Diplomarbeit - Fachhochschule Potsdam
Transcription
Diplomarbeit - Fachhochschule Potsdam
Fachhochschule Potsdam Fachbereich Informationswissenschaften Diplomarbeit Eine informationsethische Analyse des Umgangs mit "Musikpiraterie" in digitalen Räumen: Zerstört das Internet den Musikmarkt? Erstgutachter: Prof. Dr. habil. Ralf-Dirk Hennings Zweitgutachter: Dipl.-Soz.-Päd. Uwe Hanf vorgelegt von: Birgit Becker am: 23.08.2005 Matr.-Nr.: 5142 Meinen Eltern Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Begriffkennzeichnung 3 2.1 Ethik 3 2.2 Informationsethik 4 2.3 Musik als Informationsgut 6 2.4 Telemediatik 7 2.5 Digitalisierung 9 3. Die wirtschaftliche Situation der Musikindustrie 10 3.1 Das Spezifikum der Musikbranche 10 3.2 Die deutsche Phonowirtschaft in Zahlen 12 3.2.1 Nutzung von Musiktauschbörsen 13 3.2.1.1 Arten der Downloads, 2004 13 3.2.1.2 Anzahl der Downloads, 2000-2004 13 3.2.1.3 Anzahl der Musiktauschbörsennutzer, 2004 14 3.2.1.4 Altersstruktur der Musiktauschbörsennutzer, 2004 15 Umsatzverluste der Musikindustrie 16 3.2.2.1 Gesamtumsatz des Phonomarktes in Deutschland, 1995-2004 16 3.2.2.2 Wert von Downloads für die Musikindustrie, 2004 17 3.2.2 4. 5. Ethische und juristische Bedenken gegen Musiktauschbörsen 17 4.1 Verletzung des Urheberschutzes 17 4.2 Förderung einer "Gratismentalität" 19 4.3 Verbreitung krimineller Informationen 20 Napster & Co. 21 5.1 Napster: Aufstieg und Fall 21 5.2 Dezentrale P2P-Netzwerke 23 5.3 Kommerzielle Internet-Musikshops und "Digital Rights Management" 24 6. Urheberrecht 26 6.1 Begriffkennzeichnung 26 6.1.1 Urheberrecht und Copyright 26 6.1.2 Geistiges Eigentum 27 6.1.3 GEMA – als Verwerter urheberrechtlich geschützter Musik 29 Auswirkungen der EU-Richtlinie 2001/29/EG auf das Urheberrecht 31 6.2.1 1. Korb der Urheberrechtsnovelle 31 6.2.2 2. Korb der Urheberrechtsnovelle 33 6.2 7. Der informationsethische Diskurs 7.1 8. 9. 34 Motive für einen informationsethischen Diskurs über den Umgang mit Musik im Internet 34 7.2 Die "diskursive Methode" als Instrument der Informationsethik 37 7.3 Interessensgruppen 38 Wissensökologie: Nachhaltiger Umgang mit Musik im Internet 43 8.1 Wissensökologie als Ziel des informationsethischen Diskurses 43 8.2 Ökonomie des Wissens 45 8.3 Ethische Anforderungen - für einen nachhaltigen Musikmarkt 46 8.3.1 Informationsfreiheit 46 8.3.2 Einbeziehung normativer Verhaltensweisen 50 8.3.3 Recht auf Privatheit 53 8.3.4 Erweiterung der kulturellen Vielfalt 57 Ausblick: Zwischen ökonomischer und kultureller Verantwortung 60 9.1 Creative Commons – für mehr Autonomie von Musikschaffenden 61 9.2 User Rights Management – für mehr Rechte der Endverbraucher 64 9.3 Alternative Verkaufsmodelle – für eine innovative Musikwirtschaft 66 10. Fazit 68 11. Literaturverzeichnis 71 1. Einleitung Dezentrale Computernetzwerke, Digitalisierungstechnik sowie die starke Verbreitung des Internet haben die Art und Weise, mit der Musik konsumiert wird, nachhaltig verändert. Die Entwicklung von dezentralen Internet-Musiktauschbörsen vor etwa 5 Jahren machte es möglich, dass Musik in großem Ausmaß und ohne jeglichen Qualitätsverlust kostenlos getauscht resp. kopiert werden kann: alle registrierten Nutzer können gleichzeitig auf die Festplatten der anderen zugreifen und zum Nulltarif die urheberrechtlich geschützte Musik downloaden. Aufgrund der dezentralen Netzstruktur können solche Tauschbörsen auch nicht einfach "abgeschaltet" werden, da es keinen zentralen Knotenpunkt gibt, von dem die vernetzten Rechner abhängig wären. Dezentrale Tauschbörsen sind Selbstläufer und stellen daher für die Verwertungsindustrie ein besonders hartnäckiges Problem dar. Es entwickelte sich binnen kurzer Zeit ein regelrechter Tauschbörsen-Hype, von dem die Musikindustrie einen nicht geringen Schaden davongetragen hat. Neben dem Brennen von CDs haben auch die Tauschbörsen wesentlich dazu beigetragen, dass die deutsche Tonträgerindustrie im Jahr 2003 einen Umsatzverlust von beinah 20% zu verzeichnen hatte. Seitdem setzt die Musikindustrie alles daran, dieser Art von Urheberrechtsverletzung ein Ende zu setzen, um ihre Existenz zu retten. Zahllose Strafverfolgungen der von ihr so bezeichneten "Musikpiraten" sowie einschneidende Veränderungen des Urheberrechts zugunsten der Verwertungsindustrie haben zwar die Anzahl der Downloader zumindest stagnieren lassen, allerdings auf einem sehr hohen Level: In Deutschland sind es derzeit etwa 7 Mio. Nutzer, die sich auch weiterhin trotz geltender Gesetze nicht vom Tauschen abhalten lassen. Trotzdem hält die Musikindustrie an ihrem Konzept fest. Kritiker sehen in den restriktiven Maßnahmen der Musikindustrie jedoch eine nicht akzeptable Beschneidung der Nutzerrechte und in der Urheberrechtsnovelle eine Privatisierung des Urheberrechts. Viele argumentieren für einen gänzlich freien Zugang zu Musik im Internet, da es dem Wesen des Internet und der Information nicht entspricht, es zu begrenzen oder zu kontrollieren. Andere vertreten einen nicht so absoluten Standpunkt, sehen jedoch in dem Verhalten der Musikindustrie ebenso den Versuch, "alte" marktwirtschaftliche Prinzipien auf digitale Räume zu übertragen, nur um bestehende Monopolstellungen zu sichern. Sie fordern daher eine Stärkung der 1 Nutzerrechte und eine staatliche Regulierung der Wirtschaft hinsichtlich des Datenschutzes bei digitaler Rechteverwaltung. Von den Tauschbörsennutzern selbst lassen sich, wie Studien belegen, nur wenige vom Downloaden abhalten. Zum Einen ist es für sie sicherlich zu einer Art Selbstverständlichkeit geworden, im Internet kostenlos Musik zu erhalten. Zum Anderen sehen viele Nutzer in den Regulierungsmaßnahmen der Musikindustrie eine ungerechtfertigte Reklamation von Urheberrechtsansprüchen, die keineswegs dem Schutz der Künstler und der Musikkultur als solche dient, sondern ausschließlich der Bereicherung der mächtigsten Musikkonzerne. In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwieweit das Internet mit seinen Tauschbörsen tatsächlich den Musikmarkt zerstört, wie es Vertreter der Musikindustrie befürchten, oder ob sich vielleicht der Musikmarkt infolge der Digitalisierung nur neu strukturieren muss. Der Fokus liegt hier auf dem deutschen Musikmarkt, da sich aufgrund der territorialen Unterschiede hinsichtlich des Urheberrechts resp. Copyrights eine tiefergehende Analyse als zu komplex für den Rahmen dieser Arbeit erweisen würde. Für die wissenschaftliche Erarbeitung einer Stellungnahme zu dieser Fragestellung soll der Umgang mit "Musikpiraterie" unter einem "informationsethischen" Blickwinkel analysiert werden, da der bereits skizzierte Interessenskonflikt in unserer "Infosphäre" stattfindet, die in hohem Maße von Hyper- und Multimedia, Telekommunikation, Datenverarbeitung und Informatik durchdrungen ist. "Informationsethik" beinhaltet die Reflexion über die Moral in der "Infosphäre" und demnach auch über Normen und Werte, die sich im Umgang mit Musiktauschbörsen entwickeln. Sowohl juristische als auch wirtschaftliche und kulturelle Aspekte werden in die Betrachtung miteinbezogen. Nachdem im 2. und 3. Kapitel zum Einen eine Definition der für diese Arbeit signifikanten Schlüsselbegriffe stattfindet und zum Anderen die wirtschaftliche Situation der deutschen Musikindustrie dargestellt wird, erfolgt im 4. Kapitel eine Erläuterung ethischer und juristischer Bedenken gegen Musiktauschbörsen. Im darauffolgenden Kapitel werden sowohl dezentrale Musiktauschbörsen als auch "legale" InternetMusikshops und die damit einhergehenden informationsethischen Probleme von digitaler Lizenzvergabe erörtert. Das 6. Kapitel beinhaltet Begriffkennzeichnungen zum Thema Urheberrecht sowie eine detaillierte Darstellung der Urheberrechtsnovelle, die sich zu einem Teil noch in der Umsetzung befindet. Im 7. Kapitel wird das "Instrument" der Informationsethik, der "informationsethische Diskurs", und die für einen Diskurs relevanten Interessensgruppen näher vorgestellt. Das Thema von Kapitel 8 ist 2 "Wissensökologie", ein Konzept des nachhaltigen Umgangs mit Wissensressourcen. Unter einem flachen Wissensbegriff ist hier ebenso Musik einzuordnen. Einen Ausblick für den zukünftigen Musikmarkt gibt es im 9. Kapitel. 2. Begriffkennzeichnung 2.1 Ethik Ethik beruht auf dem menschlichen Wissen um Ungerechtigkeit. Aus diesem Wissen und aus der gesellschaftlich bestehenden Forderung nach normativen Gehalten heraus, wie z.B. Freiheit oder Gerechtigkeit als allgemeingültige Ideen, reflektiert sie das menschliche Handeln, um so den Menschen eine Orientierung für ein "gutes Leben" 1 zu geben. Jedoch ist Ethik nicht gleichzusetzen mit Moral, obschon sie Moral zu ihrem Gegenstand macht. Während Moral die Werte einer Gruppe, Nation oder Kultur beschreibt, zielt Ethik auf die Reflexion über die Verbindlichkeit und des Sinns dieser gesellschaftlichen Werte ab. Mit der Frage nach den Maßstäben moralischen Handelns und nach einem Beurteilungskriterium für bestimmte Handlungsweisen sucht sie nach einem Verständnis für oder gegen die Anerkennung von gesellschaftlichen Normen und Werten. [Prechtl / Burkhard 1996: 148] In dieser Reflexion kommt das Wechselverhältnis zwischen Moral und Moralität zum Ausdruck: Moral stellt ein grundsätzliches Ordnungssystem für die Gesellschaft dar, welches die Bedürfnisbefriedigung innerhalb der Gemeinschaft regelt und ferner das eigene Verständnis von Freiheit nach außen hin zeigt. Moralität hingegen ist ein Prinzipienbegriff. Sie fasst nicht die Moral mit ihren einzelnen Handlungsempfehlungen zusammen, sondern ist als die menschliche Grundhaltung des Gutseinwollens, basierend auf dem Prinzip der Freiheit, zu verstehen. Moral entsteht also erst aus der Moralität, d.h. aus dem freien Willen der Menschen, gut sein zu wollen. Befolgt der Mensch eine 1 Der Begriff des "guten Lebens", bei dem der tugendhafte Mensch wahres Glück erfährt, war der zentrale Aspekt der antiken Ethik wie z.B. von Aristoteles (384-322 v.Chr.), der die Ethik erstmalig als eigenständige Disziplin der praktischen Philosophie begründete. Vgl. hierzu [Mittelstraß / Wolters 1995: 592] 3 gesellschaftliche Norm aus moralischen Gründen, so tut er dies nach seinem eigenen Willen. Ethik untersucht dieses Wechselverhältnis zwischen Moral und Moralität. [Pieper 2003: 41ff] Sie stellt die Frage: Wie sollen wir handeln? Die angewandte resp. praktische Ethik, auf die sich das Thema dieser Arbeit bezieht, zielt auf die sowohl problem- als auch lösungsorientierte Reflexion von Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, in denen öffentliche Organisationen und politische Entscheidungen häufig eine große Rolle spielen, wie z.B. in der Bioethik, der Informations- und Medienethik oder in der Wirtschaftsethik. [Prechtl / Burkhard 1996: 150] 2.2 Informationsethik Die Grundlage für eine Informationsethik 2 liegt in der "Telemediatisierung" unserer heutigen Lebenswelten, d.h. unser Leben spielt sich zunehmend in der "Infosphäre" ab, da sowohl politische und wirtschaftliche als auch kulturelle und soziale Bereiche des Lebens in hohem Maße von Telekommunikation, Informatik, Datenverarbeitung, Multimedia sowie Hypermedia durchdrungen sind und werden. [Kuhlen 2004a: 121] Themen der Informationsethik, die aus der zunehmenden Telemediatisierung resultieren, sind z.B. der "digital divide" zwischen den Ländern des Südens und des Nordens, Urheberrecht im Internet, Datenschutz und Informationsfreiheit. Auf den Begriff der Telemediatisierung gehe ich in Kap. 2.4 näher ein. Wesentlich zu der Telemediatisierung unserer Lebenswelten beigetragen hat das Internet als ein globales Informationsnetz, zu dem mittlerweile etwa 700 Mio. Menschen weltweit Zugang haben. 3 Die "reale" Umgebung, in der wir leben, hat sich dadurch in den letzten Jahrzehnten um gänzlich neue Komponenten erweitert und demzufolge auch Einfluss auf unser Leben und unsere Verhaltensnormen genommen, nicht zuletzt auf unseren Umgang mit geistigen Eigentümern im Internet, wie z.B. der kostenlose Tausch von Musikdateien. Seit dem Aufkommen von Internet-Musiktauschbörsen konfligieren die Interessen der Musik-Majors (Sony, Universal, Warner, BMG / Bertelsmann, EMI Music), Künstler, Endverbraucher und der GEMA zum Teil sehr stark. Die Urheberrechtsnovelle, die sehr 2 Informationsethik ist keinesfalls gleichzusetzen mit Netzethik, Cyberethik oder Computerethik. Diese thematisieren nicht dasselbe wie die Informationsethik, z.B. geht es bei Cyberethik um "epers" (electronic persons). Vgl. hierzu [Kuhlen 2004d: 1] Computerethik hingegen befasst sich mit dem Wert und Stellung des Computers im Leben des Menschen oder der Gesellschaft und Netzethik vereinigt die zentralen Fragestellungen einer Internet- und Informationsethik. Oftmals werden diese Begriffe synonym verwendet, was jedoch nicht korrekt ist. 3 Vgl. [http://www.tns infratest.com/06_BI/bmwa/Faktenbericht_4/main2002_abb_167_203.htm]. 4 zugunsten der Verwertungsindustrie ausgefallen ist, lässt die benachteiligten Interessensparteien unzufrieden zurück und den Konflikt keineswegs abschwellen – mehr noch: vielfach wird bereits von einem "Informationskrieg" gesprochen, in dem Entscheidungen allein über Macht getroffen werden. Die daraus resultierenden Konflikte spiegeln eine starke Uneindeutigkeit der verschiedenen Handlungsprinzipien wieder. An diesem Punkt stellt Informationsethik die Frage: Wie sollen wir handeln? Was sind die Motive der einzelnen Parteien? Haben gesellschaftliche Werte, z.B. das des "geistigen Eigentums", an Aktualität eingebüßt, da sie vielleicht nicht mehr den Anforderungen des digitalen Zeitalters entsprechen? Und nicht zuletzt stellt Informationsethik die Frage: Wie gestaltet sich eine Informationsgesellschaft, die ihren Namen zu Recht trägt, in der also die Menschen gleichberechtigt an der Information partizipieren können? Die Antwort der Informationsethik auf diesen Interessenskonflikt ist somit die Reflexion über die Moral in der "Infosphäre" und demzufolge auch über Werte und Normen, die sich beim Umgang mit Musiktauschbörsen in elektronischen Räumen entwickeln.4 Unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Einbeziehung der verschiedenen Interessen soll die Kompatibilität derzeitiger Umgangsformen mit "Musikpiraterie" mit allgemein geltenden ethischen Prinzipien, wie z.B. Gerechtigkeit oder Freiheit, im Diskurs reflektiert werden. Ferner wird untersucht, ob und inwieweit bereits existierende Normen unserer "realen" Welt der neuen medialen Umwelt des Internets entsprechen. 5 Man kann annehmen, dass der informationsethische Diskurs über den Umgang mit kulturellen Gütern im Internet in absehbarer Zeit ein ähnlich hohes öffentliches Interesse wie die Bioethik erlangen wird. Der Schutz und die kommerzielle Vermarktung von geistigem Eigentum entsprach über Jahrhunderte einem allgemeinen Konsens innerhalb der Gesellschaft. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Verbreitung des Internet jedoch stellt sich für immer mehr Menschen die Frage, inwieweit die Verwertung von digitalen Inhalten in ihrer bisherigen Form noch gerechtfertigt und angemessen ist. Informationsethik hat die Aufgabe, den Umgang mit Information zu reflektieren und einen für alle Beteiligten annehmbaren Kompromiss herauszuarbeiten. 4 Die Entwicklung von normativen Verhaltensweisen im Internet und speziell in Musiktauschbörsen wird in Kap. 8.3.2 eingehender beschrieben. 5 Vgl. [www.nethics.net/nethics_neu/n3/themen/theorien_der_ie.htm]. 5 2.3 Musik als Informationsgut In dieser Arbeit wird explizit ein breiter Informationsbegriff verwendet, anders als man es z.B. aus den Informationswissenschaften kennt. Musik ist ein intellektuelles Produkt des jeweiligen Künstlers, genauso wie z.B. Filme und Bücher. Demnach gelten Medienprodukte, wie z.B. Musik, für den Empfänger als Informationen, der diese wiederum konsumiert, verarbeitet und im Gedächtnis speichert. Ein Informationsgut ist die Information selbst und demnach ein immaterielles Gut, das auf einer Dienstleistung, z.B. die des Künstlers, basiert. Wird dieses immaterielle Gut jedoch materialisiert, wird daraus ein Informationsprodukt. Musik ist demzufolge solange ein Informationsgut, bis sie an einen Tonträger gekoppelt und auf diesem Wege in ein Informationsprodukt umgewandelt wird. [Bauckhage 2002: 16] Die zwei signifikantesten Eigenschaften von digitalen Informationsgütern, wie z.B. die in Internet-Musiktauschbörsen angebotenen MP3-Dateien, sind zum Einen die sehr geringen Transaktions- und Reproduktionskosten und zum Anderen die sogenannte "NichtRivalität". Diese beiden Eigenschaften bedeuten starke Reibungspunkte zwischen den einzelnen Parteien des Diskurses um den Umgang mit Musikpiraterie in digitalen Räumen: Das Hauptargument der Musiktauschbörsennutzer liegt in der erstgenannten Eigenschaft von Informationsgütern, den im Zeitalter der Digitalisierung immer geringer werdenden Kosten für die Reproduktion und Verteilung. Gegenwärtig versucht die Musikindustrie, durch massive Verknappungsmaßnahmen auf dem Internet-Musikmarkt, wie z.B. Klagen gegen Tauschbörsennutzer, kapitalistischmarktwirtschaftliche Geschäftsmodelle auf digitale Räume zu übertragen, obschon hier so gut wie keine Transaktions- und Reproduktionskosten mehr entstehen. 6 [Kuhlen 2002: 3] Der Begriff "Nicht-Rivalität" erklärt den maßgeblichen Unterschied von Informationsgütern zu Informationsprodukten: Informationsgüter als solche verbrauchen sich nicht im Gebrauch, da sie im Überfluss vorhanden sind. Benutzt also eine Person ein Informationsgut, wie z.B. einen digitalen Musiktitel, schließt das in keiner Weise unzählige andere Personen vom gleichzeitigen Gebrauch 6 Vgl. hierzu auch Kap. 4.2. 6 dieser einen Musikdatei aus. [Kuhlen 2003a: 3] Durch die Verknappungsmaßnahmen der Musikindustrie wird diese elementare Eigenschaft der "Nicht-Rivalität" jedoch umgangen: "Nicht-Rivalität" wird z.B. durch den Einsatz von Digital Rights Management 7 zur "Rivalität", da MP3-Dateien auf diese Weise künstlich verknappt werden und sich dementsprechend verbrauchen. Die Zugangskontrolle und Lizensierung vornehmlich durch die Wirtschaft wird stark kritisiert, da sich eine "Informationsgesellschaft" durch einen möglichst freizügigen Zugang zu Information auszeichnen sollte, und nicht allein durch eine Kommerzialisierung von Information. Trotz dieser plausiblen Argumente der Tauschbörsen-Befürworter kann aufgrund der ökonomischen Bedeutung der Musikindustrie ein gänzlich kostenloser Zugang zu MP3Dateien im Internet nicht die Lösung des Problems sein 2.4 Telemediatik Der Begriff der Telemediatik knüpft an den der Informatisierung und der Telematik an. Unter Informatisierung versteht man die vollständige Durchdringung von definierten Lebenswelten mit Informationstechnik, z.B. Forschung. Die Telematik hingegen verbindet Informatik und Telekommunikation und ist der Auffassung, dass sich die Auswirkungen der Computertechnik erst vollständig mit den Telekommunikationstechnologien entfalten. [Kuhlen 1998: 119] Beide Begriff etablierten sich etwa Mitte der 80er Jahre. Mit dem sich in den letzten 10 Jahren stark ausdehnenden Bereich des Hypermedia 8 sind die Beschreibungen Informatisierung und Telematik unzureichend geworden. Das Prinzip von Hypermedia ist die Verknüpfung von verschiedenen Medienelementen, wie z.B. Text, Ton, Bild etc.. Durch sie ist erstmals eine Darstellung und Organisation von multimedial dargestellten Objekten möglich geworden, die nicht mehr linear ist, sondern in einem vernetzten Raum existiert und in immer neue Zusammenhänge gebracht werden kann. Hypermedia hat mit diesem Verknüpfungsprinzip das World Wide Web möglich gemacht. Während also Informatisierung sich auf definierte Lebenswelten bezieht, 7 Vgl. hierzu auch Kap. 5.3. Hypermedia soll hier verstanden werden als Multimedia, also dem Zusammenspiel verschiedener Medien unter Anwendung von Hypertext. 8 7 kommt mit der Erfindung des Hypermedia eine globale Komponente hinzu. Der Grundgedanke von Telemediatik, in dem sich sowohl Telekommunikation, Hypermedia und Informatik vereinen, beschreibt nicht die vollständige Durchdringung von definierten Lebenswelten, sondern die aller Lebenswelten. [Kuhlen 1998: 119] Trotz des digitalen Grabens zwischen den Ländern des Nordens und denen des Südens, wie z.B. Afrika mit einer Internetzugangsrate von derzeit 1,8 % der gesamten afrikanischen Bevölkerung 9 , zieht die Telemediatisierung auf globaler Ebene eine umfassende Veränderung des normativen Verhaltens der Menschen nach sich. Denn Hypermedia ist nicht bloß eine neuartige Übertragungsform für digitale Informationen, sondern Hypermedia ist immer mehr die Information selbst. Gemeint ist hiermit, dass z.B. klassische Medienprodukte, die über das Internet angeboten werden, sich zunehmend durch hypermediale Eigenschaften auszeichnen, wie beispielsweise über Hypertext verbundene Text- oder Bildeinheiten. Das erinnert an die populäre Aussage des Medientheoretikers Marshall McLuhan: "The Medium ist the Message." [McLuhan 1992: 18]. Sein Gedanke dabei war, dass die Botschaft eines Mediums nicht etwa der Inhalt sei, sondern das, was das Medium mit dem Rezipienten macht: "Denn die "Botschaft" jedes Mediums oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt." [McLuhan 1992: 18] McLuhan sieht demzufolge Veränderungen von Medientechnologien als essentielle Ursache für soziale Veränderungen. Für ihn war es also irrelevant, was z.B. in einer Fernsehsendung dem Empfänger inhaltlich übertragen wird. Für ihn hat das Fernsehen selbst, unabhängig seiner Programminhalte, erhebliche Auswirkungen auf die Formen des Zusammenlebens der Menschen. Das Medium schafft demnach eine Umgebung, in der sich zwangsläufig neue Verhaltensformen entwickeln. Auf Musiktauschbörsen übertragen, bedeutet dies also eine zwangsläufig veränderte Einstellung zu einem bestimmten Lebensbereich, in diesem Fall der Umgang mit urheberrechtlich geschützter Musik in digitalen Räumen. Dies zeigt sich z.B. an dem massenhaften Tauschen von Musikdateien, das trotz einer Kriminalisierung durch das Gesetz von den meisten Tauschbörsennutzern nicht als unrechtmäßig empfunden wird, obwohl über die Einhaltung von Urheberrechten in der analogen Welt ein allgemeiner Konsens herrscht. Des Weiteren hat die Telemediatisierung eine nahezu paradoxe Situation erzeugt. Diese äußert sich zum Einen in der unbegrenzten Mobilität hinsichtlich des Austauschs von 9 Vgl. [http://www.internetworldstats.com/stats1.htm]. 8 Wissen und Information. Prinzipiell kann jede Person zu jeder Zeit und an jedem Ort Informationen bereitstellen und abrufen. Zeit und Raum werden somit zu einer relativen Größe. Zum Anderen jedoch wird Wissen und Information zunehmend privatisiert, kontrolliert sowie kommerzialisiert und verknappt, was sich gegenwärtig auch im Verhalten der Musikindustrie widerspiegelt. [Kuhlen, 2004a: 33] Es stellt sich die Frage, inwieweit z.B. künstliche Verknappungsmaßnahmen der Wirtschaft normative Verhaltensweisen überhaupt nachhaltig beeinflussen können oder auch sollten. Denn die Bereitschaft der Konsumenten scheint auch weiterhin sehr gering zu sein, für digitale Musikdateien einen durchschnittlichen Preis von 1 Euro zu zahlen, wie eine Studie der Universität Darmstadt belegt. [Buxmann / Pohl / Johnscher u.a. 2005: 13] Die Telemediatisierung unserer Gesellschaft wirft somit vielerlei Konflikte und Widersprüche auf, für deren Auflösung es einer umfassenden informationsethischen Reflexion bedarf, z.B. über die Möglichkeit eines selbstbestimmten, gerechten, freizügigen und nachhaltigen Umgangs mit digitaler Musik. 2.5 Digitalisierung Unter Digitalisierung versteht man die Umwandlung von analogen in digitale Daten. In der Regel geschieht dies durch eine schrittweise Zerlegung der analogen Daten in zweiwertige Zustände wie z.B. Null und Eins. In Verbindung mit Bit oder Pixel können diese binären Zustände größere Datenmengen dargestellt werden. Die Übertragung der analogen in digitale Daten ist stets abhängig von der Genauigkeit, z.B. der Auflösung des digitalen Prozesses. 10 Der Vorteil digitalisierter Daten ist die Möglichkeit der Verarbeitung durch Computerprozessoren als auch die der Übertragung über große Entfernungen innerhalb von Netzwerken. Das beste Beispiel hierfür ist sicherlich der Transport von E-Mails im Internet. Neben Text kann ebenso z.B. Musik und Film digitalisiert und gespeichert, kopiert und verteilt werden. Das schnelle Wachstum des World Wide Web und der digitalen Netzwerke sowie die zunehmende Digitalisierung von Informationsgütern in der heutigen Zeit verändern das wirtschaftliche und gesellschaftspolitische System erheblich. [Bauckhage 2002: 14f] Der "National Research Council" bezeichnet das Internet hinsichtlich der ansteigenden Digitalisierung von Informationsgütern als 10 Vgl. [http://de.wikipedia.org/wiki/Digitalisierung]. 9 ein Massenmedium zur Veröffentlichung, ein weltweit leistungsstarkes Distributionsnetz und als die größte Kopiermaschine der Welt. 11 Digitalisierung auf breiter Ebene macht es prinzipiell jedem möglich, zu beliebiger Zeit und an jedem beliebigen Ort Informationen bereitstellen, abrufen, nutzen oder auch reproduzieren zu können. Letzteres geschieht mittlerweile ohne jedweden Qualitätsverlust, wie sich an der breiten Nutzung von Musiktauschbörsen zeigt. Mit jedem Download wird ein Musikstück reproduziert, ohne dass sich der Klang mit der Zeit verschlechtert. Dies kommt einer Vereinheitlichung von "Kopie" und "Original" gleich. Die Aussage des "National Research Council" über das Internet als "die größte Kopiermaschine der Welt" bezieht sich in dieser Arbeit speziell auf das weltweite, nichtmonetäre Kopieren von Milliarden digitaler Musikdateien aus den "illegalen" Internet-Musiktauschbörsen, dem unterschiedlichste Interessengruppen zustimmend, ablehnend oder ambivalent-kritisch gegenüberstehen. Aus diesen unterschiedlichen Meinungs- und Stimmungsbildern sind ferner starke gesellschaftliche Kontroversen entstanden, für die es gilt, eine für alle Beteiligten akzeptable und gerechte Einigung herbeizuführen. 3. Die wirtschaftliche Situation der Musikindustrie 3.1 Das Spezifikum der Musikbranche Die Musikbranche war bis vor einigen Jahren der einzige Medienbereich, der sich auf dem Markt aufgrund der Digitalisierung mit gänzlich neuen Marktstrukturen auseinandersetzen musste. In keinem anderen Mediensektor hat sich so früh und so klar herauskristallisiert, wie die Herausforderungen des digitalen Zeitalters für den Informationsmarkt aussehen werden. Verschiedene Ursachen haben die Musikwirtschaft zu einer Branche gemacht, die sich diesen neuen Bedingungen erstmalig stellen muss: 11 Vgl. [http://www.nap.edu/openbook/0309064996/html/2.html]. 10 Schon immer sind die Endgeräte für die Musiknutzung früher entwickelt und vermarktet worden als ihre Äquivalente aus dem audiovisuellen Medienmarkt. Beispielsweise wurde das Grammophon bereits 1887 erfunden, während der Videorecorder erst in den 70er Jahren auf den Markt kam. Jahrzehnte vor der Erfindung des Fernsehens besaßen viele Haushalte bereits ein Radiogerät. Anfang der 80er Jahre sträubte sich die Musikindustrie noch gegen die beginnende Digitalisierung und das damit einhergehende neue Tonträgerformat der Compact Disc. Ein entsprechendes digitales Format für Videos, die DVD-Technologie, gab es jedoch erst Ende der 90er Jahre. [Flender / Lampson 2001: 85f] Seit 1995 gibt es das vom Ilmenauer Fraunhofer Institut entwickelte digitale Audiocodierverfahren MP3. Dieses Format ist in der Lage, Musikdateien bis auf ein Zwölftel ihrer Größe zu komprimieren. Als die Wissenschaftler das neue Dateiformat ins Internet stellten, kam es binnen kurzer Zeit zu einem MP3-Hype. Primär in den USA nutzten viele Studenten das neue Format für den Musikaustausch via Internet. 12 Mit der Erfindung von MP3, dem etwa zeitgleichen Internethype sowie mit dem Aufkommen dezentraler P2P-Musiktauschbörsen 13 einige Jahre später änderten sich die Bedingungen für den Musikmarkt in gravierender Weise, während der Filmmarkt noch nichts zu befürchten hatte: Das Komprimierungsformat MP3 ermöglichte erstmals eine äußerst schnelle Erfassung und Verarbeitung von Musikdateien. Problemlos konnten nun infolge der Entwicklung der P2P-Netzwerke myriadenfach Musikdateien weltweit getauscht werden, und zwar kostenlos und gänzlich an der Musikwirtschaft vorbei. Dies betrifft, wie Studien belegen 14 , vor allem diejenige Konsumentengruppe der Musikindustrie, deren Interesse an Musik außerordentlich hoch ist. Insbesondere junge Menschen bis etwa zum 30. Lebensjahr, bei denen die Musik- und Internetaffinität am stärksten ausgeprägt ist, nutzen die Musiktauschbörsen im Internet. Hinzu kommen Faktoren wie Zeit und Kosten. In der Regel verfügt diese Konsumentengruppe über ein entsprechendes Freizeitbudget, welches für das Suchen und Downloaden notwendig ist. Darüber hinaus ist insbesondere für 12 Vgl. [http://www.mp3werk.de/faq/history.php]. "P2P" heißt "peer-to-peer" und steht für Kommunikation unter "Gleichen". Im Gegensatz zum Client-Server-Modell sieht ein P2P-Netzwerk eine gleichberechtigte Nutzung aller an diesem Netzwerk beteiligten Computer vor. Die Stabilität eines solchen Netzwerks liegt darin begründet, dass es keinerlei zentrale Instanz gibt, von der die Funktionsfähigkeit abhängt. Das heißt, dass ein P2P-Netzwerk faktisch nicht abzuschalten ist. Vgl. hierzu auch Kap. 5.2. 14 z.B. die Brennerstudie des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft, die ich in Kap. 3.2 in Auszügen darstelle. 13 11 Schüler, Auszubildende und Studenten als "Geringverdiener" das kostenlose Angebot der Tauschbörsen sehr attraktiv. Man benötigt für die Benutzung der Tauschbörsen weder eine kostenpflichtige Soft- oder Hardware noch einen Breitbandanschluss, der beispielsweise für Downloads von Filmmaterial erforderlich ist. 15 3.2 Die deutsche Phonowirtschaft in Zahlen Nachfolgend werden einige Auszüge aus der "Brennerstudie 2005" und dem "Jahreswirtschaftbericht 2004" der deutschen Phonoverbände vorgestellt, die die aktuelle wirtschaftliche Situation der deutschen Musikindustrie darstellen. Die "Brennerstudie 2005" ist vom Bundesverband der phonographischen Wirtschaft e.V. (IFPI), dem auch die sogenannten "Majors" Sony, Universal, Warner, EMI und BMG angehören, in Auftrag gegeben worden. Sie basiert auf einer schriftlichen Umfrage, die im Januar 2005 unter 10.000 Personen durchgeführt wurde. Die Gruppe der Befragten repräsentiert 63,7 Mio. Deutsche ab 10 Jahren. Die Darstellungen lassen erkennen, dass zwar eine Stagnation der Umsatzverluste stattgefunden hat und die Talsohle erreicht ist, aber dies geschieht letztendlich auf einem extrem hohen Niveau. Mit dieser Stagnation gibt sich die Musikindustrie nicht zufrieden, stattdessen baut sie weiterhin vor allem auf Verknappungsmaßnahmen sowie auf "legale" Musik-Shops. 15 Vgl. hierzu auch Kap. 3.2 und 8.3.4 12 3.2.1 Nutzung von Musiktauschbörsen 3.2.1.1 Arten der Downloads, 2004 16 3.2.1.2 Anzahl der Downloads, 2000-2004 17 (in Mio. Stück) 700 622 602 600 492 500 475 400 3 16 300 200 100 0 2000 2001 2002 2003 2004 Im Jahr 2004 wurden über 100 Mio. Musikstücke weniger als im Vorjahr gedownloadet. Dies schreibt die Musikindustrie zum Einen der Abschreckung durch Strafverfolgungen und zum Anderen den kommerziellen, "legalen" Musikportalen zu. 16 17 Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf]. Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-581.htm]. 13 3.2.1.3 Anzahl der Musiktauschbörsennutzer, 2004 18 Basis: 63,7 Mio. priv. Deutsche ab 10 Jahre * kostenpflichtig / kostenlos * 04/00 – 03/01 Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Musiktauschbörsennutzer im Jahr 2004 nicht weiter erhöht und ist mit 7,3 Mio. konstant geblieben. Eine Analyse der Kaufverhaltensänderungen hat gezeigt, dass im Jahr 2004 bei Downloadern und Brennern ein stärkerer Rückgang ihrer Ausgaben für Musik zu verzeichnen ist, als dies im Gesamtmarkt zu beobachten war. 19 Während es z.B. für Musik-Singles im Gesamtmarkt 23% weniger Ausgaben waren, konnte bei Brennern und Downloadern ein Rückgang von sogar 28% festgestellt werden. Etwa ein Fünftel der Befragten deckt seinen Musikbedarf ausschließlich über das Brennen und Herunterladen. 20 18 Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf]. In der obigen Graphik wird nur die Anzahl der Downloader dargestellt, nicht die der Brenner. Die genannte Analyse der Kaufverhaltensänderungen bezieht sich jedoch sowohl auf die Brenner als auch auf die Downloader. Etwa jeder dritte Deutsche, d.h. über 21 Mio. Personen, hat im Jahr 2004 Musik gebrannt. Dies sei jedoch nur am Rande genannt, da im Fokus dieser Arbeit nicht die Brenner stehen, sondern die Downloader. 20 Vgl. ebd. 19 14 3.2.1.4 Altersstruktur der Musiktauschbörsennutzer, 2004 21 Basis: 63,7 Mio. priv. Deutsche ab 10 Jahre Wie auch in den Vorjahren, ist es 2004 primär wieder die Gruppe der 20-29jährigen, die als besonders musikaffin einzuordnen ist, die mit 26 % am häufigsten Musiktauschbörsen nutzt. Bei Frauen und bei den Personen, die älter als die Kernzielgruppe sind, ist ein leichter Zuwachs zu erkennen. 21 Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf]. 15 3.2.2 Umsatzverluste der Musikindustrie 3.2.2.1 Gesamtumsatz des Phonomarktes in Deutschland, 1995-2004 22 (Endverbraucherpreise inkl. Mehrwertsteuer) 3.000 2.472 2.500 2.587 2.574 2.500 2.393 2.490 2.220 1.956 in Mio. Euro 2.000 1.648 1.589* 168 165 1.500 1.000 500 286 235 161 135 148 140 145 140 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Verbandsstatistik Sonstige Marktteilnehmer *inkl. Downloads Der Umsatz ist im Jahr 2004 nur noch um 3,6 % gefallen. Im Gegensatz hierzu ist der Umsatz in den vergangenen Jahren um etwa 20 % gesunken. Demnach hat sich der Markt sogar etwas stabilisiert. 22 Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-581.htm]. 16 3.2.2.2 Wert von Downloads und Musikkopien für die Musikindustrie, 2004 23 (Endverbraucherpreise in Mio. Euro) 50 200 570 4.530 Privatkopie (legal) Schulhofpiraterie Internetpiraterie Traditionelle Piraterie Nach dieser Studie betrug der Umsatzwert für Downloads aus Musiktauschbörsen im Jahr 2004 etwa 570 Mio. Euro. Wären die gesamten kopierten Inhalte regulär im Einzelhandel verkauft worden, hätten sie einen Umsatzwert von etwa 5,5 Milliarden Euro erreicht. 24 Jedoch kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass jede Kopie einen Kaufverlust darstellt. Insofern ist diese Hochrechnung rein hypothetisch. 4. Ethische und juristische Bedenken gegen Musiktauschbörsen 4.1 Mit Verletzung des Urheberschutzes der Entwicklung der Digitalisierung, der P2P-Technologie sowie dem Datenkomprimierungsformat MP3 sind Rahmenbedingungen für jeden geschaffen worden, Urheberrechte zu umgehen. Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der digitalen Musik, in dem die Digitalisierung bereits Anfang der 80er Jahre ihren Ausdruck 23 Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-581.htm]. Der Betrag von 570 Mio. Euro als Umsatzwert für Downloads aus Musiktauschbörsen im Jahr 2004 bezieht sich vermutlich auf die Situation, dass durch eine entsprechende Nutzung der "legalen" Musikportale dieser Umsatz erreicht worden wäre. Anders ist der im Folgenden genannte Umsatzwert für den Einzelhandel (5,5 Milliarden Euro) nicht zu erklären. 24 17 im Tonträgerformat der "Compact Disc" gefunden hatte. Ein Eingreifen in das jährlich milliardenfache Tauschen von Musikfiles über P2P-Tauschbörsen, die mit radikal dezentralisierten P2P-Netzwerken arbeiten und daher nicht "abzuschalten" sind, gestaltet sich als besonders schwierig. 25 Der Umstand, dass die gesamte Informationswirtschaft einen immer größer werdenden Anteil am Gesamtumsatz durch Aufbereitung und Handel mit bereits vorhandener Information erwirtschaftet, erklärt ihr großes Interesse an einer Reklamation von Urheberrechtsansprüchen für jene Informationsgüter. 26 Der neue digitale Markt ist ohne die Musikwirtschaft eröffnet worden und droht nun den kommerziellen Markt, der von urheberrechtlichen Ansprüchen lebt, einzuverleiben. Obwohl diese Entwicklung abzusehen war, ist darauf lange Zeit weder in wirtschaftlicher noch in juristischer Hinsicht reagiert worden. Die Musikindustrie wehrt sich gegen die von ihr so genannte "Musikpiraterie" mit Massenklagen gegen Tauschbörsennutzer. In den letzten zwei Jahren wurde das deutsche Urheberrecht zugunsten der Verwertungsindustrie soweit geändert, dass ein unautorisiertes Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikdateien aus dem Internet per Gesetz eine kriminelle Handlung darstellt und somit das rechtliche Vorgehen gegen "Musikpiraten" erleichtert. Ferner wird es von der Musikwirtschaft als Verstoß nicht nur gegen bestehendes Recht, sondern auch gegen gesellschaftlich allgemein anerkannte Prinzipien gesehen, wie z.B. das des geistigen Eigentums, für das es in der "realen" Welt schließlich eine breite Zustimmung gibt. [Kuhlen 2002: 2] Die Musikindustrie in ihrer bisherigen Form steht auf dem Spiel, was sich an dem Umsatzeinbruch von etwa 20% in den letzten Jahren wiederspiegelt. Dem gegenüber stehen Repräsentanten der anderen Seite, wie z.B. Teilnehmer des GNU- Projektes 27 , die der Überzeugung sind, dass eigentumsrechtliche Kontrolle von Wissen und Information zu bekämpfen sei, mehr noch, sie sehen den freien Zugang zu Informationsressourcen sogar als ethische Pflicht. In dem GNU-Manifest findet sich z.B. folgende Ansicht über die Nutzungskontrolle von Computerprogrammen: "Die schädlichen Auswirkungen einer 25 Vgl. hierzu auch Kap. 5.2. Beispielsweise wird nicht nur ein Original-Album veröffentlicht, sondern zunehmend werden einzelne Songs auch durch Klingeltöne, CD-Compilations oder Musikvideos aufbereitet, was zu einem höheren Gesamtumsatz führt. 27 Der Amerikaner Richard M. Stallman hat 1984 das GNU-Projekt ins Leben gerufen. Sein Ziel war es, ein vollständiges Unix-artiges System auf Basis Freier Software zu schaffen. Vgl. hierzu auch [http://www.gnu.org/home.de.html]. 26 18 bewußten Beschränkung sind eine bewußte Form von Zerstörung. Der Grund, weshalb ein guter Bürger derart destruktive Mittel nicht anwendet, um reich zu werden, ist, daß, wenn dies jeder täte, wir alle durch die wechselseitige Zerstörung ärmer würden." 28 4.2 Förderung einer "Gratismentalität" Die Vertreter der Verwertungsindustrie kritisieren zunehmend eine sogenannte "Gratismentalität" im Medium Internet, die insbesondere durch die kostenlosen Musiktauschbörsen gefördert wird. Nutzer des Internets, so die Meinung von Kritikern, gehen immer grundsätzlich davon aus, dass Information dort kostenlos erhältlich sei. Die Gegner dieser "Gratismentalität" sehen darin das konstitutive Merkmal des Internets und fühlen sich dadurch in ihrer Existenz bedroht, wie z.B. die Musikindustrie, deren Interesse an einer kommerziellen Verwertung von digitaler Musik dem entgegen steht. [Lütke 2003: 350f]. Dieser sehr subjektiv geprägte Begriff "Gratismentalität" weist auf den allgemeinen Zustand hin, dass sich in unserer Gesellschaft ein gravierender Wandel vollzieht. Die bisherigen Prinzipien der Marktwirtschaft gelten für den Handel mit endlichen Ressourcen, entweder in Form von physischen Waren oder aber in Form von Dienstleistungen, die z.B. Zeit als endliche Ressource beinhalten. Es handelt sich um Konsumgüter, die nach dem Tausch zwischen Verkäufer und Käufer in der Regel den Besitzer wechseln und anschließend verbraucht werden. Die Konsistenz von Information ist jedoch eine andere. Aufgrund dieser Tatsache werden die "alten" marktwirtschaftlichen Prinzipien dem sich neu formierenden Informationsmarkt nicht mehr gerecht. Weder nutzt Information sich im Gebrauch ab noch wechselt sie den Besitzer. Im Gegenteil: Sie multipliziert sich im Gebrauch, da an die Stelle von 1:1Beziehungen des bisherigen marktwirtschaftlichen Prinzips 1:n-Beziehungen treten. Besonders deutlich zeigt sich dieser Umstand bei den P2P-Musiktauschbörsen, bei denen ein Musiktitel an theoretisch unendlich viele Personen verteilt werden kann, ohne dass dieser jemals den "Besitzer" wechselt. Wir partizipieren also an der Information, konsumieren sie jedoch nicht. Insofern befinden wir uns nicht nur im Wandel von einer Industriegesellschaft zu einer Informationsgesellschaft, sondern auch im Wandel von einer Konsumgesellschaft zu einer Partizipationsgesellschaft. [Zappe 2003: 48f] 28 Vgl. [http://www.gnu.de/mani-ger.html]. 19 Diese unendliche Verteilungsmöglichkeit auch von urheberrechtlich geschütztem Material im weltweiten Datennetz bedeutet für die Musikindustrie einen erheblichen Kontrollverlust über die proprietäre Verwertung von Musik. Sie versucht jedoch mit Verknappungsmaßnahmen der von ihr so bezeichneten Gratismentalität infolge dieser unendlichen Verteilungsmöglichkeit einen unendlichen Mehrwert entgegenzusetzen. Obgleich der Arbeits- und Materialwert als Tauschwert eines digitalen Musiktitels gegen Null geht 29 , beansprucht die Musikwirtschaft für jeden einzelnen Musiktitel, der in kommerziellen Online-Musikshops angeboten wird, eine Lizenzgebühr von 30 durchschnittlich etwa einem Euro . Die Einen bezeichnen es als "Gratismentalität". Für andere bedeutet es jedoch, dass im Zeitalter der Digitalisierung ein potenziell unendlicher Mehrwert für Informationsgüter, z.B. einer MP3-Datei, entstanden ist, der die bestehenden marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht mehr rechtfertigt. 4.3 Verbreitung krimineller Informationen Dezentrale P2P-Netzwerke eignen sich dazu, digitale Informationen jeglicher Art zur Verbreitung im Internet zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich nicht ausschließlich um Musik- und Filmdateien, sondern auch um kriminelle Dateien, wie z.B. Kinderpornographie oder Nazipropaganda. Diese profitieren in der Umgebung von Tauschbörsen, wie alle anderen Dateien auch, von der weitgehenden Anonymität der dezentralen Netzwerke. Ferner werden Kinderpornographie und andere kriminelle Dateifiles oftmals mit harmlosen Namen versehen, die in keiner Weise auf den Inhalt schließen lassen. Dies macht eine Filterung der Dateien nahezu unmöglich. Auch die Musikindustrie artikuliert die mögliche ungehinderte Verbreitung solch problematischer Inhalte als Argument gegen Musiktauschbörsen: "Außerdem findet man in sogenannten 'Tauschbörsen' nicht nur massenhaft illegale Angebote von Musik und Filmen, die urheberrechtlich geschützt sind, sondern auch sehr viel pornographisches 29 Im Prinzip kann man sagen, dass außer für die Aufrechterhaltung des Internets höchstens noch für die Pflege des DRM-Systems und vielleicht für den Service Kosten und Arbeitskraft aufgewendet werden. 30 Wenn man bei dem Preis von einem Euro ein ganzes Album mit etwa 10-15 Songs downloaden möchte, ist man etwa bei dem Preis angelangt, den man im Einzelhandel auch bezahlen würde. 20 und gewaltverherrlichendes Material. Sicher ist hingegen die Nutzung legaler Angebote." 31 Der Geschäftsführer des Peer-to-Peer-Verbandes "P2P United", Adam M. Eisgrau, reagierte auf Vorwürfe dieser Art mit Unverständnis gegenüber dem neuen Anti-PornoEngagement der Musikindustrie: "Es sei eine Schande für die Musikindustrie, die Milliarden damit verdiene, den sexuellen Missbrauch von Frauen und Minderheiten zu glorifizieren und Schläger, Vergewaltiger und Schwerverbrecher zu Vorbildern zu machen, dieses Thema für die Durchsetzung ihrer Profitinteressen zu missbrauchen." [zit. nach: Krüger 2004] Doch prinzipiell ist der Einwand, dass P2P-Netzwerke die Verbreitung von kinderpornographischen oder rassistischen Inhalten vereinfachen, natürlich nicht von der Hand zu weisen, selbst wenn man der Musikindustrie andere Interessen unterstellen mag. Aufgrund dessen arbeiten die Betreiber von Musiktauschbörsen an der Weiterentwicklung von Filtermöglichkeiten, so dass z.B. Nutzer entsprechende Dateien kennzeichnen können oder sie diese direkt melden können. [Krüger 2004] Allerdings sollte eine systematische Klärung der normativen Dimensionen des Internets nicht durch eine Fixierung auf medienstarke Phänomene, wie beispielsweise Kinderpornographie im Internet, behindert resp. verzerrt werden. Aus diesem Grund werde ich auf dieses Thema, trotz der unbestreitbaren Wichtigkeit, im Folgenden nicht tiefer eingehen. 5. Napster & Co. 5.1 Napster: Aufstieg und Fall Der amerikanische, damals 19jährige Informatikstudent Shawn Fanning entwarf 1998 ein Konzept für eine Software, die er nach seinem Spitznamen "Napster" benannte. Er schuf hiermit eine gänzlich neue Technologie, die in den Folgejahren das Internet maßgeblich verändern sollte. 31 Vgl. [http://www.ifpi.de/news/news-601.htm]. 21 Der Zweck dieses "person-to-person-non-commercial file sharing", kurz P2P, war der kostenlose Tausch von MP3-Musikfiles durch Privatpersonen über das Internet: Alle der bei "Napster" registrierten Personen sollten auf bestimmte, freigegebene Ordner der lokalen Festplatten anderer User zugreifen und dort Musikdateien downloaden können. Anfang 1999 brach Fanning sein Studium ab und widmete sich von diesem Zeitpunkt an fünf Monate lang ununterbrochen der Entwicklung von Napster. Als er die Vorabversion der Software ins Netz stellte, war der Erfolg durchschlagend. Gemeinsam mit Freunden gründete er noch im Jahr 1999 die Firma "Napster Inc.". [Renner 2004: 154f.] Innerhalb von etwa zwei Jahren belief sich die Zahl der Anhänger von Napster auf weltweit ca. 60 Millionen, davon allein 2 Millionen in Deutschland. [Mayer 2003: 1] Durch Zusatzangebote wie z.B. Hintergrundinformationen zu Bands und Musikstücken sowie Chatmöglichkeiten für die Musikfans, wurde die Tauschbörse noch attraktiver gestaltet mit dem Ziel, dass sich Napster.Inc. irgendwann allein über Werbeeinnahmen finanzieren könne. Zu Fall kam Napster im Jahr 2000, als die Musikindustrie das Unternehmen mit Urheberrechtsklagen überhäufte und Schadensersatz von insgesamt mehreren Milliarden US-Dollar forderte. Die Majors der Musikbranche beriefen sich diesbezüglich auf das bei Napster vorhandene Verzeichnis aller angebotenen Musikdateien. Denn Napster war nur scheinbar dezentral organisiert, es verfügte jedoch über ein zentrales Serversystem, in dem automatisch alle angebotenen Musikfiles registriert wurden. Ein US-Gericht hat im März 2001 entschieden, dass alle illegal angebotenen Musikstücke herauszufiltern seien. Napster war gezwungen, etwa 1,3 Millionen Musikdateien zu sperren. Viele User wendeten sich daraufhin ab, denn es gab zu diesem Zeitpunkt mittlerweile andere Musiktauschbörsen, wie z.B. gnutella.com oder morpheus.com, die die Idee von Napster weiterentwickelt hatten. Diese arbeiteten komplett dezentral und waren somit rechtlich so gut wie nicht mehr zu belangen. Trotz der Kooperation mit dem Unternehmen Bertelsmann 32 und der damit einhergehenden Finanzierungshilfen meldete Napster 2002 Konkurs an. [Renner 2004: 157f] Abgeschaltet wurde Napster im Juli 2001. 33 32 Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Bertelsmann, Thomas Middelhoff, kündigte im Oktober 2000 die Kooperation mit Napster an: Er strebte den legalen Vertrieb der Musikrechte sämtlicher Plattenfirmen an. Mit dieser Kooperation stellte er sich auch gegen das BertelsmannTochterunternehmen BMG als eines der Majors in der Musikbranche, das anfangs ebenso wie die anderen Majors gegen Napster klagte. Für sein Ziel der Legalisierung wie Kommerzialisierung der 22 5.2 Dezentrale P2P-Netzwerke Wie bereits in Kap. 3.1 erwähnt, arbeitete Napster noch mit einem zentralen Serversystem und ist demnach als ein zentrales P2P-Netzwerk zu bezeichnen. Obschon es den Usern dezentral erschien, wurde bei jedem Login resp. Logout eine Liste auf dem jeweiligen Server aktualisiert, welche die Namen der angebotenen Musikdateien sowie die der Anbieter beinhaltete. Dieser zentrale Knotenpunkt bedeutete zum Einen, dass das Netzwerk in Abhängigkeit zu jenem steht und dementsprechend auch für technische Störungen anfälliger ist als vollkommen dezentrale Netzwerke. Zum Anderen, und das war die Ursache für das Scheitern von Napster, stellt es keinerlei Schwierigkeit dar, infolge von gerichtlichen Beschlüssen und der gegebenen Verantwortlichkeit der Netzbetreiber, zentrale P2P-Netzwerken "abzuschalten". Dezentrale P2P-Netzwerke hingegen arbeiten ohne einen zentralen Server. Die Anfrage nach einem bestimmten Musikstück geht von einem User und seiner Offerte zum nächsten User, bis die gesuchte Datei gefunden wird und heruntergeladen werden kann. Aufgrund dieser dezentralen Selbstverwaltung können diese Netzwerke faktisch nicht "abgeschaltet" werden. [Mayer 2003: 8f] Stattdessen müssen einzelne Nutzer mit illegalen Angeboten ausfindig gemacht werden, um wegen Verletzung des Urheberrechts Anklage gegen sie erheben zu können. Bei derzeit deutschlandweit etwa 5,8 Millionen Tauschbörsennutzern 34 stellt dies allerdings eine Sisyphusarbeit dar, auf die sich die Musikindustrie in Form eines Kleinkriegs dennoch eingelassen hat. 1300 Strafverfahren sind vom IFPI Bundesverband in den letzten Jahren gegen Tauschbörsennutzer eingeleitet worden. 35 Ferner werden zunehmend auch legale Musikplattformen im Internet angeboten, bei denen die Nutzer nicht kostenlos untereinander tauschen, dafür aber Musikstücke für einen durchschnittlichen Preis von etwa 1 Euro legal erwerben können. Musiktauschbörse benötigte Middelhoff als Kapital die exorbitant gewachsene Nutzergruppe von Napster. Parallel dazu klagte die Musikindustrie jedoch weiter und Bertelsmann gewährte Napster ein Darlehen von 50 Millionen Dollar, damit es den wachsenden Kosten des rechtlichen Streits standhalten konnte. Das Projekt scheiterte jedoch letztendlich an dem Gerichtsbeschluss vom 5. März 2001 (s.o.), woraufhin Middelhoff als Vorstandsvorsitzender zurücktrat. Vgl. [Renner, 2004: 155ff] und [Kuhlen 2002: 13]. 33 Vgl. [http://www-test-zdf.dbc.zdf.de/ZDFheute/inhalt/13/0,3672,2076525,00.html]. 34 Diese Zahl errechnet sich aus den Ergebnissen der IFPI-Brennerstudie. Etwa 80% der 7,3 Mio. Musikdownloader in Deutschland sind illegalen Musiktauschbörsen zuzuordnen. Die Zahlen im Internet variieren jedoch sehr stark. 35 Vgl. [http://www.ifpi.de/news/news-611.htm]. 23 5.3 Kommerzielle Internet-Musikshops und "Digital Rights Management" Seit etwa 2003/2004 haben sich die ersten kommerziellen Musikshops im Internet etabliert, wie z.B. itunes connect-europe finetunes musicload musicdownloads.aol napster 2.0 36 medionmusic [Remien 2004] Hinter vielen von Ihnen stehen große Musikkonzerne, die nach dem großen Umsatzverlust der letzten Jahre die Initiative ergriffen haben, den Downloadern überhaupt erst einmal die Nutzung legaler Internetplattformen zu ermöglichen. Die mit der bislang größten Nutzerreichweite ist I-Tunes, die Musikplattform des Computerherstellers Apple, der derzeit etwa 700.000 Musiktitel zum Download anbietet 37 . Im Jahr 2004 sind allerdings nur 1,8 % der Musikdownloads aus legalen Quellen bezogen worden. 38 Darüber hinaus sind die Musikplattformen Phonoline und Popfile, von denen sich die Musikindustrie anfangs viel versprochen hatte, bereits nach kurzer Zeit wegen geringem Erfolg eingestellt worden. Dies zeigt, dass die von der Wirtschaft angebotenen Inhalte in ihrer bisherigen Form noch nicht ausreichend den Bedürfnissen und Anforderungen der Kunden entsprechen. Diese "legalen" Musikshops im Internet basieren nicht auf der P2P-Technologie, sondern stellen ein zentral organisiertes sowie monetäres Angebot für Musikfans dar. Hier kommt Digital Rights Management zum Einsatz, im Folgenden DRM genannt, das sowohl die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musik kontrolliert als auch eine entsprechende Bezahlung durch den Downloader sicherstellt. DRM-Systeme fungieren als 36 Von dem Unternehmen Roxio ist der Name "Napster" nach dem Fall dieser ersten weitreichenden Musiktauschbörse gekauft und zu einem legalen Musikangebot umgewandelt worden. 37 Allein im Markteintrittsjahr 2004 verkaufte Apple mit dem Musikportal I-Tunes etwa 200 Mio. Songs. Vgl.[http://www.wdr.de/themen/computer/schiebwoche/2004/index_52.jhtml?rubrikenstyle=comp uter]. 38 Vgl. [http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf]. 24 Schutzmechanismen für urheberrechtlich geschützte, digitale Informationen. Eine breite Anwendung findet DRM primär bei digitalen Unterhaltungsmedien wie z.B. Musik und Film. Es ermöglicht eine vollautomatische Bestellung inklusive individuelle Abrechnung sowie die Auslieferung an den Endnutzer. Durch unterschiedliche DRM-Verfahren kann die weitere Nutzung der z.B. in einem Online-Musikshop "gekauften" Musikdateien auch dann noch kontrolliert werden, wenn der Kaufvorgang abgeschlossen ist und sich die Datei bereits auf der Festplatte des Käufers befindet. In der Regel funktioniert die Nutzungskontrolle über spezielle Dateiformate, die eine Verschlüsselung beinhalten, z.B. ein digitales Wasserzeichen. Eine entsprechende Entschlüsselung, Voraussetzung für eine Nutzung, erfordert zum Einen spezielle Programme und zum Anderen einen individuellen Code. 39 In der Entwicklung sind Systeme, bei denen vor jeder Art von Nutzung urheberrechtlichen Materials eine Anfrage an einen zentralen Server gestartet wird, ob der Nutzer bereits über die Nutzungsrechte verfügt oder ob er sie noch erwerben muss. Von vielen Kritikern wird DRM nicht als "Digital Rights Management" angesehen, sondern vielmehr als "Digital Restriction Management" bezeichnet. Sie sehen in verschiedenen Punkten eine nicht vertretbare Beschneidung von Rechten der User, z.B.: Verletzung des Datenschutzes Mit DRM-Systemen ist eine Erstellung von Nutzerprofilen möglich, von denen der Nutzer in der Regel weder etwas weiß noch hat er eine legale Alternative, da alle kommerziellen Musikportale mit DRM-Systemen arbeiten. Keine ausreichende Gewährleistung der Nutzungsrechte Viele DRM-Systeme sind technisch noch nicht ausgereift, so dass rechtmäßig erworbene Musikdateien sich oftmals nicht auf allen Geräten abspielen lassen, wie z.B. bei tragbaren CD-Playern oder Autoradios. Privatisierung des Urheberrechts Seit der Urheberrechtsnovelle im Jahr 2003 liegt die Durchsetzung von proprietären Ansprüchen mit Hilfe von technischen Schutzmaßnahmen allein in der Hand der Wirtschaft. Kritiker fordern daher vom Gesetzgeber eine Form der Regulierung von DRM-Systemen, die eine Willkürlichkeit der Unternehmen 39 Vgl. [http://www.privatkopie.net/files/guennewig230103.pdf]. 25 hinsichtlich der Preispolitik, des Datenschutzes und der Zugangskontrolle verhindert. Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit Die wissenschaftliche Freiheit und somit auch der technologische Fortschritt ist insofern gefährdet, als dass Wissenschaftler sich nach dem neuen Urheberrecht bereits strafbar machen, wenn sie "Lücken" von DRM-Systemen veröffentlichen. An die Stelle der Förderung von Wissenschaft und Technologie und somit auch der Verbesserung von Produkten, tritt eine Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit. Wer sich dem widersetzt, muss mit rechtlichen Sanktionen rechnen. 40 Das Gleiche gilt natürlich auch für Journalisten, die aufgrund einer solchen Veröffentlichung in ihrer Pressefreiheit beschnitten werden können. DRM stellt durchaus eine Möglichkeit für neue Geschäftsmodelle der Musikwirtschaft dar. Allerdings müssen Kompromisse zwischen den einzelnen Parteien ausgehandelt werden, die auch die Rechte der Endnutzer wahren. Nur dann ist eine Bezeichnung als "Digital Rights Management" auch gerechtfertigt. 6. Urheberrecht 6.1 Begriffkennzeichnung 6.1.1 Urheberrecht und Copyright Das kontinentaleuropäische Urheberrecht stellt, wie der Name bereits sagt, den Urheber in den Mittelpunkt des Rechts. In der traditionellen Auffassung ist der Schutz des Schöpfers und des von ihm geschaffenen Werkes der Zweck von Urheberrechten. Hierbei bedürfen Ausnahmen von dieser Regel in jedem Fall einer profunden Begründung. Das 40 Als aktuelles Beispiel ist die Klage von einigen großen Musiklabels gegen den Heise-Verlag zu nennen. Heise hatte in einem Online-Artikel einen Link auf die Webseite des ausländischen Softwareentwicklers Slysoft gesetzt, der den in Deutschland verbotenen Kopierschutzknacker AnyDVD anbietet. Das Gericht hat im Juli 2005 entschieden, dass Heise den Link entfernen muss, da eine Umgehung von Kopierschutz somit erleichtert werden würde. Daraufhin hat der Verlag Berufung eingelegt. Weitere Ergebnisse resp. Entscheidungen liegen noch nicht vor. Vgl. hierzu auch [http://www.heise.de/heisevsmi/]. 26 heißt demnach, dass jede Form von Veröffentlichung, Gebrauch und Veränderung des Werkes immer der Einwilligung des Urhebers bedarf. Etwas anders sieht es allerdings das angelsächsische "Copyright" vor: Das Recht "to copy" 41 ist gebunden an den gesellschaftlichen Nutzen des Werkes, wobei dieser als wesentlich signifikanter eingestuft wird als die Schutzrechte des Autors. Zugunsten des gesellschaftlichen Nutzens wird der Künstler zwar finanziell entlohnt, sein Einfluss auf sein individuelles Werk sinkt damit allerdings. Denn seine Rechte können vollständig auf Personen oder Institutionen transformiert werden, die das Werk veröffentlichen. Geschützt wird im Fall des Copyright primär der Rechteinhaber, nicht der Künstler. Diese schwache rechtliche Bindung zwischen dem Schöpfer und seinem Werk lässt die starken ökonomischen Interessen hinter dem "Copyright" erkennen 42 . [Kuhlen 2004: 322f] Anzumerken ist allerdings auch, dass beim Urheberrecht Rechteübertragung aufgrund eines gesellschaftlichen Nutzens sich in vielen Fällen als schwierig erweist, da sie immer abhängig ist von der Gunst des Künstlers. In Anbetracht der Veränderungen des deutschen Urheberrechts in den letzten Jahren 43 kann man allerdings feststellen, dass das deutsche Urheberrecht immer mehr dem Copyright angeglichen wurde. Wenngleich der traditionelle Begriff des Urhebers bislang unangetastet blieb, wurden im Rahmen der letzten EU-Körbe die Interessen der Verwertungsindustrie immens gestärkt. [Kuhlen 2004: 324f] Auf diesen Aspekt gehe ich in Kap. 4.3 näher ein. 6.1.2 Geistiges Eigentum Das kontinentaleuropäische Urheberrecht in der heutigen Form geht zurück auf Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert. Er entwickelte ein Verfahren, mit gegossenen und beweglichen Lettern Papier zu bedrucken. Erstmals wurden infolge dieses Vervielfältigungsverfahrens Veröffentlichungsrechte an Drucker und Verleger verliehen. Erst im 16. Jahrhundert entstanden aus den Verleihrechten die sogenannten Autorenrechte, die bis heute Kern des europäischen Urheberrechts darstellen. 44 41 Schon die Bezeichnung "Copyright" lässt auf eine gänzlich andere Bedeutung als die des "Urheberrechts" schließen: hier steht nicht mehr das Recht des Urhebers im Vordergrund, sondern das Recht desjenigen, welcher Kopien eines Werkes erstellt resp. erstellen möchte. 42 Laut [Kuhlen 2003a: 12] hat die Copyright-Industrie in den USA im Jahr 2001 5,2% des Bruttosozialprodukts erwirtschaftet, was einem Umsatz von 535 Mrd.$ entspricht. 43 Vgl. hierzu Kap. 6.2. 44 Vgl. [www.geschichte.hu-berlin.de/nutzerhi/urhg/]. 27 Die endgültige Durchsetzung der "Auffassung von der Kreativität als unveräußerliches Menschenrecht und die Notwendigkeit seines rechtlichen Schutzes" 45 sowie die Diskussion um das Interesse der Allgemeinheit an dem geistigen Eigentum begann jedoch erst im 18. Jahrhundert 46 . Nach einer Definition der "World Intellectual Property Organisation" (WIPO) bezieht sich der Begriff des "geistigen Eigentums" in unserer heutigen Zeit auf geistige Werke in Form von • "literarischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Arbeiten, • Leistungen von Künstlern, • Erfindungen auf allen Gebieten der menschlichen Erkenntnis, • wissenschaftlichen Entdeckungen, • industriellen Designs, • eingetragenen Waren- und Dienstleistungsmarken, Handelsnamen und Kennzeichnungen, • allen weiteren Rechte aus intellektueller Tätigkeit in den Gebieten der Industrie, Wissenschaft, Literatur und Kunst." 47 Ein Werk muss die Persönlichkeit und Individualität des Schöpfers widerspiegeln, um als solches geschützt werden zu können. Nicht allein auf eine Idee kann der Anspruch des geistigen Eigentums erhoben werden, sondern zwingend ist die Veräußerung der Idee in etwas für andere Personen Wahrnehmbares. Die gewährten Rechte für den Urheber beziehen sich ebenso wenig auf das rein physische Werk, denn es stellt in diesem Kontext lediglich ein Trägermedium dar, ein zwar unabdingbares Werkzeug zur Werkschöpfung, was jedoch zählt, ist der geistige Inhalt des Werkes. Darüber hinaus wird zwischen "gewerblichem Eigentum" und Schöpfungen, welche durch das Urheberrecht geschützt werden, wie folgt unterschieden: 45 Vgl. [www.microsoft.com/germany/piraterie/ urheberschutz.mspx]. Die 1785 von Immanuel Kant publizierte Schrift "Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks" stellte hier sicherlich einen signifikanten Eckpfeiler in der Entstehung eines persönlichkeitsrechtlichen Verständnisses des Urheberrechts dar. 47 Zit. nach: [http://www.microsoft.com/germany/piraterie/wasist.mspx]. 46 28 Gewerbliches Eigentum Urheberrecht Erfindungen (Patente) Markennamen (Handels- und Dienstleistungsmarken) Industrielles Design Geographische Angaben (Quellenangaben und Ursprungsbezeichnungen) [Becker 2002: S.72f] Künstlerische Werke Literarische Werke Wissenschaftliche Werke Neben den künstlerischen, literarischen und wissenschaftlichen Schöpfungen werden durch das Urheberrecht auch Computerprogramme, Datenbanken und Sammlungen 48 geschützt. Folgende Werkformen sind als schützenswert in das deutsche Urheberrechtsgesetz aufgenommen worden: "Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme, Werke der Musik, pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst, Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke, Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden, Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden, Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen." [URHG: §2] 6.1.3 GEMA – als Verwerter urheberrechtlich geschützter Musik Die deutsche " Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte", im Folgenden GEMA genannt, verwaltet als Verwertungsgesellschaft die Nutzungsrechte der Musikschaffenden im Bereich Unterhaltungsmusik. Weitere Verwertungsgesellschaften sind z.B. "VG Wort", "VG Bild-Kunst" oder "VG für 48 Datenbanken und Sammlungen werden gemäß deutschem Urheberrechtsgesetz §4, Abs.1-2 als eigenständiges Werk geschützt, sofern sie aufgrund der Auswahl und Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. 29 Nutzungsrechte an Filmwerken mbH". Von den insgesamt acht deutschen Verwertungsgesellschaften in den Bereichen Musik, Film, Text und Bild ist die GEMA die größte und ökonomisch signifikanteste Verwertungsgesellschaft. Sie fungiert als wirtschaftlicher Verein, d.h. die GEMA darf zwar Gewinne erwirtschaften, muss diesen jedoch reinvestieren, z.B. in die Förderung von Nachwuchsmusikern. Als eine staatlich anerkannte Institution unterliegt sie der Aufsicht des Deutschen Patentamtes, des Bundeskartellamtes, des Berliner Justizsenators und der Mitgliederversammlung der GEMA. Zum Einen ist es ihre Aufgabe, den Erwerb von Rechten an Dritte zu ermöglichen. Dies gilt selbstverständlich für Privatpersonen, die z.B. eine CD erwerben, als auch für Rundfunk, Fernsehen, Gastronomie, Musikveranstalter etc.. 49 Zum Anderen leitet sie die Lizenzbeiträge an die Musikschaffenden und –verleger weiter. Die GEMA versteht sich als Vermittlungsstelle, die keinerlei Gewinne erzielt. Nach Abzug der Verwaltungskosten gehen die überschüssigen Einnahmen an die Urheber. Die folgende Grafik soll den Prozess der Rechteverwertung veranschaulichen: Nutzungsrechte Rechteinhaber Nutzungsrechte GEMA Vertrag Nutzer Vergütung Vergütung Die rechtliche Basis für die GEMA, wie auch für alle anderen Verwertungsgesellschaften in Deutschland, ist das "Urheberrechtswahrnehmungsgesetz". Auf der einen Seite Instrument für einen finanziellen Ausgleich zwischen Urheber und Nutzer, auf der anderen Seite sind hier Rechte als auch Pflichten der GEMA festgelegt. 50 49 Für die Erwerbung von Musikrechten durch gewerbliche Unternehmen müssen Pauschalbeträge an die GEMA gezahlt werden, die sich individuell aus einem komplizierten Berechnungsschlüssel ergeben. Die Privatperson bezahlt einen GEMA-Pauschalbetrag von etwa 6 % des Ladenverkaufspreises einer CD. 50 Vgl. [www.gema.de/wirueberuns/]. 30 6.2 Auswirkungen der EU-Richtlinie 2001/29/EG auf das Urheberrecht Im Folgenden werden die Auswirkungen der Umsetzung der vom Europäischen Parlament und des Europäischen Rates beschlossenen EU-Richtline 2001/29/EG skizziert. Da einige Inhalte dieser Richtlinie hinsichtlich der Umsetzung in nationales Recht an eine Frist gebunden waren, wurde sie zunächst nur teilweise, in Form des "1. Korbes", das deutsche Urheberrecht angepasst. Der Entwurf für den 2.Korb der Urheberrechtsnovelle wird nicht mehr vor den geplanten Neuwahlen im September 2005 als Regierungsentwurf beschlossen werden, da die Durchsetzung eines auf Ausgleich der verschiedenen Interessen gerichteter Gesetzentwurf in Wahlkampfzeiten problematisch wäre. Nach den Wahlen soll das Gesetzgebungsverfahren jedoch zügig betrieben werden. 51 6.2.1 1. Korb der Urheberrechtsnovelle Am 13. September 2003 ist der 1. Korb der Urheberrechtsnovelle in Kraft getreten. Der 1. Korb umfasste die fristgebundenen Vorgaben der EU-Richtlinie 2001/29/EG, wie z.B. der geforderte Schutz von technischen Kopierschutzmaßnahmen. Im Wesentlichen sind die folgenden Urheberrechtsänderungen für Musiktauschbörsen im Internet von Relevanz: "Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird. (...)" [URHG: §53, Abs.1] Im §53 Abs.6 des "alten" Urheberrechtsgesetz hingegen war lediglich festgelegt, dass eine Verbreitung bzw. öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschütztem Material nicht erlaubt ist. Hinsichtlich des Downloads von MP3-Files in Musiktauschbörsen war dieser Verweis jedoch sehr umstritten, da unklar war, ob das Recht auf Privatkopie auch für offensichtlich rechtswidrig angebotene Vorlagen galt. Der neue §53 Abs.1 schließt nun auch solche Kopiervorlagen eindeutig aus. Zwar ist es einer MP3-Musikdatei nicht anzusehen, ob bei der Umwandlung in das MP3-Format eine "offensichtlich rechtswidrig 51 Diese Information basiert auf einer Aussage der BMJ-Pressestelle per Email vom 09.08.05. 31 hergestellte Vorlage" verwendet wurde, aber die Musikwirtschaft legt diesen Paragraphen so aus, dass das Downloaden von Musikfiles ohne Einwilligung der Verwerter grundsätzlich illegal ist. 52 "Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen." [URHG: §95a, Abs.1] "Technische Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird." [URHG: §95a, Abs.2] Mit dem §95a ist für eine Umgehung von Kopierschutzmechanismen, wie z.B. CDKopierschutz oder DRM, ein gesetzliches Verbot ausgesprochen worden. 53 Die Erstellung von Privatkopien, sei es auch nur für den engsten Familienkreis, kann theoretisch zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen, sofern man den Kopierschutz umgeht. 54 "Verboten sind die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und der 52 Vgl. [http://www.e-recht24.de/druck-1-72.html]. Es gibt natürlich Ausnahmen, wie z.B. für Vervielfältigungen auf Papier mittels photomechanischer Daten. Für digitale Werke gelten jedoch keine Ausnahmen. 54 Sobald jedoch eine Umgehung von Kopierschutz zu gewerblichen Zwecken vorliegt, muss der Täter sogar mit strafrechtlichen Folgen in Form einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe rechnen. Da bei Musiktauschbörsen jedoch keinerlei gewerbsmäßigen Zwecke vorliegen, werde ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. 53 32 gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die 1) Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder 2) abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder 3) hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern. (...)" [URHG: §95a, Abs.3] Geltend gemacht Dienstleistungen wird hier anzubieten, das Verbot, deren Vorrichtungen, primäres Ziel die Erzeugnissen oder Umgehung von Kopierschutzmechanismen ist. Mit dieser Neuerung ist das Recht auf Privatkopie faktisch abgeschafft worden. Zwar ist es durchaus erlaubt, sich weiterhin eine begrenzte Anzahl von Privatkopien anzufertigen, jedoch hat der Endnutzer bei dem Einsatz technischer Kopierschutzmechanismen kein Recht mehr darauf. Die Umgehung solcher Kontrollmaßnahmen ist als eine Straftat anzusehen. 6.2.2 2. Korb der Urheberrechtsnovelle Das Bundesministerium der Justiz hat am 12.01.2005 einen Referentenentwurf für den 2. Korb der EU-Richtlinie 2001/29/EG vorgelegt. Hierbei handelt es sich um die nicht fristgebundenen Aspekte, die den Mitgliedsstaaten zur Regelung überlassen werden. Der Referentenentwurf beinhaltet hinsichtlich des Kopierens von Musik im Wesentlichen folgende Punkte: Der Begriff der "rechtswidrig hergestellten Vorlage", siehe §53 Abs.1, wird um den der "rechtswidrig genutzten Vorlage" erweitert. Bisher gilt, dass eine Kopie illegal ist, wenn die Kopiervorlage bereits rechtswidrig hergestellt worden ist, wenn also z.B. bei der Vorlage der Kopierschutz umgangen wurde. Mit dem 2. Korb wird es ebenso unzulässig sein, wenn eine legal hergestellte Kopie zum Download in Musiktauschbörsen angeboten wird. Diese Erweiterung des Vorlagenbegriffs stellt klar, dass es sich in P2P-Tauschbörsen immer um 33 offensichtlich rechtswidrige Vorlagen handelt, deren Download in jedem Fall ein Verstoß gegen das geltende Gesetz darstellt. Es wird auch weiterhin keine Durchsetzung der Privatkopie gegen Kopierschutz geben. Technische Maßnahmen, wie beispielsweise DRM, werden vom Gesetzgeber als Selbstschutz der Verwertungsindustrie angesehen. Soweit private Kopien gesetzlich erlaubt sind 55 , darf der Konsument mit einer Pauschalvergütung auf Geräte und Speichermedien belastet werden, damit der Künstler für seine Einnahmeausfälle entsprechend entschädigt werden kann. Um jedoch für den Verbraucher keine Doppelbelastung entstehen zu lassen, dürfen keine Geräteabgaben gefordert werden, wenn keine Erstellung einer Privatkopie möglich ist. Die Höhe dieser Pauschalabgaben werden zukünftig nicht mehr vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sondern unter den Verbänden der Gerätehersteller und den Verwertungsgesellschaften ausgehandelt. Für diese Aushandlung werden jedoch gesetzliche Maßgaben verbindlich sein. Es soll darauf ankommen, in welchem Umfang Kopierschutz angewendet wird und Geräte zur Vervielfältigung überhaupt genutzt werden. Für die Beantwortung dieser Fragen fordert der Gesetzgeber Marktforschungsumfragen von den Beteiligten der Aushandlung. [BMJ 2005: 2ff] 7. Der informationsethische Diskurs 7.1 Motive für einen informationsethischen Diskurs über den Umgang mit Musik im Internet Ebenso wie in "realen" Lebensräumen entwickeln sich auch in dem neuen medialen Lebensraum des Internets bestimmte Umgangsformen des Miteinanders. Ein Beispiel für neue Umgangformen im Internet sind z.B. die sogenannten Netiquetten 56 oder aber auch 55 D.h. wenn keinerlei Kopierschutz vorliegt. Der Begriff der Netiquette/Netikette setzt sich zusammen aus "net" (Netz) und "Etikette" (Manieren). Netiquetten beschreiben Verhaltensregeln und es gibt sie für alle möglichen Formen 56 34 die für P2P-Netzwerke notwendige GRID-Technologie 57 : bei P2P-Tauschbörsen zeigt sich, und zwar auf globaler Ebene, die Bereitschaft einer großen Anzahl von Internetnutzern, fremden Personen auf der ganzen Welt einen Teil seiner Festplatte zu überlassen und hinsichtlich des Musiktauschs mit Ihnen eine gewissermaßen vertrauensvolle Allianz einzugehen. Dies gab es zuvor in solcher Form nicht. Ausgehend von diesen neuen Umgangsformen, sofern sie langfristig Akzeptanz finden, können sich mit der Zeit Normen hinsichtlich des Verhaltens in digitalen Räumen entwickeln. Natürlich leben wir auch weiterhin in "realen" Umwelten und aus diesem Grund bleiben die bisherigen Normen und Werte des gesellschaftlichen Miteinanders durchaus bestehen. Es lässt sich jedoch Telemediatisierung nicht unserer bestreiten, intellektuellen dass aufgrund Lebenswelten der fortschreitenden unsere normativen Verhaltensweisen ergänzt werden. [Kuhlen 2004: 28] Gegenwärtig finden wir jedoch die Situation vor, dass sich sowohl Politik als auch Wirtschaft für Verknappungsmaßnahmen unterschiedlicher Art auf dem digitalen Musikmarkt einsetzt und mit Hilfe von gesetzlichen Neuregelungen auch bereits durchgesetzt hat 58 . Die Rechte der Verwertungsindustrie werden demnach immens gestärkt, indem durch Änderungen im Urheberrechtsgesetz der wirtschaftliche Aspekt immer mehr in den Vordergrund gerückt wird. Parallel hierzu werden nicht nur die Rechte des Konsumenten stark eingeschränkt, wie z.B. das Recht auf Privatkopie, sondern auch die sich in Tauschbörsen entwickelten Umgangsformen schlichtweg übergangen. Die marktwirtschaftlichen Prinzipien, die in "alten" und gänzlich anders strukturierten Kontexten entstanden sind, werden auf elektronische Räume transformiert, die jedoch nach anderen Prinzipien funktionieren. Zum Beispiel wird trotz der verschwindenden Vertriebs- und Reproduktionskosten auf dem digitalen Markt vom Konsumenten verlangt, dass er Preise für Musikdownloads bezahlt, die in dieser Form nicht als gerechtfertigt angesehen werden können. [Kuhlen 2003a: 9] Viele User halten eine Vergütung für die Urheber zwar für durchaus gerechtfertigt und würden diese auch von Netzcommunities. Die grundlegende Basis aller Communities spiegelt wohl die Empfehlung: "Vergessen Sie niemals, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt!" Vgl. hierzu auch Kap. 8.3.2. 57 "P2P" basiert auf der GRID-Technologie, durch welche die Rechenleistungen vieler einzelner Rechner in einem Netzwerk zusammengefasst werden können. Mit jedem hinzugefügten Rechner erhöht sich demnach auch die Leistungsfähigkeit des gesamten Netzwerks. 58 Mit Einführung des 2.Korbes hat z.B. der Käufer einer CD faktisch keinerlei Recht mehr auf eine Privatkopie dieser CD, sofern sie kopiergeschützt ist. Sollte der Kopierschutz ursprünglich vor unmäßigem Kopieren Schutz gewähren, ist dies hiermit auf den privaten Bereich ausgeweitet worden. Ob man sich eine Kopie für den privaten Gebrauch anfertigen kann, liegt nun allein in der Hand der Musikindustrie. 35 entrichten, sehen jedoch in den derzeitigen Preisen eher eine Bereicherung der Musikindustrie als einen fairen monetären Ausgleich zwischen Urheber und Endnutzer. Sofern jedoch politische, juristische oder wirtschaftliche Handlungen den Erwartungen und dem normativen Verhalten der Konsumenten im Internet entsprächen anstatt sie ihnen aufzuzwingen, würden sie durchaus auch langfristig auf allgemeine Akzeptanz treffen. Da normatives Verhalten in hohem Maße von den Interessen aller Betroffenen abhängig ist, ist eine intensive Kommunikation zwischen den einzelnen Parteien erforderlich. Demokratische Gemeinschaften inklusive ihrer politischen wie wirtschaftlichen Entscheidungsträger leben von der Akzeptanz, ja von der wohlwollenden Zustimmung ihrer mündigen Bürger 59 . Jegliches ungefragtes Übergehen ihrer Interessen und Rechte beschneidet auch die Demokratie als solche. Darüber hinaus sichert eine solch starke Vernachlässigung der zivilgesellschaftlichen Interessen lediglich die Monopolstellung einzelner wirtschaftlicher Unternehmen, in diesem Fall z.B. die der fünf Majors der Musikbranche. Ein Innovationsschub für die deutsche Musikwirtschaft infolge von vielleicht ganz unkonventionellen Experimenten mit den Vorteilen der Digitalisierung, wird auf diese Weise eher unterdrückt als gefördert. 60 Ein Konsens aller Beteiligten über den Grad der Balance zwischen Freizügigkeit und Kommerz ist aus den genannten Gründen somit von großer Notwendigkeit. Ein informationsethischer Diskurs mit Repräsentanten aller Parteien verhilft dazu, sich den einzelnen Interessen und Widersprüchen zu den Erwartungen der Menschen bewusst zu werden und normatives Verhalten zu nutzen, anstatt sich dagegen abzuschotten. [Kuhlen 2004: 16f] 59 Zumindest ist man verpflichtet, jeden Bürger einer Demokratie als Mündigen behandeln, auch wenn dies nicht immer zutrifft. Problematisierungen in der Öffentlichkeit dienen jedoch auch dazu, den einzelnen Bürger zu erreichen, ihn zum Nachdenken und u.U. sogar zum Handeln anzuregen. Ein gutes Beispiel hierfür ist z.B. die stark öffentlich geführte Bioethik-Debatte. 60 [Kuhlen 2004: 17] umschreibt dies noch um ein Vielfaches vehementer: "Ein radikales Umdenken, ein Paradigmenwechsel unserer Einstellungen zu und unseres Umgehens mit Wissen und Information sind erforderlich. (...) Die existierenden Regimes für Wissen und Information müssen von der Wurzel her neu gestaltet werden.". 36 7.2 Die "diskursive Methode" als Instrument der Informationsethik Der informationsethische Diskurs stellt das Instrument für die Informationsethik dar. [Kuhlen 2004: 67] Neben vielen anderen Methoden 61 , die ebenso für den Diskurs um die Vernachlässigung von reklamierten Urheberrechtsansprüchen von Bedeutung sein können, versteht sich die Diskursethik unmissverständlich als Kommunikationsethik und ist aufgrund ihrer Pragmatik im Besonderen dafür geeignet. Die Klärung normativer Grundlagen des Handelns, der Kommunikation und der Interaktion zwischen Menschen ist als das Ziel der diskursiven Methode zu betrachten. [Arens 1996: 73f] Die Diskursethik basiert auf dem kategorischen Imperativ nach Immanuel Kant 62 , welcher besagt: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde." 63 Das heißt nichts Anderes, als dass sich ethisches Handeln immer aus einem allgemeinen Prinzip heraus ableiten lassen muss, unabhängig von Raum und Zeit. Der Absolutheitsanspruch Kants lässt keinerlei Ausnahme gelten, selbst nicht eine Notlüge zur Rettung eines Menschen. [Kuhlen 2004: 45] Der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas hat in seinen Ausführungen zur Diskursethik 64 den kategorischen Imperativ ersetzt durch das "Verfahren der moralischen Argumentation", welches in ähnlicher Weise ein Rechtfertigungsprinzip für normative Verhaltensweisen darstellt. Diesem Verfahren liegt das Universalisierungsprinzip zugrunde. Dieses beansprucht, dass nur eine Norm gerechtfertigt ist, die von allen Teilnehmern des Diskurses Akzeptanz findet. Ebenso die möglichen Folgen dieser Norm müssen von allen Betroffenen getragen werden können. Demzufolge ist der erzielte Konsens abhängig einerseits von der Zustimmung oder Ablehnung eines jeden Einzelnen, andererseits von der Überwindung eines egoistischen Blickwinkels aller Teilnehmer. Das trägt dem Rechnung, dass nicht der dominanteste Diskursteilnehmer oder derjenige mit dem stärksten Argument seine Interessen durchsetzen kann, sondern derjenige, welcher die Argumente der Anderen achtet und einbezieht. Sozusagen ein herrschaftsfreier Diskurs. Die Teilnehmer reflektieren hier quasi das soziale Umfeld, ohne das schließlich kein menschliches Zusammenleben möglich ist. [Kuhlen 2004: 55ff] 61 Wie z.B. die deontologische Ethik, der Utilitarismus oder die Verantwortungsethik, vgl. [Kuhlen 2004: 43ff]. 62 Der "kategorische Imperativ" ist auch Bestandteil der deontologischen Ethik, die Pflicht als allgemeines Moralprinzip sieht, vgl. hierzu auch [Kuhlen 2004: 44f]. 63 Zit. nach: [http://www.lexikon-online.info/q/Immanuel_Kant]. 64 Hier bezieht sich Habermas auf den praktischen Diskurs und nicht auf den theoretischen, welcher "strittige Wahrheitsansprüche thematisiert und begründet (...)", vgl. [Arens 1996: 82f]. 37 Voraussetzung zur Erlangung eines Konsenses ist nach J. Habermas jedoch nur unter der Bedingung einer "idealen Sprechsituation" möglich, d.h. "kommunikative Kompetenz, Redegleichheit, Wahrhaftigkeit und Vernünftigkeit" eines jeden Teilnehmers ist Grundvoraussetzung". [Pieper 2003: 211] Erst durch diese absolute Transparenz sowie Achtung aller Ansichten können für solch komplexe Interessenkonflikte wie z.B. um das Thema der Musikpiraterie in digitalen Räumen nachhaltige Machtansprüche Kompromisse ausgehandelt werden, ohne dass durch über die Köpfe anderer hinweg entschieden wird. Dass ethische Argumente in solch einem Diskurs immer wieder instrumentalisiert werden, um die jeweiligen Interessen durchsetzen zu können, steht außer Frage, spricht jedoch in keiner Weise gegen die Universalität dieses Verfahrens. [Kuhlen 2004: 56] Die Verknappungsmaßnahmen und die Preispolitik innerhalb der legalen Internetmusikportale entsprechen z.B. nicht den Interessen aller Beteiligten, wie sich an dem anhaltenden Widerstand Musiktauschbörsennutzer lassen gegen sich dieses Verhalten hierdurch nicht zeigt: die meisten abschrecken und zivilgesellschaftliche Organisationen, wie z.B. Privatkopie.net, setzen sich auch weiterhin für die Interessen der Nutzer ein. Das zeigt sehr deutlich, dass von der Musikindustrie in großem Ausmaß gesellschaftliche Interessen übergangen werden, anstatt sich auf einen nachhaltigen Kompromiss einzulassen, wie es ein informationsethischer Diskurs erfordern würde. 7.3 Interessensgruppen Vielfältige Interessen bestimmen die aktuelle Diskussion rund um den Umgang mit Musiktauschbörsen in digitalen Räumen. Gäbe es diese unterschiedlichsten Interessen nicht – gäbe es wohl kaum einen so öffentlich ausgetragenen Interessenkonflikt, wie man ihn seit einigen Jahren in den Medien beobachten kann. Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass auch innerhalb der einzelnen Interessensgruppen verschiedene Meinungen vertreten sein können. Eine eindeutige Zuordnung von Interessen wird bisweilen dadurch erschwert, dass selbst die einzelnen Akteursgruppen keineswegs homogen angelegt sind. Beispielsweise gibt es Musiker, die ganz und gar eine strenge Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im digitalen Bereich befürworten. 65 Es gibt 65 Wie z.B. Metallica, die im Jahr 2000 gegen Napster geklagt haben. 38 jedoch genauso gut auch Musiker, die für einen freizügigeren Zugang zu digitaler Musik plädieren und offen für gänzlich neue Geschäftsmodelle sind. 66 Für einen nachhaltigen informationsethischen Diskurs ist es von Belang, dass die Interessen aller berücksichtigt werden. Eben nicht nur die der Musikindustrie, der Zivilgesellschaft oder die der Künstler selbst sind von Relevanz, sondern auch die derjenigen, die weniger im Rampenlicht der Medien agieren, wie z.B. die Informationstechnologie- oder Telekommunikationsbranche. Im Folgenden soll trotz der erwähnten Heterogenität der Akteursgruppen eine ungefähre Darstellung der Interessensbereiche erfolgen, die in ihrer Gesamtheit den Konflikt um die urheberrechtlichen Ansprüche von Musik im Internet definieren. Musikindustrie: Interessen: Durchsetzung ökonomischer Interessen Rechtssicherheit für kommerzielle Verwertung Absatzsteigerung durch kommerzielle Verwertung Konkurrenzfähigkeit Prestige Entwicklung zuverlässiger Schutz- und Kontrollmaßnahmen Vertreter: Forum der Rechteinhaber (u.a. GEMA und IFPI Bundesverband) GVU Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsansprüchen e.V. u.a. Telekommunikation / Provider: Interessen: Durchsetzung ökonomischer Interessen Kommerzieller Transport von digitaler Information im Internet Umfangreiche Nutzung des Angebots der Telekommunikationsbranche Entwicklung und Verbreitung von Telekommunikationstechnologien Kein Interesse an der Speicherung und Weitergabe von Verbindungsdaten, im Gegensatz zum Staat (z.B. für die rechtliche Verfolgung von Anbietern 66 Wie z.B. Michael Jackson oder Einstürzende Neubauten. 39 krimineller Informationen) und zur Musikwirtschaft (z.B. für die rechtliche Verfolgung von Tauschbörsennutzern) Vertreter: BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. u.a. Informations- und Kommunikationstechnologie / IKT-Industrie: Interessen: Durchsetzung ökonomischer Interessen Kommerzielle Verwertung von Geräten und Software Befürwortung einer Selbstregulierung der Märkte Fortschrittsorientierter Austausch mit der Wissenschaft im Bereich der Technologie Kein Interesse an Pauschalabgaben auf Geräte Vertreter: ZVEI Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. u.a. Staat: Interessen: Sicherung von staatlicher Autorität Sicherung von gesellschaftlichem Wohlstand Schaffung von Rechtssicherheit im Umgang mit Musiktauschbörsen Sicherung des geistigen Eigentums Vertreter: BMJ Bundesministerium für Justiz / Initiative "Kopien-brauchen-Originale" u.a. 40 Urheber / Musiker: Interessen: Materielle Sicherheit / finanzielle Vergütung ihrer Leistungen Reputation / Popularität Hoher Verbreitungsgrad ihrer Musik / Schaffen von Input für Kreativität, Innovation und Produktion neuer Musik Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche Mitbestimmung bei der Durchsetzung von Verwertungsansprüchen Vertreter: GEMA VUP Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V. SAVEMUSIC Verband zur Förderung und Erhaltung von Musikkultur in Deutschland u.a. Zivilgesellschaftliche Initiativen / Bürgerrechtsbewegungen: Interessen: Vertretung der Interessen und Rechte der Zivilgesellschaft Sehen in dem Verhalten der Musikindustrie einen ungerechtfertigten Transfer marktwirtschaftlicher Prinzipien von der "realen" Welt auf das Internet, die lediglich zur Sicherung von Machtansprüchen der Majors dienen, die die Rechte und Interessen des Zivilbürgers jedoch massiv beschneiden Wahrung der Informationsfreiheit / freizügiger Zugang zu digitaler Musik Erhalt der Privatkopie Keine Kriminalisierung der Konsumenten Forderung neuer Geschäftsmodelle auf der Basis eines freizügigen Umgangs mit digitaler Musik Wahrung des Datenschutzes beim Einsatz von DRM-Systemen Fairness und Angemessenheit bei Verwertungsansprüchen Vertreter: Koalition der Zivilgesellschaft (u.a. privatkopie.net, Chaos Computer Club (CCC), Attac-AG Wissensallmende und freier Informationsfluss (WAF), Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FifF), 41 Netzwerk neue Medien) WOS wizards-of-os.org u.a. Nutzer / Konsument: Interessen: Möglichst freizügiger Umgang zu Musik im Internet, kein Interesse an staatlichen Eingriffen Kompatible Hard- und Software für die Nutzung digitaler Musikprodukte Wahrung der Anonymität, Datenschutz Verbraucherschutz bei technischen Maßnahmen, z.B. Gütesiegel für DRMSyteme Schnelles Auffinden von Informationen Erweiterung des eigenen musikalischen Repertoires Einfache Bedienung der Benutzeroberflächen Schutz vor kriminellen Inhalten Sicherheit vor Virenattacken Vertreter: Koalition der Zivilgesellschaft (u.a. privatkopie.net, Chaos Computer Club (CCC), Attac-AG Wissensallmende und freier Informationsfluss (WAF), Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FifF), Netzwerk neue Medien) WOS wizards-of-os.org u.a. Überstaatliche Organisationen und Non-Profit-Organisationen (NGOs) mit Gesetzgebungs- oder Regulierungsfunktionen: Interessen (je nach Organisation): Wahrung der Menschenrechte Sicherung von gesellschaftlichem Wohlstand Schaffung von Rechtssicherheit im Umgang mit Musiktauschbörsen Sicherung des geistigen Eigentums Vertreter: 42 8. UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization WIPO World Intellectual Property Organization WSIS World Summit of the Information Society Wissensökologie: Nachhaltiger Umgang mit Musik im Internet 8.1 Wissensökologie als Ziel des informationsethischen Diskurses Eine Ökologie des Wissens fordert im Rahmen von Informationsethik den nachhaltigen Umgang mit Wissen. Unter einem flachen Wissensbegriff ist unter Anderem auch Musik in digitaler Form zu verstehen. Rainer Kuhlen [Kuhlen 2004b: 106] verwendet dezidiert den Begriff des Wissens, da Information sich nur auf die aktuelle Verwendung von Wissen bezieht und sich ein nachhaltiger Umgang nur auf etwas beziehen kann, das vorhanden und abrufbar ist. Des Weiteren sind die Termini "Nachhaltigkeit" und "Ökologie" in Bezug auf "Wissen" zu klären, um zu verstehen, was Wissensökologie beinhaltet und welche Bedeutung sie für den Umgang mit Musiktauschbörsen hat. Der Begriff der Nachhaltigkeit geht auf das Prinzip der Forstwirtschaft im 18. Jahrhundert zurück, nicht mehr Bäume zu fällen als nachwachsen können. Das Ziel war bereits damals der Schutz gegen eine kurzfristige Ausbeutung zugunsten einer langfristigen Nutzung. Auf einer breiteren Ebene gewann das Prinzip der Nachhaltigkeit erst mit dem "Brundtland-Report" von 1987 an Bedeutung 67 . [Kuhlen 2004b: 106] Das Drei-Säulen-Modell der Enquête-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des 13. Deutschen Bundestages differenziert Nachhaltigkeit einstweilen nach ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten, bzw. formuliert das Ziel einer ökonomisch nachhaltigen, ökologisch nachhaltigen und sozial nachhaltigen Informationsgesellschaft. 68 Maßgeblich für das Prinzip der Nachhaltigkeit ist die Förderung inter- wie intragenerationeller Gerechtigkeit [Kuhlen 2004: 263], d.h. ein schonender Umgang mit Ressourcen ist nicht nur für die Gegenwart erforderlich, sondern 67 68 Vgl. hierzu auch: [http://www.der-gruene-faden.de/text/text2805.html]. Vgl. [http://www.bundestag.de/bic/analysen/2004/2004_04_06.pdf]. 43 auch für zukünftige Generationen. Diese Generationengerechtigkeit erfordert in jeder Hinsicht eine langfristige Planung mit Blick auf kommende Entwicklungen. Die Einbeziehung des Begriffs der "Ökologie" in den Bereich des "Wissens" scheint auf den ersten Blick vielleicht etwas unverständlich, da dieser sich im ursprünglichen Sinn auf die Beziehung zwischen den Lebewesen und den natürlichen Ressourcen unserer Umwelt bezieht. Vertreter der Ökologie fordern Nachhaltigkeit in Bezug auf den Umgang mit Natur und ihrer endlichen Verfügbarkeit. Wissen und Information als immaterielle Ressource jedoch sind nicht endlich und können sich demnach nicht im Gebrauch erschöpfen, ganz im Gegensatz zu unserer natürlichen Umwelt. 69 Aber sowohl Wissen als auch Information ist, ungeachtet der hohen Bedeutung unserer Natur für die Menschheit, zum wichtigsten "Rohstoff" für unsere Informationsgesellschaft geworden. Im Zuge der fortschreitenden Telemediatisierung unserer Gesellschaft hängen wir zwar auch weiterhin von Wasser, Luft und Energie ab, aber mehr denn je auch von Wissen und Information. Ist Verknappung natürlicher Ressourcen mit Blick auf zukünftige Generationen durchaus sinnvoll, so werden Verknappungsmaßnahmen im Kontext der Wissensökologie zum dysfunktionalen Konzept [Kuhlen 2003b: 2]: Wissen als solches ist im Überfluss vorhanden und verbraucht sich nicht, wie beispielsweise ein durch künstliche Verknappung entstandenes Wissens- oder Informationsprodukt. Nun erhalten aber kommerzielle Anbieter, z.B. die "legalen" Online-Musikshops der Musikindustrie, durch die künstliche Verknappung von MP3Dateien einen unendlichen Mehrwert für eine etwas, dessen Herstellung und Vertrieb beinah nichts mehr kostet das sich am Markt verbraucht. 70 [Zappe 2003: 2] Auf diese Weise wird der Verbraucher gleich zweifach benachteiligt: Er hat keinen freien Zugang mehr zu Musik und soll für etwas bezahlen, das eigentlich nichts kostet. Die Möglichkeit eines gerechten Umgangs mit Wissen und Information ist, auch für nachfolgende Generationen, unter diesen Bedingungen nicht gegeben. [Kuhlen 2004: 264] Aus Sicht der Informationsethik liegt der Fokus von Wissensökologie auf dem Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Freizügigkeit von Wissen, wobei "Freizügigkeit" nicht mit kostenfreier Verteilung gleichgesetzt wird. Die ökonomische Verwertbarkeit ist ein wichtiger Aspekt, nur muss unter dem Nachhaltigkeitspostulat auch eine individuelle und gesellschaftliche Weiterentwicklung gewährleistet sein. 69 Vgl. auch Kap. 2.3. Dies gilt im besonderen Maße für die derzeitigen Verknappungsmaßnahmen auf dem Musikmarkt, vgl. hierzu Kap. 4.2. 70 44 Für eine wissensökologische Position spricht sich auch die Deutsche UNESCOKommission aus: "Die Deutsche UNESCO-Kommission empfiehlt, dass sich die UNESCO dafür einsetzt, Wissen und Information als öffentliches Gut zu bewahren, zu dem allen der freie Zugriff zu fairen Bedingungen ermöglicht werden muss, vor allem als wichtiger Beitrag zur Überwindung der digitalen Kluft (digital divide). Die Sicherung des öffentlichen Guts "Wissen" ist die zentrale Zielsetzung einer modernen Wissensökologie. (...) Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung von Wissen und Information gilt es, eine vernünftige, faire und nachhaltig wirksam werdende Balance zwischen kommerzieller Verwertung und öffentlicher freier Nutzung zu finden. (...)" [UNESCO 2002] Zu den Aufgaben der Deutschen UNESCO-Kommission gehört u.a., die deutsche Bundesregierung in Belangen der UNESCO zu beraten, an der Verwirklichung des UNESCO-Programms in Deutschland mitzuarbeiten und Kontakte zwischen der UNESCO und anderen herzustellen. 71 8.2 Ökonomie des Wissens Lange galten ökologische Prinzipien für einen schonenden und sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen als nicht oder nur schlecht vereinbar mit den Prinzipien unserer Marktwirtschaft. Von der Politik geforderte ökologische Auflagen brauchten ihre Zeit, von der Wirtschaft nicht mehr nur als Wettbewerbsnachteil kritisiert zu werden. Die Ökologie der natürlichen Ressourcen hat es mit der Zeit geschafft, der Wirtschaft die für einen nachhaltigen Umweltschutz notwendige Erkenntnis zu vermitteln, dass eine Schonung unserer Umwelt durchaus mit wirtschaftlichen Interessen kompatibel ist und dass Nachhaltigkeit sich in diesem Fall auch auf die Wirtschaft überträgt 72 . Ebenso ist es das Ziel von Wissensökologie, wissensökologisch nachhaltige der Wirtschaft Entwicklung zu verdeutlichen, unserer dass Informations- eine und Wissensgesellschaft auch zum Vorteil der Wirtschaft ist. [Kuhlen 2004: 277f] Der Unterschied zur "traditionellen" Ökologie besteht nur darin, dass hier eben nicht 71 Vgl. hierzu auch Kap. 7.3. Eine kurzfristige Ausbeutung unserer Natur, wie sie lange Zeit betrieben wurde, bedeutet natürlich auch nur einen kurzfristigen Erfolg für die Wirtschaft. Langfristigkeit unter dem Postulat der Nachhaltigkeit hingegen fördert langfristige Gewinne und darüber hinaus innovative Entwicklungen, wie z.B. Technologien für die Nutzung erneuerbarer Energien, Schaffung neuer Arbeitsplätze usw.. 72 45 Verknappungsmaßnahmen, sondern Freizügigkeit dem Prinzip der Nachhaltigkeit entsprechen. Gegen diese Auffassung wehrt sich die Musikindustrie. Für sie erfüllt sich das Prinzip der Nachhaltigkeit allein durch rigoroses Festhalten an Urheberrechtsansprüchen auch in digitalen Räumen, was sich gegenwärtig an der zunehmenden Kontrolle durch DRMSysteme und den rechtlichen Auseinandersetzungen zeigt. Nachhaltigkeit kann jedoch niemals erreicht werden, indem die Potenziale gegenwärtiger Technologien sowie die der von Millionen von Tauschbörsennutzern schlichtweg ignoriert werden. Eine nachhaltige Musikwirtschaft wird sich erst entwickeln, wenn sie sich diese Potenziale zunutze macht. Stattdessen befindet sie sich mit ihrer Insistenz auf alte marktwirtschaftliche Prinzipien in einer permanenten Abwehrreaktion und verschwendet auf diesem Weg ihre Energie und darüber hinaus viel Geld für eine Schadensbegrenzung. Es gibt viele Beispiele, die demonstrieren, dass ein Abschotten gegen gesellschaftliche Veränderungen immer auch eine Abwärtsentwicklung in wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet. [Kuhlen 2003a: 2] So hat etwa die zunehmende "Vergreisung" unserer Gesellschaft gravierenden Einfluss unter Anderem auf den wirtschaftlichen Sektor und ist ebenfalls nur unter Einbeziehung des Prinzips der Nachhaltigkeit zu bewältigen. Auch in diesem Fall bedeutet Nachhaltigkeit eine Zusammenarbeit von politischen, ökonomischen, kulturellen, wissenschaftlichen sowie zivilgesellschaftlichen Bereichen. 8.3 Ethische Anforderungen – für einen nachhaltigen Musikmarkt 8.3.1 Informationsfreiheit In der Universal Declaration of Human Rights 73 , im Folgenden UDHR genannt, wird "Informationsfreiheit" als ein Menschenrecht auf Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Umgang mit Wissen und Information bezeichnet: 73 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde 1948 von den Vereinten Nationen (UN), denen mittlerweile 191 Staaten angehören, erlassen. Die UNESCO ist, am Rande bemerkt, auch eine mit der UN eng verknüpfte Organisation. 46 "Everyone has the right to freedom of opinion and expression; this right includes freedom to hold opinions without interference and to seek, receive and impart information and ideas through any media and regardless of frontiers." [UDHR: Art.19] Auch das deutsche Grundgesetz formuliert "Informationsfreiheit" als ein Grundrecht des aller Bürger: "(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (...) (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen und zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (...)" [GG: §5, Abs. 1,2] Nachfolgend soll herausgearbeitet werden, inwiefern dieses Recht auf Informationsfreiheit nicht nur Bereiche wie Pressefreiheit oder das Recht auf freie Meinungsäußerung jedes Einzelnen berührt, sondern auch von Bedeutung ist für den freizügigen Zugang zu Information und Wissen, der aus informationsethischer Sicht für eine nachhaltige Entwicklung des Musikmarktes unabdingbar ist. Das Recht auf Informationsfreiheit 74 soll, allgemein formuliert, es jedem Menschen ermöglichen, unter zumutbaren Bedingungen Zugriff auf Wissen und Information zu erhalten und sich in diesem Sinne auch öffentlich mitteilen zu können, was eine Verteilung von Information und Wissen einschließt. Beschränkt wird dieses Recht lediglich durch Verstöße gegen andere, die Grundrechte bzw. Menschenrechte beschneidende Gesetze. In unserer fortschreitenden Informationsgesellschaft unterliegt das Recht auf Informationsfreiheit aus verschiedenen Gründen einem ständigen Widerspruch. Eben diese Widersprüche lassen zur Zeit die Diskussion entfachen, ob infolge der zunehmenden Telemediatisierung Informationsfreiheit als solche auch in digitalen Räumen gegeben ist bzw. inwiefern auch neue Grenzen dieser Freiheit ausgelotet werden müssen. Auf der einen Seite ist es unbestreitbar, dass Information und Wissen in der gesamten Geschichte des Menschen noch nie so frei verfügbar war wie in der heutigen Zeit. In Anbetracht der Tatsache, dass sich mittlerweile unser Wissen alle fünf Jahre etwa 74 In der UDHR wird "Informationsfreiheit" als "freedom of expression" bezeichnet. 47 verdoppelt 75 , ist dies keine verwunderliche Entwicklung. Im negativen Sinne bedeutet das darüber hinaus kaum zu bewältigende "Informationsfluten", zu deren Verbreitung das Internet wesentlich beigetragen hat. Auch der Verbreitungsgrad von Musik, die aufgrund von Digitalisierung und der noch jungen P2P-Technologie in Musiktauschbörsen für Jedermann frei zugänglich im Sinne von "kostenlos" ist, war noch niemals so groß wie im 21. Jahrhundert. Demnach wird dem gültigen Verständnis von Informationsfreiheit gewiss Rechnung getragen. Diese Freizügigkeit in elektronischen Räumen hat eine Veränderung des normativen Verhaltens mit sich gebracht: Die Menschen haben sich auf frei zugängliches Wissen eingestellt und die Bereitschaft, allein vom Markt vorgegebene Preise hierfür zu bezahlen, ist dementsprechend gering. Jenes Verhalten kritisieren die Einen als "Gratismentalität", Andere wiederum werten es positiv als informationelle Selbstbestimmung und somit auch als zunehmende Demokratisierungstendenz unserer Gesellschaft. Auf der anderen Seite lässt sich ebenso wenig bestreiten, dass Wissen und Information in zunehmenden Maße von der Wirtschaft privatisiert, kommerzialisiert und kontrolliert wird. Denn zu keiner anderen Zeit wurde so immens viel mit Wissen und Information verdient und soviel für die Generierung als auch Aufbereitung von Wissen und Information ausgegeben. Eine kommerzielle Vermarktung von Information geschieht, zumindest nach derzeit bestehenden marktwirtschaftlichen Prinzipien, durch den Einsatz von Kontroll- und Verknappungsmechanismen durch die private Wirtschaft, wie es z.B. auch die Musikindustrie handhabt. In Kap. 4.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine künstliche Verknappung dem Wesen von Wissen und Information aufgrund der "Nicht-Rivalität" widerspricht. Der Charakter von reiner Information resp. reinem Wissen ist, dass sie unerschöpflich ist und konsumiert werden kann nur das, was sich verbraucht. Aus diesem Grund ist eine Umwandlung in endliche Informationsprodukte erforderlich. Dies geschieht auf dem digitalen Musikmarkt beispielsweise durch den Einsatz von Digital Rights Management Systemen. Die Bemühungen der Musikwirtschaft scheinen plausibel und gerechtfertigt angesichts der großen Bedeutung des Informationsmarktes für die Gesamtwirtschaft 75 Vgl. hierzu auch [http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=041122031]. Hinzufügend muss jedoch gesagt werden, dass es darüber im Internet keine eindeutigen, übereinstimmenden Informationen gibt. 48 sowie die dadurch entstandene wirtschaftliche Abhängigkeit von Information und Wissen. Zu kritisieren ist jedoch, dass es zu keiner anderen Zeit als der jetzigen so ausnahmslos und einfach möglich war, über gesetzgeberische und technische Maßnahmen den Zugang zu Wissen und Information zu begrenzen. Dies gilt auch für die Musikwirtschaft, auf deren Druck das Urheberrecht zugunsten der Verwerter insofern verschärft wurde, dass das Recht auf Privatkopie abgeschafft wurde und das Umgehen von Kontroll- und Schutzmaßnahmen eine kriminelle Handlung darstellt. Das bedeutet nun nichts Geringeres, als dass es primär von der Musikwirtschaft abhängen wird, wie der Zugang zu digitaler Musik im Internet zukünftig aussehen wird. Weder der Konsument noch in der Regel der Künstler selbst wird kurzfristig darauf Einfluss nehmen können. 76 Ferner könnten durch einen flächendeckenden Einsatz von DRM-Technologien Monopole verstärkt werden. Kleinere und finanzschwächere Plattenfirmen als die Musikmajors werden sich eigene DRM-Systeme nicht leisten können. Viele könnten sich veranlasst sehen, über die Musikplattformen von BMG, Universal o.ä. ihre Produkte zu vermarkten. Auch an dieser geschwächten Konkurrenz werden die Majors verdienen. Und jede Art Monopolbildung oder –stärkung führt auch immer zu einer Einschränkung der Informationsfreiheit, da sowohl der Preis als auch die Zugangsbedingungen von wenigen Medienkonzernen dominiert wird, anstatt von einem breitgefächerten Markt. Informationsfreiheit als Recht eines jeden Menschen hat die zunehmende Kommerzialisierung von Information und Wissen erst möglich gemacht. 77 Jetzt droht sie jedoch im Umkehrschluss die Informationsfreiheit zu beschneiden. Die ökonomische Relevanz von Informationsprodukten kann und darf in einer Informationsgesellschaft nicht von der Hand gewiesen werden. Im Gegenteil, von dieser Kommerzialisierung hängt ebenso Gerechtigkeit und Wohlstand ab, z.B. mit Blick auf den zunehmenden Anteil des Informationssektors auf dem Arbeitsmarkt. Dennoch darf Informationsfreiheit als Postulat für eine funktionierende Demokratie sowie für die individuelle, 76 Langfristig gesehen kann ein bestimmtes Konsumverhalten, wie z.B. Boykott, natürlich auch die Marktbedingungen bestimmen. Die Marktstrategie der Majors kann sich z.B. auf lange Sicht zugunsten der Konsumenten ändern, wenn trotz der Kriminalisierung durch das Urheberrecht weiterhin in großer Anzahl Musik in P2P-Netzwerken getauscht wird. Dies entspricht der Annahme, dass sich normative Verhaltensweisen, die sich aufgrund einer neuen medialen Umgebung über einen längeren Zeitraum entwickelt haben, nicht mit Sanktionen unterdrücken lassen, sondern dass neue Marktbedingungen nur unter Berücksichtigung dieser Normen nachhaltig Bestand haben werden. 77 Wie z.B. der "Internetexplorer" oder andere freie Software, auch die unerlaubte Verbreitung von Windows. 49 wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung nicht vernachlässigt werden. Die derzeitige Entwicklungstendenz des Musikmarktes berücksichtigt diese Komponenten nicht ausreichend. [Kuhlen 2004: 318] Anstatt unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit einen größtmöglichen Nutzen einer größtmöglichen Anzahl von Menschen erzielen zu wollen, wird das normative Verhalten von Millionen bzw. Milliarden von Menschen ignoriert und gleichzeitig mit dem Stigma einer kriminellen Handlung versehen sowie die Machtposition einiger weniger Medienkonzerne gestärkt. Ein fairer Kompromiss, den alle Akteursgruppen mittragen können und wollen, ist für praktizierte Informationsfreiheit und somit für eine nachhaltige Demokratie unentbehrlich. 8.3.2 Einbeziehung normativer Verhaltensweisen Erst im Jahr 1991 war das World Wide Web für jedermann zugänglich. Bereits drei Jahre später surften etwa 100.000 Menschen im Internet. Mittlerweile hat sich die Internetgemeinde weltweit auf über 700 Mio. Nutzer erhöht, mit einer durchschnittlichen Zuwachsrate von 19,1% pro Jahr. 78 Das World Wide Web hätte wohl niemals dieses Ausmaß angenommen, wenn nicht der Erfinder des WWW, Tim Berners-Lee, weiterhin an seiner Grundidee festhalten würde, der sich sogar die mächtigsten Unternehmen der Welt unterordnen müssen: Jeder soll sich über alle Grenzen hinweg mit allen austauschen können, und zwar unabhängig von der Software und dem Computerfabrikat. [Werbunat 2000] Diese gewaltige Ausdehnung des Informationsnetzes Internet in den vergangenen Jahren reichert unsere reale Welt nicht nur mit Systemen und Geräten an, sondern lässt neue Lebenswelten entstehen, die aufgrund ihrer Andersartigkeit neue Verhaltensweisen hervorbringen. Einen großen Teil unserer Zeit verbringen wir nicht mehr mit realer faceto-face-Kommunikation, sondern aus der telemediatisierten Umwelt. Raum und Zeit wird in elektronischen Räumen zu einer relativen Größe und weitgehend unbegrenzte Informationsversorgung zu einem Bestandteil unseres Lebens. Trotz des Fortbestands unserer bisherigen, realen Lebenswelten ist daher anzunehmen, dass sich neue Ausprägungen von normativen Verhaltensweisen entwickeln werden. [Kuhlen 2005: 6f] Rafael Capurro, Informationswissenschaftler und Philosoph, sieht bereits hier und jetzt 78 Vgl. [http://www.tns-infratest.com/06_BI/bmwa/Faktenbericht_4/main2002_abb_167_203.htm]. 50 eine Entwicklung gravierender Veränderungen des menschlichen Geistes und Charakters, wie z.B.: "Die Tugenden des Verstandes (die dianoetischen Tugenden) (Griechisch: dianoia = Verstand) betreffen jetzt vor allem die Ausbildung zum vernetzten Denken, d.h. zum Beispiel zur Fähigkeit Zusammenhänge zu erfassen, Übergänge zu schaffen, Komplexität ohne tödliche Verluste zu reduzieren. Die Tugenden des Charakters (die ethischen Tugenden) (Griechisch: ethos = Gewohnheit, Charakter) verwandeln sich ebenfalls, beispielsweise: Besonnenheit (oder Selbstbeherrschung) wird zur Fähigkeit sich dem Anderen zu öffnen, zur Offenheit also. Tapferkeit wird nicht vom Angriff oder Opfer her verstanden, sondern von der Fähigkeit der Durchlässigkeit. Gerechtigkeit bedeutet nicht nur Fairness der Chancenverteilung, sondern vielmehr aktives solidarisches Handeln. Die neuzeitliche Auffassung von Freiheit als eine Grundausstattung des verantwortungsvollen Subjekts, wird zur Fähigkeit der Sorge um den Anderen und um die gemeinsame Welt." 79 Die Entwicklung dieser von Capurro herausgearbeiteten Verhaltensweisen bezieht sich allgemein auf eine Informationsgesellschaft, die einen großen Teil ihrer Arbeits- und Freizeit im Internet verbringt. Die virtuellen Räume sind als neue resp. ergänzende Lebenswelt mit den dazugehörenden psychologischen und gesellschaftlichen Implementationen zu begreifen, was sich schließlich in der Entwicklung solcher normativen Verhaltensweisen manifestiert. Haug/Weber [Haug / Weber 2002] hingegen grenzten die Frage, ob und in welcher Form sich normative Verhaltensweisen in virtuellen Räumen entwickeln können, speziell auf die Nutzung von Musiktauschbörsen im Internet ein. In den Ergebnissen ihrer im Jahr 2001 durchgeführten Online-Umfrage arbeiteten sie heraus, dass eine Musiktauschbörse nicht als virtuelle Gruppe anzusehen ist wie z.B. Internet Relay Chats oder Bulletin Board Systems. Im Gegensatz zu Musiktauschbörsen besitzen letztere bestimmte Merkmale einer sozialen Gruppe: ein definierter Kreis von Mitgliedern 80 , Entwicklung einer 79 Vgl. [www.capurro.de/digit.html]. Der Aspekt der Anonymität im Internet macht die Identifikation der Gruppenmitglieder und somit auch die Eingrenzung auf einen definierten Kreis von Mitgliedern sicherlich nicht einfach. Allerdings erfordert die Teilnahme an einer solchen Community meistens einen festen Tarnnamen. 80 51 Gruppenidentität durch ein längerfristiges Interaktionsverhältnis und die Entstehung von gruppenspezifischen Verhaltenserwartungen. [Haug / Weber 2002: 42] Beispielsweise entstanden im Internet neue Kommunikationsformen, die parallel zum Internethype Mitte der 1990er Jahre einen regelrechten Boom erlebten. Je mehr Personen sich an Foren, Chats oder anderen Netzcommunities beteiligten, umso dringlicher wurde der Bedarf nach entsprechenden Codes, die die Umgangsformen innerhalb virtueller Gemeinschaften regelten. Aus diesem Bedarf heraus entstanden die sogenannten "Netiquetten", die in schriftlicher Form bestimmte Regeln für das Miteinander in Netzcommunities vorschreiben 81 . Dadurch, dass es keine zentrale Instanz des Internet gibt, die eine offizielle Gesetzgebung durchsetzen könnte, zumal dies auch an den technischen Grenzen scheitern würde, baut die Internetgemeinde auf Selbstregulierung und Selbstkontrolle. Wer gegen die Verhaltensregeln der entsprechenden Netiquette verstößt, muss mit Sanktionen durch die jeweilige Community rechnen, z.B. "flaming" (Beschimpfungen), "spam" oder "mail bombs". 82 Bei P2P-Tauschbörsen jedoch liegt keine Kommunikation im eigentlichen Sinne vor, denn die einzige Art von Interaktion zwischen den Teilnehmern beschränkt sich hier in der Regel auf die Tauschvorgänge zwischen registrierten Computern. Emailaustausch zwischen einzelnen Usern, z.B. auf der Basis gemeinsamer Musikinteressen, gibt es nur in Einzelfällen und ist daher nicht im Sinne von Gruppenkommunikation zu werten. Darüber hinaus bestehen für die Nutzer keinerlei Verbindlichkeiten, z.B. in Form einer Gegenseitigkeit, die sowohl das Anbieten als auch das Downloaden einschließt. [Haug / Weber 2002: 44] Den fehlenden Merkmalen einer sozialen Gruppe zum Trotz hat sich im Zuge der Auswertung jedoch herausgestellt, dass sich in Tauschbörsen nur eine geringe Anzahl von Trittbrettfahrern bewegt. Die überwiegende Anzahl der User, etwa 82 % der Befragten, verhalten sich gemäß der Gegenseitigkeitsnorm und bieten Dateien von ihrem Rechner zum kostenlosen Download an. [Haug / Weber 2002: 80] Aus diesem Verhalten kann geschlossen werden, dass in Musiktauschbörsen durchaus ein gruppenspezifisches Gemeinschaftsgefühl vorliegt. Die Ursache für jenes Solidaritätsgefühl liegt Dies führt somit zu einer gewissen Pseudoanonymität und ermöglicht eine Selbstdefinition der virtuellen Gruppe, vgl. hierzu auch [Haug / Weber 2002: 42]. 81 Der Begriff "Netiquette" (oder "Netikette") setzt sich zusammen aus "net" (Netz) und "Etikette" (Manieren). Netiquetten beschreiben Verhaltensregeln und es gibt sie für alle möglichen Formen von Netzcommunities. Die wohl signifikanteste Empfehlung der Netiquetten entspricht etwa der Maxime: "Vergessen Sie niemals, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt!". 82 Vgl. [http://duplox.wz-berlin.de/texte/vali/]. 52 offensichtlich in dem Wissen der Nutzer, dass Tauschbörsen nur dann funktionieren, wenn das Gegenseitigkeitsprinzip eingehalten wird. Darüber hinaus scheint sich trotz der Anonymität "eine Art moralischen Verhaltens im Internet herauszubilden, das sich jedoch nicht auf Internetanbieter mit kommerziellen Interessen bezieht." [Haug / Weber 2002: 106] Dieses moralische Verhalten in Form einer Einhaltung der Reziprozitätsnorm in P2P-Tauschbörsen wird als eine „Robin-Hood-Mentalität“ bezeichnet, die sich gegen die großen Majors der Musikbranche richtet und gewissermaßen die „Freiheit der Information“ als Maxime der Hacker-Ethik übernimmt. Musiktauschbörsen, deren Teilnehmer sich trotz Verschärfung des Urheberrechts und massenhafter Anklagewellen der letzten Jahre nur in sehr geringer Anzahl von der weiteren Nutzung abhalten lassen, sind als gesellschaftlicher Ausdruck einer neuen und sehr klaren Einstellung zu geistigem Eigentum im Internet zu verstehen. In den P2PNetzwerken hat sich ein Verhalten durchgesetzt, welches schon seit Jahren dem Druck von Politik und Wirtschaft standhält. Obschon die User sich der Umgehung von Urheberrechten bewusst sind, sieht der Großteil der Tauschbörsennutzer in den Forderungen der Musikindustrie eine unrechtmäßige Bereicherung und somit eine Rechtfertigung ihrer milliardenfachen Tauschaktionen. Aus diesem Konflikt heraus haben sich zivilgesellschaftliche Organisationen entwickelt 83 , die in der Regel durchaus einen monetären Ausgleich befürworten, sich jedoch den als ungerecht und undemokratisch empfundenen Ansprüchen der Musikwirtschaft nicht beugen wollen. 8.3.3 Recht auf Privatheit Unter dem Begriff der Privatheit, resp. dem der Privacy, wird in der informationsethischen Diskussion weniger das verstanden, was vielfach auch als "right to be left alone" bezeichnet wird. [Rössler 2001: 20] Diese Auffassung von Privatheit entstammt der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts und hat die neuen Lebenswelten der elektronischen Räume noch nicht im Blick. Vielmehr richtet Sie sich auf die Privatsphäre des Einzelnen in der "realen" Welt und ist sowohl im Grundgesetz als auch in der UN-Menschenrechtscharta festgeschrieben: 83 z.B. Privatkopie.net, vgl. hierzu auch Kap. 7.3. 53 "Die Wohnung ist unverletzlich." [GG: §13, Abs.1] " No one shall be subjected to arbitrary interference with his privacy, family, home or correspondence, nor to attacks upon his honour and reputation. Everyone has the right to the protection of the law against such interference or attacks." [UDHR: Art. 12] Erst 1983 wurde, aufgrund des technologischen Fortschritts in der EDV, vom Bundesverfassungsgericht das "Volkszählungsurteil" durchgesetzt. Es beinhaltet das gesetzlich zu schützende Prinzip der "informationellen Freiheit" und gesteht jedem Individuum das Recht zu, über seine personenbezogenen Daten selbstbestimmt verfügen zu können: "Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfaßt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen." 84 Dieses Gesetz sollte bereits vor etwa 20 Jahren verhindern, dass beispielsweise durch Selektionsmechanismen der Datenbanksysteme personenbezogene Daten angehäuft und zu Profilen ausgewertet werden können, ohne dass die Personen hinter den Profilen dem zugestimmt haben. Die Durchsetzung dieses Gesetzes, welches erstmalig die informationelle Privatheit rechtlich anerkennt und schützt, konnte als Beginn eines sensibleren Umgangs mit Datenschutz angesehen werden. [Kuhlen 2004: 185f] Mit der Popularisierung des Mediums Internet vor etwa einem Jahrzehnt entstanden jedoch neue und beinah unbegrenzte Möglichkeiten für Datenmissbrauch, da praktisch mit jedem Klick im World Wide Web Datenspuren hinterlassen werden. Mit ausgefeilten Datamining-Technologien können diese Spuren zu Profilen ausgewertet werden und entsprechend den weiteren Interessen und Absichten der Datensammler dienen 85 . 84 Vgl. [http://www.datenschutz-berlin.de/gesetze/sonstige/volksz.htm]. In der Regel liegen diese Interessen im Bereich Marketing und haben eine Profitmaximierung als Ziel. Denkbar sind dennoch auch ganz andere Motive, wie z.B. politische. 85 54 Andererseits zeigt sich eine zunehmende Bereitschaft der Internetnutzer, personenbezogene Daten im Internet weiterzugeben, was durch den Erfolg des ECommerce dokumentiert wird. Auch hinsichtlich der Anwendung derzeitiger Digital Rights Management Systeme durch die Musikwirtschaft 86 wird immer häufiger die Befürchtung geäußert, dass durch sie das Recht auf Privatheit eingeschränkt wird. Denn als vollautomatische Bestell- und Auslieferungssysteme digitaler Musikprodukte liegt die Kontrolle über die Inhalte auch dann noch beim Verkäufer, wenn die Musikdateien schon auf der Festplatte des Käufers liegen. Die einem DRM implementierten Verfahren der Nutzungskontrolle, wie z.B. Kopierschutz, Wasserzeichen und Nutzungsverträge sollen unerwünschte Nutzungen verhindern. Dies ist einerseits verständlich und gerechtfertigt, da DRM durchaus eine vielversprechende Möglichkeit zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Internet darstellt. Die Tatsache jedoch, dass die Änderung des deutschen Urheberrechtsgesetzes den Einsatz von DRM-Systemen durch die Musikwirtschaft legitimiert und hierbei keinerlei staatliche Regulierungsmaßnahmen vorsieht, kommt einer Privatisierung des Urheberrechts gleich. Mit dieser Gesetzgebung wurde nicht nur das Recht auf Privatkopie abgeschafft, sondern der Musikindustrie ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem sie die Regeln und Bedingungen, unter denen digitale Musik genutzt werden kann, eigenmächtig festlegt. Dies kann verheerende Auswirkungen auf die Privatsphäre derjenigen haben, die von legalen Musikplattformen Dateien downloaden, anstatt sich in den illegalen Musiktauschbörsen kostenlos zu bedienen. Beispielsweise muss bei der Installation des Media Players des Unternehmens Microsoft in einen DRM-Nutzungsvertrag eingewilligt werden. Sofern nicht in diesen Vertrag eingewilligt wird, kann der Media Player auch nicht installiert werden. Willigt man ein, erteilt man hiermit Microsoft die offizielle Genehmigung, Software zu aktualisieren, ohne dass man davon in Kenntnis gesetzt wird. 87 Durch den Einsatz von unregulierten DRM-Systemen liegt es des weiteren im Ermessen der Anbieter, in welchem Ausmaß personenbezogene Daten für den Erwerb von Lizenzen angefordert werden. Solche Daten können von den Unternehmen problemlos gespeichert und zu Nutzerprofilen ausgewertet werden – mehr noch, es besteht sogar die Eventualität einer Zensur, d.h. theoretisch könnten Personen mit bestimmten Profilen von vornherein 86 DRM-Systeme werden selbstverständlich nicht nur im Musikbereich angewandt, sondern z.B. auch von Dokumentlieferdiensten, wissenschaftlichen Datenbanken usw.. In Kap.5.3 gehe ich näher auf die Funktionsweise von DRM-Systemen ein. 87 Vgl. [http://www.privatkopie.net/files/guennewig230103.pdf]. 55 von der Nutzung ausgeschlossen werden [Hecker 2004: 49] Freilich ist die Annahme eines möglichen Missbrauchs dieser Daten rein hypothetisch, aber die Gefahr besteht und muss mit einer gesetzlichen Zusatzregelung zugunsten des Nutzers aus dem Weg geräumt werden. Dr. Alexander Dix, Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, sieht das Überwachungspotenzial von unregulierten DRM-Systemen als sehr hoch an und fordert daher den Einsatz von datenschutzfreundlichen und staatlich regulierten DRMTechnologien. Sie müssten die Sammlung und Registrierung personenbezogener Daten vermeiden. Sofern das, z.B. aus technischen Gründen, nicht realisierbar sei, müsse das Prinzip der "Datensparsamkeit" gelten. Darüber hinaus muss der Nutzer immer die Gelegenheit zur anonymen oder pseudonymen Nutzung haben. 88 Diese Grundsätze zum Schutz der Privatheit finden sich im Bundesdatenschutzgesetz 89 : "Gestaltung und Auswahl von Datenverarbeitungssystemen haben sich an dem Ziel auszurichten, keine oder so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen. Insbesondere ist von den Möglichkeiten der Anonymisierung und Pseudonymisierung Gebrauch zu machen, soweit dies möglich ist und der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck steht." [BDSG: §3a] Wenn also der Staat, wie in diesem Fall, sich nicht ausreichend um den Schutz informationeller Privatheit kümmert, und dies schließt ebenso eine entsprechende Aufklärung der Bürger über ihre Rechte ein, wird sich das schlussendlich auch auf die öffentliche Autonomie der Demokratie auswirken. Der demokratische Rechtsstaat kann nur mit und von autonomen Bürgern leben, somit steht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in einem öffentlichen Interesse. [Rössler 2001: 27] Aus diesem Grund ist eine Regulierung der DRM-Systeme durch den Staat unbedingt erforderlich, um die Möglichkeit der Überwachung und Zensur durch die Privatwirtschaft per se auszuschließen. 88 Vgl. [www.immateriblog.de/archives/000163.html]. Das BDSG ist zwar kein im GG verankertes Grundrecht, aber es ist Teil der verfassungsrechtlichen Ordnung. Demnach dürfen Eingriffe in die informationelle Privatheit nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen. 89 56 8.3.4 Erweiterung der kulturellen Vielfalt Die Umsatzkrise der Musikindustrie kann nicht als Folge eines Wertverlusts von Musik angesehen werden, da die User von Musiktauschbörsen viel Zeit und Interesse in die Partizipation an der Musikkultur investieren. Der von der Musikindustrie reklamierte Wertverlust von geistigem Eigentum bezieht sich nicht auf das Interesse an Musik, sondern auf den Wert des Tonträgers, welcher dem Konsumenten als Original verkauft wird. Die breite Nutzung von Musiktauschbörsen zeigt, dass nicht die Bindung an das "Material" Musik abnimmt, sondern lediglich die Bindung an die von den Konsumenten als obsolet empfundenen Tonträger, die von der Musikbranche kommerziell vertrieben werden. Wie eine aktuelle Studie der GfK zeigt 90 , sind die User von Musiktauschbörsen zu einem großen Teil als jugendlich im Alter von 19-29 Jahren zu verorten. Die Schnittmenge aus Studenten, Schülern und Auszubildenden ist aufgrund der Alterstruktur dieser Gruppe sehr viel höher als beispielsweise bei 30-40jährigen, die sich in der Regel nicht mehr in einer Ausbildung befinden. Der Hauptnutzergruppe, die dem Überangebot von kommerziellen Musikprodukten aufgrund ihrer Ausbildungssituation oftmals mit sehr geringen finanziellen Mitteln gegenüberstehen, wird mit den P2P-Tauschbörsen ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem wie im analogen Bereich kostenlos Musik kopiert und getauscht werden kann. [Göbel 2004] Der Unterschied zum analogen Bereich ist jedoch der, dass entgegen damaliger Erwartungen weder Audiocassette noch CD zu einem ernsthaften Konkurrenten der Musikindustrie geworden sind. Mit dem Zeitalter der Digitalisierung und Musiktauschbörsen jedoch ist eine Ära angebrochen, die mit einem Kontrollverlust der Majors über ihre bisherige Klientel einhergeht. Das Internet ermöglicht, u.a. mit illegalen Musiktauschbörsen, die Konstruktion eigener Räume, in denen die althergebrachten marktwirtschaftlichen Prinzipien ausgehebelt und Monopolstellungen einiger weniger Musikkonzerne untergraben werden. 91 Vertreter großer Musikunternehmen sehen in Musiktauschbörsen eine ernsthafte Gefahr für den Musikmarkt und auch für die Musikkultur. Insbesondere jedoch von kleineren, unabhängigen Musiklabels sowie von Vertretern der Zivilgesellschaft wird in der Regel die Meinung vertreten, dass ein freizügiger Zugang zu Musik im Internet ebenso eine Chance darstellt, z.B. für mehr kulturelle Vielfalt auf dem Musikmarkt, für innovative 90 91 "Brennerstudie 2005" des IFPI, in Kap. 3.2.1.4. Dies trifft auf den Tonträgermarkt zu, jedoch z.B. nicht auf die Konzertwirtschaft. 57 Geschäftsmodelle, für mehr Kreativität, für eine bessere Qualität der populären Musik und für mehr Selbstbestimmung der Künstler. "Für alle, die tatsächlich an Musik interessiert sind, ist die Krise der großen Musikkonzerne eine gute Nachricht. Sie öffnet wieder Raum für den ungeordneten, unübersichtlichen Wildwuchs, in dem allein gute Musik gedeiht. Erfolg lässt sich nicht zentralisieren und planen: Wenn Universal Music sich aus der "Pflege" des "nationalen Nachwuchses" zurückziehen will, ist das keine Drohung, sondern ein Versprechen." [Balzer 2004] Speziell für Musikfans, die sich über die Charts hinaus für Musik interessieren, als auch für unabhängige Labels und Musiker, stellt das Internet eine ideale Plattform für die Produktion neuer Musik dar und somit auch eine Erweiterung der kulturellen Vielfalt. Eva Kiltz, Geschäftsführerin des Verbandes unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten e.V. (VUP) bleibt, was den kostenlosen Musiktausch im Internet angeht, zuversichtlich: "Ich glaube, dass inhaltlich und optisch hochwertige Produktionen immer Käufer finden. Daran wird sich auch in Zukunft nicht ändern, egal ob diese Qualitäts-Inhalte auf Vinyl, CD oder als mp3 zu bekommen sind." 92 Dass mit langfristigem Künstleraufbau, anstatt mit kurzfristiger Gewinnorientierung, durchaus auch Gewinne erzielt werden können, zeigen Umsatzsteigerungen von verschiedenen Independent Labels. Beispielsweise verzeichnete das deutsche Label "Sanctuary Records" für das Jahr 2003 ein Umsatzplus von 20 %. [Balzer 2004] Das heißt nun keineswegs, dass unabhängige Labels und Musiker den ausschließlich kostenfreien Zugang zu Musik im Internet befürworten. Aber hier ist eine Offenheit gegenüber neuen Geschäftsideen festzustellen, die sie als Chance für sich wahrnehmen, und nicht als Bedrohung ihrer Existenz. Beispielsweise hat die Independent-Band "Einstürzende Neubauten" 2002/2003 über ein Jahr lang aktuelle Videoaufnahmen ihrer Aufnahme-Sessions ins Internet gestellt. Jeder Neubauten-Fan, der im Vorfeld 35 Euro bezahlte, konnte diese Aufnahmen über Live-Stream verfolgen und sie im Chat kommentieren. Darüber hinaus erhielt jeder Teilnehmer am Ende der Aufnahmen das Neubauten-Album als CD und als DVD, das im Handel nicht erhältlich war. So finanzierte sich die Band, die zwar einen relativ großen Bekanntheitsgrad genießt, die aber aufgrund ihrer unkonventionellen Musik nicht als finanziell erfolgreich einzustufen ist, ihre CD-Produktion. Mehr als 2000 Neubauten-Fans in über 40 Ländern unterstützten die Einstürzenden Neubauten mit der Vorausbezahlung. [Lau / Spielkamp 2004] 92 Vgl. [http://www.berlin.de/senwiarbfrau/projektzukunft/heads/0704_kiltz.htm]. 58 Nun hat dieses Projekt natürlich nur Erfolg gehabt, da sie auf ihre recht große und zuverlässige Fangemeinde zurückgreifen konnten. Unbekannte Bands können jedoch mit Hilfe der Internet- und MP3-Technologie eine breitere Hörerschaft für sich gewinnen, die unter anderen Umständen auf diese Band nicht aufmerksam geworden wäre, geschweige denn ein Konzert von ihnen besucht hätte. Die Verbreitung nichtpopulärer Musik in Musiktauschbörsen und auf Websites bedeutet für die Künstler einen Gewinn an Fans und somit langfristig möglicherweise finanziellen und reputativen Erfolg auf dem Musikmarkt. Die Unabhängigkeit von den großen Unternehmen der Musikbranche und die technischen Möglichkeiten des Internet stehen dem Major-Konzept "wenige Titel in großen Mengen" entgegen und vergrößern auf diese Weise das kulturelle Gemeingut unserer Gesellschaft als auch die kulturelle Autonomie von Künstler und Musikhörer. Die Befürwortung der Independent-Szene eines freizügigen Zugangs zu Musik im Internet zeigt gewissermaßen Parallelen zur Hackerkultur 93 auf, da sich beide strukturell ähneln. Im weitesten Sinne stehen beide Gruppen für einen freizügigen Umgang mit Information, für eine Erweiterung des kulturellen Gemeinguts 94 , für Solidarität mit Gleichgesinnten, für Selbstbestimmung und für eine Ablehnung von kapitalistischer Verwertung durch große Musik- oder Softwareunternehmen. Sowohl bei der Independent- als auch der Hackerkultur fangen die Protagonisten in der Regel bereits im jugendlichen Alter an, sich in ihrer Freizeit mit der Szene aktiv auseinander zu setzen. Die Ursachen hierfür liegen zum Einen in der für dieses Alter psychologisch begründeten Auflehnung gegen Autoritäten und gegen die geregelte Welt der "Erwachsenen", was sich u.A. im Interesse sowohl an unkonventioneller Musik als auch an den zum Teil sehr idealistischen Maximen der Hackerkultur äußert. 95 Dieses Verhalten reicht jedoch oftmals vom jugendlichen Hobby-Bereich in die spätere Arbeitssphäre hinein. Beide Gruppierungen haben den Anspruch, eine Alternative zu den kapitalistischen Produktions- und Lebensmodellen zu entwickeln und kulturelle Vielfalt zu fördern. 93 Gemeint sind hier keineswegs sogenannte "Cracker", die nur in Computersysteme eindringen, um sie zu zerstören oder Daten zu stehlen. Die Cracker-Szene entstand erst in den 80er Jahren, während sich die Hackerkultur bereits in den 60er Jahren entwickelte. "Hacker" sind oftmals sehr kreative Personen, die sich mit ihrer Arbeit für ein größtmögliches Maß an Informationsfreiheit unter Berücksichtigung des Datenschutzes einsetzen. Die sogenannte "Hacker-Ethik" ist die Grundlage ihres Handelns. Vgl. [http://www.ccc.de/] 94 In der Hackerkultur bezieht sich dies primär auf das technologische Kapital des Einzelnen, mit dem Autonomie und Partizipation am kulturellen Leben hergestellt werden kann, z.B. durch freie Software und generell durch einen freien Zugang zu Information. 95 Die Hackerethik befindet sich in ständiger Weiterentwicklung und Diskussion. Auf der Website des Chaos Computer Clubs findet man die wichtigsten Grundsätze der Hackerkultur, vgl. [http://www.ccc.de/hackerethics?language=de]. 59 Die Motivation zur Schaffung dieser Alternativen ist bei beiden Gruppen nicht kommerzieller, sondern allein hedonistischer Natur: die Ablehnung von Gewinnorientierung und zentralisierten Systemen geht einher mit Lust, Befriedigung und Spaß an der Sache. 96 [Göbel 2004] In dem Phänomen der Musiktauschbörsen im Internet vereinigen sich demnach grundsätzliche Interessen von Vertretern der Hacker- und Independent-Musikszene. Im Zentrum ihrer Motivation steht eine Erweiterung der Kulturindustrie durch einen freiheitlichen Zugang zu Information, und somit auch zu Musik. Das Bedürfnis der Zivilgesellschaft nach kultureller Vielfalt wird am Beispiel von Musiktauschbörsen besonders deutlich. Für eine nachhaltige Demokratie ist ein Kompromiss unentbehrlich, der die Bürgergesellschaft und ihre demokratischen Werte stärkt. Dieses Bedürfnis nach kultureller Vielfalt mit den damit einhergehenden Handlungsweisen fordern ihre gesellschaftliche Implementierung in Form eines fairen und inklusiven Kompromisses als Ziel eines ernsthaft geführten informationsethischen Diskurses. 9. Ausblick: Zwischen ökonomischer und kultureller Verantwortung Der andauernde Konflikt um den Umgang mit Musiktauschbörsen im Internet zeigt, dass sich ein großer Teil der am Konflikt Beteiligten um Rechte betrogen fühlt und sich gegen die Verknappungsstrategien der Musikindustrie wehrt. Nutzer von Tauschbörsen werden per Gesetz kriminalisiert, ohne dass ihnen wirkliche Alternativen angeboten werden, die nicht primär die Machtansprüche einiger weniger Musikkonzerne sichern, sondern einen fairen Ausgleich zwischen allen Beteiligten schaffen. Sicherlich werden auch solche Modelle nicht von Dauer resp. überhaupt durchsetzbar sein, die auf breiter Ebene eine uneingeschränkte, kostenlose Nutzung von Musik im Internet gewährleisten. Jedoch dürfen im Rahmen eines informationsethischen Diskurses Begriffe wie z.B. Informationsfreiheit, Recht auf Privatheit oder Kulturstaatlichkeit keinesfalls 96 Sicherlich müssen sich auch Hacker und Independent-Musiker finanzieren. Hacker finanzieren sich jedoch über den Service-Bereich und nicht über die Kommerzialisierung von Information. Für unabhängige Labels und Musiker ist es ebenso eine Notwendigkeit, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, eine überzogene Gewinnmaximierung ist jedoch von vornherein aufgrund der eher gering gewinnbringenden Musik auszuschließen. 60 ausgeklammert werden. Im Folgenden werden einige Modelle vorgestellt, die zum Einen sowohl die Rechte als auch die Bedürfnisse der Nutzer und der Musikschaffenden stärker berücksichtigen, nichtsdestotrotz aber auch auf einen höheren Innovationsgrad der Musikwirtschaft abzielen. Denn aus wissensökologischer Perspektive werden nur die Modelle nachhaltigen Erfolg - auch wirtschaftlichen Erfolg - verzeichnen, die die Forderungen aller Beteiligten als fairen Kompromiss auf einen Punkt bringen. Eine Lösung dieses informationsethischen Problems macht eine Anpassung aller Interessensvertreter, auch der mächtigsten, zugunsten des Allgemeinwohls notwendig. 9.1 Creative Commons – für mehr Autonomie von Musikschaffenden Creative Commons, auch als CC bezeichnet, ist eine weltweit agierende Non-ProfitOrganisation, die Künstlern, Kreativen und Wissenschaftlern eine kostenlose und individuelle Lizenzierung ihrer Schöpfungen im Internet ermöglicht. Gegründet wurde Creative Commons im Jahr 2001 vom Verfassungsrechtler Lawrence Lessig, einem politischen Aktivisten und Verfechter einer Liberalisierung des Internetrechts. Er vertritt die Ansicht, dass wie jede andere Technik auch das Internet davor geschützt werden müsse, "zum Opfer von Interessen zu werden, seien es die der Unternehmen oder die der Politik." [zit. nach: Spielkamp 2004a] Mit den kostenlosen Lizenzpaketen, die er gemeinsam mit seinen Kollegen und Studenten am "Stanford Center für Internet and Society" entwickelt hat, stellt er dem restriktiven "Digital Rights Management" quasi eine "Digital Rights Description" gegenüber: An die Stelle von Verboten durch den Einsatz von DRM-Systemen, wie z.B. eine Musikdatei nicht verändern oder kostenlos im Internet verbreiten zu dürfen, tritt nun die explizite Gewährung von Rechten durch den Künstler selbst. Mit einer CC-Lizenz 97 können beispielsweise Musiker, Fotografen, Autoren und Wissenschaftler ihre Werke anderen zugänglich machen, indem sie die Rechte zur Weiterverwendung und Bearbeitung der Öffentlichkeit einräumen. Der wachsende Zulauf bei CC zeigt, dass zum Einen viele Künstler eine flexiblere Alternative dem strikten Urheberrecht vorziehen. Zum Anderen zeigt es, dass ein Werk, das mit einer CC-Lizenz frei im Internet kursiert, als effektive Werbung angesehen wird. Für unbekannte Künstler kann sich diese Methode langfristig durchaus kommerziell wie auch reputativ auswirken. 98 97 Eine Lizenz kann online auf der CC-Website erstellt werden, z.B. auf der Seite von "CC Deutschland" unter [http://de.creativecommons.org/index.html]. 98 Vgl. [http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,364072,00.html]. 61 Für eine individuelle Zusammenstellung eines Lizenzvertrages stehen folgende Vertragselemente zur Auswahl, die auch kombiniert werden können 99 : Namensnennung: Eine Vervielfältigung / Verbreitung / Aufführung / öffentliche Zugänglichmachung des Werkes ist nur unter der Prämisse erlaubt, dass der Name des Autors genannt wird. nicht-kommerzielle Nutzung: Eine Vervielfältigung / Verbreitung / Aufführung / öffentliche Zugänglichmachung des Werkes ist ausschließlich zu nichtkommerziellen Zwecken erlaubt. keine Bearbeitungen: Eine Vervielfältigung / Verbreitung / Aufführung / öffentliche Zugänglichmachung des Werkes sind nur von einer unveränderten Kopie erlaubt. Weitergabe unter gleichen Bedingungen: Eine Verbreitung einer bearbeiteten Kopie ist nur unter einem Lizenzvertrag erlaubt, der demjenigen entspricht, unter dem auch der Urheber sein Werk lizenziert hat. Creative Commons versteht sich dezidiert nicht als Kontrollinstrument, sondern ausschließlich als "informatorische Hilfe" 100 : CC leistet keine Unterstützung beim Einsammeln von Lizenzgebühren CC bietet keine juristischen Beratungen o.ä. der Einsatz von DRM-Tools verstößt gegen den Lizenzvertrag, da sie den Zugang oder den Gebrauch auf eine Weise kontrollieren, die mit den Bedingungen einer CC-Lizenz im Widerspruch stehen 99 Vgl. [http://de.creativecommons.org/faq.html]. Vgl. [http://de.creativecommons.org/faq.html]. 100 62 die Einhaltung der definierten Lizenzrechte überlässt CC "dem Gesetz, den gesellschaftlichen Normen und dem guten Willen der Beteiligten" 101 Ein Beispiel für die Nutzung von CC-Lizenzen im Musikbereich sind sogenannte "Netzlabels", die ihre Musik fast ausschließlich im Internet veröffentlichen. Etwa Ende der 1990er Jahre, als sich das Komprimierungsformat MP3 mehr und mehr durchsetzte, formierten sich die ersten Netzlabels. Damals wie heute sind ihre Grundprinzipien das kostenlose Tauschen und die Weiterverarbeitung ihrer Musik, die zum Großteil der Nischenkultur zuzuordnen ist. Die meisten von ihnen lizenzieren ihre Musik mit Creative Commons – dabei erlauben sie es in der Regel ausdrücklich, die Tracks zu kostenlos zu tauschen und sie auf anderen Websites öffentlich "aufzuführen". Ihr Ziel ist es, mit dieser Freizügigkeit eine größere Öffentlichkeit zu erreichen, aber auch, sich gegen die mainstreamfördernden Musikmajors abzugrenzen. Selbst erfolgreiche DJs, die normalerweise auf CD oder Vinyl veröffentlichen, haben in den letzten Jahren zunehmend auch für Netzlabels Songs produziert und verzichten somit auf einen finanziellen Gewinn. Beispielsweise hat das Netzlabel "Textone" neben ihrer Arbeit mit vorwiegend unbekannten Künstlern ebenso einige populäre Musiker aus der Minimalelektronik-Szene zeitweise unter Vertrag genommen, wie etwa Richie Hawtin, Ricardo Villalobos u.a.. Dies ist jedoch nur mit Musikern möglich, die nicht Mitglied der GEMA sind, resp. deren Mitgliedschaft sich nicht auf die Verwertung im Internet bezieht. Eine CC-Lizensierung und eine gleichzeitige Verwertung durch die GEMA ist nicht möglich. Derzeit sind beim freien Netzarchiv "The Internet Archiv" 102 etwa 240 Netzlabels verzeichnet, während es Ende 2004 erst etwa 130 waren. 103 Dies zeigt, wie stark das Bedürfnis tatsächlich ist, sich von einengenden Anforderungen der großen Musikkonzerne zu befreien und stattdessen auf eine selbstbestimmte Art und Weise einen eigenen Beitrag zu kulturellen Vielfalt zu leisten. In diesem Sinne sind Netzlabels nur eine Möglichkeit von vielen – z.B. gibt es vor allem in den USA bereits eine Vielzahl von Musikern, die sowohl Komposition, Interpretation, Produktion und Technik, als auch Vertrieb und Werbung als Einzelperson managen. 104 101 Laut Aussage von "Creative Commons Deutschland" (Email v. 17.08.05) wird prinzipiell keine Gewähr für die Einhaltung der Lizenzen übernommen. Bisher ist ihnen jedoch kein Lizenzverstoß bekannt. Sollte es in einem der Länder, in denen die CC-Lizenzen an das lokale Recht angepasst wurden, einen groben Verstoß geben, dann wäre es aber nicht unwahrscheinlich, dass sich das CCTeam des betroffenen Landes darum bemühen würde, einen Prozess gegen diesen Verstoß anzustrengen, um einen Präzedenzfall zu schaffen. 102 vgl. hierzu auch [http://www.archive.org/audio/netlabels.php] 103 Vgl. [http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,365046,00.html]. 104 Vgl. [http://www.donauuni.ac.at/de/studium/fachabteilungen/kultur/zentren/zzm/news/archiv/03521/index.php]. 63 CC stellt ein Instrument für Kreative dar, autonomer als bisher handeln zu können und in dieser Hinsicht die Kulturvielfalt unserer Gesellschaft zu erweitern: Im Eigeninteresse des Musikers können sich Veröffentlichungen digitaler Musik unter einer CC-Lizenz reputativ wie auch gewinnbringend auswirken. Das Interesse des Künstlers am Gemeinwohl zeigt sich hingegen in der Annahme resp. in der Überzeugung, dass neue Ideen auf dem aufbauen, was bereits vorhanden ist; dass also neue Musik 105 vor allem dann kreativ geschaffen werden kann, wenn der Zugang zu bereits vorhandener Musik möglichst freizügig gehandhabt wird. Dies entspricht einem wissensökologischen Umgang mit digitaler Musik, da neben ökonomischen auch kulturelle Interessen berücksichtigt werden. 9.2 User Rights Management – für mehr Rechte der Endverbraucher Die in Kap. 6.2 erläuterte Urheberrechtsnovelle mit dem damit einhergehenden Umgehungsverbot für technische Schutzmaßnahmen stellt die Grundlage für eine verstärkte Kommerzialisierung von Kulturgütern dar, wie z.B. von Musik. Als "technische Schutzmaßnahmen" werden primär die derzeit von der Verwertungsindustrie stark favorisierten DRM-Technologien bezeichnet. Kritiker von DRM-Systemen jedoch fordern einen stärkeren Schutz der Verbraucherinteressen, da das alleinige Kriterium für den Einsatz solcher Kontrolltechnologien nicht die ökonomische Effizienz sein kann und darf. Neben den durchaus plausiblen Forderungen der Verwertungsindustrie müssen ebenso, wie bereits in Kap. 5.3 näher beschrieben, die Rechte und Interessen der Nutzer berücksichtigt werden, wie z.B. das Recht auf Anonymität und Privatheit oder eine ausreichende Gewährleistung der Nutzungsrechte. "Ansonsten", so prophezeit der Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen, "wird ein Volk von Hackern entstehen" 106 . Die Privatisierung des Urheberrechts, basierend auf der immensen Stärkung der Verwerterrechte, geht einher mit einer Kriminalisierung jener Nutzer, die sich über Gesetze hinwegsetzen, z.B. das 2003 eingeführte Umgehungsverbot für technische Schutzmaßnahmen. Die Ursache jedoch für dieses Hinwegsetzen über bestehendes Recht liegt in diesem Fall bei einem Großteil der Nutzer in ihrem subjektiven Empfinden darüber, dass sie bei gesetzestreuem Verhalten um ihr Recht und ihre Interessen betrogen werden würden. 105 "Neu" ist hier gemeint als etwas, was zuvor in dieser Form noch nicht geschaffen worden ist und sich dementsprechend von dem absetzt, was auf dem Markt angeboten wird. Als "neu" kann auch das gewertet werden, was sich aus verschiedenen Stilen neu zusammensetzt. 106 Zit. nach: [http://www.heise.de/newsticker/meldung/26055]. 64 Die Musikwirtschaft wird sich erst nachhaltig von ihrer Krise erholen, wenn es ihr "gelingt, die Potenziale der nicht offiziellen, also nicht in wirtschaftlichen und politischen Umgebungen etablierten Gruppierungen und Individuen produktiv umzusetzen und nicht sich gegen sie abzuschotten". [Kuhlen 2003a: 3] Der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen restriktive DRM-Systeme zeigt, dass Nachhaltigkeit in Bezug auf die Musikwirtschaft sich nur dann entwickeln wird, wenn die Interessen und normativen Verhaltensweisen der Konsumenten berücksichtigt werden. Aus diesem Grund fordern Kritiker, wie z.B. R. Kuhlen, eine Ergänzung der DRM um ein User Rights Management, im Folgenden URM genannt. Zu den Zielvorgaben für ein URM gehört beispielsweise: Wahrung der Anonymität / Schutz von persönlichen Daten Abspielbarkeit der erworbenen Musikstücke auf anderen Geräten muss gewährleistet sein Untersagung von hardware- oder betriebssystemorientierten DRM-Verfahren, da sie den Nutzern keinen Handlungsspielraum lassen die Nutzer sollten selbstbestimmt oder über beauftragte Mittler Vervielfältigungsfreiheiten aushandeln können verschiedene Formen der Abrechnung sollten möglich sein, z.B. individuelle Abrechnung oder Pauschalierung DRM/URM-Systeme sollten auch für individuelle Urheber bereitgestellt werden, die damit die Verwertung oder die lizensierte Freigabe ihrer Produkte selber handhaben können Transparenz bei der Abrechnung [Kuhlen 2004: 357] Derzeit ist die Musikindustrie jedoch noch weit davon entfernt, ihren potenziellen Kunden diese Rechte mit Hilfe eines URM einzuräumen. Stattdessen hält sie weiterhin an marktwirtschaftlichen Prinzipien fest, für die es in der "alten" Ökonomie einen allgemeinen Konsens gab, die jedoch den neuen Prinzipien des digitalen Marktes nicht standhalten. Die z.B. von der Musikindustrie oftmals sehr moralisch eingefärbte Öffentlichkeitsarbeit zum Thema "Musikpiraterie" 107 und die entsprechende 107 So z.B. bei der Kampagne "COPY KILLS MUSIC" des IFPI im Jahr 1999, zu der es in einer Pressemitteilung heißt: "Wenn der Künstler, so wie der Bäcker von seinen Brötchen, nicht mehr von seinen Lizenzeinnahmen leben kann, dann bricht musikalisch schon sehr bald eine Hungersnot aus. Das Ergebnis: Eine verödete Musiklandschaft, in der es sich wohl kaum ein Label wird leisten können, risikoreiche Projekte abseits des Mainstream zu entwickeln." Vgl. [http://www.ifpi.de/recht/re17.htm]. 65 Rückendeckung durch den Staat lässt jedoch nicht erkennen, dass derzeit innerhalb des informationsethischen Diskurses auch andere Interessen, z.B. der Einsatz von URMSystemen, ernsthaft berücksichtigt werden. 9.3.1 Alternative Verkaufsmodelle – für eine innovative Musikwirtschaft Folgende Modelle für eine alternative Vermarktung digitaler Musik werden an dieser Stelle kurz vorgestellt: 1) Kulturflatrate 2) Clubmodell 3) Phasenmodell 4) Creditingmodell 5) Kompensationsmodell 6) Mehrwertmodell 7) Auktionsmodell 1) Kulturflatrate: Die "Fairsharing-Initiative", zu deren Mitgliedern die Attac AG Wissensallmende, der FoeBud, die Grüne Jugend, das Netzwerk Neue Medien und Privatkopie.net zählen, hat dem Bund im vergangenen Jahr mit ihrer "Berliner Erklärung zu kollektiv verwalteten Online-Rechten: Kompensation ohne Kontrolle" den Vorschlag einer Kulturflatrate unterbreitet. Unter einer Kulturflatrate ist eine Pauschalabgabe auf Breitband-InternetAnschlüsse zu verstehen, mit der die User in P2P-Tauschbörsen legal Musik downloaden können. Die Summe der Abgaben wird, so wie es auch mit den Pauschalabgaben auf Geräte gehandhabt wird, an die Künstler verteilt. 108 Um eine möglichst gerechte Verteilung der Einnahmen an die Künstler gewährleisten zu können, ist im Vorfeld beispielsweise eine Registrierung der Downloadzahlen aller Musikfiles durchzuführen. Der Hauptkritikpunkt besteht darin, dass auch diejenigen Nutzer eines Breitband-InternetAnschlusses von den zusätzlichen Gebühren betroffen wären, die gar keine Musik downloaden. Zum Einen sieht die "Berliner Erklärung" aber eine Staffelung des Beitrags je nach Geschwindigkeit des Internetzugangs vor, und zum Anderen sollen Schätzungen Prinzipiell ist dies zwar nicht falsch, jedoch leben die dem IFPI angeschlossenen Majorfirmen vom Mainstream. Die kleinen Labels mit ihren zum Teil unkonventionellen und daher riskanteren Projekten sind einem freizügigen Umgang mit Musik in der Regel sehr aufgeschlossen. Vgl. hierzu auch Kap. 8.3.4 und 9.1. 108 Vgl. [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19510/1.html]. 66 aus der Wissenschaft ergeben haben, "dass rund fünf Euro im Monat Gebühr für eine DSL-Flatrate ausreichen würden, um die Musiker, Plattenlabels und Studios für ihre Verluste durch das Herunterladen zu entschädigen." 109 Demnach entstehen auch für Nicht-Downloader nur sehr geringe Kosten – aufgrund derer sie sich ferner sogar dazu aufgefordert fühlen könnten, die Kulturflatrate zukünftig tatsächlich zu nutzen. Bundesjustizministerin Zypries hat sich jedoch in ihrer Rede anlässlich der Tagung "Wissen und Recht" am 21.03.05 eindeutig gegen eine Kulturflatrate ausgesprochen, da dies einer Vergesellschaftung von Gütern gleichkäme, und die sei auch in der Kulturwirtschaft kein Investitionsanreiz. 110 2) Clubmodell: Online-Musikclubs mit Niedrigpreisstrategie, bei denen die Clubmitglieder das Angebot mitbestimmen können. Ähnlich wie beim Bertelsmann-Buchclub können auch hier ausschließlich die registrierten Mitglieder die Angebote wahrnehmen. [Kuhlen 2004: 366] Aushandelbare Verpflichtungszeiten von 3, 6 und 12 Monaten sowie ein monatlicher Mindestbestellwert, der sich nach der Länge der Verpflichtungszeit richtet, sind mögliche Komponenten eines Clubmodells. 3) Phasenmodell: Über einen begrenzten Zeitraum könnten digitalen Musikfiles kommerziell vermarktet werden, bevor sie der Öffentlichkeit kostenfrei zum Download zur Verfügung gestellt werden. Der Verkauf könnte durch Anreizmodelle, wie z.B. durch Rabatte für andere Produkte, angeregt werden. [Kuhlen 2004: 366] 4) Creditingmodell: Für aktiv erbrachte Mehrwertleistungen zu dem Musikfile werden Credits vergeben, die bei dem Download anderer MP3-Dateien verrechnet werden. Eine Mehrwertleistung kann z.B. eine bewertende Rezension des Songs oder des dazugehörigen Albums, die Bereitstellung von Hintergrundinformationen oder auch die Verknüpfung zu ähnlichen Produkten sein. [Kuhlen 2004: 366] 109 Vgl. [http://www.fairsharing.de/serendipity/index.php?/archives/2-Kultur-Flatrate-stattKnast.html#extended]. 110 Vgl. [http://www.bmj.bund.de/enid/Maerz/Berlin__2ss__3_2__5__Wissen_und_Recht_sh.html]. 67 5) Kompensationsmodell: Musikfiles werden im Online-Marketing als kostenlose Zusatzleistungen oder gegen einen sehr niedrigen Preis angeboten, wenn der Kunde ein Produkt kauft. Die Musikwirtschaft erhält ihren entsprechenden Anteil direkt oder indirekt über Mittler vom Unternehmen. [Kuhlen 2004: 366] 6) Mehrwertmodell: Musikfiles dürfen kostenlos heruntergeladen werden – sofern Mehrwertleistungen zu diesem Produkt in Anspruch genommen werden, wie z.B. Konzertkarten, Hintergrundinformationen, Reisen usw.. [Kuhlen 2004: 367] 7) Auktionsmodell: Musikdateien werden auf Auktionsplattformen, wie z.B. Ebay, versteigert. Sobald jedoch ein bestimmter Gewinn erreicht worden ist, werden die Dateien der Öffentlichkeit kostenlos zum Download angeboten. [Kuhlen 2004: 367] 10. Fazit Aus verschiedenen Gründen ist davon auszugehen, dass die Auseinandersetzung um Musiktauschbörsen im Internet trotz verschärfter Urheberrechte und Verknappungsmaßnahmen durch die Majors andauern wird. Das Verhalten der Musikindustrie scheint eher dem größtmöglichen Nutzen einer kleinen Anzahl von Unternehmen zu dienen und steht damit in starkem Widerspruch zu einem nachhaltigen, inklusiven und gerechten Umgang mit Information, der aus wissensökologischer Sicht als Notwendigkeit für eine funktionierende Informationswirtschaft anzusehen ist. Derzeit werden die Verwertungsregelungen der analogen Welt der digitalen Umgebung übergestülpt, obschon hier gänzlich andere Bedingungen vorliegen, die sich nicht zuletzt auch in einer neuen Einstellung zu geistigem Eigentum abbilden. Trotz einer Kriminalisierung der User ziehen sich die meisten nicht aus ihren Tauschaktivitäten zurück. Daraus lässt sich schließen, dass die Nutzung von FilesharingNetzwerken einen neuen Umgang mit Musik hervorbringt: Zum Einen hat sich die Einstellung zu geistigem Eigentum in digitalen Räumen verändert und zum Anderen scheint ein vollständiger Verzicht auf den freien Zugang zu Musik im Internet nicht 68 durchsetzbar zu sein. Die Verknappungsmaßnahmen der Musikindustrie werden die Urheberrechtsverstöße zwar eingrenzen, aber nicht gänzlich unterbinden können, da die Nutzer offensichtlich nicht auf diese Art der Musikdistribution verzichten werden. Die neuartige Einstellung zu geistigem Eigentum in digitalen Räumen, mit der Verwertungsansprüche umgangen werden, resultiert nicht aus einem mangelnden Respekt vor geistigen Schöpfungen, sondern eher aus dem Gedanken der Informationsfreiheit. In Musiktauschbörsen ist eine sogenannte "Robin-Hood-Mentalität" zu beobachten, die sich jedoch nicht auf die Einhaltung von Urheberrechten bezieht, sondern auf den Gedanken des „Alle Informationen müssen frei sein“, welcher ursprünglich die wichtigste Maxime der "Hacker-Ethik" darstellt. Infolge der Verbreitung des Internet ist freilich zu keiner anderen Zeit als der heutigen ein so freier Zugang zu Information möglich gewesen, aber auf der anderen Seite ist auch zu keiner anderen Zeit Information so stark kommerzialisiert und verknappt worden, was wiederum dem Postulat einer "Informationsfreiheit" entgegensteht. In diesem Gegensatz manifestiert sich die Paradoxie der Informationsgesellschaft. Die ökonomische Signifikanz des Informationsmarktes darf zwar nicht von der Hand gewiesen, aber ebenso darf aus informationsethischen Gründen ein freizügiger Zugang zu Information mit dem Ziel einer wissenschaftlich und kulturell nachhaltigen Demokratie nicht vernachlässigt werden. Die derzeitigen Entwicklungen am Musikmarkt berücksichtigen diesen Aspekt zuwenig, was beispielsweise auch am Einsatz von DRM-Systemen deutlich wird: Das neue Urheberrecht gibt der Musikindustrie eine enorme Handlungsfreiheit beim Einsatz von Kopierschutzmaßnahmen, so dass es primär von ihr abhängen wird, wie und in welchem Umfang der Zugang zu digitaler Musik aussehen wird. Der Einsatz von DRM ist nicht nur hinsichtlich des "Rechts auf Informationsfreiheit" als kritisch zu betrachten, sondern ebenso mit Blick auf die Gewährleistung des Datenschutzes. Es gibt derzeit noch keine DRM-Systeme, die derart ausgefeilt sind, dass sie dem "Recht auf Privatheit", das wie das "Recht auf Informationsfreiheit" sowohl im Grundgesetz als auch in der Menschenrechtserklärung verankert ist, Rechnung tragen. Im Gegenteil: Durch die "Privatisierung" des Urheberrechts liegt es allein im Ermessen der Wirtschaft, in welchem Ausmaß personenbezogene Daten für die Lizenzvergabe angefordert werden. Um eine Erstellung von Nutzerprofilen und eine Zensur von vornherein zu vermeiden, fordern Kritiker den Einsatz eines "User Rights Management", für dessen verbindliche Einführung jedoch gesetzliche Vorgaben notwendig wären. Ferner ist aufgrund von kulturellen Formationen, die sich in digitalen Räumen entwickelt haben, wie z.B. den Netzlabels, zu beobachten, dass das Internet für den Musikmarkt eine Erweiterung der kulturellen Vielfalt bedeutet. Nicht nur Labels und Künstler profitieren 69 davon, sondern ebenso die Nutzer von Musiktauschbörsen. Das große Interesse an der Musikkultur zeigt sich schließlich auch an dem hohen Nutzungsgrad von Tauschbörsen – man kann sogar vermuten, dass das Interesse an Musik nicht so hoch wäre, wenn es kein Filesharing gäbe. Ebenso wie die normativen Verhaltensweisen als auch das Recht auf "Informationsfreiheit" und "Privatheit" fordert auch das sich deutlich abzeichnende Bedürfnis unserer Informationsgesellschaft nach einer vielfältigen Musikkultur eine Implementierung in Form eines nachhaltigen und inklusiven Kompromisses zwischen allen Interessensgruppen. Die informationsethische Analyse des Umgangs mit "Musikpiraterie" hat gezeigt, dass die Handlungsweisen der Musikindustrie ethischen Grundwerten, wie z.B. Gerechtigkeit, Inklusivität und Freiheit, nicht gerecht werden. Der gesellschaftliche Konsens über die Rechtmäßigkeit von Urheberrechtsansprüchen in der "realen" Welt, wie sie von der Musikindustrie reklamiert werden, entspricht eben auch nur den Wertvorstellungen unserer "realen" Welt, da sie hier mit allgemeinen ethischen Prinzipien übereinstimmen. Jedoch ist dieser Konsens nicht einfach auf digitale Räume übertragbar, da es sich um Werte und Normen handelt, die sich erst entwickeln müssen, und zwar unter Beteiligung aller Interessensgruppen. Ein gesetzlicher Beschluss von Werten, wie z.B. die in dieser Arbeit erläuterte Urheberrechtsnovelle, ist demnach als unethisch zu beurteilen. Weder das Internet als solches noch die Kultur des Musiktauschens im besonderen bedeutet das Ende des Musikmarktes. Denn noch nie war das Interesse an Musik so groß, was nicht zuletzt auf die kostenlosen Tauschmöglichkeiten zurückzuführen ist. Ganz sicher aber bedeutet es eine Neuformierung alter Marktstrukturen, da die meisten schon lange nicht mehr bereit sind, 10-20 Euro für eine Original-CD zu bezahlen. Die Musikindustrie wird sich an neuen Geschäftsmodellen erproben müssen, z.B. einem Ausbau von Service- und Mehrwertleistungen. Zukünftig wird der Fokus vermutlich auf dem Verkauf von Konzertkarten liegen, was wiederum neue Möglichkeiten für unabhängige, finanziell weniger erfolgreiche Labels und Musiker bedeutet. Solange die Musikindustrie jedoch an alten marktwirtschaftlichen Prinzipien festhält und damit zum Einen die Interessen ihrer potenziellen Kunden ignoriert und zum Anderen Millionen von Musiktauschbörsennutzern kriminalisiert, wird die Abwärtsentwicklung der Musikindustrie weiter voranschreiten. In der Auseinandersetzung um Musiktauschbörsen manifestiert sich ein ganz grundsätzlicher Konflikt unserer heutigen Informationsgesellschaft: Wie sollen wir im Zeitalter der Digitalisierung mit Wissen und Information umgehen? 70 Theoretisch kann dieser Konflikt nur durch eine umfassende Wissensökologie gelöst werden, die eine Ökonomie des Wissens nicht ausklammert. Praktisch gehört zur Kompromissfindung ein öffentlich geführter informationsethischer Diskurs, an dem alle Interessensgruppen beteiligt sind. Nur mit diesen Mitteln kann sich unsere Informationsgesellschaft nachhaltig, gerecht und freiheitlich entwickeln. 11. Literaturverzeichnis Monographien: [Bauckhage 2002] Bauckhage, Tobias (2002): Das Ende vom Lied? Zum Einfluss der Digitalisierung auf die internationale Musikindustrie. Stuttgart. [Becker 2002] Becker, Konrad u.a. (2002): Die Politik der Infosphäre. WorldInformation.Org (=Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 386). Bonn. [Flender / Lampson 2001] Flender, Reinhard / Lampson, Elmar (2001): Copyright. Musik im Internet. Berlin. [Haug / Weber 2002] Haug, Sonja / Karsten Weber (2002): Kaufen, Tauschen, Teilen. Musik im Internet. Frankfurt am Main. [Kuhlen 2004a] Kuhlen, Rainer (2004): Informationsethik. Konstanz. [Mayer 2003] Mayer, Christoph M. (2003): Urheber- und haftungsrechtliche Fragen bei peer-to-peer-Tauschbörsen, 1. Auflage. Berlin. [McLuhan 1992] McLuhan, Herbert Marshall (1992): Die magischen Kanäle. Understanding Media. Düsseldorf / Wien. [Pieper 2003] Pieper, Annemarie (2003): Einführung in die Ethik. 5., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Tübingen / Basel. [Renner 2004] Renner, Tim (2004): Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm. Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie. Frankfurt am Main. [Rössler 2001] Rössler, Beate (2001): Der Wert des Privaten. 1. Auflage. Frankfurt am Main. 71 Aufsätze / Beiträge aus einem Sammelband: [Arens 1996] Arens, Edmund (1996): Die Bedeutung der Diskursethik für die Kommunikations- und Medienethik. In: Funiok, Rüdiger (Hrsg.): Grundfragen der Kommunikationsethik, 1. Auflage. Konstanz, S. 73-96. [Goebel 2004] Goebel, Jürgen W. (2004): Informationsrecht – Recht der Information. In: Kuhlen, Rainer / Seeger, Thomas / Strauch, Dietmar (Hrsg.): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 5. Auflage. München, S. 91-103. [Kuhlen 2004b] Kuhlen, Rainer (2004): Wissensökologie. In: Kuhlen, Rainer / Seeger, Thomas / Strauch, Dietmar (Hrsg.): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 5. Auflage. München, S. 105-112. [Kuhlen 2004d] Kuhlen, Rainer (2004): Informationsethik. In: Kuhlen, Rainer / Seeger, Thomas / Strauch, Dietmar (Hrsg.): Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 5. Auflage. München, S. 61-71. Abrufbar im Internet. URL: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/publikationen.html. Stand: 28.04.05. [Kuhlen 2003a] Kuhlen, Rainer (2003): Medienprodukte im Netz – Zwischen Kommerzialisierung und freiem Zugang. Proceedings Münchener Kreis "Digital Rights Management". In: Picot, Arnold (Hrsg.): Digital Rights Management. Berlin. Abrufbar im Internet. URL: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/Publikationen2003/rk_endtextmkreis-von1102.pdf. Stand: 03.05.05. [Lütge 2003] Lütge, Christoph (2003): Zur Ethik von Napster, Gnutella und anderen Internet-Musiktauschbörsen. In: Fischer, Peter / Hubig, Christoph / Koslowski, Peter (Hrsg.): Wirtschaftsethische Fragen der E-Economy. Heidelberg, S. 347-357. [Mittelstraß / Wolters 1995] Mittelstraß, Jürgen / Wolters, Gereon (1995): Artikel "Ethik, angewandte". In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Band 1: A-G. Stuttgart, S.592-597. [Prechtl / Burkhard 1996] Prechtl, Peter / Burkhard, Franz-Peter (Hrsg.) (1996): Artikel "Ethik". In: Metzler Philosophie Lexikon. Begriffe und Definitionen. Stuttgart. [Zappe 2003] Zappe, Uli (2003): Das Ende des Konsums in der Informationsgesellschaft. In: Fischer, Peter / Hubig, Christoph / Koslowski, Peter (Hrsg.): Wirtschaftsethische Fragen der E-Economy. Heidelberg, S. 48-66. Fachzeitschriften: [Buxmann / Pohl / Johnscher u.a. 2005] Buxmann, Peter / Pohl, Gerrit / Johnscher, Patrick u.a. (2005): Strategien für den digitalen Musikmarkt: Preissetzung und Effektivität von Maßnahmen gegen Raubkopien. In: Wirtschaftsinformatik, Heft 2, S. 118-125. Abrufbar im Internet. URL: http://www.zukunftsmusik.net/paper_zm/stragien_mi.pdf. Stand: 08.08.05. 72 [Hecker 2004] Hecker, Joachim (2004): Wer darf was wann und wo wie oft? "Digital Rights Management" regelt den Umgang mit digitalen Inhalten. In: mundo. Das Magazin der Universität Dortmund, Heft 3, S. 46-49. Abrufbar im Internet. URL: http://www.uni-dortmund.de/mundo/. Stand 25.06.05. [Kuhlen 2002] Kuhlen, Rainer (2002): Napsterisierung und Venterisierung – Bausteine zu einer politischen Ökonomie des Wissens. In: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft. Sonderheft zum Thema: Wissen und Eigentum im digitalen Zeitalter, Heft 4, S. 57-88. Abrufbar im Internet. URL: http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/People/RK/publikationen.html. Stand: 28.04.05. [Kuhlen 1998] Kuhlen, Rainer (1998): Zuckerguß von Multimedia. Die Bedeutung der Telemediatisierung für die Wissenschaft. In: Forschung & Lehre, Heft 3, S. 119-121. Abrufbar im Internet. URL: http://www.forschung-und-lehre.de/pdf/03_98.pdf. Stand: 05.07.05. [Lau / Spielkamp 2004] Lau, Peter / Spielkamp, Matthias (2004): Guten Tag, auf Wiedersehen. Wie geht es der Musikindustrie? Schlecht, wie gehabt. Und wie geht es der Musikwirtschaft? Nicht so schlecht. Sie erfindet sich gerade neu. In: brand eins, Heft 2, Seite 32-41. Abrufbar im Internet. URL:http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=1299&MenuID=130&MagID= 45&sid=su851784734013912. Stand 02.09.04. Presse: [Balzer 2004] Balzer, Jens (2004): Pop til you drop. Die Musikindustrie reist in die Hölle. Wir wünschen ihr gute Fahrt. In: Berliner Zeitung vom 26.01., S.11. Abrufbar im Internet. URL: http://www.berlinonline.de/berlinerzeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2004/0126/feuilleton/0005/index.html?keywords=musikind ustrie%20h%F6lle;ok=OK%21;match=strict;author=;ressort=;von=26.1.2004;bis=26.1.2 004;mark=h%F6lle%20musikindustrie%20holle. Stand 02.08.05. [Remien 2004] Remien, Andreas (2004): Musik legal. Die Anzahl und Qualität der Musikläden im Internet nimmt zu. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 272 vom 23.11.04, S. V2/8, Beilage "digital leben". [Spielkamp 2004a] Spielkamp, Matthias (2004): Der Traum vom freien Internet. Der Jurist Lawrence Lessig kämpft gegen die Macht der Medienkonzerne. In: Die Zeit vom 09.06., Nr.5. Abrufbar im Internet. URL: http://www.zeit.de/2004/25/P-Lessig?page=all. Stand 02.08.05. [Werbunat 2000] Werbunat, Kirsten (2000): Schlag gegen Musik-Piraten im Internet. Napster: Gericht ordnet erstmals Schließung einer Website an. In: Die Welt vom 28.07.00. Abrufbar im Internet. URL: http://www.welt.de/data/2000/07/28/574034.html. Stand 02.09.04. 73 Unveröffentlichte Schriften: [Göbel 2004] Göbel, Peer (2004): Internet und "Independent Labels". Unveröffentlichte Magisterarbeit, Berlin. Abrufbar im Internet. URL: http://userpage.zedat.fu-berlin.de/~pedro/magister/independents_internet_f.html. Stand 01.08.05. Amtliche Publikationen: [BMJ 2005] Bundesministerium der Justiz (2005): Kopien brauchen Originale. Aktueller Sachstand zur Novelle des Urheberrechts "2. Korb". Informationen für die Presse. Abrufbar im Internet. URL: www.kopien-brauchen-originale.de/media/archive/132.pdf. Stand: 12.01.05. Aufsätze / Artikel aus dem Internet: [Djordjevic 1996] Djordjevic, Valentina (1996): Von "emily postnews" zu "help manners". Netiquette im Internet. URL: http://duplox.wz-berlin.de/texte/vali/. Stand 15.06.05. [Kuhlen 2003b] Kuhlen, Rainer (2003): Konzepte nachhaltiger Wissensgesellschaften. Bausteine zur Entwicklung einer Wissensökologie. URL: http://www.worldsummit2003.de/download_de/Auftakt-Kuhlen.pdf. Stand 15.06.05. [Kuhlen 2005] Kuhlen, Rainer (2005): Informationsethik – die Entwicklung von Normen für den Umgang mit Wissen und Information in elektronischen Räumen. URL:http://www.inf-wiss.unikonstanz.de/People/RK/Publikationen2005/beitrag_informationsethik_rk_v2.pdf. Stand 15.06.05. [Schieb 2004] Schieb, Jörg (2004): Ohne MP3-Diplom keine Musik. Viele OnlineMusikshops sind zu kompliziert. URL:http://www.wdr.de/themen/computer/schiebwoche/2004/index_52.jhtml?rubrikenst yle=computer. Stand: 01.07.05. [Spielkamp 2004b] Spielkamp, Matthias (2004): Symposium DRM und Alternativen – Alexander Dix. URL: http://www.immateriblog.de/archives/000163.html. Stand 15.07.05. Online-Magazine: [Dauerer 2005a] Dauerer, Verena (2005): Der Traum von frei zirkulierenden MP3s. In: Spiegel Online vom 13.07. URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,364072,00.html. Stand: 25.07.05. 74 [Dauerer 2005] Dauerer, Verena (2005): Frickelnde Musikaktivisten. In: Spiegel Online vom 17.07. URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,365046,00.html. Stand 25.7.05. [Krüger 2004] Krüger, Alfred (2004): Schlammschlacht um Musiktauschbörsen. Peer-toPeer-Netzwerke wollen kein Tummelplatz für Pädophile sein. In: Telepolis. URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17391/1.html. Stand 19.06.05. [UNESCO 2002] Die Ergebnisse des Weltgipfels von Johannesburg. Resolution der 62. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, Nürnberg, 8.November 2002. In: unesco heute online, Online-Magazin der Deutschen UNESCO-Kommission, Heft 11. URL: http://www.unesco-heute.de/1102/resolution.htm. Stand: 15.07.05. [Winsemann 2005] Winsemann, Bettina ( 2005): Deutsche Tauschbörsennutzer gehen in die Offensive. In: Telepolis. URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19510/1.html. Stand: 22.06.05. Gesetzestexte: [URHG] Deutsches Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Abrufbar im Internet. URL: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/urhg/index.html. Stand: 24.06.05. [GG] Deutsches Grundgesetz. Abrufbar im Internet. URL: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/gg/index.html. Stand: 24.06.05. [BDSG] Bundesdatenschutzgesetz. Abrufbar im Internet. URL: http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/bdsg_1990/inhalt.html. Stand: 02.07.05. Sonstige Internetquellen: Internetportal zum Thema Informationsethik (von Prof. Dr. Rafael Capurro, Philosoph und Professor für Informationsethik an der HdM Stuttgart): URL: http://www.capurro.de/ethikskript/kap2.htm. Stand 02.05.05. URL: http://www.capurro.de/ethikskript/kap2.htm. Stand 02.05.05. URL: http://www.capurro.de/ethikskript/kap7.htm#Par7.3. Stand 15.06.05. URL: http://www.capurro.de/digit.html. Stand 15.06.05. Internetportal von "nethics.net e.V." zum Thema Informationsethik (ins Leben gerufen von Prof. Dr. Rainer Kuhlen, Informationswissenschaftler): URL: http://www.nethics.net/nethics_neu/n3/themen/theorien_der_ie.htm. Stand 02.05.05. URL: http://www.nethics.net/nethics_neu/n3/themen/wissensoekologie.htm. Stand 02.05.05. 75 Website der deutschen "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte" (GEMA): URL: http://www.gema.de/wirueberuns/. Stand: 08.07.05. Website des "Chaos Computer Clubs" (CCC): URL: http://www.ccc.de. Stand 02.08.05. URL: http://www.ccc.de/hackerethics?language=de. Stand: 02.08.05. Website von "Creative Commons Deutschland" (CC): URL: http://de.creativecommons.org/index.html. Stand: 01.08.05. URL: http://de.creativecommons.org/faq.html. Stand: 01.08.05. Website der "Deutschen Phonoverbände" (IFPI): URL: http://www.ifpi.de. Stand: 26.05.05. URL: http://www.ifpi.de/wirtschaft/brennerstudie2005.pdf. Stand: 28.05.05. URL: http://www.ifpi.de/wirtschaft/wirtschaft-581.htm. Stand: 30.05.05. URL: http://www.ifpi.de/news/news-601.htm. Stand: 30.05.05. URL: http://www.ifpi.de/news/news-611.htm. Stand: 30.05.05. URL: http://www.ifpi.de/recht/re17.htm. Stand: 30.05.05. Website des "GNU-Projektes": URL: http://www.gnu.org/home.de.html. Stand: 13.08.05. URL: http://www.gnu.de/mani-ger.html. Stand: 13.08.05. "United Declaration of Human Rights": URL: http://www.udhr.org. Stand: 28.06.05. Weitere: URL: http://www.fairsharing.de/serendipity/index.php?/archives/2-Kultur-Flatrate-stattKnast.html#extended. Stand: 04.08.05. URL: http://www.privatkopie.net/files/guennewig230103.pdf. Stand: 12.07.05. URL: http://www.nap.edu/openbook/0309064996/html/2.html. Stand: 12.07.05. URL: http://www.bmj.bund.deenid/Maerz/Berlin__2ss__3_2__5__Wissen_und_Recht.sh.html. Stand: 10.08.05. URL: www.mp3werk.de/faq/history.php. Stand: 24.07.05. URL: http://www.e-recht24.de/artikel/urheberrecht/72.html. Stand 11.09.04. URL: http://www.e-recht24.de/artikel/urheberrecht/72.html. Stand 11.09.05. URL: http://www.lexikon-online.info/q/Immanuel_Kant. Stand: 04.07.05. URL: http://www.der-gruene-faden.de/text/text2805.html. Stand 17.07.05. URL: http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=041122031. Stand: 14.07.05. URL: http://www.berlin.de/senwiarbfrau/projektzukunft/heads/0704_kiltz.htm. Stand: 04.08.05. URL: http://www.bundestag.de/bic/analysen/2004/2004_04_06.pdf. Stand: 20.08.05. URL: http://www.donauuni.ac.at/de/studium/fachabteilungen/kultur/zentren/zzm/news/archiv/03521/index.php. Stand: 18.07.05. URL: http://www.archive.org/audio/netlabels.php. Stand: 25.07.05. URL: http://www.heise.de/newsticker/meldung/26055. Stand: 22.06.05. URL: http://de/wikipedia.org/wiki/Digitalisierung. Stand 22.05.05. URL: http://www.tnsinfratest.com/06_BI/bmwa/Faktenbericht_4/abbildungen_2002_04/167.jpg. Stand 15.07.05. URL: http://www.geschichte.hu-berlin.de/nutzerhi/urhg/. Stand 21.05.05. URL: http://www.microsoft.com/germany/piraterie/urheberschutz.mspx. Stand 13.06.05. 76 URL: http://www.microsoft.com/germany/piraterie/wasist.mspx. Stand 13.06.05. URL: http://www.internetworldstats.com/stats1.htm. Stand 05.08.05. URL: http://www-test-zdf.dbc.zdf.de/ZDFheute/inhalt/13/0,3672,2076525,00.html. Stand: 08.08.05. URL: http://www.heise.de/heisevsmi/. Stand: 11.08.05. 77