Transcription
PDF
magazin BILFINGER WAS UNS EINMALIG MACHT 01.2013 METAMORPHOSE | 8 Bilfingers Wandel zum Engineering- und Servicekonzern DER DOPPELTE PROFESSOR | 22 Ein dänischer Wissenschaftler und sein Roboter-Double MODELL VOM ICH | 32 Ist unsere Identität mehr als Einbildung? ENGINEERING AND SERVICES 2 WE MAKE IT WORK 3 Fotos picture alliance BILFINGER MAGAZIN 01.2013 BRITISCHER SPORTSGEIST „It’s raining cats and dogs”, sagten die Zuschauer am 7. Juli 2012, als Starkoch Jamie Oliver das olympische Feuer ein paar Meilen weit durch den strömen den Regen von Essex trug. Insge samt 8 000 Fackelträger waren an der Stafette durchs Verei nigte Königreich beteiligt, bei der das schlimmste Schmuddelwetter der Fackel nichts anhaben konnte. Durch die Versuche im BMW-Klimawindkanal war sie bestens ausgetestet: In dem von Bilfinger erstell- ten Prüfkanal in München lässt sich jede Wetterlage realitätsgetreu simulieren – nur Wildwasser nicht. Der Gischt im Lee Valley White Water Centre konnte die Flamme zunächst nicht widerstehen, sie musste neu entfacht werden. Beim zweiten Ver such brachten die Paddler um den 20-jährigen Fackelträger Zachary Franklin die Flamme dann brennend durch den olympischen Kanal. Ein Hoch auf den britischen Sportsgeist! 4 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 INHALT 5 18 EDITORIAL 28 LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, 37 38 44 48 in den nächsten Monaten werden Sie überrascht sein, wie viele Menschen das neue Bilfinger-Logo auf ihrer Arbeitskleidung tragen: Es sind Mitarbeiter von Krankenhäusern und Kraftwerken, von Schulen oder Industrieanlagen. Sie alle sind Teil unseres Unternehmens, das seine Identität aus dem Zusammenwirken verschiedenster Kom petenzen schöpft. Roland Koch Vorstandsvorsitzender der Bilfinger SE 8 20 22 28 32 38 44 48 New Bilfinger Interview: Roland Koch Doppelter Professor Zeit ist relativ Das Ich ist ein Phantom Deutscher Samstag Zum 150. Geburstag Familienfreundlich Aus dem Bauunterneh- Wo steht Bilfinger heute Henrik Schärfe hat einen Die Zeit führt von der Unsere Identität sei nur Bilfinger wirbt mit Julius Berger war Grün- Um im Wettbewerb beste- men ist ein weltweiter und wohin bewegt sich Roboter bauen lassen, Zukunft in die Vergangen- eine Einbildung, das „Ich“ „German Engineering“ – der einer der drei Vor- hen zu können, müssen Engineering- und Service- der Konzern? Ein ganz der ihm aufs Haar gleicht. heit, glauben die Aymara. lediglich ein vom Gehirn hochwertiger Arbeit, gängergesellschaften von Unternehmen familien- konzern geworden. In neuer Unternehmenstyp Im dänischen Aalborg Das Andenvolk unter- erzeugtes Modell. Das be- erbracht von fleißigen Bilfinger. Er und seine freundlicher werden. Ein der Öffentlichkeit ist das soll geschaffen werden, erforscht er, wie die Men- scheidet sich damit vom hauptet der Mainzer Philo- Mitarbeitern. Sind die Frau kamen im Konzen- Gastbeitrag von Gisela kaum bekannt. Das soll sagt der Vorstandsvor- schen auf sein Maschinen- Rest der Welt. sophieprofessor Thomas Deutschen wirklich so trationslager Theresien- Erler, Politikerin und Un- sich jetzt ändern. sitzende. Double reagieren. Metzinger. arbeitsam? stadt ums Leben. ternehmerin. 2 WE MAKE IT WORK 6 KALEIDOSKOP 26 KOMPLEMENTÄR 34 HEUREKA! 37 WAS IST EIGENTLICH 46 NEWS 50 INNENLEBEN Olympischer Fackellauf Facetten des „Ich“ Feuerwehreinsatz Lösungen von Bilfinger ... ein Langstreckenmolch? Aus dem Unternehmen Karen Schenkelberg Wenn ich die verschiedenen Unternehmenseinheiten besuche, staune ich jedes Mal neu über die Fülle des Wissens und wie sich das Spezialistentum unserer Mitarbeiter ergänzt. Mit unserer neuen Markenstrategie wollen wir das große Potenzial, das in dieser Vielfalt steckt, ins rechte Licht rücken. „We make it work“, lautet deshalb unser zentrales Kundenversprechen. Ihr 6 KALEIDOSKOP IDENTITÄT 7 Fotos Ari Versluis und Ellie Uyttenbroek, Bundesdruckerei, Frank Schultze BILFINGER MAGAZIN 01.2013 INDIVIDUALIST? Sie glauben, Sie seien einzigartig? Dann schauen Sie mal auf der Homepage von Ari Versluis und Ellie Uyttenbroek vorbei. Auf den Straßen Rotterdams, aber auch in anderen europäischen Metropolen, finden die beiden Fotokünstler ihre Models: Menschen, die zumindest äußerlich weniger „ich“ sind als „wir“. Exactitudes heißt das Projekt, eine Wortschöpfung aus „exact“ und „attitude“. In hunderten Tableaus von je zwölf Porträts entlarven die Fotokünstler den Wunsch des Einzelnen nach Einzigartigkeit und Abgrenzung und belegen gleichzeitig das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit. Ich-Perspektive „Ich denke, also bin ich“, sagte René Descartes: Das „Ich“ als Basis aller Erkenntnissuche und Identitätsfindung, in diversen Sprachen: DAS WIEDERSEHEN Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert.“„Oh!“, sagte Herr K.und erbleichte. Parabel von Bertolt Brecht 1 Yo Én Ég minä Ego Jeg Jag Já Ik εγώ 2 WWW.EXACTITUDES.COM I Jeg I Je Io Ick Ja Bayerisch Dänisch Englisch Französisch Italienisch Ostfriesisch Polnisch Spanisch Ungarisch Isländisch Finnisch Latein Norwegisch Schwedisch Tschechisch Niederländisch Griechisch „Ich im Dialog“, ein Werk von Jan van Munster im Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna. FLAGGE ZEIGEN VERLIEBT Fahnen spiegeln das Selbstverständnis von Nationen in Erika (1) BRASILIEN: Der blaue Kreis stellt den Himmel weißen Strand geht über dem Meer die Sonne auf. (2) Grüne Augen, 160 Zentimeter groß, Erika über Rio de Janeiro am 15. November 1889 dar – PALAU: Der Mond leuchtet über dem Blau des Mustermann, geborene Gabler. Als die Bundes- der Tag, an dem aus dem Kaiserreich eine Republik Pazifischen Ozeans. Bei Vollmond werden in dem regierung 1982 einen neuen Personalausweis wurde. Die Sterne symbolisieren die Bundesstaaten, Inselstaat mit nur 20 000 Einwohnern traditionell einführte, wurde die junge Frau zur Kultfigur. die sich dem Motto „ordem e progresso“ (Ordnung Bäume gefällt, Boote gebaut und Feste gefeiert. Massenweise gingen bei der Bundesdruckerei, und Fortschritt) verschrieben. ANTIGUA UND BHUTAN: Safrangelb ist die Farbe des Königs, die ein Muster des neuen Dokuments veröffent- BARBUDA: Im Jahre 1966 suchte der Karibikstaat Orangerot steht für die Kraft des Buddhismus. licht hatte, Anfragen ein: nach der Adresse der eine neue Flagge und schrieb einen Wettbewerb Der Donner, der im Himalaya häufig zu hören ist, jungen Dame, ob man sie treffen, sie gar vom aus. Das Preisgeld von 500 Dollar gewann dieser wird dem weißen Drachen zugesprochen, dem Fleck weg heiraten könne. Die Behörde, die aus Entwurf: Das Schwarz steht für die afrikanischen Symbol des Landes. Seine Krallen halten Juwelen – Kostengründen eine Mitarbeiterin abgelichtet Vorfahren im Karibikstaat, Rot für ihre Kraft. Und am Symbole für die Vollkommenheit des Landes. hatte, verfügte ein Informationsembargo. 8 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 9 DER NEUE BILFINGER 1900 Julius Berger OHG in Bromberg/Posen 1895 Baugeschäft von Julius Berger in Zempelburg/Westpreußen 1890 Grün & Bilfinger OHG Bernatz & Grün OHG in Mannheim 1886 1892 Wasserbaugeschäft August Bernatz in Mannheim 1883 Berlinische Boden-Gesellschaft Wasserbaugeschäft Weis & Bernatz in Lothringen 1880 Über 300 Einzelmarken hat Bilfinger in den letzten zehn Jahren unter seinem Dach versammelt. Aus dem ehemaligen Bauunternehmen ist längst ein weltweiter Engineeringund Servicekonzern geworden, doch in der Öffentlichkeit ist das kaum bekannt. Das soll sich jetzt ändern: Bilfinger benennt sich um – und alle seine Töchter. 10 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 11 Börseneinführung der Grün & Bilfinger Aktie 1912 1940 Verlegung der Julius Berger Tiefbau AG nach Berlin 1910 1930 Umwandlung in Grün & Bilfinger AG 1906 1920 Umwandlung in Julius Berger Tiefbau AG 1905 1900 WE CREATE Verlegung der Julius Berger Tiefbau AG nach Wiesbaden Dabei macht das Unternehmen mittlerweile 80 Prozent des Umsatzes mit Dienstleistungen außerhalb des klassischen Baugeschäfts. In Arabien liefert Bilfinger die Technik zur Meerwasserentsalzung, in der Nordsee hält man Erdölplattformen instand, in Belgien rüstet Bilfinger Kohlekraftwerke auf klimaneutrale Holzfeuerung um, in Kanada und Großbritannien betreibt das Unternehmen Krankenhäuser und Schulen, in Deutschland managen Mitarbeiter alle 1300 Liegen schaften der Deutschen Bank – um nur einige Auf gaben zu nennen. Mit dieser breiten Aufstellung sei das Unternehmen „einzigartig in der Welt“, urteilte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: Der einstige Bau- 1948 Larissa Wächter, 46, liebt ihre Arbeit als Küchenchefin im Hamburger Seniorenwohnheim „Haus Am Frankenberg“. Einen Speiseplan nach Schema F gibt es bei ihr nicht. Stattdessen führt sie Listen mit den Lieblingsgerichten der 250 Bewohner. „Zum Geburtstag gibt es das Wunschessen, auch wenn es Spargel im Januar ist.“ Larissa Wächter steht auf der Gehaltsliste von Bilfinger Facility Services. Dass auch Firmen, die sich um das leibliche Wohl von Senioren sorgen, zum Konzern gehören, scheint Medien und Öffentlich keit noch immer zu überraschen: Nach wie vor schreiben viele Zeitungen, wenn sie über Bilfinger berichten, unverdrossen vom „Mannheimer Baukonzern“. SCHÖPFERISCHE ARBEIT: Bei Larissa Wächter gibt es keinen Speiseplan nach Schema F. Sie möchte, dass sich die Senioren im Heim zu Hause fühlen. 12 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 13 Die Vorstände Roland Koch, Joachim Enenkel und Joachim Müller sowie der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz (Zweiter von links) enthüllen das neue Logo auf dem Dach der Unternehmenszentrale. zahlreichen eigenen internationalen Beteili gungen – bildeten die Keimzelle des heutigen Engineer ingund Servicekonzerns, der sein Geld vor allem mit der Wartung und Instand haltung von Industrieanlagen, Kraftwerken und Immobilien verdient. ERHÖHTE WAHRNEHMUNG Rund 300 Einzelmarken umfasste der Konzern zuletzt, selbst die Mitarbeiter kamen nicht mehr mit: Gerne wird erzählt, wie bei Großprojekten Kollegen verschie dener Einheiten aufeinandertrafen und nicht wussten, dass sie zum selben Unternehmen gehören. In Zukunft werden alle Beteiligungsgesellschaften „Bilfinger“ im Namen und ein gemeinsames Logo tragen, was intern für Klarheit sorgt und in der Öffent lichkeit die Wahrnehmung der Unternehmensgruppe erhöhen wird. 2000 Akquisition von Hydrobudowa 1994 Akquisition von Razel Akquisition von Baulderstone Hornibrook 1993 1990 1984 1980 Übernahme sämtlicher Anteile an Fru-Con Akquisition von 50 % der Anteile an Fru-Con Fusion der Grün & Bilfinger AG mit der Julius Berger – Bauboag AG 1975 1978 Mehrheitsbeteiligung der Grün & Bilfinger AG an der Julius Berger – Bauboag AG 1970 zur Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft Fusion der Julius Berger AG mit der Bauboag zur Julius Berger – Bauboag AG 1969 1960 Umfirmierung in Bau- und Boden-Aktiengesellschaft (Bauboag) WE CARE 1954 1951 1950 Verlegung der Berlinischen Boden-Gesellschaft nach Düsseldorf konzern hat sich in ein global agierendes Engineeringund Serviceunternehmen verwandelt. Auslöser dafür war der „lange Kater“ nach dem Bau boom der deutschen Wiedervereinigung: Ab Mitte der 1990er Jahre brach das Geschäft für die Bauwirtschaft ein. Bilfinger reagierte, indem es sich weiter internationalisierte. Zusätzlich setzte man auf neue Geschäftsfelder, die einen Zuwachs an Kompetenz sichern würden, denn in Zukunft wollte man für seine Kunden Leistungs pakete weit über das Bauen hinaus schnüren können. Dafür holte man stolze Unternehmen mit eigenen Identitäten in die Gruppe: im Jahr 2002 den IndustrieIsolierer Rheinhold & Mahla, im glei chen Jahr die Holzmann-Tochter HSG, Spezialistin im Facility Ma nagement, 2005 den Kraftwerksdienstleister Babcock Borsig Service. Diese drei großen Töchter – alle mit 14 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 15 IM INTERESSE DES KUNDEN UND DES UNTERNEHMENS: Christian Heilmeier brachte Wacker Chemie aus München mit BilfingerKollegen aus den USA zusammen. „Überall wo Bilfinger drinsteckt, wird in Zukunft auch Bilfinger draufstehen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Roland Koch. „Mancher wird sich verwundert die Augen reiben, an wie vielen Orten das Logo auftaucht.“ MASSGESCHNEIDERTE LÖSUNGEN Doch nicht nur nach außen hin, auch im Innern des Unternehmens vollzieht sich ein tiefgreifender Wandel. Ausdruck ist das sogenannte BEST-Programm („Bilfinger Escalates Strength“), das den Integrationsprozess des Konzerns vorantreiben soll. Weltweit werden sich die einzelnen Gesellschaften enger vernetzen, „zum Vorteil unserer Kunden“, wie Roland Koch betont. Denn Kunden sollen in Zukunft alle Leistungen des Konzerns aus einer Hand bekommen können, maßgeschneidert nach ihren Bedürfnissen und fast überall auf der Welt. In der neuen „Bilfinger-Akademie“ werden Mitarbeiter aus verschiedenen Geschäftsfeldern und Ländern dafür gemeinsam Kurse belegen können. Im Intranet entstehen Plattformen zum besseren Informations- austausch über Ausschreibungen und Aufträge. Auch die ersten Länderrepräsentanten sind bereits installiert: Sie beobachten die lokalen Märkte und stellen ihr Wissen jedem im Konzern zur Verfügung. Christian Heilmeier ist einer, der schon lange über seinen eigenen Tellerrand hinausblickt. Der Bauin genieur leitet eine Niederlassung von Bilfinger Construction im bayerischen Passau. Mit 100 Mitarbeitern erstellt er Kraftwerke und Fabriken für Kunden wie Eon, Infineon oder Osram. Als er hörte, dass die Münchener Wacker Chemie in den USA eine Fabrik plante, brachte er den Chemiekonzern mit einem USUnternehmen der Bilfinger-Gruppe zusammen, das auf die Belange der Prozessindustrie spezialisiert ist. „Es geht nicht darum, ob jemand der Kunde meiner oder einer anderen Unternehmenseinheit ist“, erklärt Heilmeier. „Wir alle repräsentieren Bilfinger.“ Das ist denn auch der Vorteil eines Weltunternehmens: Kunden erhalten einen Ansprechpartner genau dort | und genau in dem Segment, wo sie ihn brauchen. Akquisition von Techscape Akquisition von ROB Akquisition von Mobuco Akquisition der Salamis Group Akquisition von EHR Akquisition der Ahr Gruppe Akquisition von Serimo 2006 Akquisition von Babcock Industrierohrleitungsbau Gründung von EPM Assetis Akquisition von Euromont Power Services Akquisition von Babcock Borsig Service Akquisition von Simon Engineering Akquisition von PPRM Akquisition von Airvac 2005 Akquisition von Skilled Power Services Akquisition von WPRD Akquisition von ThyssenKrupp DiPro Akquisition von Georg Fischer Immobilien Service 2004 Akquisition von Abigroup Akquisition von EMS Akquisition von Arnholdt Akquisition von Centennial 2003 Akquisition von HSG Akquisition von Wolfferts Akquisition von Rheinhold & Mahla WE CAN 2002 2001 Umfirmierung in Bilfinger Berger AG Text BERND HAUSER 16 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 17 WORKSHOP MIT FÜHRUNGSKRÄFTEN: Was sind die Wesensmerkmale des Unternehmens? MITARBEITER SIND DIE MACHT HINTER DER MARKE Interview mit Markenflüsterer Christopher Wünsche Herr Wünsche, Sie haben Bilfinger bei der Neupositionierung begleitet und beraten. Kann man einem Unternehmen einfach ein neues Image überstülpen? kümmern uns“ verweist auf den stark ausgeprägten ServiceGedanken bei Bilfinger. „Wir können das“ steht für die bodenständige und verlässliche Haltung des Unternehmens. Das kann man nicht. Eine neue Unternehmensmarke hat nur So sehen sich die Mitarbeiter? dann eine Chance, wenn sie mit der Kultur und dem Selbst- Genau. Die Mitarbeiter sind selbstbewusst und äußerst poverständnis der Mitarbeiter übereinstimmt. sitiv. Eine Trumpfkarte für ein Unternehmen. Auf diesem Selbstverständnis basiert auch das neue Markenversprechen, Bilfinger besteht aus 300 Einzelunternehmen – das man in der Anzeigenkampagne lesen kann: „We make it wie kann man eine gemeinsame Kultur finden? work.“ Die Herausforderung war: eine einzelne Aussage zu Wir haben eine Befragung durchgeführt, an der über 1000 finden, hinter der sich alle Mitarbeiter in den so verschieMitarbeiter teilgenommen haben, außerdem haben wir denen Geschäftsfeldern versammeln können. Work shops mit Führungskräften gemacht und das TopMan agement interviewt. Wir haben mit sehr vielen Leuten „We make it work“ ist also der Kern des neuen im Konzern gesprochen und sie gefragt, welche Werte Bilfinger? sie mit ihrem Unternehmen verbinden. Ja, ein universelles Versprechen. Ob Raffinerien, Kraftwerke, Immobilien oder Verkehrsprojekte: Kunden können sich darauf verlassen, dass ihre Anlagen und Infrastrukturen mit Was kam dabei heraus? Bilfinger funktionieren. Das Ergebnis war frappierend. Aus unseren Interviews schälten sich ganz deutliche Identitätsmerkmale heraus. Die vielfältigen Einschätzungen der Belegschaft lassen sich Was hat Sie selbst am meisten überrascht, als Sie Bilfinger näher kennenlernten? in einem Dreiklang verdichten: Wir bewegen was. Wir Kein anderes Unternehmen, das ich kenne, kombiniert die kümmern uns. Wir können das. Und weil sich Bilfinger als Qualitäten von Ingenieuren so konsequent mit Kunden orien internationaler Konzern versteht, gibt es das auch in Engtierung und anspruchsvollen Dienstleistungen. Das finde ich lisch: We create, We care, We can. nach wie vor auch als Geschäfts modell besonders spannend. WE MAKE HAYDN WORK Was wollen Sie damit sagen? CHRISTOPHER WÜNSCHE, 48, ist geschäftsführender Partner Umfirmierung in Bilfinger SE „WE MAKE IT WORK“: Das Markenversprechen von Bilfinger. 2013 Akquisition von Westcon Akquisition von Envi Con Akquisition von Tebodin 2012 Akquisition von Are Oy Industrial Services Uwe Esche arbeitet bei Bilfinger. Er sorgt in der Alten Oper in Frankfurt dafür, dass im Bereich der Technik alles erfolgreich über die Bühne geht. Bilfinger verantwortet dort das technische und infrastrukturelle Gebäudemanagement: Wir kümmern uns darum, dass sich der Intendant und seine Mitarbeiter auf das Wesentliche konzentrieren können – die Musik. www.bilfinger.com Akquisition von Neo Structo Akquisition von Rosink Apparate- und Anlagenbau Akquisition von Alpha Mess-Steuer-Regeltechnik Akquisition von Diemme Filtration Verkauf von Fru-Con Verkauf von Valemus Australia 2011 Akquisition von Rotring Engineering Umwandlung in Bilfinger Berger SE Akquisition von Brabant Mobiel der Marken- und Kommunikationsberatung KorzerWünsche 2010 Akquisition der Rohrbau-Gruppe Akquisition von MCE Akquisition von LTM Akquisition von Duro Dakovic 2009 Veräußerung von Razel Akquisition von Tepsco Akquisition von M+W Zander Facility Management Akquisition von Clough Engineering & Maintenance Akquisition von HPP Akquisition von iPower Solutions 2008 Akquisition von Peters Engineering Akquisition von O‘Hare Engineering 2007 Akquisition der Immobiliendienstleistungen der PSP AG „Wir bewegen was“ steht für die Ingenieure, die krea tive technische Lösungen für komplexe Probleme finden. „Wir BILFINGER MAGAZIN 01.2013 LOGO! 18 Der Astronom August Ferdinand Möbius klebte im Jahr 1858 einen Papierstreifen so zu einem Kreis zusammen, dass er ein Ende vor dem Zusammenfügen um 180 Grad drehte. Es entstand ein Objekt, das kein Oben und kein Unten kennt, nur eine Kante und nur eine Seite. Künstler wie M. C. Escher waren von der Form fasziniert, auf einer seiner zahlreichen von Möbius in spirierten Zeichnungen fließt Wasser in sich selbst zurück. Ingenieure setzten das Prinzip bei Riemengetrieben ein, die dadurch gleichmäßiger ab genutzt werden. Tonbänder können so Aufzeich nungen in Endlosschleifen wiedergeben. Mathe matiker allerdings standen vor einem Rätsel: Schon Möbius scheiterte an der Formulierung einer Gleichung. Erst 2007 fanden Londoner Wissenschaftler die exakte mathematische For mel für das nach Möbius benannte Band. Wenn man einen Papierstreifen zunächst zu einer Schlaufe schlingt und dann die Enden, das eine wieder um 180 Grad gedreht, zusammenfügt, erhält man eine dreidimensionale Skulptur, die wieder nur über eine Seite und eine Kante verfügt: eine Variation des klassischen Möbiusbandes, die Grundform der neuen Bilfinger-Schleife. „Die lebendige Form, in deren Hintergrund eine komplizierte mathematische Formel steht“, schien Designer Vit Steinberger von KorzerWünsche das perfekte Symbol für Bilfinger zu sein. In wochenlanger Arbeit fertigte er mit seinem Team über hundert Zeichnungen mit Ver sionen der Schleife. Zusammen mit dem Bil finger-Schriftzug bildet sie jetzt das neue Logo des Konzerns. Die in sich verschränkte Form in traditionellem Bilfinger-Blau und dem neuen energiegeladenen Grün verkörpert die Verbindung aus Ingenieurgeist und ServiceMentalität und markiert die innere Einheit der Aktivitäten des Konzerns, die fließend ineinandergreifen und in einem Lebenszyklus | untrennbar miteinander verwoben sind. Text PAUL LAMPE 19 20 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 INTERVIEW ROLAND KOCH 21 Herr Koch, was ist die Identität von Bilfinger? Wir sind ein neuer Unternehmenstyp. Bilfinger verbindet Engineering und Dienstleistungskompetenz so miteinan der, wie es weltweit noch kein anderer tut. Nehmen Sie ein Kraftwerk: Wir können den Kessel, die Rohre oder die Entstickungsanlage liefern. Wir können aber auch die Wartung übernehmen, die Sicherheitstrainings mit den Mitarbeitern durchführen und sie in der Kantine verköstigen. Wir können das Kraftwerk sogar finanzieren. Weil all diese Kompetenzen ineinandergreifen, wissen wir auf fast jede Frage, die ein Kunde haben kann, eine Antwort. Bilfinger macht sich auf den Weg ins 21. Jahrhundert. Welche Themen stehen auf der Agenda? Ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden Roland Koch. Interview USCHI ENTENMANN dert soll ein weltoffenes, von Frauen und Männern gemeinsam gelebtes Unternehmen werden. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir arbeiten daran. In Deutschland kämpfen Unternehmen um die besten Arbeitskräfte: Haben Sie Nachwuchssorgen? Da sind wir privilegiert. Wir haben ein so gutes Image, dass sehr viele Menschen bei uns arbeiten wollen. Dennoch beschäftigen wir uns intensiv mit einigen für uns neuen Themen, Work-LifeBal ance etwa. Wir bauen gerade die Möglichkeiten für flexible Arbeitszeiten weiter aus, damit Mitarbeiter Beruf und Familie leichter in Einklang bringen EIN NEUER UNTERNEHMENSTYP Erklären Sie uns noch einmal, warum können. Das scheint mir auch eine wichtige Voraussetzung dafür zu sein, jetzt alle Firmen der Unternehmensmittelfristig mehr Frauen für unser gruppe umbenannt werden? Die Größe eines Unternehmens, die ent sprechende Reputation, hat eine erhebliche Bedeutung, wenn man sich um Aufträge bewirbt. Dass wir ein großer Konzern mit einer imposanten Leis tungs palette sind, ist schwer zu vermitteln, wenn wir unter Dutzenden verschiedener Bezeichnungen auftreten. Der gemeinsame Name wird uns das Arbeiten erleichtern. Bilfinger gilt als Männerdomäne. Wann werden Sie die erste Frau im Vorstand haben? Wir wollen Vielfalt in unseren Reihen. Ein von Männern geprägtes deutsches Unternehmen aus dem letzten Jahrhun - Unternehmen zu interessieren. für die Zukunft insgesamt nachkommen. Diesen Weg wollen wir weitergehen und auch unsere Kunden mitnehmen. Sie wollen ihren Kunden Nachhaltigkeit verordnen? Nein, aber es besteht ja Handlungsbedarf, auch unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit. Viele Kunden suchen Ansprechpartner, die sich mit dem Thema auskennen, vom Einkauf umweltfreundlicher Energie über nachhaltige Baumaterialien bis hin zur dezentralen Energieerzeugung. All das können wir. 2012 haben wir einen Generalbevollmächtigten für „Sustainability Projects“ berufen, Albert Filbert. Er ist einer der profiliertesten Energiemanager Deutschlands und wird uns dabei unterstützen, dieses wichtige Angebot für Kunden besser sichtbar zu machen. Als Politiker hatten Sie gesellschaftliche Belange im Blick, was sind Ihre wichtigsten Anliegen als Vorstandschef? Wenn der Vorstand schlecht arbeitet, verlieren Menschen, die mit dem Unter nehmen verbunden sind, ihre Zukunftschancen. Der Chef eines Unternehmens sollte sich also erst mal um die Seinen kümmern. Aber auch die Produkte und Services, die wir anbieten, machen die Welt besser oder schlechter. Was in einem großen Unternehmen wie Bilfinger geschieht, bleibt nicht folgenlos für die Gesellschaft. Da bin ich mir meiner Verantwortung sehr bewusst. Sie besetzen neue Themen, sogar Haben Sie schon ein Rezept, wie ein Nachhaltigkeitsbericht wurde publiziert. Ist das mehr als Kosmetik? Bilfinger mit der Wirtschaftskrise Bilfinger ist schon sehr lange ein Unter - umgehen wird? nehmen, das mit seinem Wissen und Können einen Beitrag zum Umweltschutz leistet. Energieeffizienz und Ressourcenschutz sind ganz zentrale Aspekte unseres Kerngeschäfts. Aber vielleicht haben wir bislang zu wenig darüber gesprochen. Mit dem Nachhaltigkeitsbericht legen wir erstmals unsere Bemühungen offen – nicht nur im Ressourcenschutz, sondern wie wir als Unternehmen unserer Verantwortung Die Entwicklung des Auftragseingangs ist sehr positiv. Dennoch führt die wirtschaftliche Lage bei unseren Kunden zu Kostensenkungsprogrammen, die auf unsere Geschäfte durchschlagen. Das wird die nächsten Jahre prägen. Unsere Aufgabe wird es sein, so gut, so kreativ und so effizient zu arbeiten, dass unsere Erträge dennoch wachsen, während wir gleichzeitig die Erwartungen unserer Kunden optimal erfüllen. 22 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 DER DOPPELTE PROFESSOR Roboter, die Menschen zum Verwechseln ähneln, bevölkern zwar seit Jahrzehnten die Filmwelt. Im wirklichen Leben ist ihr Erfolg jedoch bescheiden. Henrik Schärfe meint, das wird sich ändern. Text CLEMENS BOMSDORF | Fotos RICKY JOHN MOLLOY, HENRIK SORENSEN 23 24 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 25 > Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Professor. Seine Augen sind seltsam glasig, mit stocksteifem Oberkörper sitzt er in seinem Arbeitszimmer, und wenn Besucher eintreten, bleibt er einfach hinter seinem Schreibtisch sitzen. Er blinzelt, sagt „Ich grüße Sie“, aber in seiner Stimme liegt etwas Irritierendes. „Ich grüße Sie“, sagt eine ähnliche Stimme, sie gehört einem anderen Menschen, der unvermittelt den Raum betritt und die Hand ausstreckt. „Schön, dass Sie da sind“, sagt er. „Der Herr hier ist mein zweites Ich.“ Tatsächlich sehen sich die Männer zum Verwechseln ähnlich: die dunkelbraunen Augen, die leicht ergrauten Haare, die melierten Bärte; nur die Haut des Sitzenden wirkt glatt, als wäre er aus Madame Tussauds Wachsfigurenka bi nett. „WIR VERTRAUEN UNS DOCH HEUTE SCHON NAVIGATIONSGE RÄTEN AN. WARUM SOLLEN DANN NICHT ROBOTER UNSERE KINDER VON DER SCHULE ABHOLEN?“ die meisten Eltern die Vorstellung, ein Roboter wie Geminoid DK könnte sich im Kindergarten mit den Kleinen beschäftigen, während sie keine Bedenken gegen interaktive PC-Spiele und sprechende Puppen haben? NIEMAND BLEIBT UNBERÜHRT Ein guter Teil der Forschung findet in einem unscheinbaren Büro an der Uni Aalborg statt, wo Testpersonen mit dem ProfessorenDouble konfrontiert werden. Henrik Schärfe selbst sitzt dann im Beobachtungsraum nebenan und steuert durch seine eigenen Bewegungen die Mimik des Roboters. Auch seine Stimme wird dem Roboter in den Mund gelegt. Ab und an setzt sich Schärfe mit Geminoid DK auch in ein Restaurant oder nimmt ihn als Beifahrer mit. „Niemand, der ihn trifft, ist unberührt“, sagt er, „es ist fast unmöglich, angesichts eines solchen Gegenübers nicht ins Nachdenken zu kommen: Wer bin ich eigentlich? Wo ist mein Platz in der Welt? Und welche Rolle wollen wir den modernen Technologien darin einräumen?“ Männer ließen sich weniger irritieren als Frauen, sagt Schärfe, kleinen Kindern sei der Geminoid so lange unheimlich, bis sie verstünden, dass er gesteuert wird und eine Maschine ist. Und während pelzige, lebensechte Robotertiere bei Kindern und demenzkranken Menschen beliebt sind, ihnen sogar eine therapeutische Wirkung unterstellt wird, ziehen pflegebedürftige Menschen – etwa um gebadet zu werden – jederzeit eine Maschine dem Robotermenschen vor, dessen Präsenz als Verletzung der Intimsphäre wahrgenommen wird. Man dürfe ihn nicht missverstehen, sagt Schärfe. „Niemand will Menschen durch Roboter ersetzen, aber wir gehen in eine technologische Zukunft. Roboter werden uns zunehmend im Alltag unterstützen, und manche werden ein menschliches Gesicht haben, weil wir es als angenehm empfinden.“ ROBOTER ALS STÄNDIGE BEGLEITER? WWW.GEMINOID.DK Henrik Schärfe, 44, ist Professor am Zentrum für computergestützte Erkenntnistheorie der dänischen Universität Aalborg, er beschäftigt sich mit der Interaktion von Mensch und Maschine. Sein Double heißt Geminoid DK und ist ein Roboter. Dem echten Henrik Schärfe hat er in der Wissenschaftswelt viel Aufmerksam keit gebracht. „Weltweit gibt es nur drei Forschungsprojekte mit Geminoiden, die beiden anderen sind in Japan“, sagt Schärfe, der es 2012 auf die Liste der „100 einflussreichsten Personen“ des US-Magazins „Time“ schaffte. Als Vortragsreisender in Begleitung seines Androiden scherzt er gern, dass er nicht nur gleichzeitig an zwei Orten sein könne, sondern auch gleichzeitig an zwei Orten abwesend. Doch seine Forschung zielt auf ernsthafte Fragen: Wie muss Technologie beschaffen sein, damit Menschen sie annehmen? Warum gruselt Irgendwann wird es auch darum gehen, Roboter für die Betreuung von Kindern zu entwickeln, meint der Professor, selbst Vater von drei Söhnen: „Ich habe dreimal den Mathe-Stoff der 3. Klasse mitgebüffelt, da wäre ich dankbar gewesen für die Hilfe eines Roboters!“ Der Geminoid könnte Kindern auch das „Taxi Mama“ er setzen: „Wir vertrauen uns doch heute schon Navigationsge räten an. Warum sollen dann nicht Roboter unsere Kinder von der Schule abholen? Ich jedenfalls hätte davor keine Angst.“ Und wenn man bedenke, wie schnell sich Kinder an Technologien gewöhnen, sei auch denkbar, dass sie eine Art Freundschaft mit den Maschinen schlössen, so wie sie heute schon ihren iPad oder ihr iPhone als ständigen Begleiter bei sich haben. „Innerhalb des nächsten Jahrzehnts wird die Technologie so perfektioniert sein, dass man nicht nur den Kopf, die Augen und ein paar Gesichtsmuskeln bewegen kann. Dann wird ein Geminoid auf der Straße gehen können, ohne dass man aus einiger Entfer| nung erkennt, dass es kein Mensch ist.“ 26 KOMPLEMENTÄR 27 Foto Eric Vazzoler BILFINGER MAGAZIN 01.2013 FEUER UND FLAMME Kurt Friderich Jitesh Patel Feuerwehrtrupps aus den Niederlanden, Israel, Macao und Taipeh hat Kurt Friderich, 53, schon im schweizerischen Zofingen empfangen. In der Chemie- und Feuerwehrschule von Bilfinger Industrial Services bildet er jährlich 5000 Wehrleute aus der ganzen Welt fort. In Zofingen lernen sie nicht nur Brände zu löschen, sondern auch Folgeschäden ihres eigenen Einsatzes zu bedenken, denn Löschwasser, das mit Chemikalien kontaminiert ist, kann Böden und Kläranlagen schwer belasten. „Häufig geht es darum, dass man ein Feuer lediglich einkapselt“, erklärt Friderich. „Mit einer genau bemessenen Wassermenge errichten wir eine Art Vorhang, hinter dem das Feuer ausbrennen kann, ohne weiteren Schaden anzurichten.“ Jitesh Patel, 47, Projektentwickler bei Bilfinger Project Investments, lässt sich gerne auf die Fragen seiner Kunden ein. Wohl auch deshalb bekamen er und sein Team den Zuschlag für ein ganz neuartiges Projekt in der englischen Grafschaft Staffordshire: Feuerwachen sollten geschaffen werden, die nicht nur überdimensionierten Garagen gleichen, sondern zum Mittelpunkt der Gemeinde werden. Zehn Feuerwachen sind mittlerweile gebaut, Bilfinger betreibt sie. Die Wachen haben Fitnessbereiche, die von Feuerwehr und Anwohnern gemeinsam genutzt werden, und verfügen über Gemeinschaftsräume, in denen sich Vereine und Gruppen treffen. „Durch eine Fenstergalerie können die Besucher zusehen, wie Feuerwehrleute bei einem Alarm in die Autos springen“, sagt Jitesh Patel. 28 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 29 Langsam, fast im Zeitlupentempo, rudert Silverino Emamani durchs Schilf. Vor ihm liegt Compi, ein Dorf von gerade einmal 50 Häuschen, einer Kirche und einem Friedhof. In seinem Rücken, in Fahrtrichtung, die Weite des Titicacasees. Am Ufer, auf den win zigen Feldern, klauben Frauen mit kurzstie ligen Hacken Kartoffeln aus der Erde. Die Sonne sticht, aber sie wärmt nicht. Vierzehn Minuten könne man sich heute auf der Hochebene Boliviens ihrer UV-Strahlung aussetzen, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen, stand am Morgen in der Zeitung. Fischer Emamani ist den ganzen Tag in der Sonne. Für ihn tickt die Zeit anders. Wenn man Emamani nach der Zukunft fragt, dann nennt er sie in seiner Sprache „quipa pacha“, was wörtlich übersetzt so viel wie „Zurückzeit“ bedeutet. Redet er von der Vergangenheit, dann spricht er von „nayra pacha“, der „Zeit vor uns“. Erzählt er von der Vergangenheit, dann zeigt er intuitiv nach vorne. Fragt man ihn nach der Zukunft, macht er eine Handbewegung nach hinten, über die Schulter. Compi ist ein Dorf, in dem nur Aymara leben, die Ureinwohner der Hochebene Boliviens, gut zwei Millionen Menschen gehören Fast alle Menschen glauben, die Zeit sei eine Linie, die von der Vergangenheit in die Zukunft führt. Nur die Aymara nicht. Das Volk im Hochland der Anden denkt gerade umgekehrt. DIE ZUKUNFT IM RÜCKEN Kartoffeln sind der Schatz der Aymara. Keine andere Hauptstadt der Welt liegt so hoch wie Ein Bauer am Titicacasee bringt die Ernte nach Hause. La Paz in Bolivien – 3600 Meter über dem Meer. Text TONI KEPPELER Fotos LUKAS COCH 30 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 31 zu diesem Volk. Wenn sie nach vorn blicken, sehen sie dort etwas ganz anderes als die anderen bekannten Völker dieser Erde. Denn fast alle Menschen glauben, dass sie aus der Vergangenheit kommen und in die Zukunft gehen. Für die Aymara ist es gerade an ders herum: Die Zukunft, denken sie, liege hinter ihnen. In ihrem Rücken. Dort, wo sie keine Augen haben. Sie können sie nicht sehen, sie kennen sie nicht. Vor ihnen aber ist die Vergangenheit ausgebreitet. Sie ist bekannt, es ist sicher, dass haben Probleme, sich vorzustellen, dass so etwas normal sein soll. ACH, DIE ZUKUNFT Jorge Miranda, der Abteilungsleiter für indianische Rechtsfragen im Justizministerium, weiß, was es heißt, wie ein Aymara zu denken. Er ist selbst einer und dazu ein Yatichiri – ein Weiser, der das Geheimnis des Lebens lehrt. Sein schulterlanges pechschwarzes Haar hat er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. „Alles, sie gelebt ist, zur Vergangenheit.“ Er malt vom Kreuzchen einen Pfeil zurück zu den Kringeln: Das soeben Erlebte gehört nun zum Schatz der Vergangenheit, der im neuen Augenblick der Gegenwart als Erfahrung genutzt werden kann. Doch wo bleibt in diesem Denken die Zukunft? „Ach, die Zukunft“, sagt Miranda und macht jene für Aymara typische Handbewegung nach hinten über die Schulter. „Niemand hat sie je gesehen. Die Zukunft erübrigt sich.“ angehört. Mit seinem wirren weißen Haar und seinem Adlerblick sieht er aus wie eine Kreuzung aus Sigmund Freud und Albert Einstein. Von Beruf ist Guzmán de Rojas Mathematiker. In den 1960er Jahren arbeitete er an der Entwicklung eines trivalenten Computers. An einer Rechen maschine also, die nicht nur null und eins auseinanderhalten kann und nach dieser Logik alles in falsch und richtig aufteilt. Der trivalente Computer sollte auch das ganze Feld des mehr oder weniger Sicheren selbst etwas gesehen oder erlebt? Oder wurde es ihm erzählt? Von wem? Wie vertrauenswürdig ist das? Je nachdem, wie die jeweilige Quelle des Wissens eingeschätzt wird, ist eine Aussage mehr oder weniger sicher. Falsch und richtig sind dann bloß noch zwei von unendlich vielen Möglichkeiten. Und richtig ist eigentlich nur das, was man mit eigenen Augen gesehen hat. Aymara sind es von Kind auf gewohnt, mit solchen für europäisch denkende Menschen vagen Informationen zu das Schlechte verwerfen und das Gute behalten. „Aymara können in unseren Augen sogar eine glatte Kehrtwende vollziehen, ohne dabei das Gefühl zu haben, sich in logische Widersprüche zu verwickeln.“ AUS VERGANGENEM LERNEN Sie haben es mit dieser Methode durchaus zu etwas gebracht. Die Gegend rund um den Titicacasee gilt als die Wiege der Kartoffel. Die Aymara kennen diese Pflanze schon seit Jahrtausenden. Sie haben damit > „NIEMAND HAT SIE JE GESEHEN. DIE ZUKUNFT ERÜBRIGT SICH.“ Die Statue von Eduardo Avaroa, ein Nachkomme von Spaniern und Kriegsheld Boliviens im 19. Jahrhundert, weist dem Land den Weg. Die AymaraKinder davor gehen in die andere Richtung. sie gewesen ist. Sie ist bewiesen. Jeder kann sie sehen. Offen liegt sie vor aller Augen. ZWEI ZEITMODELLE Die meisten Menschen verwenden zwei Grundmodelle, wenn sie sich Zeit vorstellen. Im einen bewegt sich das Ich auf einer Linie, es kommt aus der Vergangenheit und geht in die Zukunft. Redewendungen wie „Wir gehen dem Jahresende entgegen“ verwenden dieses Modell. Im anderen Modell bleiben wir statisch und die Zeit bewegt sich auf uns zu: „Das Jahresende rückt näher.“ Beide Modelle haben eines gemeinsam: Die Zukunft liegt immer vor uns, die Vergangenheit zurück. Aymara was wir sicher wissen, liegt in der Vergangenheit“, sagt er mit leuchtenden Augen. Er malt große Kringel auf ein Blatt Papier: „Das ist der Schatz der Vergangenheit. Aber wir leben in der Gegenwart“, doziert er und malt ein Kreuzchen zu den Kringeln: Das ist die Gegenwart. „Bei jeder Entscheidung, die wir treffen, wenden wir unser Wissen aus der Vergangenheit an.“ Er verbindet die Kringel durch einen Pfeil mit dem Kreuzchen, den Schatz der Vergangenheit mit der Gegenwart. „Bei allem, was wir tun, wird unser Wissen aus der Vergangenheit in der Gegenwart präsent“, erklärt er. „Gegenwart ist ständige Veränderung mit dem Blick auf die Vergangenheit. Und die Gegenwart wird, kaum dass Eben deshalb, weil sie nicht an die Zukunft denken, lasse sich mit den Aymara kein Staat machen, behauptet die weiße Minderheit, die Bolivien regiert hat, seit das Land existiert. Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts hatte die indianische Mehrheit bei Wahlen kein Stimmrecht. Erst 2006 wurde mit Evo Morales zum ersten Mal ein Aymara ins Präsidentenamt gewählt. Die hellhäutige Oberschicht wirft diesem Volk und dem Präsidenten oft vor, sie könnten nicht planen und würden ziellos durch die Geschichte irren. IN DER GRAUZONE „Alles Quatsch“, sagt Iván Guzmán de Rojas, der dieser weißen Oberschicht des Landes verstehen, das sich zwischen diesen beiden Polen auftut. Und er sollte aus dieser Grauzone präzise Schlüsse ziehen können. Das Forschungsprojekt wurde eingestellt, bevor es eine solche Rechenmaschine gab. Immerhin aber hatte der Mathematiker begriffen, warum er seine Landsleute vom Volk der Aymara vorher nie richtig verstanden hatte. Sie denken wie der projektierte Computer: trivalent. Guzmán de Rojas setzte sich hin und schrieb darüber ein dickes Buch. Es ist voll von mathematischen Formeln und Schaubildern und gespickt mit komplizierten Beispielsätzen aus der Sprache der Aymara. Immer, wenn ein Aymara eine Aussage macht, nennt er die Quelle dazu: Hat er leben und sie können etwas, das sonst nur Wahrscheinlichkeitsmathematiker und Chaostheoretiker können: Sie ziehen aus diesen unsicheren Vorgaben ganz präzise Schlüsse für ihr tägliches Handeln. OFFENER SCHWEBEZUSTAND Habe man erst einmal die besondere Logik dieses Volkes begriffen, sagt Guzmán de Rojas, dann werde alles ganz einfach. „Für einen Aymara gibt es nicht nur ja oder nein. Er bewegt sich ständig dazwischen.“ Wer nur die Vergangenheit sehen kann und nicht in die Zukunft planen will, der brauche diesen Schwebezustand, das Offene, das Sowohl-als-auch. Nur dann könne er handeln, abwägen und ausprobieren, experimentiert, haben sie gekreuzt und verfeinert und heute gibt es rund 3 000 Sorten davon. Die Frauen auf den Feldern bei Compi klauben schwarze, braune, gelbe, orangefarbene und sogar violette Knollen aus dem Boden. Jede Sorte schmeckt anders. Als die Spanier nach Amerika kamen und später die Engländer, brachten sie ein paar Pflanzen zurück auf den alten Kontinent. Lange war die Kartoffel hier nur als reine Zierpflanze bekannt, in den Gärten von Fürsten und Bischöfen. Es dauerte Generationen, bis die Europäer begriffen, dass man die Wurzelknollen der Stauden auch essen kann. Hätten sie die Vergangenheit der Kartoffel gesehen, hätten | sie das schneller gelernt. 32 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 INTERVIEW THOMAS METZINGER DAS ICH IST EIN PHANTOM 33 Herr Metzinger, gibt’s mich oder gibt’s mich nicht? Thomas Metzinger (lacht): Natürlich gibt es Sie. Aber worauf Sie vermutlich an spielen, ist meine These, dass es „das“ Ich, ein abgeschlossenes Selbst, nicht gibt. Die Hirnforschung belegt, dass unser ganzes subjektives Erleben ausschließlich auf der Grundlage neuronaler Prozesse in unserem Gehirn basiert. Das bewusste Selbst ist etwas, das der Körper konstruiert, um sich selbst zu verstehen. Der Körper suggeriert mein Ich? Genau. Es fühlt sich doch so an wie ein kleines Männchen, das hinter den Augen sitzt und in die Welt hinausschaut. Der Körper, ein Volumen im Raum, grenzt es nach außen ab, damit identifizieren wir uns. Das ist das Grundgefühl, das uns das Gehirn vermittelt: jemand zu sein. Aber ich fühle und denke – das soll alles nichts mit mir zu tun haben? Es gibt ein berühmtes Experiment. Wenn eine Versuchsperson eine künstliche Hand auf einem Tisch betrachtet, einen ausgestopften Gummihandschuh oder so, während ihre eigene verdeckt daneben liegt, und beide synchron mit einem Stäbchen gestreichelt werden, wird nach einer Weile die künstliche Hand als die eigene erlebt. Die Hand ist künstlich, aber ich kann sie fühlen: als natürlichen Teil meines Selbst. Unsere Identität, das „Ich“, sei nur Einbildung, sagt der Mainzer Neurophilosoph Thomas Metzinger. Das bedeutet, ich kann weder meiner Wahrnehmung von mir als authentischer Person noch der der äußeren Welt sicher sein? Unheimlich. Ja, manche Menschen finden diese Er kennt nis beängstigend. Das Gehirn über- setzt Wahrnehmungen in ein subjektives Bewusstsein. Wenn ich dann „ich“ sage – „ich habe mich geschnitten“, „ich bin Philosoph“ oder „ich will Kaffee trinken“ –, beziehe ich mich auf den Inhalt eines im Gehirn erzeugten Selbstmodells. Dann könnte ich mir ja morgens einfach sagen: „So, jetzt wache ich mal auf und mache mir ein tolles Bild von mir.“ Leider nicht. Unser Gehirn konstruiert in Millisekunden ein höchst komplexes und immer wieder neues Modell der Wirklichkeit. Es besteht aus unseren körperlichen Wahrnehmungen, aus Erinnerungen, Gefühlen, Wünschen. Wenn sie sich aufs Frühstück freuen, haben sie das Gefühl, dass sie dieses Selbst sind, das sich freut. Im Grunde ist die Vorfreude aber Teil einer sehr selektiven, neuronalen Hirnkonstruktion, die wir für unser Ich halten, weil wir sie nicht als Modell erleben können. Es geht einfach zu schnell. Und wofür muss ich das wissen? Zunächst einmal ist es ein erheblicher Erkenntnisfortschritt zu wissen, dass das Ich der Inhalt eines Vorgangs ist, der sich im Laufe von Jahrmillionen der Evolution entwickelt hat, vom einfachen tierischen Organismus, der die Grenzen seines Körpers wahrnimmt, hin zum Menschen, der Probleme entdecken, formulieren und lösen kann. Genauer zu verstehen, wie wir handelnde Personen in einer von uns subjektiv wahrgenommenen Welt sind, und dass andere mit dem gleichen IchGefühl durch die Welt gehen, ist eine sehr wesent liche Einsicht. Entwickelt mein Gehirn das Ich-Modell ganz alleine oder spielt dabei die Umwelt, die Gesellschaft eine Rolle? Sehr viele Schichten des menschlichen Selbstmodells werden von außen geprägt. Das beginnt schon sehr früh, indem das Kleinkind zum Beispiel die Eltern imitiert oder lernt, was richtig und was falsch ist. Auch welche Meinung man von sich hat, hängt von der Gesellschaft ab, in der man lebt. Wenn uns viele Menschen zu verstehen geben, wir seien nichts wert, wird unser Selbstmodell in eine ziemliche Schieflage geraten. Mein Ich gehört mir – haben Gruppen ein Wir? Natürlich haben soziale Verbände immer ein Selbstmodell entwickelt. Stammesgeist, Volksseele, Religion, auch politische Organisationsformen können eine starke Gruppenkohärenz erzeugen. Das kann einerseits gefährlich sein, das hat uns die deutsche Geschichte gelehrt. Aber aus so einem Wir-Gefühl, in dem das Ich sich als Teil eines größeren Ganzen fühlt, kann der Einzelne auch Kraft und Sicherheit ziehen, die ihn trägt und stärker macht. Kann man das auch auf Unternehmen übertragen? Sie meinen die „Corporate Identity“. Wenn Mitarbeiter sich mit ihrem Unternehmen identifizieren, dann wird die Firma Teil ihres Selbstmodells. Das ist dann gefährlich, wenn sich ihre eigenen Wünsche und Interessen nicht im Gegenzug in der Unternehmenspolitik widerspiegeln – die „Aneignung“ muss in beide Richtungen verlaufen. Interview PAUL LAMPE LITERATURTIPP: Thomas Metzinger, Der Ego-Tunnel. Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik. Berlin Verlag, 2010. Fotos plainpicture/fStop, privat 34 HEUREKA! LÖSUNGEN VON BILFINGER 35 STROM AUS ABGAS Früher wurden Kraftwerksemissionen nur entgiftet. Heute sollen sie selbst zu Energieträgern werden. Dass man in den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts über Umweltschutz nachzudenken begann, bezeugen Fabrik- und Kraftwerksschlote: Man baute sie höher, um die Belastung der Anwohner zu verringern. Der Umwelt half das wenig, denn Schwefelund Stickoxide verteilten sich dadurch lediglich über ein größeres Areal. Abhilfe brachten erst neue Techniken zur Rauchgasreinigung, die seither immer weiter verfeinert werden: Die giftigen Stickoxide werden geknackt und in Stickstoff und Wasserdampf aufgespalten. Rußpartikel werden elektrostatisch aufgeladen und von einem Filter eingesammelt. Schwefeldioxid lässt sich mithilfe einer Kalzium lösung aufspalten und in Gips über führen, der sogar von der Bau industrie genutzt werden kann. Letzteres, die Entschwefelung, ist eine Spezialität von Bilfinger Power Systems. Nahezu 100 Prozent des bei der Kohleverbrennung anfallenden Schwefeldioxids kann das Unternehmen unschädlich machen. Ergänzt wird das System durch „Powerise“, ein Wärmenutzungssystem, mit dem sich Prozessabwärme erneut in den Kreislauf einspeisen und so der CO 2-Ausstoß weiter reduzieren lässt. Im 670 Megawatt mächtigen Block R des sächsischen Braunkohlekraftwerks Boxberg werden auf diese Art 35 Megawatt Wärmeenergie in 7,5 Megawatt Strom umgewandelt. Im Steinkohlekraftwerk Mehrum in Niedersachsen werden aus überschüssigen 30 Megawatt Wärme 6,5 Megawatt Strom. Bis zu 1,5 Prozentpunkte kann der Wirkungsgrad von Kraftwerken durch den Einsatz von Powerise steigen. Zwar wurde das Verfahren bereits vor dreißig Jahren entwickelt, doch nun erst setzt es sich weltweit als Standard durch. Im polnischen Kraftwerk Lagisza läuft eine hochmoderne Anlage und in Turów ist eine geplant. In Finnland wird Powerise in der Biomasseverbrennung eingesetzt – das könnte ein wichtiges Feld für die Zukunft sein. Fotos 34–36 creativity103.com, creativecommons.org, Patrick Llewelyn-Davies/veer, CERN BILFINGER MAGAZIN 01.2013 SENSORTECHNIK OPTIMIERTER STROMVERBRAUCH Bis zu 40 Prozent Strom im Jahr kann Alstom bei der Beleuchtung seiner Produktionsstätte im schweizerischen Birr einsparen. Zu diesem Ergebnis kam Bilfinger in einem Pilotversuch. Möglich wird die Energieoptimierung durch moderne Sensortechnik und das Ankoppeln des Beleuchtungssystems an die bestehende Gebäudeleittechnik, sodass sich die Helligkeit zonen weise und je nach Tageszeit regulieren lässt. Das Einspar potenzial ist so überzeugend, dass das Schweizer Bundesamt für Energie rund 40 Prozent der Inves titionskosten zuschießt. Die Amortisationszeit beträgt rund dreieinhalb Jahre. AB IN DEN UNTERGRUND Auch der kanadische Stromkonzern SaskPower wird das System verwenden, das Bilfinger für dessen Kohlekraftwerk in der Provinz Saskatchewan plant und liefert. Dort soll erstmals im industriellen Maßstab CO 2 aus Rauchgas abgeschieden, komprimiert und in den Untergrund gepresst werden (CCS, „Carbon Capture and Storage“). Bilfinger war bereits an einer entsprechenden Versuchsanlage von Vattenfall in Brandenburg beteiligt. Der modernisierte Kraftwerksblock in Saskatchewan wird 2014 ans Netz gehen. Das ge speicherte CO 2 soll dann per Pipeline zum 100 Kilometer entfernten Weyburn-Ölfeld gehen und dort genutzt werden, um Öl aus den tiefen Gesteinsschichten zu drücken. VERSCHLEISSMATERIAL LÄUFT WIE GESCHMIERT! Wie tauscht man punktgenau Verschleißteile aus, also weder zu früh noch zu spät? Erich Meyer, leitender Ingenieur bei Bilfinger Industrial Services in Linz, beschäftigt sich mit diesem Thema. Er hat den „VibraCheck“ marktfähig gemacht, der Schwingungen von Getrieben und Pumpen misst und Prognosen erstellt, wann genau sie ausgewechselt werden müssen. Meyer hat auch den „zustandsorientierten Schmiermitteltausch“ entwickelt. Das Verfahren analysiert, ob Schmieröle im gewohnten Zweijahresrhythmus erneuert werden müssen oder ob sie vielleicht deutlich länger halten. Mit diesen Entwicklungen bietet Bilfinger seinen Kunden aus der Prozessund Fertigungsindustrie Einsparpotenziale. Für sein Engagement im Sinne der Kunden wurde Erich Meyer mit dem Mitarbeiterpreis „Bilfinger’s Best“ ausgezeichnet. 36 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 HEUREKA! LÖSUNGEN VON BILFINGER 37 BAHNBRECHEND MAGNETE HELFEN HIGGS-TEILCHEN ZU FINDEN In Genf haben die Forscher am Teilchenbeschleuniger Cern das lange gesuchte Higgs- Teilchen gefunden. Es war der letzte unbekannte Baustein der Materie, die Entdeckung gilt für die Wissenschaft als bahnbrechend. Das Higgs-Teilchen ist der Urheber der Masse und sorgt damit dafür, dass die Grundbausteine der Materie zusammenhalten und miteinander wechselwirken. Babcock Noell, ein Unternehmen der Bilfinger-Gruppe, hat die Hightech-Magnete hergestellt, die in der Versuchsanlage die Elementarteilchen auf ihrer Bahn halten, wenn sie fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Auch für die Beschleunigungsanlage Fair in Darmstadt fertigt und liefert Bilfinger 113 supraleitende Magnete. LANGSTRECKEN- LÄRMSCHUTZ GLASDACH GEGEN GETÖSE Jahrelang wurde über den sechsspurigen Aus bau der A 1 bei Köln-Lövenich gestritten, denn die Häuser von Lövenich stehen teilweise direkt an der Trasse. Der Lärm wäre für Anwohner unerträglich gewesen. Jetzt ist die Lösung da: ein 30 000 Qunadratmeter großes Glasdach. Das 1,5 Kilometer lange Dach, das aus 1500 Einzelmodulen mit insgesamt 20 000 Glasschei - INNOVATIONSPREIS MESSTECHNIK IM KOFFER ben zusammengesetzt wurde, sitzt auf Stahlbetonwänden und wölbt sich über die Ausbau strecke. Die sogenannte Einhausung senkt den Lärmpegel für die Anwohner um zwei Drit tel. Bilfinger Construction hat das Bauwerk schlüsselfertig erstellt und wird es einschließ lich der Verkehrs- und Betriebstechnik zehn Jahre lang warten und instand halten. Bilfinger Hochbau hat ein transportables Monitoringsystem entwickelt, das Energieströme in Gebäuden transparent macht und Kostentreiber aufspürt. Die Daten werden mit Sensoren erfasst, zu einem Messkoffer geleitet und analysiert. So kann etwa bei einem älteren Mehrfamilienhaus der Heizenergiebedarf durch Was ist eigentlich ein ... eine bessere Kesseleinstellung und die Anpassung der Vorlauftemperaturen um bis zu 15 Prozent gesenkt werden. Im Jahr 2012 wurde die Messtechnik im Koffer mit dem Innovationspreis der Metropolregion Rhein-Neckar für innovative Lösungen zur Energieeffizienz aus gezeichnet. MOLCH? Neulich, in Nord-Texas, drehte ein Molch durch. Er schoss aus seinem dunklen Gang, flog 150 Meter und durchschlug die Mauer eines Hauses. Niemand verletzte sich dabei, aber über die Schlagkraft des Molches wunderten sich die Einwohner der Stadt Grand Prairie schon. Was mit dem Molch nach diesem Unfall geschah, ist nicht überliefert, womöglich landete er auf dem Schrott; handelte es sich doch um ein Gerät zur Überprüfung einer Gas-Pipeline. Molche sind Laufkörper. Einer Rohrpost gleich werden sie in Leitungen eingesetzt und verrichten auf ihrer Reise verschiedenste Jobs. Meist treiben Wassermassen sie an, auch Druckluft oder Gasdruck presst sie durch die Leitung. Zuweilen legen sie dort Dutzende von Kilometern zurück – das sind die Langstreckenmolche. Sogenannte dumme Molche reinigen Pipelines von Ölrück- ständen, während die intelligenten ihrer Art mit Ultraschall Korrosionen aufspüren oder per GPS den Leitungs verlauf dokumentieren. Molche nennt man sie, weil Ingenieure in Deutschland vor hundert Jahren einmal auf ihren Laufkörper am Ende einer Leitung warteten – und stattdessen auf seinen tierischen Vetter trafen. Molche durchpflügen Schläuche von kleinen Farbspritzpistolen mit einem Durchmesser von sechs Millimetern bis zu Pipelines mit einem Kaliber von 1,80 Meter. Bilfinger Piping Technologies nimmt ihre Dienste häufig in Anspruch. Auch in James-Bond-Filmen sind sie bereits aufgetreten. Mal schmuggelte ein Langstreckenmolch einen Spion im Kalten Krieg durch den Eisernen Vorhang hindurch, mal transportierte er eine Atombombe. Molche sind einfach Tausendsassas. Text JAN RÜBEL | Illustration SKIZZOMAT 38 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 39 DIE NÄCHSTE KURVE IST IMMER DIE SCHÖNSTE: Marvin genießt den Kick im „Alpenexpress“, während sich der Spaß seiner Mutter wohl eher in Grenzen hält. BÜRSTEN, SAUGEN, LEDERN: Vor 50 Jahren ließen sich zwei Augsburger Unternehmer eine „selbsttätige Kraftfahrzeug-Waschanlage“ patentieren. Heute drehen in Den Europapark im badischen Rust besuchen jedes Jahr weit über vier Millionen Menschen, trotz der oft stundenlangen Wartezeiten an den Fahrgeräten und der beacht- 1400 deutschen Waschstraßen die nassen Bürsten, unter die an sonnigen Samstagen schon mal 500 Wagen kommen. Wer auf sein Auto hält, vervollständigt das Reini- lichen Eintrittspreise. Foto ERIC VAZZOLER Bilfinger wirbt mit „German Engineering“ – hochwertiger Arbeit, erbracht von fleißigen Mitarbeitern. Sind die Deutschen wirklich so arbeitsam? Was machen sie etwa am Wochenende? Fotografen machten sich auf die Suche nach einem typischen deutschen Samstag. EIN DEUTSCHER SAMSTAG gungsritual anschließend mit Polierleder und Staubsauger, wie hier in Essen. Fotos FRANK SCHULTZE 40 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 41 WETTER GUT, WIESE FREI – VOLLGAS: Jens Wellpott vom Modellbauclub Jever hält seinen Doppeldecker „Gemini“ vorschriftsmäßig in den Wind. Die Landebahn ist frisch gemäht. Der Propeller dreht hoch, gleich wird Wellpott das Modellflugzeug, Spannweite 92 Zentimeter, in Loopings und Sturzflüge steuern. „Kommt mir manchmal so vor, als säße ich drin“, sagt der Jugendwart des Clubs. Foto KATHRIN HARMS SELBST IS DER MANN: Die Mehrheit der Deutschen lebt im Eigenheim. Um Kosten zu senken, nehmen sie Bau und Erhalt gerne in die eigene Hand: Rund 30 Millionen Menschen hierzulande bezeichnen sich als Heimwerker. Nur ein Tag in der Woche kommt dafür in Frage, der Samstag. Dann wird gemeinsam angepackt. Im rheinischen Kerpen legen Walter Freitag und sein Schwiegersohn gemeinsam Hand an und gestalten den Vorgarten neu. Foto LUKAS COCH „GEHSE INNE STADT, WAT MACHT DICH DA SATT?“ So fragte Herbert Grönemeyer im Ruhrpott-Slang schon 1982, um die Antwort selbst zu geben: „Ne Currywurst!“ Im Jahre 1949 bot Herta Heuwer in ihrem Imbissstand an der Berliner Kantstraße als Erste eine in Scheiben geschnittene, in Tomatensoße ertränkte und mit Currypulver bestreute Bratwurst an. Im „Profi-Grill“ in Wattenscheid wird sie nach eigenem Rezept zubereitet und auf Porzellantellern gereicht. Fotos FRANK SCHULTZE 42 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 43 SECHS KREUZE FÜR DAS GROSSE GLÜCK: Woche für Woche lockt der Traum von den sechs Richtigen rund 21 Millionen Spieler in die 23 000 Lotto-Annahmestellen der Republik. Lotto kann man jetzt zwar auch im Internet spielen. Doch Kioskbetreiber, wie Gerda Rauh und ihr Mann im württembergischen Murrhardt, bauen auf ihre Stammkundschaft: Die Leute kommen auch zum Plaudern. Foto VOLKER HOSCHEK AUCH HEUTE IST EIN TAG DER ARBEIT: Wenn es um ihren Garten geht, kennen der Rudersberger Rentner Kurt Wurst und seine Frau keinen Ruhetag. Sie sind nicht die Einzigen. Kleinmotorenlärm prägt den Samstag der Dörfer und Vorstädte. Um das heimische Grün kurz zu halten, stehen rund fünf Millionen Benzinrasenmäher in Deutschland bereit. Foto VOLKER HOSCHEK NACHWUCHS GESICHERT: Marlene von der Spvgg Rommelshausen kontrolliert die Spielerpässe ihrer Kameradinnen. Knapp sieben Millionen Mitglieder hat der Deutsche Fußballbund. Den Anstieg der weiblichen Mitglieder auf insgesamt rund 1,1 Millionen Frauen und Mädchen führt die DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg auf die spannende Frauen-WM 2011 in Deutschland zurück. Fotos RAINER KWIOTEK, ULI REINHARDT 44 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 Julius Berger war mit Leib und Seele Bauunternehmer. Das Bild zeigt ihn 1925 im Kreis von Mitarbeitern auf der Baustelle des Teliu-Tunnels in Rumänien. ANDENKEN AN JULIUS BERGER Vor 150 Jahren wurde Julius Berger geboren, Gründervater einer der drei Vorgängergesellschaften von Bilfinger. Zu seinem Andenken stiftet das Unternehmen einen Preis. Bilfingers Wandel vom Bau- zum Engineering- und Servicekonzern ist nicht die erste bemerkenswerte Metamorphose in der langen Firmengeschichte. Die erste vollzog sich, als Julius Berger 1890 den Auftrag für den Bau einer gut zwei Kilometer langen Chaussee erhielt – er war eigentlich Inhaber eines Fuhrunternehmens, das er als nicht einmal Zwanzigjähriger von seinem Vater übernommen hatte. Fünf Jahre später gründete er seine erste Baufirma, aus der 1905 die Julius Berger Tiefbau AG und später die Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft hervorgehen sollten. Julius Berger war, was man heute einen Selfmademan nennen würde. Aus einer einfachen jüdischen Familie stammend, gelang ihm der Aufstieg zu einem der bedeutendsten Bauunternehmer der Weimarer Republik. Geboren 1862 im westpreußischen 3000-SeelenStädtchen Zempelburg, 125 Kilometer südwestlich von Danzig, schickte ihn sein Vater bereits mit zwölf Jahren nach Berlin, um bei einer Ledergroßhandlung in die Lehre zu gehen. Drei Jahre später, 1878, kehrte er zurück in das Fuhrunternehmen der Familie. Statt Getreide transportierte er immer öfter Baumaterialien. Auf diese Weise – und durch seinen eigenen kleinen Chaussee-Auftrag – lernte er die Baubranche immer besser kennen. Als er genug gelernt hatte, wechselte er das Gewerbe. 1910 verlegte Berger seine Firma, die mittlerweile mit Straßen-, Kanalisations- und Eisenbahnbauarbeiten in den preußischen Ostprovinzen zu einem bedeutenden Unternehmen geworden war, nach Berlin. 1911 folgte der erste Auftrag im Ausland: Zwischen Zürich und Basel baute er den acht Kilometer langen Hauen steinBasistunnel. Dieser Auftrag wurde zu einem Meisterstück, das Erfolgsprämien und gesellschaftliches Renommee brachte. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm Berger als Vertreter der deutschen Bauwirtschaft an den Friedensverhandlungen in Versailles teil. Würden Frankreich und Deutschland sich weiter voneinander entfernen, warnte er, würde das „sicher nicht zum Wohle des deutschen Volkes beitragen“. In der Weimarer Republik stieg seine Firma zu einem der wichtigsten Bauunternehmen auf. An der Erweiterung des Berliner U-Bahn-Netzes war Berger ebenso beteiligt wie am Ausbau des Königsberger Hafens und der Konstruktion von Neckar-Staustufen bei Heidelberg. Auch im Ausland war seine Firma zunehmend tätig, in der Türkei und dem Iran, in Rumänien und Ägypten. Nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernommen hatten, erging es Julius Berger wie vielen anderen jüdischen Unternehmern. Unter dem Druck antisemitischer Propaganda trat er Ende 1933 als Vorstandsvorsitzender seiner Firma zurück. Zwei seiner Töchter wanderten nach Uruguay aus, den Sohn einer verstorbenen Tochter brachte er in der Schweiz in Sicherheit. Im September 1942 wurden Flora und Julius Berger ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie an Hunger und Entkräftung starben. Noch wenige Wochen vor der Deportation notierte Berger: „Ich habe nicht angenommen, dass ich, der ich in Deutschland geboren und erzogen wurde … und für das deutsche Wirtschaftsleben schon von jungen Jahren an eine erfolgreiche Tätigkeit ausübte, mein Vaterland würde verlassen müssen. Aus diesem Grunde habe ich die Auswanderung für mich und meine Frau nicht betrieben.“ Um das Andenken an diese große Unternehmer persönlichkeit zu bewahren, stiftet Bilfinger den JuliusBerger-Preis. Mit dem Preis sollen mutige unternehmerische Initiativen zur Stadtentwicklung Berlins ausgezeichnet werden. Im Geiste seines Namensgebers soll er Anreiz sein, Berlin zu einem Ort kultureller und sozialer Vielfalt zu machen. Der Preis, den Bilfinger und der Verein Architekturpreis Berlin e. V. gemeinsam auslo| ben, wird 2013 erstmals vergeben. Text MARTIN KRAUSS 45 46 BILFINGER NEWS Bilfinger sponsert Film 2013 ist Wagner-Jahr. Zum 200. Geburtstag des Komponisten setzt sich das Nationaltheater Mannheim als traditionelle Wagner-Bühne völlig neu mit dem Opernzyklus „Ring des Nibelungen“ auseinander. Regie führt Achim Freyer, einer der bedeutendsten Theatermacher der Gegenwart. Er schafft ein bildgewaltiges Gesamtkunstwerk, in dem Musik, Dichtung, bildende Kunst und Theater miteinander verschmelzen. Die Produktion wird durch den Filmemacher Rudij Bergmann dokumentiert. Er begleitet den Regisseur bei der Arbeit und öffnet den Blick für den Schaffensprozess des Ausnahmekünstlers. Neben dem Dokumentarfilm entsteht eine Aufzeichnung des vierteiligen Opernzyklus. Bilfinger ist Hauptsponsor des Filmprojekts. 47 Wasserprojekt für Mexico City Erdgas aus den Niederlanden Der neue 60 Kilometer lange Abwassertunnel „Emisor Oriente“ gilt als eines der wichtigsten Abwasserprojekte der Welt. Er soll verhindern, dass Mexiko-Stadt in der Regenzeit in seinem eigenen Abwasser steht, denn das fünfzig Jahre alte Kanalnetz ist marode und für die mittlerweile 25 Millionen Einwohner viel zu klein ausgelegt. Im Oktober 2012 wurde der erste, zehn Kilometer lange Bauabschnitt fertig gestellt, der unglaubliche 150 000 Liter Regen- und Abwasser pro Sekunde durchleiten kann. Bilfinger hat zwei der überirdischen Pumpstationen mit vollautomatischen Rechen ausgestattet. Bis in 30 Meter Tiefe hinab reichen die Rechen gestelle, die Treibgut aus dem Kanal sammeln und an die Ober fläche befördern. Im Jahr 2014 soll der Abwassertunnel fertiggestellt sein. Bilfinger ist am Ausbau des Kanalnetzes von Mexiko-Stadt seit vielen Jahren beteiligt und liefert sowohl Rechen als auch Absperrschieber, mit denen sich Kanäle zur Wartung oder bei Notfällen komplett verschließen lassen. Die Niederlande sind der größte Gas pro duzent Europas. Rund 75 Prozent der Produktion werden durch den Gasversor ger NAM vertrieben. Der zur BilfingerGruppe gehörende Engineering-Spezialist Tebodin hat jetzt gemeinsam mit Partnern das komplette Engineering sowie Beschaffung und Montagearbeiten für alle Onshore-Anlagen von NAM übernommen. Tebodin trägt dabei die Verantwortung für Planung und Ingenieurtechnik, während die Partner für die Bau- und Montagearbeiten zuständig sind. Das Konsortium wird über die Vertragsdauer von fünf Jahren Leistungen im Gesamtwert von mehreren hundert Millionen Euro erbringen. Erdgas gilt als der um weltfreund lichs te fossile Energieträger. Die CO 2 -Emissionen liegen 50 bis 70 Pro zent nied riger als bei Kohle. Fotos 123RF Stock Foto, EUREF AG BILFINGER MAGAZIN 01.2013 Mehr Nachhaltigkeit Mini-Kraftwerk Bilfinger hat seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt und eine Entsprechenserklärung zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex abgegeben. In Zukunft wird das Unternehmen sein Engagement im Ressourcenschutz und bei der Verbesserung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen weiterausbauen und systematisch dokumentieren. Gleichzeitig positioniert sich Bilfinger als Anbieter nachhaltiger Leistungen und Lösungen, die für Kunden aus Indus trie und Immobilienwirtschaft nach dem Baukastenprinzip zusammengestellt werden können. Die Komponenten reichen von Zustandsanalysen bis hin zur Umsetzung von Einsparmaßnahmen mit entsprechenden Garantien. „Insbeson dere das Thema Energieeffizienz nimmt in der Politik und bei Kunden großen Stellenwert ein“, sagt Albert Filbert, der seit Mai 2012 den Bereich Sustainability Projects leitet. Bei Strom, Wärme und Druckluft ergäben sich die größten Einsparpotenziale. Dass in der künftigen Energieversorgung dezentrale Kraftwerke immer wichtiger werden, ist absehbar. Jetzt hat Bilfinger Power Systems zusammen mit der Technischen Universität Cottbus eine Mikrogasturbine entwickelt, die Krankenhäuser, Schulen oder Fabriken mit Strom versorgen kann. Die Verwendung von Faul- und Biogasen macht sie besonders umweltfreundlich, die Abwärme kann in den Klimaanlagen der Gebäude genutzt werden. So erreicht das Mini-Kraft werk höchste Wirkungsgrade. Im Dortmunder Werk von Bilfinger Power Systems wird jetzt der Prototyp erprobt. Er produziert 315 000 Kilowattstunden Wärme und 155 000 Kilowattstunden Strom – damit könnte sich sogar ein kleines Dorf selbst versorgen. Berlin baut CO2-neutrales Viertel Rund um das Schöneberger Gasometer in Berlin entsteht das größte CO 2 -neutrale Stadtquartier Europas. Das Büround Wissenschaftsviertel auf dem sogenannten EUREF-Campus soll zu einem Zentrum für Innovationen und Zukunftsprojekte werden. Zum Konzept gehören unter anderem die Energieversorgung durch regenerative Energien, ein lokales „Micro Smart Grid“ und energetisch optimierte Gebäude. Der erste Neubau auf dem fünf Hektar großen Areal wurde von Bilfinger Hochbau schlüsselfertig errichtet. Die vollautomatisierte Gebäudetechnik sorgt für minimalen Verbrauch. Das Bürohaus ist mit dem Nachhaltigkeitslabel LEED in Gold zertifiziert. Wissenschaftliche Institute und internationale Unternehmen unterstützen die Entwicklung des Campus. Auch Berlins größtes Modellprojekt für energieeffiziente urbane Verkehrskonzepte ist dort angesiedelt. Seit dem Wintersemester 2012/2013 bietet die TU Berlin auf dem Gelände drei Masterstudiengänge zum Thema „Stadt und Energie“ an. 48 ZUKUNFT Wer eine richtig gute Mannschaft will, muss Menschen mit unterschiedlichen Eigenschaften zusammenbringen. Das zeigen Untersuchungen zur kollek tiven Intelligenz, in denen gemischte Gruppen deutlich besser abschneiden als reine Frauen- oder Männerteams. Auch die Studienreihe „Women Matter“ der Unternehmensberatung McKinsey bestätigt das. Unternehmen, die es schaffen, Frauen in die Vorstandsetage zu holen, sind unterm Strich erfolgreicher: Sie haben eine höhere Wertschöpfung, höhere Profite und wirtschaften nachhaltiger. So weit die Forschung. Die Realität sieht oft anders aus. Obwohl in Deutsch land fast 80 Prozent der Frauen einem Beruf nachgehen, sind sie auf allen Führungsebenen unterrepräsentiert, das belegt eine gemeinsame Analyse der 30 Dax-Unternehmen. Je größer ein Unternehmen ist, desto weniger Frauen sind in leitenden Funktionen. Zukunftsträchtig ist das nicht, denn Fachkräfte sind rar und viele hoch qualifizierte Frauen würden sich gerne beruflich ent wickeln, wenn denn Beruf und Familie besser in Einklang zu bringen wären. DAS IST CHEFSACHE! Anders als derzeit noch viele Männer ver zichten Frauen häufig auf Führungsaufgaben, wenn dadurch die Zeit für die Familie zu knapp wird oder die Arbeitskultur nicht ihren Vorstellungen entspricht. Prominente Beispiele: Angelika Dammann und ihr Rückzug aus dem SAP-Vorstand nach gerade mal einem Jahr. Oder Anne-Marie Slaughter, Planungsstabschefin von Hillary Clinton, die ihr Amt zurückgab, weil es nicht mit ihren Auf gaben als Mutter von zwei Teenager- Söhnen zu vereinbaren sei. Um Beruf und Privates besser verbinden zu können, ist einerseits die Politik 49 ERFOLG MIT FAMILIE Um im Wettbewerb bestehen zu können, müssen Unternehmen ihre Familienfreundlichkeit verbessern. Nur so finden sie Frauen für Führungsjobs. Ein Gastbeitrag von Gisela Erler gefordert. Wir brauchen ausreichend Kindergärten, Kinderkrippen und Ganztagsschulen. Wir brauchen ein umfassendes Betreuungsangebot, das heute längst nicht mehr nur Kinder, sondern auch pflegebedürftige Eltern einschließt. Andererseits brauchen wir aber auch Chefs, die Fa milienleben ermöglichen und vorleben. Wenn Frauen mehr arbeiten, müssen Männer sich zwangsläufig mehr um die Kinder und alte Familienmitglieder kümmern. Also braucht in Zukunft nicht nur der weibliche, sondern auch der männ liche Führungsnachwuchs Raum, diese Pflichten zu erfüllen. Wenn die Firmenspitze abends um acht noch das Licht anhat und schaut, ob es bei den Mitarbeitern ebenfalls brennt, funktioniert die Integration von Beruf und Familie nicht. Porträt Thomas Kienzle BILFINGER MAGAZIN 01.2013 ... UND BEI BILFINGER? GESTERN Im Sommer 1962 traten 37 Kinder von Berliner Mitarbeitern des Unternehmens Grün & Bilfinger eine Urlaubsreise in den Westen an. Drei Wochen lang durften sie auf Kosten des Unternehmens in einem Landschulheim im Odenwald verbringen: eine Entlastung der Eltern in schwierigen Zeiten, denn im Jahr zuvor hatte sich die Mauer um Berlin geschlossen. Die Bilfinger-Ferienfreizeit gibt es bis heute, mittlerweile führt sie Mitarbeiterkinder aus ganz Deutschland zusammen. HEUTE Bei Bilfinger sind Frauen unterrepräsentiert. Nur knapp 16 Prozent beträgt ihr Anteil im Unternehmen, in Führungspositionen gelangen rund sieben Prozent. Im Jahr 2011 startete Bilfinger deshalb eine Reihe von Programmen und legte die bessere Vereinbarkeit von Beruf und WER MACHT KARRIERE? Familie als übergeordnetes Konzernziel fest. Bis Unternehmen, die sich für die Zukunft fit machen wollen, müssen viel stärker als bisher auf die unterschiedlichen Lebensentwürfe von Mitarbeitern eingehen und lernen, sie zu respektieren. Es geht nicht darum, dass künftig niemand mehr 60 Stunden in der Woche arbeitet. Es geht darum, dies nicht zur Voraus setzung für die berufliche Entwicklung | zu machen. zum Jahr 2020 soll die Zahl von Frauen in Führungspositionen dem Anteil an der Gesamtbelegschaft entsprechen. Um Mitarbeiter mit Familien insgesamt zu stärken, arbeitet Bilfinger seit 2012 in Deutschland mit dem pme Familienservice von Gisela Erler zusammen. MORGEN Die Beschäftigung mit dem Thema Familie und Karriere ist ein Pflichtthema an weiterführenden Schulen. Bilfinger lud Heidelberger Gymnasiasten zu einem Workshop ein: Wie stelle ich mir mein Leben vor? Wie soll die Arbeitswelt gestaltet sein? Ergebnis: Unternehmen GISELA ERLER ist Politikerin, Wissenschaftlerin müssen für die Vereinbarkeit von Privat- und Ar- und Unternehmerin. 1991 gründete sie den pme beitsleben mehr leisten, um junge Menschen Familienservice, ein Unternehmen, das Dienstleis- für sich zu interessieren. Dies bestätigt auch die tungen für Familien anbietet, die von der Kinder- Universum Studie 2012. Befragt nach den wich- Notbetreuung bis zur Unterstützung pflegebedürf- tigsten Kriterien für die Wahl ihres Arbeitgebers, stehen bei männlichen wie weiblichen Studieren- tiger Angehöriger reichen. Auch Bilfinger arbeitet mit pme zusammen. 2011 wurde Gisela Erler als LITERATURTIPP den nicht Geld oder Aufstiegschancen an erster ehrenamtliche Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Gisela Erler, Schluss mit der Umerziehung! Stelle, sondern die Möglichkeit, Beruf und Familie Bürgerbeteiligung in die grün-rote Landesregie- Vom artgerechten Umgang mit den Geschlechtern. in Einklang zu bringen. rung von Baden-Württemberg berufen. Heyne Verlag, 2012. 50 BILFINGER MAGAZIN 01.2013 INNENLEBEN 51 RUND 65 000 MENSCHEN ARBEITEN FÜR BILFINGER. JEDER HAT SEINE EIGENE GESCHICHTE. KAREN SCHENKELBERG Karen Schenkelberg, 54, gehört zum Führungsteam von Bilfinger Industrial Services in Ballwin, Missouri. Aufgewachsen ist sie in einer kleinen christlichen Gemeinde. Ihren Wurzeln ist sie treu geblieben. Was war das größte Glück Ihrer Kindheit? Nach dem Abendbrot bis spät in die Nacht hinein mit den Nachbarkin dern herumzutollen. Wir sind Fahrrad gefahren, haben Ball und Versteck gespielt. Und die Eltern saßen gemeinsam draußen, schauten dabei zu und unterhielten sich. Ihre größte Leistung? Dass ich mit meinem Mann zwei Kinder großgezogen habe, die zu verantwortungsbewussten Menschen herangewachsen sind. Kevin ist jetzt 24 Jahre alt und arbeitet im Einzel handel. Jennifer ist 25 und arbeitet bei Starbucks. Gerade ist sie dabei, eine neue Kirchengemeinde mit aufzubauen. Ihre Lieblingsbeschäftigung? Ich gehe mehrmals in der Woche noch vor der Arbeit schwimmen. Als Kind habe ich den ganzen Sommer im Swimmingpool unserer Kirchengemeinde verbracht. Wofür sind Sie dankbar? Die Zeit beim Schwimmen oder wenn ich Gartenarbeit mache. Das sind die einzigen Gelegenheiten am Tag, wo ich in Ruhe nachdenken kann. Ich möchte mit meinem Mann drei Monate lang durch die amerikanischen Nationalparks touren. Einfach draußen im Zelt übernachten und die Natur genießen. Für meinen Glauben. Er erfüllt mich mit Hoffnung. Gibt es etwas, das Sie in Ihrem Leben auf jeden Fall noch machen Wie viel Zeit am Tag gehört Ihnen? möchten? Was ist Ihr Lieblingswort? Familie. Ich verbinde damit Wärme und Geborgenheit. Meine Freunde gehören zur erweiterten Familie. Wohin würden Sie auf keinen Fall reisen? Zum Mond, denn ich hasse lange Flüge. Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten? Was schätzen Ihre Freunde am meisten an Ihnen? Vergesslichkeit. Allerdings schreibe ich mir selbst immer Listen, was ich alles nicht vergessen darf … Dass ich ihnen offen und ehrlich meine Meinung sage. Was verstehen Sie unter Heimat? Nein, aber mir fallen unzählige Lieder ein, die ich mir mit meinem Unter wasser-MP3-Player beim Schwimmen anhöre. Können Sie ein Gedicht auswendig? Da muss ich an eine Fernsehserie aus den Fünfzigerjahren denken, „Leave it to beaver“. Dort geht es um Kinder in einer perfekten Nachbarschaft: Die Mütter kochen, die Väter arbeiten viel. So bin auch ich aufgewachsen, in einer kleinen christlichen Gemeinschaft. Die Familien- und Freundschaftsbande waren so eng, dass ich mich stets aufgehoben gefühlt habe. Kennen Sie jemanden, der eine wirklich gute Ehe führt? Mein Mann und ich! Wir haben uns übrigens vor dreißig Jahren bei Bilfinger kennengelernt und auch im Beruf viel zusammengearbeitet. Die Ehe mei ner Eltern ist mein Vorbild: Sie haben über sechzig Jahre zusammengelebt, es war eine lebenslange Liebe. Wenn Sie Ihren Kindern nur einen einzigen Ratschlag fürs Leben geben könnten, welcher wäre das? Beschäftige dich in deinem Leben mit etwas, das dich erfüllt und glücklich macht! Geld, Macht und Einfluss können Glück nicht ersetzen. Was ist das Beste an ihrer Arbeit? Die Abwechslung. Kein Tag ist wie der andere. Ich langweile mich niemals. Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Mit guten Freunden und der Familie im Garten beim Barbecue zu sitzen. Interview FRED FILKORN Fotos PAUL NORDMANN, 123RF BILFINGER MAGAZIN 01.2013 Herausgeber: Bilfinger SE Carl-Reiß-Platz 1– 5 68165 Mannheim Tel. 0621 459-0 [email protected] www.magazin.bilfinger.com www.bilfinger.com Verantwortlich: Michael Weber, Bilfinger SE Chefredaktion: Dr. Daniela Simpson, Bilfinger SE, Bernd Hauser, agentur.zs Gestaltung und Layout: Steven Dohn, Theo Nonnen, Bohm und Nonnen, Büro für Gestaltung Bildredaktion: Barbara Bylek, agentur.zs Titelbild: Kathrin Harms Litho: Katja Leppin, Thomas Nikolai Druck: ColorDruck Leimen Versandkoordination: Business Service Weber Papier: 100 % Recycling, ausgezeichnet mit dem „Umweltengel“ Das Bilfinger Magazin erscheint zweimal jährlich auf Deutsch und Englisch. Alle Rechte sind vorbehalten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Nach druck und elektronische Verbreitung, auch auszugsweise, sind nur mit Genehmigung der Redaktion möglich.