig ging es dabei um Anschläge auf Einrichtungen, wobei die Ermordung von Menschen nicht das primäre Ziel war, ihre Tötung aber
durchaus billigend in Kauf genommen wurde. Die Serien-Morde des NSU stehen für
eine neue Dimension des Rechtsterrorismus.
Eine weitere Besonderheit der NSU-Taten berührt ein konstitutives Merkmal des
„Terrorismus“, steht diese Form der Gewalthandlung doch auch für eine „Kommunikationsstrategie“. Mit den Anschlägen oder Attentaten soll der Öffentlichkeit eine be100
101
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
1983, S. 97–98.
Die folgende Zusammenfassung ist angelehnt an: Armin Pfahl-Traughber, in: Schule für Verfassungsschutz (Hrsg.), Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland, S.
29–32.
24
stimmte Botschaft vermittelt werden. Um ein solches Signal inhaltlich zu verstehen,
muss das politische Anliegen der terroristischen Organisation aber erkennbar sein.
Zwar hinterließen Gewalttäter aus dem Rechtsextremismus eher selten Bekennerschreiben, die kommunikative Ebene war beim Rechtsterrorismus im Vergleich zum
früheren Linksterrorismus traditionell eher schwach entwickelt.102 Durch die Auswahl
ihrer Opfer und Ziele (beispielsweise jüdische Einrichtungen) waren ihre Taten aber
meist „selbsterklärend“. Gerade dies war bei den NSU-Morden nicht der Fall, gingen
Außenstehende – einschließlich der Medien und der Sicherheitsbehörden – dabei
doch von einem allgemeinkriminellen Hintergrund aus. Die fremdenfeindliche Absicht
und Botschaft nahm man gar nicht wahr. Zwar wollten die Aktivisten der neonazistischen Zelle sich offenbar später über eine DVD zu ihren Taten bekennen. Aber zum
einen bietet auch diese DVD keine Rechtfertigung der Taten, sondern zielt auf die
Verhöhnung der Opfer, zum anderen bleibt unklar, warum die Mitglieder des NSU
über so viele Jahre schwiegen und nicht einmal anonyme Bekenntnisse abgaben.
Die gezielte Ermordung von Menschen als Handlungsstil stand in der Geschichte des
deutschen Terrorismus bislang nur für eine bestimmte Phase der RAF. Eine offenkundig längerfristig angelegte Serie von Morden mit der gezielten Tötung durch
Kopfschüsse hatte es zuvor noch nicht gegeben.
1.4.2 Islamfeindliche Bestrebungen
Nicht zuletzt seit den Anschlägen des Norwegers Anders Breivik in Oslo im Juli 2011
ist auch in Baden-Württemberg, vor allem im Internet, ein Anwachsen islamkritischer
sowie islam- und muslimfeindlicher Reaktionen festzustellen.
Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung islamkritischer und islamfeindlicher
Organisationen und Internetseiten auch in den kommenden Jahren zunehmen wird.
Die Internetseite „Politically Incorrect“ (PI) nimmt auf Grund ihrer Aufrufzahlen eine
besondere Rolle ein. In einem repräsentativen Überprüfungszeitraum von sechs Monaten konnten über 1.500 Artikel mit 146.000 Kommentaren festgestellt werden. Da
Artikel und Kommentare in der Regel anonym gepostet und die Server außerhalb
Deutschlands gehostet werden, werden die Sicherheitsbehörden auch künftig Probleme haben, die Inhalte der Internetseite konkreten Personen zuzuordnen. Neben
diesen Aktivitäten im Internet sind in den letzten Jahren auch islamkritische und islamfeindliche Äußerungen von Gruppierungen wie der „Identitären Bewegung“, der
„German Defence League“ oder der „pro-Bewegung“ festzustellen, die teilweise auch
in Baden-Württemberg aktiv sind.
102
Vgl. Eckhard Jesse, Rechtsterroristische Strukturen in Deutschland, in: Neue Dimensionen des
Rechtsextremismus, 2012, S. 24 ff.
25
1.4.3 Rechtsextremistische Einflussnahme
Rechtsextremistische Einflussnahme auf die Hooligan-Szene
In Hooligangruppierungen gibt es nach hiesiger Einschätzung diverse Anschlussmöglichkeiten an den Rechtsextremismus. In diesem Zusammenhang sind vor allem
die Agitationsfelder Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Islamfeindlichkeit zu nennen. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden im Land ist die
Überschneidung von rechtsextremistischem Personenpotenzial und gewaltbereiten
Fußballfans in Baden-Württemberg nach wie vor gering.103 Aktuell kann weder von
einer strukturellen Zusammenarbeit der Szenen in Baden-Württemberg ausgegangen werden, noch ist eine nachhaltige Politisierung der Hooliganszene ersichtlich.
Die Geschehnisse bei salafistischen Veranstaltungen von Pierre Vogel am
8. Februar 2014 in Mönchengladbach und am 23. März 2014 in Mannheim – bei denen es zu Auseinandersetzungen zwischen Hooligans und Polizeikräften kam - haben jedoch gezeigt, dass es zu einer punktuellen Zusammenarbeit von Rechtsextremisten und Hooligans kommen kann. Ob es sich hierbei um ein vorübergehendes
Phänomen handelt oder hieraus eine strukturelle Zusammenarbeit erwächst, bleibt
abzuwarten.
Rechtsextremistische Einflussnahme auf die Rocker-Szene
Eine strukturelle Zusammenarbeit zwischen der rechtsextremistischen Szene und
der Rockerszene konnte bislang nicht festgestellt werden. Anlassbezogene Kooperationen auf Basis persönlicher Kennverhältnisse, wie z. B. die Nutzung von Clubheimen von Rockergruppierungen durch Rechtsextremisten bei der Organisation
rechtsextremistischer Konzerte, wurden in der Vergangenheit bekannt (vgl. hierzu
bereits unter Ziffer 5.3). Hierbei dürfte jedoch ein monetäres Interesse der Rockergruppierungen (Verpachtung des Clubheims) im Vordergrund stehen.
Vereinzelt konnten Eintritte von Rechtsextremisten in Rockergruppierungen beobachtet werden. Beim Eintritt von Rechtsextremisten in Rockergruppierungen nahm
nach Feststellungen des LfV BW das Engagement der einzelnen Personen in der
rechtsextremistischen Szene jedoch kontinuierlich ab. Insofern kann von einem
Wechsel der Szenen gesprochen werden – wenngleich Rechtsextremisten ihre Weltanschauung in den meisten Fällen beibehalten.
Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder beobachten weiterhin aufmerksam eine mögliche Annäherung der rechtsextremistischen Szene und der Rockerszene und stehen bundesweit in einem kontinuierlichen Erkenntnisaustausch.
103
Allerdings sind die Erkenntnismöglichkeiten des Verfassungsschutzes hier eng begrenzt, da die
Hooliganszene kein Beobachtungsobjekt ist.
26
Rechtsextremistische Einflussnahme auf Burschenschaften
Bislang liegen keine belegbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die in BadenWürttemberg ansässigen Burschenschaften von Rechtsextremisten unterwandert
sind, mit ihnen zusammenarbeiten oder Beziehungen zu rechtsextremistischen Vereinen, Parteien oder Organisationen unterhalten. Eine gezielte Einflussnahme von
Rechtsextremisten auf Burschenschaften wurde bislang nicht festgestellt. Eine Beobachtung einer in Baden-Württemberg ansässigen Burschenschaft erfolgt durch das
LfV BW nicht.104
In der Vergangenheit gab es Aktivitäten einer „Burschenschaft Arminia Zürich zu
Heidelberg“. Sie war – mit einer Unterbrechung von 1995 bis 1998 – bis zum Jahr
2008 aktiv. Bei dieser Burschenschaft handelte es sich nicht um eine Burschenschaft
im klassischen Sinn, sondern um eine rechtsextremistische Kleinstgruppierung, die
burschenschaftliches Brauchtum nachahmte und keinem studentischen Dachverband angehörte. Anfang des Jahres 2012 wurde die „Burschenschaft Arminia Zürich
zu Heidelberg“ im Raum Karlsruhe von Rechtsextremisten reaktiviert. Sie nennt sich
seitdem „Burschenschaft Arminia Zürich zu Karlsruhe“. Auch für diese Gruppierung
gilt, dass es sich um keine Burschenschaft im klassischen Sinn handelt, sondern um
eine rechtsextremistische Kleinstgruppierung, die burschenschaftliches Brauchtum
imitiert. Die „Burschenschaft Arminia Zürich zu Karlsruhe“ ist rechtsextremistisches
Beobachtungsobjekt des LfV BW.
Anlassbezogen und in regelmäßigen Abständen wird geprüft, ob bei den in BadenWürttemberg ansässigen Burschenschaften tatsächliche Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vorliegen. Hierzu erfolgt ein regelmäßiger Informationsabgleich und -austausch mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz.
Rechtsextremistische Verlage
In Baden-Württemberg ist der „Grabert Verlag“ ansässig. Der Verlag zählt zu den
ältesten und bedeutendsten organisationsunabhängigen rechtsextremistischen Verlagen in Deutschland. Er verfügt über mehrere Tochterunternehmen, darunter den im
Jahr 1985 gegründeten „Hohenrain Verlag“. Die Schriften der Verlage zeichnen sich
immer wieder durch entschieden rechtsextremistische Positionen aus.
Seit dem Jahr 2013 sind die Verlage „Grabert Verlag“ und „Hohenrain Verlag“ zusammengeführt und firmieren unter „Hohenrain Verlag“.
104
Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, LT-Drucksache 15/2488.
27
2.
Vernetzung der rechtsextremistischen Szene
„Vernetzung und Zusammenarbeit innerhalb dieser Strukturen sowie zur rechtsextremen Szene in Baden-Württemberg“
2.1
Vorbemerkung
Schon unter Ziffer 5 wurde betont, dass es sich – trotz der teils ideologischen, teils
persönlichen Zerstrittenheit und trotz der organisatorischen Zersplitterung – bei der
baden-württembergischen, der deutschen sowie der europäischen Rechtsextremistenszene um ein Netzwerk, genauer gesagt um ein Bündel von ineinandergreifenden
Netzwerken handelt, das über vielfältige Verbindungen und Überschneidungen in
sich verknüpft ist und kommuniziert. Dieser Befund relativiert die idealtypische Gliederung der Szene in subkulturell geprägte Rechtsextremisten, Neonazis, den Parteienbereich und in sonstige rechtsextremistische Organisationen, wie sie die Verfassungsschutzbehörden in ihrer Berichterstattung vornehmen. In der Realität sind diese Teilsegmente nicht nur in sich vernetzt (etwa Neonazikameradschaft mit Neonazikameradschaft,105 Skinheadband mit Skinheadband), sondern immer wieder eng
miteinander über vermeintliche Segmentgrenzen hinweg verzahnt; die Schnittmengen sind beträchtlich.
Im Folgenden sollen diese Vernetzungen, Schnittmengen und Kooperationen anhand
von drei Varianten veranschaulicht werden: Erstens anhand der Vernetzungen von
subkulturell geprägten Rechtsextremisten mit Neonazis, zweitens anhand der Vernetzung des rechtsextremistischen Parteienbereichs mit Neonazis (die herangezogenen Beispiele werden sich auf Baden-Württemberg beschränken), und drittens
wird anhand von Beispielen die Vernetzung baden-württembergischer Rechtsextremisten mit Gesinnungsgenossen im In- und Ausland herausgearbeitet.
2.2
Die rechtsextremistische Szene – ein Bündel von Netzwerken
2.2.1 Vernetzung subkulturell geprägter Rechtsextremisten mit Neonazis
Überschneidungen zwischen subkulturell geprägten Rechtsextremisten und Neonazis liegen schon allein deshalb vor, weil zumindest Teile der rechtsextremistischen
Skinheadszene, die das Gros der subkulturell geprägten Rechtsextremisten stellen,
sich zum historischen Nationalsozialismus bekennen. Dies wird unter anderem
105
Ein typisches Beispiel für länderübergreifende Netzwerkstrukturen innerhalb des deutschen Neonazismus ist das „Aktionsbüro Rhein-Neckar“, das seit dem Jahr 2003 im Dreiländereck zwischen
Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz arbeitet. Es koordiniert die Aktivitäten der dortigen Neonazigruppierungen. Außerdem ist es personell mit der NPD verflochten und pflegt enge
Kontakte zu rechtsextremistischen Führungspersonen und Gruppierungen in den angrenzenden
Regionen. Sein Aktionsschwerpunkt scheint außerhalb Baden-Württembergs zu liegen, vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 169.
28
dadurch belegt, dass rechtsextremistische Skinheadbands immer wieder neonazistische Liedtexte verfassen und publizieren. So veröffentlichte die Band „White Voice“
aus Villingen-Schwenningen im Jahr 2007 auf dem CD-Sampler „Drei für Deutschland“ ein Lied mit dem Titel „9. November“, in dem völlig unverhohlen und kritiklos
der am 9. November 1923 in München bei der Niederschlagung des so genannten
Hitler-Ludendorff-Putsches ums Leben gekommenen 16 Nationalsozialisten gedacht
wird. Mit diesem Lied knüpften „White Voice“ an den intensiven Toten- und Heldenkult um die erschossenen Putschisten an, den schon die historischen Nationalsozialisten betrieben hatten. Diese Glorifizierung eines der zentralen Ereignisse in der
NSDAP-Parteigeschichte durch die Band „White Voice“ kommt einem Bekenntnis der
Band zum historischen Nationalsozialismus insgesamt gleich:
„White Voice“: „9. November“ von dem CD-Sampler „Drei für Deutschland“
„Ich stehe an der Feldherrnhalle und atme noch den Geist.
Hier hallen immer noch die Schüsse, die ihre Brust zerreißt.
Ich fühle auch die Fahne, die ach so blutgetränkt,
und dennoch Sieger wurde, von Opfermut gelenkt.
[Refrain:] Achtzig Jahre ist der Sechzehn Heldentod nun her,
doch durch den Nebel der Nation [Textversion im CD-Booklet: „Nabel der Generationen“] führt ihr Geist uns zur Wehr!
Mehr als achtzig Jahre ist der Sechzehn Heldentod nun her,
doch durch den Nebel der Nation [Textversion im CD-Booklet: „Nabel der Generationen“] führt ihr Geist uns zur Wehr!
Sie waren in dem Blut getauft, das Münchens Boden färbte,
ihr Tod macht Deutschland unsterblich, weil eine Jugend Hoffnung erbte.
Und wenn ihr alten Helden, uns von Walstatt sehen sollt,
gebt dazu Euren Segen, den ihr sicher nicht bereut! (...)“106
Die im Jahr 2000/2001 gegründete rechtsextremistische Skinheadband „Race War“
aus dem Ostalbkreis, die sich seit ein paar Jahren „Heiliger Krieg“ nennt, bekannte
sich schon auf ihrer Debüt-CD „The White Race Will Prevail“ aus dem Jahr 2001
unmissverständlich zum historischen Nationalsozialismus und damit zum Neonazismus. Das Cover sowie das Booklet der CD zeigen Abbildungen von Adolf Hitler, Hakenkreuzen, Doppel-Sigrunen (auch als „SS-Runen“ bekannt) und von Soldaten, die
den Hitlergruß entbieten. Auch die auf der CD veröffentlichten Liedtexte weisen zum
Teil sehr eindeutige neonazistische Inhalte auf, da in ihnen der SS und Hitler gehul-
106
Textwiedergabe soweit möglich nach dem akustischen Verständnis. Vgl. Innenministerium BadenWürttemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2007, S. 130-131.
29
digt wird. Die CD wurde durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften
indiziert.107
Angesichts solcher ideologischer Gemeinsamkeiten ist die Existenz von Mischszenen von Neonazis und rechtsextremistischen Skinheads nicht verwunderlich, finden
hier doch Gesinnungsgenossen zueinander. Auch dass immer wieder Neonazis
rechtsextremistische Skinheadkonzerte veranstalten, passt in dieses Bild. Beispielsweise fungierten bei den insgesamt 14 Veranstaltungen dieser Art in RheinmünsterSöllingen/Kreis Rastatt in den Jahren 2010 und 2011 (siehe Ziffer 5.3) wiederholt die
neonazistischen „Nationalen Sozialisten Rastatt“, die früher auch unter der Bezeichnung „Kameradschaft Rastatt“ auftraten, als Veranstalter.108
2.2.2 Vernetzung rechtsextremistischer Parteien mit Neonazis
Die folgenden Ausführungen werden sich einerseits möglichst auf BadenWürttemberg, andererseits – was den rechtsextremistischen Parteienbereich anlangt
– auf die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) und deren Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) beschränken. Dies ist nicht allein auf
Grund der herausgehobenen Position der NPD als einziger rechtsextremistischer
Partei von bundesweiter Bedeutung gerechtfertigt (siehe Ziffer 5.2.4), sondern auch,
weil die NPD aufgrund ihres ideologischen Profils seit vielen Jahren selbst in Teilen
als neonazistisch zu bezeichnen ist.109 Nur so ist beispielsweise zu erklären, dass
sich einzelne JN-Vertreter zumindest bis in die jüngste Vergangenheit am eindeutig
neonazistischen Kult um den Berliner SA-Sturmführer Horst Wessel (1907–1930)
beteiligt haben.110
Darüber hinaus bemüht sich die NPD bereits seit Jahren um eine intensivere Vernetzung im Sinne eines Schulterschlusses mit der – bislang mehr oder weniger parteiunabhängigen – Neonaziszene. Diese Bemühungen sind zum Teil von Erfolg gekrönt, scheitern aber auch immer wieder an entweder von vornherein unüberwindbaren oder im Laufe der Kooperation entstehenden, persönlichen oder ideologischen
Konflikten. Seit dem Jahr 2004 verfolgt die NPD eine „Volksfront“-Strategie: Dabei
nimmt sie Neonazis nicht nur als einfache Mitglieder auf, sondern besetzt auch hohe
Parteiämter mit ihnen. Beispielsweise amtierte in den Jahren 2007 bis 2009 ein Neo107
108
109
110
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2002, S. 37.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg
2011, S. 177.
Vgl. Walter Jung, Neonazismus in der „Deutschen Stimme“. Eine ideologietheoretische Analyse
der NPD-Parteizeitung, in: Armin Pfahl-Traughber (Hrsg.), Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2008, Brühl/Rheinland 2008, S. 193-246.
Vgl. Ders., Der neonazistische Kult um Horst Wessel am Beispiel Baden-Württemberg, in: Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutz 1952-2012. Festschrift
zum 60. Jubiläum des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Herausgegeben
in Stuttgart im Dezember 2012, S. 155-175, hier S. 171.
30
nazi als stellvertretender baden-württembergischer NPD-Landesvorsitzender, der in
den Jahren 2009 und 2010 als Beisitzer sogar Mitglied des NPD-Bundesvorstandes
war.111 Dass diese „Volksfront“-Strategie auch noch bis in die jüngste Zeit von der
Partei verfolgt wird, beweist schon ein Blick in den letzten Verfassungsschutzbericht
Baden-Württemberg über das Berichtsjahr 2013,112 denn auch der NPDLandesverband Baden-Württemberg übte im Jahr 2013 wieder den Schulterschluss
mit Neonazis: Noch am Abend seiner Wahl auf dem NPD-Landesparteitag am
17. März 2013 in Weinheim/Rhein-Neckar-Kreis erklärte der neue Landesparteivorsitzende Alexander Neidlein in einem Interview, das später auf einer dem NPDBundesvorstand zuzurechnenden Internetseite veröffentlicht wurde: „Einen Großteil
der freien Kräfte binden wir in die politische Tätigkeit mit ein […]“. Da es sich bei
„freien Kräften“ oder „freien Nationalisten“ in der Szene-Terminologie um parteiunabhängige neonazistische Strukturen handelt, kann diese Aussage nur dahingehend
interpretiert werden, dass Neidlein und der von ihm geführte NPD-Landesverband
Neonazis in die Parteiarbeit einbeziehen. Dies schlug sich im Jahr 2013 in gemeinsamen öffentlichen Aktionen von baden-württembergischen NPD-Vertretern mit Neonazis nieder. Nach Angaben der baden-württembergischen Landesvorsitzenden der
NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“ (RNF), Edda Schmidt aus Bisingen/Zollernalbkreis, nahmen etwa Mitglieder des NPD-Landesvorstands BadenWürttemberg und Vertreter einer Neonazi-Kameradschaft aus Rheinland-Pfalz Ende
Juli 2013 gemeinsam an einer Mahnwache in Saarbrücken teil.113 Während des
Bundestagswahlkampfs im Jahr 2013 griff die NPD in Baden-Württemberg wiederholt
auf die Unterstützung von Neonazis zurück: In einem Internetbericht der Partei über
einen Infotisch des NPD-Regionalverbands Böblingen-Stuttgart-Ludwigsburg am 7.
September 2013 in Vaihingen an der Enz/Kreis Ludwigsburg hieß es, die NPDVertreter seien dabei unter anderem von „einigen freien Nationalisten, die den Wahlkampf der NPD selbstverständlich unterstützen“, begleitet worden.114 Im Nachgang
zu einem Wahlkampf-Informationsstand, an dem sich die NPD am 14. September
2013 in Stuttgart-Bad Cannstatt präsentierte, dankte die Partei „gesondert den rund
20 anwesenden parteifreien Kräften, die zum Schutz des Informationsstands nach
Stuttgart gekommen“ seien.115 Der Vorsitzende des NPD-Kreisverbands RheinNeckar bezeichnete nach der Bundestagswahl in einem Kommentar, der über das
Internet verbreitet wurde, das aus seiner Sicht gute Abschneiden seiner Partei im
111
112
113
114
115
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2007, S. 155. Dass.
(Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2008, S. 161-162. Dass. (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht
2009, S.194-195, 222. Dass. (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2010, S. 188.
Vgl. zum Folgenden: Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht
Baden-Württemberg 2013, S. 180-181.
Vgl. „Deutsche Stimme“ Nr. 09/13 vom September 2013, S. 16.
Internetauswertung vom 30. Oktober 2013.
Internetauswertung vom 30. Oktober 2013.
31
Raum Sinsheim/Rhein-Neckar-Kreis als „Ergebnis der guten Arbeit der letzten Jahre
und vor allem der guten Zusammenarbeit mit den ‚Freien Nationalisten Kraichgau‘“.116 Im Rahmen der Kampagne „Die Unsterblichen“ 2011/12, einer damals neuen Agitations- und Aktionsform innerhalb der rechtsextremistischen Szene, beteiligten sich in Baden-Württemberg Neonazis und Vertreter der JN zumindest an einzelnen Aktionen gemeinsam.117
Bestimmte Veranstaltungen, bei denen eine möglichst große Teilnehmerzahl angestrebt wird (z.B. Großdemonstrationen), sind für NPD, JN und Neonazis überhaupt
nur zu realisieren, wenn man bei Organisation und Mobilisierung szeneinterne
„Grenzen“ ignoriert und tatkräftig kooperiert. Die neonazistische Großdemonstration
vom 1. Mai 2011 in Heilbronn mit rund 750 Teilnehmern als zentrale rechtsextremistische Mai-Demonstration für Süddeutschland sowie die gesamte damit zusammenhängende Kampagne ist ein aussagekräftiges Beispiel für eine solche Kooperation
von NPD, JN und Neonaziszene. Beispielsweise führte die „Unterstützerliste“, die auf
einer eigens eingerichteten Kampagnen-Homepage eingestellt wurde, über 60 Gruppierungen auf, vor allem aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und RheinlandPfalz, aber auch aus anderen europäischen Ländern. Unter den deutschen Zusammenschlüssen auf der Liste waren zahlreiche neonazistische Strukturen wie etwa
das „Aktionsbüro Rhein-Neckar“, die „Nationalen Sozialisten Rastatt“ sowie Gruppierungen aus dem Bereich der „Autonomen Nationalisten“ (AN) wie die „Aktionsgruppe
Schwaben“ und die „AN Göppingen“. Daneben tauchten auf dieser „Unterstützerliste“
aber auch die NPD-Landesverbände Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und
Rheinland-Pfalz, die JN-Landesverbände Baden-Württemberg, Bayern und Hessen
sowie eine ungenannte Zahl von JN-„Stützpunkten“ in Rheinland-Pfalz auf. Laut
NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ (DS) führten „nationale Aktivisten der JN BadenWürttemberg“ in Heilbronn in Vorbereitung auf die Demonstration vom 1. Mai 2011
eine Flugblattaktion durch.118 Noch in ihrer Mai-Ausgabe druckte die DS unter der
Überschrift „Den Volkszorn auf die Straße tragen!“ bzw. „Heraus zum 1. Mai 2011!“
einen Text ab, der generell dazu aufrief, „an den nationalen Demonstrationen am
1. Mai 2011 teilzunehmen.“119 Auf der Demonstration in Heilbronn trat unter anderem
Karl Richter, damals DS-Chefredakteur und bis heute einer der stellvertretenden
NPD-Bundesvorsitzenden, als Redner auf. In ihrer Juni-Ausgabe 2011 druckte die
„Deutsche Stimme“ schließlich auch einen Bericht über die Heilbronner MaiDemonstration ab.120
116
117
118
119
120
Internetauswertung vom 8. November 2013.
Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 161-163.
Dass. (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2012, S. 153-155.
Vgl. Zeitung „Deutsche Stimme“ Nr. 04/11, S. 14.
Vgl. Zeitung „Deutsche Stimme“ Nr. 05/11, S. 8.
Vgl. Zeitung „Deutsche Stimme“ Nr. 06/11, S. 13.
32
2.3
Räumliche Vernetzung
2.3.1 Vernetzung mit Rechtsextremisten anderer Bundesländer
Neben dem aufgezeigten Ineinandergreifen der rechtsextremistischen Netzwerke
gibt es selbstverständlich auch räumliche Vernetzungen, die teils lose, szeneübliche
Kontakte (etwa Treffen bei einem rechtsextremistischen Konzert), teils aber auch
feste Kooperation (wie oben ausgeführt das Aktionsbüro Rhein-Neckar) umfassen
können. So gibt es Kontakte und Kooperation baden-württembergischer Rechtsextremisten zu anderen Rechtsextremisten aus dem Bundesgebiet, wobei selbstverständlich Kontakte zu Rechtsextremisten aus den Nachbarbundesländern häufiger
zu Stande kommen.
Speziell die rechtsextremistische Skinheadszene in der Nachwendezeit war geprägt
durch eine hohe Fluktuation, Flexibilität und Mobilität. Musik war das verbindende
Element der Szene, so dass Konzertbesuche sich vor allem in der Skinheadszene
als typische Wochenendbeschäftigung darstellten. Zum Teil wurden für den Besuch
von Musikveranstaltungen Fahrten von mehreren hundert Kilometern in andere Bundesländer und sogar ins Ausland in Kauf genommen. Auch sind im Zuge der Wanderbewegungen von Arbeitnehmern von Ost nach West in den Jahren nach der Wiedervereinigung eine Reihe von Angehörigen der rechtsextremistischen Szene aus
anderen Bundesländern aus wirtschaftlichen Gründen nach Baden-Württemberg gezogen.
Selbstverständlich ist eine bundesweite Vernetzung bei Rechtsextremisten, die in
rechtsextremistischen Parteien organisiert sind: Parteiveranstaltungen, gemeinsamer
Wahlkampf oder auch parteiinterne Publikationen oder Newsletter bieten hier eine
Basis für eine bundesweite Kommunikation und Vernetzung.
2.3.2 Vernetzung mit Rechtsextremisten im und aus dem Ausland
Aufgrund der für die rechtsextremistische Szene ideologisch zentralen bis konstitutiven Ideologeme Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit definieren deutsche Rechtsextremisten Begriffe wie „Deutscher“ und „Ausländer“
in der Regel grundlegend anders als Demokraten. Für sie ist nicht zwingend Deutscher, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sondern nur wer dem deutschen
Volk angehört – wohlgemerkt so, wie sie es im Sinne einer rassistisch konnotierten
Abstammungsgemeinschaft definieren. Das hat einerseits exklusive im Sinne von
ausgrenzenden Konsequenzen: Denn zu dieser Definition trägt unter anderem ein
Antisemitismus bzw. Rassismus bei, der beispielsweise Menschen jüdischen Glaubens oder anderer ethnischer Abstammung die Fähigkeit und das Recht abspricht,
Deutsche zu sein oder zu werden – völlig unabhängig davon, ob sie die deutsche
Staatsbürgerschaft besitzen oder die rechtlichen Voraussetzungen für ihren Erwerb
erfüllen. Die in der rechtsextremistischen Szene seit Jahren immer wieder auffla33
ckernde Agitation gegen deutsche Fußballer schwarzafrikanischer oder türkischer
Abstammung, denen das Recht abgesprochen wird, Deutschland in der Nationalmannschaft zu vertreten, ist nur ein möglicher Ausdruck dessen.
Andererseits hat diese Definition auch inklusive Konsequenzen in dem Sinne, dass
Rechtsextremisten in Europa Millionen Menschen im- oder explizit als „Deutsche“
vereinnahmen, die keine deutschen Staatsbürger und auch nicht im Bundesgebiet
ansässig sind, aber nach dieser rechtsextremistischen Logik einer rassistisch konnotierten Abstammungsgemeinschaft dem deutschen Volk angehören. Letztlich wird
diese vermeintliche deutsche Volkszugehörigkeit aus Praktikabilitätsgründen an der
deutschen Sprache festgemacht, so dass Rechtsextremisten Österreicher, deutschsprachige Schweizer oder auch Südtiroler als ihre „Landsleute“ ansehen, sofern sie
keinen Migrationshintergrund haben, der sich mit rechtsextremistischen, konkret rassistischen Vorstellungen von „Deutschsein“ nicht verträgt. In heute sehr seltenen Fällen werden in dieser Weise auch Niederländer und Flamen als „Niederdeutsche“ vereinnahmt. Manche Rechtsextremisten reklamieren auch immer noch die Elsässer als
„Brüder und Schwestern jenseits der Grenzen“.121 Nationale Grenzen spielen dabei
ohnehin für deutsche und baden-württembergische Rechtsextremisten keine Rolle.
Das hat für die Vernetzung deutscher und – aufgrund der geographischen Nähe zu
Österreich und der Schweiz – insbesondere auch baden-württembergischer Rechtsextremisten zur Folge, dass Vernetzung und Kooperation mit österreichischen oder
schweizerischen Gesinnungsgenossen nicht als Kontakte ins Ausland oder mit Ausländern gelten, sondern als Kontakte zu „Landsleuten“ in einem imaginären „Großdeutschland“. So ist auch zu erklären, dass die oben bereits erwähnte Person, die in
den Jahren 2007 bis 2009 als stellvertretender baden-württembergischer NPDLandesvorsitzender und in den Jahren 2009 und 2010 als NPDBundesvorstandsmitglied amtierte, österreichischer Staatsangehöriger war.
Wenn es sich um Gesinnungsgenossen handelt, sind Kontakte, Vernetzung und Kooperation auch mit Strukturen und Personen längst gängig, bei denen es sich selbst
aus rechtsextremistischer Sicht eindeutig um Nichtdeutsche handelt. Weder ist es
etwas Außergewöhnliches, wenn rechtsextremistische Skinheadbands aus dem nicht
deutschsprachigen Ausland auf Konzerten in Baden-Württemberg auftreten (wie etwa Bands aus Großbritannien, Spanien und Kanada bei Konzerten im Frühjahr 2011
in Rheinmünster-Söllingen), noch wenn baden-württembergische Bands auf solchen
Veranstaltungen im nicht deutschsprachigen Ausland spielen (wie etwa die Band
„Noie Werte“ aus dem Rems-Murr-Kreis und dem Raum Tübingen in den Jahren
2006 und 2009 in Italien oder die Band „Ultima Ratio“ aus dem Raum Stuttgart im
Jahr 2004 in Großbritannien). Auch wurden in vergangenen Jahren verschiedene
121
Zitat in: Innenministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2011, S. 2009.
34
gemeinsame Band- und CD-Projekte von baden-württembergischen mit britischen
Bands verwirklicht. Daneben treten auf rechtsextremistischen Demonstrationen in
Baden-Württemberg auch ausländische Redner auf. Beispielsweise sprachen auf
einer den neonazistischen „Autonomen Nationalisten“ zuzurechnenden Demonstration am 12. Oktober 2013 in Göppingen nur ein Baden-Württemberger, aber diverse
Personen aus anderen Bundesländern sowie ein Schweizer und sogar ein Grieche.122
122
Text „Das war die 2. Nationale Antikapitalismus Demo in Göppingen“ vom 14. Oktober 2013 auf
demo-goeppingen.org vom 13. November 2013. Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg
(Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2013, S. 171.
35
3.
Stellenwert der Musikszene für die „rechte Szene“
„Stellenwert und Bedeutung der Musikszene für die ‚rechte Szene‘ insgesamt“
3.1
Vorbemerkung
„Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen.
Besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit
Ideologie transportiert werden.“ Mit diesen Worten hatte Mitte der 1980er Jahre der
inzwischen verstorbene Gründer der „Blood & Honour“-Bewegung und Sänger der
englischen Skinhead-Band „Skrewdriver“, Ian Stuart Donaldson, auf die besondere
Bedeutung der Musik hingewiesen. Er sollte Recht behalten, denn rechtsextremistische Musik ist das verbindende subkulturelle Element bei der Entstehung und Verfestigung von Gruppen rechtsextremistischer Jugendlicher und spiegelt die typischen
Feindbilder der rechtsextremistischen Szene wider: „Fremde“, „Ausländer“, „Juden“,
politische Gegner und der demokratische Verfassungsstaat. Bei rechtsextremistischen Konzerten werden Kontakte geknüpft und gepflegt sowie über das Liedgut die
politische Ideologie verbreitet und somit auch Nachwuchs rekrutiert.
3.2
Vielfalt der rechtsextremistischen Musikszene
Die rechtsextremistische Skinheadmusik, die die harten und aggressiven Rhythmen
des Hard Rock oder Heavy Metal mit entsprechenden politischen Inhalten verbindet,
war lange Zeit der dominante Musikstil. Seit Anfang der 2000er Jahre hat sich das
Spektrum der rechtsextremistischen Musik um den Hard- bzw. Hatecore- oder Black
Metal-Stil sowie auch den Rap erweitert. Der Musik haftet das Image von Nonkonformität und Rebellion an; sie kommt daher oberflächlich betrachtet alles andere als
bieder, rückwärtsgewandt oder altmodisch daher. Dieses Image ist für viele Jugendliche attraktiv. Die Verwendung der englischen Sprache in Bandnamen oder Liedtexten ist mittlerweile akzeptiert. Die Skinheadmusikszene steht im Gegensatz zum historischen Nationalsozialismus, aber auch zu vielen heutigen, älteren Rechtsextremisten, die sich in ihrem Antimodernismus und ihrer NS-Gesinnung von modernen Musikrichtungen wie Rock oder Heavy Metal klar distanzieren und stattdessen traditionellere Musikstile wie z. B. das Volks- oder Kunstlied bevorzugen. Ergänzt wird die
stilistische Vielfalt der rechtsextremistischen Musikszene durch nicht der Skinheadszene zuzurechnende Liedermacher. Beliebt sind auch Stücke in Balladenform,
die nicht nur von Liedermachern, sondern auch von Bands eingespielt werden. Prominentes Beispiel für einen bekannten, wenn nicht den bekanntesten Vertreter der
rechtsextremistischen Liedermacherszene des deutschsprachigen Raums, ist Frank
Rennicke. Er war bis zu seinem Umzug nach Bayern im Jahr 2006 in Baden36
Württemberg wohnhaft. Durch seine vielfältigen Kontakte und Auftritte bei Veranstaltungen verschiedenster rechtsextremistischer Parteien und Organisationen erreicht
er bundesweit ein breites, an einzelnen Tagen in die Tausende gehendes Publikum
aus allen Altersstufen.
3.3
Musik als Teil der „Erlebniswelt Rechtsextremismus“
Der Konsum rechtsextremistischer Skinheadmusik im Speziellen wie das Bekenntnis
zum Rechtsextremismus im Allgemeinen scheinen in der bundesdeutschen Gesellschaft ein sicherer Weg für Jugendliche zu sein, Gesellschaft und Elterngeneration
nachhaltig zu provozieren. Dass die Ablehnung, die rechtsextremistischer Skinheadmusik entgegenschlägt, gute Gründe hat, wird von diesen Jugendlichen, die
alters- und/oder bildungsbedingt häufig noch nicht über eine fundierte politische Orientierung verfügen, nicht erkannt oder bewusst ignoriert. Für die Beantwortung der
Frage nach der Attraktivität rechtsextremistischer Skinheadmusik für Jugendliche
scheint aber ein weiterer Faktor noch wichtiger zu sein: Rechtsextremistische Skinheadmusik verbindet ideologische Indoktrination mit jugendspezifischen Formen der
Unterhaltung und der Freizeitgestaltung unter Gleichaltrigen. Sie ist somit wichtiger
Bestandteil einer „Erlebniswelt Rechtsextremismus“123, wie es der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen ausdrückt. Er verweist auf „die zentrale Bedeutung, die der Musik mit rechtsextremistischen Inhalten“ dabei zukomme.124 Dem
ist beizupflichten: Anders als bei potenziell trockenen, langweiligen oder gar intellektuell anstrengenden Vortragsabenden und Parteischulungen unter häufig deutlich
älteren Gesinnungsgenossen, steht der Unterhaltungswert eines Skinheadkonzertes
mindestens gleichwertig neben seiner ideologischen Indoktrinationsfunktion. Dadurch
kann ein Konzert geradezu Happening- oder Eventcharakter annehmen. Der einzelne Teilnehmer, zumal wenn es sich noch um einen Szene-Einsteiger handelt, kann
sich einbilden, ja „nur“ ein jugendkulturelles Konzert zu besuchen, wird aber gleichzeitig mit eindeutigen Inhalten beschallt. Somit betreiben diese Konzerte und die auf
123
124
Vgl. Thomas Pfeiffer, Menschenverachtung mit Unterhaltungswert. Musik, Symbolik, Internet – der
Rechtsextremismus als Erlebniswelt, in: Stefan Glaser/Thomas Pfeiffer (Hrsg.), Erlebniswelt
Rechtsextremismus. Menschenverachtung mit Unterhaltungswert. Hintergründe – Methoden –
Praxis der Prävention, 3. überarbeitete und ergänzte Auflage, Schwalbach/Ts. 2013, S. 44-64.
Text „Menschenverachtung als Unterhaltungswert“ vom März 2005 auf www.im.nrw.de vom 29.
Juni 2006. Konkret definiert der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz diese „Erlebniswelt
Rechtsextremismus“ u. a. wie folgt: „Die Kombination von Freizeit- und Unterhaltungswert mit politischen Inhalten, die um einen fremdenfeindlichen Kern und die Verherrlichung, zumindest die Verharmlosung des Nationalsozialismus kreisen, ist zum Kennzeichen des zeitgenössischen Rechtsextremismus geworden. Diese Verbindung kann als ‚Erlebniswelt Rechtsextremismus’ bezeichnet
werden. […] Generell ist unter einer ‚Erlebniswelt Rechtsextremismus’ die Verbindung von Lebensgefühl, Freizeitwert und politischen Botschaften in dieser Szene zu verstehen. Der Begriff
meint somit alle Formen, in denen Anhänger der Szene - besonders gilt dies für Jugendliche - aktiv
werden, etwas unternehmen können, somit im Kontext des Rechtsextremismus Unterhaltung finden. […] Die Erlebniswelt vermittelt nicht nur Feindbilder - etwa Schwarze, Juden oder Homosexuelle -, sondern auch Wir-Gefühle, die auf nationalistischen oder rassistischen Prämissen beruhen.“
37
ihnen auftretenden Bands so etwas wie lautstarke Werbung in Sachen Rechtsextremismus. Ähnliches gilt für die entsprechenden Tonträger.
3.4
Organisation von Konzerten
Die Mehrzahl der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Konzerte wird von
Einzelpersonen, die seit Jahren der Skinheadszene angehören, oder regionalen
Gruppen geplant und organisiert. Die Mobilisierung verläuft in den meisten Fällen
über Telefonketten, per SMS über Handy, Mailinglisten im Internet und Mund-zuMund-Propaganda. Die Teilnehmer erfahren in aller Regel nur einen Treffpunkt, von
dem aus sie dann zum eigentlichen Veranstaltungsort weitergeleitet werden; auch
kurzfristig ist es so möglich, einen großen Personenkreis zu mobilisieren.
Besonders aktiv bei der Durchführung von Konzerten war bis zu ihrem Verbot im
Jahr 2000 die bundesweit agierende neonazistische Organisation „Blood & Honour“
mit ihrer Jugendorganisation „White Youth“. Mit dem Verbot der Organisation ging
die Zahl der Konzerte zunächst zurück. Allerdings hatten sich nicht alle ehemalige
„Blood & Honour“-Aktivisten aus der Konzertorganisation zurückgezogen, sondern
waren zwischen 2003 bis 2005 wieder im Musiksektor tätig. Nach Exekutivmaßnahmen wegen Nachfolgebestrebungen der verbotenen Organisation „Blood & Honour“
im März 2006 ließen die Konzertaktivitäten wieder spürbar nach.125
Auch die 1986 in den USA gegründeten „Hammerskins“, deren Ziel die Vereinigung
aller „weißen, nationalen“ Kräfte ist, erzielen Außenwirkung durch die Organisation
von rechtsextremistischen Konzerten. Die seit Anfang der 1990er Jahre auch in
Deutschland aktive „Hammerskin“-Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, die „weiße
Rasse“ zu beschützen sowie alle rechtsextremistischen Skinheads in einer weltweiten „Hammerskin-Nation“ zu vereinigen.
Seit Beginn der 2000er Jahre ist eine zunehmende Vernetzung der Skinheadszene
mit anderen Teilsegmenten des deutschen Rechtsextremismus feststellbar. Diese
Vernetzung äußert sich unter anderem darin, dass rechtsextremistische Organisationen, die nicht der Skinheadszene zuzurechnen sind, Skinheadkonzerte veranstalten
oder doch zumindest Skinheadbands auf ihren Veranstaltungen auftreten lassen.
Speziell wenn rechtsextremistische Parteien als Veranstalter von Skinheadkonzerten
auftreten, bedeutet das zudem für die beteiligten Skinheadbands einen höheren
Schutz der Veranstaltungen vor staatlichen Maßnahmen wie Verbot oder Auflösung.
Auch ist in den letzten Jahren in der Skinheadszene eine stärkere Gleichgültigkeit,
aber auch eine bessere, vor allem juristische Absicherung gegenüber staatlichen
Kontroll- und Exekutivmaßnahmen zu beobachten, was unter anderem mit den innerhalb der Szene durchgeführten Rechtsschulungen zusammenhängen dürfte. So
125
Die Exekutivmaßnahmen basierten auf Erkenntnissen des LfV BW sowie des LKA BW.
38
fanden beispielsweise im Jahr 2005 in Baden-Württemberg 26 Konzerte statt, obwohl
bei einem Großteil dieser Veranstaltungen die Polizei Vorkontrollen, in einzelnen Fällen sogar Razzien durchgeführt hatte. Seit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahr 2010,126 in dem das Gericht ein rechtsextremistisches Konzert grundsätzlich einer Versammlung gleichstellt, ist es auf
Grund des geltenden Versammlungsrechts für die Polizei erheblich schwieriger geworden, vor Ort polizeiliche Maßnahmen wie Platzverweise, kurzfristige Observationen oder Bild- und Tonaufzeichnungen zu ergreifen oder Daten zu erheben und zu
speichern. Ein Verbot oder eine Auflösung solcher Konzerte ist nur in den engen
Grenzen des Versammlungsgesetzes möglich, mithin ist der Rückgriff auf die eingriffsrechtlichen Möglichkeiten des Polizeirechts nahezu ausgeschlossen. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat eine Handreichung zum Umgang mit solchen rechtsextremistischen Musikveranstaltungen für die Einsatzkräfte erarbeitet.
3.5
Veranstaltungsorte
Die rechtsextremistische Szene ist in der Lage, schnell und flexibel umzudisponieren,
beispielsweise kurzfristig einen Veranstaltungsort auch über größere Entfernungen
zu wechseln. Diese organisatorischen und logistischen Leistungen werden nicht zuletzt dadurch begünstigt, dass die Szene über eigene Veranstaltungsörtlichkeiten
verfügt. Ein Beispiel für ein szeneeigenes Objekt war die Gaststätte „Rössle“ in
Rheinmünster-Söllingen im Landkreis Rastatt, welche Anfang des Jahres 2010 von
einem Angehörigen der rechtsextremistischen Szene angemietet wurde. Dieses
Mietverhältnis endete im Juni 2011, so dass dort für rund zwei Jahre keine Konzerte
mehr durchgeführt werden konnten. Zwischen Juni und November 2013 fanden indes wieder fünf der insgesamt acht Konzerte des Jahres in Baden-Württemberg in
Rheinmünster-Söllingen statt. Mit dem „Rössle“ stand der rechtsextremistischen
Szene eine Örtlichkeit zur Verfügung, in der Veranstaltungen in eigener Regie, mit
geringem Aufwand und mit hoher Planungssicherheit betrieben werden konnten. Wie
die Erfahrungen der Vergangenheit in ähnlichen Fällen gezeigt haben, wird von diesen für die Veranstalter positiven Rahmenbedingungen Gebrauch gemacht, solange
es geht.
Der Netzwerkcharakter der rechtsextremistischen Szene treibt mitunter kuriose Blüten: Ein nordrheinwestfälischer Kreisverband der – zumindest personell – in Richtung
Neonazismus tendierenden Partei „DIE RECHTE“ veranstaltete am 16. November
2013 eines der Konzerte im „Rössle“. Das Konzert diente der Partei als Auftakt für
den Kommunalwahlkampf in Nordrhein-Westfalen, obwohl es hunderte von Kilometern von der nordrhein-westfälischen Landesgrenze entfernt stattfand. Die ursprüng126
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Juli 2010, 1 S 349/10.
39
lich zu diesem Zweck geplante Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen war kurzfristig
aus bauordnungsrechtlichen Gründen verboten worden, so dass die Partei nach
Rheinmünster-Söllingen auswich. Seit das „Rössle“ zum 1. Januar 2014 vom Landkreis Rastatt angemietet wurde, steht es für rechtsextremistische Veranstaltungen
nicht mehr zur Verfügung.
Im Jahr 2014 fanden bislang127 lediglich zwei rechtsextremistische Konzerte in Baden-Württemberg statt. Rechtsextremistische Skinheads aus Baden-Württemberg
sind jedoch nicht allein auf das Konzertgeschehen im eigenen Bundesland angewiesen. Bereits seit vielen Jahren nehmen sie zum Teil weite Wegstrecken auf sich, um
Konzerte in anderen Bundesländern oder sogar im Ausland zu besuchen. Aktuell
sind erneut Konzerte im angrenzenden Elsass beliebt, bei deren Organisation deutsche Rechtsextremisten zum Teil maßgeblich beteiligt sind. Die Szene verspricht
sich vom Ausweichen ins Ausland, dem staatlichen Verfolgungsdruck im eigenen
Land zu entgehen. Bei Konzerten in Grenznähe zu Frankreich und der Schweiz sind
regelmäßig Teilnehmer sowie Bands aus den benachbarten Ländern festzustellen.
Um wirksame Kontrollen zu ermöglichen, arbeiten Polizei und Verfassungsschutz
eng mit den Nachbarländern zusammen.
3.6
Vertrieb rechtsextremistischer Musik
Rechtsextremistische Musik ist im allgemeinen Handel nicht erhältlich. Für Produktion und Verbreitung rechtsextremistischer Musik und Propagandamaterialien haben
sich eigene nationale und internationale Vertriebsstrukturen entwickelt. Bei Konzerten bieten mobile Händler außerdem Tonträger und Merchandise-Artikel von rechtsextremistischen Bands an. Baden-Württemberg ist kein Schwerpunkt bundesweiter
Vertriebsaktivitäten.
Ein interessantes Beispiel für den Versuch der rechtsextremistischen Szene, mit Musik ideologisch noch nicht gefestigte Schüler zu ködern, die bislang keinen Kontakt
zur rechtsextremistischen Szene hatten, ist das 2004 gestartete sog. „Projekt Schulhof“. Dabei sollten bundesweit massenhaft CDs mit dem Titel „Anpassung ist Feigheit – Lieder aus dem Untergrund“ kostenlos auf oder in der Nähe von Schulhöfen
verteilt werden. Dieser moderne Ansatz setzt zielgruppengerecht auf rechtsextremistische Musik und hat in der Folge einige Nachahmer gefunden. Trotz des richterlichen Beschlagnahmebeschlusses für die CD werden immer wieder sog. SchulhofCDs von rechtsextremistischen Gruppen oder auch der NPD und JN herausgegeben.
Diese werden zumindest regional verteilt und im Internet zum Download angeboten.
Ideologisch bewegen sich die CDs auf ausgetretenen rechtsextremistischen Pfaden
und propagieren rechtsextremistische Gegenentwürfe zur westlichen Moderne. Über
127
Stand: 12. August 2014.
40
den Konsum der Musik kann das Interesse von Jugendlichen für die Szene geweckt
werden. Genau diesen Rekrutierungseffekt wollen die Macher der CD-Projekte sich
und der gesamten rechtsextremistischen Szene zunutze machen.128
3.7
Rechtsextremistische Musik und der NSU
Auch der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) versuchte, die Wirkung rechtsextremistischer Musik für seine Zwecke zu nutzen. Das Bekennervideo des NSU war
mit Liedern der baden-württembergischen Band „Noie Werte“ aus deren Alben „Am
Puls der Zeit“ und „Kraft für Deutschland“ unterlegt. Die 1991 veröffentlichte LP „Kraft
für Deutschland“ wurde 1992 indiziert. Persönliche Verbindungen zwischen den
Bandmitgliedern und dem NSU konnten trotz intensiver behördlicher Ermittlungen
nicht festgestellt werden. Die Band „Noie Werte“ wurde 1987 in Esslingen gegründet
und gab Anfang 2011 ihre Auflösung bekannt. Die Band erlangte durch zahlreiche
Veröffentlichungen von Tonträgern und durch Auftritte auf rechtsextremistischen
Konzerten im In- und Ausland sowie durch ausgezeichnete überregionale Kontakte
zu mitunter bekannten Rechtsextremisten einen über die Grenzen der Bundesrepublik hinausgehenden Beliebtheits- und Bekanntheitsgrad.
3.8
Inhalt der Liedtexte
Die Texte rechtsextremistischer Skinheadbands thematisieren einerseits das Selbstverständnis und das Lebensgefühl der rechtsextremistischen Skinheadszene. So ist
die Verherrlichung des Skinheaddaseins (z. B. des szenetypischen exzessiven Alkoholkonsums) ein häufig wiederkehrendes Motiv in den Liedern dieser Bands. Andererseits ist rechtsextremistische Skinheadmusik das wichtigste Propagandamedium,
über das rechtsextremistische Inhalte in die (Skinhead-) Szene transportiert werden.
Zahlreiche Liedtexte übernehmen Themen der germanischen bzw. völkischgermanischen Mythologie. Sie verherrlichen offen oder unterschwellig den Nationalsozialismus, den Krieg und deutsche Soldaten als Helden. Andere Lieder richten sich
gegen Kapitalismus und Globalisierung sowie gegen vermeintliche gesellschaftliche
Missstände. Das politische System, das für eine Lösung der Probleme nicht geeignet
128
Neben repressiven Maßnahmen ist die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus als wichtigste Präventionsmaßnahme unverzichtbar. Vor allem Jugendliche, die unter
Verwendung jugendspezifischer Medien ins Visier der Rechtsextremisten geraten, müssen über
rechtsextremistische Bestrebungen aufgeklärt werden. Hierzu leistet das Landesamt für Verfassungsschutz seit Jahren insbesondere an Haupt- und Berufsschulen des Landes sowie im Rahmen
der Lehrerfortbildung einen wertvollen Beitrag. Im Jahr 2005 wurden in Reaktion auf das „Projekt
Schulhof“ diese Bemühungen noch intensiviert. Das LfV BW ist Kooperationspartner der Landeszentrale für politische Bildung beim Projekt „Team MeX – Mit Zivilcourage gegen Rechtsextremismus“. Im Rahmen dieses Projekts werden Projekttage an Schulen sowie Fortbildungen für Multiplikatoren (Schulräte, Schulleiter, Musikpädagogen, Gewaltpräventionsbeauftragte) in der Jugendarbeit angeboten.
41
sei, wird als korrupt dargestellt.129 Beispielhaft sei hier der Refraintext des Liedes
„Die Abrechnung“ von der CD „Revolution“ von der Band „Act of Violence“ aus dem
Jahr 2006 genannt:
„Wir führen Krieg mit der Gitarre gegen ein krankes, korruptes System.
Wir töten Seelen mit unsern Worten. 60 Jahre sind genug!
Es ist Zeit für Euch zu gehen! Es ist Zeit für Euch zu gehen!“130
Bei solcher Hetze wird zuweilen auch – direkt oder indirekt – zur Gewaltanwendung
aufgerufen. Spätestens in solchen Fällen kann der gewaltbejahende, geradezu verhetzende Charakter zumindest von Teilen der rechtsextremistischen Skinheadmusik
nicht in Zweifel gezogen werden. Dieser inhaltlich verhetzende Charakter wird oft
noch akustisch-stilistisch unterstrichen und verstärkt, z. B. durch stakkatohafte, aufpeitschende und aggressive Rhythmen und Melodien sowie durch bis zur akustischen Unverständlichkeit gepresst vorgetragenen und gegrölten Gesang. Derartigen
Texten ist eine bei ihren meist jugendlichen Konsumenten langfristig ideologisch indoktrinierende, fanatisierende, gleichzeitig eine moralisch verrohende, enthemmende
Wirkung zuzuschreiben, die damit auch Gewaltbereitschaft und in letzter Konsequenz sogar Gewalttätigkeit erzeugen kann. Außerdem geben solche Texte durch
die wiederholt in ihnen artikulierte Hetze gegen gängige rechtsextremistische Feindbilder der Gewalt die Angriffsziele vor. Rechtsextremistische Skinheadmusik kann
daher eine der Ursachen rechtsextremistisch motivierter Gewalt sein. Die meisten
von rechtsextremistischen Skinheadbands produzierten Liedtexte bewegen sich jedoch unterhalb der Schwelle zum konkreten Gewaltaufruf – wohl nicht zuletzt, weil
die Bands andernfalls juristische Folgen zu befürchten hätten. Solche Befürchtungen
dürften die Ursachen dafür sein, dass in den letzten Jahren sehr viel häufiger rechtsextremistische Skinheadtexte nachweisbar sind, die eine dumpfe, inhumane Atmosphäre aus Gewaltbereitschaft und Gewaltverherrlichung, aus Hass, Wut, Zorn, Rachephantasien, Verachtung sowie Mitleid- und Gnadenlosigkeit verströmen, ohne
dabei jedoch zu konkreten Gewalttaten aufzurufen. Selten sind auch die Fälle, bei
denen ein direkter zeitlicher und kausaler Zusammenhang zwischen rechtsextremistischer Skinheadmusik „aus der Konserve“, also beispielsweise von CD, und rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten eindeutig nachgewiesen werden kann.
Die in Baden-Württemberg ansässigen einschlägigen Bands bemühen sich, überwiegend Liedtexte unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit zu veröffentlichen, und
lassen sie vor der Produktion häufig anwaltlich prüfen. Oder aber die Band produziert
und vertreibt ihre Tonträger im Ausland – wie im Falle von „Race War“ aus dem Ost129
130
Vgl. Broschüre „Rechtsextremistische Musik“, S. 6, Herausgeber: Bundesamt für Verfassungsschutz, Juli 2007.
Textwiedergabe nach dem akustischen Verständnis. Die Refraintextversion, die dem CD-Booklet
zu entnehmen ist, unterscheidet sich von der gesungenen Version nur sehr geringfügig.
42
albkreis: Diese Ende 2000 / Anfang 2001 gegründete rechtsextremistische Skinheadband veröffentlichte bis zum Jahr 2005 mehrere indizierte Tonträger, deren
Liedtexte insbesondere zum Rassenhass auffordern.131 Außerdem trat die Band bei
zahlreichen rechtsextremistischen Skinheadkonzerten im In- und Ausland auf und
erlangte damit einen europaweiten Bekanntheitsgrad. Gestützt auf Erkenntnisse der
Polizei und des Verfassungsschutzes, verurteilte das Landgericht Stuttgart die vier
Mitglieder von "Race War" im November 2006 unter anderem wegen Bildung einer
kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB. Ihnen wurde vorgeworfen, mit ihrer Musik die nationalsozialistische Ideologie verbreitet und die NS-Zeit glorifiziert zu haben.
Die Bandmitglieder erhielten Haftstrafen zwischen 17 und 23 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.
131
Sobald das LfV BW oder das LKA BW Kenntnis von Veröffentlichungen rechtsextremistischer
Bands aus Baden-Württemberg erlangt, prüft es sie auf strafrechtliche und jugendgefährdende Inhalte. Bei Verdacht auf strafrechtliche Relevanz wird die Polizei informiert, die wiederum die zuständige Staatsanwaltschaft zur juristischen Bewertung und eventuellen Strafverfolgung einschaltet. Außerdem macht das LfV BW von der Möglichkeit Gebrauch, Indizierungen, insbesondere von
Tonträgern wegen ihrer jugendgefährdenden Inhalte, bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) anzuregen. Aus der Indizierung einer CD ergeben sich strafbewehrte Verbreitungs- und Werbebeschränkungen, insbesondere dürfen entsprechende Tonträger Kindern und
Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zugänglich gemacht werden.
43
Anhang
Entwicklung des rechtsextremistischen Personenpotenzials
in Deutschland 1991–2013
Entwicklung des rechtsextremistischen Personenpotenzials
in Baden-Württemberg 1991–2013
Entwicklung der rechtsextremistischen Straftaten
in Deutschland und Baden-Württemberg von 1991 bis 2013
Entwicklung der rechtsextremistischen Gewalttaten
in Deutschland und Baden-Württemberg von 1991 bis 2013
Rechtsextremistische Demonstrationen
in Deutschland und Baden-Württemberg 2001–2013
Entwicklung der Anzahl rechtsextremistischer Skinheadkonzerte 1997–2013
Entwicklung der Anzahl rechtsextremistischer Skinheadbands 1997–2013
Entwicklung der rechtsextremistischen Skinheadszene
in Baden-Württemberg 1991–2013
Wahlergebnisse rechtsextremistischer Parteien
bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen 1987–2014
44
45
46
47
48
49
50
51
52
Wahlergebnisse rechtsextremistischer Parteien
bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen 1987–2014
1987–1990
Wahlart
Bundestagswahl
LTW Hessen
LTW RheinlandPfalz
LTW Hamburg
LTW Bremen
LTW BadenWürttemberg
LTW SchleswigHolstein
LTW Berlin
Europawahl
LTW Saarland
LTW NordrheinWestfalen
LTW Niedersachsen
LTW Bayern
LTW Brandenburg
LTW MecklenburgVorpommern
LTW Thüringen
LTW Sachsen
LTW SachsenAnhalt
LTW Berlin
Bundestagswahl
Wahldatum
25.01.1987
05.04.1987
LTW Hessen
LTW RheinlandPfalz
LTW Hamburg
LTW Bremen
LTW SchleswigHolstein
LTW BadenWürttemberg
LTW Hamburg
LTW Niedersachsen
Europawahl
LTW SachsenAnhalt
LTW Brandenburg
LTW Sachsen
LTW Bayern
Bundestagswahl
LTW MecklenburgVorpommern
REP
DVU
NPD
0, 6
17.05.1987
17.05.1987
13.09.1987
1, 2
20.03.1988
1, 0
2, 1
08.05.1988
29.01.1989
18.06.1989
28.01.1990
0. 6
7, 5
7, 1
3, 4
1, 2
13.05.1990
1, 8
0, 0
13.05.1990
14.10.1990
14.10.1990
1, 5
4, 9
1, 1
0, 2
14.10.1990
14.10.1990
14.10.1990
0, 9
0, 8
0, 2
0, 2
0, 7
14.10.1990
14.10.1990
02.12.1990
0, 6
3, 1
2, 1
0, 2
20.01.1991
1, 7
21.04.1991
02.06.1991
29.09.1991
2, 0
1, 2
1, 5
DP
0, 8
3, 4
1, 6
0, 2
0, 1
0, 3
1991–2000
05.04.1992
6, 2
6, 3
05.04.1992
19.09.1993
10, 9
4, 8
13.03.1994
12.06.1994
3, 7
3, 9
26.06.1994
11.09.1994
11.09.1994
25.09.1994
16.10.1994
1, 4
1, 1
1, 3
3, 9
1, 9
16.10.1994
1, 0
0, 9
2, 8
0, 2
0, 2
0, 1
0, 1
53
LTW Saarland
LTW Thüringen
LTW Hessen
LTW Bremen
LTW NordrheinWestfalen
LTW Berlin
LTW BadenWürttemberg
LTW RheinlandPfalz
LTW SchleswigHolstein
LTW Hamburg
LTW Niedersachsen
LTW SachsenAnhalt
LTW Bayern
LTW MecklenburgVorpommern
Bundestagswahl
LTW Hessen
LTW Bremen
Europawahl
LTW Saarland
LTW Brandenburg
LTW Thüringen
LTW Sachsen
LTW Berlin
LTW SchleswigHolstein
LTW NordrheinWestfalen
16.10.1994
16.10.1994
19.02.1995
14.05.1995
1, 4
1, 3
2, 0
0, 3
14.05.1995
22.10.1995
0, 8
2, 7
24.03.1996
9, 1
24.03.1996
3, 5
24.03.1996
21.09.1997
1, 8
01.03.1998
2, 8
26.04.1998
13.09.1998
0, 7
3, 6
12, 9
27.09.1998
27.09.1998
07.02.1999
06.06.1999
13.06.1999
05.09.1999
05.09.1999
12.09.1999
19.09.1999
10.10.1999
0, 5
1, 8
2, 7
2, 9
1, 2
2, 5
0, 4
4, 3
4, 9
3, 0
5, 3
3, 1
27.02.2000
14.05.2000
0, 1
0, 2
1, 7
1, 3
0, 8
1, 5
2, 7
0, 3
0, 1
1, 1
0, 3
0, 2
0, 3
0, 4
0, 7
0, 2
1, 4
0, 8
1, 0
1, 1
0, 0
2001–2010
LTW BadenWürttemberg
LTW RheinlandPfalz
LTW Hamburg
LTW Berlin
LTW SachsenAnhalt
LTW MecklenburgVorpommern
Bundestagswahl
LTW Hessen
LTW Niedersachsen
LTW Bremen
LTW Bayern
LTW Hamburg
Europawahl
LTW Thüringen
LTW Saarland
LTW Brandenburg
25.03.2001
4, 4
25.03.2001
23.09.2001
21.10.2001
2, 4
0, 1
1, 3
0, 2
0, 5
0, 7
0, 9
21.04.2002
22.09.2002
22.09.2002
02.02.2003
0, 3
0, 6
1, 3
02.02.2003
25.05.2003
21.09.2003
29.02.2004
13.06.2004
13.06.2004
05.09.2004
19.09.2004
0, 4
0, 8
0, 4
2, 3
0, 5
2, 2
0, 3
0, 9
1, 6
4, 0
1, 9
2, 0
0, 2
0, 1
6, 1
54
LTW Sachsen
LTW SchleswigHolstein
LTW NordrheinWestfalen
Bundestagswahl
LTW BadenWürttemberg
LTW RheinlandPfalz
LTW SachsenAnhalt
LTW MecklenburgVorpommern
LTW Berlin
LTW Bremen
LTW Hessen
LTW Niedersachsen
LTW Hamburg
LTW Bayern
LTW Hessen
Europawahl
LTW Saarland
LTW Thüringen
LTW Sachsen
Bundestagswahl
LTW SchleswigHolstein
LTW Brandenburg
LTW NordrheinWestfalen
19.09.2004
9, 2
20.02.2005
1, 9
22.05.2005
18.09.2005
0, 8
0, 6
0, 9
1, 6
26.03.2006
2, 5
0, 7
26.03.2006
1, 7
1, 2
26.03.2006
0, 5
17.09.2006
17.09.2006
13.05.2007
27.01.2008
27.01.2008
24.02.2008
28.09.2008
18.01.2009
07.06.2009
30.08.2009
30.08.2009
30.08.2009
27.09.2009
27.09.2009
27.09.2009
3, 0
7, 3
2, 6
0, 9
2, 7
1, 0
0, 9
0, 0
1, 5
0, 8
1, 2
0, 9
0, 6
0, 4
0, 4
0, 2
0, 4
0, 1
1, 5
4, 3
5, 6
1, 5
0, 2
1, 1
0, 9
2, 6
09.05.2010
0, 7
2011–2014
LTW Hamburg
LTW SachsenAnhalt
LTW BadenWürttemberg
LTW RheinlandPfalz
LTW Bremen
LTW MecklenburgVorpommern
LTW Berlin
LTW Saarland
LTW SchleswigHolstein
LTW NordrheinWestfalen
LTW Niedersachsen
LTW Bayern
LTW Hessen
Bundestagswahl
Europawahl
20.02.2011
0, 9
20.03.2011
4, 6
27.03.2011
0, 97
27.03.2011
22.05.2011
1, 1
1, 6
04.09.2011
18.09.2011
25.03.2012
6, 0
2, 1
1, 2
06.05.2012
0, 7
13.05.2012
0, 5
20.01.2013
15.09.2013
22.09.2013
22.09.2013
25.05.2014
0, 8
0, 6
1, 1
1, 3
1, 0
55