Schauen Sie mal ins Buch! - MANA

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Schauen Sie mal ins Buch! - MANA
Hartmut Jäcksch (Hrsg.)
Maori
und Gesellschaft
Wissenschaftliche und literarische Essays
Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Herausgebers................................................................................................ 6
Buddy Mikaere
Die Menschen der langen weißen Wolke....................................................................... 8
Heretaunga Pat Baker
Die letzte Prophezeiung...................................................................................................24
© 2007 MANA-Verlag, Eichhorster Weg 80, Haus C, 13435 Berlin
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Umschlag : tomcom-potsdam.de
Layout: Jürgen Boldt
Lektorat: Kristina Frenzel
Titelbild mit freundlicher Genehmigung von Horst Möll
Druck und Bindung: Interpress
Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek:
Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibligrafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar
2. überarbeitete Auflage
ISBN 978-3-934031-61-6
Die literarischen Texte wurden aus dem Englischen übersetzt von
Dietmar Hefendehl (Die Reise), Hans Hermann (Gedanken eines
verlorenen Maori), Anja Welle (Die letzte Prophezeiung).
Die Sachtexte wurden aus dem Englischen übersetzt von
Hartmut Jäcksch und Stefan Kleffmann.
Der Text von Alan Duff wurde aus GEO-Spezial »Neuseeland«,
August 1999, entnommen.
Bryan Gilling, Vincent O´Malley
Der Vertrag von Waitangi in der neuseeländischen Geschichte............................29
Richard Hill, Vincent O´Malley
Das Streben der Maori nach Rangatiratanga (Autonomie).....................................44
Patricia Grace
Die Reise..............................................................................................................................60
Michaela Moura-Kocoglu
Maori und Literatur...........................................................................................................72
Sam Edwards
Maori im neuseeländischen Film...................................................................................91
Alan Duff
Gedanken eines verlorenen Maori..............................................................................109
Paul Meredith
Kommentar eines »Half-Caste«
über die »Half-Caste« in der Kulturpolitik Neuseelands . .....................................114
Bibliografie........................................................................................................................127
Die Autoren.......................................................................................................................129
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Vorwort
Vorwort
Vorwort des Herausgebers
Geografisch liegt uns nichts ferner als die Kultur der Maori. Touristisch dringt das
Land am anderen Ende der Welt jedoch immer tiefer in unser Bewusstsein ein. Die
gesamte pazifische Region, das Land und natürlich die Menschen, die Kiwis, die
sich aus den europäischen Einwanderern und den schon vorher im Land lebenden
Maori zusammensetzen, erwecken unsere Aufmerksamkeit.
Die Maori sind mit ihrer uns so fremden Kultur von besonderem Interesse.
Aber anders als andere Minderheiten waren sie in der Lage, sich dem Druck der
eindringenden ›Kolonialherren‹ zu widersetzen. Sie erstritten sich in einem ständigen Kampf und noch immer andauernden Bemühen Rechte, die Minderheiten
in anderen Ländern nicht erlangen konnten.
Als die Briten ins Land kamen, ignorierten sie, dass die dort lebenden
Maori eine Vergangenheit hatten, alleine schon deshalb, weil es bei ihnen keine
Geschichtsschreibung im eigentlichen Sinne gab. Für die Einwanderer waren die
Maori Wilde, die sich anzupassen oder aber auszusterben hatten.
Die Idee zu diesem Buch entstand als die Veröffentlichung des Historischen
Romans ›Die letzte Prophezeiung‹ von Heretaunga Pat Baker vorbereitet wurde.
Dieser außergewöhnliche Roman beschreibt das Leben der Maori vor der Ankunft
Kapitän Cooks im Jahre 1769 in Neuseeland und ist in gewisser Weise »fiktionale
Geschichtsschreibung«. In dem Roman werden die kulturellen Grundstrukturen
der Maori lebendig dargestellt, und das Buch verweist durch ›die letzte Prophezeiung‹ auf das Eindringen einer fremden Kultur in das Leben der Maori.
In Zeiten, in denen über kulturelle Vielfalt und das Zusammenleben von Menschen verschiedener Kulturen nicht nur geredet werden sollte, liegt mir daran aufzuzeigen, dass man sich mit den Kulturen dieser Welt auseinandersetzen kann und
muss. Der eigentliche Grund dafür liegt nahe und ist in den Menschenrechten und
im Grundgesetz festgehalten. Ein weiterer ist die Erkenntnis, dass die Einstellung
der ›Kolonialherren‹ bis heute für alle Beteiligten schädlich war.
Das vorliegende Buch erläutert anhand der Beiträge bedeutende Ereignisse in
der Geschichte der Maori Neuseelands und der weißen Einwanderer, der Pakeha.
Es ist kein Geschichtsbuch und kein Lehrbuch zur ›politischen Weltkunde‹, aber
es bietet die Möglichkeit, wichtige gesellschaftliche Themen aus verschiedenen
Perspektiven zu betrachten. Es gab eine Geschichte der Maori vor Ankunft der
Weißen in Aotearoa, wie die Maori ihr Land nennen. Und so gehört ein Blick in
diese Zeit vor 1769 – eine Zeit, die durch Mythen und Legenden weiter existiert
– ebenso zu den Themen dieses Buches wie der erste Vertrag, der zwischen den
Kulturen geschlossen wurde.
Da Autoren aus unterschiedlichsten Fachbereichen, Wissenschaftler und Publizisten, Essays zu diesem Buch liefern, entsteht ein facettenreiches Bild nicht nur
der Maori-Geschichte, sondern auch der gegenwärtigen Stellung der Maori in der
heutigen Gesellschaft Neuseelands. Weitere Themen sind der Wunsch der Maori
nach Selbstbestimmung, das Leben der half-castes, der Nachkommen beider Kulturen, und deren Akzeptanz in der Gesellschaft, und die Bedeutung der MaoriKultur in der zeitgenössischen Literatur und im Film.
Drei fiktionale Texte nähern sich den Themen literarisch: Eindrucksvolle Ausschnitte und Kurzgeschichten von Heretaunga Pat Baker, Alan Duff und Patricia
Grace.
Wenn dieses Buch etwas bewirken kann, dann vielleicht die Einsicht, dass es
wichtig ist herauszufinden, was unterschiedliche Kulturen verbindet, wo Gemeinsamkeiten liegen und wie man Unterschiede positiv füreinander nutzen kann.
Berlin, im September 2007
Hartmut Jäcksch
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Die Menschen der langen weisen Wolke
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Buddy Mikaere
Die Menschen der langen weißen Wolke
Te haerenga – Die Ankunft
Ich bin ein Maori und stamme von den Menschen ab, die die Inseln Aotearoas
vor mehr als tausend Jahren besiedelten. Dieses Land, tief im Süd-West-Pazifik,
wurde als letztes von Menschen besiedelt.
Meine Vorfahren kamen in Booten mit zwei Rümpfen, indem sie den Wind
mit dreieckigen, fasrigen Segeln einfingen und sich den Weg durch natürliche
Navigationshilfen weisen ließen. Die Sterne, die Sonne und der Mond, der Wind,
Wellenmuster und die Verhaltensweisen von Fischen und Vögeln zeigten ihnen
den Weg.
Die Reise Richtung Süden wurde ihnen durch die starken südlichen Strömungen des Südpazifik und die starken Winde zwischen dem Äquator und dem Wendekreis des Steinbocks erleichtert.
Unser Volk gab dem neuen Land seinen ersten Namen, Aotearoa– die lange
weiße Wolke, weil das Land ihnen in der Entfernung so zum ersten Mal erschien,
als sie über den Horizont segelten.
Unsere Legenden sagen, dass wir schon längst von diesem Land wussten. In
der so weit entfernten, mythischen Vergangenheit, als die Welt noch jung war und
die Götter die Erde durchwanderten. Es war der Vorfahre Maui-tikitiki, Maui der
Jüngere, der das Land mit einem mit seinem eigenen Blut getränkten, magischen
Angelhaken aus dem Kieferknochen seiner Großmutter vom Meeresgrund zog.
Er ließ den Angelhaken hinab ins Wasser und ließ dabei einen magischen,
gewaltigen Zaubergesang erklingen. Der Haken fasste etwas und Maui zog einen
riesigen Fisch heraus, der seinen Namen noch immer trägt, Te Ika a Maui – Mauis
Fisch. Auf der Landkarte kann man erkennen, dass die Nordinsel Neuseelands
ein gewaltiger Fisch ist, der auf den Wellen schwimmt, die Südinsel ist Te Waka a
Maui – Mauis Kanu. Der südlichste Teil des Inseltrios, Steward Island, ist Rakiura
– der steinerne Anker.
Es war ein weiterer Held unserer Vorfahren, Kupe der Seefahrer, der das Land
umsegelte und seine Rätsel löste. Er kam so weit in den Süden, als er ein wheke,
eine Riesenseekrake verfolgte, die er schließlich erlegte, indem er ihr Speere in
die Augen schleuderte. Er segelte in seinem Kanu um die Inseln, benannte ihre
besonderen Merkmale und ließ schließlich einen Teil seiner Familie zurück,
damit sie die ersten Bewohner dieser Inseln würden. An diese mutige Tat erinnert dieses Lied:
I sing
I sing of Kupe
The man who crossed the sea
And divided the islands from the land
Who set Kapiti apart
Who set Mana apart
Who set Arapawa apart
These are the signs of my ancestor Kupe…
Ich singe
Ich singe von Kupe
Dem Mann, der das Meer überwand
Und der die Inseln vom Land trennte
Er löste die Insel Kapiti
Er löste die Insel Mana
Er löste die Insel Arapawa
Dies sind die Zeichen, die mein Vorfahre Kupe hinterließ…
Als Kupe in seine Heimat im Ost-Pazifik zurückkehrte, hatte er Erzählungen von
dem fernen Land im Gepäck.
Und bald kam der Tag, als Krieg, Hunger und fehlender Lebensraum unsere
Vorfahren zwangen, ihre Heimat in Ost-Polynesien zu verlassen. Uns sind diese
Inseln heute als die Gesellschaftsinseln Tahiti, Moorea, der Tuamotu Archipel und
die Marquesas bekannt. Unsere Vorfahren kannten sie als das mystische Heimatland mit Namen Hawaiki. Andere sagen, dass Hawaiki immer der Name des allerletzten Abfahrtsortes sei.
Von Hawaiki aus segelten sie geradewegs in die Weite des Ozeans hinein und
folgten – soweit sie sich erinnern konnten – den Anweisungen Kupes. So erreichten sie die größten Inseln im Pazifischen Ozean. Es gibt andere, die sagen, dass die
ersten Siedler nur zufällig hierhin verschlagen wurden, Schiffbrüchige oder Ausgestoßene, die von Seestürmen über das Meer getrieben worden waren.
Diese Frage wurde in der Vergangenheit heiß diskutiert. Aber es steht fest, dass
die ersten Bewohner von Aotearoa zur Gruppe der polynesischen Familie gehören.
Sie alle sprechen eine ähnliche Sprache, auch wenn sie über die ganze Weite des
Ozeans verstreut leben, und sie pflegen alle die gleichen alten Traditionen zu segeln
und zu navigieren und ihre Gene tragen noch immer die Fähigkeit weiter, in einer
marinen Umwelt zu überleben.
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Buddy Mikaere
Vertrag übertrugen die Maori ihre Rechte auf Souveränität an den König von England, behielten aber laut Vertrag die Kontrolle über Land, Wälder und Fischgründe
und erhielten im Gegenzug alle Rechte und Privilegien eines britischen Staatsbürgers.
Der Vertrag von Waitangi wurde in viele Teile des Landes gebracht und von vielen
führenden Stämmen unterzeichnet. Die Jahre nach der Vertragsunterzeichnung
waren unruhig. Einige Maori hielten sich nicht an die Regeln der neuen Gesetze und
der Flaggenmast vor dem Regierungssitz wurde mehrmals abgesägt.
Als Reaktion auf die Plünderung des Ortes entsandten die Briten Truppen ins Land
und nach einiger Zeit flauten die Kämpfe ab. Danach erlebte das Land eine Periode der friedlichen Entwicklung und den Maori ging es besser. Der Enthusiasmus
für Gewehre und später für die Kirchenlieder wurde abgelöst von einer Begeisterung für Mühlen, wurde im Land doch mittlerweile Weizen angebaut, wodurch die
Landwirtschaft aufblühte. Aber auch die Bildung im Lande machte Fortschritte,
1856 konnten proportional mehr Maori lesen und schreiben als Pakeha.
Diese goldenen Zeiten dauerten jedoch nicht allzu lange. Der Grund dafür war
das Land. Die Maori hatten nie das unersättliche Verlangen der Pakeha nach Land
akzeptiert, das auch noch durch das Verhalten der Regierung unterstützt wurde.
Landbesitz von Maori wurde immer seltener. Diese Situation führte 1860 zu einem
Krieg, der fünf Jahre andauerte.
Britische Truppen wurden aus Indien abgezogen und gegen die Maori in Neuseeland eingesetzt. Es war ein ungleicher Krieg, in dem der Gegner, der bei den
Truppen Respekt genoss, langsam zermürbt wurde. Zum Ende des Krieges war eine
Siedlerregierung eingesetzt worden, die dann quasi als »Bestrafung« dafür, dass sich
die Maori gegen sie hatten erheben können, von den Maori Land konfiszierten.
Jetzt waren die Maori eine Minderheit im eigenen Land und hatten kaum
Möglichkeiten, sich an der Gestaltung des Landes zu beteiligen. Diese Phase der
Geschichte ist der Schmelztiegel, in dem die Rassenbeziehungen ihre Basis haben.
Aus dieser Zeit stammen viele Probleme, die auch heute noch nicht überwunden
sind, wenn es darum geht zu versuchen fair miteinander umzugehen und eine gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen.
Die Maori verschwanden immer mehr von der Bildfläche. Krankheiten, Armut,
Entkräftung als Folge der Kriege und die Unfähigkeit, sich auf neue Entwicklungen der Technik und Landwirtschaft einzustellen, sorgten dafür, dass die MaoriPopulation stark abnahm. Einige Politiker bemerkten, dass seitens der Regierung
eventuell zu wenig getan worden sei, eine aussterbende Rasse zu stützen. Diese
Meinung vertrat man auch noch im 20. Jahrhundert, aber da die Maori eher in
ländlichen Gegenden lebten, wurden sie von vielen gar nicht wahrgenommen. Sie
waren aus den Augen und aus vielen Gründen auch aus dem Sinn.
1914 gingen viele Maori zur neuseeländischen Armee und kämpften an der
Seite der Briten im Ersten Weltkrieg. Sie nahmen an den verhängnisvollen Kämpfen in den Dardanellen teil, um die Türkei zu besetzen. Die meiste Zeit verbrach-
Die Menschen der langen weisen Wolke
ten sie jedoch als Pioniere in Nordfrankreich. Es wird behauptet, dass die Briten
es nicht gerne sahen, farbige Kameraden an ihrer Seite zu haben, wenn sie gegen
Europäer kämpften.
Nach dem Ende des Krieges 1918 kam es zu einer Art Renaissance der MaoriGesellschaft. Einige ehemalige Kriegsteilnehmer konnten bedeutende Positionen übernehmen und gleichzeitig kam es durch die Etablierung einer Partei, der
»Young Maori Party«, zu einer politischen Präsenz. Mitglieder dieser Partei verfolgten vor allem das Ziel, für bessere Gesundheitsbedingungen zu sorgen, indem
sie Hygieneprogramme aufstellten und darauf drangen, das den Maori verbliebene
Land nutzbar zu machen.
Die weltweite Depression in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts drohte die
positive Entwicklung zu stoppen. Allerdings schienen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Armut, für die Maori »nur« eine Rückkehr zum
normalen Leben zu sein. Das Jahrzehnt endete im Zweiten Weltkrieg, ein Ereignis,
das die Maori teuer bezahlen mussten.
Das 28. Bataillon setzte sich aus Maori zusammen und kämpfte in Nordafrika
gegen das Afrika-Korps, in Griechenland, Kreta und Italien. Dieses Bataillon erlangte
den Respekt der deutschen Soldaten, gegen die es hauptsächlich im Wüstenkrieg
kämpfte. Trotz der in Schlachten errungenen Ehren waren die Verluste unter den
Maori hoch und bewirkten, dass eine ganze Generation fähiger junger Männer ausgelöscht wurde. An diesem Rückschlag leiden die Maori noch heute. Der Krieg hatte
jedoch auch eine positive Auswirkung. Die Teilnahme der Maori an den Kämpfen
sorgte für das neue Bewusstsein, dass sie ein wesentlicher Teil der neuseeländischen
Gesellschaft waren. Bis zum Ende der 40er Jahre war ein unterschwelliger Rassismus jedoch vorhanden, so wurden Maori in Bars oft nicht bedient oder aufgefordert
in Kinos spezielle Plätze einzunehmen. Dies änderte sich aber,als zurückkehrende
Soldaten zum Beispiel darauf bestanden, gemeinsam mit ihren Maori-Kameraden
Bier zu trinken. Dieses Verhalten führte dazu, dass der offen sichtliche Rassismus
im Keim erstickt wurde.
Die 50er waren Jahre des Wohlstands, hervorgebracht aus einer boomenden
Wirtschaft, die vor allem von der starken Landwirtschaft gestützt wurde. Die Produktion und der Export von Fleisch, Wolle, Butter und Holz brachte ein Vermögen
hervor, das zur Verbesserung der Infrastruktur des Landes verwendet wurde. Der
Erfolg der Landwirtschaft bewirkte eine Vollbeschäftigung unter den Maori und
brachte ihnen einen erneuten gesellschaftlichen Aufschwung.
Das nun vorhandene Geld wurde auch für die Erneuerung der marae, dem
Gemeinschaftshaus der Maori, und anderer für die Maori-Gemeinschaft wichtiger Dinge verwendet. Dies führte zu einer Wiedergeburt der Maori-Kultur
und stärkte die Identität. Die in dieser Zeit wieder aufkeimenden kulturellen
Vorführungen sind bis heute wichtiger Bestandteil des Tourismus in Neuseeland.
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Buddy Mikaere
Vom Ende der 50er Jahre an bis in die 60er Jahre hinein wuchs der Anteil der Maori
an der Bevölkerung, was dazu führte, dass viele Maori die ländlichen Gebiete verließen und in den Städten nach Arbeit suchten. Heute sind viele Maori Stadtmenschen, die jedoch noch immer ausgeprägte Wurzeln auf dem Lande haben.
Die letzten vier Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts brachten eine Maori-Gesellschaft hervor, die den Entwicklungen innerhalb der neuseeländischen Gesellschaft
ebenso ausgesetzt war wie der Rest der Bevölkerung. Für die Maori, wie für alle
Neuseeländer, lag die Herausforderung darin, sich den Fragen des Rassismus zu
stellen und mit kulturellen Unterschieden umgehen zu lernen, zumal Neuseeland
dazu tendiert, eher ein multikulturelles als ein bi-kulturelles Land zu sein. Zur
Rassenbeziehung in diesem Land muss bemerkt werden, dass die Mitglieder der
unterschiedlichen Kulturen dieser Gesellschaft realisiert haben, dass es nicht wichtig ist, wodurch sie sich unterscheiden, sondern dass es wichtig ist zu erkennen, wo
die Gemeinsamkeiten liegen und wie ähnlich man sich ist. Viele Maori-Familien
haben Pakeha-Mitglieder und umgekehrt. Maori und Pakeha haben damit begonnen, Teil der jeweils anderen Kultur zu werden, jedoch nicht so sehr, dass die Identität und Kultur der Maori verschwunden wären. Wir können wählen, ob wir an
dieser Entwicklung teilnehmen wollen oder nicht.
Te Ao Hou – Die neue Welt – ins 21. Jahrhundert
Maori sind Teil der Wirschaft, des kulturellen und sportlichen Lebens. Nicht alles
ist im besten Zustand für die Maori des Landes der langen weißen Wolke im 21.
Jahrhundert. Sie sind überrepräsentiert in der Arbeitslosenstatistik, sind häufiger
krank, an Verbrechen beteiligt, inhaftiert, und haben oftmals eine schlechtere
Ausbildung. Solche Fakten sind typisch für die Armen auf dieser Welt, und in
unserem Land sind es die Maori.
Wir können jetzt versuchen, viele Gründe für diese Situation zu finden, aber
es scheint offensichtlich, dass diese Gründe meist wirtschaftlicher Natur sind.
Sobald die Wirtschaft Schwächen zeigt, sind es zuerst und vor allem die schlechter Ausgebildeten, die die Nachteile spüren. Ein vermindertes Einkommen führt
dann dazu, dass an der Gesundheitsvorsorge und der Ausbildung gespart wird.
Dies sind die Gründe für die Benachteiligung der Maori in der Gesellschaft.
Oft ist mir bange für die Zukunft der Maori, weil schon die Gegenwart so
unklar vor uns liegt. Tief im Innern, glaube ich, wissen wir, welche kulturellen,
ökonomischen und moralischen Voraussetzungen wir erfüllen müssen um unser
Land für die Zukunft stark zu machen. Aber die heutige Generation unserer politischen Führer, gefangen im Sumpf politischer Notwendigkeiten, scheint aller Ideen
beraubt. Diesen Weg müssen wir gemeinsam gehen. Es muss etwas passieren, das
uns diesen Voraussetzungen näher bringt. Nicht nur, damit das Land stärker wird,
Die Menschen der langen weisen Wolke
sondern auch, damit die Stellung der Maori in der neuen neuseeländischen Gesellschaft gefestigt wird.
Ich bin guten Mutes, wenn ich sehe, dass wir im 20. und 21. Jahrhundert unserer
Vergangenheit ehrlich ins Auge sehen – mit allen positiven und negativen Erscheinungen. Ich bin guten Mutes, wenn ich sehe, dass die Maori ihre Kultur auch global
definieren, wenn zum Beispiel ein Maori-Entwurf im Logo der neuseeländischen
Fluggesellschaft erscheint. Es ist zum großen Teil die Kultur der Maori, die dafür
sorgt, die Verschiedenheit Neuseelands zum Beispiel vom Nachbarn Australien
auszudrücken. Junge Neuseeländer (»Kiwis«) jeder ethnischen Herkunft sind stolz
auf ihr Land und zeigen dies oft dadurch, dass sie Knochen- oder Muschelanhänger tragen, die Maori-Entwürfe zur Vorlage haben. Sie zögern nicht, die Sportler
des Landes laut und begeistert mit einem haka (Kriegstanz der Maori) zu unterstützen.
Es sind diese jungen Menschen, die wir beim Aufbau einer neuen Gesellschaft
unterstützen müssen, in der die Maori und ihre Kultur ein zentrales Element sind
und in der die Dualität der Herkunft positiv umgesetzt wird.
Ko Aotearoa te whenua e mihi ana au
Tihei mauri ora!
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Die letzte Prophezeiung
Heretaunga Pat Baker
Die letzte Prophezeiung
(Auszug aus dem Maori-Epos)
Raumoko, der stärkste und meistgefürchtete Krieger an der Küste, hatte beschlossen, das Gesicht seines Sohnes in der traditionellen Weise seines Stammes tätowieren zu lassen. Er sprach darüber mit seinem Meistertätowierer.
»Hotene, du wirst die Tat morgen ausführen. Auf mein Nachfragen hat mir
Tipu Tapeka versichert, daß die Sterne morgen in ihrer günstigsten Konstellation
stehen werden. Aber vergiß nicht, was ich dir letztes Mal gesagt habe, als wir die
Sache besprochen haben. Wenn auch nur ein Schrei oder Jammerlaut von seinen
Lippen kommt, wird er gezwungen werden, in meinem Stammeshaus vor seinesgleichen zu stehen und seine Feigheit zu beichten. Dann muß er sie um Vergebung
für seine Schwäche bitten. Denn ist es nicht so, daß nur die Gesichter der Tapferen
tätowiert sind?«
»Überlaß das ruhig mir, Herr«, antwortete Hotene, »Ich werde einen Trick
anwenden, der sie alle eins von zwei Dingen tun läßt – entweder sie brüllen oder
sie pissen vor Schmerz. Es liegt bei Rewi.«
»Ha ha ha!« brüllte der Häuptling. »Laß mich wissen, Hotene, ob er ein Pisser
oder ein Schreihals ist.«
Halb ängstlich, halb erwartungsvoll wartete Rewi. Das erste, was er hörte, war
ein Geräusch sanften Klopfens. Dann stieg der Schmerz wie ein glühendes Stück
Kohle, das seine Wange hinabraste, in seinen Schädel. Seine Lippen bebten, seine
Augen brannten unter fest geschlossenen Lidern, und seine Zunge blutete zwischen
den zusammengebissenen Zähnen.
Er hatte das Gefühl, als würden Eisstücke sein Rückgrat hinunterrollen. Er
mußte dringend urinieren, doch er riß sich zusammen.
Im Hintergrund erklang der rituelle Gesang des Priesters.
Nackt auf dem Rücken liegend, spürte Rewi, wie die Sonne seinen gemarterten
Körper wärmte und allmählich Kraft in seinen Leib zurückströmte. Wie ein echter
Krieger bemühte er sich, äußerste Schmerzverachtung zu zeigen.
Die Frauen, die bei ihm waren, freuten sich über solch vielversprechende Zeichen von Männlichkeit und Selbstbeherrschung bei ihrem jungen Häuptling, der
eines Tages die Position des großen Raumoko als Kriegshäuptling ihres Stammes
einnehmen würde. Sie saßen um ihn herum, sangen Lieder, um ihm in seiner Qual
beizustehen und massierten seine Männlichkeit. Allmählich wurde er sich seiner
Erektion bewußt, und sie half ihm, den Schmerz zu mildern. In regelmäßigen
Abständen tauchte der Meistertätowierer die Spitze des Instruments in eine paua-
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Muschelschale und schob dickflüssigen schwarzen Farbstoff in eine tiefe Furche
in Rewis Fleisch. Nach der Wundheilung würden nur noch die zarten schwarzen
Linien im Gesicht zu sehen sein. Der Priester hatte sehr sorgfältig darauf geachtet,
daß nur die nadelscharfe Spitze des uhi vom Flügelknochen toroas, des Königsalbatrosses, verwendet wurde.
Denn diesem Vogel schrieb man außergewöhnliche Eigenschaften zu. Unter der Führung von Tangaroa, dem Gott des
Ozeans, flog toroa weiter, um unbemerkt von den Menschen
in fernen Himmeln zu herrschen. Hier pflegte toroa Umgang
mit den Elementen, die ihm ewiges Leben schenkten. Immer
seewärts über die wogende Brust Hinemoanas, der Jungfer des
Meeres, folgte er im geisterhaften Kielwasser der großen Seekanus der Meereskönige den Vorfahren Raumokos. Vielleicht
sah er sogar, wie diese gewaltigen Schiffe in die Nacht hinausfuhren, dorthin, wo der Himmel die Erde berührte. Nur aus
dem Knochen eines solchen Vogels konnte ein Instrument verHeretaunga Pat Baker
vollkommnet werden, mit dem das Gesicht eines mächtigen
Häuptlings tätowiert werden durfte.
Während Rewi den Liedern und dem Ritual lauschte, fühlte er, wie er in eine
weit entfernte Welt entglitt. Und als er den Ruf des einsamen Albatros vernahm,
spürte er den Schmerz nicht mehr.
Klopf, klopf klopf, klopf klopf. Dann war es vorbei.
Der kleine dünne Mann wischte das Blut fort, das aus der aufgerissenen Wange
quoll. Er lächelte und half Rewi auf die Beine. »Das hast du gut gemacht, junger
Mann.« Er sprach mit dünner und rauher Stimme, seine Augen lagen tief in ihren
Höhlen. Die Hakennase und festen Lippen zeugten von seiner aristokratischen
Herkunft. Hotene war selbst ein Häuptling, doch er hatte sich dazu entschieden,
die besondere Kunst der Tätowierung zu erlernen. Jetzt, mit weit über sechzig
Jahren, war er, der Meister, als der beste Künstler des Stammes, wenn nicht des
ganzen Landes, bekannt.
Er trat ein paar Schritte zurück, um seine Arbeit zu bewundern.
»Bevor wir mit der anderen Seite weitermachen, wird toroa an einem besonderen Ort unter tapu verwahrt werden, bis dein Gesicht verheilt ist. Du bist sehr
tapfer gewesen.« Dann fügte er mit einem Lachen hinzu: »Aber die Frauen, hmm?
Sich von den Frauen massieren zu lassen, war das Ganze schon wert, was, Rewi? Sie
sind wunderbar, diese Frauen. Sie helfen dir, den Schmerz zu vergessen. Dein Vater
wird sich sehr freuen, wenn ich ihm von deiner Tapferkeit berichte.«
Der Boden außerhalb der Palisaden, wo das Blut Rewis während des Tätowierungsprozesses vergossen worden war, wurde für tapu erklärt. Hotene sang eines
seiner besonderen Lieder und forderte die Götter auf, dieses Stück Land für alle
Generationen heilig zu halten.
Das Streben der Maori nach Rangatiratanga (Autonomie)
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Richard Hill, Vincent O´Malley
Das Streben der Maori nach Rangatiratanga (Autonomie)
Der Vertrag von Waitangi, der zwischen der britischen Krone und den maorischen Häuptlingen im Jahre 1840 unterzeichnet wurde, sicherte den Maori ausdrücklich das Recht zu, ihr eigenes Land und ›andere Angelegenheiten‹ selbst zu
kontrollieren. Dies war ein ›zweckmäßiges Zugeständnis‹ der Briten, das auf der
Annahme beruhte, dass eine (angebliche) Unterlegenheit ›eingeborener Völker‹,
kombiniert mit wirtschaftlichen Expansionsmotiven, die den Imperialismus untermauerten, dazu führen würde, dass die soziologisch-kulturelle Identität und die
kollektive Organisation der Maori untergraben und schließlich zerstört würden.
Ein wichtiges Mittel, um die Übergabe der maorischen Ressourcen an die Siedler
zu beschleunigen, war, die eingeborene Bevölkerung zu integrieren, wenn auch am
unteren Ende der Gesellschaft.
Das Bestreben der eingeborenen Völker, sich der Einverleibung ihrer Institutionen und Kulturen sowie der Enteignung ihrer Ressourcen zu widersetzen, durchzieht die Geschichte der europäischen imperialistischen Ausbreitung in Afrika,
Amerika, Australien und auch Neuseeland. Während zunächst der Prozess der
politischen, sozialen und kulturellen Unterwerfung erstaunlich effektiv war und
die Enteignung der maorischen Ländereien und andere Ressourcen sicherstellte,
passte sich die maorische Gesellschaft bald an. Diese Reaktion auf die Kolonisation sicherte letztendlich das Überleben als eigenständige kulturelle und ethnische Gruppierung mit eigenen sozialen und organisatorischen Formen. Die Maori
konnten auf Grund ihrer ständigen Bestrebungen, eine autonome, soziologischpolitische Rolle in Neuseeland einzunehmen, vom Staat nicht ignoriert werden.
»Der Faden, der die historische Struktur des Kontaktes zwischen Maori und Pakeha
durchzieht, ist der Wille der Maori nach maorischer Autonomie und der Wunsch
der Regierung, selbige zu zerstören.« (Waitangi-Tribunal)
In der maorischen Version des Vertrages von Waitangi, welche übrigens diejenige ist, die von fast allen 500 Unterzeichnern des Abkommens unterschrieben wurde, wurde den Häuptlingen ›te tino rangatiratanga‹ (volle Führerschaft)
über ihre Ländereien und andere ›taonga‹ (Schätze oder Dinge, die für Leute von
Bedeutung sind) zugesichert. Im Jahre 1840 gab es kein Konzept einer maorischen
Nation, das Wort Maori bedeutete zuerst lediglich ›Mensch‹ und später (nach dem
Kontakt mit den Europäern) ›normal‹. Der ›hapu‹ (Unterstamm), der aus weniger
als einhundert und aus bis zu tausend Leuten bestehen kann, war die erfolgreiche
soziale und politische Einheit der maorischen Gesellschaft. In Kriegs- oder Krisenzeiten formierte man eine größere Stammesgruppierung (›iwi‹).
Die ›rangatira‹ (Häuptlinge) eines ›hapu‹ wurden traditionell auf der Basis ihrer
Nachkommenschaft und Führungsfähigkeiten gewählt, und gewöhnlich wurde
von ihnen erwartet, ihren Stamm auf Grund von Gemeinschaftsentscheidungen
zu führen. In den Verhandlungen, die zur Unterzeichnung des Vertrages führten,
wurde den Häuptlingen zugesichert, dass ihr ›mana‹ (Prestige, Autorität) geschützt
und durch die Verbindung ihrer Reichtümer mit denen der britischen Krone vergrößert würde. Die Anerkennung des Rechts auf ›rangatiratanga‹ (Führerschaft,
von den Maori als Autonomie interpretiert) im Artikel 2 des Vertrages suggerierte
ihnen, dass sich durch den Anschluss an Großbritannien nur sehr wenig für ihre
Stämme ändern würde. In Artikel 1 desselben Vertrages hatten die Häuptlinge auch
›kawanatanga‹ (Regierungsschaft) oder (in der englischen Version des Vertrages)
›Souveränität‹ an die Krone abgetreten.
Die Krone und ihre offiziellen Vertreter hatten niemals Zweifel daran, dass die
Maori ihre Souveränitätsrechte aufgegeben hatten. Aber auf Grund der geringen
Anzahl von Soldaten, Polizisten und Siedlern und wegen geringer finanzieller
Mittel waren die ersten Gouverneure Neuseelands nur selten in der Lage, den
Maori ihren Willen aufzuzwingen. Britische Souveränität blieb in den meisten
Gebieten der Kolonie wenig mehr als Fiktion, und die Maori regelten ihre eigenen
Angelegenheiten weiterhin gemäß ihrer eigenen Bräuche und Rechte. In diesen
Gebieten, in denen lediglich ›Nominalsouveränität‹ herrschte, beschränkte sich
der britische Einfluss auf ›moralische Appelle‹, auf den Versuch, die Maori zu
überzeugen, in christlicher und zivilisierter Weise zu handeln.
***
Durch die Kolonialisierung mit neuen Herausforderungen konfrontiert, erkannten
die Maori die Effektivität größerer kollektiver Einheiten. ›Iwi‹ wurde eine immer
wichtigere politische Einheit, und die Idee des ›kotahitanga‹ (Einheit zwischen
den Stämmen) verbreitete sich unter den Maori. Unterdessen hatten sich auch die
Vorstellungen der maorischen Führerschaft verändert. Das bedeutet, dass Männer
ohne Rücksicht auf ihren Geburtsstatus an die Spitze gelangen konnten, wenn sie
am besten geeignet waren, mit den neuen Schwierigkeiten fertig zu werden. In den
Gebieten, in denen die Europäer am stärksten vertreten waren, dominierte die
Krone über die Maori, und hier gab es den ersten nachhaltigen Widerstand gegen
die Einmischung in maorische Angelegenheiten.
In dem daraus resultierenden ›nördlichen Krieg‹ gewannen die Rebellen
anfangs die Oberhand. Erst spät gelang es den Briten, in einer unentschiedenen
Schlacht bei Ruapekapeka im Januar 1846 einer totalen Niederlage zu entgehen.
Die Truppen der Maori hatten sich aus Furcht vor weiteren Unterbrechungen ihrer
Handelsbeziehungen mit den Siedlern verbündet. In gewisser Weise zeigten sie
dadurch ›rangatiratanga‹. Die Kollaboration als Mittel der Erhaltung oder Steige-
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Richard Hill, Vincent O´Malley
Das Streben der Maori nach Rangatiratanga (Autonomie)
rung des ›mana‹ wurde ein ständiges Thema in den Beziehungen zwischen der
Krone und den Maori. Den Briten wurde deutlich, dass man mit dem maorischen
Bestreben, die Zukunft selbst zu bestimmen, nicht spielen durfte.
Die neuseeländischen Ansiedlungen in Wellington und Wanganui waren 1846
und 1847 in weitere militärische Auseinandersetzungen verwickelt. Um gegen die
Rebellen bestehen zu können, waren sie wieder auf die Hilfe verbündeter Maori
angewiesen. Sir George Grey, der zu dieser Zeit Gouverneur von Neuseeland war,
versuchte, die maorischen Häuptlinge zu einer Kooperation mit der Regierung zu
bewegen und ihnen einen Teil der Regierungsmacht zu übertragen. Greys sogenannte ›Mehl- und Zuckerpolitik‹ führte dazu, dass den Häuptlingen als Belohnung
für ihre Loyalität offizielle Positionen, Rentenzahlungen, Geldmittel und Darlehen
zugesprochen wurden. Grey war durch den Verkauf von maorischen Ländereien
dazu in der Lage, den europäischen Einfluss und die Kontrolle auszudehnen. Die
Nordinsel war allerdings dichter mit Maori besiedelt als die Südinsel und so widersetzten sich dort viele maorische Stämme und Stammeszweige dieser Entwicklung.
Viele Gebiete blieben so unter maorischer Kontrolle.
Die Ankunft weiterer Siedler rief eine verstärkte Nachfrage nach Land hervor
und stärkte den Wunsch der Siedler, sich selbst zu regieren. Aus dieser Situation
resultierten in den 60er Jahren neue Kämpfe in den meisten Teilen der Nordinsel.
In der neuseeländischen Institutionsverordnung (New Zealand Institution Act)
aus dem Jahre 1852 wird die Bildung von Provinz- und Generalversammlungen
verkündet. Die Bildung dieser Versammlungen, die innerhalb von zwei Jahren
absolut funktionstüchtig waren, bedeutete, dass nur wenig Aussicht auf eine maorische Selbstregierung bestand. Da das Wahlrecht nur an solche Personen vergeben wurde, die einen individuellen, durch die Krone vergebenen Rechtsanspruch
hatten, waren die Maori faktisch von dem Wahlrecht oder der Teilnahme an diesen
neuen Versammlungen ausgeschlossen. Die Provinz- und Generalversammlungen
waren daher eigentlich Siedlerversammlungen. Aber ohne legale Absicherung war
die langfristige Prognose für diese Komitees zweifelhaft.
***
Gegen die Vereinnahmung des Landes durch die Pakeha und gegen die offensichtliche Verringerung ihres Einflusses gingen die Maori auf unterschiedliche Weise
vor. Einige Stämme auf der Nordinsel weigerten sich vehement, Land abzugeben.
Dies veranlasste die Landankäufer der Regierung, immer rücksichtslosere Taktiken
anzuwenden, um an das Land zu kommen. So war der Ankauf von Stammesland
durch geheime Transaktionen mit willigen Einzelpersonen möglich, ohne dass
die notwendige Zustimmung der Häuptlinge oder der eigentlichen Mehrheit der
Eigentümer eingeholt wurde. Um solchen Methoden zu widerstehen, wurden in
vielen Stämmen die traditionellen ›runanga‹ (Stammesräte) wiederbelebt.
Viele einflussreiche Maori befürworteten den Gebrauch von Konzepten, die bisher
nur von den Pakeha angewendet wurden. Einige Maori hatten die Idee, ein maorisches Parlament ins Leben zu rufen. Es wurde mit besonderem Enthusiasmus von
mehreren Stämmen der zentralen Nordinsel aufgenommen. Zwar besaßen die
meisten ihr Land noch, aber auf Grund der Erfahrungen einiger Stämme in den
anderen Teilen des Landes blickte man besorgt in die Zukunft.
Andere bevorzugten das Konzept einer ›Königschaft‹, die mehreren wichtigen Häuptlingen der Nordinsel symbolisch angeboten worden war. Schließlich
wurde der Titel dem großen Waikato-Häuptling Potatau Te Wherowhero verliehen. Nach seinem Tod im Jahre 1860 trat sein Sohn Tahiao die Thronfolge an,
dessen 34jährige Herrschaft eine traumatische und turbulente Zeit für die Maori
bedeutete. Traditionelle Rivalitäten zwischen den Stämmen verhinderten, dass
dieses Konzept eine Bewegung wurde, die alle Stämme umfasste. Generell forderte
die Königsbewegung die übergeordnete Autorität der Krone nicht heraus, aber es
wurde versucht, »ranga tiratanga« oder
»mana motuhake« (die in dem Vertrag
von Waitangi versprochene Selbstregierung) zu erhalten.
Die Vertreter der Königsbewegung
sahen in der Stärkung bestehender
maorischer Einrichtungen ein Mittel,
die Kontrolle über das Land zurückzugewinnen, was die Pakeha als eine
echte Bedrohung für die britische Souveränität ansahen. Mit der Zunahme
von Siedlungen – innerhalb von 20
Jahren nach der Annexion gab es so
viele Siedler wie Maori – verschärfte
sich das Auftreten der Siedler gegenüber den Maori. Die veränderten Machtverhältnisse sorgten dafür, dass die
Pakeha nicht länger bereit waren, sich
den Zugang zum Land durch die Maori
Tahiao, König der Maori 1860-1894
blockieren zu lassen. Für die Siedler
waren die Maori ein barbarisches Volk, das den Fortschritt im neuen Großbritannien der Südsee verhinderte. Sogar viele Missionare glaubten mit Hinblick auf den
sich verringernden Einfluss der Maori, dass es an der Zeit war, den Eingeborenen
zu zeigen, dass die Krone und ihre Siedler die Kontrolle über die Kolonie hatten.
Am 12. Juli 1863 marschierten die imperialistischen Truppen über den Mangatawhiri-Fluss in den Waikato-Bezirk ein, angeblich als Antwort auf Gerüchte eines
geplanten Angriffs der ›kingitanga‹ auf Auckland. Der Waikato-Feldzug, der bis in
47
Maori und Literatur
72
Michaela Moura-Kocoglu
*
Maori und Literatur
Behind the tattooed face,
a stranger stands.
He will inherit this world –
he is white.
1 Maori-Prophezeiung
Seit dem Ende des britischen Kolonialismus und der einhergehenden Emanzipation seiner ehemaligen Kolonien haben sich weltweit Literaturen Gehör geschaffen, die ehemals nur marginal – wenn überhaupt – betrachtet wurden. Die Politik
des britischen Imperialismus prägte zwei Begriffe: Siedlungskolonien, zu denen
Kanada, Australien und Neuseeland gehören, sowie Eroberungskolonien, darunter der indische Subkontinent sowie die Länder der afrikanischen Sub-Sahara. In
vielen dieser Staaten ist der Prozeß von einer Kolonial- zu einer Nationalliteratur
noch im Gange; innerhalb aller ehemaligen Kolonien werden die Stimmen von
Autoren ethnischer Minderheiten immer lauter, die von dem ständigen Wunsch
angetrieben werden, sich von der britisch-europäischen Welt der ehemaligen
Kolonialherren abzugrenzen. Die Vorgehensweisen ethnischer Minderheiten, eine
Nationalliteratur zu etablieren, verlaufen in den früheren Eroberungs- und Siedlerkolonien unterschiedlich.
In den ehemaligen Siedlungskolonien sehen sich Schriftsteller mit einer besonderen literarischen Situation konfrontiert. »The Empire Writes Back«, der vielzitierte Titel eines Artikels von Salman Rushdie, findet hier auf zweierlei Arten seine
Anwendung: Zum einen versuchen weiße Australier, Kanadier sowie »Pakeha«
(Neuseeländer europäischer Herkunft), sich mit ihrer Literatur vom ehemaligen
Zentrum abzugrenzen. Andererseits treten Aborigines und Maori in ihren Werken
gegen den weißen Eurozentrismus im eigenen Land an. Schon bald nach Beginn
der Kolonisation überrundeten die europäischen Siedler die Ureinwohner zahlenmäßig, so daß sie zur ethnischen Minderheit im eigenen Land wurden. Der
australische Aborigines-Autor Colin Johnson bezeichnet die Autoren ethnischer
Minoritäten in Siedlerkolonien, in deren Ländern die Europäer die Mehrheit ausmachen, daher als »Vierte-Welt-Schriftsteller«. Aborigines in Australien, Maori
in Neuseeland, Indianer in Amerika und andere indigene Bevölkerungsgruppen
haben miterleben müssen, wie ihr Land und seine Ressourcen in den Besitz der
kolonialen Siedler übergingen. Aufgrund dieser Entwicklung stehen die Autoren
in diesen Regionen einer diffizilen literarische Situation gegenüber.
In Neuseeland machen seit den siebziger Jahren zunehmend Autoren des polynesischen Volkes der Maori2 auf sich aufmerksam, das wahrscheinlich zwischen dem
zehnten und dem vierzehnten Jahrhundert von den Cook-Inseln nach Aotearoa3 einwanderte. Mit Inbesitznahme Neuseelands durch James Cook im Namen der
englischen Krone im Jahre 1769 mußte sich das Volk der Maori, das zu dem Zeitpunkt bereits seit mehr als einem Jahrtausend auf der Insel verweilte, an eine für
sie vollkommen neue Situation anpassen: Mit dem Einzug der weißen Siedler aus
Europa, vornehmlich aus England, wurden die Maori mit einer ihnen gänzlich
fremden Kultur konfrontiert, deren primäres Ziel industrieller Fortschritt und
materieller Wohlstand war. Im Laufe der Zeit, die von vehementen kulturellen,
politischen und sozialen Konflikten geprägt war, wurde die Kultur der Maori mehr
und mehr in den Hintergrund gedrängt. Die Gründe dafür sind vielfältig und nicht
nur der Ignoranz und Ablehnung der Europäer zuzuschreiben.
**
Zwischen 1769 und 1840 emigrierten vorwiegend Missionare und Händler nach
Neuseeland. Diese Zeit war von Stammesfehden der verschiedenen iwi (Stamm)
und hapu (hierarchisch gesehen eine Art »Unter-Stamm« zu iwi) der Maori
geprägt, die durch die Anwendung von Waffen, die die Weißen mitbrachten,
eskalierten und eine drastische Dezimierung der Maori zur Folge hatten. Schließlich konnten christliche Missionare unter den Stämmen Frieden stiften, eine
Entwicklung, die zur Konvertierung vieler Maori zum Christentum führte. Dies
war nur der erste Schritt, der die Bevölkerungsgruppe von ihrer Kultur entfremdete. Im Jahre 1840 unterschrieben etwa 50 Stammesoberhäupter den »Treaty
of Waitangi« und erkannten somit die Oberhoheit der britischen Krone an. Im
Gegenzug wurde ihnen Schutz ihrer traditionellen Rechte auf Land, Gewässer
und Wälder zugesichert. Danach ging der Prozeß der Entfremdung der Maori
von ihrer Kultur noch schneller voran. Siedler strömten in hoher Zahl nach Neuseeland und kauften den Maori Land ab. Im Jahre 1858 wählten verschiedene
iwi, darunter Waikato, Taupo und andere, einen Maorikönig, Potatau I., um
ihr Land vor Ausbeutung zu bewahren und Einigkeit zu demonstrieren. Dieses
sogenannte »King Movement« (Kingitanga) stieß jedoch nicht bei allen iwi auf
Beifall und wurde folglich nicht ausreichend unterstützt. Heutzutage existiert
die Kingitanga-Bewegung zwar noch, strebt jedoch nicht mehr nach politischer
Unabhängigkeit oder Macht. Derzeit unter Führung der Königin Te Ata-i-rangikaahu*, verkörpert diese Bewegung die Herkunft und Traditionen der Maori
und vermittelt einen sozialen und kulturellen Kontext, nach dem sich die Ethnie
ausrichten kann.
*gestorben am 15.8.2006. Ihr ältester Sohn, Tuheitia Paki, wurde zum Nachfolger ernannt
73
74
Michaela Moura-Kocoglu
Aufgrund der Tatsache, daß die tangata whenua (Ureinwohner; Menschen, die zu
dem Land gehören) ihre Rechte nicht durch den Vertrag von Waitangi gesichert
sahen, kam es zwischen 1860 und 1865 zu kriegerischen Auseinandersetzungen
mit den Europäern, den sogenannten »Maori Wars«. Die Europäer obsiegten und
diese Niederlage der Maori führte zur verstärkten Konfiszierung von Land. Die
Kämpfe und das gleichzeitige Massensterben aufgrund eingeführter europäischer
Krankheiten führten zu einer dramatischen Dezimierung der Minderheit, der zur
Jahrhundertwende nur noch aus 42.000 Maori angehörten. Bereits zu diesem Zeitpunkt strengten die dominanten europäischen Einwanderer Assimilationsbemühungen an, um die Maori in ihre neu geschaffene Gesellschaft zu integrieren. Nicht
nur die Abkehr vom traditionellen Leben in der ländlichen Gemeinschaft, sondern
auch der Verlust der Sprache hatte einen Prozeß der kulturellen Entfremdung zur
Folge, von dem die heutige Maorigesellschaft sehr stark geprägt ist.
Im zwanzigsten Jahrhundert verschlechterte sich nicht nur die kulturelle, sondern vor allem die soziale Situation der Maori drastisch. Die fünfziger Jahre waren
geprägt von der Landflucht der neuseeländischen Bevölkerung, wovon vor allem
die ethnische Minorität der Maori betroffen war. Dieser Prozeß verstärkte sich
eklatant in der Nachkriegszeit. Mitte der siebziger Jahre lebten bereits 75 Prozent
der Maoribevölkerung in den Städten. Die urbanen Lebensumstände gingen mit
einem massiven Verlust an Sprache, traditionellen Wertvorstellungen und Gebräuchen einher. Erst in jüngster Zeit, im Zuge der Maori-Renaissance, sind die Maori
bemüht, sich auf ihre Traditionen und Gebräuche zurückzubesinnen. Diese Politik hat bereits im institutionellen Leben Neuseelands Einzug gehalten. Fernsehprogramme in der Sprache der Bevölkerungsgruppe, die Einrichtung von whare
wananga (traditionellen Maori-Schulen), Kurse über Kultur und Sprache an Universitäten und etliche weitere Aktivitäten haben zum Ziel, der Ethnie der Maori
ihre ursprüngliche Lebensart näher zu bringen und identitätsstiftend zu wirken.
Doch auch den Pakeha soll dadurch die Kultur der Maori nähergebracht werden,
Dies soll zu einem besseren Verständnis sowie einer friedlichen Koexistenz in einer
bikulturellen Gesellschaft führen.
Die Maori-Renaissance, also die Rückbesinnung auf die Werte und Traditionen
der mehr als tausendjährigen Maorikultur, ist Teil einer aktuellen wissenschaftlichen Diskussion unter Anthropologen geworden. Solche Renaissance-Bewegungen, die von ethnischen Minderheiten ausgehen, sind in allen postkolonialen
Gesellschaften zu beobachten. Dabei wird von den Wissenschaftlern postuliert,
daß Kultur einem steten Veränderungsprozeß unterliegt und letztendlich ein Konstrukt der jeweiligen Ethnie ist, folglich keineswegs einen möglichen Rückbezug
auf vorkoloniale Traditionen und Gebräuche darstellen kann. Dieser Prozeß wird
als »cultural invention« bezeichnet. Letztendlich sagt er aus, dass die verschiedenen Kulturen in allen Gesellschaften einem permanenten Wandel ausgesetzt sind.
Dieser Prozeß spiegelt sich auch in den entsprechenden Literaturen wider.
Maori und Literatur
Daß solch eine Diskussion negative Resonanz bei Völkern hervorruft, die im Begriff
sind, ihre Souveränität gegenüber einer dominanten ethnischen Volksgruppe
durchzusetzen, ist nur zu verständlich. Ob eine solche Neubelebung von Kultur der
Identitätsstiftung der Maori dienlich ist und positiv zur Schaffung einer bikulturellen Gesellschaft in Neuseeland beiträgt, wird anhand ausgewählter Maori-Literatur
diskutiert werden. Kultur wird nämlich auch in entscheidendem Maße durch die
Literatur eines Volkes geprägt, sei es durch schriftliche oder orale Traditionen. Im
folgenden wird zunächst ein Überblick über die Maoriliteratur Neuseelands gegeben, um dann darauf einzugehen, inwieweit zeitgenössische Maorischriftsteller
eine authentische oder konstruierte Kultur in ihren Werken widerspiegeln und was
sie damit beabsichtigen.
***
Die Maori waren zur Zeit der Entdeckung durch die Europäer ein illiterates Volk,
das auf eine jahrhundertelang gelebte orale Tradition zurückblicken kann. In den
vergangenen zwei Jahrhunderten hat diese Ethnie einen radikalen Umbruch ihrer
Lebensgewohnheiten und Traditionen durchleben müssen. Dabei hat sie sich unter
anderem die Sprache und Schriftlichkeit der Pakeha zu eigen machen müssen, um
sich in dieser neugeordneten Welt behaupten zu können. In den letzten Jahrzehnten wurde den Maori bewußt, daß sich durch den Verlust an kulturellem Leben
vehemente Identitätsproblematiken ergaben. Daher gewannen eigene Kultur und
Traditionen zusehends an Bedeutung, um der fortschreitenden Entfremdung entgegenzuwirken.
In der heutigen neuseeländischen Literatur der Maori findet diese Rückbesinnung auf Tradition und Kultur auf sehr unterschiedliche Weise Ausdruck. Zentrales Thema dieser Arbeit wird die Betrachtung von drei zeitgenössischen Romanen
sein: Potiki von Patricia Grace (1986), The Bone People von Keri Hulme (1983)
sowie Once Were Warriors von Alan Duff (1990). In diesen drei Werken von
Schriftstellern, die die größte ethnische Minderheit in Aotearoa vertreten, wird das
Thema Maorikultur sehr unterschiedlich thematisiert. Ein konstitutives Merkmal
gegenwärtiger Literatur ist die Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen
und dem daraus resultierenden Kampf um Landrechte. Daneben sind vor allem
soziale, ökonomische, politische und kulturelle Probleme die Themenschwerpunkte der Schriftsteller.
Patricia Grace schildert nostalgisch ein ländliches whanau, dessen Gemeinschaft
auf Traditionen Wert legt, wobei die Autorin auch auf die mythische Dimension
der Maorikultur eingeht. Diese Idylle wird von Pakeha bedroht, die sich des Landes
bemächtigen wollen. In Keri Hulmes Roman ist die Rückbesinnung auf kulturelles
Erbe ein entscheidendes Mittel zur Identitätsfindung der Protagonisten sowie zur
Versöhnung mit und Reintegration in die Gesellschaft. Alan Duff veranschaulicht
75
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Michaela Moura-Kocoglu
91
Anmerkungen
1 Alex Calder, 1993, The Writing of New Zealand: Inventions and Identities, Auckland:
Reed Publ., S. 136.
2 Die indigenen Völker Neuseelands nennen sich seit dem Kontakt mit Europäern
tangata maori. Das Adjektiv »Maori« bedeutet in der Sprache der Ureinwohner
»normal« oder »gewöhnlich«. Dieser Terminus setzte sich schon bald nach Ankunft
der Europäer als Substantiv durch. Siehe auch Joan Metge, 1976, The Maori of New
Zealand Rautahi, London: Routledge & Kegan Paul, S. 31 und Hal B. Levine (1997), S.
157.
3 Bezeichnung der Maori für Neuseeland vor dem Eintreffen der Europäer; bedeutet
übersetzt »Das Land der langen weißen Wolke«. Dieser Begriff wird bereits häufiger
von europäischen Neuseeländern zur Bezeichnung ihres Landes verwendet, was als
Zeichen einer Entwicklung in Richtung bikulturelle Gesellschaft gewertet werden
kann. (Im Lauf der Arbeit wird noch genauer auf den Begriff »Bikulturalismus« eingegangen); Powhiri Wharemarama Rika-Heke ironisiert die Bedeutung von Aotearoa
›land of the long white cloud‹ durch die Bezeichnung ›land of the wrong white crowd‹
in ihrem Artikel von 1996 »Margin or Center? ›Let me tell you! In the Land of my
Ancestors I am the Centre’: Indigenous Writing in Aotearoa«.
4 Peter Beatson, 1989, The Healing Tongue: Themes in Contemporary Maori Literature,
Palmerston North: Sociology Department, Massey University, S. 39.
5 Patricia Grace in einem Interview in S. Woodhouse (1976), Thursday (13 June). Zitiert
in Ken Arvidson (1991), S. 117f.
6 Trevor James, 1989, »Lost Our Birthright Forever? The Maori Writer’s Re-Invention of
New Zealand«, Culture and Identity in New Zealand, Hg. David Novitz; Bill Willmott,
Wellington: GP Books, S. 119.
7 Peter Beatson (1989), S. 71.
Sam Edwards
Maori im neuseeländischen Film
Die Sichtweise eines Pakeha
Die Darstellung von Gruppen und Individuen im Film ist auf Grund der Notwendigkeit, den Erwartungen eines großen und mannigfaltigen Publikums gerecht
werden zu müssen, zugleich beschreibend und selektiv. Die Darstellung der Maori
im Film bildet da keine Ausnahme. Was die Sache komplizierter macht, ist die Tatsache, dass es über das Leben der Maori vor Ankunft der Europäer keine schriftlichen Hinweise gibt. Die Maori gaben ihr Wissen über ihre Vergangenheit mündlich
weiter. Später waren es die Europäer, die die Geschichte der Maori schriftlich
festhielten und dabei ihre Maßstäbe ansetzten. Diese Umstände schufen quasi eine
eigene Mythologie und bestimmten, wie Maori gesehen wurden. Die Einführung
der Fotografie sorgte erneut für eine Verallgemeinerung in der Sichtweise. Gestellte
Situationen wurden vervielfältigt und durch die europäische Brille gesehen. Man
schuf Identitäten, die es so nicht gab.
Wie in jedem Land gibt es auch in Neuseeland Vorbehalte gegenüber Menschen, die außerhalb ihres Bereiches publizieren. Frauen haben Vorbehalte gegenüber Männern, die sich zu Frauen äußern, und viele Maori haben Vorbehalte, wenn
Pakeha über Maori schreiben. Diese Haltung wird besonders bei der Maori-Filmemacherin Merata Mita deutlich:
»Ich empfinde es als tragisch, dass man den Maori nicht die Möglichkeit gibt,
ihre eigenen Probleme und Sichtweisen auf ihre Art anzugehen. Irgendwie meinen
die Pakeha, sie hätten das Recht, Maori-Charaktere und Maori-Geschichten zu
nehmen und (…) diese aus dem Zusammenhang zu reißen. So zeigen sie ein interpretiertes oder abgeändertes Bild der Maori, anstatt sie authentisch darzustellen.
(…) Ich nenne dies Unterschlagung. (…) Pakeha kennen sich nicht aus und sollten
die Finger davon lassen.« (1)
Nun, wie kommt also ein männlicher Pakeha dazu, ein Essay über »Maori im
Kino« zu schreiben? Kino ist in erster Linie ein öffentliches Gut. Es besteht aus
Bildern, die man dem Publikum vorsetzt, um Geschichten zu erzählen. Ich sehe
meine Aufgabe darin, mit meiner persönlichen Sichtweise für eine Vielfältigkeit in
der Beschreibung der Bilder und Geschichten zu sorgen. Ich vergesse nicht, dass
es meine persönliche Sichtweise ist, aber als Wissenschaftler und als Kommentator der Bilder gebe ich Eindrücke wieder, sodass eine neue Perspektive ein Forum
erhält.
92
Sam Edwards
Maori im neuseeländischen Film
Die frühe Geschichte
Für die mündliche Weitergabe der Vergangenheit ist charakteristisch, dass sich
die Geschichte während der Zeit verändert. Dies wird durch semantische Entwicklungen, ungenaue Überlieferungen verschiedener Erzähler und durch sich
verändernde kulturelle oder gesellschaftliche Sichtweisen hervorgerufen. Die voreuropäische Geschichte der Maori, der tangata whenua, von Neuseeland wurde
mündlich überliefert.
Für weitere Verwirrung unter den Geschichtswissenschaftlern sorgten fehlerhafte Übersetzungen zwischen dem Maori und Englisch. Oftmals war eine zu
oberflächliche Herangehensweise die Ursache; man war sich der Komplexität der
anderen Sprache nicht bewusst. Aber meist lag die Ursache darin, dass man die
äußerst unterschiedlichen religiösen und kulturellen Auffassungen nicht genügend
wahrnahm.
Als die Pakeha nach 1840 in größerer Anzahl das Land besiedelten, brachten sie
ihre Auffassung von der Art und Weise wie Nichteuropäer gesehen und verstanden
werden sollten mit. Missionare und auch die bekehrten Maori interpretierten den
Entstehungsmythos neu und veränderten traditionelle Werte und Gewohnheiten,
damit sie in eine christliche Welt passten.
Das Militär, Händler, Missionare und staatliche Verwalter und Lehrer führten
neue und »erstrebenswerte« Werte ein. Dies waren neuen Verhaltens- , Sicht- und
Vorgehensweisen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und privaten Bereich, die
insbesondere zu einer neuen Auffassung von persönlichem Eigentum und Landbesitz führten.
Die ersten bildlichen Dokumente
Das erste noch erhaltene Foto, auf dem Maori zu sehen sind, wurde in der
Mitte des 19. Jahrhunderts aufgenommen. Es zeigt zwei junge Frauen, Caroline
und Sarah Berrett, die in europäischen Kleidern und mit viktorianischer Frisur
vor einem unbekannten Fotografen posieren (2). Abgesehen von einigen Gesichtsmerkmalen könnte es sich um ein Bild irgendeines Geschwisterpaares des 19. Jahrhunderts handeln. Sie waren die Töchter des Walfängers Dicky Barrett, der mit der
Maori Rawinia Waikauia aus dem Stamm der Ngati Te Whiti verheiratet war. Das
Bild der Geschwister zeigt eindrucksvoll, wie sehr Maori bereit waren europäische
Lebensweisen anzunehmen.
Die Technik der Fotografie erreichte Neuseeland zu spät, als dass sie noch hätte
Zeugnis ablegen können von der Generation der Maori, die sich noch nicht dem
europäischen Stil angepasst hatten. Bei den Fotografen handelte es sich ausnahmslos um Europäer, und ihre Einstellungen und Sichtweisen waren den Maori fremd.
Sie hatten keine Idee vom Leben der voreuropäischen Maori, sie kannten nur die
verallgemeinerten Ansichten, die von anderen Pakeha stammten.
Auch Gemälde, die Maori zeigten, waren von europäischen Sichtweisen und
Stilrichtungen beeinflusst. Die Maler des 18. und 19. Jahrhunderts waren nicht
in der Lage, ein genaues Bild der neu entdeckten Rasse zu schaffen. Ausnahmen
bildeten deutliche Merkmale wie das moko, die Tätowierung, oder Dekoration
und Schmuck. Gerade die Einstellung zur Tätowierung macht deutlich, wie unterschiedlich Maori und Pakeha waren. War das moko für die Maori »ein Zeichen von
anmutiger Würde und Schönheit«, sahen die Europäer darin nur »ein Gesicht, das
etwas Primitives trug«(3).
Die Abhängigkeit zwischen der Darstellung von Maori durch die Europäer auf
der einen Seite und den Erwartungen der Betrachter auf der anderen Seite ist bis in
die heutige Zeit nachzuvollziehen. Die selektive Wahrnehmung der Maori hat ihre
Spuren bei Pakeha und Maori gleichermaßen hinterlassen. Selbst in Filmen, die
von Maori bewusst aus einer maorischen Sichtweise entstanden, gibt es Elemente,
die ihre Wurzeln in der beschriebenen, visuellen Anpassung haben.
In dem Film »Mauri« (1987) hat Merata Mita (Drehbuch und Regie) bewusst
versucht, die stereotypen Bilder früherer Filme zu vermeiden, in denen Maori
»irgendwie süß aussehen, in ihren Baströckchen herumtollen und sich ansonsten
schüchtern und bescheiden geben…« (4).
Dennoch, auch in diesem Film entspricht die Hauptfigur, Rewi Rapana, dem
Image eines Kriegers, Rewi trägt Waffen und zeigt ein entsprechendes Verhalten.
Der Schauspieler Anzac Wallace, der auch den rebellierenden Krieger Te Whiki in
»Utu« spielt, verkörpert dieses Image durchweg in seinen Filmen.
Die Sorgfalt, mit der diese Figur und andere Bilder im Film »Mauri« gestaltet
wurden, soll nicht in Frage gestellt werden, zumal sie eine Widerspiegelung des
modernen Maori sind. Andererseits wird deutlich, dass gewisse populäre Schlüsselbilder aus früheren Darstellungen auch von Filmschaffenden dieses Jahrhunderts
gepflegt werden. Andere Bilder moderner Maori sind hingegen für den Zuschauer
eher neu. So zeigt Mita den Großstadt-Maori, der seine kuia (ältere, weibliche Verwandte) auf dem Lande besucht, oder die aroha (Liebe) einer Großmutter zu ihrem
Enkel. Diese Bilder verwirren auch die Maori, die ihr Selbstbild, das durch Pakeha
mitgestaltet wurde, akzeptiert haben.
Es ist paradox, dass etwas, das eine gegenwärtige ethnische Realität porträtiert,
gleichzeitig Rollen auswählt, die diese Realität untermauern. Wenn diese Darstellung unbewusst Gestaltungsmerkmale von Maori und Pakeha enthält, die auf vorgegebenen Bildern aus der Vergangenheit beruhen, dann ist die Befürchtung Mitas
berechtigt, die in diesem Fall eine kulturelle Kolonialisierung unterstellt. Aber es
wird auch der Prozess einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung in Gang gesetzt
durch die visuelle Geschichte, die geprägt ist von selektiver Wahrnehmung auf
Grund kultureller Verschiedenheiten.
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Sam Edwards
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ohne kulturelle Wurzeln angesehen werden. Obwohl sie über ein Jahrhundert nur
durch die eurozentrische Brille betrachtet wurden, demonstrieren Maori, dass sie
eine filmische Kraft und Ausdrucksstärke besitzen. Oder wie Cliff Curtis es ausdrückt: »…als Maori haben wir überlebt. Und mehr noch, da ist eine Kraft – wir
erblühen« (15).
Danksagung
Dieses Essay wurde ermöglicht durch die Unterstützung des New Zealand Film
Archive, der New Zealand Film Commission und des Alexander Turnbull Photographic Archive der National Library.
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1988 pp21-22.
2. Main, William Maori In Focus: A selection of photographs of the Maori from 1840
– 1914 Millwood Press, Wellington, New Zealand, 1976. P.7.
3. Merata Mita interviewed in Making Utu, directed by Gaylene Preston, 1982
4. Parekowha, Cushla, Korero Ki Taku Tuakana : Merata Mita and Me in Illusions Vol 9
1988 p.24
5. King, Michael. Maori, A Photographic and Social History, Heinemann, Wellington
1983 p.26
6. King, Michael. Maori, A Photographic and Social History, 2nd Ed. Heinemann, 1986,
p.5.
7. Appendices to the Journals of the House of Representatives, E.3, 1930, p.3.
8. Dialogue from Broken Barrier, directed by John O’Shea, 1952
9. Harris, Witarina, Interviewed on Koha, TVNZ, 22 Nov 1987
10. Barclay, Barry Our Own Image Longman Paul, Auckland, 1990 p.21
11. Barclay op.cit. p.55
12. Shepard, Deborah. Reframing Women Harper Collins, Auckland 2000. p. 193
13. Shepard op cit p. 121.
14. Ibid
15. Harawira and Husband op. cit., p. 38
Alan Duff
Gedanken eines verlorenen Maori
Ich hab´ sie immer an unserem Haus vorbeifahren sehen, diese finsteren
Typen – ganze Wagenladungen. Schwarz bemalte ärmliche Vehikel, schwarz
wie deren Gesichter – unsere Gesichter. Nicht niggerschwarz. Maorischwarz,
also braun, schmutzigbraun, so wie wir alle. In diesem Viertel und in jedem
armen Viertel in diesem Land. Nicht dass ich von diesem Land, von Neuseeland, irgendetwas gesehen hätte. Ich bin nur, wie so viele, ein braunhäutiger
Fremder in meinem eigenen Land. Scheiß auf die Weißen. Für die sind wir
doch nur schmutzigbraune, nichtsnutzige Nigger. Deshalb stecken sie uns in
Gefängnisse, und sie selber besitzen Villen und große Häuser mit Swimmingpools und zwei, drei Autos, diese ganze schöne Scheiße.
Ich hab´ schon früh im Leben kapiert, dass Maori nirgends hinkommen.
Höchstens ins Gefängnis. (Und ich hab´ geglaubt, das halte ich aus.) Die wenigen weißen Jungs, die mit uns zur Schule gingen, waren nicht anders als wir
– arm. Was mich ganz schön verwirrte, denn ich hätte nicht gedacht, dass auch
nur einer von ihnen so ist wie wir. Unsere Eltern sagten, wir seien arm und
könnten uns fast gar nichts leisten. Aber sie trieben immer die Kohle auf, um
Bier einzukaufen. Und das nicht zu knapp. Nur wir Kinder haben nie etwas
bekommen, uns haben sie nur verprügelt und angeschrien und den ganzen
Tag schlecht behandelt und die halbe Nacht dazu.
Aber die Enttäuschung läßt dich schnell erwachsen werden, sie hält dich
auf Trab, und du erwartest nichts vom Leben, weil dir deine eigenen Eltern
nichts geben. Wahrscheinlich ist es ihnen selber so gegangen, und wahrscheinlich wird es auch unseren Kindern so gehen, wenn wir erst welche haben. Ich
selber will allerdings keine, ich scheiß auf die Schreihälse. Sollen doch andere
Kinder welche haben.
Ich wusste, am besten kommst du in die Gang rein, wenn du richtig
zuschlagen kannst. Also montierte ich einen selbstgemachten Punchingball.
In ein Stück altes Segeltuch stopfte ich Kapok aus einer Matratze und nähte
das ganze mit einer großen Segelnadel und Schnur zusammen. Und jeden Tag
versetzte ich dem Ding mindestens 200 Boxhiebe. Als ich es dann im richtigen
Leben ausprobierte, konnte ich gar nicht glauben, wie hart die Schläge waren,
mit denen ich diesen Typen fertigmachte, der zwei Jahre älter war als ich und
viel kräftiger. Da wusste ich, wo meine Zukunft lag, ich sah es klar und deutlich: Ich würde in der Braunen Faust nicht nur ein Mitläufer sein, sondern der
Vollstrecker der Gang, ein brauner Sly Stallone, so was wie der Kapo.
128
Paul Meredith
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Young, R. 1995. Colonial desire: hybridity in theory, culture, and race. London ; New York:
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Die Autoren
Heretaunga Pat Baker wurde 1920 in Rakaia, Neuseeland, geboren. Er arbeitete
als Journalist, Farmer und in anderen Berufen. 1975 verfasste er den ersten neuseeländischen Roman, der die Geschichte der Maori aus ihrer Sicht beschreibt. Der
Roman »Die letzte Prophezeiung« (Behind the Tattooed Face) behandelt die letzten großen Stammeskriege der Maori bis zur Ankunft Kapitän Cooks in Neuseeland. Baker starb 1988.
Alan Duff wurde1950 in der Region Rotorua als Nachkomme der Ngati Rangitihi und Tuwharetoa geboren. Er arbeitet als Autor, Kolumnist, Kritiker und gilt
als ›kulturelles Phänomen‹. Duff versuchte sich in einigen Berufen, war mehrmals
selbstständig und wandte sich dann dem Schreiben zu. Sein zweites Manuskript
»Once Were Warriors« wurde ein Erfolg und auch verfilmt (Die letzte Kriegerin).
Sam Edwards wurde 1935 in Neuseeland geboren. Er besuchte die Victoria University in Wellington, wo er seinen M. A. Abschluss machte. Edwards ist Professor der
Universität zu Waikato und lehrt an der Fakultät Film- und Medienwissenschaften
(Screen and Media).
Patricia Grace wurde 1937 als Nachkomme der Ngati Toa, Ngati Raukawa und
Te Ati Awa in Wellington geboren und ist die herausragende Vertreterin der neuseeländischen Maori-Literatur. Grace verfasste Kurzgeschichten, Kinderbücher
und Romane. Ihr Erzählband »Wairaki« (1975) war die erste Veröffentlichung
einer Maori-Autorin. Heute lebt und schreibt Patricia Grace in Plimmerton, Neuseeland.
Bryan Gilling Bryan Gilling promovierte in Neuseeländischer Geschichte an
der Universität von Waikato in Hamilton, Neuseeland, und befasst sich seitdem
- inzwischen über ein Jahrzehnt lang - mit Ansprüchen bezüglich des Vertrags
von Waitangi und verwandten Themen, wobei er besonders über den Maori Land
Court publizierte. Er veröffentlichte außerdem Texte zur Regierungs- und Religionsgeschichte Neuseelands, einschließlich zweier aktueller Bücher – „Government
Valuers“ („Schätzer der Regierung“, 1996) und „The Ombudsman in New Zealand“ („Der Ombudsmann in Neuseeland“, 1998). „Town and Country: The National Associations and Insurance Companies of Local Government in New Zealan“,
„Stadt und Land: Nationale Interessenverbände und Versicherungsgesellschaften
der Kommunalverwaltungen in Neuseeland“, 1999) Er war Chef-Historiker in
der Behörde für Vertragsregelungen und ist heute leitender Forschungspartner in
der Forschungsabteilung „Vertrag von Waitangi“ der Victoria-Universität in Wellington
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Die Autoren
Richard Hill promovierte an der Canterbury-Universität Christchurch, Neuseeland
im Fach Literaturwissenschaften. Er ist Mitglied der Clare Hall der CambridgeUniversität, England, und war Forschungsstipendiat sowohl in Clare Hall als auch
am Churchill College der Cambridge-Universität. Sein besonderes Fachgebiet ist
die Geschichte der Zwangssozialkontrolle und -überwachung in Neuseeland. Er
veröffentlichte vier bedeutende Bücher zu diesem Thema: „Policing the Colonial
Frontier“ („Überwachung der kolonialen Grenze“, zwei Bände, 1986), „The Colonial Frontier Tamed“ („Die gezähmte koloniale Grenze“, 1989) und „The Iron Hand
in the Velvet Glove“ („Die eiserne Hand im Samthandschuh“, 1995). In den 90er
Jahren war Dr. Hill leitender Historiker für die neuseeländische Krone in Angelegenheiten des Vertrages von Waitangi, während er gleichzeitig leitende Positionen
in der Abteilung für „Vertrag von Waitangi“-Politik des Justizministeriums und in
deren Nachfolgeorganisation, der Behörde für Vertrags-Regelungen, innehatte.
1998 schuf Dr. Hill die Forschungsabteilung „Vertrag von Waitangi“ am Stout-Forschungszentrum für Studien der Neuseeländischen Gesellschaftsgeschichte und
Kultur der Victoria-Universität von Wellington, Neuseeland, und wurde ihr Gründungsdirektor.
Paul Meredith stammt von Pakeha (Europäern), Ngati Kaputuhi und Ngati Maniapoto ab. Er ist Doktorand am Fachbereich für Maori- und Pazifik-Entwicklung der
Waikato-Universität, Neuseeland. Er forscht außerdem für das Te MatahauarikiInstitut in Waikato, wo er momentan an einem Projekt arbeitet, das die MaoriRechtsprechung untersucht.
Buddy Mikaere gehört dem Ngati Pukenga-Stamm an und lebt in Manaia auf der
Coromandel-Halbinsel der Nordinsel Neuseelands. Er schreibt für ein breites
Publikum über eine Vielzahl an Themen, haupsächlich jedoch als Historiker mit
dem Spezialgebiet „Rassenbeziehungen des 19. Jahrhunderts“. Er ist außerdem als
Umweltberater tätig, wobei er sich hauptsächlich mit kulturellen Belangen befasst.
Michaela Moura-Kocoglu wurde am 11. November 1972 in Frankfurt am Main
geboren, wo sie seither lebt und arbeitet. 1999 absolvierte sie ihr Magister-Studium
der Neuphilologie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Schwerpunkte:
Englische Literaturwissenschaft und NELK (Neuere Englische Literaturen und
Kulturen). Zur Zeit ist sie als Internationale Event-Managerin bei der Deutschen
Bank in Frankfurt beschäftigt.
Vincent O’Malley ist zur Zeit leitender Historiker des Königlichen ForstwirtschaftsPacht-Fonds (Crown Forestry Rental Trust)/Nga Kaitiaki Reti Ngahere Karauna.
Er arbeitet seit 1993 auf dem Gebiet der Landansprüche, die aus dem Vertrag von
Waitangi resultieren und veröffentlichte eine Reihe von historischen Forschungs-
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berichten, Artikeln und wissenschaftlichen Abhandlungen zur Geschichte der
Wechselbeziehungen zwischen Maori und Pakeha. Er ist Autor von „Agents of
Autonomy: Maori Committees in the Nineteenth Century“ („Vertreter der Autonomie: Maori-Komitees im 19. Jahrhundert“, Huia Publishers, 1998) und war
mehrmals Zeuge vor dem „Vertrag von Waitangi“-Tribunal.