Ibiza – die Afrikanische Schwester Kommt man mit dem Flieger nach

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Ibiza – die Afrikanische Schwester Kommt man mit dem Flieger nach
Ibiza – die Afrikanische Schwester
Kommt man mit dem Flieger nach Ibiza, so sieht man zuerst die ausgedehnten geometrischen Becken der Salinen, umgeben von Feldern mit
roter Erde, einigen Palmen und flachen, weißen kubischen Häusern.
Wäre ein Seeadler vor 2700 Jahren auf der Insel gelandet, es hätte
sich ihm ein ähnliches Bild geboten.
Es waren die Phönizier, aus der Levante kommend, die hier um 800 vor
Christus die ersten größeren Siedlungen gründeten und die Salzgewinnung kultivierten.
Im Laufe der Jahrtausende waren sie alle da, die Herren des Mittelmeers, die Phönizier, Griechen, Römer, Mauren und Spanier. Die
Griechen nannten die Inselgruppe um das heutige Ibiza und Formentera – ohne Mallorca und Menorca – Pityusen, nach der griechischen
Bezeichnung für die Libanon-Zeder. So heisst sie noch heute. Die Insel
selbst nannten die Phöenizer Ibes bzw. Ebusim, die Römer Ebesus, die
Mauren Yabisa, die trockene Insel. Zuletzt verwandelte sich das spanische Ibiza des 20. Jahrhunders wieder in das katalanische Eivissa.
Paul Klee und August Macke inspirierte in Tunis ähnliche Architektur. Andere wie Adolf Loos verfielen auf den Kykladen dem
Würfel. Im Winter 1932 besucht Le Corbusier Ibiza, beschreibt die
Architektur der Bauernhäuser als „seltsam und rein“ und stellt diese
Architektur in der Folge der Fachwelt vor. Der Dadaist Raoul Hausmann (1886–1971), der 1933 vor den Nazis nach Ibiza floh, nannte
das Leben in den seit Jahrtausenden tradierten ibizenkischen
Bauernhäusern das „Existenzmaximum“.
Ibiza wurde Exil und Heimat einer europäischen Künstler-Avandgarde. Sie lebten hier, weit weg von Madrid, vom Franco-Regime
weitgehend unbehelligt.
Auch der in München geborene Architekt und Maler Erwin Broner
(1898–1971) ist auf der Flucht vor Hitlers Deutschland, als er 1934
zum ersten Mal nach Ibiza kommt. Sein Lebenswerk ist stark von
der ibizenkischen Bauweise inspiriert.
In La Palma auf Mallorca zeigt die emporstrebende gotische Fassade
der Kathedrale seit dem 13. Jahrhundert die Zugehörigkeit zu Europa.
Letzte Zweifel räumt das auf Mallorca allgegenwärtige Satteldach aus.
1959 läßt sich Broner auf der Insel nieder und gründet zusammen
mit anderen Künstlern, darunter Erwin Bechtold, die Gruppe Ibiza59.
Die Gruppe organisierte international beachtete Ausstellungen u.a.
mit Braque, Dubuffet, Ernst und Miró.
Anders Ibiza. In Dalt Vila, der Altstadt der Hauptstadt, bestimmen
verwinkelt übereinander gebaute, kleinere und größere, weiße oder
lehmfarbene kubische Bauten mit Flachdach das Bild. Casablanca
oder Algier lassen grüßen. Das gilt auch für die Palmen und die die
verwinkelte Topografie.
Der katalanische Architekt Josep Lluis Sert (1902–1983) schließlich,
Nachfolger von Walter Gropius in Harvard, ist wohl der Architekt
des 20. Jahrhunderts, der sich am stärkten durch Ibizas Architektur
leiten ließ: Sein Werk umfaßt kubische Ikonen auf der ganzen Welt.
1975 schuf er die großartige Fundació Joan Miró in Barcelona.
Nicht, daß die Spanier nicht versucht hätten, der Insel ihren Stempel
aufzudrücken: Als sie die Insel von den Mauren eroberten, wurden alle
alten Ortsnamen getilgt und durch Namen katholischer Heiliger ersetzt.
Doch hinter Santa Agnès des Corona oder Sant Mateu verbergen sich
bis heute archaische Siedlungen aus kubische Häusern mit spärlichen Öffnungen, teils steinsichtig, teils weiß gekalkt. Auch die kleinen
Kirchen setzen sich aus Würfeln zusammen.
Die Casa Broner, Broners selbstentworfenes würfeliges Wohnhaus
im Hafenviertel SaPenya, ist heute als Museum zu besichtigen. Der
Gruppo59 ist in DaltVila mit dem Museo de Arte Contemporáneo ein
Ausstellungsareal gewidmet. Überflüssig zu erwähnen: auch dieser
Komplex ein wunderbares Zusammenspiel alter und neuer Kuben.
Judith Rüber / 2015