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Es ist schon ein besonderes_Slgdio, das sich da im irischen Timoleagu_e unweit von Cork befindet. Ganz aus Holz gebaut
mit voll verglaster Wand und Blick auf die Bucht von Courtmacsher{ ein Blick wie jm Urlaub. lm Lettercollum niöorOing
Studio wurde QualiA 7ime, das aKuelle Album des Sängers Peter Fös$er und des planisfen Don Ciuiin, äingäipielt.
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f-von
x.l.
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Doch die beiden genannten Protagonisten sind nicht allein im Stu-
dio. Hinter ihnen steht eine wunderbare Band, bestehend aus dem
Chuck Loeb (g), Joo Kraus (tp),
Robert Mehmet Ikiz (dr), Christi-
>iMach doch einfach
Urlaub, kümmere dich um nichts
und sing dort einfach nur!<, war
dann noch der zusätzliche Lockruf.
1er her.,,or.
Ich nahm das Angebot an - ohne
auch nur im Entlerntesten zu wis-
sen, was dabei für Musik entstehen würde.< Und so wird die Zeit
in Irland nicht nur für Peter Fessler zu einer Auszeit - was im Englischen nichts anderes als Quality
Timeheißt.
r
Pfeil (perc). Aufgenommen wird
eine Melange aus lazzstandards
Peter Fessler die Don-Grusin-Komposition rShe Could Be Mine< auf
dem Album haben und Don Grusin
das Peter-Fessler-Stück )Olha Tere-
>Take Five< bis zu einer unge-
sa<. Für Grusin sind die Evergreens
eine ganz besondere Herausforde-
wöhnlichen Version von >Don't
Worry Be Happy< reicht.
Doch an diesem Punkt hat
rung. lEinerseits freue ich mich immer, wenn mir diese vertrauten
Stücke wieder md iGuten Tag< sa-
das Projekt schon eine Geschichte,
die im Berliner lazzclub A-Trane
genu, erklärt der Pianist, >und ich
bin ganz aufgeregt, wie es mir wohl
gelingen wird, sie aus der Wohl-
,*
beginnt. >Ein paar Musiker hier in
der Stadt sind so eine kleine eingeschworene Geschmacksgemeinde<, lächelt Peter Fessler ver-
fühlzone zu holen, ihnen ihren Cha-
rakter zu lassen und sie dennoch
\
schmitzt. >Dazu gehört auch
Christian von Kaphengst. Der lud
mich zu einem Konzert von Don
Grusin ein, mit den Worten: iDa
aufregend zu verändern. Wenn
kreative Brüder im Geiste so vorbehaltlos wie bei dieser Platte gemein-
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gehst du auf die Bühne und
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machst so ein zwei Stücke mil
ihml<< Die Asthetik und Eleganz
von Grusins Klangs und seine Fähigkeit, Töne im Raum verklingen
zu lassen, verschmelzen beim
Konzert mit Peter Fesslers Aus-
er in höchsten Tönen schwärmt:
>Was hat Peter Fessler als Musiker
dert Fessler vom Produzenten.
>Konstruktivistische Signale an
fach so daherkommt.< Neben den
angesprochenen Standards wollte
und Popklassikern, die von
rBridge Over Troubled Water<
und >Georgia on My Mind< über
mehr getrennt hören will. Don
Grusin ist so davon angetan, dass
beitrag dem schlichten Gesetz der
puren Emotion folgen dürfenn, for-
mich sind absolut tabu. Lass uns
bitte ein Album machen, das ein-
an von Kaphengst (b) und Roland
nahmestimme in einer Art und
Weise, dass man sie gar nicht
>Wenn ich mich schon auf all das
einlasse, dann muss mein Gesangs-
Tr
n
bloß [ür ein Formatl Die Stimme
könnte eine aus New York oder
Rio sein. Und das sage ich, der
sich sonst nicht wirklich mit Sängern auseinandersetzt.(
Die Kunde vom kongenialen Zusammenklang erreicht auch
das Plattenlabel Care, das es sich
nicht nehmen lässt, die Rahmenbedingungen [ür eine gemeinsame
Aufnahme der beiden zu schaffen.
Und zwar in besagtem Studio
in Irland mit Christian von Kaphengst als Produzent. "tch bin ja
eher so ein Selbstgestrickter, der
eigentlich nie die Verantwortung
an einen Produzenten abgibt und
sich immer um a1les selber kümmert<, sprudelt es aus Peter Fess-
JAZrHEIIK 09+10.13 Don Grusin, Peter Fessler, Bilder: Lena Semmelroggen
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sam zu Werke gehen, kann Großes
dabei entstehen.n
Mit dem Begriff vorbehaltlos
hat Don Grusin das ganz große
Stichwort geliefert. Denn diese Yorbehaltlosigkeit lieferte die Grundlafür eine perfekte und auf den
Punkt gebrachle Art des Einspielens, die fast nur First Takes in a1l
ihrer magischen Unschuld bescherge
te. >Dabei haben die Musiker mit so
viel Luft gespielt, dass ich als Sänget ganz gelöst dabei atmen konnte(, sagt Peter Fessler vol1er Begeis-
terung. Egos stehen zurück und die
entspannte Haltung, mit der aufgenommen wurde, springt den Hörer
aus den Stücken an und kitzelt ihn
sinnlich. Und diese Sinnlichkeit ist
nicht verklausuliert, sondern offen
und für jeden zugänglich. Für jede
Seele. Fürjedes Herz. Dann schneit
noch Impresario Karsten jahnke
ins Studio und ist so begeistert,
dass er dieses sinnliche Projekt im
Herbst in unterschiedlichen Formationen auf Gastspielreise schickt.
Ein Pflichtterminl
AKuelle CD:
Peter oFesperantoo Fessler/ Don Grusin:
Quality Tine (Care Music Group
kultur)
/
edel-
Rio -Tokyo". Mit dem Album,,Fly!" hat er 2012 seine erste CD für C.A.R.E. Music veröffentlicht, es ist ein
beeindruckendes Album zu seinem 30-jährigen Jubiläum als Vokalist und aparter Gitarrist. Beide profitieren
auch von einer sehr guten Rhythmusgruppe mit dem
as in Berlin als spontaner gemeinsamer Auftritt eines Showcase von Don Grusin im hei-
meligen A-Trane damit begann, dass Don
in Berlin lebenden Vokalisten Peter ,,Fesperanto" Fessler zu einer Jam auf die Bühne bat, das
zündete instantmäßig und setzte sich in lrland im Studio fort. Wie auch live in Berlin schafften es die beiden Könner Grusin und Fessler im Studio, große Spielfreude und Teamspirit zu erzeugen, in der irischen
Provinz, im idyllischen Lettercollum Recording Studio.
Das Studio ist komplett aus Holz gebaut und beherbergt eine feine Auswahl an alten Instrumenten.
Grusin den
Das Repertoire für das Album rekrutierte man so, wie
es Peter Fessler schon seit vielen Jahren macht: Ein
paar Songs aus Pop, Soul und Jazz und ein wenig Singer-Songwriting-Material. Aus dem Soul-Pop-Genre
stammen die durch George Benson bekannten Hits
,,Feel like making love" und,,Nothing's gonna
change my love", für die Zutat aus dem Jazz hat man
takes bestehen und dass jeder Song im Studio ,,live"
eingespielt wurde. Das Album ist durch eine entschleunigte Groove-Attitüde geprägt, die sie musikalischer Klasse verdankt. Don Grusin hat lange Jahre mit
seinem Bruder Dave und mit Lee Ritenour die Band
,,Friendship" geleitet. Er hat als Sideman und Komponist seine Klasse bewiesen, z.B. bei Produktionen von
Quincy Jones, Randy Crawford und auf Soloalben von
Lee Ritenour. C.A.R.E. Music brachte zwei Alben von
und mit Don Grusin und Dave Grusin heraus: ,,The
Hang" und ,,One Night 0nly".
Peter ,,Fesperanto" Fessler ist der einzige Jazzmusiker
aus Deutschland, der je einen Welthit hatte, als LeadSänger der Band Trio Rio, mit dem Song ,,New York
-
Bassisten Christian von Kaphengst, Schlagzeuger
Robert Mehmet lKlZ und Roland Peil an den Percussions. Dazwischen platzierte man mit Chuck Loeb, Gitarre, und Joo Kraus, Trompete, zwei weitere Könner.
Peter Fessler tourt mit Don Grusin und im Winter auch
als Gast von Pee Wee Ellis' Projekt ,,Spirit 0f Christmas" durch Deutschland und die Schweiz; ansonsten
ist Peter Fessler auch in Brasilien (Rio de Janeiro) und
in Estland (Viljandi) live zu hören, vgl. httpJ/peter
f
essler.wordpress.com/l
ive/"
Text: Ludwig Jurgeit
Fotos von Peter Fessler, Don Grusin und Chuck Loeb:
Hyou Vielz
Peter ,,Fesperanto" Fessler & Don Grusin ,,Quality
Time", C.A.R.E, Music/Edel, EAN-Nr. 4029759087243
sich für die Balladen ,,The shadow of your smile",
,,How insensitive" und ,,Georgia on my mind" entschieden und den hier sehr copacabana{röhlich intonierten Hit ,,Take five", eine Hommage an das Dave
Brubeck Quartett mit Paul Desmond
und die lnterpretation ist passend zum FDP-Aus bei der Bundes-
-
tagswahl 201 3 eine visionäre augenzwinkernde Erklä-
rung, woran es Rössler
&
Co wohl gefehlt
hat:
lässig-gelassene KIasse.
& Fesperanto eine
Prise Singer-Songwrrting mit dem Simon&GarfunkelKlassiker ,,Bridge over troubled water" hinzu, sowie
Der Auswahl an Songs fügen Don
die Don-Grusin-Komposition,,She could be mine"
und Fesslers ,,Olha Teresa". Und zum Abschluss zwei
besondere Versionen von Bobby McFerrins ,,Don't
worry be happy".
Don, der Bruder von Dave Grusin, und Peter Fessler
laufen mit diesem Material zu großer Form auf. Eine
Form, die auch dadurch unterstrichen wird, dass die
Aufnahmen nach Auskunft des Initiators und Executive-Produzenten Tom Glagow überwiegend aus first
11/13 Jazz
Podium
29
50
M E
H
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LODIE,
RMONIE
DER
PETER
FESSLER
& DON
GRUSIN
Sie loben sich gegenseitig, klopfen sich auf die Schulter: Da scheinen sich zwei gefunden zu haben, der
pianist Don Grusin aus Denver in Colorado und der Sänger Peter Fessler mit rheinländisch-kanadischen Wurzeln ,,Quality Time" (C A R.E./edel) heißt ihr gemeinsames Album, das im Septett mit Kollegen wie Trompeter Joo Kraus und Gitarrist Chuck Loeb die Kunst des Unverkrampften pflegt Ralf
Dombrowski sprach mit Peter Fessler und Don Grusin uber die Besonderheit des Bekannten, die Kunst
des Entertainments und den großen Luxus unvoretngenommener Musik.,,
Wie seid ihr zusammengekommen?
Don Grusin: Ich habe das Projekt,,The Hang",
mit dem ich in den Staaten und auch in
Berlin gespielt habe. Bei einem der Konzerte tauchte Peter auf und meinte, ob er
mitmachen dürfe. Dann passierte Magie,
und der Rest ist Geschichte.
Peter Fessler: Natürlich stand auch
Glagow (Chef des C.A.R.E. Labels)
Tom
dahinter,
an sich abgespielten Songs mit viel Gefühl
annimmt. jazzgesang hat ia immer mit viel
Virtuosität zu tun, mit Improvisation der
Sonderklasse, doch hier ging es dann nur
um Gesang, die Melodie, die Harmonie,
den Puder, der darüber gestreut wird. Das
mag smooth sein, ist aber ehrlich.
und dann die Strippen gezogen hat. Zuerst
waren die Konzerte im A Trane. dann kam
erst einmar nichts, bis
Urlaub machen wolle, er hätte da ein
dio in Iriand, und da könne man ganz ent-
-,"-;;;*;,';;'i;
Stu-
spanntaufnehmen.
"
schem Feeling.
PF: In diesem Fall war es der besondere
Reiz, dass jemand wie Don sich eines dieser
sprünge liegen.
deine
fielen schon Begriffe wie Smooth
fazz.FusiongehörtauchindiesesRaster'
In Deutschland scheinen viele Hörer
Die Gruppe de r Hörer, d:e siii-: fur derr klassischeil modürneil
JazZ inte re SSiei-e1, tSt ehe i^ klein, LtilC {jeSh;1lb ne rge n rnanChe
Musiker dazu, ihre Stucke etwas zugänglichei- zu maahe
n
DO}J GRUSIN
Was fasziniert denn besonders daran,
immer noch Lieder wie ,,The Shadow Of
Your Smile" zu singen?
DG: Es ist l<omfortabel für das Publikum,
Lieder zu hören, die es kennt, die aber trotz
dem in einer anderen Interpretation prä
sentiert werden. Und mir geht es ähnlich.
Das ist das Repertoire, das ich seit mehr als
4o |ahren spiele, und dann l<ommt iemand
und bringt eine neue Note, neue Vibrations
ins Spiel. So jemand wie Peter mit einer
Mischung aus deutschem und brasiliani
to brachte Kollegen aus Brasilien mit. Sergio Mendes war Produzent, doch er war
eigentlich nie da, sondern immer beim Es
sen und Weintrinl<en. Wir l<onnten also
machen, was wir wollten. Das ist einer der
Momente, wo meine brasilianischen Ur
DG: Peter zeigte uns den Weg. Er muss wirk
lich viel in Brasilien auf der Straße gespielt Eben
der zu mir meinte, ob ich mir vorstellen haben. Was sind eigentlich genau
könnte, etwas mit Don Grusin zu machen, Einflusse?
Foto ssirusw.Pakzad
PF:
Schon die Straße. Und dann
a1s
Gitarrist
natürlich Baden Powell, Egberto Gismonti,
Joäo Bosco. Ich habe alles übers Zuhören
Schwierigkeiten mit diesen Stilformen
zu haben. Wie ist das in Amerika?
DG: Ich habe mich eigentlich nie in der
mitbel<ommen, denn damals konnte ich
nicht gut vom Blatt spielen. Das meiste war
Smooth lazzTradilion gesehen, eher in der
World Music. Einflüsse aus Brasilien, dem
Intuition.
DG: Eine meiner ersten Lieblingsplatten,
spanischen Lateinamerika, der Karibil< oder
auch aus Westafril<a mit dem Batärhyth-
ai. l.fr aufgenommen habe, war mit Gil
berto Gil in Los Angeles, in den Tropicalis
mo-Jahren. Wir haben damals einen gan
zen Monat zusammen abgehangen. Gilber
mus sind mir viel näher. Ich langweile
mich schrecklich, wenn dieses ubliche
Schema Thema-Solo-Solo Thema auftaucht,
das habe
ich zu oft gemacht. Insofern wür
ich für mich den Begriff ]azz in den Hintergrund rücken. Im All
gemeinen aber haben wir in Amerika noch immer den gleichen
Kampf wie hier zwischen den Verfechtern des klassisch-modernen
lazz und den Traditionalisten von anno dazumal. Letztlich ist die
de
Gruppe der Hörer, die sich für den klassischen modernen |azzinleressieren, eher klein, und deshalb neigen manche Musiker dazu,
ihre Stücke etwas zugänglicher zu machen.
PF: Es geht doch um die Kreativität, oder? Ich habe seit drei Jahrzehnten den Ruf, irgendwas mit Crossover zu machen, also Songs
zu spielen, die sich jazzmaßig anhören. Aber eigentlich gibt es diese
Unterscheidungen gar nicht...
Was haltet ihr von dem Begriff Entertainment? Was ist gutes
Entertainment?
DG: Ich muss davon gepackt werden, egal, ob ich es selbst mache
oder zuhöre. Wenn ich dasitze und nachdenke: ,,Oh, warum spielt
der Saxofonist jetzt nicht folgendermaßen oder warum sind die
Streicher so laut?", dann sind da schon wieder die Affen, die mir
auf der Schuiter hocken und mich kontrollieren wollen.
PF: Kannst du eigentlich noch ungetrübt Musik hören?
DG: Das geht, wenn es mich bewegt. Vor Kurzem saß ich in der
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Ist das für dich ein Problem?
PF: Nein, gar nicht! Aber irgendwie passte es lange nicht zur jazzigen Korrektheit, und deshalb mache ich es inzwischen anders
und genieße einfach nur noch meine Stimme.
DG: Und Peter hat eine großartige Stimme. Gerade heute Morgen
habe ich mich gefragt, wie er dieses Instrument über die |ahre hin
weg wohl trainiert hat. Vor allem die tiefen Töne sind unfassbar.
PF: Mein erster Pian mit der Stimme ist es, gesund zu bleiben. Da
ist der Atem das Wichtigste. Damit kann man Gefühle erzeugen,
und er muss natürlich rüberkommen. Das aber geht nur, wenn
man sich auf der Bühne wie man selbst fühlt. Wir haben hier
manchmal das Problem, dass uns das viele Wissen, das wir angesammelt haben, im Weg steht. In Brasilien beispielsweise ist der
meiste Gesang Perkussion, die um die Vokale herum geformt wird.
Es ist auch l<ein Scat, weil das wiederum viel Theorie erfordert.
Was haltet ihr von dieser jungen Generation wie Warren
Wolf oder Aaron Diehl, die mit neuer Chuzpe traditionell
modern spielen?
DG: Zählst du jemanden wie Michael Woliny auch dazu? Ich fin
de, er klingt sehr wie die jungen Leute, die aus Berklee kommen,
die kennen sich bestimmt. Er ist großartig und hat Elefantenohren,
was die Musik betrifft. Bei den Amerikanern, ich weiß nicht. Das
Monk Institute bringt viele versierte junge Leute hervor. Manch
einer spielt da im Retromodus. Aber es gibt auch Esperanza Spalding. Sie hat gleich in mehreren Fächern die Kategorien überschritten, als Mädchen aus Oregon wohlgemerkt, mit dem Bass als
Instrument, außerdem als Komponistin und Sängerin, die mit allen Meistern spielt. Das ist wirl<lich eine Sensation.
|unge Leute hören etwas und scheren sich nicht drum, das
auch zu spielen. Es ist eine kreative Trotzhaltung, die vieles erst
möglich macht: Ich brauche keine Vorbilder, ich nehme, was ich
bel<omme, mache etwas daraus. Dann kann ich wirklich ich selbst
sein. In meiner Generation empfand ich das als schwieriger, weil
da alles über Sessions lief. Wenn man nicht einem bestimmten
PF:
Probe der Berliner Phiiharmoniker. Simon Rattle übte Mahler ein,
es war derartig intensiv und spannend, sogar kleine Kinder saßen
auf den Stühlen und waren mucksmäuschenstill. Ich war beein
druckt, aber das ist auch Deutschland. In Amerika würden die Kin,
der herumspringen und johlen, und wahrscheinlich würde noch
jemand nebenbei essen.
PF: Das macht auch den Unterschied, in Deutschland über fazz nachzudenken. Hier ist lazz eine Kunstform geworden und wird strenger begutachtet ais in anderen Ländern. Nachdem ich nun schon
nicht mehr der Jüngste bin,
sehe
ich das zunehmend entspannt.
Trotzdem ist da ein Unterschied zwischen einem deutschen
Sänger wie dir und beispielsweise Kurt Elling, der als Amerikaner das Entertainment verinnerlicht zu haben scheint...
PF: Wäre ich Amerikaner, würde ich wahrscheinlich auf der Bühne auch wie er agieren. Nur weil ich von hier stamme, ist es für
mich kompliziert, den Entertainer zu spielen. Man ist das hier
nicht gewohnt, und ich habe vor zehn |ahren bewusst damit aufge
hört, weil ich das Gefühl hatte, dass diese Art von Umgang auf der
Bühne hier nicht zusammengeht. Mir genügt es inzwischen, ein
fach nur meine Lieder zu singen.
DG: Das Wort Entertainment bezeichnet eine Vielzahl von Dingen. Es hat ein Element des Vergnügens, des gemeinsamen Erlebens von Musikern und Publikum, das wie eine physisch spürbare
Welle zwischen Bühne und Konzertraum hin und her schwappt.
Es geht in beide Richtungen. Wenn ich spiele, versuche ich, den
Kontal<t zu einzelnen Menschen herzustellen - wie ein Faden von
mir zu ihnen. Das beeinflusst die Präsentation, den Spaß, das En-
ment insgesa m t
wobei es einen großen Unterschied macht, wenn man einem
Gitarristen oder Pianisten zusehen l<ann, wie er an seinem Instrument
arbeitet, oder einen Sänger erlebt. Von ihm wird Animation erwartet:
Der kann doch mit uns sprechen, mit uns spielen, interagieren!
l"ertai
PF: ...
n
Schema entsprach, war man
nicht dabei. Daher genieße ich
es
heu
te, einen Song wie ,,The Shadow Of Your Smile" einfach singen zu
können.
DG: Ich kenne |ohnny Mandel übrigens ganz gut. Wir machen öfters etwas zusammen. Er ist natürlich alt geworden, aber immer
noch ein guter Typ. Vor Kurzem hat er eine Band zusammengestellt und wieder als Posaunist gespielt. Irgendwann rief er mich an
und meinte, ob die Leute wüssten, dass er noch am Leben sei, weil
ihn niemand mehr kontal<tierte. ,,Wahrscheinlich", meinte ich
dann, ,,denken alle, dass du für jeden fob eine Million Dollar willst."
Dabei ist oft das Gegenteil der Fall. Wie kann man als |azz-
musiker überhaupt überleben?
DG: Kann man? Selbstbeschäftigung ist da eine wichtige Sache.
Vor einiger Zeit hatte ich einen Universitätsjob, und ich war so begeistert, als sie mir einen Stundenplan in die Hand drückten, auf
dem stand, was ich wann zu tun hätte. Endlich zurück im geregelten Lebenl Tatsächlich aber neige ich dazu, Sachen zu machen, für
die ich brenne, und da nicht nach dem Kontostand zu schauen.
Das kann fatal werden, aber irgendwie hat es bislang geklappt. Ich
glaube auch nicht, dass es eine Frage des Überlebens ist. Ich fühle
mich eher wie jemand, der auf einem Pferd sitzt und immer weiterreitet.
PF: Ach ja, ich habe auch mehrfach Angebote von Universitäten
bekommen, aber das ist nichts für mich. Ich fühle mich immer
noch als Rebell, und zu viel geregeltes Leben würde mich nur
bremsen. Zur Not muss ich eben meine Ansprüche weit herunter
schrauben. Ich mache weiter CDs, um wahrgenommen zu werden
und Konzerte spielen zu können. Mein Traum ist, die Kreativität
zu leben. Und das geht.

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