Diplomarbeit - Fachhochschule Potsdam

Transcription

Diplomarbeit - Fachhochschule Potsdam
Fachhochschule Potsdam
Fachbereich Informationswissenschaften
Diplomarbeit
Eine informationsethische Analyse des Umgangs mit "Musikpiraterie" in digitalen Räumen:
Zerstört das Internet den Musikmarkt?
Erstgutachter: Prof. Dr. habil. Ralf-Dirk Hennings
Zweitgutachter: Dipl.-Soz.-Päd. Uwe Hanf
vorgelegt von: Birgit Becker
am: 23.08.2005
Matr.-Nr.: 5142
Meinen Eltern
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
1
2.
Begriffkennzeichnung
3
2.1
Ethik
3
2.2
Informationsethik
4
2.3
Musik als Informationsgut
6
2.4
Telemediatik
7
2.5
Digitalisierung
9
3.
Die wirtschaftliche Situation der Musikindustrie
10
3.1
Das Spezifikum der Musikbranche
10
3.2
Die deutsche Phonowirtschaft in Zahlen
12
3.2.1
Nutzung von Musiktauschbörsen
13
3.2.1.1 Arten der Downloads, 2004
13
3.2.1.2 Anzahl der Downloads, 2000-2004
13
3.2.1.3 Anzahl der Musiktauschbörsennutzer, 2004
14
3.2.1.4 Altersstruktur der Musiktauschbörsennutzer, 2004
15
Umsatzverluste der Musikindustrie
16
3.2.2.1 Gesamtumsatz des Phonomarktes in Deutschland, 1995-2004
16
3.2.2.2 Wert von Downloads für die Musikindustrie, 2004
17
3.2.2
4.
5.
Ethische und juristische Bedenken gegen Musiktauschbörsen
17
4.1
Verletzung des Urheberschutzes
17
4.2
Förderung einer "Gratismentalität"
19
4.3
Verbreitung krimineller Informationen
20
Napster & Co.
21
5.1
Napster: Aufstieg und Fall
21
5.2
Dezentrale P2P-Netzwerke
23
5.3
Kommerzielle Internet-Musikshops und "Digital Rights Management"
24
6.
Urheberrecht
26
6.1
Begriffkennzeichnung
26
6.1.1
Urheberrecht und Copyright
26
6.1.2
Geistiges Eigentum
27
6.1.3
GEMA – als Verwerter urheberrechtlich geschützter Musik
29
Auswirkungen der EU-Richtlinie 2001/29/EG auf das Urheberrecht
31
6.2.1
1. Korb der Urheberrechtsnovelle
31
6.2.2
2. Korb der Urheberrechtsnovelle
33
6.2
7.
Der informationsethische Diskurs
7.1
8.
9.
34
Motive für einen informationsethischen Diskurs über den Umgang mit
Musik im Internet
34
7.2
Die "diskursive Methode" als Instrument der Informationsethik
37
7.3
Interessensgruppen
38
Wissensökologie: Nachhaltiger Umgang mit Musik im Internet
43
8.1
Wissensökologie als Ziel des informationsethischen Diskurses
43
8.2
Ökonomie des Wissens
45
8.3
Ethische Anforderungen - für einen nachhaltigen Musikmarkt
46
8.3.1
Informationsfreiheit
46
8.3.2
Einbeziehung normativer Verhaltensweisen
50
8.3.3
Recht auf Privatheit
53
8.3.4
Erweiterung der kulturellen Vielfalt
57
Ausblick: Zwischen ökonomischer und kultureller Verantwortung
60
9.1
Creative Commons – für mehr Autonomie von Musikschaffenden
61
9.2
User Rights Management – für mehr Rechte der Endverbraucher
64
9.3
Alternative Verkaufsmodelle – für eine innovative Musikwirtschaft
66
10.
Fazit
68
11.
Literaturverzeichnis
71
1.
Einleitung
Dezentrale Computernetzwerke, Digitalisierungstechnik sowie die starke Verbreitung des
Internet haben die Art und Weise, mit der Musik konsumiert wird, nachhaltig verändert.
Die Entwicklung von dezentralen Internet-Musiktauschbörsen vor etwa 5 Jahren machte
es möglich, dass Musik in großem Ausmaß und ohne jeglichen Qualitätsverlust kostenlos
getauscht resp. kopiert werden kann: alle registrierten Nutzer können gleichzeitig auf die
Festplatten der anderen zugreifen und zum Nulltarif die urheberrechtlich geschützte
Musik downloaden. Aufgrund der dezentralen Netzstruktur können solche Tauschbörsen
auch nicht einfach "abgeschaltet" werden, da es keinen zentralen Knotenpunkt gibt, von
dem die vernetzten Rechner abhängig wären. Dezentrale Tauschbörsen sind Selbstläufer
und stellen daher für die Verwertungsindustrie ein besonders hartnäckiges Problem dar.
Es entwickelte sich binnen kurzer Zeit ein regelrechter Tauschbörsen-Hype, von dem die
Musikindustrie einen nicht geringen Schaden davongetragen hat. Neben dem Brennen
von CDs haben auch die Tauschbörsen wesentlich dazu beigetragen, dass die deutsche
Tonträgerindustrie im Jahr 2003 einen Umsatzverlust von beinah 20% zu verzeichnen
hatte.
Seitdem
setzt
die
Musikindustrie
alles
daran,
dieser
Art
von
Urheberrechtsverletzung ein Ende zu setzen, um ihre Existenz zu retten. Zahllose
Strafverfolgungen der von ihr so bezeichneten "Musikpiraten" sowie einschneidende
Veränderungen des Urheberrechts zugunsten der Verwertungsindustrie haben zwar die
Anzahl der Downloader zumindest stagnieren lassen, allerdings auf einem sehr hohen
Level: In Deutschland sind es derzeit etwa 7 Mio. Nutzer, die sich auch weiterhin trotz
geltender Gesetze nicht vom Tauschen abhalten lassen. Trotzdem hält die Musikindustrie
an ihrem Konzept fest.
Kritiker sehen in den restriktiven Maßnahmen der Musikindustrie jedoch eine nicht
akzeptable Beschneidung der Nutzerrechte und in der Urheberrechtsnovelle eine
Privatisierung des Urheberrechts. Viele argumentieren für einen gänzlich freien Zugang
zu Musik im Internet, da es dem Wesen des Internet und der Information nicht entspricht,
es zu begrenzen oder zu kontrollieren. Andere vertreten einen nicht so absoluten
Standpunkt, sehen jedoch in dem Verhalten der Musikindustrie ebenso den Versuch,
"alte" marktwirtschaftliche Prinzipien auf digitale Räume zu übertragen, nur um
bestehende Monopolstellungen zu sichern. Sie fordern daher eine Stärkung der
1
Nutzerrechte und eine staatliche Regulierung der Wirtschaft hinsichtlich des
Datenschutzes bei digitaler Rechteverwaltung.
Von den Tauschbörsennutzern selbst lassen sich, wie Studien belegen, nur wenige vom
Downloaden abhalten. Zum Einen ist es für sie sicherlich zu einer Art
Selbstverständlichkeit geworden, im Internet kostenlos Musik zu erhalten. Zum Anderen
sehen viele Nutzer in den Regulierungsmaßnahmen der Musikindustrie eine
ungerechtfertigte Reklamation von Urheberrechtsansprüchen, die keineswegs dem Schutz
der Künstler und der Musikkultur als solche dient, sondern ausschließlich der
Bereicherung der mächtigsten Musikkonzerne.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwieweit das Internet mit seinen Tauschbörsen
tatsächlich den Musikmarkt zerstört, wie es Vertreter der Musikindustrie befürchten, oder
ob sich vielleicht der Musikmarkt infolge der Digitalisierung nur neu strukturieren muss.
Der Fokus liegt hier auf dem deutschen Musikmarkt, da sich aufgrund der territorialen
Unterschiede hinsichtlich des Urheberrechts resp. Copyrights eine tiefergehende Analyse
als zu komplex für den Rahmen dieser Arbeit erweisen würde.
Für die wissenschaftliche Erarbeitung einer Stellungnahme zu dieser Fragestellung soll
der Umgang mit "Musikpiraterie" unter einem "informationsethischen" Blickwinkel
analysiert werden, da der bereits skizzierte Interessenskonflikt in unserer "Infosphäre"
stattfindet, die in hohem Maße von Hyper- und Multimedia, Telekommunikation,
Datenverarbeitung und Informatik durchdrungen ist. "Informationsethik" beinhaltet die
Reflexion über die Moral in der "Infosphäre" und demnach auch über Normen und Werte,
die sich im Umgang mit Musiktauschbörsen entwickeln. Sowohl juristische als auch
wirtschaftliche und kulturelle Aspekte werden in die Betrachtung miteinbezogen.
Nachdem im 2. und 3. Kapitel zum Einen eine Definition der für diese Arbeit
signifikanten Schlüsselbegriffe stattfindet und zum Anderen die wirtschaftliche Situation
der deutschen Musikindustrie dargestellt wird, erfolgt im 4. Kapitel eine Erläuterung
ethischer und juristischer Bedenken gegen Musiktauschbörsen. Im darauffolgenden
Kapitel werden sowohl dezentrale Musiktauschbörsen als auch "legale" InternetMusikshops und die damit einhergehenden informationsethischen Probleme von digitaler
Lizenzvergabe erörtert. Das 6. Kapitel beinhaltet Begriffkennzeichnungen zum Thema
Urheberrecht sowie eine detaillierte Darstellung der Urheberrechtsnovelle, die sich zu
einem Teil noch in der Umsetzung befindet. Im 7. Kapitel wird das "Instrument" der
Informationsethik, der "informationsethische Diskurs", und die für einen Diskurs
relevanten Interessensgruppen näher vorgestellt. Das Thema von Kapitel 8 ist
2
"Wissensökologie", ein Konzept des nachhaltigen Umgangs mit Wissensressourcen.
Unter einem flachen Wissensbegriff ist hier ebenso Musik einzuordnen. Einen Ausblick
für den zukünftigen Musikmarkt gibt es im 9. Kapitel.
2.
Begriffkennzeichnung
2.1
Ethik
Ethik beruht auf dem menschlichen Wissen um Ungerechtigkeit. Aus diesem Wissen und
aus der gesellschaftlich bestehenden Forderung nach normativen Gehalten heraus, wie
z.B. Freiheit oder Gerechtigkeit als allgemeingültige Ideen, reflektiert sie das
menschliche Handeln, um so den Menschen eine Orientierung für ein "gutes Leben" 1 zu
geben.
Jedoch ist Ethik nicht gleichzusetzen mit Moral, obschon sie Moral zu ihrem Gegenstand
macht. Während Moral die Werte einer Gruppe, Nation oder Kultur beschreibt, zielt Ethik
auf die Reflexion über die Verbindlichkeit und des Sinns dieser gesellschaftlichen Werte
ab. Mit der Frage nach den Maßstäben moralischen Handelns und nach einem
Beurteilungskriterium für bestimmte Handlungsweisen sucht sie nach einem Verständnis
für oder gegen die Anerkennung von gesellschaftlichen Normen und Werten.
[Prechtl / Burkhard 1996: 148]
In dieser Reflexion kommt das Wechselverhältnis zwischen Moral und Moralität zum
Ausdruck: Moral stellt ein grundsätzliches Ordnungssystem für die Gesellschaft dar,
welches die Bedürfnisbefriedigung innerhalb der Gemeinschaft regelt und ferner das
eigene Verständnis von Freiheit nach außen hin zeigt.
Moralität hingegen ist ein
Prinzipienbegriff. Sie fasst nicht die Moral mit ihren einzelnen Handlungsempfehlungen
zusammen, sondern ist als die menschliche Grundhaltung des Gutseinwollens, basierend
auf dem Prinzip der Freiheit, zu verstehen. Moral entsteht also erst aus der Moralität, d.h.
aus dem freien Willen der Menschen, gut sein zu wollen. Befolgt der Mensch eine
1
Der Begriff des "guten Lebens", bei dem der tugendhafte Mensch wahres Glück erfährt, war der zentrale
Aspekt der antiken Ethik wie z.B. von Aristoteles (384-322 v.Chr.), der die Ethik erstmalig als eigenständige
Disziplin der praktischen Philosophie begründete. Vgl. hierzu [Mittelstraß / Wolters 1995: 592]
3
gesellschaftliche Norm aus moralischen Gründen, so tut er dies nach seinem eigenen
Willen. Ethik untersucht dieses Wechselverhältnis zwischen Moral und Moralität. [Pieper
2003: 41ff] Sie stellt die Frage: Wie sollen wir handeln? Die angewandte resp. praktische
Ethik, auf die sich das Thema dieser Arbeit bezieht, zielt auf die sowohl problem- als
auch lösungsorientierte Reflexion von Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, in denen
öffentliche Organisationen und politische Entscheidungen häufig eine große Rolle
spielen, wie z.B. in der Bioethik, der Informations- und Medienethik oder in der
Wirtschaftsethik. [Prechtl / Burkhard 1996: 150]
2.2
Informationsethik
Die Grundlage für eine Informationsethik 2 liegt in der "Telemediatisierung" unserer
heutigen Lebenswelten, d.h. unser Leben spielt sich zunehmend in der "Infosphäre" ab,
da sowohl politische und wirtschaftliche als auch kulturelle und soziale Bereiche des
Lebens in hohem Maße von Telekommunikation, Informatik, Datenverarbeitung,
Multimedia sowie Hypermedia durchdrungen sind und werden. [Kuhlen 2004a: 121]
Themen der Informationsethik, die aus der zunehmenden Telemediatisierung resultieren,
sind z.B. der "digital divide" zwischen den Ländern des Südens und des Nordens,
Urheberrecht im Internet, Datenschutz und Informationsfreiheit.
Auf den Begriff der Telemediatisierung gehe ich in Kap. 2.4 näher ein.
Wesentlich zu der Telemediatisierung unserer Lebenswelten beigetragen hat das Internet
als ein globales Informationsnetz, zu dem mittlerweile etwa 700 Mio. Menschen weltweit
Zugang haben. 3 Die "reale" Umgebung, in der wir leben, hat sich dadurch in den letzten
Jahrzehnten um gänzlich neue Komponenten erweitert und demzufolge auch Einfluss auf
unser Leben und unsere Verhaltensnormen genommen, nicht zuletzt auf unseren Umgang
mit geistigen Eigentümern im Internet, wie z.B. der kostenlose Tausch von Musikdateien.
Seit dem Aufkommen von Internet-Musiktauschbörsen konfligieren die Interessen der
Musik-Majors (Sony, Universal, Warner, BMG / Bertelsmann, EMI Music), Künstler,
Endverbraucher und der GEMA zum Teil sehr stark. Die Urheberrechtsnovelle, die sehr
2
Informationsethik ist keinesfalls gleichzusetzen mit Netzethik, Cyberethik oder Computerethik.
Diese thematisieren nicht dasselbe wie die Informationsethik, z.B. geht es bei Cyberethik um
"epers" (electronic persons). Vgl. hierzu [Kuhlen 2004d: 1] Computerethik hingegen befasst sich
mit dem Wert und Stellung des Computers im Leben des Menschen oder der Gesellschaft und
Netzethik vereinigt die zentralen Fragestellungen einer Internet- und Informationsethik. Oftmals
werden diese Begriffe synonym verwendet, was jedoch nicht korrekt ist.
3
Vgl. [http://www.tns infratest.com/06_BI/bmwa/Faktenbericht_4/main2002_abb_167_203.htm].
4
zugunsten
der
Verwertungsindustrie
ausgefallen
ist,
lässt
die
benachteiligten
Interessensparteien unzufrieden zurück und den Konflikt keineswegs abschwellen – mehr
noch: vielfach wird bereits von einem "Informationskrieg" gesprochen, in dem
Entscheidungen allein über Macht getroffen werden.
Die daraus resultierenden Konflikte spiegeln eine starke Uneindeutigkeit der
verschiedenen Handlungsprinzipien wieder. An diesem Punkt stellt Informationsethik die
Frage: Wie sollen wir handeln? Was sind die Motive der einzelnen Parteien? Haben
gesellschaftliche Werte, z.B. das des "geistigen Eigentums", an Aktualität eingebüßt, da
sie vielleicht nicht mehr den Anforderungen des digitalen Zeitalters entsprechen? Und
nicht
zuletzt
stellt
Informationsethik
die
Frage:
Wie
gestaltet
sich
eine
Informationsgesellschaft, die ihren Namen zu Recht trägt, in der also die Menschen
gleichberechtigt an der Information partizipieren können?
Die Antwort der Informationsethik auf diesen Interessenskonflikt ist somit die Reflexion
über die Moral in der "Infosphäre" und demzufolge auch über Werte und Normen, die
sich beim Umgang mit Musiktauschbörsen in elektronischen Räumen entwickeln.4 Unter
Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Einbeziehung der
verschiedenen Interessen soll die Kompatibilität derzeitiger Umgangsformen mit
"Musikpiraterie" mit allgemein geltenden ethischen Prinzipien, wie z.B. Gerechtigkeit
oder Freiheit, im Diskurs reflektiert werden. Ferner wird untersucht, ob und inwieweit
bereits existierende Normen unserer "realen" Welt der neuen medialen Umwelt des
Internets entsprechen. 5
Man kann annehmen, dass der informationsethische Diskurs über den Umgang mit
kulturellen Gütern im Internet in absehbarer Zeit ein ähnlich hohes öffentliches Interesse
wie die Bioethik erlangen wird. Der Schutz und die kommerzielle Vermarktung von
geistigem Eigentum entsprach über Jahrhunderte einem allgemeinen Konsens innerhalb
der Gesellschaft. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Verbreitung des Internet
jedoch stellt sich für immer mehr Menschen die Frage, inwieweit die Verwertung von
digitalen Inhalten in ihrer bisherigen Form noch gerechtfertigt und angemessen ist.
Informationsethik hat die Aufgabe, den Umgang mit Information zu reflektieren und
einen für alle Beteiligten annehmbaren Kompromiss herauszuarbeiten.
4
Die Entwicklung von normativen Verhaltensweisen im Internet und speziell in Musiktauschbörsen wird in Kap. 8.3.2 eingehender beschrieben.
5
Vgl. [www.nethics.net/nethics_neu/n3/themen/theorien_der_ie.htm].
5
2.3
Musik als Informationsgut
In dieser Arbeit wird explizit ein breiter Informationsbegriff verwendet, anders als man es
z.B. aus den Informationswissenschaften kennt. Musik ist ein intellektuelles Produkt des
jeweiligen Künstlers, genauso wie z.B. Filme und Bücher. Demnach gelten
Medienprodukte, wie z.B. Musik, für den Empfänger als Informationen, der diese
wiederum konsumiert, verarbeitet und im Gedächtnis speichert.
Ein Informationsgut ist die Information selbst und demnach ein immaterielles Gut, das
auf einer Dienstleistung, z.B. die des Künstlers, basiert. Wird dieses immaterielle Gut
jedoch materialisiert, wird daraus ein Informationsprodukt. Musik ist demzufolge solange
ein Informationsgut, bis sie an einen Tonträger gekoppelt und auf diesem Wege in ein
Informationsprodukt umgewandelt wird. [Bauckhage 2002: 16]
Die zwei signifikantesten Eigenschaften von digitalen Informationsgütern, wie z.B. die in
Internet-Musiktauschbörsen angebotenen MP3-Dateien, sind zum Einen die sehr geringen
Transaktions- und Reproduktionskosten und zum Anderen die sogenannte "NichtRivalität". Diese beiden Eigenschaften bedeuten starke Reibungspunkte zwischen den
einzelnen Parteien des Diskurses um den Umgang mit Musikpiraterie in digitalen
Räumen:
ƒ
Das Hauptargument der Musiktauschbörsennutzer liegt in der erstgenannten
Eigenschaft von Informationsgütern, den im Zeitalter der Digitalisierung immer
geringer werdenden Kosten für die Reproduktion und Verteilung. Gegenwärtig
versucht die Musikindustrie, durch massive Verknappungsmaßnahmen auf dem
Internet-Musikmarkt, wie z.B. Klagen gegen Tauschbörsennutzer, kapitalistischmarktwirtschaftliche Geschäftsmodelle auf digitale Räume zu übertragen,
obschon hier so gut wie keine Transaktions- und Reproduktionskosten mehr
entstehen. 6 [Kuhlen 2002: 3]
ƒ
Der Begriff "Nicht-Rivalität" erklärt den maßgeblichen Unterschied von
Informationsgütern zu Informationsprodukten: Informationsgüter als solche
verbrauchen sich nicht im Gebrauch, da sie im Überfluss vorhanden sind. Benutzt
also eine Person ein Informationsgut, wie z.B. einen digitalen Musiktitel, schließt
das in keiner Weise unzählige andere Personen vom gleichzeitigen Gebrauch
6
Vgl. hierzu auch Kap. 4.2.
6
dieser
einen
Musikdatei
aus.
[Kuhlen
2003a:
3]
Durch
die
Verknappungsmaßnahmen der Musikindustrie wird diese elementare Eigenschaft
der "Nicht-Rivalität" jedoch umgangen: "Nicht-Rivalität" wird z.B. durch den
Einsatz von Digital Rights Management 7 zur "Rivalität", da MP3-Dateien auf
diese Weise künstlich verknappt werden und sich dementsprechend verbrauchen.
Die Zugangskontrolle und Lizensierung vornehmlich durch die Wirtschaft wird
stark kritisiert, da sich eine "Informationsgesellschaft" durch einen möglichst
freizügigen Zugang zu Information auszeichnen sollte, und nicht allein durch eine
Kommerzialisierung von Information.
Trotz dieser plausiblen Argumente der Tauschbörsen-Befürworter kann aufgrund der
ökonomischen Bedeutung der Musikindustrie ein gänzlich kostenloser Zugang zu MP3Dateien im Internet nicht die Lösung des Problems sein
2.4
Telemediatik
Der Begriff der Telemediatik knüpft an den der Informatisierung und der Telematik an.
Unter Informatisierung versteht man die vollständige Durchdringung von definierten
Lebenswelten mit Informationstechnik, z.B. Forschung. Die Telematik hingegen
verbindet Informatik und Telekommunikation und ist der Auffassung, dass sich die
Auswirkungen
der
Computertechnik
erst
vollständig
mit
den
Telekommunikationstechnologien entfalten. [Kuhlen 1998: 119] Beide Begriff etablierten
sich etwa Mitte der 80er Jahre.
Mit dem sich in den letzten 10 Jahren stark ausdehnenden Bereich des Hypermedia 8 sind
die Beschreibungen Informatisierung und Telematik unzureichend geworden. Das Prinzip
von Hypermedia ist die Verknüpfung von verschiedenen Medienelementen, wie z.B.
Text, Ton, Bild etc.. Durch sie ist erstmals eine Darstellung und Organisation von
multimedial dargestellten Objekten möglich geworden, die nicht mehr linear ist, sondern
in einem vernetzten Raum existiert und in immer neue Zusammenhänge gebracht werden
kann. Hypermedia hat mit diesem Verknüpfungsprinzip das World Wide Web möglich
gemacht. Während also Informatisierung sich auf definierte Lebenswelten bezieht,
7
Vgl. hierzu auch Kap. 5.3.
Hypermedia soll hier verstanden werden als Multimedia, also dem Zusammenspiel verschiedener
Medien unter Anwendung von Hypertext.
8
7
kommt mit der Erfindung des Hypermedia eine globale Komponente hinzu. Der
Grundgedanke von Telemediatik, in dem sich sowohl Telekommunikation, Hypermedia
und Informatik vereinen, beschreibt nicht die vollständige Durchdringung von definierten
Lebenswelten, sondern die aller Lebenswelten. [Kuhlen 1998: 119]
Trotz des digitalen Grabens zwischen den Ländern des Nordens und denen des Südens,
wie z.B. Afrika mit einer Internetzugangsrate von derzeit 1,8 % der gesamten
afrikanischen Bevölkerung 9 , zieht die Telemediatisierung auf globaler Ebene eine
umfassende Veränderung des normativen Verhaltens der Menschen nach sich. Denn
Hypermedia ist nicht bloß eine neuartige Übertragungsform für digitale Informationen,
sondern Hypermedia ist immer mehr die Information selbst. Gemeint ist hiermit, dass
z.B. klassische Medienprodukte, die über das Internet angeboten werden, sich zunehmend
durch hypermediale Eigenschaften auszeichnen, wie beispielsweise über Hypertext
verbundene Text- oder Bildeinheiten.
Das erinnert an die populäre Aussage des Medientheoretikers Marshall McLuhan: "The
Medium ist the Message." [McLuhan 1992: 18]. Sein Gedanke dabei war, dass die
Botschaft eines Mediums nicht etwa der Inhalt sei, sondern das, was das Medium mit
dem Rezipienten macht: "Denn die "Botschaft" jedes Mediums oder jeder Technik ist die
Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen
bringt." [McLuhan 1992: 18]
McLuhan sieht demzufolge Veränderungen von Medientechnologien als essentielle
Ursache für soziale Veränderungen. Für ihn war es also irrelevant, was z.B. in einer
Fernsehsendung dem Empfänger inhaltlich übertragen wird. Für ihn hat das Fernsehen
selbst, unabhängig seiner Programminhalte, erhebliche Auswirkungen auf die Formen des
Zusammenlebens der Menschen. Das Medium schafft demnach eine Umgebung, in der
sich
zwangsläufig
neue
Verhaltensformen
entwickeln.
Auf
Musiktauschbörsen
übertragen, bedeutet dies also eine zwangsläufig veränderte Einstellung zu einem
bestimmten Lebensbereich, in diesem Fall der Umgang mit urheberrechtlich geschützter
Musik in digitalen Räumen. Dies zeigt sich z.B. an dem massenhaften Tauschen von
Musikdateien, das trotz einer Kriminalisierung durch das Gesetz von den meisten
Tauschbörsennutzern nicht als unrechtmäßig empfunden wird, obwohl über die
Einhaltung von Urheberrechten in der analogen Welt ein allgemeiner Konsens herrscht.
Des Weiteren hat die Telemediatisierung eine nahezu paradoxe Situation erzeugt. Diese
äußert sich zum Einen in der unbegrenzten Mobilität hinsichtlich des Austauschs von
9
Vgl. [http://www.internetworldstats.com/stats1.htm].
8
Wissen und Information. Prinzipiell kann jede Person zu jeder Zeit und an jedem Ort
Informationen bereitstellen und abrufen. Zeit und Raum werden somit zu einer relativen
Größe. Zum Anderen jedoch wird Wissen und Information zunehmend privatisiert,
kontrolliert sowie kommerzialisiert und verknappt, was sich gegenwärtig auch im
Verhalten der Musikindustrie widerspiegelt. [Kuhlen, 2004a: 33] Es stellt sich die Frage,
inwieweit
z.B.
künstliche
Verknappungsmaßnahmen
der
Wirtschaft
normative
Verhaltensweisen überhaupt nachhaltig beeinflussen können oder auch sollten. Denn die
Bereitschaft der Konsumenten scheint auch weiterhin sehr gering zu sein, für digitale
Musikdateien einen durchschnittlichen Preis von 1 Euro zu zahlen, wie eine Studie der
Universität Darmstadt belegt. [Buxmann / Pohl / Johnscher u.a. 2005: 13]
Die Telemediatisierung unserer Gesellschaft wirft somit vielerlei Konflikte und
Widersprüche auf, für deren Auflösung es einer umfassenden informationsethischen
Reflexion bedarf, z.B. über die Möglichkeit eines selbstbestimmten, gerechten,
freizügigen und nachhaltigen Umgangs mit digitaler Musik.
2.5
Digitalisierung
Unter Digitalisierung versteht man die Umwandlung von analogen in digitale Daten. In
der Regel geschieht dies durch eine schrittweise Zerlegung der analogen Daten in
zweiwertige Zustände wie z.B. Null und Eins. In Verbindung mit Bit oder Pixel können
diese binären Zustände größere Datenmengen dargestellt werden. Die Übertragung der
analogen in digitale Daten ist stets abhängig von der Genauigkeit, z.B. der Auflösung des
digitalen Prozesses. 10
Der Vorteil digitalisierter Daten ist die Möglichkeit der Verarbeitung durch
Computerprozessoren als auch die der Übertragung über große Entfernungen innerhalb
von Netzwerken. Das beste Beispiel hierfür ist sicherlich der Transport von E-Mails im
Internet. Neben Text kann ebenso z.B. Musik und Film digitalisiert und gespeichert,
kopiert und verteilt werden. Das schnelle Wachstum des World Wide Web und der
digitalen Netzwerke sowie die zunehmende Digitalisierung von Informationsgütern in der
heutigen Zeit verändern das wirtschaftliche und gesellschaftspolitische System erheblich.
[Bauckhage 2002: 14f]
Der "National Research Council" bezeichnet das Internet
hinsichtlich der ansteigenden Digitalisierung von Informationsgütern als
10
Vgl. [http://de.wikipedia.org/wiki/Digitalisierung].
9
ƒ
ein Massenmedium zur Veröffentlichung,
ƒ
ein weltweit leistungsstarkes Distributionsnetz und als
ƒ
die größte Kopiermaschine der Welt. 11
Digitalisierung auf breiter Ebene macht es prinzipiell jedem möglich, zu beliebiger Zeit
und an jedem beliebigen Ort Informationen bereitstellen, abrufen, nutzen oder auch
reproduzieren
zu
können.
Letzteres
geschieht
mittlerweile
ohne
jedweden
Qualitätsverlust, wie sich an der breiten Nutzung von Musiktauschbörsen zeigt. Mit
jedem Download wird ein Musikstück reproduziert, ohne dass sich der Klang mit der Zeit
verschlechtert. Dies kommt einer Vereinheitlichung von "Kopie" und "Original" gleich.
Die Aussage des "National Research Council" über das Internet als "die größte
Kopiermaschine der Welt" bezieht sich in dieser Arbeit speziell auf das weltweite,
nichtmonetäre Kopieren von Milliarden digitaler Musikdateien aus den "illegalen"
Internet-Musiktauschbörsen, dem unterschiedlichste Interessengruppen zustimmend,
ablehnend oder ambivalent-kritisch gegenüberstehen. Aus diesen unterschiedlichen
Meinungs- und Stimmungsbildern sind ferner starke gesellschaftliche Kontroversen
entstanden, für die es gilt, eine für alle Beteiligten akzeptable und gerechte Einigung
herbeizuführen.
3.
Die wirtschaftliche Situation der Musikindustrie
3.1
Das Spezifikum der Musikbranche
Die Musikbranche war bis vor einigen Jahren der einzige Medienbereich, der sich auf
dem Markt aufgrund der Digitalisierung mit gänzlich neuen Marktstrukturen
auseinandersetzen musste. In keinem anderen Mediensektor hat sich so früh und so klar
herauskristallisiert, wie die Herausforderungen des digitalen Zeitalters für den
Informationsmarkt aussehen werden. Verschiedene Ursachen haben die Musikwirtschaft
zu einer Branche gemacht, die sich diesen neuen Bedingungen erstmalig stellen muss:
11
Vgl. [http://www.nap.edu/openbook/0309064996/html/2.html].
10
Schon immer sind die Endgeräte für die Musiknutzung früher entwickelt und vermarktet
worden als ihre Äquivalente aus dem audiovisuellen Medienmarkt. Beispielsweise wurde
das Grammophon bereits 1887 erfunden, während der Videorecorder erst in den 70er
Jahren auf den Markt kam. Jahrzehnte vor der Erfindung des Fernsehens besaßen viele
Haushalte bereits ein Radiogerät. Anfang der 80er Jahre sträubte sich die Musikindustrie
noch gegen die beginnende Digitalisierung und das damit einhergehende neue
Tonträgerformat der Compact Disc. Ein entsprechendes digitales Format für Videos, die
DVD-Technologie, gab es jedoch erst Ende der 90er Jahre. [Flender / Lampson 2001:
85f]
Seit 1995 gibt es das vom Ilmenauer Fraunhofer Institut entwickelte digitale
Audiocodierverfahren MP3. Dieses Format ist in der Lage, Musikdateien bis auf ein
Zwölftel ihrer Größe zu komprimieren. Als die Wissenschaftler das neue Dateiformat ins
Internet stellten, kam es binnen kurzer Zeit zu einem MP3-Hype. Primär in den USA
nutzten viele Studenten das neue Format für den Musikaustausch via Internet. 12
Mit der Erfindung von MP3, dem etwa zeitgleichen Internethype sowie mit dem
Aufkommen dezentraler P2P-Musiktauschbörsen 13 einige Jahre später änderten sich die
Bedingungen für den Musikmarkt in gravierender Weise, während der Filmmarkt noch
nichts zu befürchten hatte:
Das Komprimierungsformat MP3 ermöglichte erstmals eine äußerst schnelle Erfassung
und Verarbeitung von Musikdateien. Problemlos konnten nun infolge der Entwicklung
der P2P-Netzwerke myriadenfach Musikdateien weltweit getauscht werden, und zwar
kostenlos und gänzlich an der Musikwirtschaft vorbei. Dies betrifft, wie Studien
belegen 14 , vor allem diejenige Konsumentengruppe der Musikindustrie, deren Interesse
an Musik außerordentlich hoch ist. Insbesondere junge Menschen bis etwa zum 30.
Lebensjahr, bei denen die Musik- und Internetaffinität am stärksten ausgeprägt ist, nutzen
die Musiktauschbörsen im Internet. Hinzu kommen Faktoren wie Zeit und Kosten. In der
Regel verfügt diese Konsumentengruppe über ein entsprechendes Freizeitbudget, welches
für das Suchen und Downloaden notwendig ist. Darüber hinaus ist insbesondere für
12
Vgl. [http://www.mp3werk.de/faq/history.php].
"P2P" heißt "peer-to-peer" und steht für Kommunikation unter "Gleichen". Im Gegensatz zum
Client-Server-Modell sieht ein P2P-Netzwerk eine gleichberechtigte Nutzung aller an diesem
Netzwerk beteiligten Computer vor. Die Stabilität eines solchen Netzwerks liegt darin begründet,
dass es keinerlei zentrale Instanz gibt, von der die Funktionsfähigkeit abhängt. Das heißt, dass ein
P2P-Netzwerk faktisch nicht abzuschalten ist. Vgl. hierzu auch Kap. 5.2.
14
z.B. die Brennerstudie des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft, die ich in Kap.
3.2 in Auszügen darstelle.
13
11
Schüler, Auszubildende und Studenten als "Geringverdiener" das kostenlose Angebot der
Tauschbörsen sehr attraktiv. Man benötigt für die Benutzung der Tauschbörsen weder
eine kostenpflichtige Soft- oder Hardware noch einen Breitbandanschluss, der
beispielsweise für Downloads von Filmmaterial erforderlich ist. 15
3.2
Die deutsche Phonowirtschaft in Zahlen
Nachfolgend werden einige Auszüge aus der "Brennerstudie 2005" und dem
"Jahreswirtschaftbericht 2004" der deutschen Phonoverbände vorgestellt, die die aktuelle
wirtschaftliche Situation der deutschen Musikindustrie darstellen. Die "Brennerstudie
2005" ist vom Bundesverband der phonographischen Wirtschaft e.V. (IFPI), dem auch
die sogenannten "Majors" Sony, Universal, Warner, EMI und BMG angehören, in
Auftrag gegeben worden. Sie basiert auf einer schriftlichen Umfrage, die im Januar 2005
unter 10.000 Personen durchgeführt wurde. Die Gruppe der Befragten repräsentiert 63,7
Mio. Deutsche ab 10 Jahren.
Die Darstellungen lassen erkennen, dass zwar eine Stagnation der Umsatzverluste
stattgefunden hat und die Talsohle erreicht ist, aber dies geschieht letztendlich auf einem
extrem hohen Niveau. Mit dieser Stagnation gibt sich die Musikindustrie nicht zufrieden,
stattdessen baut sie weiterhin vor allem auf Verknappungsmaßnahmen sowie auf "legale"
Musik-Shops.
15
Vgl. hierzu auch Kap. 3.2 und 8.3.4
12
3.2.1
Nutzung von Musiktauschbörsen
3.2.1.1 Arten der Downloads, 2004 16
3.2.1.2 Anzahl der Downloads, 2000-2004 17
(in Mio. Stück)
700
622
602
600
492
500
475
400
3 16
300
200
100
0
2000
2001
2002
2003
2004
Im Jahr 2004 wurden über 100 Mio. Musikstücke weniger als im Vorjahr gedownloadet.
Dies schreibt die Musikindustrie zum Einen der Abschreckung durch Strafverfolgungen
und zum Anderen den kommerziellen, "legalen" Musikportalen zu.
16
17
Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf].
Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-581.htm].
13
3.2.1.3 Anzahl der Musiktauschbörsennutzer, 2004 18
Basis: 63,7 Mio. priv. Deutsche ab 10 Jahre
* kostenpflichtig / kostenlos
* 04/00 – 03/01
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Musiktauschbörsennutzer im Jahr 2004
nicht weiter erhöht und ist mit 7,3 Mio. konstant geblieben.
Eine Analyse der Kaufverhaltensänderungen hat gezeigt, dass im Jahr 2004 bei
Downloadern und Brennern ein stärkerer Rückgang ihrer Ausgaben für Musik zu
verzeichnen ist, als dies im Gesamtmarkt zu beobachten war.
19
Während es z.B. für
Musik-Singles im Gesamtmarkt 23% weniger Ausgaben waren, konnte bei Brennern und
Downloadern ein Rückgang von sogar 28% festgestellt werden. Etwa ein Fünftel der
Befragten
deckt
seinen
Musikbedarf
ausschließlich
über
das
Brennen
und
Herunterladen. 20
18
Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf].
In der obigen Graphik wird nur die Anzahl der Downloader dargestellt, nicht die der Brenner.
Die genannte Analyse der Kaufverhaltensänderungen bezieht sich jedoch sowohl auf die Brenner
als auch auf die Downloader. Etwa jeder dritte Deutsche, d.h. über 21 Mio. Personen, hat im Jahr
2004 Musik gebrannt. Dies sei jedoch nur am Rande genannt, da im Fokus dieser Arbeit nicht die
Brenner stehen, sondern die Downloader.
20
Vgl. ebd.
19
14
3.2.1.4 Altersstruktur der Musiktauschbörsennutzer, 2004 21
Basis: 63,7 Mio. priv. Deutsche ab 10 Jahre
Wie auch in den Vorjahren, ist es 2004 primär wieder die Gruppe der 20-29jährigen, die
als besonders musikaffin einzuordnen ist, die mit 26 % am häufigsten Musiktauschbörsen
nutzt. Bei Frauen und bei den Personen, die älter als die Kernzielgruppe sind, ist ein
leichter Zuwachs zu erkennen.
21
Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf].
15
3.2.2
Umsatzverluste der Musikindustrie
3.2.2.1 Gesamtumsatz des Phonomarktes in Deutschland, 1995-2004 22
(Endverbraucherpreise inkl. Mehrwertsteuer)
3.000
2.472
2.500
2.587
2.574
2.500
2.393
2.490
2.220
1.956
in Mio. Euro
2.000
1.648
1.589*
168
165
1.500
1.000
500
286
235
161
135
148
140
145
140
0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Verbandsstatistik
Sonstige Marktteilnehmer
*inkl. Downloads
Der Umsatz ist im Jahr 2004 nur noch um 3,6 % gefallen. Im Gegensatz hierzu ist der
Umsatz in den vergangenen Jahren um etwa 20 % gesunken. Demnach hat sich der Markt
sogar etwas stabilisiert.
22
Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-581.htm].
16
3.2.2.2 Wert von Downloads und Musikkopien für die Musikindustrie, 2004 23
(Endverbraucherpreise in Mio. Euro)
50
200
570
4.530
Privatkopie (legal)
Schulhofpiraterie
Internetpiraterie
Traditionelle Piraterie
Nach dieser Studie betrug der Umsatzwert für Downloads aus Musiktauschbörsen im Jahr
2004 etwa 570 Mio. Euro. Wären die gesamten kopierten Inhalte regulär im Einzelhandel
verkauft worden, hätten sie einen Umsatzwert von etwa 5,5 Milliarden Euro erreicht. 24
Jedoch kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass jede Kopie einen Kaufverlust
darstellt. Insofern ist diese Hochrechnung rein hypothetisch.
4.
Ethische und juristische Bedenken gegen
Musiktauschbörsen
4.1
Mit
Verletzung des Urheberschutzes
der
Entwicklung
der
Digitalisierung,
der
P2P-Technologie
sowie
dem
Datenkomprimierungsformat MP3 sind Rahmenbedingungen für jeden geschaffen
worden, Urheberrechte zu umgehen. Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der
digitalen Musik, in dem die Digitalisierung bereits Anfang der 80er Jahre ihren Ausdruck
23
Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-581.htm].
Der Betrag von 570 Mio. Euro als Umsatzwert für Downloads aus Musiktauschbörsen im Jahr
2004 bezieht sich vermutlich auf die Situation, dass durch eine entsprechende Nutzung der
"legalen" Musikportale dieser Umsatz erreicht worden wäre. Anders ist der im Folgenden
genannte Umsatzwert für den Einzelhandel (5,5 Milliarden Euro) nicht zu erklären.
24
17
im Tonträgerformat der "Compact Disc" gefunden hatte. Ein Eingreifen in das jährlich
milliardenfache Tauschen von Musikfiles über P2P-Tauschbörsen, die mit radikal
dezentralisierten P2P-Netzwerken arbeiten und daher nicht "abzuschalten" sind, gestaltet
sich als besonders schwierig. 25
Der Umstand, dass die gesamte Informationswirtschaft einen immer größer werdenden
Anteil am Gesamtumsatz durch Aufbereitung und Handel mit bereits vorhandener
Information erwirtschaftet, erklärt ihr großes Interesse an einer Reklamation von
Urheberrechtsansprüchen für jene Informationsgüter. 26 Der neue digitale Markt ist ohne
die Musikwirtschaft eröffnet worden und droht nun den kommerziellen Markt, der von
urheberrechtlichen Ansprüchen lebt, einzuverleiben. Obwohl diese Entwicklung
abzusehen war, ist darauf lange Zeit weder in wirtschaftlicher noch in juristischer
Hinsicht reagiert worden.
Die Musikindustrie wehrt sich gegen die von ihr so genannte "Musikpiraterie" mit
Massenklagen gegen Tauschbörsennutzer. In den letzten zwei Jahren wurde das deutsche
Urheberrecht
zugunsten
der
Verwertungsindustrie
soweit
geändert,
dass
ein
unautorisiertes Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikdateien aus dem Internet
per Gesetz eine kriminelle Handlung darstellt und somit das rechtliche Vorgehen gegen
"Musikpiraten" erleichtert. Ferner wird es von der Musikwirtschaft als Verstoß nicht nur
gegen bestehendes Recht, sondern auch gegen gesellschaftlich allgemein anerkannte
Prinzipien gesehen, wie z.B. das des geistigen Eigentums, für das es in der "realen" Welt
schließlich eine breite Zustimmung gibt. [Kuhlen 2002: 2]
Die Musikindustrie in ihrer bisherigen Form steht auf dem Spiel, was sich an dem
Umsatzeinbruch von etwa 20% in den letzten Jahren wiederspiegelt. Dem gegenüber
stehen Repräsentanten der anderen Seite, wie z.B. Teilnehmer des GNU- Projektes 27 , die
der Überzeugung sind, dass eigentumsrechtliche Kontrolle von Wissen und Information
zu bekämpfen sei, mehr noch, sie sehen den freien Zugang zu Informationsressourcen
sogar als ethische Pflicht. In dem GNU-Manifest findet sich z.B. folgende Ansicht über
die Nutzungskontrolle von Computerprogrammen: "Die schädlichen Auswirkungen einer
25
Vgl. hierzu auch Kap. 5.2.
Beispielsweise wird nicht nur ein Original-Album veröffentlicht, sondern zunehmend werden
einzelne Songs auch durch Klingeltöne, CD-Compilations oder Musikvideos aufbereitet, was zu
einem höheren Gesamtumsatz führt.
27
Der Amerikaner Richard M. Stallman hat 1984 das GNU-Projekt ins Leben gerufen. Sein Ziel
war es, ein vollständiges Unix-artiges System auf Basis Freier Software zu schaffen. Vgl. hierzu
auch [http://www.gnu.org/home.de.html].
26
18
bewußten Beschränkung sind eine bewußte Form von Zerstörung. Der Grund, weshalb
ein guter Bürger derart destruktive Mittel nicht anwendet, um reich zu werden, ist, daß,
wenn dies jeder täte, wir alle durch die wechselseitige Zerstörung ärmer würden." 28
4.2
Förderung einer "Gratismentalität"
Die Vertreter der Verwertungsindustrie kritisieren zunehmend eine sogenannte
"Gratismentalität" im Medium Internet, die insbesondere durch die kostenlosen
Musiktauschbörsen gefördert wird. Nutzer des Internets, so die Meinung von Kritikern,
gehen immer grundsätzlich davon aus, dass Information dort kostenlos erhältlich sei. Die
Gegner dieser "Gratismentalität" sehen darin das konstitutive Merkmal des Internets und
fühlen sich dadurch in ihrer Existenz bedroht, wie z.B. die Musikindustrie, deren
Interesse an einer kommerziellen Verwertung von digitaler Musik dem entgegen steht.
[Lütke 2003: 350f].
Dieser sehr subjektiv geprägte Begriff "Gratismentalität" weist auf den allgemeinen
Zustand hin, dass sich in unserer Gesellschaft ein gravierender Wandel vollzieht. Die
bisherigen Prinzipien der Marktwirtschaft gelten für den Handel mit endlichen
Ressourcen, entweder in Form von physischen Waren oder aber in Form von
Dienstleistungen, die z.B. Zeit als endliche Ressource beinhalten. Es handelt sich um
Konsumgüter, die nach dem Tausch zwischen Verkäufer und Käufer in der Regel den
Besitzer wechseln und anschließend verbraucht werden. Die Konsistenz von Information
ist
jedoch
eine
andere.
Aufgrund
dieser
Tatsache
werden
die
"alten"
marktwirtschaftlichen Prinzipien dem sich neu formierenden Informationsmarkt nicht
mehr gerecht. Weder nutzt Information sich im Gebrauch ab noch wechselt sie den
Besitzer. Im Gegenteil: Sie multipliziert sich im Gebrauch, da an die Stelle von 1:1Beziehungen des bisherigen marktwirtschaftlichen Prinzips 1:n-Beziehungen treten.
Besonders deutlich zeigt sich dieser Umstand bei den P2P-Musiktauschbörsen, bei denen
ein Musiktitel an theoretisch unendlich viele Personen verteilt werden kann, ohne dass
dieser jemals den "Besitzer" wechselt. Wir partizipieren also an der Information,
konsumieren sie jedoch nicht. Insofern befinden wir uns nicht nur im Wandel von einer
Industriegesellschaft zu einer Informationsgesellschaft, sondern auch im Wandel von
einer Konsumgesellschaft zu einer Partizipationsgesellschaft. [Zappe 2003: 48f]
28
Vgl. [http://www.gnu.de/mani-ger.html].
19
Diese unendliche Verteilungsmöglichkeit auch von urheberrechtlich geschütztem
Material im weltweiten Datennetz bedeutet für die Musikindustrie einen erheblichen
Kontrollverlust über die proprietäre Verwertung von Musik. Sie versucht jedoch mit
Verknappungsmaßnahmen der von ihr so bezeichneten Gratismentalität infolge dieser
unendlichen Verteilungsmöglichkeit einen unendlichen Mehrwert entgegenzusetzen.
Obgleich der Arbeits- und Materialwert als Tauschwert eines digitalen Musiktitels gegen
Null geht 29 , beansprucht die Musikwirtschaft für jeden einzelnen Musiktitel, der in
kommerziellen
Online-Musikshops
angeboten
wird,
eine
Lizenzgebühr
von
30
durchschnittlich etwa einem Euro .
Die Einen bezeichnen es als "Gratismentalität". Für andere bedeutet es jedoch, dass im
Zeitalter der Digitalisierung ein potenziell unendlicher Mehrwert für Informationsgüter,
z.B. einer MP3-Datei, entstanden ist, der die bestehenden marktwirtschaftlichen
Prinzipien nicht mehr rechtfertigt.
4.3
Verbreitung krimineller Informationen
Dezentrale P2P-Netzwerke eignen sich dazu, digitale Informationen jeglicher Art zur
Verbreitung im Internet zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich nicht
ausschließlich um Musik- und Filmdateien, sondern auch um kriminelle Dateien, wie z.B.
Kinderpornographie oder Nazipropaganda. Diese profitieren in der Umgebung von
Tauschbörsen, wie alle anderen Dateien auch, von der weitgehenden Anonymität der
dezentralen Netzwerke. Ferner werden Kinderpornographie und andere kriminelle
Dateifiles oftmals mit harmlosen Namen versehen, die in keiner Weise auf den Inhalt
schließen lassen. Dies macht eine Filterung der Dateien nahezu unmöglich.
Auch die Musikindustrie artikuliert die mögliche ungehinderte Verbreitung solch
problematischer Inhalte als Argument gegen Musiktauschbörsen: "Außerdem findet man
in sogenannten 'Tauschbörsen' nicht nur massenhaft illegale Angebote von Musik und
Filmen, die urheberrechtlich geschützt sind, sondern auch sehr viel pornographisches
29
Im Prinzip kann man sagen, dass außer für die Aufrechterhaltung des Internets höchstens noch
für die Pflege des DRM-Systems und vielleicht für den Service Kosten und Arbeitskraft
aufgewendet werden.
30
Wenn man bei dem Preis von einem Euro ein ganzes Album mit etwa 10-15 Songs downloaden
möchte, ist man etwa bei dem Preis angelangt, den man im Einzelhandel auch bezahlen würde.
20
und gewaltverherrlichendes Material. Sicher ist hingegen die Nutzung legaler
Angebote." 31
Der Geschäftsführer des Peer-to-Peer-Verbandes "P2P United", Adam M. Eisgrau,
reagierte auf Vorwürfe dieser Art mit Unverständnis gegenüber dem neuen Anti-PornoEngagement der Musikindustrie: "Es sei eine Schande für die Musikindustrie, die
Milliarden damit verdiene, den sexuellen Missbrauch von Frauen und Minderheiten zu
glorifizieren und Schläger, Vergewaltiger und Schwerverbrecher zu Vorbildern zu
machen, dieses Thema für die Durchsetzung ihrer Profitinteressen zu missbrauchen."
[zit. nach: Krüger 2004]
Doch prinzipiell ist der Einwand, dass P2P-Netzwerke die Verbreitung von
kinderpornographischen oder rassistischen Inhalten vereinfachen, natürlich nicht von der
Hand zu weisen, selbst wenn man der Musikindustrie andere Interessen unterstellen mag.
Aufgrund
dessen
arbeiten
die
Betreiber
von
Musiktauschbörsen
an
der
Weiterentwicklung von Filtermöglichkeiten, so dass z.B. Nutzer entsprechende Dateien
kennzeichnen können oder sie diese direkt melden können. [Krüger 2004] Allerdings
sollte eine systematische Klärung der normativen Dimensionen des Internets nicht durch
eine Fixierung auf medienstarke Phänomene, wie beispielsweise Kinderpornographie im
Internet, behindert resp. verzerrt werden. Aus diesem Grund werde ich auf dieses Thema,
trotz der unbestreitbaren Wichtigkeit, im Folgenden nicht tiefer eingehen.
5.
Napster & Co.
5.1
Napster: Aufstieg und Fall
Der amerikanische, damals 19jährige Informatikstudent Shawn Fanning entwarf 1998 ein
Konzept für eine Software, die er nach seinem Spitznamen "Napster" benannte. Er schuf
hiermit eine gänzlich neue Technologie, die in den Folgejahren das Internet maßgeblich
verändern sollte.
31
Vgl. [http://www.ifpi.de/news/news-601.htm].
21
Der Zweck dieses "person-to-person-non-commercial file sharing", kurz P2P, war der
kostenlose Tausch von MP3-Musikfiles durch Privatpersonen über das Internet: Alle der
bei "Napster" registrierten Personen sollten auf bestimmte, freigegebene Ordner der
lokalen Festplatten anderer User zugreifen und dort Musikdateien downloaden können.
Anfang 1999 brach Fanning sein Studium ab und widmete sich von diesem Zeitpunkt an
fünf Monate lang ununterbrochen der Entwicklung von Napster. Als er die Vorabversion
der Software ins Netz stellte, war der Erfolg durchschlagend. Gemeinsam mit Freunden
gründete er noch im Jahr 1999 die Firma "Napster Inc.". [Renner 2004: 154f.]
Innerhalb von etwa zwei Jahren belief sich die Zahl der Anhänger von Napster auf
weltweit ca. 60 Millionen, davon allein 2 Millionen in Deutschland. [Mayer 2003: 1]
Durch Zusatzangebote wie z.B. Hintergrundinformationen zu Bands und Musikstücken
sowie Chatmöglichkeiten für die Musikfans, wurde die Tauschbörse noch attraktiver
gestaltet mit dem Ziel, dass sich Napster.Inc. irgendwann allein über Werbeeinnahmen
finanzieren könne.
Zu Fall kam Napster im Jahr 2000, als die Musikindustrie das Unternehmen mit
Urheberrechtsklagen überhäufte und Schadensersatz von insgesamt mehreren Milliarden
US-Dollar forderte. Die Majors der Musikbranche beriefen sich diesbezüglich auf das bei
Napster vorhandene Verzeichnis aller angebotenen Musikdateien. Denn Napster war nur
scheinbar dezentral organisiert, es verfügte jedoch über ein zentrales Serversystem, in
dem automatisch alle angebotenen Musikfiles registriert wurden. Ein US-Gericht hat im
März 2001 entschieden, dass alle illegal angebotenen Musikstücke herauszufiltern seien.
Napster war gezwungen, etwa 1,3 Millionen Musikdateien zu sperren.
Viele User wendeten sich daraufhin ab, denn es gab zu diesem Zeitpunkt mittlerweile
andere Musiktauschbörsen, wie z.B. gnutella.com oder morpheus.com, die die Idee von
Napster weiterentwickelt hatten. Diese arbeiteten komplett dezentral und waren somit
rechtlich so gut wie nicht mehr zu belangen. Trotz der Kooperation mit dem
Unternehmen Bertelsmann 32 und der damit einhergehenden Finanzierungshilfen meldete
Napster 2002 Konkurs an. [Renner 2004: 157f] Abgeschaltet wurde Napster im Juli
2001. 33
32
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Bertelsmann, Thomas Middelhoff, kündigte im
Oktober 2000 die Kooperation mit Napster an: Er strebte den legalen Vertrieb der Musikrechte
sämtlicher Plattenfirmen an. Mit dieser Kooperation stellte er sich auch gegen das BertelsmannTochterunternehmen BMG als eines der Majors in der Musikbranche, das anfangs ebenso wie die
anderen Majors gegen Napster klagte. Für sein Ziel der Legalisierung wie Kommerzialisierung der
22
5.2
Dezentrale P2P-Netzwerke
Wie bereits in Kap. 3.1 erwähnt, arbeitete Napster noch mit einem zentralen Serversystem
und ist demnach als ein zentrales P2P-Netzwerk zu bezeichnen. Obschon es den Usern
dezentral erschien, wurde bei jedem Login resp. Logout eine Liste auf dem jeweiligen
Server aktualisiert, welche die Namen der angebotenen Musikdateien sowie die der
Anbieter beinhaltete. Dieser zentrale Knotenpunkt bedeutete zum Einen, dass das
Netzwerk in Abhängigkeit zu jenem steht und dementsprechend auch für technische
Störungen anfälliger ist als vollkommen dezentrale Netzwerke. Zum Anderen, und das
war die Ursache für das Scheitern von Napster, stellt es keinerlei Schwierigkeit dar,
infolge von gerichtlichen Beschlüssen und der gegebenen Verantwortlichkeit der
Netzbetreiber, zentrale P2P-Netzwerken "abzuschalten".
Dezentrale P2P-Netzwerke hingegen arbeiten ohne einen zentralen Server. Die Anfrage
nach einem bestimmten Musikstück geht von einem User und seiner Offerte zum
nächsten User, bis die gesuchte Datei gefunden wird und heruntergeladen werden kann.
Aufgrund dieser dezentralen Selbstverwaltung können diese Netzwerke faktisch nicht
"abgeschaltet" werden. [Mayer 2003: 8f] Stattdessen müssen einzelne Nutzer mit
illegalen Angeboten ausfindig gemacht werden, um wegen Verletzung des Urheberrechts
Anklage gegen sie erheben zu können. Bei derzeit deutschlandweit etwa 5,8 Millionen
Tauschbörsennutzern 34 stellt dies allerdings eine Sisyphusarbeit dar, auf die sich die
Musikindustrie in Form eines Kleinkriegs dennoch eingelassen hat. 1300 Strafverfahren
sind vom IFPI Bundesverband in den letzten Jahren gegen Tauschbörsennutzer eingeleitet
worden. 35 Ferner werden zunehmend auch legale Musikplattformen im Internet
angeboten, bei denen die Nutzer nicht kostenlos untereinander tauschen, dafür aber
Musikstücke für einen durchschnittlichen Preis von etwa 1 Euro legal erwerben können.
Musiktauschbörse benötigte Middelhoff als Kapital die exorbitant gewachsene Nutzergruppe von
Napster. Parallel dazu klagte die Musikindustrie jedoch weiter und Bertelsmann gewährte Napster
ein Darlehen von 50 Millionen Dollar, damit es den wachsenden Kosten des rechtlichen Streits
standhalten konnte. Das Projekt scheiterte jedoch letztendlich an dem Gerichtsbeschluss vom 5.
März 2001 (s.o.), woraufhin Middelhoff als Vorstandsvorsitzender zurücktrat. Vgl. [Renner, 2004:
155ff] und [Kuhlen 2002: 13].
33
Vgl. [http://www-test-zdf.dbc.zdf.de/ZDFheute/inhalt/13/0,3672,2076525,00.html].
34
Diese Zahl errechnet sich aus den Ergebnissen der IFPI-Brennerstudie. Etwa 80% der 7,3 Mio.
Musikdownloader in Deutschland sind illegalen Musiktauschbörsen zuzuordnen. Die Zahlen im
Internet variieren jedoch sehr stark.
35
Vgl. [http://www.ifpi.de/news/news-611.htm].
23
5.3
Kommerzielle Internet-Musikshops und "Digital Rights Management"
Seit etwa 2003/2004 haben sich die ersten kommerziellen Musikshops im Internet
etabliert, wie z.B.
ƒ
itunes
ƒ
connect-europe
ƒ
finetunes
ƒ
musicload
ƒ
musicdownloads.aol
ƒ
napster 2.0 36
ƒ
medionmusic
[Remien 2004]
Hinter vielen von Ihnen stehen große Musikkonzerne, die nach dem großen
Umsatzverlust der letzten Jahre die Initiative ergriffen haben, den Downloadern
überhaupt erst einmal die Nutzung legaler Internetplattformen zu ermöglichen. Die mit
der
bislang
größten
Nutzerreichweite
ist
I-Tunes,
die
Musikplattform
des
Computerherstellers Apple, der derzeit etwa 700.000 Musiktitel zum Download
anbietet 37 . Im Jahr 2004 sind allerdings nur 1,8 % der Musikdownloads aus legalen
Quellen bezogen worden. 38 Darüber hinaus sind die Musikplattformen Phonoline und
Popfile, von denen sich die Musikindustrie anfangs viel versprochen hatte, bereits nach
kurzer Zeit wegen geringem Erfolg eingestellt worden. Dies zeigt, dass die von der
Wirtschaft angebotenen Inhalte in ihrer bisherigen Form noch nicht ausreichend den
Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden entsprechen.
Diese "legalen" Musikshops im Internet basieren nicht auf der P2P-Technologie, sondern
stellen ein zentral organisiertes sowie monetäres Angebot für Musikfans dar. Hier kommt
Digital Rights Management zum Einsatz, im Folgenden DRM genannt, das sowohl die
Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musik kontrolliert als auch eine entsprechende
Bezahlung
durch
den
Downloader
sicherstellt.
DRM-Systeme
fungieren
als
36
Von dem Unternehmen Roxio ist der Name "Napster" nach dem Fall dieser ersten weitreichenden Musiktauschbörse gekauft und zu einem legalen Musikangebot umgewandelt worden.
37
Allein im Markteintrittsjahr 2004 verkaufte Apple mit dem Musikportal I-Tunes etwa 200 Mio.
Songs.
Vgl.[http://www.wdr.de/themen/computer/schiebwoche/2004/index_52.jhtml?rubrikenstyle=comp
uter].
38
Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf].
24
Schutzmechanismen für urheberrechtlich geschützte, digitale Informationen. Eine breite
Anwendung findet DRM primär bei digitalen Unterhaltungsmedien wie z.B. Musik und
Film. Es ermöglicht eine vollautomatische Bestellung inklusive individuelle Abrechnung
sowie die Auslieferung an den Endnutzer. Durch unterschiedliche DRM-Verfahren kann
die weitere Nutzung der z.B. in einem Online-Musikshop "gekauften" Musikdateien auch
dann noch kontrolliert werden, wenn der Kaufvorgang abgeschlossen ist und sich die
Datei bereits auf der Festplatte des Käufers befindet. In der Regel funktioniert die
Nutzungskontrolle über spezielle Dateiformate, die eine Verschlüsselung beinhalten, z.B.
ein digitales Wasserzeichen. Eine entsprechende Entschlüsselung, Voraussetzung für eine
Nutzung, erfordert zum Einen spezielle Programme und zum Anderen einen individuellen
Code. 39
In der Entwicklung sind Systeme, bei denen vor jeder Art von Nutzung
urheberrechtlichen Materials eine Anfrage an einen zentralen Server gestartet wird, ob
der Nutzer bereits über die Nutzungsrechte verfügt oder ob er sie noch erwerben muss.
Von vielen Kritikern wird DRM nicht als "Digital Rights Management" angesehen,
sondern vielmehr als "Digital Restriction Management" bezeichnet. Sie sehen in
verschiedenen Punkten eine nicht vertretbare Beschneidung von Rechten der User, z.B.:
ƒ
Verletzung des Datenschutzes
Mit DRM-Systemen ist eine Erstellung von Nutzerprofilen möglich, von denen
der Nutzer in der Regel weder etwas weiß noch hat er eine legale Alternative, da
alle kommerziellen Musikportale mit DRM-Systemen arbeiten.
ƒ
Keine ausreichende Gewährleistung der Nutzungsrechte
Viele DRM-Systeme sind technisch noch nicht ausgereift, so dass rechtmäßig
erworbene Musikdateien sich oftmals nicht auf allen Geräten abspielen lassen,
wie z.B. bei tragbaren CD-Playern oder Autoradios.
ƒ
Privatisierung des Urheberrechts
Seit der Urheberrechtsnovelle im Jahr 2003 liegt die Durchsetzung von
proprietären Ansprüchen mit Hilfe von technischen Schutzmaßnahmen allein in
der Hand der Wirtschaft. Kritiker fordern daher vom Gesetzgeber eine Form der
Regulierung von DRM-Systemen, die eine Willkürlichkeit der Unternehmen
39
Vgl. [http://www.privatkopie.net/files/guennewig230103.pdf].
25
hinsichtlich der Preispolitik, des Datenschutzes und der Zugangskontrolle
verhindert.
ƒ
Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit
Die wissenschaftliche Freiheit und somit auch der technologische Fortschritt ist
insofern gefährdet, als dass Wissenschaftler sich nach dem neuen Urheberrecht
bereits strafbar machen, wenn sie "Lücken" von DRM-Systemen veröffentlichen.
An die Stelle der Förderung von Wissenschaft und Technologie und somit auch
der Verbesserung von Produkten, tritt eine Einschränkung der wissenschaftlichen
Freiheit. Wer sich dem widersetzt, muss mit rechtlichen Sanktionen rechnen. 40
Das Gleiche gilt natürlich auch für Journalisten, die aufgrund einer solchen
Veröffentlichung in ihrer Pressefreiheit beschnitten werden können.
DRM stellt durchaus eine Möglichkeit für neue Geschäftsmodelle der Musikwirtschaft
dar. Allerdings müssen Kompromisse zwischen den einzelnen Parteien ausgehandelt
werden, die auch die Rechte der Endnutzer wahren. Nur dann ist eine Bezeichnung als
"Digital Rights Management" auch gerechtfertigt.
6.
Urheberrecht
6.1
Begriffkennzeichnung
6.1.1
Urheberrecht und Copyright
Das kontinentaleuropäische Urheberrecht stellt, wie der Name bereits sagt, den Urheber
in den Mittelpunkt des Rechts. In der traditionellen Auffassung ist der Schutz des
Schöpfers und des von ihm geschaffenen Werkes der Zweck von Urheberrechten. Hierbei
bedürfen Ausnahmen von dieser Regel in jedem Fall einer profunden Begründung. Das
40
Als aktuelles Beispiel ist die Klage von einigen großen Musiklabels gegen den Heise-Verlag zu
nennen. Heise hatte in einem Online-Artikel einen Link auf die Webseite des ausländischen
Softwareentwicklers Slysoft gesetzt, der den in Deutschland verbotenen Kopierschutzknacker
AnyDVD anbietet. Das Gericht hat im Juli 2005 entschieden, dass Heise den Link entfernen muss,
da eine Umgehung von Kopierschutz somit erleichtert werden würde. Daraufhin hat der Verlag
Berufung eingelegt. Weitere Ergebnisse resp. Entscheidungen liegen noch nicht vor. Vgl. hierzu
auch [http://www.heise.de/heisevsmi/].
26
heißt demnach, dass jede Form von Veröffentlichung, Gebrauch und Veränderung des
Werkes immer der Einwilligung des Urhebers bedarf.
Etwas anders sieht es allerdings das angelsächsische "Copyright" vor: Das Recht "to
copy" 41 ist gebunden an den gesellschaftlichen Nutzen des Werkes, wobei dieser als
wesentlich signifikanter eingestuft wird als die Schutzrechte des Autors. Zugunsten des
gesellschaftlichen Nutzens wird der Künstler zwar finanziell entlohnt, sein Einfluss auf
sein individuelles Werk sinkt damit allerdings. Denn seine Rechte können vollständig auf
Personen oder Institutionen transformiert werden, die das Werk veröffentlichen.
Geschützt wird im Fall des Copyright primär der Rechteinhaber, nicht der Künstler. Diese
schwache rechtliche Bindung zwischen dem Schöpfer und seinem Werk lässt die starken
ökonomischen Interessen hinter dem "Copyright" erkennen 42 . [Kuhlen 2004: 322f]
Anzumerken ist allerdings auch, dass beim Urheberrecht Rechteübertragung aufgrund
eines gesellschaftlichen Nutzens sich in vielen Fällen als schwierig erweist, da sie immer
abhängig ist von der Gunst des Künstlers.
In Anbetracht der Veränderungen des deutschen Urheberrechts in den letzten Jahren 43
kann man allerdings feststellen, dass das deutsche Urheberrecht immer mehr dem
Copyright angeglichen wurde. Wenngleich der traditionelle Begriff des Urhebers bislang
unangetastet blieb, wurden im Rahmen der letzten EU-Körbe die Interessen der
Verwertungsindustrie immens gestärkt. [Kuhlen 2004: 324f] Auf diesen Aspekt gehe ich
in Kap. 4.3 näher ein.
6.1.2
Geistiges Eigentum
Das kontinentaleuropäische Urheberrecht in der heutigen Form geht zurück auf Johannes
Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert. Er entwickelte ein Verfahren,
mit gegossenen und beweglichen Lettern Papier zu bedrucken. Erstmals wurden infolge
dieses Vervielfältigungsverfahrens Veröffentlichungsrechte an Drucker und Verleger
verliehen. Erst im 16. Jahrhundert entstanden aus den Verleihrechten die sogenannten
Autorenrechte, die bis heute Kern des europäischen Urheberrechts darstellen. 44
41
Schon die Bezeichnung "Copyright" lässt auf eine gänzlich andere Bedeutung als die des
"Urheberrechts" schließen: hier steht nicht mehr das Recht des Urhebers im Vordergrund, sondern
das Recht desjenigen, welcher Kopien eines Werkes erstellt resp. erstellen möchte.
42
Laut [Kuhlen 2003a: 12] hat die Copyright-Industrie in den USA im Jahr 2001 5,2% des
Bruttosozialprodukts erwirtschaftet, was einem Umsatz von 535 Mrd.$ entspricht.
43
Vgl. hierzu Kap. 6.2.
44
Vgl. [www.geschichte.hu-berlin.de/nutzerhi/urhg/].
27
Die endgültige Durchsetzung der "Auffassung von der Kreativität als unveräußerliches
Menschenrecht und die Notwendigkeit seines rechtlichen Schutzes" 45 sowie die
Diskussion um das Interesse der Allgemeinheit an dem geistigen Eigentum begann jedoch
erst im 18. Jahrhundert 46 .
Nach einer Definition der "World Intellectual Property Organisation" (WIPO) bezieht
sich der Begriff des "geistigen Eigentums" in unserer heutigen Zeit auf geistige Werke in
Form von
•
"literarischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Arbeiten,
•
Leistungen von Künstlern,
•
Erfindungen auf allen Gebieten der menschlichen Erkenntnis,
•
wissenschaftlichen Entdeckungen,
•
industriellen Designs,
•
eingetragenen Waren- und Dienstleistungsmarken, Handelsnamen und Kennzeichnungen,
•
allen weiteren Rechte aus intellektueller Tätigkeit in den Gebieten der Industrie,
Wissenschaft, Literatur und Kunst." 47
Ein Werk muss die Persönlichkeit und Individualität des Schöpfers widerspiegeln, um als
solches geschützt werden zu können. Nicht allein auf eine Idee kann der Anspruch des
geistigen Eigentums erhoben werden, sondern zwingend ist die Veräußerung der Idee in
etwas für andere Personen Wahrnehmbares.
Die gewährten Rechte für den Urheber beziehen sich ebenso wenig auf das rein physische
Werk, denn es stellt in diesem Kontext lediglich ein Trägermedium dar, ein zwar
unabdingbares Werkzeug zur Werkschöpfung, was jedoch zählt, ist der geistige Inhalt des
Werkes. Darüber hinaus wird zwischen "gewerblichem Eigentum" und Schöpfungen,
welche durch das Urheberrecht geschützt werden, wie folgt unterschieden:
45
Vgl. [www.microsoft.com/germany/piraterie/ urheberschutz.mspx].
Die 1785 von Immanuel Kant publizierte Schrift "Von der Unrechtmäßigkeit des
Büchernachdrucks" stellte hier sicherlich einen signifikanten Eckpfeiler in der Entstehung eines
persönlichkeitsrechtlichen Verständnisses des Urheberrechts dar.
47
Zit. nach: [http://www.microsoft.com/germany/piraterie/wasist.mspx].
46
28
Gewerbliches Eigentum
Urheberrecht
Erfindungen (Patente)
Markennamen
(Handels- und Dienstleistungsmarken)
Industrielles Design
Geographische Angaben (Quellenangaben
und Ursprungsbezeichnungen)
[Becker 2002: S.72f]
Künstlerische Werke
Literarische Werke
Wissenschaftliche Werke
Neben den künstlerischen, literarischen und wissenschaftlichen Schöpfungen werden
durch das Urheberrecht auch Computerprogramme, Datenbanken und Sammlungen 48
geschützt.
Folgende Werkformen sind als schützenswert in das deutsche Urheberrechtsgesetz
aufgenommen worden:
ƒ
"Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme,
ƒ
Werke der Musik,
ƒ
pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst,
ƒ
Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der
angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke,
ƒ
Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke
geschaffen werden,
ƒ
Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen
werden,
ƒ
Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne,
Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen."
[URHG: §2]
6.1.3
GEMA – als Verwerter urheberrechtlich geschützter Musik
Die deutsche " Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte", im Folgenden GEMA genannt, verwaltet als Verwertungsgesellschaft die
Nutzungsrechte der Musikschaffenden im Bereich Unterhaltungsmusik. Weitere
Verwertungsgesellschaften sind z.B. "VG Wort", "VG Bild-Kunst" oder "VG für
48
Datenbanken und Sammlungen werden gemäß deutschem Urheberrechtsgesetz §4, Abs.1-2 als
eigenständiges Werk geschützt, sofern sie aufgrund der Auswahl und Anordnung der Elemente
eine persönliche geistige Schöpfung darstellen.
29
Nutzungsrechte
an
Filmwerken
mbH".
Von
den
insgesamt
acht
deutschen
Verwertungsgesellschaften in den Bereichen Musik, Film, Text und Bild ist die GEMA
die größte und ökonomisch signifikanteste Verwertungsgesellschaft. Sie fungiert als
wirtschaftlicher Verein, d.h. die GEMA darf zwar Gewinne erwirtschaften, muss diesen
jedoch reinvestieren, z.B. in die Förderung von Nachwuchsmusikern. Als eine staatlich
anerkannte Institution unterliegt sie der Aufsicht des Deutschen Patentamtes, des
Bundeskartellamtes, des Berliner Justizsenators und der Mitgliederversammlung der
GEMA.
Zum Einen ist es ihre Aufgabe, den Erwerb von Rechten an Dritte zu ermöglichen. Dies
gilt selbstverständlich für Privatpersonen, die z.B. eine CD erwerben, als auch für
Rundfunk, Fernsehen, Gastronomie, Musikveranstalter etc.. 49 Zum Anderen leitet sie die
Lizenzbeiträge an die Musikschaffenden und –verleger weiter. Die GEMA versteht sich
als Vermittlungsstelle, die keinerlei Gewinne erzielt. Nach Abzug der Verwaltungskosten
gehen die überschüssigen Einnahmen an die Urheber.
Die folgende Grafik soll den Prozess der Rechteverwertung veranschaulichen:
Nutzungsrechte
Rechteinhaber
Nutzungsrechte
GEMA
Vertrag
Nutzer
Vergütung
Vergütung
Die rechtliche Basis für die GEMA, wie auch für alle anderen Verwertungsgesellschaften
in Deutschland, ist das "Urheberrechtswahrnehmungsgesetz". Auf der einen Seite
Instrument für einen finanziellen Ausgleich zwischen Urheber und Nutzer, auf der
anderen Seite sind hier Rechte als auch Pflichten der GEMA festgelegt. 50
49
Für die Erwerbung von Musikrechten durch gewerbliche Unternehmen müssen Pauschalbeträge
an die GEMA gezahlt werden, die sich individuell aus einem komplizierten Berechnungsschlüssel
ergeben. Die Privatperson bezahlt einen GEMA-Pauschalbetrag von etwa 6 % des Ladenverkaufspreises einer CD.
50
Vgl. [www.gema.de/wirueberuns/].
30
6.2
Auswirkungen der EU-Richtlinie 2001/29/EG auf das Urheberrecht
Im Folgenden werden die Auswirkungen der Umsetzung der vom Europäischen
Parlament und des Europäischen Rates beschlossenen EU-Richtline
2001/29/EG
skizziert. Da einige Inhalte dieser Richtlinie hinsichtlich der Umsetzung in nationales
Recht an eine Frist gebunden waren, wurde sie zunächst nur teilweise, in Form des "1.
Korbes", das deutsche Urheberrecht angepasst.
Der Entwurf für den 2.Korb der Urheberrechtsnovelle wird nicht mehr vor den geplanten
Neuwahlen im September 2005 als Regierungsentwurf beschlossen werden, da die
Durchsetzung
eines
auf
Ausgleich
der
verschiedenen
Interessen
gerichteter
Gesetzentwurf in Wahlkampfzeiten problematisch wäre. Nach den Wahlen soll das
Gesetzgebungsverfahren jedoch zügig betrieben werden. 51
6.2.1
1. Korb der Urheberrechtsnovelle
Am 13. September 2003 ist der 1. Korb der Urheberrechtsnovelle in Kraft getreten. Der 1.
Korb umfasste die fristgebundenen Vorgaben der EU-Richtlinie 2001/29/EG, wie z.B. der
geforderte Schutz von technischen Kopierschutzmaßnahmen.
Im Wesentlichen sind die folgenden Urheberrechtsänderungen für Musiktauschbörsen im
Internet von Relevanz:
"Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person
zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch
mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich
rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird. (...)" [URHG: §53, Abs.1]
Im §53 Abs.6 des "alten" Urheberrechtsgesetz hingegen war lediglich festgelegt, dass
eine Verbreitung bzw. öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschütztem Material
nicht erlaubt ist. Hinsichtlich des Downloads von MP3-Files in Musiktauschbörsen war
dieser Verweis jedoch sehr umstritten, da unklar war, ob das Recht auf Privatkopie auch
für offensichtlich rechtswidrig angebotene Vorlagen galt. Der neue §53 Abs.1 schließt
nun auch solche Kopiervorlagen eindeutig aus. Zwar ist es einer MP3-Musikdatei nicht
anzusehen, ob bei der Umwandlung in das MP3-Format eine "offensichtlich rechtswidrig
51
Diese Information basiert auf einer Aussage der BMJ-Pressestelle per Email vom 09.08.05.
31
hergestellte Vorlage" verwendet wurde, aber die Musikwirtschaft legt diesen Paragraphen
so aus, dass das Downloaden von Musikfiles ohne Einwilligung der Verwerter
grundsätzlich illegal ist. 52
"Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten
Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen
ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden
bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um
den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu
ermöglichen." [URHG: §95a, Abs.1]
"Technische Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und
Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere
nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom
Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Technische
Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder
eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem
Rechtsinhaber
durch
eine
Zugangskontrolle,
einen
Schutzmechanismus
wie
Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur
Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter
Kontrolle gehalten wird." [URHG: §95a, Abs.2]
Mit dem §95a ist für eine Umgehung von Kopierschutzmechanismen, wie z.B. CDKopierschutz oder DRM, ein gesetzliches Verbot ausgesprochen worden. 53 Die
Erstellung von Privatkopien, sei es auch nur für den engsten Familienkreis, kann
theoretisch zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen nach sich
ziehen, sofern man den Kopierschutz umgeht. 54
"Verboten sind die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die
Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und der
52
Vgl. [http://www.e-recht24.de/druck-1-72.html].
Es gibt natürlich Ausnahmen, wie z.B. für Vervielfältigungen auf Papier mittels photomechanischer Daten. Für digitale Werke gelten jedoch keine Ausnahmen.
54
Sobald jedoch eine Umgehung von Kopierschutz zu gewerblichen Zwecken vorliegt, muss der
Täter sogar mit strafrechtlichen Folgen in Form einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer
Geldstrafe rechnen. Da bei Musiktauschbörsen jedoch keinerlei gewerbsmäßigen Zwecke
vorliegen, werde ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.
53
32
gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder
Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die
1) Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der
Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder
2) abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen
begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder
3) hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um
die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu
erleichtern.
(...)" [URHG: §95a, Abs.3]
Geltend
gemacht
Dienstleistungen
wird
hier
anzubieten,
das
Verbot,
deren
Vorrichtungen,
primäres
Ziel
die
Erzeugnissen
oder
Umgehung
von
Kopierschutzmechanismen ist. Mit dieser Neuerung ist das Recht auf Privatkopie faktisch
abgeschafft worden. Zwar ist es durchaus erlaubt, sich weiterhin eine begrenzte Anzahl
von Privatkopien anzufertigen, jedoch hat der Endnutzer bei dem Einsatz technischer
Kopierschutzmechanismen
kein
Recht
mehr
darauf.
Die
Umgehung
solcher
Kontrollmaßnahmen ist als eine Straftat anzusehen.
6.2.2
2. Korb der Urheberrechtsnovelle
Das Bundesministerium der Justiz hat am 12.01.2005 einen Referentenentwurf für den 2.
Korb der EU-Richtlinie 2001/29/EG vorgelegt. Hierbei handelt es sich um die nicht
fristgebundenen Aspekte, die den Mitgliedsstaaten zur Regelung überlassen werden.
Der Referentenentwurf beinhaltet hinsichtlich des Kopierens von Musik im Wesentlichen
folgende Punkte:
ƒ
Der Begriff der "rechtswidrig hergestellten Vorlage", siehe §53 Abs.1, wird um
den der "rechtswidrig genutzten Vorlage" erweitert. Bisher gilt, dass eine Kopie
illegal ist, wenn die Kopiervorlage bereits rechtswidrig hergestellt worden ist,
wenn also z.B. bei der Vorlage der Kopierschutz umgangen wurde. Mit dem 2.
Korb wird es ebenso unzulässig sein, wenn eine legal hergestellte Kopie zum
Download in Musiktauschbörsen angeboten wird. Diese Erweiterung des
Vorlagenbegriffs stellt klar, dass es sich in P2P-Tauschbörsen immer um
33
offensichtlich rechtswidrige Vorlagen handelt, deren Download in jedem Fall ein
Verstoß gegen das geltende Gesetz darstellt.
ƒ
Es wird auch weiterhin keine Durchsetzung der Privatkopie gegen Kopierschutz
geben. Technische Maßnahmen, wie beispielsweise DRM, werden vom
Gesetzgeber als Selbstschutz der Verwertungsindustrie angesehen.
ƒ
Soweit private Kopien gesetzlich erlaubt sind 55 , darf der Konsument mit einer
Pauschalvergütung auf Geräte und Speichermedien belastet werden, damit der
Künstler für seine Einnahmeausfälle entsprechend entschädigt werden kann. Um
jedoch für den Verbraucher keine Doppelbelastung entstehen zu lassen, dürfen
keine Geräteabgaben gefordert werden, wenn keine Erstellung einer Privatkopie
möglich ist. Die Höhe dieser Pauschalabgaben werden zukünftig nicht mehr vom
Gesetzgeber vorgeschrieben, sondern unter den Verbänden der Gerätehersteller
und den Verwertungsgesellschaften ausgehandelt. Für diese Aushandlung
werden jedoch gesetzliche Maßgaben verbindlich sein. Es soll darauf ankommen,
in welchem Umfang Kopierschutz angewendet wird und Geräte zur
Vervielfältigung überhaupt genutzt werden. Für die Beantwortung dieser Fragen
fordert der Gesetzgeber Marktforschungsumfragen von den Beteiligten der
Aushandlung.
[BMJ 2005: 2ff]
7.
Der informationsethische Diskurs
7.1
Motive für einen informationsethischen Diskurs über den Umgang mit
Musik im Internet
Ebenso wie in "realen" Lebensräumen entwickeln sich auch in dem neuen medialen
Lebensraum des Internets bestimmte Umgangsformen des Miteinanders. Ein Beispiel für
neue Umgangformen im Internet sind z.B. die sogenannten Netiquetten 56 oder aber auch
55
D.h. wenn keinerlei Kopierschutz vorliegt.
Der Begriff der Netiquette/Netikette setzt sich zusammen aus "net" (Netz) und "Etikette"
(Manieren). Netiquetten beschreiben Verhaltensregeln und es gibt sie für alle möglichen Formen
56
34
die für P2P-Netzwerke notwendige GRID-Technologie 57 : bei P2P-Tauschbörsen zeigt
sich, und zwar auf globaler Ebene, die Bereitschaft einer großen Anzahl von
Internetnutzern, fremden Personen auf der ganzen Welt einen Teil seiner Festplatte zu
überlassen und hinsichtlich des Musiktauschs mit Ihnen eine gewissermaßen
vertrauensvolle Allianz einzugehen. Dies gab es zuvor in solcher Form nicht. Ausgehend
von diesen neuen Umgangsformen, sofern sie langfristig Akzeptanz finden, können sich
mit der Zeit Normen hinsichtlich des Verhaltens in digitalen Räumen entwickeln.
Natürlich leben wir auch weiterhin in "realen" Umwelten und aus diesem Grund bleiben
die bisherigen Normen und Werte des gesellschaftlichen Miteinanders durchaus bestehen.
Es
lässt
sich
jedoch
Telemediatisierung
nicht
unserer
bestreiten,
intellektuellen
dass
aufgrund
Lebenswelten
der
fortschreitenden
unsere
normativen
Verhaltensweisen ergänzt werden. [Kuhlen 2004: 28]
Gegenwärtig finden wir jedoch die Situation vor, dass sich sowohl Politik als auch
Wirtschaft für Verknappungsmaßnahmen unterschiedlicher Art auf dem digitalen
Musikmarkt einsetzt und mit Hilfe von gesetzlichen Neuregelungen auch bereits
durchgesetzt hat 58 . Die Rechte der Verwertungsindustrie werden demnach immens
gestärkt, indem durch Änderungen im Urheberrechtsgesetz der wirtschaftliche Aspekt
immer mehr in den Vordergrund gerückt wird. Parallel hierzu werden nicht nur die
Rechte des Konsumenten stark eingeschränkt, wie z.B. das Recht auf Privatkopie,
sondern auch die sich in Tauschbörsen entwickelten Umgangsformen schlichtweg
übergangen.
Die marktwirtschaftlichen Prinzipien, die in "alten" und gänzlich anders strukturierten
Kontexten entstanden sind, werden auf elektronische Räume transformiert, die jedoch
nach anderen Prinzipien funktionieren. Zum Beispiel wird trotz der verschwindenden
Vertriebs- und Reproduktionskosten auf dem digitalen Markt vom Konsumenten
verlangt, dass er Preise für Musikdownloads bezahlt, die in dieser Form nicht als
gerechtfertigt angesehen werden können. [Kuhlen 2003a: 9] Viele User halten eine
Vergütung für die Urheber zwar für durchaus gerechtfertigt und würden diese auch
von Netzcommunities. Die grundlegende Basis aller Communities spiegelt wohl die Empfehlung:
"Vergessen Sie niemals, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt!" Vgl. hierzu auch Kap. 8.3.2.
57
"P2P" basiert auf der GRID-Technologie, durch welche die Rechenleistungen vieler einzelner
Rechner in einem Netzwerk zusammengefasst werden können. Mit jedem hinzugefügten Rechner
erhöht sich demnach auch die Leistungsfähigkeit des gesamten Netzwerks.
58
Mit Einführung des 2.Korbes hat z.B. der Käufer einer CD faktisch keinerlei Recht mehr auf
eine Privatkopie dieser CD, sofern sie kopiergeschützt ist. Sollte der Kopierschutz ursprünglich
vor unmäßigem Kopieren Schutz gewähren, ist dies hiermit auf den privaten Bereich ausgeweitet
worden. Ob man sich eine Kopie für den privaten Gebrauch anfertigen kann, liegt nun allein in der
Hand der Musikindustrie.
35
entrichten, sehen jedoch in den derzeitigen Preisen eher eine Bereicherung der
Musikindustrie als einen fairen monetären Ausgleich zwischen Urheber und Endnutzer.
Sofern jedoch politische, juristische oder wirtschaftliche Handlungen den Erwartungen
und dem normativen Verhalten der Konsumenten im Internet entsprächen anstatt sie
ihnen aufzuzwingen, würden sie durchaus auch langfristig auf allgemeine Akzeptanz
treffen.
Da normatives Verhalten in hohem Maße von den Interessen aller Betroffenen abhängig
ist, ist eine intensive Kommunikation zwischen den einzelnen Parteien erforderlich.
Demokratische Gemeinschaften inklusive ihrer politischen wie wirtschaftlichen
Entscheidungsträger leben von der Akzeptanz, ja von der wohlwollenden Zustimmung
ihrer mündigen Bürger 59 . Jegliches ungefragtes Übergehen ihrer Interessen und Rechte
beschneidet auch die Demokratie als solche.
Darüber hinaus sichert eine solch starke Vernachlässigung der zivilgesellschaftlichen
Interessen lediglich die Monopolstellung einzelner wirtschaftlicher Unternehmen, in
diesem Fall z.B. die der fünf Majors der Musikbranche. Ein Innovationsschub für die
deutsche Musikwirtschaft infolge von vielleicht ganz unkonventionellen Experimenten
mit den Vorteilen der Digitalisierung, wird auf diese Weise eher unterdrückt als
gefördert. 60 Ein Konsens aller Beteiligten über den Grad der Balance zwischen
Freizügigkeit und Kommerz ist aus den genannten Gründen somit von großer
Notwendigkeit. Ein informationsethischer Diskurs mit Repräsentanten aller Parteien
verhilft dazu, sich den einzelnen Interessen und Widersprüchen zu den Erwartungen der
Menschen bewusst zu werden und normatives Verhalten zu nutzen, anstatt sich dagegen
abzuschotten. [Kuhlen 2004: 16f]
59
Zumindest ist man verpflichtet, jeden Bürger einer Demokratie als Mündigen behandeln, auch
wenn dies nicht immer zutrifft. Problematisierungen in der Öffentlichkeit dienen jedoch auch
dazu, den einzelnen Bürger zu erreichen, ihn zum Nachdenken und u.U. sogar zum Handeln
anzuregen. Ein gutes Beispiel hierfür ist z.B. die stark öffentlich geführte Bioethik-Debatte.
60
[Kuhlen 2004: 17] umschreibt dies noch um ein Vielfaches vehementer: "Ein radikales Umdenken, ein Paradigmenwechsel unserer Einstellungen zu und unseres Umgehens mit Wissen und
Information sind erforderlich. (...) Die existierenden Regimes für Wissen und Information müssen
von der Wurzel her neu gestaltet werden.".
36
7.2
Die "diskursive Methode" als Instrument der Informationsethik
Der informationsethische Diskurs stellt das Instrument für die Informationsethik dar.
[Kuhlen 2004: 67] Neben vielen anderen Methoden 61 , die ebenso für den Diskurs um die
Vernachlässigung von reklamierten Urheberrechtsansprüchen von Bedeutung sein
können, versteht sich die Diskursethik unmissverständlich als Kommunikationsethik und
ist aufgrund ihrer Pragmatik im Besonderen dafür geeignet. Die Klärung normativer
Grundlagen des Handelns, der Kommunikation und der Interaktion zwischen Menschen
ist als das Ziel der diskursiven Methode zu betrachten. [Arens 1996: 73f]
Die Diskursethik basiert auf dem kategorischen Imperativ nach Immanuel Kant 62 ,
welcher besagt: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen
kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde." 63 Das heißt nichts Anderes, als dass sich
ethisches Handeln immer aus einem allgemeinen Prinzip heraus ableiten lassen muss,
unabhängig von Raum und Zeit. Der Absolutheitsanspruch Kants lässt keinerlei
Ausnahme gelten, selbst nicht eine Notlüge zur Rettung eines Menschen. [Kuhlen 2004:
45]
Der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas hat in seinen Ausführungen zur
Diskursethik 64 den kategorischen Imperativ ersetzt durch das "Verfahren der moralischen
Argumentation", welches in ähnlicher Weise ein Rechtfertigungsprinzip für normative
Verhaltensweisen darstellt. Diesem Verfahren liegt das Universalisierungsprinzip
zugrunde. Dieses beansprucht, dass nur eine Norm gerechtfertigt ist, die von allen
Teilnehmern des Diskurses Akzeptanz findet. Ebenso die möglichen Folgen dieser Norm
müssen von allen Betroffenen getragen werden können. Demzufolge ist der erzielte
Konsens abhängig einerseits von der Zustimmung oder Ablehnung eines jeden Einzelnen,
andererseits von der Überwindung eines egoistischen Blickwinkels aller Teilnehmer. Das
trägt dem Rechnung, dass nicht der dominanteste Diskursteilnehmer oder derjenige mit
dem stärksten Argument seine Interessen durchsetzen kann, sondern derjenige, welcher
die Argumente der Anderen achtet und einbezieht. Sozusagen ein herrschaftsfreier
Diskurs. Die Teilnehmer reflektieren hier quasi das soziale Umfeld, ohne das schließlich
kein menschliches Zusammenleben möglich ist. [Kuhlen 2004: 55ff]
61
Wie z.B. die deontologische Ethik, der Utilitarismus oder die Verantwortungsethik, vgl. [Kuhlen
2004: 43ff].
62
Der "kategorische Imperativ" ist auch Bestandteil der deontologischen Ethik, die Pflicht als
allgemeines Moralprinzip sieht, vgl. hierzu auch [Kuhlen 2004: 44f].
63
Zit. nach: [http://www.lexikon-online.info/q/Immanuel_Kant].
64
Hier bezieht sich Habermas auf den praktischen Diskurs und nicht auf den theoretischen,
welcher "strittige Wahrheitsansprüche thematisiert und begründet (...)", vgl. [Arens 1996: 82f].
37
Voraussetzung zur Erlangung eines Konsenses ist nach J. Habermas jedoch nur unter der
Bedingung einer "idealen Sprechsituation" möglich, d.h. "kommunikative Kompetenz,
Redegleichheit, Wahrhaftigkeit und Vernünftigkeit" eines jeden Teilnehmers ist
Grundvoraussetzung". [Pieper 2003: 211]
Erst durch diese absolute Transparenz sowie Achtung aller Ansichten können für solch
komplexe Interessenkonflikte wie z.B. um das Thema der Musikpiraterie in digitalen
Räumen
nachhaltige
Machtansprüche
Kompromisse
ausgehandelt
werden,
ohne
dass
durch
über die Köpfe anderer hinweg entschieden wird. Dass ethische
Argumente in solch einem Diskurs immer wieder instrumentalisiert werden, um die
jeweiligen Interessen durchsetzen zu können, steht außer Frage, spricht jedoch in keiner
Weise gegen die Universalität dieses Verfahrens. [Kuhlen 2004: 56]
Die
Verknappungsmaßnahmen
und
die
Preispolitik
innerhalb
der
legalen
Internetmusikportale entsprechen z.B. nicht den Interessen aller Beteiligten, wie sich an
dem
anhaltenden
Widerstand
Musiktauschbörsennutzer
lassen
gegen
sich
dieses
Verhalten
hierdurch
nicht
zeigt:
die
meisten
abschrecken
und
zivilgesellschaftliche Organisationen, wie z.B. Privatkopie.net, setzen sich auch weiterhin
für die Interessen der Nutzer ein. Das zeigt sehr deutlich, dass von der Musikindustrie in
großem Ausmaß gesellschaftliche Interessen übergangen werden, anstatt sich auf einen
nachhaltigen Kompromiss einzulassen, wie es ein informationsethischer Diskurs
erfordern würde.
7.3
Interessensgruppen
Vielfältige Interessen bestimmen die aktuelle Diskussion rund um den Umgang mit
Musiktauschbörsen in digitalen Räumen. Gäbe es diese unterschiedlichsten Interessen
nicht – gäbe es wohl kaum einen so öffentlich ausgetragenen Interessenkonflikt, wie man
ihn seit einigen Jahren in den Medien beobachten kann. Darüber hinaus lässt sich
feststellen, dass auch innerhalb der einzelnen Interessensgruppen verschiedene
Meinungen vertreten sein können. Eine eindeutige Zuordnung von Interessen wird
bisweilen dadurch erschwert, dass selbst die einzelnen Akteursgruppen keineswegs
homogen angelegt sind. Beispielsweise gibt es Musiker, die ganz und gar eine strenge
Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im digitalen Bereich befürworten. 65 Es gibt
65
Wie z.B. Metallica, die im Jahr 2000 gegen Napster geklagt haben.
38
jedoch genauso gut auch Musiker, die für einen freizügigeren Zugang zu digitaler Musik
plädieren und offen für gänzlich neue Geschäftsmodelle sind. 66
Für einen nachhaltigen informationsethischen Diskurs ist es von Belang, dass die
Interessen aller berücksichtigt werden. Eben nicht nur die der Musikindustrie, der
Zivilgesellschaft oder die der Künstler selbst sind von Relevanz, sondern auch die
derjenigen, die weniger im Rampenlicht der Medien agieren, wie z.B. die
Informationstechnologie- oder Telekommunikationsbranche.
Im Folgenden soll trotz der erwähnten Heterogenität der Akteursgruppen eine ungefähre
Darstellung der Interessensbereiche erfolgen, die in ihrer Gesamtheit den Konflikt um die
urheberrechtlichen Ansprüche von Musik im Internet definieren.
Musikindustrie:
Interessen:
ƒ
Durchsetzung ökonomischer Interessen
ƒ
Rechtssicherheit für kommerzielle Verwertung
ƒ
Absatzsteigerung durch kommerzielle Verwertung
ƒ
Konkurrenzfähigkeit
ƒ
Prestige
ƒ
Entwicklung zuverlässiger Schutz- und Kontrollmaßnahmen
Vertreter:
ƒ
Forum der Rechteinhaber (u.a. GEMA und IFPI Bundesverband)
ƒ
GVU Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsansprüchen e.V.
ƒ
u.a.
Telekommunikation / Provider:
Interessen:
ƒ
Durchsetzung ökonomischer Interessen
ƒ
Kommerzieller Transport von digitaler Information im Internet
ƒ
Umfangreiche Nutzung des Angebots der Telekommunikationsbranche
ƒ
Entwicklung und Verbreitung von Telekommunikationstechnologien
ƒ
Kein Interesse an der Speicherung und Weitergabe von Verbindungsdaten, im
Gegensatz zum Staat (z.B. für die rechtliche Verfolgung von Anbietern
66
Wie z.B. Michael Jackson oder Einstürzende Neubauten.
39
krimineller Informationen) und zur Musikwirtschaft (z.B. für die rechtliche
Verfolgung von Tauschbörsennutzern)
Vertreter:
ƒ
BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue
Medien e.V.
ƒ
u.a.
Informations- und Kommunikationstechnologie / IKT-Industrie:
Interessen:
ƒ
Durchsetzung ökonomischer Interessen
ƒ
Kommerzielle Verwertung von Geräten und Software
ƒ
Befürwortung einer Selbstregulierung der Märkte
ƒ
Fortschrittsorientierter Austausch mit der Wissenschaft im Bereich der
Technologie
ƒ
Kein Interesse an Pauschalabgaben auf Geräte
Vertreter:
ƒ
ZVEI Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie
ƒ
BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue
Medien e.V.
ƒ
u.a.
Staat:
Interessen:
ƒ
Sicherung von staatlicher Autorität
ƒ
Sicherung von gesellschaftlichem Wohlstand
ƒ
Schaffung von Rechtssicherheit im Umgang mit Musiktauschbörsen
ƒ
Sicherung des geistigen Eigentums
Vertreter:
ƒ
BMJ Bundesministerium für Justiz / Initiative "Kopien-brauchen-Originale"
ƒ
u.a.
40
Urheber / Musiker:
Interessen:
ƒ
Materielle Sicherheit / finanzielle Vergütung ihrer Leistungen
ƒ
Reputation / Popularität
ƒ
Hoher Verbreitungsgrad ihrer Musik / Schaffen von Input für Kreativität,
Innovation und Produktion neuer Musik
ƒ
Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche
ƒ
Mitbestimmung bei der Durchsetzung von Verwertungsansprüchen
Vertreter:
ƒ
GEMA
ƒ
VUP
Verband
unabhängiger
Tonträgerunternehmen,
Musikverlage
und
Musikproduzenten e.V.
ƒ
SAVEMUSIC Verband zur Förderung und Erhaltung von Musikkultur in
Deutschland
ƒ
u.a.
Zivilgesellschaftliche Initiativen / Bürgerrechtsbewegungen:
Interessen:
ƒ
Vertretung der Interessen und Rechte der Zivilgesellschaft
ƒ
Sehen in dem Verhalten der Musikindustrie einen ungerechtfertigten Transfer
marktwirtschaftlicher Prinzipien von der "realen" Welt auf das Internet, die
lediglich zur Sicherung von Machtansprüchen der Majors dienen, die die Rechte
und Interessen des Zivilbürgers jedoch massiv beschneiden
ƒ
Wahrung der Informationsfreiheit / freizügiger Zugang zu digitaler Musik
ƒ
Erhalt der Privatkopie
ƒ
Keine Kriminalisierung der Konsumenten
ƒ
Forderung neuer Geschäftsmodelle auf der Basis eines freizügigen Umgangs mit
digitaler Musik
ƒ
Wahrung des Datenschutzes beim Einsatz von DRM-Systemen
ƒ
Fairness und Angemessenheit bei Verwertungsansprüchen
Vertreter:
ƒ
Koalition der Zivilgesellschaft (u.a. privatkopie.net, Chaos Computer Club
(CCC), Attac-AG Wissensallmende und freier Informationsfluss (WAF), Forum
InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FifF),
41
Netzwerk neue Medien)
ƒ
WOS wizards-of-os.org
ƒ
u.a.
Nutzer / Konsument:
Interessen:
ƒ
Möglichst freizügiger Umgang zu Musik im Internet, kein Interesse an staatlichen
Eingriffen
ƒ
Kompatible Hard- und Software für die Nutzung digitaler Musikprodukte
ƒ
Wahrung der Anonymität, Datenschutz
ƒ
Verbraucherschutz bei technischen Maßnahmen, z.B. Gütesiegel für DRMSyteme
ƒ
Schnelles Auffinden von Informationen
ƒ
Erweiterung des eigenen musikalischen Repertoires
ƒ
Einfache Bedienung der Benutzeroberflächen
ƒ
Schutz vor kriminellen Inhalten
ƒ
Sicherheit vor Virenattacken
Vertreter:
ƒ
Koalition der Zivilgesellschaft (u.a. privatkopie.net, Chaos Computer Club
(CCC), Attac-AG Wissensallmende und freier Informationsfluss (WAF), Forum
InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FifF),
Netzwerk neue Medien)
ƒ
WOS wizards-of-os.org
ƒ
u.a.
Überstaatliche
Organisationen
und
Non-Profit-Organisationen
(NGOs)
mit
Gesetzgebungs- oder Regulierungsfunktionen:
Interessen (je nach Organisation):
ƒ
Wahrung der Menschenrechte
ƒ
Sicherung von gesellschaftlichem Wohlstand
ƒ
Schaffung von Rechtssicherheit im Umgang mit Musiktauschbörsen
ƒ
Sicherung des geistigen Eigentums
Vertreter:
42
8.
ƒ
UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
ƒ
WIPO World Intellectual Property Organization
ƒ
WSIS World Summit of the Information Society
Wissensökologie: Nachhaltiger Umgang mit Musik im
Internet
8.1
Wissensökologie als Ziel des informationsethischen Diskurses
Eine Ökologie des Wissens fordert im Rahmen von Informationsethik den nachhaltigen
Umgang mit Wissen. Unter einem flachen Wissensbegriff ist unter Anderem auch Musik
in digitaler Form zu verstehen. Rainer Kuhlen [Kuhlen 2004b: 106] verwendet dezidiert
den Begriff des Wissens, da Information sich nur auf die aktuelle Verwendung von
Wissen bezieht und sich ein nachhaltiger Umgang nur auf etwas beziehen kann, das
vorhanden und abrufbar ist. Des Weiteren sind die Termini "Nachhaltigkeit" und
"Ökologie" in Bezug auf "Wissen" zu klären, um zu verstehen, was Wissensökologie
beinhaltet und welche Bedeutung sie für den Umgang mit Musiktauschbörsen hat.
Der Begriff der Nachhaltigkeit geht auf das Prinzip der Forstwirtschaft im 18.
Jahrhundert zurück, nicht mehr Bäume zu fällen als nachwachsen können. Das Ziel war
bereits damals der Schutz gegen eine kurzfristige Ausbeutung zugunsten einer
langfristigen Nutzung. Auf einer breiteren Ebene gewann das Prinzip der Nachhaltigkeit
erst mit dem "Brundtland-Report" von 1987 an Bedeutung 67 . [Kuhlen 2004b: 106] Das
Drei-Säulen-Modell der Enquête-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt"
des 13. Deutschen Bundestages differenziert
Nachhaltigkeit einstweilen nach
ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten, bzw. formuliert das Ziel
einer ökonomisch nachhaltigen, ökologisch nachhaltigen und sozial nachhaltigen
Informationsgesellschaft. 68 Maßgeblich für das Prinzip der Nachhaltigkeit ist die
Förderung inter- wie intragenerationeller Gerechtigkeit [Kuhlen 2004: 263], d.h. ein
schonender Umgang mit Ressourcen ist nicht nur für die Gegenwart erforderlich, sondern
67
68
Vgl. hierzu auch: [http://www.der-gruene-faden.de/text/text2805.html].
Vgl. [http://www.bundestag.de/bic/analysen/2004/2004_04_06.pdf].
43
auch für zukünftige Generationen. Diese Generationengerechtigkeit erfordert in jeder
Hinsicht eine langfristige Planung mit Blick auf kommende Entwicklungen.
Die Einbeziehung des Begriffs der "Ökologie" in den Bereich des "Wissens" scheint auf
den ersten Blick vielleicht etwas unverständlich, da dieser sich im ursprünglichen Sinn
auf die Beziehung zwischen den Lebewesen und den natürlichen Ressourcen unserer
Umwelt bezieht. Vertreter der Ökologie fordern Nachhaltigkeit in Bezug auf den Umgang
mit Natur und ihrer endlichen Verfügbarkeit. Wissen und Information als immaterielle
Ressource jedoch sind nicht endlich und können sich demnach nicht im Gebrauch
erschöpfen, ganz im Gegensatz zu unserer natürlichen Umwelt. 69
Aber sowohl Wissen als auch Information ist, ungeachtet der hohen Bedeutung unserer
Natur
für
die
Menschheit,
zum
wichtigsten
"Rohstoff"
für
unsere
Informationsgesellschaft geworden. Im Zuge der fortschreitenden Telemediatisierung
unserer Gesellschaft hängen wir zwar auch weiterhin von Wasser, Luft und Energie ab,
aber mehr denn je auch von Wissen und Information. Ist Verknappung natürlicher
Ressourcen mit Blick auf zukünftige Generationen durchaus sinnvoll, so werden
Verknappungsmaßnahmen im Kontext der Wissensökologie zum dysfunktionalen
Konzept [Kuhlen 2003b: 2]:
Wissen als solches ist im Überfluss vorhanden und verbraucht sich nicht, wie
beispielsweise ein durch künstliche Verknappung entstandenes Wissens- oder
Informationsprodukt. Nun erhalten aber kommerzielle Anbieter, z.B. die "legalen"
Online-Musikshops der Musikindustrie, durch die künstliche Verknappung von MP3Dateien einen unendlichen Mehrwert für eine etwas, dessen Herstellung und Vertrieb
beinah nichts mehr kostet das sich am Markt verbraucht. 70 [Zappe 2003: 2] Auf diese
Weise wird der Verbraucher gleich zweifach benachteiligt: Er hat keinen freien Zugang
mehr zu Musik und soll für etwas bezahlen, das eigentlich nichts kostet.
Die Möglichkeit eines gerechten Umgangs mit Wissen und Information ist, auch für
nachfolgende Generationen, unter diesen Bedingungen nicht gegeben. [Kuhlen 2004:
264] Aus Sicht der Informationsethik liegt der Fokus von Wissensökologie auf dem
Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Freizügigkeit von Wissen, wobei
"Freizügigkeit" nicht mit kostenfreier Verteilung gleichgesetzt wird. Die ökonomische
Verwertbarkeit ist ein wichtiger Aspekt, nur muss unter dem Nachhaltigkeitspostulat
auch eine individuelle und gesellschaftliche Weiterentwicklung gewährleistet sein.
69
Vgl. auch Kap. 2.3.
Dies gilt im besonderen Maße für die derzeitigen Verknappungsmaßnahmen auf dem Musikmarkt, vgl. hierzu Kap. 4.2.
70
44
Für eine wissensökologische Position spricht sich auch die Deutsche UNESCOKommission aus:
"Die Deutsche UNESCO-Kommission empfiehlt, dass sich die UNESCO dafür einsetzt,
Wissen und Information als öffentliches Gut zu bewahren, zu dem allen der freie Zugriff
zu fairen Bedingungen ermöglicht werden muss, vor allem als wichtiger Beitrag zur
Überwindung der digitalen Kluft (digital divide). Die Sicherung des öffentlichen Guts
"Wissen" ist die zentrale Zielsetzung einer modernen Wissensökologie. (...) Angesichts
der fortschreitenden Digitalisierung von Wissen und Information gilt es, eine vernünftige,
faire und nachhaltig wirksam werdende Balance zwischen kommerzieller Verwertung und
öffentlicher freier Nutzung zu finden. (...)" [UNESCO 2002]
Zu den Aufgaben der Deutschen UNESCO-Kommission gehört u.a., die deutsche
Bundesregierung in Belangen der UNESCO zu beraten, an der Verwirklichung des
UNESCO-Programms in Deutschland mitzuarbeiten und Kontakte zwischen der
UNESCO und anderen herzustellen. 71
8.2
Ökonomie des Wissens
Lange galten ökologische Prinzipien für einen schonenden und sparsamen Umgang mit
natürlichen Ressourcen als nicht oder nur schlecht vereinbar mit den Prinzipien unserer
Marktwirtschaft. Von der Politik geforderte ökologische Auflagen brauchten ihre Zeit,
von der Wirtschaft nicht mehr nur als Wettbewerbsnachteil kritisiert zu werden.
Die Ökologie der natürlichen Ressourcen hat es mit der Zeit geschafft, der Wirtschaft die
für einen nachhaltigen Umweltschutz notwendige Erkenntnis zu vermitteln, dass eine
Schonung unserer Umwelt durchaus mit wirtschaftlichen Interessen kompatibel ist und
dass Nachhaltigkeit sich in diesem Fall auch auf die Wirtschaft überträgt 72 . Ebenso ist es
das
Ziel
von
Wissensökologie,
wissensökologisch
nachhaltige
der
Wirtschaft
Entwicklung
zu
verdeutlichen,
unserer
dass
Informations-
eine
und
Wissensgesellschaft auch zum Vorteil der Wirtschaft ist. [Kuhlen 2004: 277f] Der
Unterschied zur "traditionellen" Ökologie besteht nur darin, dass hier eben nicht
71
Vgl. hierzu auch Kap. 7.3.
Eine kurzfristige Ausbeutung unserer Natur, wie sie lange Zeit betrieben wurde, bedeutet
natürlich auch nur einen kurzfristigen Erfolg für die Wirtschaft. Langfristigkeit unter dem Postulat
der Nachhaltigkeit hingegen fördert langfristige Gewinne und darüber hinaus innovative
Entwicklungen, wie z.B. Technologien für die Nutzung erneuerbarer Energien, Schaffung neuer
Arbeitsplätze usw..
72
45
Verknappungsmaßnahmen, sondern Freizügigkeit dem Prinzip der Nachhaltigkeit
entsprechen.
Gegen diese Auffassung wehrt sich die Musikindustrie. Für sie erfüllt sich das Prinzip der
Nachhaltigkeit allein durch rigoroses Festhalten an Urheberrechtsansprüchen auch in
digitalen Räumen, was sich gegenwärtig an der zunehmenden Kontrolle durch DRMSysteme und den rechtlichen Auseinandersetzungen zeigt.
Nachhaltigkeit kann jedoch niemals erreicht werden, indem die Potenziale gegenwärtiger
Technologien sowie die der von Millionen von Tauschbörsennutzern schlichtweg
ignoriert werden. Eine nachhaltige Musikwirtschaft wird sich erst entwickeln, wenn sie
sich diese Potenziale zunutze macht. Stattdessen befindet sie sich mit ihrer Insistenz auf
alte marktwirtschaftliche Prinzipien in einer permanenten Abwehrreaktion und
verschwendet auf diesem Weg ihre Energie und darüber hinaus viel Geld für eine
Schadensbegrenzung.
Es gibt viele Beispiele, die demonstrieren, dass ein Abschotten gegen gesellschaftliche
Veränderungen immer auch eine Abwärtsentwicklung in wirtschaftlicher Hinsicht
bedeutet. [Kuhlen 2003a: 2] So hat etwa die zunehmende "Vergreisung" unserer
Gesellschaft gravierenden Einfluss unter Anderem auf den wirtschaftlichen Sektor und ist
ebenfalls nur unter Einbeziehung des Prinzips der Nachhaltigkeit zu bewältigen. Auch in
diesem
Fall
bedeutet
Nachhaltigkeit
eine
Zusammenarbeit
von
politischen,
ökonomischen, kulturellen, wissenschaftlichen sowie zivilgesellschaftlichen Bereichen.
8.3
Ethische Anforderungen – für einen nachhaltigen Musikmarkt
8.3.1
Informationsfreiheit
In der Universal Declaration of Human Rights 73 , im Folgenden UDHR genannt, wird
"Informationsfreiheit" als ein Menschenrecht auf Meinungs-, Informations- und
Pressefreiheit im Umgang mit Wissen und Information bezeichnet:
73
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde 1948 von den Vereinten Nationen (UN),
denen mittlerweile 191 Staaten angehören, erlassen. Die UNESCO ist, am Rande bemerkt, auch
eine mit der UN eng verknüpfte Organisation.
46
"Everyone has the right to freedom of opinion and expression; this right includes freedom
to hold opinions without interference and to seek, receive and impart information and
ideas through any media and regardless of frontiers." [UDHR: Art.19]
Auch das deutsche Grundgesetz formuliert "Informationsfreiheit" als ein Grundrecht des
aller Bürger:
"(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu
verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (...)
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den
gesetzlichen Bestimmungen und zum Schutze der Jugend und in dem Recht der
persönlichen Ehre. (...)" [GG: §5, Abs. 1,2]
Nachfolgend
soll
herausgearbeitet
werden,
inwiefern
dieses
Recht
auf
Informationsfreiheit nicht nur Bereiche wie Pressefreiheit oder das Recht auf freie
Meinungsäußerung jedes Einzelnen berührt, sondern auch von Bedeutung ist für den
freizügigen Zugang zu Information und Wissen, der aus informationsethischer Sicht für
eine nachhaltige Entwicklung des Musikmarktes unabdingbar ist.
Das Recht auf Informationsfreiheit 74 soll, allgemein formuliert, es jedem Menschen
ermöglichen, unter zumutbaren Bedingungen Zugriff auf Wissen und Information zu
erhalten und sich in diesem Sinne auch öffentlich mitteilen zu können, was eine
Verteilung von Information und Wissen einschließt. Beschränkt wird dieses Recht
lediglich durch Verstöße gegen andere, die Grundrechte bzw. Menschenrechte
beschneidende Gesetze.
In
unserer
fortschreitenden
Informationsgesellschaft
unterliegt
das
Recht
auf
Informationsfreiheit aus verschiedenen Gründen einem ständigen Widerspruch. Eben
diese Widersprüche lassen zur Zeit die Diskussion entfachen, ob infolge der
zunehmenden Telemediatisierung Informationsfreiheit als solche auch in digitalen
Räumen gegeben ist bzw. inwiefern auch neue Grenzen dieser Freiheit ausgelotet werden
müssen.
Auf der einen Seite ist es unbestreitbar, dass Information und Wissen in der gesamten
Geschichte des Menschen noch nie so frei verfügbar war wie in der heutigen Zeit. In
Anbetracht der Tatsache, dass sich mittlerweile unser Wissen alle fünf Jahre etwa
74
In der UDHR wird "Informationsfreiheit" als "freedom of expression" bezeichnet.
47
verdoppelt 75 , ist dies keine verwunderliche Entwicklung. Im negativen Sinne bedeutet das
darüber hinaus kaum zu bewältigende "Informationsfluten", zu deren Verbreitung das
Internet wesentlich beigetragen hat.
Auch der Verbreitungsgrad von Musik, die aufgrund von Digitalisierung und der noch
jungen P2P-Technologie in Musiktauschbörsen für Jedermann frei zugänglich im Sinne
von "kostenlos" ist, war noch niemals so groß wie im 21. Jahrhundert. Demnach wird
dem gültigen Verständnis von Informationsfreiheit gewiss Rechnung getragen. Diese
Freizügigkeit in elektronischen Räumen hat eine Veränderung des normativen Verhaltens
mit sich gebracht: Die Menschen haben sich auf frei zugängliches Wissen eingestellt und
die Bereitschaft, allein vom Markt vorgegebene Preise hierfür zu bezahlen, ist
dementsprechend gering. Jenes Verhalten kritisieren die Einen als "Gratismentalität",
Andere wiederum werten es positiv als informationelle Selbstbestimmung und somit auch
als zunehmende Demokratisierungstendenz unserer Gesellschaft.
Auf der anderen Seite lässt sich ebenso wenig bestreiten, dass Wissen und Information in
zunehmenden Maße von der Wirtschaft privatisiert, kommerzialisiert und kontrolliert
wird. Denn zu keiner anderen Zeit wurde so immens viel mit Wissen und Information
verdient und soviel für die Generierung als auch Aufbereitung von Wissen und
Information ausgegeben. Eine kommerzielle Vermarktung von Information geschieht,
zumindest nach derzeit bestehenden marktwirtschaftlichen Prinzipien, durch den Einsatz
von Kontroll- und Verknappungsmechanismen durch die private Wirtschaft, wie es z.B.
auch die Musikindustrie handhabt.
In Kap. 4.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine künstliche Verknappung dem
Wesen von Wissen und Information aufgrund der "Nicht-Rivalität" widerspricht. Der
Charakter von reiner Information resp. reinem Wissen ist, dass sie unerschöpflich ist und
konsumiert werden kann nur das, was sich verbraucht. Aus diesem Grund ist eine
Umwandlung in endliche Informationsprodukte erforderlich. Dies geschieht auf dem
digitalen Musikmarkt beispielsweise durch den Einsatz von Digital Rights Management
Systemen. Die Bemühungen der Musikwirtschaft scheinen plausibel und gerechtfertigt
angesichts der großen Bedeutung des Informationsmarktes für die Gesamtwirtschaft
75
Vgl. hierzu auch [http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=041122031]. Hinzufügend muss jedoch
gesagt werden, dass es darüber im Internet keine eindeutigen, übereinstimmenden Informationen
gibt.
48
sowie die dadurch entstandene wirtschaftliche Abhängigkeit von Information und
Wissen.
Zu kritisieren ist jedoch, dass es zu keiner anderen Zeit als der jetzigen so ausnahmslos
und einfach möglich war, über gesetzgeberische und technische Maßnahmen den Zugang
zu Wissen und Information zu begrenzen. Dies gilt auch für die Musikwirtschaft, auf
deren Druck das Urheberrecht zugunsten der Verwerter insofern verschärft wurde, dass
das Recht auf Privatkopie abgeschafft wurde und das Umgehen von Kontroll- und
Schutzmaßnahmen eine kriminelle Handlung darstellt.
Das bedeutet nun nichts Geringeres, als dass es primär von der Musikwirtschaft abhängen
wird, wie der Zugang zu digitaler Musik im Internet zukünftig aussehen wird. Weder der
Konsument noch in der Regel der Künstler selbst wird kurzfristig darauf Einfluss nehmen
können. 76 Ferner könnten durch einen flächendeckenden Einsatz von DRM-Technologien
Monopole verstärkt werden. Kleinere und finanzschwächere Plattenfirmen als die
Musikmajors werden sich eigene DRM-Systeme nicht leisten können. Viele könnten sich
veranlasst sehen, über die Musikplattformen von BMG, Universal o.ä. ihre Produkte zu
vermarkten. Auch an dieser geschwächten Konkurrenz werden die Majors verdienen.
Und jede Art Monopolbildung oder –stärkung führt auch immer zu einer Einschränkung
der Informationsfreiheit, da sowohl der Preis als auch die Zugangsbedingungen von
wenigen Medienkonzernen dominiert wird, anstatt von einem breitgefächerten Markt.
Informationsfreiheit
als
Recht
eines
jeden
Menschen
hat
die
zunehmende
Kommerzialisierung von Information und Wissen erst möglich gemacht. 77 Jetzt droht sie
jedoch im Umkehrschluss die Informationsfreiheit zu beschneiden. Die ökonomische
Relevanz von Informationsprodukten kann und darf in einer Informationsgesellschaft
nicht von der Hand gewiesen werden. Im Gegenteil, von dieser Kommerzialisierung
hängt ebenso Gerechtigkeit und Wohlstand ab, z.B. mit Blick auf den zunehmenden
Anteil des Informationssektors auf dem Arbeitsmarkt. Dennoch darf Informationsfreiheit
als Postulat für eine funktionierende Demokratie sowie für
die individuelle,
76
Langfristig gesehen kann ein bestimmtes Konsumverhalten, wie z.B. Boykott, natürlich auch die
Marktbedingungen bestimmen. Die Marktstrategie der Majors kann sich z.B. auf lange Sicht
zugunsten der Konsumenten ändern, wenn trotz der Kriminalisierung durch das Urheberrecht
weiterhin in großer Anzahl Musik in P2P-Netzwerken getauscht wird. Dies entspricht der
Annahme, dass sich normative Verhaltensweisen, die sich aufgrund einer neuen medialen
Umgebung über einen längeren Zeitraum entwickelt haben, nicht mit Sanktionen unterdrücken
lassen, sondern dass neue Marktbedingungen nur unter Berücksichtigung dieser Normen
nachhaltig Bestand haben werden.
77
Wie z.B. der "Internetexplorer" oder andere freie Software, auch die unerlaubte Verbreitung von
Windows.
49
wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung nicht vernachlässigt werden. Die derzeitige
Entwicklungstendenz des Musikmarktes berücksichtigt diese Komponenten nicht
ausreichend. [Kuhlen 2004: 318]
Anstatt unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit einen größtmöglichen Nutzen einer
größtmöglichen Anzahl von Menschen erzielen zu wollen, wird das normative Verhalten
von Millionen bzw. Milliarden von Menschen ignoriert und gleichzeitig mit dem Stigma
einer kriminellen Handlung versehen sowie die Machtposition einiger weniger
Medienkonzerne gestärkt. Ein fairer Kompromiss, den alle Akteursgruppen mittragen
können und wollen, ist für praktizierte Informationsfreiheit und somit für eine nachhaltige
Demokratie unentbehrlich.
8.3.2
Einbeziehung normativer Verhaltensweisen
Erst im Jahr 1991 war das World Wide Web für jedermann zugänglich. Bereits drei Jahre
später surften etwa 100.000 Menschen im Internet. Mittlerweile hat sich die
Internetgemeinde weltweit auf über 700 Mio. Nutzer erhöht, mit einer durchschnittlichen
Zuwachsrate von 19,1% pro Jahr. 78 Das World Wide Web hätte wohl niemals dieses
Ausmaß angenommen, wenn nicht der Erfinder des WWW, Tim Berners-Lee, weiterhin
an seiner Grundidee festhalten würde, der sich sogar die mächtigsten Unternehmen der
Welt unterordnen müssen: Jeder soll sich über alle Grenzen hinweg mit allen austauschen
können, und zwar unabhängig von der Software und dem Computerfabrikat. [Werbunat
2000]
Diese gewaltige Ausdehnung des Informationsnetzes Internet in den vergangenen Jahren
reichert unsere reale Welt nicht nur mit Systemen und Geräten an, sondern lässt neue
Lebenswelten entstehen, die aufgrund ihrer Andersartigkeit neue Verhaltensweisen
hervorbringen. Einen großen Teil unserer Zeit verbringen wir nicht mehr mit realer faceto-face-Kommunikation, sondern aus der telemediatisierten Umwelt. Raum und Zeit wird
in elektronischen Räumen zu einer relativen Größe und weitgehend unbegrenzte
Informationsversorgung zu einem Bestandteil unseres Lebens. Trotz des Fortbestands
unserer bisherigen, realen Lebenswelten ist daher anzunehmen, dass sich neue
Ausprägungen von normativen Verhaltensweisen entwickeln werden. [Kuhlen 2005: 6f]
Rafael Capurro, Informationswissenschaftler und Philosoph, sieht bereits hier und jetzt
78
Vgl. [http://www.tns-infratest.com/06_BI/bmwa/Faktenbericht_4/main2002_abb_167_203.htm].
50
eine Entwicklung gravierender Veränderungen des menschlichen Geistes und Charakters,
wie z.B.:
ƒ
"Die
Tugenden
des
Verstandes
(die
dianoetischen
Tugenden)
(Griechisch: dianoia = Verstand) betreffen jetzt vor allem die Ausbildung
zum vernetzten Denken, d.h. zum Beispiel zur Fähigkeit Zusammenhänge
zu erfassen, Übergänge zu schaffen, Komplexität ohne tödliche Verluste
zu reduzieren.
ƒ
Die Tugenden des Charakters (die ethischen Tugenden) (Griechisch:
ethos
=
Gewohnheit,
Charakter)
verwandeln
sich
ebenfalls,
beispielsweise: Besonnenheit (oder Selbstbeherrschung) wird zur
Fähigkeit sich dem Anderen zu öffnen, zur Offenheit also. Tapferkeit wird
nicht vom Angriff oder Opfer her verstanden, sondern von der Fähigkeit
der Durchlässigkeit. Gerechtigkeit bedeutet nicht nur Fairness der
Chancenverteilung, sondern vielmehr aktives solidarisches Handeln.
ƒ
Die neuzeitliche Auffassung von Freiheit als eine Grundausstattung des
verantwortungsvollen Subjekts, wird zur Fähigkeit der Sorge um den
Anderen und um die gemeinsame Welt."
79
Die Entwicklung dieser von Capurro herausgearbeiteten Verhaltensweisen bezieht sich
allgemein auf eine Informationsgesellschaft, die einen großen Teil ihrer Arbeits- und
Freizeit im Internet verbringt. Die virtuellen Räume sind als neue resp. ergänzende
Lebenswelt
mit
den
dazugehörenden
psychologischen
und
gesellschaftlichen
Implementationen zu begreifen, was sich schließlich in der Entwicklung solcher
normativen Verhaltensweisen manifestiert.
Haug/Weber [Haug / Weber 2002] hingegen grenzten die Frage, ob und in welcher Form
sich normative Verhaltensweisen in virtuellen Räumen entwickeln können, speziell auf
die Nutzung von Musiktauschbörsen im Internet ein. In den Ergebnissen ihrer im Jahr
2001 durchgeführten Online-Umfrage arbeiteten sie heraus, dass eine Musiktauschbörse
nicht als virtuelle Gruppe anzusehen ist wie z.B. Internet Relay Chats oder Bulletin Board
Systems. Im Gegensatz zu Musiktauschbörsen besitzen letztere bestimmte Merkmale
einer sozialen Gruppe: ein definierter Kreis von Mitgliedern 80 , Entwicklung einer
79
Vgl. [www.capurro.de/digit.html].
Der Aspekt der Anonymität im Internet macht die Identifikation der Gruppenmitglieder und
somit auch die Eingrenzung auf einen definierten Kreis von Mitgliedern sicherlich nicht einfach.
Allerdings erfordert die Teilnahme an einer solchen Community meistens einen festen Tarnnamen.
80
51
Gruppenidentität durch ein längerfristiges Interaktionsverhältnis und die Entstehung von
gruppenspezifischen Verhaltenserwartungen. [Haug / Weber 2002: 42] Beispielsweise
entstanden im Internet neue Kommunikationsformen, die parallel zum Internethype Mitte
der 1990er Jahre einen regelrechten Boom erlebten. Je mehr Personen sich an Foren,
Chats oder anderen Netzcommunities beteiligten, umso dringlicher wurde der Bedarf
nach entsprechenden Codes, die die Umgangsformen innerhalb virtueller Gemeinschaften
regelten. Aus diesem Bedarf heraus entstanden die sogenannten "Netiquetten", die in
schriftlicher Form bestimmte Regeln für das Miteinander in Netzcommunities
vorschreiben 81 . Dadurch, dass es keine zentrale Instanz des Internet gibt, die eine
offizielle Gesetzgebung durchsetzen könnte, zumal dies auch an den technischen Grenzen
scheitern würde, baut die Internetgemeinde auf Selbstregulierung und Selbstkontrolle.
Wer gegen die Verhaltensregeln der entsprechenden Netiquette verstößt, muss mit
Sanktionen durch die jeweilige Community rechnen, z.B. "flaming" (Beschimpfungen),
"spam" oder "mail bombs". 82
Bei P2P-Tauschbörsen jedoch liegt keine Kommunikation im eigentlichen Sinne vor,
denn die einzige Art von Interaktion zwischen den Teilnehmern beschränkt sich hier in
der Regel auf die Tauschvorgänge zwischen registrierten Computern. Emailaustausch
zwischen einzelnen Usern, z.B. auf der Basis gemeinsamer Musikinteressen, gibt es nur
in Einzelfällen und ist daher nicht im Sinne von Gruppenkommunikation zu werten.
Darüber hinaus bestehen für die Nutzer keinerlei Verbindlichkeiten, z.B. in Form einer
Gegenseitigkeit, die sowohl das Anbieten als auch das Downloaden einschließt. [Haug /
Weber 2002: 44]
Den fehlenden Merkmalen einer sozialen Gruppe zum Trotz hat sich im Zuge der
Auswertung jedoch herausgestellt, dass sich in Tauschbörsen nur eine geringe Anzahl
von Trittbrettfahrern bewegt. Die überwiegende Anzahl der User, etwa 82 % der
Befragten, verhalten sich gemäß der Gegenseitigkeitsnorm und bieten Dateien von ihrem
Rechner zum kostenlosen Download an. [Haug / Weber 2002: 80] Aus diesem Verhalten
kann geschlossen werden, dass in Musiktauschbörsen durchaus ein gruppenspezifisches
Gemeinschaftsgefühl
vorliegt.
Die
Ursache
für
jenes
Solidaritätsgefühl
liegt
Dies führt somit zu einer gewissen Pseudoanonymität und ermöglicht eine Selbstdefinition der
virtuellen Gruppe, vgl. hierzu auch [Haug / Weber 2002: 42].
81
Der Begriff "Netiquette" (oder "Netikette") setzt sich zusammen aus "net" (Netz) und "Etikette"
(Manieren). Netiquetten beschreiben Verhaltensregeln und es gibt sie für alle möglichen Formen
von Netzcommunities. Die wohl signifikanteste Empfehlung der Netiquetten entspricht etwa der
Maxime: "Vergessen Sie niemals, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt!".
82
Vgl. [http://duplox.wz-berlin.de/texte/vali/].
52
offensichtlich in dem Wissen der Nutzer, dass Tauschbörsen nur dann funktionieren,
wenn das Gegenseitigkeitsprinzip eingehalten wird. Darüber hinaus scheint sich trotz der
Anonymität "eine Art moralischen Verhaltens im Internet herauszubilden, das sich
jedoch nicht auf Internetanbieter mit kommerziellen Interessen bezieht." [Haug / Weber
2002: 106] Dieses moralische Verhalten in Form einer Einhaltung der Reziprozitätsnorm
in P2P-Tauschbörsen wird als eine „Robin-Hood-Mentalität“ bezeichnet, die sich gegen
die großen Majors der Musikbranche richtet und gewissermaßen die „Freiheit der
Information“ als Maxime der Hacker-Ethik übernimmt.
Musiktauschbörsen, deren Teilnehmer sich trotz Verschärfung des Urheberrechts und
massenhafter Anklagewellen der letzten Jahre nur in sehr geringer Anzahl von der
weiteren Nutzung abhalten lassen, sind als gesellschaftlicher Ausdruck einer neuen und
sehr klaren Einstellung zu geistigem Eigentum im Internet zu verstehen. In den P2PNetzwerken hat sich ein Verhalten durchgesetzt, welches schon seit Jahren dem Druck
von Politik und Wirtschaft standhält.
Obschon die User sich der Umgehung von Urheberrechten bewusst sind, sieht der
Großteil der Tauschbörsennutzer in den Forderungen der Musikindustrie eine
unrechtmäßige Bereicherung und somit eine Rechtfertigung ihrer milliardenfachen
Tauschaktionen. Aus diesem Konflikt heraus haben sich zivilgesellschaftliche
Organisationen entwickelt 83 , die in der Regel durchaus einen monetären Ausgleich
befürworten, sich jedoch den als ungerecht und undemokratisch empfundenen
Ansprüchen der Musikwirtschaft nicht beugen wollen.
8.3.3
Recht auf Privatheit
Unter
dem
Begriff
der
Privatheit,
resp.
dem
der
Privacy,
wird
in
der
informationsethischen Diskussion weniger das verstanden, was vielfach auch als "right to
be left alone" bezeichnet wird. [Rössler 2001: 20] Diese Auffassung von Privatheit
entstammt der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts und hat die neuen
Lebenswelten der elektronischen Räume noch nicht im Blick. Vielmehr richtet Sie sich
auf die Privatsphäre des Einzelnen in der "realen" Welt und ist sowohl im Grundgesetz
als auch in der UN-Menschenrechtscharta festgeschrieben:
83
z.B. Privatkopie.net, vgl. hierzu auch Kap. 7.3.
53
"Die Wohnung ist unverletzlich."
[GG: §13, Abs.1]
" No one shall be subjected to arbitrary interference with his privacy, family, home or
correspondence, nor to attacks upon his honour and reputation. Everyone has the right to
the protection of the law against such interference or attacks."
[UDHR: Art. 12]
Erst 1983 wurde, aufgrund des technologischen Fortschritts in der EDV, vom
Bundesverfassungsgericht das "Volkszählungsurteil" durchgesetzt. Es beinhaltet das
gesetzlich zu schützende Prinzip der "informationellen Freiheit" und gesteht jedem
Individuum das Recht zu, über seine personenbezogenen Daten selbstbestimmt verfügen
zu können:
"Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen
gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner
persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die
Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner
persönlichen Daten zu bestimmen." 84
Dieses Gesetz sollte bereits vor etwa 20 Jahren verhindern, dass beispielsweise durch
Selektionsmechanismen der Datenbanksysteme personenbezogene Daten angehäuft und
zu Profilen ausgewertet werden können, ohne dass die Personen hinter den Profilen dem
zugestimmt haben. Die Durchsetzung dieses Gesetzes, welches erstmalig die
informationelle Privatheit rechtlich anerkennt und schützt, konnte als Beginn eines
sensibleren Umgangs mit Datenschutz angesehen werden. [Kuhlen 2004: 185f]
Mit der Popularisierung des Mediums Internet vor etwa einem Jahrzehnt entstanden
jedoch neue und beinah unbegrenzte Möglichkeiten für Datenmissbrauch, da praktisch
mit jedem Klick im World Wide Web Datenspuren hinterlassen werden. Mit ausgefeilten
Datamining-Technologien können diese Spuren zu Profilen ausgewertet werden und
entsprechend den weiteren Interessen und Absichten der Datensammler dienen 85 .
84
Vgl. [http://www.datenschutz-berlin.de/gesetze/sonstige/volksz.htm].
In der Regel liegen diese Interessen im Bereich Marketing und haben eine Profitmaximierung
als Ziel. Denkbar sind dennoch auch ganz andere Motive, wie z.B. politische.
85
54
Andererseits
zeigt
sich
eine
zunehmende
Bereitschaft
der
Internetnutzer,
personenbezogene Daten im Internet weiterzugeben, was durch den Erfolg des ECommerce dokumentiert wird.
Auch hinsichtlich der Anwendung derzeitiger Digital Rights Management Systeme durch
die Musikwirtschaft 86 wird immer häufiger die Befürchtung geäußert, dass durch sie das
Recht auf Privatheit eingeschränkt wird. Denn als vollautomatische Bestell- und
Auslieferungssysteme digitaler Musikprodukte liegt die Kontrolle über die Inhalte auch
dann noch beim Verkäufer, wenn die Musikdateien schon auf der Festplatte des Käufers
liegen. Die einem DRM implementierten Verfahren der Nutzungskontrolle, wie z.B.
Kopierschutz, Wasserzeichen und Nutzungsverträge sollen unerwünschte Nutzungen
verhindern. Dies ist einerseits verständlich und gerechtfertigt, da DRM durchaus eine
vielversprechende Möglichkeit zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Internet
darstellt. Die Tatsache jedoch, dass die Änderung des deutschen Urheberrechtsgesetzes
den Einsatz von DRM-Systemen durch die Musikwirtschaft legitimiert und hierbei
keinerlei staatliche Regulierungsmaßnahmen vorsieht, kommt einer Privatisierung des
Urheberrechts gleich. Mit dieser Gesetzgebung wurde nicht nur das Recht auf Privatkopie
abgeschafft, sondern der Musikindustrie ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem sie
die Regeln und Bedingungen, unter denen digitale Musik genutzt werden kann,
eigenmächtig festlegt. Dies kann verheerende Auswirkungen auf die Privatsphäre
derjenigen haben, die von legalen Musikplattformen Dateien downloaden, anstatt sich in
den illegalen Musiktauschbörsen kostenlos zu bedienen.
Beispielsweise muss bei der Installation des Media Players des Unternehmens Microsoft
in einen DRM-Nutzungsvertrag eingewilligt werden. Sofern nicht in diesen Vertrag
eingewilligt wird, kann der Media Player auch nicht installiert werden. Willigt man ein,
erteilt man hiermit Microsoft die offizielle Genehmigung, Software zu aktualisieren, ohne
dass man davon in Kenntnis gesetzt wird. 87
Durch den Einsatz von unregulierten DRM-Systemen liegt es des weiteren im Ermessen
der Anbieter, in welchem Ausmaß personenbezogene Daten für den Erwerb von Lizenzen
angefordert werden. Solche Daten können von den Unternehmen problemlos gespeichert
und zu Nutzerprofilen ausgewertet werden – mehr noch, es besteht sogar die Eventualität
einer Zensur, d.h. theoretisch könnten Personen mit bestimmten Profilen von vornherein
86
DRM-Systeme werden selbstverständlich nicht nur im Musikbereich angewandt, sondern z.B.
auch von Dokumentlieferdiensten, wissenschaftlichen Datenbanken usw.. In Kap.5.3 gehe ich
näher auf die Funktionsweise von DRM-Systemen ein.
87
Vgl. [http://www.privatkopie.net/files/guennewig230103.pdf].
55
von der Nutzung ausgeschlossen werden [Hecker 2004: 49] Freilich ist die Annahme
eines möglichen Missbrauchs dieser Daten rein hypothetisch, aber die Gefahr besteht und
muss mit einer gesetzlichen Zusatzregelung zugunsten des Nutzers aus dem Weg geräumt
werden.
Dr. Alexander Dix, Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, sieht
das Überwachungspotenzial von unregulierten DRM-Systemen als sehr hoch an und
fordert daher den Einsatz von datenschutzfreundlichen und staatlich regulierten DRMTechnologien. Sie müssten die Sammlung und Registrierung personenbezogener Daten
vermeiden. Sofern das, z.B. aus technischen Gründen, nicht realisierbar sei, müsse das
Prinzip der "Datensparsamkeit" gelten. Darüber hinaus muss der Nutzer immer die
Gelegenheit zur anonymen oder pseudonymen Nutzung haben. 88
Diese Grundsätze zum Schutz der Privatheit finden sich im Bundesdatenschutzgesetz 89 :
"Gestaltung und Auswahl von Datenverarbeitungssystemen haben sich an dem Ziel
auszurichten, keine oder so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu
verarbeiten oder zu nutzen. Insbesondere ist von den Möglichkeiten der Anonymisierung
und Pseudonymisierung Gebrauch zu machen, soweit dies möglich ist und der Aufwand
in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck steht." [BDSG: §3a]
Wenn also der Staat, wie in diesem Fall, sich nicht ausreichend um den Schutz
informationeller Privatheit kümmert, und dies schließt ebenso eine entsprechende
Aufklärung der Bürger über ihre Rechte ein, wird sich das schlussendlich auch auf die
öffentliche Autonomie der Demokratie auswirken. Der demokratische Rechtsstaat kann
nur mit und von autonomen Bürgern leben, somit steht das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung in einem öffentlichen Interesse. [Rössler 2001: 27] Aus diesem Grund
ist eine Regulierung der DRM-Systeme durch den Staat unbedingt erforderlich, um die
Möglichkeit der Überwachung und Zensur durch die Privatwirtschaft per se
auszuschließen.
88
Vgl. [www.immateriblog.de/archives/000163.html].
Das BDSG ist zwar kein im GG verankertes Grundrecht, aber es ist Teil der verfassungsrechtlichen Ordnung. Demnach dürfen Eingriffe in die informationelle Privatheit nur auf
gesetzlicher Grundlage erfolgen.
89
56
8.3.4
Erweiterung der kulturellen Vielfalt
Die Umsatzkrise der Musikindustrie kann nicht als Folge eines Wertverlusts von Musik
angesehen werden, da die User von Musiktauschbörsen viel Zeit und Interesse in die
Partizipation an der Musikkultur investieren. Der von der Musikindustrie reklamierte
Wertverlust von geistigem Eigentum bezieht sich nicht auf das Interesse an Musik,
sondern auf den Wert des Tonträgers, welcher dem Konsumenten als Original verkauft
wird. Die breite Nutzung von Musiktauschbörsen zeigt, dass nicht die Bindung an das
"Material" Musik abnimmt, sondern lediglich die Bindung an die von den Konsumenten
als obsolet empfundenen Tonträger, die von der Musikbranche kommerziell vertrieben
werden.
Wie eine aktuelle Studie der GfK zeigt 90 , sind die User von Musiktauschbörsen zu einem
großen Teil als jugendlich im Alter von 19-29 Jahren zu verorten. Die Schnittmenge aus
Studenten, Schülern und Auszubildenden ist aufgrund der Alterstruktur dieser Gruppe
sehr viel höher als beispielsweise bei 30-40jährigen, die sich in der Regel nicht mehr in
einer Ausbildung befinden. Der Hauptnutzergruppe, die dem Überangebot von
kommerziellen Musikprodukten aufgrund ihrer Ausbildungssituation oftmals mit sehr
geringen finanziellen Mitteln gegenüberstehen, wird mit den P2P-Tauschbörsen ein
Instrument in die Hand gegeben, mit dem wie im analogen Bereich kostenlos Musik
kopiert und getauscht werden kann. [Göbel 2004] Der Unterschied zum analogen Bereich
ist jedoch der, dass entgegen damaliger Erwartungen weder Audiocassette noch CD zu
einem ernsthaften Konkurrenten der Musikindustrie geworden sind. Mit dem Zeitalter der
Digitalisierung und Musiktauschbörsen jedoch ist eine Ära angebrochen, die mit einem
Kontrollverlust der Majors über ihre bisherige Klientel einhergeht. Das Internet
ermöglicht, u.a. mit illegalen Musiktauschbörsen, die Konstruktion eigener Räume, in
denen
die
althergebrachten
marktwirtschaftlichen
Prinzipien
ausgehebelt
und
Monopolstellungen einiger weniger Musikkonzerne untergraben werden. 91
Vertreter großer Musikunternehmen sehen in Musiktauschbörsen eine ernsthafte Gefahr
für den Musikmarkt und auch für die Musikkultur. Insbesondere jedoch von kleineren,
unabhängigen Musiklabels sowie von Vertretern der Zivilgesellschaft wird in der Regel
die Meinung vertreten, dass ein freizügiger Zugang zu Musik im Internet ebenso eine
Chance darstellt, z.B. für mehr kulturelle Vielfalt auf dem Musikmarkt, für innovative
90
91
"Brennerstudie 2005" des IFPI, in Kap. 3.2.1.4.
Dies trifft auf den Tonträgermarkt zu, jedoch z.B. nicht auf die Konzertwirtschaft.
57
Geschäftsmodelle, für mehr Kreativität, für eine bessere Qualität der populären Musik
und für mehr Selbstbestimmung der Künstler. "Für alle, die tatsächlich an Musik
interessiert sind, ist die Krise der großen Musikkonzerne eine gute Nachricht. Sie öffnet
wieder Raum für den ungeordneten, unübersichtlichen Wildwuchs, in dem allein gute
Musik gedeiht. Erfolg lässt sich nicht zentralisieren und planen: Wenn Universal Music
sich aus der "Pflege" des "nationalen Nachwuchses" zurückziehen will, ist das keine
Drohung, sondern ein Versprechen."
[Balzer 2004] Speziell für Musikfans, die sich
über die Charts hinaus für Musik interessieren, als auch für unabhängige Labels und
Musiker, stellt das Internet eine ideale Plattform für die Produktion neuer Musik dar und
somit auch eine Erweiterung der kulturellen Vielfalt. Eva Kiltz, Geschäftsführerin des
Verbandes unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten
e.V. (VUP) bleibt, was den kostenlosen Musiktausch im Internet angeht, zuversichtlich:
"Ich glaube, dass inhaltlich und optisch hochwertige Produktionen immer Käufer finden.
Daran wird sich auch in Zukunft nicht ändern, egal ob diese Qualitäts-Inhalte auf Vinyl,
CD oder als mp3 zu bekommen sind." 92 Dass mit langfristigem Künstleraufbau, anstatt
mit kurzfristiger Gewinnorientierung, durchaus auch Gewinne erzielt werden können,
zeigen Umsatzsteigerungen von verschiedenen Independent Labels. Beispielsweise
verzeichnete das deutsche Label "Sanctuary Records" für das Jahr 2003 ein Umsatzplus
von 20 %. [Balzer 2004]
Das heißt nun keineswegs, dass unabhängige Labels und Musiker den ausschließlich
kostenfreien Zugang zu Musik im Internet befürworten. Aber hier ist eine Offenheit
gegenüber neuen Geschäftsideen festzustellen, die sie als Chance für sich wahrnehmen,
und nicht als Bedrohung ihrer Existenz. Beispielsweise hat die Independent-Band
"Einstürzende Neubauten" 2002/2003 über ein Jahr lang aktuelle Videoaufnahmen ihrer
Aufnahme-Sessions ins Internet gestellt. Jeder Neubauten-Fan, der im Vorfeld 35 Euro
bezahlte, konnte diese Aufnahmen über Live-Stream verfolgen und sie im Chat
kommentieren. Darüber hinaus erhielt jeder Teilnehmer am Ende der Aufnahmen das
Neubauten-Album als CD und als DVD, das im Handel nicht erhältlich war. So
finanzierte sich die Band, die zwar einen relativ großen Bekanntheitsgrad genießt, die
aber aufgrund ihrer unkonventionellen Musik nicht als finanziell erfolgreich einzustufen
ist, ihre CD-Produktion. Mehr als 2000 Neubauten-Fans in über 40 Ländern unterstützten
die Einstürzenden Neubauten mit der Vorausbezahlung. [Lau / Spielkamp 2004]
92
Vgl. [http://www.berlin.de/senwiarbfrau/projektzukunft/heads/0704_kiltz.htm].
58
Nun hat dieses Projekt natürlich nur Erfolg gehabt, da sie auf ihre recht große und
zuverlässige Fangemeinde zurückgreifen konnten. Unbekannte Bands können jedoch mit
Hilfe der Internet- und MP3-Technologie eine breitere Hörerschaft für sich gewinnen, die
unter anderen Umständen auf diese Band nicht aufmerksam geworden wäre, geschweige
denn ein Konzert von ihnen besucht hätte. Die Verbreitung nichtpopulärer Musik in
Musiktauschbörsen und auf Websites bedeutet für die Künstler einen Gewinn an Fans
und somit langfristig möglicherweise finanziellen und reputativen Erfolg auf dem
Musikmarkt. Die Unabhängigkeit von den großen Unternehmen der Musikbranche und
die technischen Möglichkeiten des Internet stehen dem Major-Konzept "wenige Titel in
großen Mengen" entgegen und vergrößern auf diese Weise das kulturelle Gemeingut
unserer Gesellschaft als auch die kulturelle Autonomie von Künstler und Musikhörer.
Die Befürwortung der Independent-Szene eines freizügigen Zugangs zu Musik im
Internet zeigt gewissermaßen Parallelen zur Hackerkultur 93 auf, da sich beide strukturell
ähneln. Im weitesten Sinne stehen beide Gruppen für einen freizügigen Umgang mit
Information, für eine Erweiterung des kulturellen Gemeinguts 94 , für Solidarität mit
Gleichgesinnten, für Selbstbestimmung und für eine Ablehnung von kapitalistischer
Verwertung durch große Musik- oder Softwareunternehmen.
Sowohl bei der Independent- als auch der Hackerkultur fangen die Protagonisten in der
Regel bereits im jugendlichen Alter an, sich in ihrer Freizeit mit der Szene aktiv
auseinander zu setzen. Die Ursachen hierfür liegen zum Einen in der für dieses Alter
psychologisch begründeten Auflehnung gegen Autoritäten und gegen die geregelte Welt
der "Erwachsenen", was sich u.A. im Interesse sowohl an unkonventioneller Musik als
auch an den zum Teil sehr idealistischen Maximen der Hackerkultur äußert. 95 Dieses
Verhalten reicht jedoch oftmals vom jugendlichen Hobby-Bereich in die spätere
Arbeitssphäre hinein. Beide Gruppierungen haben den Anspruch, eine Alternative zu den
kapitalistischen Produktions- und Lebensmodellen zu entwickeln und kulturelle Vielfalt
zu fördern.
93
Gemeint sind hier keineswegs sogenannte "Cracker", die nur in Computersysteme eindringen,
um sie zu zerstören oder Daten zu stehlen. Die Cracker-Szene entstand erst in den 80er Jahren,
während sich die Hackerkultur bereits in den 60er Jahren entwickelte. "Hacker" sind oftmals sehr
kreative Personen, die sich mit ihrer Arbeit für ein größtmögliches Maß an Informationsfreiheit
unter Berücksichtigung des Datenschutzes einsetzen. Die sogenannte "Hacker-Ethik" ist die
Grundlage ihres Handelns. Vgl. [http://www.ccc.de/]
94
In der Hackerkultur bezieht sich dies primär auf das technologische Kapital des Einzelnen, mit
dem Autonomie und Partizipation am kulturellen Leben hergestellt werden kann, z.B. durch freie
Software und generell durch einen freien Zugang zu Information.
95
Die Hackerethik befindet sich in ständiger Weiterentwicklung und Diskussion. Auf der Website
des Chaos Computer Clubs findet man die wichtigsten Grundsätze der Hackerkultur, vgl.
[http://www.ccc.de/hackerethics?language=de].
59
Die Motivation zur Schaffung dieser Alternativen ist bei beiden Gruppen nicht
kommerzieller,
sondern
allein
hedonistischer
Natur:
die
Ablehnung
von
Gewinnorientierung und zentralisierten Systemen geht einher mit Lust, Befriedigung und
Spaß an der Sache. 96 [Göbel 2004]
In dem Phänomen der Musiktauschbörsen im Internet vereinigen sich demnach
grundsätzliche Interessen von Vertretern der Hacker- und Independent-Musikszene. Im
Zentrum ihrer Motivation steht eine Erweiterung der Kulturindustrie durch einen
freiheitlichen Zugang zu Information, und somit auch zu Musik.
Das Bedürfnis der Zivilgesellschaft nach kultureller Vielfalt wird am Beispiel von
Musiktauschbörsen besonders deutlich. Für eine nachhaltige Demokratie ist ein
Kompromiss unentbehrlich, der die Bürgergesellschaft und ihre demokratischen Werte
stärkt. Dieses Bedürfnis nach kultureller Vielfalt mit den damit einhergehenden
Handlungsweisen fordern ihre gesellschaftliche Implementierung in Form eines fairen
und inklusiven Kompromisses als Ziel eines ernsthaft geführten informationsethischen
Diskurses.
9.
Ausblick: Zwischen ökonomischer und kultureller
Verantwortung
Der andauernde Konflikt um den Umgang mit Musiktauschbörsen im Internet zeigt, dass
sich ein großer Teil der am Konflikt Beteiligten um Rechte betrogen fühlt und sich gegen
die Verknappungsstrategien der Musikindustrie wehrt. Nutzer von Tauschbörsen werden
per Gesetz kriminalisiert, ohne dass ihnen wirkliche Alternativen angeboten werden, die
nicht primär die Machtansprüche einiger weniger Musikkonzerne sichern, sondern einen
fairen Ausgleich zwischen allen Beteiligten schaffen. Sicherlich werden auch solche
Modelle nicht von Dauer resp. überhaupt durchsetzbar sein, die auf breiter Ebene eine
uneingeschränkte, kostenlose Nutzung von Musik im Internet gewährleisten. Jedoch
dürfen im Rahmen eines informationsethischen Diskurses Begriffe wie z.B.
Informationsfreiheit,
Recht
auf
Privatheit
oder
Kulturstaatlichkeit
keinesfalls
96
Sicherlich müssen sich auch Hacker und Independent-Musiker finanzieren. Hacker finanzieren
sich jedoch über den Service-Bereich und nicht über die Kommerzialisierung von Information. Für
unabhängige Labels und Musiker ist es ebenso eine Notwendigkeit, ihren Lebensunterhalt zu
finanzieren, eine überzogene Gewinnmaximierung ist jedoch von vornherein aufgrund der eher
gering gewinnbringenden Musik auszuschließen.
60
ausgeklammert werden. Im Folgenden werden einige Modelle vorgestellt, die zum Einen
sowohl die Rechte als auch die Bedürfnisse der Nutzer und der Musikschaffenden stärker
berücksichtigen, nichtsdestotrotz aber auch auf einen höheren Innovationsgrad der
Musikwirtschaft abzielen. Denn aus wissensökologischer Perspektive werden nur die
Modelle nachhaltigen Erfolg - auch wirtschaftlichen Erfolg - verzeichnen, die die
Forderungen aller Beteiligten als fairen Kompromiss auf einen Punkt bringen. Eine
Lösung
dieses
informationsethischen
Problems
macht
eine
Anpassung
aller
Interessensvertreter, auch der mächtigsten, zugunsten des Allgemeinwohls notwendig.
9.1
Creative Commons – für mehr Autonomie von Musikschaffenden
Creative Commons, auch als CC bezeichnet, ist eine weltweit agierende Non-ProfitOrganisation, die Künstlern, Kreativen und Wissenschaftlern eine kostenlose und
individuelle Lizenzierung ihrer Schöpfungen im Internet ermöglicht. Gegründet wurde
Creative Commons im Jahr 2001 vom Verfassungsrechtler Lawrence Lessig, einem
politischen Aktivisten und Verfechter einer Liberalisierung des Internetrechts. Er vertritt
die Ansicht, dass wie jede andere Technik auch das Internet davor geschützt werden
müsse, "zum Opfer von Interessen zu werden, seien es die der Unternehmen oder die der
Politik." [zit. nach: Spielkamp 2004a] Mit den kostenlosen Lizenzpaketen, die er
gemeinsam mit seinen Kollegen und Studenten am "Stanford Center für Internet and
Society" entwickelt hat, stellt er dem restriktiven "Digital Rights Management" quasi eine
"Digital Rights Description" gegenüber: An die Stelle von Verboten durch den Einsatz
von DRM-Systemen, wie z.B. eine Musikdatei nicht verändern oder kostenlos im Internet
verbreiten zu dürfen, tritt nun die explizite Gewährung von Rechten durch den Künstler
selbst. Mit einer CC-Lizenz 97 können beispielsweise Musiker, Fotografen, Autoren und
Wissenschaftler ihre Werke anderen zugänglich machen, indem sie die Rechte zur
Weiterverwendung und Bearbeitung der Öffentlichkeit einräumen. Der wachsende Zulauf
bei CC zeigt, dass zum Einen viele Künstler eine flexiblere Alternative dem strikten
Urheberrecht vorziehen. Zum Anderen zeigt es, dass ein Werk, das mit einer CC-Lizenz
frei im Internet kursiert, als effektive Werbung angesehen wird. Für unbekannte Künstler
kann sich diese Methode langfristig durchaus kommerziell wie auch reputativ
auswirken. 98
97
Eine Lizenz kann online auf der CC-Website erstellt werden, z.B. auf der Seite von "CC
Deutschland" unter [http://de.creativecommons.org/index.html].
98
Vgl. [http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,364072,00.html].
61
Für eine individuelle Zusammenstellung eines Lizenzvertrages stehen folgende
Vertragselemente zur Auswahl, die auch kombiniert werden können 99 :
ƒ
Namensnennung:
Eine Vervielfältigung / Verbreitung / Aufführung / öffentliche
Zugänglichmachung des Werkes ist nur unter der Prämisse erlaubt, dass
der Name des Autors genannt wird.
ƒ
nicht-kommerzielle Nutzung:
Eine Vervielfältigung / Verbreitung / Aufführung / öffentliche
Zugänglichmachung des Werkes ist ausschließlich zu nichtkommerziellen Zwecken erlaubt.
ƒ
keine Bearbeitungen:
Eine Vervielfältigung / Verbreitung / Aufführung / öffentliche
Zugänglichmachung des Werkes sind nur von einer unveränderten Kopie
erlaubt.
ƒ
Weitergabe unter gleichen Bedingungen:
Eine Verbreitung einer bearbeiteten Kopie ist nur unter einem
Lizenzvertrag erlaubt, der demjenigen entspricht, unter dem auch der
Urheber sein Werk lizenziert hat.
Creative Commons versteht sich dezidiert nicht als Kontrollinstrument, sondern
ausschließlich als "informatorische Hilfe" 100 :
ƒ
CC leistet keine Unterstützung beim Einsammeln von Lizenzgebühren
ƒ
CC bietet keine juristischen Beratungen o.ä.
ƒ
der Einsatz von DRM-Tools verstößt gegen den Lizenzvertrag, da sie den
Zugang oder den Gebrauch auf eine Weise kontrollieren, die mit den
Bedingungen einer CC-Lizenz im Widerspruch stehen
99
Vgl. [http://de.creativecommons.org/faq.html].
Vgl. [http://de.creativecommons.org/faq.html].
100
62
ƒ
die Einhaltung der definierten Lizenzrechte überlässt CC "dem Gesetz,
den gesellschaftlichen Normen und dem guten Willen der Beteiligten" 101
Ein Beispiel für die Nutzung von CC-Lizenzen im Musikbereich sind sogenannte
"Netzlabels", die ihre Musik fast ausschließlich im Internet veröffentlichen. Etwa Ende
der 1990er Jahre, als sich das Komprimierungsformat MP3 mehr und mehr durchsetzte,
formierten sich die ersten Netzlabels. Damals wie heute sind ihre Grundprinzipien das
kostenlose Tauschen und die Weiterverarbeitung ihrer Musik, die zum Großteil der
Nischenkultur zuzuordnen ist. Die meisten von ihnen lizenzieren ihre Musik mit Creative
Commons – dabei erlauben sie es in der Regel ausdrücklich, die Tracks zu kostenlos zu
tauschen und sie auf anderen Websites öffentlich "aufzuführen". Ihr Ziel ist es, mit dieser
Freizügigkeit eine größere Öffentlichkeit zu erreichen, aber auch, sich gegen die
mainstreamfördernden
Musikmajors
abzugrenzen.
Selbst
erfolgreiche
DJs,
die
normalerweise auf CD oder Vinyl veröffentlichen, haben in den letzten Jahren
zunehmend auch für Netzlabels Songs produziert und verzichten somit auf einen
finanziellen Gewinn. Beispielsweise hat das Netzlabel "Textone" neben ihrer Arbeit mit
vorwiegend unbekannten Künstlern ebenso einige populäre Musiker aus der
Minimalelektronik-Szene zeitweise unter Vertrag genommen, wie etwa Richie Hawtin,
Ricardo Villalobos u.a.. Dies ist jedoch nur mit Musikern möglich, die nicht Mitglied der
GEMA sind, resp. deren Mitgliedschaft sich nicht auf die Verwertung im Internet bezieht.
Eine CC-Lizensierung und eine gleichzeitige Verwertung durch die GEMA ist nicht
möglich. Derzeit sind beim freien Netzarchiv "The Internet Archiv" 102 etwa 240
Netzlabels verzeichnet, während es Ende 2004 erst etwa 130 waren. 103 Dies zeigt, wie
stark das Bedürfnis tatsächlich ist, sich von einengenden Anforderungen der großen
Musikkonzerne zu befreien und stattdessen auf eine selbstbestimmte Art und Weise einen
eigenen Beitrag zu kulturellen Vielfalt zu leisten. In diesem Sinne sind Netzlabels nur
eine Möglichkeit von vielen – z.B. gibt es vor allem in den USA bereits eine Vielzahl von
Musikern, die sowohl Komposition, Interpretation, Produktion und Technik, als auch
Vertrieb und Werbung als Einzelperson managen. 104
101
Laut Aussage von "Creative Commons Deutschland" (Email v. 17.08.05) wird prinzipiell keine
Gewähr für die Einhaltung der Lizenzen übernommen. Bisher ist ihnen jedoch kein Lizenzverstoß
bekannt. Sollte es in einem der Länder, in denen die CC-Lizenzen an das lokale Recht angepasst
wurden, einen groben Verstoß geben, dann wäre es aber nicht unwahrscheinlich, dass sich das CCTeam des betroffenen Landes darum bemühen würde, einen Prozess gegen diesen Verstoß
anzustrengen, um einen Präzedenzfall zu schaffen.
102
vgl. hierzu auch [http://www.archive.org/audio/netlabels.php]
103
Vgl. [http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,365046,00.html].
104
Vgl. [http://www.donauuni.ac.at/de/studium/fachabteilungen/kultur/zentren/zzm/news/archiv/03521/index.php].
63
CC stellt ein Instrument für Kreative dar, autonomer als bisher handeln zu können und in
dieser Hinsicht die Kulturvielfalt unserer Gesellschaft zu erweitern: Im Eigeninteresse
des Musikers können sich Veröffentlichungen digitaler Musik unter einer CC-Lizenz
reputativ wie auch gewinnbringend auswirken. Das Interesse des Künstlers am
Gemeinwohl zeigt sich hingegen in der Annahme resp. in der Überzeugung, dass neue
Ideen auf dem aufbauen, was bereits vorhanden ist; dass also neue Musik 105 vor allem
dann kreativ geschaffen werden kann, wenn der Zugang zu bereits vorhandener Musik
möglichst freizügig gehandhabt wird. Dies entspricht einem wissensökologischen
Umgang mit digitaler Musik, da neben ökonomischen auch kulturelle Interessen
berücksichtigt werden.
9.2
User Rights Management – für mehr Rechte der Endverbraucher
Die in Kap. 6.2 erläuterte Urheberrechtsnovelle mit dem damit einhergehenden
Umgehungsverbot für technische Schutzmaßnahmen stellt die Grundlage für eine
verstärkte Kommerzialisierung von Kulturgütern dar, wie z.B. von Musik. Als
"technische Schutzmaßnahmen" werden primär die derzeit von der Verwertungsindustrie
stark favorisierten DRM-Technologien bezeichnet. Kritiker von DRM-Systemen jedoch
fordern einen stärkeren Schutz der Verbraucherinteressen, da das alleinige Kriterium für
den Einsatz solcher Kontrolltechnologien nicht die ökonomische Effizienz sein kann und
darf. Neben den durchaus plausiblen Forderungen der Verwertungsindustrie müssen
ebenso, wie bereits in Kap. 5.3 näher beschrieben, die Rechte und Interessen der Nutzer
berücksichtigt werden, wie z.B. das Recht auf Anonymität und Privatheit oder eine
ausreichende Gewährleistung der Nutzungsrechte. "Ansonsten", so prophezeit der
Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen, "wird ein Volk von Hackern entstehen" 106 .
Die Privatisierung des Urheberrechts, basierend auf der immensen Stärkung der
Verwerterrechte, geht einher mit einer Kriminalisierung jener Nutzer, die sich über
Gesetze hinwegsetzen, z.B. das 2003 eingeführte Umgehungsverbot für technische
Schutzmaßnahmen. Die Ursache jedoch für dieses Hinwegsetzen über bestehendes Recht
liegt in diesem Fall bei einem Großteil der Nutzer in ihrem subjektiven Empfinden
darüber, dass sie bei gesetzestreuem Verhalten um ihr Recht und ihre Interessen betrogen
werden würden.
105
"Neu" ist hier gemeint als etwas, was zuvor in dieser Form noch nicht geschaffen worden ist
und sich dementsprechend von dem absetzt, was auf dem Markt angeboten wird. Als "neu" kann
auch das gewertet werden, was sich aus verschiedenen Stilen neu zusammensetzt.
106
Zit. nach: [http://www.heise.de/newsticker/meldung/26055].
64
Die Musikwirtschaft wird sich erst nachhaltig von ihrer Krise erholen, wenn es ihr
"gelingt, die Potenziale der nicht offiziellen, also nicht in wirtschaftlichen und politischen
Umgebungen etablierten Gruppierungen und Individuen produktiv umzusetzen und nicht
sich gegen sie abzuschotten". [Kuhlen 2003a: 3] Der zivilgesellschaftliche Widerstand
gegen restriktive DRM-Systeme zeigt, dass Nachhaltigkeit in Bezug auf die
Musikwirtschaft sich nur dann entwickeln wird, wenn die Interessen und normativen
Verhaltensweisen der Konsumenten berücksichtigt werden. Aus diesem Grund fordern
Kritiker, wie z.B. R. Kuhlen, eine Ergänzung der DRM um ein User Rights Management,
im Folgenden URM genannt. Zu den Zielvorgaben für ein URM gehört beispielsweise:
ƒ
Wahrung der Anonymität / Schutz von persönlichen Daten
ƒ
Abspielbarkeit der erworbenen Musikstücke auf anderen Geräten muss
gewährleistet sein
ƒ
Untersagung von hardware- oder betriebssystemorientierten DRM-Verfahren, da
sie den Nutzern keinen Handlungsspielraum lassen
ƒ
die
Nutzer
sollten
selbstbestimmt
oder
über
beauftragte
Mittler
Vervielfältigungsfreiheiten aushandeln können
ƒ
verschiedene Formen der Abrechnung sollten möglich sein, z.B. individuelle
Abrechnung oder Pauschalierung
ƒ
DRM/URM-Systeme sollten auch für individuelle Urheber bereitgestellt werden,
die damit die Verwertung oder die lizensierte Freigabe ihrer Produkte selber
handhaben können
ƒ
Transparenz bei der Abrechnung
[Kuhlen 2004: 357]
Derzeit ist die Musikindustrie jedoch noch weit davon entfernt, ihren potenziellen
Kunden diese Rechte mit Hilfe eines URM einzuräumen. Stattdessen hält sie weiterhin an
marktwirtschaftlichen Prinzipien fest, für die es in der "alten" Ökonomie einen
allgemeinen Konsens gab, die jedoch den neuen Prinzipien des digitalen Marktes nicht
standhalten. Die z.B. von der Musikindustrie oftmals sehr moralisch eingefärbte
Öffentlichkeitsarbeit
zum
Thema
"Musikpiraterie" 107
und
die
entsprechende
107
So z.B. bei der Kampagne "COPY KILLS MUSIC" des IFPI im Jahr 1999, zu der es in einer
Pressemitteilung heißt: "Wenn der Künstler, so wie der Bäcker von seinen Brötchen, nicht mehr
von seinen Lizenzeinnahmen leben kann, dann bricht musikalisch schon sehr bald eine Hungersnot
aus. Das Ergebnis: Eine verödete Musiklandschaft, in der es sich wohl kaum ein Label wird leisten
können, risikoreiche Projekte abseits des Mainstream zu entwickeln." Vgl.
[http://www.ifpi.de/recht/re17.htm].
65
Rückendeckung durch den Staat lässt jedoch nicht erkennen, dass derzeit innerhalb des
informationsethischen Diskurses auch andere Interessen, z.B. der Einsatz von URMSystemen, ernsthaft berücksichtigt werden.
9.3.1
Alternative Verkaufsmodelle – für eine innovative Musikwirtschaft
Folgende Modelle für eine alternative Vermarktung digitaler Musik werden an dieser
Stelle kurz vorgestellt:
1) Kulturflatrate
2) Clubmodell
3) Phasenmodell
4) Creditingmodell
5) Kompensationsmodell
6) Mehrwertmodell
7) Auktionsmodell
1) Kulturflatrate:
Die "Fairsharing-Initiative", zu deren Mitgliedern die Attac AG Wissensallmende, der
FoeBud, die Grüne Jugend, das Netzwerk Neue Medien und Privatkopie.net zählen, hat
dem Bund im vergangenen Jahr mit ihrer "Berliner Erklärung zu kollektiv verwalteten
Online-Rechten: Kompensation ohne Kontrolle" den Vorschlag einer Kulturflatrate
unterbreitet. Unter einer Kulturflatrate ist eine Pauschalabgabe auf Breitband-InternetAnschlüsse zu verstehen, mit der die User in P2P-Tauschbörsen legal Musik downloaden
können. Die Summe der Abgaben wird, so wie es auch mit den Pauschalabgaben auf
Geräte gehandhabt wird, an die Künstler verteilt. 108 Um eine möglichst gerechte
Verteilung der Einnahmen an die Künstler gewährleisten zu können, ist im Vorfeld
beispielsweise eine Registrierung der Downloadzahlen aller Musikfiles durchzuführen.
Der Hauptkritikpunkt besteht darin, dass auch diejenigen Nutzer eines Breitband-InternetAnschlusses von den zusätzlichen Gebühren betroffen wären, die gar keine Musik
downloaden. Zum Einen sieht die "Berliner Erklärung" aber eine Staffelung des Beitrags
je nach Geschwindigkeit des Internetzugangs vor, und zum Anderen sollen Schätzungen
Prinzipiell ist dies zwar nicht falsch, jedoch leben die dem IFPI angeschlossenen Majorfirmen vom
Mainstream. Die kleinen Labels mit ihren zum Teil unkonventionellen und daher riskanteren
Projekten sind einem freizügigen Umgang mit Musik in der Regel sehr aufgeschlossen. Vgl.
hierzu auch Kap. 8.3.4 und 9.1.
108
Vgl. [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19510/1.html].
66
aus der Wissenschaft ergeben haben, "dass rund fünf Euro im Monat Gebühr für eine
DSL-Flatrate ausreichen würden, um die Musiker, Plattenlabels und Studios für ihre
Verluste durch das Herunterladen zu entschädigen." 109 Demnach entstehen auch für
Nicht-Downloader nur sehr geringe Kosten – aufgrund derer sie sich ferner sogar dazu
aufgefordert fühlen könnten, die Kulturflatrate zukünftig tatsächlich zu nutzen.
Bundesjustizministerin Zypries hat sich jedoch in ihrer Rede anlässlich der Tagung
"Wissen und Recht" am 21.03.05 eindeutig gegen eine Kulturflatrate ausgesprochen, da
dies einer Vergesellschaftung von Gütern gleichkäme, und die sei auch in der
Kulturwirtschaft kein Investitionsanreiz. 110
2) Clubmodell:
Online-Musikclubs mit Niedrigpreisstrategie, bei denen die Clubmitglieder das Angebot
mitbestimmen können. Ähnlich wie beim Bertelsmann-Buchclub können auch hier
ausschließlich die registrierten Mitglieder die Angebote wahrnehmen. [Kuhlen 2004:
366] Aushandelbare Verpflichtungszeiten von 3, 6 und 12 Monaten sowie ein
monatlicher Mindestbestellwert, der sich nach der Länge der Verpflichtungszeit richtet,
sind mögliche Komponenten eines Clubmodells.
3) Phasenmodell:
Über einen begrenzten Zeitraum könnten digitalen Musikfiles kommerziell vermarktet
werden, bevor sie der Öffentlichkeit kostenfrei zum Download zur Verfügung gestellt
werden. Der Verkauf könnte durch Anreizmodelle, wie z.B. durch Rabatte für andere
Produkte, angeregt werden. [Kuhlen 2004: 366]
4) Creditingmodell:
Für aktiv erbrachte Mehrwertleistungen zu dem Musikfile werden Credits vergeben, die
bei dem Download anderer MP3-Dateien verrechnet werden. Eine Mehrwertleistung kann
z.B. eine bewertende Rezension des Songs oder des dazugehörigen Albums, die
Bereitstellung von Hintergrundinformationen oder auch die Verknüpfung zu ähnlichen
Produkten sein. [Kuhlen 2004: 366]
109
Vgl. [http://www.fairsharing.de/serendipity/index.php?/archives/2-Kultur-Flatrate-stattKnast.html#extended].
110
Vgl. [http://www.bmj.bund.de/enid/Maerz/Berlin__2ss__3_2__5__Wissen_und_Recht_sh.html].
67
5) Kompensationsmodell:
Musikfiles werden im Online-Marketing als kostenlose Zusatzleistungen oder gegen
einen sehr niedrigen Preis angeboten, wenn der Kunde ein Produkt kauft. Die
Musikwirtschaft erhält ihren entsprechenden Anteil direkt oder indirekt über Mittler vom
Unternehmen. [Kuhlen 2004: 366]
6) Mehrwertmodell:
Musikfiles dürfen kostenlos heruntergeladen werden – sofern Mehrwertleistungen zu
diesem
Produkt
in
Anspruch
genommen
werden,
wie
z.B.
Konzertkarten,
Hintergrundinformationen, Reisen usw.. [Kuhlen 2004: 367]
7) Auktionsmodell:
Musikdateien werden auf Auktionsplattformen, wie z.B. Ebay, versteigert. Sobald jedoch
ein bestimmter Gewinn erreicht worden ist, werden die Dateien der Öffentlichkeit
kostenlos zum Download angeboten. [Kuhlen 2004: 367]
10.
Fazit
Aus verschiedenen Gründen ist davon auszugehen, dass die Auseinandersetzung um
Musiktauschbörsen
im
Internet
trotz
verschärfter
Urheberrechte
und
Verknappungsmaßnahmen durch die Majors andauern wird. Das Verhalten der
Musikindustrie scheint eher dem größtmöglichen Nutzen einer kleinen Anzahl von
Unternehmen zu dienen und steht damit in starkem Widerspruch zu einem nachhaltigen,
inklusiven und gerechten Umgang mit Information, der aus wissensökologischer Sicht als
Notwendigkeit für eine funktionierende Informationswirtschaft anzusehen ist. Derzeit
werden die Verwertungsregelungen der analogen Welt der digitalen Umgebung
übergestülpt, obschon hier gänzlich andere Bedingungen vorliegen, die sich nicht zuletzt
auch in einer neuen Einstellung zu geistigem Eigentum abbilden.
Trotz einer Kriminalisierung der User ziehen sich die meisten nicht aus ihren
Tauschaktivitäten zurück. Daraus lässt sich schließen, dass die Nutzung von FilesharingNetzwerken einen neuen Umgang mit Musik hervorbringt: Zum Einen hat sich die
Einstellung zu geistigem Eigentum in digitalen Räumen verändert und zum Anderen
scheint ein vollständiger Verzicht auf den freien Zugang zu Musik im Internet nicht
68
durchsetzbar zu sein. Die Verknappungsmaßnahmen der Musikindustrie werden die
Urheberrechtsverstöße zwar eingrenzen, aber nicht gänzlich unterbinden können, da die
Nutzer offensichtlich nicht auf diese Art der Musikdistribution verzichten werden.
Die neuartige Einstellung zu geistigem Eigentum in digitalen Räumen, mit der
Verwertungsansprüche umgangen werden, resultiert nicht aus einem mangelnden Respekt
vor geistigen Schöpfungen, sondern eher aus dem Gedanken der Informationsfreiheit. In
Musiktauschbörsen ist eine sogenannte "Robin-Hood-Mentalität" zu beobachten, die sich
jedoch nicht auf die Einhaltung von Urheberrechten bezieht, sondern auf den Gedanken
des „Alle Informationen müssen frei sein“, welcher ursprünglich die wichtigste Maxime
der "Hacker-Ethik" darstellt. Infolge der Verbreitung des Internet ist freilich zu keiner
anderen Zeit als der heutigen ein so freier Zugang zu Information möglich gewesen, aber
auf der anderen Seite ist auch zu keiner anderen Zeit Information so stark
kommerzialisiert
und
verknappt
worden,
was
wiederum
dem
Postulat
einer
"Informationsfreiheit" entgegensteht. In diesem Gegensatz manifestiert sich die Paradoxie
der Informationsgesellschaft. Die ökonomische Signifikanz des Informationsmarktes darf
zwar nicht von der Hand gewiesen, aber ebenso darf aus informationsethischen Gründen
ein freizügiger Zugang zu Information mit dem Ziel einer wissenschaftlich und kulturell
nachhaltigen Demokratie nicht vernachlässigt werden. Die derzeitigen Entwicklungen am
Musikmarkt berücksichtigen diesen Aspekt zuwenig, was beispielsweise auch am Einsatz
von DRM-Systemen deutlich wird: Das neue Urheberrecht gibt der Musikindustrie eine
enorme Handlungsfreiheit beim Einsatz von Kopierschutzmaßnahmen, so dass es primär
von ihr abhängen wird, wie und in welchem Umfang der Zugang zu digitaler Musik
aussehen wird.
Der Einsatz von DRM ist nicht nur hinsichtlich des "Rechts auf Informationsfreiheit" als
kritisch zu betrachten, sondern ebenso mit Blick auf die Gewährleistung des
Datenschutzes. Es gibt derzeit noch keine DRM-Systeme, die derart ausgefeilt sind, dass
sie dem "Recht auf Privatheit", das wie das "Recht auf Informationsfreiheit" sowohl im
Grundgesetz als auch in der Menschenrechtserklärung verankert ist, Rechnung tragen. Im
Gegenteil: Durch die "Privatisierung" des Urheberrechts liegt es allein im Ermessen der
Wirtschaft, in welchem Ausmaß personenbezogene Daten für die Lizenzvergabe
angefordert werden. Um eine Erstellung von Nutzerprofilen und eine Zensur von
vornherein zu vermeiden, fordern Kritiker den Einsatz eines "User Rights Management",
für dessen verbindliche Einführung jedoch gesetzliche Vorgaben notwendig wären.
Ferner ist aufgrund von kulturellen Formationen, die sich in digitalen Räumen entwickelt
haben, wie z.B. den Netzlabels, zu beobachten, dass das Internet für den Musikmarkt eine
Erweiterung der kulturellen Vielfalt bedeutet. Nicht nur Labels und Künstler profitieren
69
davon, sondern ebenso die Nutzer von Musiktauschbörsen. Das große Interesse an der
Musikkultur zeigt sich schließlich auch an dem hohen Nutzungsgrad von Tauschbörsen –
man kann sogar vermuten, dass das Interesse an Musik nicht so hoch wäre, wenn es kein
Filesharing gäbe. Ebenso wie die normativen Verhaltensweisen als auch das Recht auf
"Informationsfreiheit" und "Privatheit" fordert auch das sich deutlich abzeichnende
Bedürfnis unserer Informationsgesellschaft nach einer vielfältigen Musikkultur eine
Implementierung in Form eines nachhaltigen und inklusiven Kompromisses zwischen
allen Interessensgruppen.
Die informationsethische Analyse des Umgangs mit "Musikpiraterie" hat gezeigt, dass
die Handlungsweisen der Musikindustrie ethischen Grundwerten, wie z.B. Gerechtigkeit,
Inklusivität und Freiheit, nicht gerecht werden. Der gesellschaftliche Konsens über die
Rechtmäßigkeit von Urheberrechtsansprüchen in der "realen" Welt, wie sie von der
Musikindustrie reklamiert werden, entspricht eben auch nur den Wertvorstellungen
unserer "realen" Welt, da sie hier mit allgemeinen ethischen Prinzipien übereinstimmen.
Jedoch ist dieser Konsens nicht einfach auf digitale Räume übertragbar, da es sich um
Werte und Normen handelt, die sich erst entwickeln müssen, und zwar unter Beteiligung
aller Interessensgruppen. Ein gesetzlicher Beschluss von Werten, wie z.B. die in dieser
Arbeit erläuterte Urheberrechtsnovelle, ist demnach als unethisch zu beurteilen.
Weder das Internet als solches noch die Kultur des Musiktauschens im besonderen
bedeutet das Ende des Musikmarktes. Denn noch nie war das Interesse an Musik so groß,
was nicht zuletzt auf die kostenlosen Tauschmöglichkeiten zurückzuführen ist. Ganz
sicher aber bedeutet es eine Neuformierung alter Marktstrukturen, da die meisten schon
lange nicht mehr bereit sind, 10-20 Euro für eine Original-CD zu bezahlen. Die
Musikindustrie wird sich an neuen Geschäftsmodellen erproben müssen, z.B. einem
Ausbau von Service- und Mehrwertleistungen. Zukünftig wird der Fokus vermutlich auf
dem Verkauf von Konzertkarten liegen, was wiederum neue Möglichkeiten für
unabhängige, finanziell weniger erfolgreiche Labels und Musiker bedeutet.
Solange die Musikindustrie jedoch an alten marktwirtschaftlichen Prinzipien festhält und
damit zum Einen die Interessen ihrer potenziellen Kunden ignoriert und zum Anderen
Millionen von Musiktauschbörsennutzern kriminalisiert, wird die Abwärtsentwicklung
der Musikindustrie weiter voranschreiten.
In der Auseinandersetzung um Musiktauschbörsen manifestiert sich ein ganz
grundsätzlicher Konflikt unserer heutigen Informationsgesellschaft: Wie sollen wir im
Zeitalter der Digitalisierung mit Wissen und Information umgehen?
70
Theoretisch kann dieser Konflikt nur durch eine umfassende Wissensökologie gelöst
werden, die eine Ökonomie des Wissens nicht ausklammert. Praktisch gehört zur
Kompromissfindung ein öffentlich geführter informationsethischer Diskurs, an dem alle
Interessensgruppen beteiligt sind. Nur mit diesen Mitteln kann sich unsere
Informationsgesellschaft nachhaltig, gerecht und freiheitlich entwickeln.
11.
Literaturverzeichnis
Monographien:
[Bauckhage 2002] Bauckhage, Tobias (2002): Das Ende vom Lied? Zum Einfluss der
Digitalisierung auf die internationale Musikindustrie. Stuttgart.
[Becker 2002] Becker, Konrad u.a. (2002): Die Politik der Infosphäre. WorldInformation.Org (=Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 386).
Bonn.
[Flender / Lampson 2001] Flender, Reinhard / Lampson, Elmar (2001): Copyright. Musik
im Internet. Berlin.
[Haug / Weber 2002] Haug, Sonja / Karsten Weber (2002): Kaufen, Tauschen, Teilen.
Musik im Internet. Frankfurt am Main.
[Kuhlen 2004a] Kuhlen, Rainer (2004): Informationsethik. Konstanz.
[Mayer 2003] Mayer, Christoph M. (2003): Urheber- und haftungsrechtliche Fragen bei
peer-to-peer-Tauschbörsen, 1. Auflage. Berlin.
[McLuhan 1992] McLuhan, Herbert Marshall (1992): Die magischen Kanäle.
Understanding Media. Düsseldorf / Wien.
[Pieper 2003] Pieper, Annemarie (2003): Einführung in die Ethik. 5., überarbeitete und
aktualisierte Auflage. Tübingen / Basel.
[Renner 2004] Renner, Tim (2004): Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm. Über die
Zukunft der Musik- und Medienindustrie. Frankfurt am Main.
[Rössler 2001] Rössler, Beate (2001): Der Wert des Privaten. 1. Auflage. Frankfurt am
Main.
71
Aufsätze / Beiträge aus einem Sammelband:
[Arens 1996] Arens, Edmund (1996): Die Bedeutung der Diskursethik für die
Kommunikations- und Medienethik. In: Funiok, Rüdiger (Hrsg.): Grundfragen der
Kommunikationsethik, 1. Auflage. Konstanz, S. 73-96.
[Goebel 2004] Goebel, Jürgen W. (2004): Informationsrecht – Recht der Information. In:
Kuhlen, Rainer / Seeger, Thomas / Strauch, Dietmar (Hrsg.): Grundlagen der praktischen
Information und Dokumentation, 5. Auflage. München, S. 91-103.
[Kuhlen 2004b] Kuhlen, Rainer (2004): Wissensökologie. In: Kuhlen, Rainer / Seeger,
Thomas / Strauch, Dietmar (Hrsg.): Grundlagen der praktischen Information und
Dokumentation, 5. Auflage. München, S. 105-112.
[Kuhlen 2004d] Kuhlen, Rainer (2004): Informationsethik. In: Kuhlen, Rainer / Seeger,
Thomas / Strauch, Dietmar (Hrsg.): Grundlagen der praktischen Information und
Dokumentation, 5. Auflage. München, S. 61-71.
Abrufbar im Internet.
URL: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/publikationen.html. Stand:
28.04.05.
[Kuhlen 2003a] Kuhlen, Rainer (2003): Medienprodukte im Netz – Zwischen
Kommerzialisierung und freiem Zugang. Proceedings Münchener Kreis "Digital Rights
Management". In: Picot, Arnold (Hrsg.): Digital Rights Management. Berlin. Abrufbar
im Internet.
URL: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/Publikationen2003/rk_endtextmkreis-von1102.pdf. Stand: 03.05.05.
[Lütge 2003] Lütge, Christoph (2003): Zur Ethik von Napster, Gnutella und anderen
Internet-Musiktauschbörsen. In: Fischer, Peter / Hubig, Christoph / Koslowski, Peter
(Hrsg.): Wirtschaftsethische Fragen der E-Economy. Heidelberg, S. 347-357.
[Mittelstraß / Wolters 1995] Mittelstraß, Jürgen / Wolters, Gereon (1995): Artikel "Ethik,
angewandte". In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 1: A-G.
Stuttgart, S.592-597.
[Prechtl / Burkhard 1996] Prechtl, Peter / Burkhard, Franz-Peter (Hrsg.) (1996): Artikel
"Ethik". In: Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. Stuttgart.
[Zappe 2003] Zappe, Uli (2003): Das Ende des Konsums in der Informationsgesellschaft.
In: Fischer, Peter / Hubig, Christoph / Koslowski, Peter (Hrsg.): Wirtschaftsethische
Fragen der E-Economy. Heidelberg, S. 48-66.
Fachzeitschriften:
[Buxmann / Pohl / Johnscher u.a. 2005] Buxmann, Peter / Pohl, Gerrit / Johnscher,
Patrick u.a. (2005): Strategien für den digitalen Musikmarkt: Preissetzung und
Effektivität von Maßnahmen gegen Raubkopien. In: Wirtschaftsinformatik, Heft 2, S.
118-125. Abrufbar im Internet.
URL: http://www.zukunftsmusik.net/paper_zm/stragien_mi.pdf. Stand: 08.08.05.
72
[Hecker 2004] Hecker, Joachim (2004): Wer darf was wann und wo wie oft? "Digital
Rights Management" regelt den Umgang mit digitalen Inhalten. In: mundo. Das Magazin
der Universität Dortmund, Heft 3, S. 46-49. Abrufbar im Internet.
URL: http://www.uni-dortmund.de/mundo/. Stand 25.06.05.
[Kuhlen 2002] Kuhlen, Rainer (2002): Napsterisierung und Venterisierung – Bausteine zu
einer politischen Ökonomie des Wissens. In: PROKLA. Zeitschrift für kritische
Sozialwissenschaft. Sonderheft zum Thema: Wissen und Eigentum im digitalen Zeitalter,
Heft 4, S. 57-88. Abrufbar im Internet.
URL: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/publikationen.html. Stand:
28.04.05.
[Kuhlen 1998] Kuhlen, Rainer (1998): Zuckerguß von Multimedia. Die Bedeutung der
Telemediatisierung für die Wissenschaft. In: Forschung & Lehre, Heft 3, S. 119-121.
Abrufbar im Internet.
URL: http://www.forschung-und-lehre.de/pdf/03_98.pdf. Stand: 05.07.05.
[Lau / Spielkamp 2004] Lau, Peter / Spielkamp, Matthias (2004): Guten Tag, auf
Wiedersehen. Wie geht es der Musikindustrie? Schlecht, wie gehabt. Und wie geht es der
Musikwirtschaft? Nicht so schlecht. Sie erfindet sich gerade neu. In: brand eins, Heft 2,
Seite 32-41. Abrufbar im Internet.
URL:http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=1299&MenuID=130&MagID=
45&sid=su851784734013912. Stand 02.09.04.
Presse:
[Balzer 2004] Balzer, Jens (2004): Pop til you drop. Die Musikindustrie reist in die Hölle.
Wir wünschen ihr gute Fahrt. In: Berliner Zeitung vom 26.01., S.11. Abrufbar im
Internet. URL: http://www.berlinonline.de/berlinerzeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2004/0126/feuilleton/0005/index.html?keywords=musikind
ustrie%20h%F6lle;ok=OK%21;match=strict;author=;ressort=;von=26.1.2004;bis=26.1.2
004;mark=h%F6lle%20musikindustrie%20holle. Stand 02.08.05.
[Remien 2004] Remien, Andreas (2004): Musik legal. Die Anzahl und Qualität der
Musikläden im Internet nimmt zu. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 272 vom 23.11.04, S.
V2/8, Beilage "digital leben".
[Spielkamp 2004a] Spielkamp, Matthias (2004): Der Traum vom freien Internet. Der
Jurist Lawrence Lessig kämpft gegen die Macht der Medienkonzerne. In: Die Zeit vom
09.06., Nr.5. Abrufbar im Internet.
URL: http://www.zeit.de/2004/25/P-Lessig?page=all. Stand 02.08.05.
[Werbunat 2000] Werbunat, Kirsten (2000): Schlag gegen Musik-Piraten im Internet.
Napster: Gericht ordnet erstmals Schließung einer Website an. In: Die Welt vom
28.07.00. Abrufbar im Internet.
URL: http://www.welt.de/data/2000/07/28/574034.html. Stand 02.09.04.
73
Unveröffentlichte Schriften:
[Göbel 2004] Göbel, Peer (2004): Internet und "Independent Labels". Unveröffentlichte
Magisterarbeit, Berlin. Abrufbar im Internet.
URL: http://userpage.zedat.fu-berlin.de/~pedro/magister/independents_internet_f.html.
Stand 01.08.05.
Amtliche Publikationen:
[BMJ 2005] Bundesministerium der Justiz (2005): Kopien brauchen Originale. Aktueller
Sachstand zur Novelle des Urheberrechts "2. Korb". Informationen für die Presse.
Abrufbar im Internet.
URL: www.kopien-brauchen-originale.de/media/archive/132.pdf. Stand: 12.01.05.
Aufsätze / Artikel aus dem Internet:
[Djordjevic 1996] Djordjevic, Valentina (1996): Von "emily postnews" zu "help
manners". Netiquette im Internet.
URL: http://duplox.wz-berlin.de/texte/vali/. Stand 15.06.05.
[Kuhlen 2003b] Kuhlen, Rainer (2003): Konzepte nachhaltiger Wissensgesellschaften.
Bausteine zur Entwicklung einer Wissensökologie.
URL: http://www.worldsummit2003.de/download_de/Auftakt-Kuhlen.pdf. Stand
15.06.05.
[Kuhlen 2005] Kuhlen, Rainer (2005): Informationsethik – die Entwicklung von Normen
für den Umgang mit Wissen und Information in elektronischen Räumen.
URL:http://www.inf-wiss.unikonstanz.de/People/RK/Publikationen2005/beitrag_informationsethik_rk_v2.pdf. Stand
15.06.05.
[Schieb 2004] Schieb, Jörg (2004): Ohne MP3-Diplom keine Musik. Viele OnlineMusikshops sind zu kompliziert.
URL:http://www.wdr.de/themen/computer/schiebwoche/2004/index_52.jhtml?rubrikenst
yle=computer. Stand: 01.07.05.
[Spielkamp 2004b] Spielkamp, Matthias (2004): Symposium DRM und Alternativen –
Alexander Dix.
URL: http://www.immateriblog.de/archives/000163.html. Stand 15.07.05.
Online-Magazine:
[Dauerer 2005a] Dauerer, Verena (2005): Der Traum von frei zirkulierenden MP3s. In:
Spiegel Online vom 13.07.
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,364072,00.html. Stand: 25.07.05.
74
[Dauerer 2005] Dauerer, Verena (2005): Frickelnde Musikaktivisten. In: Spiegel Online
vom 17.07.
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,365046,00.html. Stand 25.7.05.
[Krüger 2004] Krüger, Alfred (2004): Schlammschlacht um Musiktauschbörsen. Peer-toPeer-Netzwerke wollen kein Tummelplatz für Pädophile sein. In: Telepolis.
URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17391/1.html. Stand 19.06.05.
[UNESCO 2002] Die Ergebnisse des Weltgipfels von Johannesburg. Resolution der 62.
Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, Nürnberg, 8.November 2002.
In: unesco heute online, Online-Magazin der Deutschen UNESCO-Kommission, Heft 11.
URL: http://www.unesco-heute.de/1102/resolution.htm. Stand: 15.07.05.
[Winsemann 2005] Winsemann, Bettina ( 2005): Deutsche Tauschbörsennutzer gehen in
die Offensive. In: Telepolis.
URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19510/1.html. Stand: 22.06.05.
Gesetzestexte:
[URHG] Deutsches Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Abrufbar im
Internet.
URL: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/urhg/index.html. Stand: 24.06.05.
[GG] Deutsches Grundgesetz. Abrufbar im Internet.
URL: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gg/index.html. Stand: 24.06.05.
[BDSG] Bundesdatenschutzgesetz. Abrufbar im Internet.
URL: http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/bdsg_1990/inhalt.html. Stand:
02.07.05.
Sonstige Internetquellen:
Internetportal zum Thema Informationsethik (von Prof. Dr. Rafael Capurro, Philosoph
und Professor für Informationsethik an der HdM Stuttgart):
URL: http://www.capurro.de/ethikskript/kap2.htm. Stand 02.05.05.
URL: http://www.capurro.de/ethikskript/kap2.htm. Stand 02.05.05.
URL: http://www.capurro.de/ethikskript/kap7.htm#Par7.3. Stand 15.06.05.
URL: http://www.capurro.de/digit.html. Stand 15.06.05.
Internetportal von "nethics.net e.V." zum Thema Informationsethik (ins Leben gerufen
von Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Informationswissenschaftler):
URL: http://www.nethics.net/nethics_neu/n3/themen/theorien_der_ie.htm. Stand
02.05.05.
URL: http://www.nethics.net/nethics_neu/n3/themen/wissensoekologie.htm. Stand
02.05.05.
75
Website der deutschen "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und
Vervielfältigungsrechte" (GEMA):
URL: http://www.gema.de/wirueberuns/. Stand: 08.07.05.
Website des "Chaos Computer Clubs" (CCC):
URL: http://www.ccc.de. Stand 02.08.05.
URL: http://www.ccc.de/hackerethics?language=de. Stand: 02.08.05.
Website von "Creative Commons Deutschland" (CC):
URL: http://de.creativecommons.org/index.html. Stand: 01.08.05.
URL: http://de.creativecommons.org/faq.html. Stand: 01.08.05.
Website der "Deutschen Phonoverbände" (IFPI):
URL: http://www.ifpi.de. Stand: 26.05.05.
URL: http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf. Stand: 28.05.05.
URL: http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-581.htm. Stand: 30.05.05.
URL: http://www.ifpi.de/news/news-601.htm. Stand: 30.05.05.
URL: http://www.ifpi.de/news/news-611.htm. Stand: 30.05.05.
URL: http://www.ifpi.de/recht/re17.htm. Stand: 30.05.05.
Website des "GNU-Projektes":
URL: http://www.gnu.org/home.de.html. Stand: 13.08.05.
URL: http://www.gnu.de/mani-ger.html. Stand: 13.08.05.
"United Declaration of Human Rights":
URL: http://www.udhr.org. Stand: 28.06.05.
Weitere:
URL: http://www.fairsharing.de/serendipity/index.php?/archives/2-Kultur-Flatrate-stattKnast.html#extended. Stand: 04.08.05.
URL: http://www.privatkopie.net/files/guennewig230103.pdf. Stand: 12.07.05.
URL: http://www.nap.edu/openbook/0309064996/html/2.html. Stand: 12.07.05.
URL: http://www.bmj.bund.deenid/Maerz/Berlin__2ss__3_2__5__Wissen_und_Recht.sh.html. Stand: 10.08.05.
URL: www.mp3werk.de/faq/history.php. Stand: 24.07.05.
URL: http://www.e-recht24.de/artikel/urheberrecht/72.html. Stand 11.09.04.
URL: http://www.e-recht24.de/artikel/urheberrecht/72.html. Stand 11.09.05.
URL: http://www.lexikon-online.info/q/Immanuel_Kant. Stand: 04.07.05.
URL: http://www.der-gruene-faden.de/text/text2805.html. Stand 17.07.05.
URL: http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=041122031. Stand: 14.07.05.
URL: http://www.berlin.de/senwiarbfrau/projektzukunft/heads/0704_kiltz.htm. Stand:
04.08.05.
URL: http://www.bundestag.de/bic/analysen/2004/2004_04_06.pdf. Stand: 20.08.05.
URL: http://www.donauuni.ac.at/de/studium/fachabteilungen/kultur/zentren/zzm/news/archiv/03521/index.php.
Stand: 18.07.05.
URL: http://www.archive.org/audio/netlabels.php. Stand: 25.07.05.
URL: http://www.heise.de/newsticker/meldung/26055. Stand: 22.06.05.
URL: http://de/wikipedia.org/wiki/Digitalisierung. Stand 22.05.05.
URL: http://www.tnsinfratest.com/06_BI/bmwa/Faktenbericht_4/abbildungen_2002_04/167.jpg. Stand
15.07.05.
URL: http://www.geschichte.hu-berlin.de/nutzerhi/urhg/. Stand 21.05.05.
URL: http://www.microsoft.com/germany/piraterie/urheberschutz.mspx. Stand 13.06.05.
76
URL: http://www.microsoft.com/germany/piraterie/wasist.mspx. Stand 13.06.05.
URL: http://www.internetworldstats.com/stats1.htm. Stand 05.08.05.
URL: http://www-test-zdf.dbc.zdf.de/ZDFheute/inhalt/13/0,3672,2076525,00.html.
Stand: 08.08.05.
URL: http://www.heise.de/heisevsmi/. Stand: 11.08.05.
77