Relaxing with PatRicia URqUiola
Transcription
Relaxing with PatRicia URqUiola
liegen lernen! G R I D 074 Relaxing with Patricia Urquiola text Anna Bejar ([email protected]) Coalesse, ein Tochterunternehmen des führenden Büromöbelherstellers Steelcase Inc, ist seit Kurzem auf dem europäischen Markt vertreten und feierte im Pariser Marais-Viertel seine erste Showroom-Eröffnung. Hauptdarsteller des Markenlaunchs war Hosu, der neue Sessel von Patricia Urquiola. Anna Bejar war vor Ort dabei, saß Probe und sprach mit der spanischen Designerin über Sitzkomfort bei der Arbeit und über das Schlafen an öffentlichen Plätzen. Coalesse, a subsidiary of leading office furniture maker Steelcase Inc, has recently opened shop in the European market. It has just celebrated the opening of its first showroom on the Continent in Paris’ Marais quarter, with the lead being played on the night of the brand launch by Hosu, a new lounge chair designed by Patricia Urquiola. Anna Bejar trial-sat on it and ensconced so comfortably then talked to the Spanish designer about comfy seats at work, and sleeping in public spaces. a Auf den ersten Blick scheint Hosu wie ein niedriger, für seine Klasse eher schlanker und vor allem sehr bequemer Sessel. Und auch die kräftige Farbgebung – neben zwei verschiedenen Grautönen gibt es ihn in Gelb, Blau, Grün und Rot – ist eher selten für Büromöbel, zu denen ihn die Marke Coalesse in ihrer Crossover-Kollektion explizit zählt. Der erste Eindruck täuscht also: Hosu ist nicht nur für den reinen Komfort gedacht. Patricia Urquiola wollte vielmehr eine Alternative zu den Loungemöbeln furniture design urquiola_002.indd 74 bieten, wie sie sich in Empfangshallen und anderen halböffentlichen Räumen zur kurzen Entspannung häufig finden. Oft aber nehmen klassische Loungesessel, so Urquiola, sehr viel Platz ein und sind daher nur in geringer Stückzahl vertreten – weswegen sie auch meist belegt sind. Außerdem sei die fläzende Position, die einem in diesen Sesseln aufgezwungen wird, auf Dauer weder bequem noch zum längeren Verweilen geeignet: »Mal ehrlich, wer will in öffentlichen Räumen schon schlafen? Ich fühle mich 01/2013 04.12.12 15:11 G R I D 075 da nicht wohl. Vielmehr brauche ich die Möglichkeit, mich zwischendurch zu entspannen, die Beine hochzulegen. Eine bequeme Position muss doch nicht gleichbedeutend damit sein, dass man nicht mehr konzentriert und aufrecht sitzend seine E-Mails checken kann. Im Entwurfsprozess kam kurz die Idee auf, die Rückenlehne flexibel verstellbar zu gestalten – davon kamen wir aber rasch ab. Denn die feste Lehne garantiert eine aufrechte Sitzposition und verhindert somit ein allzu legeres Liegen – oder gar Schlafen!« Der kleinformatige Sessel lässt sich je nach Bedürfnis mit einem einzigen Handgriff nach der roten Schlaufe am Sitz zu einer gemütlichen Liege ausfalten – die abwaschbare Beschichtung des Fußteils erlaubt sogar, die Schuhe anzulassen, sodass der von Urquiola exklusiv für Coalesse entworfene 3D-Stoff mit Wabenmuster nicht verschmutzt. Als international gefragte Designerin weiß Urquiola selbst nur zu genau, dass ein Büro heutzutage überall sein kann – ob zu Hause, in Cafés oder öffentlichen Wartehallen, im Zug oder Flugzeug: Mobile vernetzte Geräte wie Laptops, Smartphones oder das iPad ermöglichen uns die totale und ortsunabhängige Erreichbarkeit. Mit eben solch einem iPad in der Hand ergänzt Urquiola: »Mit diesen leichten mobilen Geräten ist man nun nicht mehr an den Schreibtisch gebunden, um seine E-Mails abzufragen – moderne Büromöbel sollten sich dieser technischen Entwicklung anpassen.« Der Übergang zwischen Arbeit und privaten Beschäftigungen gestaltet sich besonders für Kreative ohne feste Bürozeiten fließend – Arbeitsaktivitäten dehnen sich über den Tag hinaus aus und fordern einen kontinuierlichen Switch zwischen den beiden Lebenswelten. Der Komfort, den die Mobile Workers benötigen, um ihre Arbeit flexibel verrichten zu können, 01/2013 urquiola_002.indd 75 darf nicht auf der Strecke bleiben. Der Frage, wie die heutige Creative Class lebt und arbeitet, ging die amerikanische Marke Coalesse, ein Tochterunternehmen des Büromöbelherstellers Steelcase, in einer Feldstudie von 2010 bis 2012 mit Probanden in New York, San Francisco, London, Paris und München nach. Freelancer, zu Hause arbeitende Mütter und Väter, mobil arbeitende Wissenschaftler und Kreative wurden zu ihren Gewohnheiten und Vorlieben beim Arbeiten in privaten und öffentlichen Lebensräumen befragt und über mehrere Tage hinweg in ihrem Alltag begleitet. Wie muss ein Möbel gestaltet sein, um die verschiedenen Bedürfnisse während eines Arbeitstages zu Hause abzudecken? Wie kann ein Produkt physischen Komfort bieten, ohne dabei das mentale und emotionale Entspannen auszuschließen? Welche hybriden Produktlösungen vereinen Produktivität und Komfort bei der Arbeit? Die Antworten differieren an manchen Stellen, doch lassen sich durchaus Tendenzen festmachen, die sich in dem Fazit der Studie »A home that works, a workplace like home« zusammenfassen lassen. Der Name Coalesse bedeutet Zusammenkommen und betont zum einen den Ansatz der Marke: Eine direkte Verbindung zwischen Arbeitsumgebung und privatem Wohnraum zu kreieren und universal einsetzbare Möbel zu entwickeln – sozusagen eine Art Crossover Design zu etablieren. Abgesehen von der Designphilosophie sagt der Name Coalesse zugleich etwas über die Entstehung der Produkte aus, die meist in enger Zusammenarbeit mit international renommierten Designern wie Cory Grosser oder Jean-Marie Massaud entwickelt werden. So entstand auch der Konferenzstuhl SW_1 des ehemaligen Global Creative Director bei Nike, Scott Wilson. Das Besondere hier ist vor allem die niedrige Sitzhöhe des Stuhls, die ihn durch diese weniger traditionelle Das iPad-Möbel: Patricia Urquiola beweist die Praxistauglichkeit ihres neuen Entwurfes Hosu selbst – und checkt in aller Ruhe ihre E-Mails. The iPad furniture: Patricia Urquiola herself proves just how practical her new design Hosu is, and calmly checks her emails. furniture design 04.12.12 15:11 rubrik G R I D 76 schwerpunkt urquiola_002.indd 76 01/2013 04.12.12 15:11 rubrik Der neue Showroom von Coalesse im Pariser Marais-Viertel wurde im Herbst 2012 eröffnet und ist zugleich der erste seiner Art in Europa. The new Coalesse showroom in the Marais district of Paris opened in fall 2012 and is the first of its kind in Europe. G R I D 77 01/2013 urquiola_002.indd 77 schwerpunkt 04.12.12 15:11 G R I D 078 Form zwischen einem klassischen Konferenzstuhl und einem Loungemöbel ansiedelt und eine offene, entspannte Haltung während eines Meetings fördern soll. Zusätzlich ist der SW_1 mit einer Mechanik ausgestattet, die ihn nach dem Aufstehen wieder in die ursprüngliche Position zurückdreht. Deutlich niedriger als von anderen Sesseln gewohnt – besonders in der ausgeklappten Variante – zeigt sich auch Hosu und qualifiziert sich mit einigen Extras vor allem für das Büro zu Hause: Ladekabel können durch den Sessel geführt werden, um Kabelchaos zu vermeiden, an den Seiten und am Rücken gibt es die Möglichkeit, Magazine oder Unterlagen zu verstauen, und rechts und links des Sitzenden bleibt genug Platz für ein freies Arbeiten: Der Sessel wird so zu einer Art Kommandozentrale – alles bleibt in Reichweite, zur Not breitet man sich auf dem nahen Boden aus. Sollte dies immer noch nicht genug Platz bieten, gibt es Hosu mit dem gleichen Prinzip auch als Doppelsitzer. Einzig ein passender Beistelltisch fehlt, doch Urquiola sitzt bereits an den Entwürfen. W W W. C OA L E S S E . C O M W W W. PAT R I C I AU RQ U I O L A . C O M A At first sight, Hosu looks like a low armchair, a bit slender for furniture in its class, and above all it very comfy. And then there are the powerful colors, as there are not just two different greys available, but you can have a Hosu in yellow, blue, green or red, too. Hardly the norm in office furniture, to which the Coalesse brand most definitely belongs – even if its catalog declares the company is “crossing over”. In other words, that first impression is wrong: Hosu is not only intended for pure comfort. Rather, Patricia Urquiola wanted to create an alternative to the lounge furniture that is now to FURNITURE DESIGN urquiola_002.indd 78 be found in offices or in public spaces such as airports and is destined to provide brief relaxation. Often loungers, or so Urquiola suggests, take up an awful lot of space and as a result there are only a few of them at hand, meaning they are invariably already in use. Moreover, the slouching posture these armchairs force you to adopt is neither comfortable over a lengthier period nor suitable for relaxed work: “To be honest, who wants to sleep in public spaces, anyway? I don’t feel at ease there. Instead, I need something that allows me to relax now and then, put my feet up. A comfortable position must not mean that you can no longer concentrate and sit upright to check your emails. During the design process the idea briefly arose of designing a backrest that could be flexibly adjusted. However, we soon abandoned the notion as a fixed backrest guarantees an upright seating posture but prevents you from sitting too uncomfortably let alone falling asleep!” The small-sized armchair can be transformed simply by pulling the red loop on the seat into a comfortable lounger – the stool section has 01/2013 04.12.12 15:12 Links: Der Konferenzstuhl SW_1 von Scott Wilson sorgt nicht nur für einen aufgeräumt wirkenden Raum, indem er sich in seine Ausgangsposition zurückdreht – er garantiert auch durch seine niedrigere Sitzhöhe Komfort in langen Besprechungen. Rechts: Ein Lounge-Möbel fürs Home Office: Als Doppelsitzer bietet Hosu noch mehr Platz. So könnten in kleinen Büros sogar Teamsitzungen ganz bequem vonstatten gehen. G R I D 079 Left: Scott Wilson’s SW_1 conference chair not only makes for a tidy-looking room by swiveling back to its original position; its low sitting height also guarantees comfort in long meetings. Right: Lounge furniture for the offi ce: As a two-seater Hosu has even more room. This means that team meetings could even be held in comfort in small offi ces. a washable surface which even means you can leave your shoes on, without the 3D fabric with its honeycomb structure that Urquiola designed exclusively for Coalesse getting dirty. As a creative mind, Urquiola herself knows full well that today an office can be anywhere, be it at home, in cafés or public waiting zones, on a train or plane: Mobile networked appliances such as Laptops, Smartphones or the iPad enable us to be reached at any time in any place. With just such an iPad in her hand Urquiola adds: “With these light, mobile devices you are not only no longer tied to the desk when you need to check your emails; modern office furniture should adapt to respond to this technological development.” In particular for those in the creative industries, the transition between work and private interests is a fluid one, with no fixed office hours – work activities extend beyond standard working hours and call for a constant switch between the worlds of work and leisure time. And that also means not overlooking the comfort these new mobile workers require to perform their tasks in such flexible work modes and at such times. Above all the furniture has to adapt to the new requirements of an integrated lifestyle and in terms of form and function provide the new flexibility that this new way of working needs. The question how today’s Creative Class lives and works is something that Coalesse, a subsidiary of leading office furniture makers Steelcase Inc., 01/2013 urquiola_002.indd 79 explored in a field study from 2010 to 2012 polling respondents in New York, San Francisco, London, Munich and Paris. Freelancers, mothers and fathers working from home, academics and creative minds who often work on the road – the study surveyed their habits and preferences when working in private and public spaces and accompanied them for several days in their everyday lives. How should a piece of furniture be designed in order to fulfill all the different requirements of a working day at home? How should a product deliver physical comfort without at the same time excluding mental and emotional relaxation? What hybrid product solutions combine work productivity and comfort? The answers differ at certain points, but clear trends are discernible that are summarized in the study as calling for “A home that works, a workplace like home”. Coalesse as a name implies “coming together” and emphasizes both the brand’s approach, namely to forge a direct link between working environment and private residential spaces while developing furniture that are universal in terms of utility, in other words establishing a kind of crossover design. And in addition to the design philosophy, the name Coalesse also says something about how the products come to be, usually developed in close cooperation with renowned international designers such as Scott Wilson, Patricia Urquiola, Cory Grosser or Jean-Marie Massaud. This was also the policy behind the development of the SW_1 conference chair by the former Global Creative Director at Nike, Scott Wilson. The special feature here is the chair’s low seat height which spawns a less traditional shape and thus means it is an admixture of classic conference chair and an item of lounge furniture, destined to encourage an open relaxed seating position and thus better meeting results. Moreover, the SW_1 boasts a mechanism that returns it to its original position once the sitter gets up, and the conference room thus looks pristine. Hosu is also far lower than the customary lounge chairs, especially once opened out – and with a few added extras it is ideal for home offices. Power-up cables can run through the chair to prevent cable chaos and on the sides and back there is space to store magazines or documents, while to the right and left of the sitter there is also enough space for unimpeded work. The lounger morphs into a command HQ with everything easily reachable and if necessary the ground round the chair can also be used as work space. Should this still not provide enough room, then simply choose the Hosu as a two-seater – it functions the same way. All that is lacking is the suitable side table, but Urquiola is already working on the final design for it. It’ll be interesting to see what details it provides to sweeten the working day. W W W.COALE SSE .COM W W W . PAT R I C I A U R Q U I O L A . C O M FURNITURE DESIGN 04.12.12 15:12