Statt einer Gehaltserhöhung gibt es ein Elektroauto - Bauer

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Statt einer Gehaltserhöhung gibt es ein Elektroauto - Bauer
Statt einer Gehaltserhöhung gibt es ein
Elektroauto
Das Batterie-Montage-Zentrum in Karlstein, ein Spezialist für Akkulösungen,
plant einen Langzeittest von Elektromobilen. Mitarbeiter können die Vehikel
dann unentgeltlich nutzen.
05.07.2010, von AGNES SCHÖNBERGER
© FOTO RAINER WOHLFAHRT
Frosch auf drei Rädern: BMZ-Geschäftsführer Sven Bauer fährt selbst ein Elektroauto
Wenn Sven Bauer von seinem Wohnort Wörth über die B 469 zur Arbeit ins 35 Kilometer
entfernte Dettingen fährt, ist ihm Aufmerksamkeit gewiss. Denn der Geschäftsführer des
Batterie- Montage-Zentrums (BMZ), das seinen Hauptsitz in Karlstein- Dettingen hat, ist
Besitzer eines dreirädrigen Elektroautos mit Flügeltür, das mit grünem Lack und zwei
großen Rundscheinwerfern an einen Frosch erinnert. Die verwunderten Blicke machen
Bauer nichts aus. Im Gegenteil: Der Vierundvierzigjährige genießt die Beachtung, die er
mit seinem emissionsfreien Stadtflitzer erregt.
Autorin: Agnes Schönberger, Jahrgang
1956, freie Autorin für die RheinMain-Zeitung in Aschaffenburg.
Folgen:
Bauer gehört einer seltenen Spezies an. Denn nur 1600 von 45 Millionen in
Deutschland zugelassenen Autos haben einen Elektromotor. Das stört den Unternehmer
jedoch nicht. Bereitwillig redet er über seinen Traumwagen. „Es macht Fun, mit ihm zu
fahren“, sagt er. Das Leichtgewicht „Sam“, so heißt das nur 500 Kilogramm schwere
Elektromobil, kommt auf Energiekosten von etwas mehr als einem Euro je 100 Kilometer.
Allerdings muss sich Bauer auf der Bundesstraße häufig überholen lassen. Denn viel
schneller als Tempo 90 fährt das dreirädrige Vehikel nicht. Das verdrießt ihn ein wenig,
und er hat deshalb beschlossen, den Zweisitzer „ein bisschen zu tunen“.
BMZ schon dreimal unter „Bayerns Best 50“
Dass Bauer ein Anhänger des Elektromobils ist, hat auch berufliche Gründe.
Denn der Motor in „Sam“ wird von Hochleistungsbatterien aus dem Hause BMZ
angetrieben, die eine Kapazität von rund sieben Kilowattstunden haben. Das reicht für gut
100 Kilometer. BMZ hat sich Bauer zufolge zum führenden
Systemanbieter und Spezialisten für Akkulösungen in Europa entwickelt. Den Umsatz gibt
er für dieses Jahr mit 80 Millionen Euro an. In Deutschland, Polen und China beschäftigt
das Unternehmen insgesamt 700 Mitarbeiter, die Hälfte davon am Standort Dettingen.
Vor 16 Jahren hatte Bauer zusammen mit Partnern einen insolventen Zellenhersteller
gekauft. „Seitdem war es nur noch spannend“, sagt der Geschäftsführer. Wer einen
Rasenmäher anwirft, eine Bohrmaschine benutzt, im Krankenhaus eine Knochensäge
ansetzt, mit einem Defibrillator Leben rettet oder mit einem elektrischen Fahrrad Berge
erklimmt, kann sicher sein, dass in allen Geräten Kraftpakete von BMZ stecken. Auch der
Akku, der in Kniegelenken oder Kinderarmprothesen sitzt, wurde in Dettingen entwickelt.
80 Prozent der in Deutschland verkauften Akkus sind von uns, sagt Bauer selbstbewusst.
Dass das Unternehmen erfolgreich ist, hat auch die bayerische Staatsregierung erkannt
und BMZ schon dreimal unter „Bayerns Best 50“ gewählt. Dennoch ist Bauer auf die
Politik nicht gut zu sprechen. Er beklagt eine mangelnde Unterstützung. Im März hatte
BMZ zusammen mit anderen Unternehmen aus der Region und der Hochschule
Aschaffenburg Fördermittel für ein Forschungsprojekt beantragt, das die Nutzung von
Elektromobilen für Pendler attraktiv machen sollte. Einen Monat später kam die
Ablehnung. Es stünden keine finanziellen Mittel zur Verfügung, und der Schwerpunkt des
Forschungsprojekts läge nicht im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung, hieß es damals mündlich.
„Sonnenstrom“ direkt in die Zapfsäulen
Zentec-Geschäftsführer Gerald Heimann nannte die Begründung „wenig nachvollziehbar“.
Auch Bauer war enttäuscht. „Denn das Projekt ist genial.“ Der Plan sah vor, das Parkhaus
am Aschaffenburger Hauptbahnhof zur Elektromobilzentrale zu machen. Die Stadtwerke
wollten auf dem Dach eine Photovoltaikanlage errichten und Stromzapfsäulen aufstellen.
BMZ wollte die Autos liefern und der Software-Entwickler PSI ein Programm für die
Abrechnung entwickeln. Pendler sollten die Fahrzeuge anmieten, aber damit nur die
Strecke zwischen Wohnort sowie Bahnhof zurücklegen und mit dem Zug weiter zur Arbeit
in Frankfurt oder Würzburg fahren. Während ihrer Abwesenheit wäre reichlich Zeit
gewesen, die Batterien aufzuladen. Die Hochschule hätte für das wissenschaftliche
Knowhow gesorgt und Zentec das Projektmanagement übernommen. Die Kosten wurden
auf 1,8 Millionen Euro geschätzt. Doch die Verantwortlichen in Berlin konnten sich für die
Idee nicht erwärmen.
Deshalb wird BMZ das Projekt jetzt auf eigene Faust weiterverfolgen und rund eine halbe
Million Euro in zehn Elektroautos, eine Solaranlage und eine E-Tankstelle investieren. Der
„Sonnenstrom“ soll direkt in die Zapfsäulen eingespeist werden. „Denn Elektromobile
tragen nur dann zu einer Reduzierung der Kohlendioxidbelastung bei, wenn die Energie
nicht aus Kohlekraftwerken kommt“, betont Bauer. Er erhofft sich von dem Pilotprojekt
Aufschluss darüber, ob die Fahrzeuge im täglichen Gebrauch und auf Dauer funktionieren.
Die Mitarbeiter bekommen die 14 000 Euro teuren Elektroautos unentgeltlich zur
Verfügung gestellt. Das Interesse ist deshalb groß. Bauer will engagierte Leute damit
belohnen. „Statt einer Lohnerhöhung gibt's bei uns ein Elektroauto.“
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region/karlstein-statt-einer-gehaltserhoehung-gibt-esein-elektroauto-11009823.html