Hund beisst Mädchen ins Gesicht Wieder einmal hat ein Hund bei

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Hund beisst Mädchen ins Gesicht Wieder einmal hat ein Hund bei
Hund beisst Mädchen ins Gesicht
Wieder einmal hat ein Hund bei einem Menschen zugebissen. Ist dieser
Hund nun böse? Ist die Rasse Schuld? Der Halter? Müssen die Gesetze
für Hundehalter verschärft werden?
Ich habe diverse Meinungen aus Zeitungsartikeln, Foren und von
verschiedenen Personen gehört oder gelesen. Viele Hundefreunde
verteidigen den Hund und seine Rassenzugehörigkeit. Der Halter sei
Schuld. Falsche Haltung, keine Erziehung und so weiter. Grundsätzlich
haben diese Leute natürlich Recht. Kein Hund auf der Welt wird „böse“
geboren. Ich gehe noch weiter: kein Hund auf der Welt ist böse!
Der American Staffordshire Terrier in Lugano hat das Mädchen nicht
gebissen, weil er dieses dumm findet. Auch nicht weil er Menschen
hasst. Er tat es, weil er dachte, es sei seine Aufgabe, für Ordnung zu
sorgen. Was das Mädchen nun getan hat oder eben nicht getan hat, was
den Terrier dazu veranlasste, zuzubeissen, spielt in dem Moment keine
Rolle. In seinem hündischen Denken stimmte einfach irgend etwas an
dem kleinen Mädchen nicht. Er hat also versucht, die Ordnung wieder
herzustellen. Natürlich hat er ihr nicht mit Worten erklährt, sie solle dies
oder jenes tun. Er ist ja schliesslich ein Hund. Und Hunde benutzen
bekanntlich andere Kommunikationsmittel als wir Menschen. Das
Sprechen gehört zweifelsfrei nicht zu seinem Repetoire. Die Aggression
aber schon.
Wir holen also Tiere in unser alltägliches Leben, die zum Beispiel mit
Beissen untereinander kommunizieren. Diese Eigenschaft wurde bei
dieser speziellen Rasse nun noch ein wenig hervorgehoben. Der Hund
hat eigentlich immer zwei Möglichkeiten: vermeiden oder aggressiv nach
vorne gehen. Je nach Rasse und auch nach Individium rassenintern, ist
nun die eine oder die andere Taktik mehr oder weniger ausgeprägt. Ich
kenne auch Labradore oder Goldenretriever, die schon einen Menschen
gebissen haben. Nur ist deren Beisskraft nicht dieselbe wie bei einem
Am-Staff-Terrier. Auf der anderen Seite kenne ich auch Am-Staff-Terrier,
die keiner Fliege etwas zu leide tun würden.
Also kann es nicht primär an der Rasse liegen. Ist der Halter Schuld? Ja
und nein. Egal aus welchem Grund der Halter des Hundes vom LuganoBeissvorfall das Tier gekauft hat, er wollte sicher nicht, dass dieser ein
Mädchen angreift. Ich denke, in den wenigsten Fällen wollte der Besitzer
eines bissigen Hundes tatsächlich, dass sein Tier einen Menschen
angreift und verletzt. Viel mehr ist die fehlende Aufklärung und
Inkompetenz vieler Hundetrainer Schuld. Und das geht nicht nur die
„Kampfhundebesitzer“ etwas an. Besitzt man einen schwierigen Hund,
versucht man sich logischerweise bei einem Fachmann Rat zu holen.
Leider können einem diese im Normalfall auch nicht wirklich
weiterhelfen. Und dort liegt das eigentliche Übel. Grundsätzlich kann ich
Ihnen sagen, dass man jeden Hund auf der Welt, der gesund ist, so in
die Spur bringen kann, dass er ohne Leine geführt werden kann.
Nach meiner Erfahrung sieht die Realität aber so aus, dass fast keiner
seinen Hund wirklich im Griff hat. Ist der Hund permanent an der Leine,
heisst das nicht, ihn im Griff zu haben. Vielmehr tut mir das arme Tier
Leid. Diejenigen, welche ähnlich denken, lassen dann ihre Hunde ab und
zu frei. Sozusagen auf gut Glück. Geht der Hund nicht jagen und greift
keine anderen Hunde an, hat man einfach Glück gehabt. Mit
fachgerechtem Umgang hat das nicht viel zu tun. Ein Hund gehört nur
von der Leine, wenn er zu 100 Prozent abrufbar ist. Kein Hund sollte nie
von der Leine gelassen werden. Und da sind wir beim Konflikt.
Die obligatorischen Hundekurse scheinen ihre Wirkung dem Anschein
nach arg zu verfehlen. Wieso ist das so? Ganz einfach. Wir müssen den
allgemeinen Umgang mit unseren Haushunden überdenken. Irgend
etwas läuft schief. Sonst würde es solche Schlagzeilen wie diese vom
beissenden Hund aus Lugano nicht geben. Genauso wenig wie die immer
vermehrt auftretenden Schilder, bei denen auf die Leinenpflicht
aufmerksam gemacht wird. Dies ist eigentlich nur ein Zeichen dafür,
dass die Hundebesitzer ihre Hunde vermehrt anbinden müssen, weil sie
den Umgang mit ihnen immer weniger verstehen.
Braucht es also neue Gesetze? Nein. Die Lösung kann nie eine
Unterdrückung des Problems sein. Es wird immer Hundehalter geben, die
ihre Tiere trotz gesetzlichen Verbots frei laufen lassen. Und auch Hunde
an der Leine sind gefährlich. Dies hat uns das Beispiel vor drei Wochen
mit dem eigentlich angeleinten Dobermann, der ein Kind und seinen
Vater gebissen hat, bewiesen. Die Lösung des Problems kann nur sein,
dass alle Hundetrainer und Hundehalter ihr Handeln überdenken. Und
wenn dann ein netter Mann oder eine nette Frau mit einem American
Staffordshire Terrier in ihr Training kommt, sie diese auch wirklich
kompetent beraten können.
Baut man eine neue Strasse, und begrenzt die Tempolimite auf 80km/h,
beobachtet man dies eine gewisse Zeit. Verunfallen aber regelmässig
Autos, wird man sich warscheinlich hinterfragen, und die Limite auf
50km/h herabsetzen. Wieso tut man das bei der Hundeerziehung nicht?
Es gibt immer mehr Beissunfälle, aber trotzdem wird auf den
Hundeplätzen nichts verändert. Die Leckerli-Lüge hat sich in aller
Gedächtnis eingebrannt. Den Hund zu dressieren, hat nie wirklich
funktioniert und wird es auch nicht. Vielleicht sollte man vielmehr mit
seinem Tier artgerecht umgehen, so wie er es mit Seinesgleichen tut.
Und die menschlichen Konzepte und Ideen wie Leine, Hundedressur,
Hunde-Haltis, Leckerlis, Elektrohalsbänder und so weiter und so fort
einfach sein lassen.
Entscheidet man sich also für einen Hund, egal welcher Rasse, sollte
man sich zuerst überlegen, ob man bereit ist, sich auf dessen Ebene zu
begeben. Denn dann wird er Sie verstehen, und Sie ihn. Sie könnten so
dem Hund ohne Probleme klar machen, dass er nicht den Job des
Aussenministers inne hat. Und falls sich dann ein junges Mädchen beim
Entenfüttern „komisch“ verhält, es nicht seine Aufgabe ist, dies wieder in
Ordnung zu bringen.
Marc Welti
www.marc-welti.ch