Wiedergutmachung historischen Unrechts als Bedingung des
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Wiedergutmachung historischen Unrechts als Bedingung des
Wiedergutmachung historischen Unrechts als Bedingung des bonum commune MICHAEL SCHEFCZYK «Fifteen dollars for every black brother and sister in the United States is only a beginning of a reparations due us as people who have been exploited and degraded, brutalized, killed and persecuted.» (The Black Manifesto) 1. Einleitung Der Begriff des Gemeinwohls sieht sich nicht nur der Kritik Libertärer ausgesetzt, die in ihm die Idee eines über den Individuen und ihren Interessen stehenden Kollektivs am Werk sehen – eine Idee, die sie als metaphysisch ablehnen. Immer wieder werden auch Bedenken gegenüber seiner ideologischen, den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprechenden Verwendung geäussert, ohne dass der Begriff als solcher in Frage gestellt werden würde. Die Rede vom Gemeinwohl unterstellt politische Einheit und Gleichheit. In einem von gravierender Ungleichheit und innerer Zerrissenheit geplagten Land wird sie zu einer interessenpolitischen Formel oder einfach zu einer hohlen Floskel. Benjamin Disraeli hatte in den Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts in diesem Sinne davon gesprochen, dass Grossbritannien aufgrund seiner tief greifenden sozialen Ungleichheiten in «two nations» zerfalle. Zwischen zwei Nationen kann es wohl gleichgerichtete Interessen und Gemeinsamkeiten, aber kein Gemeinwohl geben. Disraelis Slogan war einprägsam und blieb in dem historischen Gedächtnis so sehr haften, dass Rab Butler, der Urheber des für die wohlfahrtsstaatliche Entwicklung wichtigen Education Act von 1944 hoffte, nun werde aus Grossbritannien endlich eine Nation «instead of the two nations as Disraeli talked about.»1 Die soziale, rechtliche und wirtschaftliche Hierarchie war in Grossbritannien so undurchdringlich, dass die Mitglieder der unteren Klas- 404 Black Reparations sen keine gleichberechtigten und gleichwertigen Teilhaber der Gesellschaft waren. Sie waren in der Regel nicht gemeint, sondern nur betroffen, wenn es um das Wohl des Landes ging. Entsprechend waren Frauen nicht gemeint, sondern nur betroffen, wenn über das Gemeinwohl gesprochen, ihnen aber das Wahlrecht verweigert wurde. Die Aufhebung rechtlicher Diskriminierungen, so sind sich wohl alle Beobachter einig, reicht nicht aus, um die innere Spaltung einer Gesellschaft aufzuheben. Ein Land kann in «zwei Nationen» zerfallen, lange nachdem formal gleiche Rechte gewährt wurden. Um wirkliche und nicht nur formale Gleichheit und Einheit herzustellen, muss ein Land Anstrengungen unternehmen, die über die Korrektur der Gesetzbücher hinausgehen. Es muss versuchen, soziale Berichtigungen vorzunehmen an Gepflogenheiten, Empfindungsweisen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Wohlfahrtsstaatliche Sicherungs- und Umverteilungsinstitutionen, Förderprogramme für Frauen und Mitglieder ethnischer Minderheiten sind auf der einen Seite Einlösungen individueller Rechte auf gleiche Teilhabe. Sie sind aber auch und vor allem Voraussetzung dafür, dass in gehaltvoller Weise von dem Gemeinwohl eines Landes gesprochen werden kann. Überlegungen wie diese haben seit jeher in der Rechtfertigung von Affirmative-Action-Programmen eine massgebliche Rolle gespielt. Es ist aber nie unumstritten gewesen, ob diese Programme wirklich geeignet sind, um die innere Spaltung eines Landes zu überwinden. Zum einen ist betont worden, dass sie neue Spaltungen produzieren können, insofern sie selbst diskriminierend wirken. Zum anderen ist aber daran erinnert worden, dass sie hinsichtlich der geschichtliche Dimension nationaler Einheit wenig leisten. Diese Dimension ist insbesondere dann vordringlich, wenn eine gesellschaftliche Gruppe Opfer massiven und erniedrigenden Unrechts geworden ist. Die Erinnerung an dieses Unrecht kann die Vorstellung von Gemeinschaft und Gemeinwohl auch dann stören, wenn es vergleichsweise lange zurückliegt. Eine solche Erinnerung ist etwa die der afroamerikanischen Bevölkerung der Vereinigten Staaten an die Sklaverei. Die verstörende und die Einheit der Nation immer wieder in Frage stellende Wirkung historischen Unrechts an Teilen der Bevölkerung verleiht dem Gedanken der Wiedergutmachung in Gestalt von Reparationen besondere Bedeutung. Zwar sind in den Vereinigten Staaten auch Affirmative-Action-Programme unter der Bezeichnung reparations geführt worden. Ihnen fehlen aber wichtige symbolische Merkmale von Reparationen, insbesondere die ausdrückliche Anerkennung des Unrechts als Unrecht. Sie werden daher von den Begünstigten vielleicht auf materieller Ebene, aber wohl kaum auf symbolisch-psychischer Ebene als Wiedergutmachung erlebt. Im Folgenden werde ich erörtern, ob (und wenn ja: in welcher Weise) die in jüngster Zeit erhobenen Reparationsforderungen zugunsten der afro- MICHAEL SCHEFCZYK 405 amerikanischen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten gerechtfertigt werden können. Die Geschichte der neueren Reparationsdiskussion beginnt 1969. Damals postulierte der Bürgerrechtler James Forman, dass der schwarzen Bevölkerung der Vereinigten Staaten Reparationszahlungen in Höhe von $ 500 Mio. für das Unrecht von Sklaverei, Segregation und Ausbeutung zustünden. Der Betrag sollte nach seiner Vorstellung von Kirchen und Synagogen aufgebracht und für verschiedene afroamerikanische Einrichtungen verwendet werden. Formans Vorstoss fand unter dem Begriff «Black Reparations» Eingang in die politische und wissenschaftliche Diskussion.2 Einer der ersten philosophischen Beiträge zum Thema war Bernard Boxills «The Morality of Reparation». Während Formans Forderung nach Art und Höhe ad hoc wirkte, bestimmte Boxill genauer, welches Unrecht Gegenstand der Reparationen sein sollte und wie die Höhe des Schadens zu kalkulieren wäre. Die Versklavten – so Boxill – sind um die Früchte ihrer Arbeit betrogen worden. Der von den Sklavenhaltern geraubte Reichtum wurde nach der Emanzipation nicht zurückerstattet. Vielmehr kam er der weissen Bevölkerung der Vereinigten Staaten zugute. Die weisse Bevölkerung ist daher im Besitz von Vorteilen, die sie nicht hätte haben dürfen. «Thus, it is the white community as a whole that prevents the descendants of slaves from exercising their rights of ownership, and the white community as a whole that must bear the cost of reparation.»3 Es liegen unterschiedliche Schätzungen darüber vor, was es die weisse Bevölkerung kosten würde, diese Reparationen zu leisten. Die Summe liegt im Bereich von $ 500 bis 1000 Mrd. In den folgenden Abschnitten verfolge ich vier Ziele. Erstens möchte ich einen (sehr kurzen) Überblick über den historischen und politischen Kontext geben, in dem die BlackReparations-Debatte steht (2); zweitens werde ich allgemeine Überlegungen über die Bedeutung wiedergutmachender Gerechtigkeit anstellen (3); drittens – eher kursorisch – einige generelle Einwände gegen Reparationen und die «Einholung der Geschichte ins Recht» zurückweisen (4); und viertens werde ich im letzten Abschnitt einen an Boxills Grundgedanken anknüpfenden Reparationsanspruch gegen Kritik verteidigen (5). 2. Zum politischen und historischen Kontext Forman war Sozialist und radikaler Politiker. Die in den vergangenen Jahren neu entbrannte Reparationsdebatte wird jedoch durch Vertreter des etablierten schwarzen Amerika bestimmt, wie den Publizisten Randall Robinson, den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Jesse Jackson oder den Harvard Law School Professor Charles Ogletree. Robinsons leidenschaftliche Schrift «The Debt: What America Owes to Blacks» – ein wichtiger 406 Black Reparations Bezugspunkt der Debatte – betont vor allem einen Zug von Reparationszahlungen, der über die Wiedergutmachung des beklagten wirtschaftlichen Schadens hinausgeht. Reparationen als Akte korrektiver Gerechtigkeit haben die Aufgabe «to make the victim whole»; sie sollen die Verletzung des Rechts, aber auch die des Opfers heilen und so dessen Integrität und Selbstwertgefühl wiederherstellen. Diesem Ziel sind Affirmative-ActionProgramme nicht oder nur unvollkommen gerecht geworden, weil sie die Geförderten mit dem Makel versehen, nicht aus eigener Kraft im Wettbewerb bestehen zu können. Sie belasten daher tendenziell deren Selbstwertgefühl. Aus Sicht der weissen Bevölkerung erscheint die Bevorzugung dagegen als ungerechte Diskriminierung von Personen, die selbst kein Unrecht gegen Angehörige von Minderheiten begangen haben. Die Programme perpetuieren insofern unter neuem Vorzeichen die Segregation. Dem neokonservativen Kolumnisten Charles Krauthammer leuchtet die ursprünglich von dem Sozialisten Forman erhobene Forderung aus diesen Gründen ein: Reparationszahlungen könnten ein Weg sein, das andauernde Übel der die Bevölkerung spaltenden Affirmative-Action-Programme zu beenden und das Unrecht in mehr als symbolischer Weise zu heilen. Krauthammer nennt Black Reparations daher «the cornerstone of a Grand Compromise». Er sieht in ihnen die Chance eines grossen, die amerikanische Gesellschaft einigenden Kompromisses, bei dem weder das an den Afroamerikanern begangene Unrecht mit seinen noch gegenwärtigen Konsequenzen geleugnet noch neues Unrecht durch fortlaufende Diskriminierung verübt wird. 4 Und Randall Robinson hält fest: «Until America’s white ruling class accepts the fact that the book never closes on massive unredressed social wrongs, America can have no future as one people.»5 Wiederbelebt wurde das Interesse am Black-Reparations-Gedanken nicht nur durch negative Erfahrungen mit Affirmative-Action-Programmen, sondern auch durch eine wachsende Zahl von Präzedenzfällen. In den Achtzigerjahren haben die Vereinigten Staaten Reparationen an japanischstämmige Amerikaner gezahlt, die während des Zweiten Weltkrieges aus Gründen der nationalen Sicherheit interniert worden waren. Im Rückblick erschien diese Vorsichtsmassnahme unverhältnismässig und ungerecht, eine Ungerechtigkeit, die der Kongress mit einer öffentlichen Entschuldigung an die Betroffenen eingestand und mit einer Zahlung von jeweils $ 20 000 zumindest symbolisch zu korrigieren suchte. In der Folge erlebten die Neunzigerjahre eine historisch wohl einzigartige Einholung der Geschichte durch die Moral. Gegen Ende der Dekade konnte Richard Joyce davon sprechen, es sei ein Gemeinplatz, dass wir im Zeitalter der Entschuldigung lebten. «The Portuguese president has apologized for an episode in the fifteenth century, wherein thousands of Jewish refugees were MICHAEL SCHEFCZYK 407 forced to flee or convert (December, 1996). The American president has apologized to American victims of radiation tests (October, 1995), to victims of the ‹Tuskegee› medical experiments conducted between the 1930s and 1970s (May, 1997), and to African leaders for the whole slave trade (March, 1998).»6 In vielen Fällen blieb es nicht bei dem Ausdruck des Bedauerns oder dem Eingeständnis von moralischen Fehlern durch politische Repräsentanten. Man könnte vielmehr von einer Einholung der Geschichte ins Recht sprechen. Sowohl im Fall der von Joyce erwähnten «Tuskegee» medical experiments7 als auch bei den radiation tests haben die amerikanischen Steuerzahler Reparationen finanziert. Während hier Verletzungen der Person kompensiert wurden, galt ein Reparationsgesetz aus dem Jahre 1997/98 den Nachfahren von Eigentümern, deren Grundbesitz nach dem amerikanisch-mexikanischen Krieg nicht respektiert wurde. Bemerkenswert an diesem Fall ist vor allem, dass das in Frage stehende Unrecht bereits einhundertfünfzig Jahre zurücklag. Ein Fall von Black Reparations ist hingegen ein Gesetz des Bundesstaats Florida von 1994, das den Überlebenden und Nachfahren der Bewohner von Rosewood Beträge zwischen $ 350 und $ 150 000 zugesprochen hat. In der afroamerikanischen Gemeinde Rosewood waren 1923 zahlreiche Bewohner von einem weissen Mob in mehrtägiger Heimsuchung verletzt und getötet worden, ihre Häuser verwüstet.8 Die Aufzählung liesse sich noch erweitern; um den globalen Charakter der «Einholung der Geschichte ins Recht» in den Neunzigerjahren zu verdeutlichen, seien nur noch die japanischen Reparationen (1995/96) an koreanische Frauen erwähnt, die von der Okkupationsarmee zwangsprostituiert worden waren, sowie die Waikato-Raupatu Claims Settlement Bill, mit der Wiedergutmachung (1995) für ein 1863 an den neuseeländischen Maori begangenes Unrecht geleistet wurde. Diese Beispiele zeigen, dass Reparationsdebatten keineswegs eine leicht durchschaubare «exercise in futility» (Sowell 2002) darstellen. Ein Blick in die Geschichtsbücher bestätigt diesen Eindruck: Formans «Black Manifesto» ist zwar der Ausgangspunkt der jüngeren Debatte über Reparationen an die schwarze Bevölkerung. Der Gedanke, dass das an ihr begangene Unrecht wieder gutgemacht und dadurch den befreiten Sklaven die uneingeschränkte Teilhabe an der amerikanischen Gesellschaft ermöglicht werden müsse, ist jedoch keineswegs neu. Bereits im Jahre 1866 brachte ein Republikaner und Mitglied des Repräsentantenhauses, Thaddeus Stevens, den Vorschlag einer Slave Reparation Bill vor den Kongress, die «forty acres to each head of a family and a sum equal to fifty dollars» vorsah.9 Der Vorstoss scheiterte ebenso wie andere Initiativen nach 1865 – teilweise am Veto des Präsidenten Andrew Johnson.10 Stattdessen behielten gesetzgebe- 408 Black Reparations rische Bestrebungen die Oberhand, die auf einen dauerhaften Ausschluss der Afroamerikaner von massgeblichen Positionen und auf die Fortsetzung der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft abzielten. Die formale Beendigung der Sklaverei führte im Süden der Staaten phasenweise sogar zu einer Verschlechterung der Situation der Afroamerikaner, weil sie in Formen der Schuldknechtschaft gezwungen wurden, in denen sie nicht mehr durch jenes Interesse geschützt wurden, das Sklavenhalter typischerweise an der Erhaltung ihres «human cattle» haben. In den Zusammenhang einer verweigerten Aufnahme in die Gesellschaft der Vereinigten Staaten gehört die Forderung nach einer Repatriierung von Afroamerikanern. Präsident Grant soll zweimal einen – in beiden Fällen knapp gescheiterten – Gesetzesentwurf vor den Kongress gebracht haben, der eine Abschiebung aller Afroamerikaner nach Haiti vorsah. Selbst Abraham Lincoln wird nachgesagt, er habe die so genannte Back-to-Africa-Option favorisiert. Die amerikanische Geschichte zwischen 1865 und den 1950ern ist geprägt von der Segregation und dem Ausschluss der Schwarzen von der etablierten amerikanischen Gesellschaft. Wenn Gegner von Black Reparations die Meinung vertreten, das Unrecht der Sklaverei sei zu lange verstrichen, um noch sinnvoll Wiedergutmachung fordern zu können, so setzen sie implizit oder (seltener) explizit das formale Ende der Sklaverei mit dem Beginn einer vollen Integration in den politischen Körper gleich.11 Wäre dies der Fall gewesen, fragte sich tatsächlich, ob rund vierzehn Jahrzehnte nach einem blutigen Bürgerkrieg, der auf die Beendigung der Sklaverei zielte und dies auch erreichte, ein moralisch begründeter Reparationsanspruch gegen die gesamte weisse Bevölkerung bestünde – also auch gegen die Nachkommen derer, die ihr Leben riskiert oder gelassen haben, um die Afroamerikaner zu befreien. Das Argument, Reparationen seien bereits durch den entrichteten Blutzoll und die Kriegskosten geleistet, hätte dann einiges für sich.12 Doch dies ist nicht die Geschichte, die sich wirklich ereignete. Die ersten hundert Jahre nach ihrem formalen Ende wurden keine ausreichenden Anstrengungen unternommen, die ökonomischen, sozialen und psychologischen Auswirkungen der Sklaverei zu korrigieren. 1896 verlieh das Supreme Court im Fall «Plessy vs. Ferguson» der Segregation Verfassungsstatus, als es urteilte, es sei mit dem Gleichheitssatz des Fourteenth Amendment vereinbar, dass Schwarze und Weisse in Eisenbahnabteilen getrennt sitzen müssen.13 Die damals geprägte Formel «separate but equal» bedeutete faktisch, dass Schwarzen zu der politisch und wirtschaftlich bestimmenden weissen Gesellschaft der Vereinigten Staaten der Zugang verwehrt werden durfte. Dadurch blieb die Sklaverei für die soziale, vor allem auch sozialpsychologische Verfassung der schwarzen Bevölkerung bis tief ins letzte Jahrhundert wirksam. MICHAEL SCHEFCZYK 409 Von den Gegnern wird häufig übersehen, dass wahrscheinlich die Mehrzahl der Befürworter von Black Reparations eine Kompensation für das Unrecht der Segregation fordert, nicht für das der Sklaverei. Insofern beruht es auf einem Missverständnis, wenn gegen reparations for slavery argumentiert wird, ohne zu beachten, dass die meisten Befürworter von Reparationen die Sklaverei zwar für einen wirksamen kausalen Faktor im Leben heutiger Afroamerikaner halten, dass die Zahlungen aber für das Unrecht der Segregation geleistet werden sollen. Dies war auch die Empfehlung einer der bedeutendsten Studien zum Thema, Boris Bittkers «The Case For Black Reparations».14 Es ist aber nicht diese Linie, der ich im Folgenden folgen möchte. Vielmehr werde ich in Kapitel 4 die These verteidigen, dass unter bestimmten Bedingungen die Forderung nach reparations for slavery als gerechtfertigt betrachtet werden kann. 3. Wiedergutmachende Gerechtigkeit Es gehört zu den tiefsten moralischen Überzeugungen, dass die Verletzung oder Übertretung moralischer Rechte nicht einfach stehen bleiben darf, sondern in geeigneter Weise korrigiert werden muss. Um ein belangloses Beispiel zu nehmen: Wenn ihnen jemand versehentlich auf den Fuss tritt, so erwarten sie, dass er um Verzeihung bittet. Verweigert er dies, so verweigert er ihnen den Respekt als einer Person, die Anspruch darauf hat, von anderen keinen Schmerz zugefügt zu bekommen. Lässt jemand aus Unachtsamkeit, Ungeschicklichkeit oder mit Absicht ihre geliebte Vase fallen, so schuldet er ihnen etwas. Wer dies nicht sieht, wer nicht erkennt, dass die Pflicht besteht, angerichteten Schaden und begangene Verletzungen moralischer Rechte wieder gutzumachen, ruft in uns Irritation, in schweren Fällen aber Empörung oder Abscheu hervor. Die Irritation oder Empörung über eine solche moralische Indolenz kann andauern, wenn der Schmerz schon lange vergangen ist. Im fünften Buch der «Nikomachischen Ethik» hat Aristoteles davon gesprochen, die Wiedergutmachung sei als «Wiederherstellung der Gleichheit» zu verstehen. Der Schädiger hat die geschädigte Partei nicht als gleich behandelt, indem er ihre Rechte überschritten und verletzt hat; und eben diese Gleichheit der Parteien, nicht nur der materielle Schaden, will wiederhergestellt sein. Daher ist kompensatorische Gerechtigkeit ein besonderes moralisches Verhältnis zwischen der schädigenden und der geschädigten Seite.15 Die explizite oder stillschweigende Anerkennung des moralischen Fehlers, der Ausdruck des Bedauerns oder die Bitte um Entschuldigung gehören daher, neben dem Ausgleich des materiellen Schadens, zur Wiedergutmachung.16 Wenn eine reiche Person absichtlich ihre Autotür zerkratzt, um ihnen anschliessend hohnlächelnd ein Vielfa- 410 Black Reparations ches des Schadens in bar zu überreichen, würden sie dies wohl kaum als Wiedergutmachung gelten lassen, eben weil nicht Gleichheit hergestellt, sondern Ungleichheit demonstriert wird. Eine Kompensationszahlung ist kein Preis, zu dem eine Person bereit ist, eine bestimmte Handlung zu erdulden. Begriffsbestimmung I: Wiedergutmachung dient der Wiederherstellung der durch die Schädigung gestörten moralischen Ordnung. (W1) Die Gleichheit zwischen Schädiger und Geschädigten muss durch Anerkennung des moralischen Fehlers wiederhergestellt und (W2) der angerichtete Schaden – soweit möglich – kompensiert werden. Wiedergutmachung kann sich auf die vorangegangene Verletzung (a) des Eigentums oder (b) der Person beziehen. Zunächst zur Verletzung des Eigentums. (a) Der einfachste Typ wiedergutmachender Gerechtigkeit betrifft ersetzbare Gegenstände, die keinen grossen Wertschwankungen ausgesetzt sind. Wenn P Qs Füller verliert, so ist P moralisch verpflichtet, Q einen neuen zu kaufen; und bei dem einfachsten Typ von Wiedergutmachung ist Q der neue ebenso recht wie der alte. Dies ist Robert Nozicks Definition für eine volle Kompensation. Sie liegt vor, wenn der Geschädigte mit ihr nicht schlechter dasteht als er dastehen würde, wenn es zu keiner Verfehlung und – folglich – zu keiner Kompensation gekommen wäre.17 Wenn der Geschädigte vor der Schädigung indifferent gewesen wäre zwischen X (der Ersatzleistung) und Y (dem, wofür Ersatz geleistet wird), dann kann X als volle Kompensation von Y gelten. Der neue Füller kompensiert Q voll für den Verlust des alten, wenn Q die Tatsache nicht stört, dass der neue Füller eben nicht der alte ist. Ist die volle Kompensation von einem aufrichtigen Wort der Entschuldigung von P begleitet, so ist der moralische Schaden wieder gutgemacht. Ob ein Gegenstand ersetzbar ist, hängt bis zu einem gewissen Grade von den Einstellungen des Geschädigten ab. Der alte Füller könnte eine bestimmte Geschichte haben, an der Q liegt, während der neue Q vor allem daran erinnert, dass der alte fort ist und dass P es war, der ihn verloren hat. Möglicherweise ist Q aber auch froh, den alten Füller und die mit ihm verbundene Geschichte los zu sein. Wenn P einen objektiv ersetzbaren Gegenstand von Q verliert, an dessen Geschichte Q (ohne dass P davon wusste) nichts liegt, dann hat P moralisch Glück gehabt, weil P Q dann voll kompensieren kann. Liegt Q indes- MICHAEL SCHEFCZYK 411 sen (ohne dass P davon wusste) an der Geschichte eines Gegenstands, für dessen Verlust P verantwortlich ist, so hat P moralisch Pech, weil Q bleibenden Grund hast, P zu grollen. Ein komplizierterer Fall wiedergutmachender Gerechtigkeit betrifft Gegenstände, die starken Wertschwankungen ausgesetzt sind. Auf den ersten Blick scheint die beste denkbare Wiedergutmachung darin zu bestehen, dass genau derselbe Gegenstand wiederbeschafft wird, der dem Geschädigten durch den Schädiger entzogen worden war: also in der Restitution. Das gilt aber nicht unbedingt bei Gegenständen, die starken Wertschwankungen ausgesetzt sind. Wenn P erst unmittelbar vor dem Konzert auffällt, dass P nicht – wie versprochen – Qs Eintrittskarte, sondern einen Werbeprospekt eingesteckt hat, so kann P zwar am nächsten Tag den versprochenen Gegenstand überreichen; nur wird er dann nichts mehr wert sein. Die Kompensation für den Fehler kann hier nicht durch den Gegenstand geleistet werden, sondern indem das verschafft wird, wozu der Gegenstand gut ist. Nicht immer ist die Bestimmung der angemessenen Kompensationsleistung so einfach wie hier. Angenommen, jemandem wird eine – zum Tatzeitpunkt – wertlose Tulpenzwiebel gestohlen. Kurz darauf steigt der Preis für Tulpenzwiebeln ins Unermessliche – als es schliesslich gelingt, die Zwiebel wiederzubeschaffen, bewegt sich ihr Preis wieder auf dem ursprünglichen Niveau. Wie werden der Verlust und die Kompensationssumme angemessen bestimmt? Kann der Geschädigte die Differenz zwischen dem Höchstpreis und dem jetzigen Preis vom Schädiger verlangen? Oder zumindest die Differenz zwischen jetzigem Preis und Durchschnittspreis? Oder ist er bereits voll kompensiert, da er ja den Gegenstand wieder in seiner Gewalt hat? (b) Ebenfalls schwierig zu beantworten ist die Frage, wie Schädigungen des Körpers kompensiert und wieder gutgemacht werden können. Die ausgleichende Gerechtigkeit verlangt – wenn möglich – volle Kompensation für den angerichteten Schaden. Angenommen, Q ist Schuld an Ps Beinbruch. Wenn nun volle Kompensation darin besteht, dass der Geschädigte vor der Schädigung indifferent gewesen wäre zwischen X (der Ersatzleistung) und Y (dem, wofür Ersatz geleistet wird), dann hiesse dies: Die volle Kompensation für den Beinbruch besteht in dem Betrag, für den P bereit gewesen wäre, sich von Q das Bein brechen zu lassen. Im Normalfall dürfte die Antwort auf die Frage nach der Höhe dieses Betrags lauten: Um keinen Preis! Der Gedanke an starken Schmerz ruft in den meisten Menschen einen unwiderstehlichen Widerwillen hervor. Heisst das, für Verletzungen dieser Art seien keine vollen Kompensationen denkbar? Das Schmerzensgeld hat eher symbolischen Charakter und dient dazu, den Ausdruck des Bedauerns seitens des Schädigers zu unterstreichen. Selbst bei Schädigungen des Körpers, die wieder heilen können, muss die Wiederherstellung der 412 Black Reparations moralischen Ordnung, um die es bei der ausgleichenden Gerechtigkeit geht, oft mit weniger als voller Kompensation auskommen. Dass in vielen Fällen die Möglichkeit voller Kompensationen nicht offen steht, sollte nicht zur Folge haben, dass wiedergutmachende Gerechtigkeit nur dann für möglich (und entsprechend für nötig) gehalten wird, wenn volle Kompensationen geleistet werden können. Verletzungen der Person oder des Eigentums unterscheiden sich zudem hinsichtlich der Übertragbarkeit und Dauerhaftigkeit der Kompensationsansprüche. Wenn Q P in moralisch vorwerfbarer Weise das Bein bricht, so ist er verpflichtet, für die Behandlungskosten, den Verdienstausfall und das Schmerzensgeld aufzukommen. Angenommen, im Normalfall ergäbe dies einen Gesamtbetrag G. Kommt P während des Transports ins Krankenhaus bei einem Verkehrsunfall um (in den Q nicht verwickelt ist), so erlischt damit auch der Anspruch auf G. Er geht nicht auf die Angehörigen von P über. Normative These I (NTI): Kompensationsansprüche aus Verletzungen der Person sind nicht zwischen Generationen übertragbar. Kompensations- und Wiedergutmachungsanspruch sind aber zu unterscheiden. (W1), also die Wiederherstellung der Gleichheit zwischen Schädiger und Geschädigten durch Anerkennung des moralischen Fehlers kann geboten sein, auch wenn kein Kompensationsanspruch (W2) besteht. Entsprechend scheint es moralisch keineswegs abwegig, sondern gefordert, dass jemand, der einem Verstorbenen körperliches oder seelisches Unrecht zugefügt hat, dessen Witwe gegenüber seinen moralischen Fehler einbekennt und um Vergebung bittet. Betrachtet man die bereits zitierten Beispiele für Entschuldigungen von Staatsoberhäuptern, die sich zum Teil auf bereits Jahrhunderte zurückliegendes Unrecht beziehen, so wird deutlich, dass Wiedergutmachungsansprüche noch nicht einmal an den oder die Täter gerichtet sein müssen. Es wird mitunter als ausreichend erachtet, dass eine Person eine Körperschaft repräsentiert, die für ein Unrecht verantwortlich gemacht oder – noch loser – mit ihm in Verbindung gebracht wird. Darüber, wie eng die kausale und symbolische Verbindung zwischen Unrecht, Täter und Opfer sein muss, damit eine sinnvolle Entschuldigung überhaupt möglich ist, herrschen unterschiedliche Auffassungen. Manche schliessen kategorisch die Möglichkeit aus, für die Wiedergutmachung von Unrecht herangezogen werden zu können, das sie nicht begangen haben oder verhindern konnten. Dafür lässt sich geltend machen, dass wir Personen Verantwortung gewöhnlich nur für Dinge zuschreiben, die durch sie kausal beeinflusst werden können. Personen haften für ihr Verschulden, für MICHAEL SCHEFCZYK 413 Risiken, die sie setzen, oder für Umstände, deren Bestehen sie anderen zusichern. Verschuldens-, Garantie- und Gefährdungshaftung sind auf je unterschiedliche Weise bezogen auf die Möglichkeit, kausal Einfluss zu nehmen. Wir haben diesem Verständnis zufolge Wiedergutmachungspflichten nur in Bezug auf Umstände, an deren Eintreten wir mitgewirkt haben. Auf vergangenes Unrecht kann man jedoch definitionsgemäss nicht kausal Einfluss nehmen. Wir können nicht an seinem Eintreten mitgewirkt haben. Also haben wir auch keine Wiedergutmachungspflichten für vergangenes Unrecht. In dieser Weise hat etwa ein Präsident der deutschen Max-Planck-Gesellschaft die Weigerung gerechtfertigt, eine Entschuldigung für verbrecherische Menschenversuche auszusprechen, die im Namen der durch ihn geführten Institution während des Naziregimes begangen worden waren. Ihm zufolge können sich nur die Täter entschuldigen. Der Versuch, eine stellvertretende Entschuldigung auszusprechen, führe notwendigerweise zu einem fehlschlagenden Sprechakt. Dagegen spricht freilich, dass es nichts Ungewöhnliches ist und zu sein scheint, dass sich Repräsentanten für Handlungen entschuldigen, die für oder im Namen von Organisationen begangen wurden. Wir schreiben Körperschaften zahlreiche Handlungen und Pflichten zu, und nicht ihren Organen, also den ausführenden Individuen. Insofern würden es wohl die meisten nicht für sinnlos, sondern für angemessen halten, wenn sich der Präsident einer wissenschaftlichen Vereinigung für verbrecherische Versuche entschuldigte, die im oder unter dem Namen dieser Vereinigung begangen wurden – auch wenn er persönlich keine solchen Handlungen begangen hat oder verhindern konnte. Eine solche Entschuldigung scheint weniger dringlich, aber doch nicht sinnlos, wenn die unmittelbaren Täter verstorben sind. Gemäss der NTI sind Kompensationsansprüche aus Verletzungen der Person nicht zwischen Generationen übertragbar. Die Nachkommen von Sklaven können dieser These entsprechend keine Kompensation für Verletzungen verlangen, die ihre Vorfahren an Körper und Psyche erlitten haben. Wie steht es aber mit Kompensationsansprüchen aus Verletzungen des Eigentums? Normative These II (NTII): Kompensationsansprüche aus Verletzungen des Eigentums sind zwischen Generationen übertragbar. NTII ist sicherlich unproblematisch, wenn erstens die Eigentumsverletzung noch nicht lange zurück liegt und zweitens das Eigentum restituiert werden kann. Die Erben einer Person haben dabei nicht nur gegen den unmittelbaren Täter einen Herausgabeanspruch, sondern auch gegenüber Dritten, die durch das Unrecht einen Vorteil erlangen. Schwerer sind Fälle 414 Black Reparations zu beurteilen, bei denen das beklagte Unrecht schon viele Jahrzehnte zurückliegt und die unmittelbaren Opfer des Unrechts verstorben sind. Zunächst zu den vergleichsweise unproblematischen Aspekten: Fall I: Angenommen, der Witwer Q hat eine einzige Erbin, seine Tochter T. P tötet Q mit dem Luxusauto, das er ihm einige Minuten zuvor gestohlen hat. Bevor er gefasst wird, schenkt er das Auto seiner über alles geliebten Mama. Es dürfte unstrittig sein, dass Ps Mutter keinen moralischen Anspruch auf das Auto hat, auch wenn sie selbst arglos ist und Ps Motiv ihr gegenüber moralisch nicht zu beanstanden ist. Moralisch gesehen muss sie das Auto vielmehr an die Erbin T übergeben.18 Anders ist die Lage einzuschätzen, wenn die dritte Partei den Vorteil nicht mehr herausgeben kann oder über ihn nicht mehr verfügt. Fall II: Angenommen, Ps Mutter konnte im obigen Fall die Herkunft des Wagens nicht kennen. In der Zwischenzeit hat sie den Wagen verkauft und das Geld für eine dringend nötige medizinische Behandlung verausgabt. Unter diesen Bedingungen scheint es moralisch nicht angemessen, Ps Mutter zur Herausgabe eines Geldbetrags aufzufordern, der dem Marktwert des Wagens entspricht. Normative These III (NTIII): Unschuldige Dritte können kompensationspflichtig sein, wenn sie zum fraglichen Zeitpunkt über einen ungerechtfertigten, herausgebbaren Vorteil verfügen. NTIII besagt, dass Personen zur Wiedergutmachung von Unrecht verpflichtet sein können, das sie weder begangen haben, noch verhindern konnten; dann nämlich, wenn sie einen ungerechtfertigten Vorteil aus dem Unrecht ziehen. Aus der Verbindung von NTII und NTIII gelangt man zu einer weiteren These: Normative These IV (NTIV): Zur Wiedergutmachung historischen Unrechts aus Verletzungen des Eigentums können unschuldige Dritte verpflichtet sein, wenn sie zum fraglichen Zeitpunkt über aus dem Unrecht resultierende, herausgebbare Vorteile verfügen. MICHAEL SCHEFCZYK 415 NTIV wird in der Debatte um Black Reparations implizit häufig in Frage gestellt. Die Tatsache, dass weder sie selbst noch ihre Vorfahren Sklaven besessen haben, halten viele Gegner für ausreichend, um zumindest sich selber von einer moralischen Verpflichtung auszunehmen. Für eine Exkulpation ist aber sicher mehr erforderlich als nur dies, wie folgende Überlegung einleuchtend machen soll. Staatsverträge sind auch für nachgeborene Generationen bindend. Die steuerpflichtige Alterskohorte muss die sich aus ihnen ergebenden finanziellen Verpflichtungen erfüllen, auch wenn sie selbst jene nicht eingegangen ist und vielleicht auch niemals eingegangen wäre. Aus den schuldrechtlichen Handlungen vorangegangener Generationen können also nach geübter Praxis moralische (und rechtliche) Verpflichtungen erwachsen. Wenn dies bei schuldrechtlichen Handlungen möglich ist, warum sollte es dann nicht auch bei deliktischen möglich sein? Die Gegner von Black Reparations stellen die Frage anders – und zwar: verkehrt – herum. Es ist nicht so, dass Personen grundsätzlich nur für ihr eigenes Handeln (und gegebenenfalls für das ihrer Vorfahren) aufzukommen hätten. Vielmehr folgt aus der Zugehörigkeit zu einem politischen Körper die Pflicht, für historische Verbindlichkeiten einzustehen. Soll die Möglichkeit solcher Verpflichtungen grundsätzlich in Frage gestellt werden, so bedeutet dies, die Legitimität politischer Herrschaft in Frage zu stellen; und das wollen Gegner von Black Reparations in der Regel nicht tun. Man kann den Einwand jedoch als berechtigten Hinweis darauf auslegen, dass die Ausgestaltung von Reparationen nicht ohne den Versuch geschehen darf, die Zahlungslast in legitimierbarer Weise zu verteilen. Eine Minimalanforderung besteht darin, dass Unschuldige nicht belastet werden. In der Bundesrepublik Deutschland ist dieses Prinzip bei den Reparationszahlungen an jüdische Organisationen und den Staat Israel nicht beachtet worden. Sie wurden aus dem Steueraufkommen finanziert, ohne dass der Versuch unternommen worden wäre, zwischen Regimegegnern und ehemaligen Angehörigen der SS zu differenzieren. Analog ist mit Blick auf Black Reparations berechtigterweise gefragt worden, ob es legitimiert werden kann, Steuerzahler zur Finanzierung heranzuziehen, die (oder deren Familien) erst lange nach Ende der Sklaverei in die Vereinigten Staaten eingewandert sind.19 Es handelt sich hierbei jedoch nicht – wie viele Gegner meinen – um einen grundsätzlichen Einwand gegen Reparationen, sondern um eine Frage der Ausgestaltung dieser. NTIV fordert, auch bei Immigranten, die lange nach 1865 einwanderten, zu prüfen, ob sie über Vorteile verfügen, die aus dem fraglichen Unrecht resultieren. 416 Black Reparations 4. Generelle Einwände gegen Reparationen Der Begriff reparations ist im amerikanischen Sprachgebrauch weiter als im deutschen. Im Deutschen bezieht sich der Begriff der Reparation auf das Verhältnis zwischen Staaten. Dem entspricht das Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH), die Schadenersatzklage der Hinterbliebenen eines SS-Massakers im griechischen Dorf Distomo sei zurückzuweisen, weil nur Staaten, nicht aber Privatpersonen Anspruch auf Reparationszahlungen wegen Kriegsverbrechen hätten.20 Der amerikanische Sprachgebrauch ist offener, so dass die von Japan an zwangsprostituierte Koreanerinnen geleisteten Entschädigungszahlungen unter den Reparationsbegriff fallen. Auch die Entschädigungsleistungen des Zwangsarbeiterfonds der deutschen Industrie fallen unter den amerikanischen Reparationsbegriff, nicht jedoch unter den des BGH. Ich möchte Reparationen als eine Form wiedergutmachender Gerechtigkeit verstehen, bei der das auszugleichende Unrecht durch den Staat verübt oder erlaubt wurde. Staaten haben Reparationspflichten wegen ungerechter Kriege, wie die Weimarer Republik nach dem Ersten, oder wegen Völkermordes und verbundener Verbrechen, wie die Bonner und die Berliner Republik nach dem Zweiten Weltkrieg. In beiden Fällen haben staatliche Stellen selbst das Unrecht massgeblich begangen. Gesetzliche Grundlagen wurden geschaffen, entsprechende Befehle erteilt, erforderliche Mittel verfügbar gemacht. Reparationen gelten der Abgeltung historischen Unrechts, wobei damit zum einen die Grössenordnung des Unrechts angesprochen ist, zum anderen die Tatsache, dass die betreffenden Handlungen zum Begehungszeitpunkt rechtlich erlaubt oder geboten waren oder deren Verbot faktisch nicht durchgesetzt wurde. Rechtlich erlaubt war beispielsweise über Hunderte von Jahren das Halten und Handeln von Sklaven; rechtlich geboten eine Vielzahl von sozialen Praktiken im Zusammenhang der Judenermordung durch das Deutsche Reich; formal illegal, aber faktisch durch das politische und rechtliche System geduldet – und insofern legalisiert – war die Enteignung von Indianerland durch Weisse in den Vereinigten Staaten.21 Die Opfer dieser Praktiken hatten zum Begehungszeitpunkt keine anerkannte und wirksame rechtliche Grundlage, um das Unrecht als Unrecht zu beklagen. Unrecht als Unrecht nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich zu markieren, ist daher eine Aufgabe, die erst zu einem unbestimmten späteren Zeitpunkt übernommen werden kann. Als Reparationen sind daher im Folgenden nur Kompensationen zu verstehen, für die eigene gesetzliche Grundlagen geschaffen werden müssen; die also nach bestehendem Recht nicht verhandelt werden können, weil die Taten nicht strafbar waren, verjährt sind oder die Schuldigen vor Strafverfolgung durch Immunität geschützt waren. MICHAEL SCHEFCZYK 417 Man sollte meinen, das Empfinden, moralische Fehler müssten wieder gutgemacht werden, nehme mit deren Grösse zu. Doch das ist offenbar nicht der Fall. Dieselben Leute, die empört wären, wenn jemand einen Fremden ungestraft ohrfeigen dürfte, sind häufig keineswegs empört, wenn Verbrechen gegen die Menschlichkeit ungeahndet bleiben. Dieselben Leute, die sich nicht moralisch echauffieren, wenn jemand eine Entschuldigung erwartet, weil ihm ein anderer auf den Fuss getreten ist, echauffieren sich, wenn jemand eine offizielle Entschuldigung dafür erwartet, dass er und seine Familie von einem Staat beraubt oder misshandelt wurden. Folgendes Zitat eines amerikanischen Akademikers, Thomas Sowell, bietet hierfür ein Beispiel: «First of all, slavery is not something like stepping on someone’s toe accidentally, where you can say excuse me. If the people who actually enslaved their fellow human beings were alive today, hanging would be too good for them. If an apology would make no sense coming from those who were personally guilty, what sense does it make for someone else to apologize. A national apology also betrays a gross ignorance of history. Slavery existed all over the planet, among people of every color, religion and nationality. Why then a national apology for a worldwide evil? Is a national apology for murder next?»22 In dieser Passage wird nicht ganz klar, ob Sowell erstens eine «national apology» für unangemessen hält, weil die Sklaverei über Jahrhunderte weltweit praktiziert und nicht als Verbrechen erachtet wurde, oder ob er zweitens der Meinung ist, eine Entschuldigung wäre ohnehin unangebracht von Leuten, die – wie Sklavenhalter – verdienten, gehängt zu werden. Letzteres würde bedeuten, dass Sowell vertreten müsste, dass Präsident Thomas Jefferson (1801-1809) verdient hätte, gehängt zu werden; denn Jefferson war nicht nur Rassist, sondern auch Eigentümer zahlreicher Sklaven. Auch Präsident Andrew Johnson (1865-1869) hatte Sklaven besessen, und die Liste liesse sich sicher um einiges verlängern. Ersteres brächte eine ihrerseits eigenwillige Geschichtslektüre zum Ausdruck, denn dass Sklaverei Unrecht darstellt, war im 19. Jahrhundert eine verbreitete moralische Überzeugung, die beim Verbot des Sklavenhandels (das in Grossbritannien und den Vereinigten Staaten einige Jahrzehnte früher erfolgte als das Verbot der Sklaverei) bereits zum Tragen gekommen war. Klar wird jedoch aus dieser Passage, dass der Appell der Black-Reparations-Bewegung an die tiefe moralische Intuition, Unrecht müsse wieder gutgemacht werden, auf Widerstand stösst, auch wenn dessen Gründe häufig alles andere als durchsichtig sind. Kaum jemand bestreitet, dass Sklaverei und Sklavenhandel furchtbare moralische Fehler waren. Viele tun sich aber schwer damit, zu sehen, dass daraus Pflichten der Wiedergutmachung entspringen könnten. Im Gegenteil, sie finden eine derartige Ansicht abwegig, haarsträubend, weltfremd. Die folgende Liste gibt einige der geläufigsten Reaktionen wieder: 418 Black Reparations (1) Enormitätseinwand: Manche verweisen auf die Enormität der vorgetragenen Forderungen, um zu begründen, dass sie unrealistisch und ungerecht sind. In den Vereinigten Staaten sind zur Wiedergutmachung der Sklaverei Reparationssummen in Höhe von $ 500 Milliarden und mehr eingefordert worden. Viele sind überzeugt, dass diese Nennungen allein schon ausreichten, um die Forderung nach Wiedergutmachung der Sklaverei zu diskreditieren. Transferprogramme dieser Grössenordnung sind zwar selbst für ein Land wie die Vereinigten Staaten beträchtlich, aber keineswegs untragbar. Ähnlich dimensionierte Zahlungsströme sind auch schon in wesentlich kleineren Ländern ausgelöst worden. Die Gesamtsumme der Nettotransfers von West- nach Ostdeutschland hat allein für die Jahre 1991-1997 rund DM 926 Mrd. (ca. 470 Mrd.) betragen. Die Bundesbürger haben anfangs 7,5 %, später 5,5 % ihrer Einkommenssteuer zusätzlich für den so genannten «Aufbau Ost» aufgewendet. Dabei wurde unter anderem daran appelliert, dass die Menschen in der ehemaligen DDR in höherem Masse die Kosten des verlorenen Angriffskrieges getragen hätten; dass also der begünstigte Westen dem Osten etwas schulde. Der «Solidarpakt» ist und war gleichsam ein Ausgleich der ungleich verteilten Lasten der Kriegsschuld. Weder die Summe von $ 500 Milliarden noch die Begründung von Transfers dieser Grössenordnung durch geteilte historische Erfahrungen ist so abstrus, wie es dem Bauchgefühl vieler Gegner von Black Reparations erscheint. (2) Präzedenzfalleinwand: «There is neither wealth nor wisdom enough in the world to compensate in money for all the wrongs in history», schrieb die New York Times in Reaktion auf Formans «Black Manifesto» im September 1969.23 Das Argument ist bemerkenswert. Warum sollte es gegen SklavereiReparationen sprechen, dass nicht genug Geld und Weisheit vorhanden sind, um alle Fehler der Geschichte zu korrigieren. Es reicht, wenn Geld und Weisheit vorhanden sind, um den in Frage stehenden Fall zu beurteilen und zu kompensieren. An der zitierten Stelle der New York Times kommt die Furcht zum Ausdruck, dass durch die Anerkennung und Wiedergutmachung historischen Unrechts Präzedenzfälle geschaffen würden und dass dies unabsehbare Folgen für die Kalkulierbarkeit des Wirtschaftssystems, des Lebens insgesamt hätte. Würde man mit einem Fall anfangen, so müsste man sich am Ende mit allen beschäftigen – und dafür reicht weder Geld noch Weisheit. Versuchte man historisches Unrecht konsequent zu kompensieren, gerieten die grossen und weniger grossen Wirtschaftsnationen Europas, (und in geringerem Masse) Japan und die Vereinigten Staaten in einen unabsehbaren Strudel von Wiedergutmachungsforderungen. Jamaika hat bereits Reparationen von Grossbritannien für Sklaverei und Sklavenhandel eingefordert. Auf der UNO-Konferenz in Durban sind astronomische MICHAEL SCHEFCZYK 419 Ansprüche zugunsten der afrikanischen Staaten gestellt worden. Reparationen an Afroamerikaner würden diese und ähnliche Vorstösse ermutigen. Dieser Einwand ist inakzeptabel. Erstens gibt es bereits zahlreiche Präzedenzfälle; zweitens ist es keine Rechtfertigung ungerechten Handelns, dass man – handelte man in diesem Falle gerecht – dann auch in anderen Fällen gerecht handeln müsste. Angenommen, in einer Gesellschaft, in der Korruption verbreitet ist, wird ein Fall von Bestechung öffentlichkeitswirksam verfolgt. Niemand würde es für ein gutes Argument halten, wenn man einen solchen Prozess kritisierte, weil durch ihn ein «gefährlicher Präzedenzfall» geschaffen und die Kalkulierbarkeit des Wirtschaftssystems gestört werden würde. Die Störung eines auf ungerechten Praktiken beruhenden Systems ist ja das Ziel des Prozesses. Ähnliches gilt für Reparationsforderungen. Manche scheinen indes der Meinung zu sein, die Kosten wiedergutmachender Gerechtigkeit seien prohibitiv hoch, weil sie – konsequent durchgeführt – zu einem untragbaren Einbruch der Weltproduktion führen müsste. Abgesehen davon, dass für diese Behauptung keine Belege vorgelegt werden, wäre es nichts Ungewöhnliches, wenn Forderungen der Gerechtigkeit und solche der Effizienz gegeneinander abgewogen werden würden. Wenn bestimmte Formen von Wiedergutmachung historischen Unrechts das globale System unkalkulierbar machen würden, dann wäre dies bei deren Ausgestaltung zu berücksichtigen. Aber um dies beurteilen zu können, müsste die Bereitschaft bestehen, das Thema überhaupt angemessen zu würdigen. (3) Verjährungseinwand: «The whole notion of untangling the ‹debts› of history smacks of fantasy. Would the descendants of an Athenian helot of the fifth century B.C., assuming that such a relationship could be established, have a claim today on the Greek government? [...] The whole thing is a grisly farce.»24 Das Unrecht der Sklaverei wurde in den Vereinigten Staaten vor vierzehn Jahrzehnten beendet. Verschiedene Menschen haben verschiedene Intuitionen darüber, ob und wann Unrecht vergeht. Aber es scheint klar zu sein, dass ab einem gewissen Zeitpunkt keine vernünftigen Wiedergutmachungsforderungen mehr gestellt werden können. Reparationen für Verbrechen, die fünfzig Jahre zurückliegen, dürften die meisten für annehmbarer halten, als für solche, die vor fünfhundert Jahren begangen wurden. Wo wäre hier eine vernünftige Grenze zu ziehen? Die nahe liegende Lösung scheint zu sein, dass nur unmittelbare Opfer Wiedergutmachungsansprüche haben und nur unmittelbare Täter Wiedergutmachungspflichten. Da in den Vereinigten Staaten weder ehemalige Sklavenhalter noch ehemalige Sklaven leben, sind die Ansprüche haltlos. Dies ist ein populäres, aber nicht besonders überzeugendes Argument. Wenn es konsequent angewendet werden würde, dann wäre auch das deut- 420 Black Reparations sche «Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen», das auf Enteignungen in der ehemaligen DDR bezogen ist, in Teilen illegitim oder das österreichische Bundesgesetz über die «Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen», das Opfern des Nationalsozialismus und deren Nachkommen gilt. Wenn es aber dem common sense entspricht, nicht nur die Ansprüche der unmittelbaren Opfer zu würdigen, sondern solche auch mittelbaren Opfern zuzugestehen, dann ist weit weniger klar, dass Sklaverei-Reparationen haltlos sind, als dies von manchen unterstellt wird. (4) Chance auf Neuanfang: Manche sorgen sich auch um die Lebensbedingungen derjenigen, die für die Reparationen aufzukommen hätten. Menschen haben ein Recht auf einen moralischen Neuanfang. Selbst bei schwersten Vergehen gewähren viele Rechtssysteme den Verurteilten nach einer gewissen Zeit wieder die Freiheit. Eine ähnliche Überlegung kommt bei der Frage der Reparationen in Betracht. Viele meinen, es müssen historische Schlussstriche gezogen werden, um Staaten und ihren Bevölkerungen zu erlauben, ihre Geschichte in besseren Bahnen fortzusetzen. Auch dieses Argument ist kein grundsätzlicher Einwand gegen Reparationen, sondern betrifft deren Ausgestaltung. Trotz der schier unbegreiflichen Verwüstung, die Nazi-Deutschland mit ungeteilter Schuld über Europa gebracht hat, haben die westlichen Alliierten den Deutschen die Chance auf einen politisch-moralischen Neuanfang gewährt. Es dürfte aber unstrittig sein, dass die an Israel und die jüdischen Opfer des Systems gerichteten Kompensationsleistungen integraler Bestandteil dieses Neuanfangs waren. Chance auf Neuanfang und Reparationen haben sich in diesem Fall ergänzt und nicht widersprochen; und es gibt wenig Anlass, zu vermuten, es handele sich hier um einen Einzelfall. (5) Willküreinwand: «The New York Times recently interviewed Richard Barret on ‹reparations›, in which Barret stated that the focus should be on West Africa, where Negroes had been enslaved by their own people. ‹Let the descendants of the tribal chieftains pay the descendants of their own slaves.›»25 Vor vielen Akten historischen Unrechts steht anderes Unrecht. Jeder Versuch, die Ursachen sorgfältig zu erforschen, so meinen manche, verliert sich im Unbestimmten. Waren die Bene_-Dekrete nicht eine Reaktion auf die Nazi-Barbarei, die ihrerseits eine Reaktion war auf Versailles, das seinerseits eine Reaktion war auf die verbrecherische Kriegführung der Deutschen im Ersten Weltkrieg und immer so fort? Jeder Anfang – so der Einwand – ist der Sache nach willkürlich. Welche Forderungen letztlich zum Zuge kommen, sei eine Angelegenheit der Macht und nicht der Gerechtigkeit. MICHAEL SCHEFCZYK 421 An dem Einwand ist so viel richtig, dass es Beispiele für reaktives Unrecht geben mag und dass es unangemessenen wäre, solche Formen des Unrechts unter Absehung vom historischen Kontext zu betrachten. Dies kann aber kein Argument gegen Reparationsforderungen schlechthin abgeben, weil es eindeutige Fälle nicht-reaktiven Unrechts gibt, zu denen zweifellos die Ermordung der europäischen Juden, aber auch Sklaverei und Sklavenhandel gehören. (6) Konservatismuseinwand: «Compensatory justice», schreibt Robert Goodin, «is profoundly conservative. Across its diverse range of applications, it usually serves to restore some status quo ante. The emphasis upon restoring the preexisting state obviously flies in the face of ideals of redistributive justice.» 26 In vielen Fällen wird man erwarten, dass Theorien korrektiver und distributiver Gerechtigkeit zu ähnlichen normativen Aussagen führen. Wenn eine Bevölkerungsgruppe systematisch diskriminiert wurde, so erwachsen ihr Wiedergutmachungsansprüche; da zu den Wirkungen von Diskriminierungen typischerweise auch materielle Nachteile gehören und Theorien distributiver Gerechtigkeit diese Nachteile aufzuheben fordern, weisen korrektive und distributive Ansprüche in dieselbe Richtung. Dies muss aber nicht notwendigerweise der Fall sein. Angenommen, die bestehende Verteilung sei einer Theorie distributiver Gerechtigkeit zufolge ungerecht. Nun ändert jemand durch eine unrechtmässige Handlung die Verteilung so, dass sie der fraglichen Theorie der Gerechtigkeit besser entspricht. Beispielsweise könnten die am schlechtesten gestellten Mitglieder der Gesellschaft die Häuser und den Grundbesitz der am besten Gestellten plündern und besetzen, so dass eine – im Sinne der Theorie – wünschenswertere Verteilung resultierte. In diesem Fall scheinen die Aussagen korrektiver und distributiver Gerechtigkeit in unterschiedliche Richtungen zu weisen. Korrektive Gerechtigkeit fordert in jedem Falle zunächst die Berichtigung des begangenen Unrechts. Darüber hinaus verlangt sie aber eine Restitution oder Kompensation der Geschädigten. An dieser Stelle setzt nun der Dissens zwischen Vertretern korrektiver und distributiver Gerechtigkeit ein. Denn in dem Beispiel haben die Geschädigten – laut der Theorie distributiver Gerechtigkeit – keinen gerechten Anspruch auf ihr Eigentum. Ihr zufolge vermögen sie daher auch nicht, gerechterweise dessen Restitution oder anderweitige Kompensation zu verlangen. Wir könnten im Sinne distributiver Gerechtigkeit daher versucht sein, so erwägt Jules Coleman, Kompensation, Reparation oder Restitution nicht als eine Forderung der Gerechtigkeit zu betrachten, solange das zugrunde liegende System von Eigentumsrechten nicht dem als gerecht ausgezeichneten Verteilungsmuster entspricht.27 Kompensatorische Gerechtigkeit ist dagegen konservativ, insofern sie die Berechtigung des Zustands vor dem unrecht- 422 Black Reparations mässigen Eingriff als gegeben annimmt. Besser sei es, einen Schlussstrich unter das Geschehene zu setzen und einen Neuanfang auf Grundlage gerechter Regeln und Organisationen zu versuchen. Der Blick der Gerechtigkeit müsse sich auf die Zukunft und nicht auf die Vergangenheit richten. Auch dieser Einwand ist nicht überzeugend, wenn er im Sinne einer grundsätzlichen Ablehnung der Frage nach wiedergutmachender Gerechtigkeit gemeint ist. Gerechtigkeit hat eine historische Seite, wie die libertäre Theorie deutlicher als die egalitaristische betont hat. Es reicht nicht aus, zu wissen, dass es einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder den Bewohnern eines bestimmten Landes schlecht ergeht, um sagen zu können, sie hätten einen Gerechtigkeitsanspruch auf Transfers. Die Ursachen ihrer Situation sind vielmehr relevant. Ob eine Theorie den Ausgleich «unverdienter Nachteile» fordert oder eine Wiedergutmachung von Unrecht: in beiden Fällen ist historisches Wissen erforderlich. Der Versuch einer strengen Unterscheidung zwischen vergangenheitsorientierten und zukunftsorientierten Theorien ist insofern irreführend. (7) Ungerechtigkeitseinwand: «The notion of collective guilt for what people did [200-plus] years ago, that this generation should pay a debt for that generation, is an idea whose time has gone. I never owned a slave. I never oppressed anybody. I don’t know why I should have to pay for someone who did [own slaves] generations before I was born.»28 Dieser Einwand könnte einerseits auf der anarchistischen Annahme beruhen, dass eine Person nur dann verpflichtet ist, für eine Verbindlichkeit aufzukommen, wenn sie diese Verbindlichkeit selbst eingegangen ist. Diese Annahme ist anarchistisch, weil sie die Legitimität politischer Autorität in Frage stellt. Politische Autorität ist durch die Pflicht der Herrschaftsunterworfenen definiert, den hoheitlichen Anweisungen zu folgen. Wenn eine Gemeinde einen Radweg anlegt und dies aus Steuermitteln finanziert, so kann sich kein Steuerpflichtiger mit der Begründung entziehen, er habe kein Fahrrad oder sei gegen den Radweg gewesen. Wird die Gerechtigkeit dieses Zwangs bezweifelt, so wird das Recht der politischen Körperschaft insgesamt bezweifelt. Hinter dem Einwand könnte andererseits die spezifischere These stehen, dass zwischen Personen wie Henry Hyde und dem Unrecht der Sklaverei keine Relation bestünde, die rechtfertigen würde, diese Personen zu Kompensationszahlungen zu zwingen. Um diese These zu begründen, reicht es aber sicher nicht aus zu sagen, man habe nie selbst einen Sklaven besessen. Mit derselben Begründung könnte Ps Mutter in Fall I sich weigern, das Auto herauszugeben, weil sie selbst ja kein Unrecht begangen hat. Dies ist aber nach NTIII für das Bestehen von legitimen Kompensationspflichten nicht zwingend erforderlich. Der Ungerechtigkeitseinwand müsste daher MICHAEL SCHEFCZYK 423 lauten, dass die Voraussetzungen von NTIII nicht gegeben sind, also Personen wie Henry Hyde (und vermutlich ist mit ihm die gesamte weisse Bevölkerung gemeint) zum fraglichen Zeitpunkt über keinen ungerechtfertigten, herausgebbaren Vorteil verfügen.29 Da der Ungerechtigkeitseinwand den rationalen argumentativen Kern der Kritik am Gedanken von Black Reparations bildet, ist es nun Zeit, die generellen Einwände zu verlassen und zu den spezifischen Argumenten überzugehen. 5. Boxills Argument für Sklaverei-Reparationen Die meisten Advokaten von Black Reparations stützen die Forderung nicht auf das Unrecht der Sklaverei, sondern auf das der Segregation und Diskriminierung. Einer der ersten philosophischen Beiträge zu dem Thema, Bernard Boxills «The Morality of Reparation», hat sich allerdings in eine andere Richtung bewegt und eine Kompensation für unterschlagene Arbeitslöhne gefordert.30 Der Kern seiner Argumentation zunächst im Wortlaut: «Dick steals the bicycle from Tom and gives it to Harry; in the meantime Tom dies, but leaves a will clearly conferring his right to ownership of the bicycle to his son, Jim [1]. Here again we should have little hesitation in saying that Harry must return the bicycle to Jim [2]. Now, though it involves complications, the case for reparation under consideration is essentially the same as the one last mentioned: the slaves had an indisputable moral right to the products of their labour [3]; these products were stolen from them by the slave master who ultimately passed them on to their descendants [4]; the slaves presumably have conferred their rights of ownership to the products of their labour to their descendants [5]; thus, the descendants of slave masters are in possession of wealth to which the descendants of slaves have rights [6]; hence, the descendants of slave masters must return this wealth to the descendants of slaves with a concession that they were not rightfully in possession of it [7].»31 [1] und [2] entsprechen NTII und NTIII. Tom kann an Jim nicht nur seine Habe vererben, sondern auch seinen Restitutionsanspruch gegen den unrechtmässigen Besitzer (NTII). Selbst wenn Harry arglos ist, ist er verpflichtet, das Rad an Jim herauszugeben (NTIII). Die Forderung nach Sklaverei-Reparationen beruht auf der Anwendung dieser normativen Thesen. Denn zweifellos hatten die Sklaven das moralische Recht, nicht versklavt zu sein, sondern für ihre Arbeit übliche Löhne zu erhalten [3]. Die Voraussetzungen von NTIV – so nimmt Boxill an – sind erfüllt: Die Nachfahren der Täter haben einen aus dem Unrecht resultierenden, herausgebbaren Vorteil empfangen [4]. Es kann auch vernünftigerweise angenommen werden, dass die Sklaven ihren Kompensationsanspruch an die Nachfahren vererbt 424 Black Reparations haben [5]. Folglich sind die Nachfahren der Sklavenhalter verpflichtet, den Nachfahren der Sklaven die ungerechtfertigten Vorteile herauszugeben. In dieser ersten Fassung scheint der Black-Reparations-Anspruch Folgendes zu fordern: Black Reparations Claim (BRCB): Jeder Nachfahre von Sklaven hat Anspruch auf Reparationen. Die Höhe des Anspruchs Ri ergibt sich aus dem Gegenwartswert der aggregierten Löhne, die in Normalarbeitsverhältnissen jener Zeit gezahlt worden wären, geteilt durch die Zahl der heute lebenden Nachfahren von Sklaven N. David Horowitz und andere Gegner haben argumentiert, Black Reparations seien rassistisch, insofern sie den Anspruch nicht an dem Opferstatus, sondern an der Rassenzugehörigkeit festmachen würden. BRCB wird durch diesen Vorwurf offensichtlich nicht getroffen, da Boxill davon spricht [5], dass die Sklaven ihren Kompensationsanspruch an ihre Nachfahren übertragen haben. Der Anspruch wird von BRCB folglich nicht an dem ethnischen Hintergrund, sondern an der Zugehörigkeit zu einer Familienlinie festgemacht. Er hängt auch in keiner Weise davon ab, dass die Nachfahren genetisch mit den Sklaven verwandt sind. Entscheidend ist vielmehr, dass vernünftigerweise unterstellt werden kann, dass der Kompensationsanspruch nach dem Tod des unmittelbaren Opfers an (angenommene oder gezeugte) Kinder vererbt wird. An dem Rassismusvorwurf ist Boxill allerdings nicht ganz unschuldig, weil er im Anschluss an die zitierte Passage dazu übergeht, nicht mehr von den «descendants of slaves» und «descendants of slave masters» zu sprechen, sondern behauptet, «that the white community as a whole, considered as a kind of corporation or company, owes reparation to the black community.»32 Abgesehen von der Frage, ob und inwiefern die weisse Bevölkerung als eine Körperschaft betrachtet werden kann, ist die Ansicht unhaltbar, dass die schwarze Bevölkerung insgesamt Anrecht auf Sklaverei-Reparationen hätte. Boxill geht hier – im Gegensatz zu BRCB – davon aus, dass (a) jeder heute lebende Afroamerikaner, (b) in gleicher Weise vom Unrecht vorenthaltener Löhne betroffen ist. Doch das ist nicht der Fall. (a) Nicht jeder Afroamerikaner ist Nachfahre von amerikanischen Sklaven. Denn zum einen sind viele schwarze Amerikaner erst nach der Emanzipation zugewandert;33 zum anderen gab es laut Zensus von 1830 immerhin 3775 freie Schwarze, die 12740 Negersklaven hielten.34 Es sind also MICHAEL SCHEFCZYK 425 nicht nur keineswegs alle heutigen Afroamerikaner Nachkommen von amerikanischen Sklaven; einige von ihnen sind vielmehr Nachkommen von Sklavenhaltern. Wenn die Gruppe der Afroamerikaner nicht mit der Gruppe der Nachkommen von Versklavten kongruent ist, so kann der Kompensationsanspruch nicht daran festgemacht werden, dass jemand Afroamerikaner ist. BRCB trägt dem Rechnung und stellt klar, dass die Reparationen denen zugute kommen müssen, deren Vorfahren das Unrecht der Versklavung angetan wurde, und dass die Nachkommen ehemaliger schwarzer Sklavenhalter Reparationen zu leisten hätten und nicht etwa empfangen würden. (b) Die zitierte Formulierung von Boxill unterstellt ferner, dass jeder Afroamerikaner in gleichem Masse von dem Unrecht der Sklaverei betroffen ist. Doch auch dies ist nicht der Fall. Angenommen, eine Person sei erwiesenermassen väterlicherseits Nachfahre von Versklavten. Ihre Mutter stamme jedoch aus einer schwarzen Familie, die um 1900 aus der Karibik eingewandert ist. Wie würde sich dies auf ihren individuellen Reparationsanspruch auswirken? Und was wäre, wenn unter den Vorfahren väterlicherseits eine reiche Weisse wäre? Oder ein schwarzer Sklavenhalter? Eine verbesserte Version der Forderung von Boxill geht also nicht pauschal davon aus, dass alle Nachfahren von Sklaven in gleichem Masse einen Anspruch auf Sklaverei-Reparationen besitzen, sondern macht diesen von der jeweiligen Familiengenealogie abhängig. Black Reparations Claim (BRCFG): Jeder Afroamerikaner, jede Afroamerikanerin hat Anspruch auf Reparationen zur Wiedergutmachung des Unrechts der Sklaverei entsprechend der jeweiligen Familiengenealogie. Boxill supponiert in [5], individuelle Kompensationsansprüche seien kontrafaktisch als Schuldscheine S zu betrachten, die 1865 an die ehemaligen Sklaven ausgegeben wurden. Da die Schuld nicht beglichen wurde, haben die unmittelbaren Opfer die Schuldscheine zu gleichen Teilen an ihre Nachkommen weitergegeben (Normalisierungsannahme). Selbst mit dieser Normalisierungsannahme bliebe die Lage jedoch unüberschaubar. Angenommen, Adam und Eva hätten 1865 jeweils einen Schuldschein S erhalten und an das einzige überlebende Kind, Abel, weitergegeben. Abel hätte Esther geheiratet, die – wie ihre Schwester Ruth – einen Schuldschein S nach dem Tod ihrer Eltern geerbt hätte. Würden Abel und Esther sechs Kinder gehabt haben, so hätte jedes von ihnen jeweils einen halben Schuldschein S erhalten. Eines dieser Kinder, Judith, heiratet nun den aus der Karibik stammenden Jim, mit dem sie zwölf Nachkommen zeugt, die alle 426 Black Reparations überleben. An diese vererbt sie jeweils einen gleichen Teil ihres Schuldscheins S, also 1/24 S. Dieses Beispiel kann hier abgebrochen werden, weil deutlich wird, dass für eine individuelle Bestimmung des Reparationsanspruchs auf Grundlage der Erbfolge eine schier unüberschaubare Zahl von Möglichkeiten besteht. Da seit Ende des beklagten Unrechts bereits vierzehn Jahrzehnte vergangen sind, dürften die relevanten Informationen in der Regel kaum zu ermitteln sein. Eine Anwendung von BRCFG im grossen Umfang droht insofern an Informationsmangel zu scheitern. Zwar sind nach NTII Kompensationsansprüche aus Verletzungen des Eigentums zwischen den Generationen übertragbar. Insofern kann grundsätzlich bejaht werden, dass die Nachkommen von Sklaven über einen Prima-Facie-Anspruch auf Wiedergutmachung verfügen. Würde nun gefordert, die Reparationsforderung für jede Person individuell zu bestimmen und zu belegen, so führte dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem äusserst geringen Reparationsvolumen, sicherlich weit diesseits dessen, was den Befürwortern von Black Reparations vorschwebt. Im Recht ist es jedoch nicht unüblich, schwer einlösbare Informationsanforderungen durch Präsumtionen zu umgehen. Entsprechend könnte man rechtlich von einer generellen Abstammungspräsumtion ausgehen, also den vollen Anspruch aufgrund leicht verifizierbarer Merkmale immer dann zusprechen, wenn nicht entgegenstehende Evidenzen vorliegen. Minimalbedingung für eine annehmbare Auslegung von BRCFG wäre aber, dass zwischen der Lage der Empfänger und dem Unrecht eine Beziehung zumindest vernünftigerweise unterstellt werden kann. 5.1 Fragwürdigkeit des Opferstatus BRCFG setzt voraus, dass Personen mittelbar Geschädigte der Sklaverei sein können, und zwar in dem Masse, in dem sie in verwandtschaftlicher Beziehung zu den unmittelbar Geschädigten stehen. Diese Voraussetzung versteht sich nicht von selbst. Zwei Hauptlinien möglicher Kritik lassen sich unterscheiden: (c) Zum einen wird bemängelt, dass BRCFG unterstellt, die Nachfahren von afroamerikanischen Sklaven seien durch die Sklaverei geschädigt. Dies sei nicht der Fall. (d) Zum anderen wird gegen BRCFG argumentiert, dass nur zwei Klassen von Personen Ansprüche auf Kompensation haben können: die unmittelbaren Opfer eines Unrechts sowie mittelbare Opfer, die in einer moralisch relevanten Beziehung zum unmittelbaren Opfer stehen. Die Anspruchsberechtigten von BRCFG stünden aber nicht in einer moralisch relevanten Beziehung zu den unmittelbaren Opfern. Zunächst zu (c), also zur Behauptung, die Nachfahren der afroamerikanischen Sklaven seien durch die Sklaverei nicht geschädigt. In einer naive MICHAEL SCHEFCZYK 427 Variante (c1) lautet die Überlegung folgendermassen: Einem geläufigen Verständnis voller Kompensation entspricht es, dass sie einen Zustand herstellt, wie er geherrscht haben würde, wenn es zu dem Unrecht gar nicht erst gekommen wäre. In welchem Zustand würden sich nun die Afroamerikaner ohne das Unrecht der Sklaverei befinden? Vertreter von (c1) antworten auf diese Frage: Ohne das Unrecht der Sklaverei wären die Afroamerikaner Schwarzafrikaner und würden folglich schlechter dastehen als ohne das von ihren Vorfahren erlittene Unrecht. Die Sklaverei stellt daher für sie als Nachkommen keinen Schaden dar, sondern einen Gewinn. Würde man die Einkommen der afroamerikanischen Bevölkerung aggregieren und als Bruttosozialprodukt eines Landes behandeln, so fände es sich in der Rangliste der reichsten Nationen an 13ter Stelle, hat der Ökonom Walter Williams von der George Mason University berechnet. Vor diesem Hintergrund halten es viele für schwer, an der Ansicht festzuhalten, es sei für die heutigen Afroamerikaner ein Nachteil, dass ihre Vorfahren verschleppt und versklavt wurden. Besonders emotional hat dies ein langjähriger Afrikakorrespondent der Washington Post, Keith Richburg, zum Ausdruck gebracht: «Keith Richburg [...] wrote after three years of covering Africa for the Washington Post. Africa is nightmarish, he concluded bluntly – a land of cruelty, disease, dictatorship, and death. As a black American, he condemns the slave trade that kidnapped his ancestors four centuries ago and shipped him west in chains. But he also knows that slavery made his American life possible. He is pained whenever he sees yet another scene of modern Africa in misery. ‹But most of all›, he writes, ‹I think: Thank G-d my ancestor got out, because, now, I am not one of them.›» 35 Die Betrachtungsweise von Keith Richburg und anderen Vertretern von (c1) beruht aber auf einem Missverständnis der Natur von Kompensationsansprüchen. Fall III: Angenommen, B zündet in Ps Abwesenheit dessen Haus und Kiosk an. Aus lauter Verzweiflung tut P daraufhin etwas, was er sonst nie tut und auch nie getan haben würde: Er kauft ein Lotterielos. Zufälligerweise gewinnt P damit den Hauptpreis, der weit grösser ist als der von B verursachte Verlust. Mit dem Gewinn kann P ein neues, weitaus befriedigenderes Leben beginnen. Selbst wenn wir mit absoluter Sicherheit wüssten, dass ohne den Brandstifter all diese Dinge nicht geschehen wären, scheint es wenig plausibel zu behaupten, dass P keinen Anspruch auf Wiedergutmachung gegen B hätte. Der Grund ist darin zu suchen, dass Kompensationen mit Leistungsansprüchen aus Schuldverträgen vergleichbar sind.36 B schuldet P die Wiedergutmachung des angerichteten Schadens so, wie ein Darlehensnehmer die Rückerstattung des Darlehens schuldet. Um den Schaden zu bestim- 428 Black Reparations men, wird nicht die vermutete Gesamtwohlfahrt in der Lebenssituation ohne Unrecht mit der Gesamtwohlfahrt in der Lebenssituation mit Unrecht zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt verglichen; vielmehr betrachtet man die Situation unmittelbar vor und nach dem Unrecht und fixiert auf dieser Grundlage die Höhe des entstandenen Schadens. Der resultierende Kompensationsanspruch gegen den Rechtsbrecher besteht unbeschadet aller weiteren kausalen Konsequenzen, die das Unrecht haben mag. Es beruht insofern auf einem Missverständnis des Kompensationsgedankens, wenn Ellen Frankel Paul argumentiert, würde man das restaurative Element kompensatorischer Gerechtigkeit wörtlich nehmen, so schuldete das weisse Amerika dem schwarzen ein schlechteres Leben, weil die typische Vertreterin eines schwarzafrikanischen Landes die Situation einer «black teenage mother on welfare in one of this country’s worst inner cities» nur beneiden könne.37 Denn sie vergleicht hier globale Wohlfahrtsszenarien statt die Schadenssumme des begangenen Unrechts zu fixieren. Damit ist noch nicht die Frage geklärt, ob die Nachfahren von Sklaven einen Anspruch auf die Schadenssumme der unmittelbaren Opfer haben. Ich komme auf diese Frage unter (d). Zunächst jedoch zu (c2). Während Vertreter von (c1) annehmen, ohne Sklaverei wären die heute lebenden Afroamerikaner Schwarzafrikaner, weist (c2) darauf hin, dass es einen heute lebenden Afroamerikaner, sagen wir: Keith Richburg, ohne Sklaverei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gar nicht gäbe. Denn wären diejenigen, die durch den Sklavenhandel Keith Richburgs Vorfahren wurden, nicht versklavt worden, hätte es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals einen Menschen mit dem genetischen Bauplan Keith Richburgs gegeben – und insofern hat er auch keinen Grund, dafür dankbar zu sein, dass er nun nicht als Schwarzafrikaner leben muss, weil er unter anderen Umständen einfach nicht existieren würde. Allerdings folgt aus dieser Überlegung, dass so wenig Grund Keith Richburg hat, dafür dankbar zu sein, kein Schwarzafrikaner zu sein, ebenso wenig Grund haben andere Afroamerikaner, das Unrecht der Sklaverei zu beklagen. Denn eben: Wenn jemand Kompensation verlangt, muss er darlegen, worin der Schaden besteht; und dies geschieht, indem er sein tatsächliches Wohlergehen mit dem kontrafaktischen Wohlergehen vergleicht, dass er genösse, wäre das Unrecht nicht geschehen. Dabei wird vorausgesetzt, dass die betreffende Person in beiden Zuständen existiert, eine Voraussetzung, von der wir gesehen haben, dass sie im gegebenen Fall äusserst unplausibel ist. Dieses Problem von Kompensation und personaler Identität in verschiedenen möglichen Welten ist erstmals von George Sher analysiert worden.38 Die Frage, die hier aufgeworfen wird, lautet also, ob Personen einen Kompensationsanspruch für MICHAEL SCHEFCZYK 429 ein Unrecht haben können, das ein entscheidender kausaler Faktor ihrer Existenz ist.39 Im Folgenden werde ich dies den Identitätseinwand nennen. Zunächst ein Test auf moralische Intuitionen hinsichtlich kompensatorischer Gerechtigkeit: Fall IV: Angenommen, K wäre das einzige Kind von Eltern, die sich auf der Flucht vor einer furchtbaren Diktatur kennen gelernt und sich ohne dieses Regime niemals getroffen hätten. In der neuen Heimat sind Ks Eltern, ebenso wie K. selbst, glücklich und erfolgreich. Nach dem Tod der Eltern und dem Untergang der Diktatur ermittelt K den Verbleib eines äusserst wertvollen Buches, das Ks Mutter im Namen des Regimes entwendet worden war. Die Konfiskation war der Auslöser für die Entscheidung von Ks Mutter, das Land sofort zu verlassen. Das Buch befindet sich nun im Besitz des Sohnes O eines ebenfalls verstorbenen Offiziers, der von der Konfiskation begünstigt wurde und sie auch durchgeführt hat. Als K die Herausgabe des Werkes verlangt, weigert sich der Sohn und begründet dies folgendermassen: 1. Hätten Ks Eltern das Land nicht verlassen, so hätten sie sich nicht kennen gelernt. 2. Wenn sich Ks Eltern nicht kennen gelernt hätten, so wäre K nicht gezeugt worden. 3. Die Konfiskation des Buches war unmittelbare Ursache dafür, dass Ks Mutter das Land verlassen hat. 4. Dann war aber die Konfiskation des Buches ein entscheidender kausaler Faktor von Ks Existenz. (wg. 1, 2, 3) 5. Folglich würde K ohne die Konfiskation des Buches nicht existieren. 6. Eine Person kann nur Kompensation verlangen, wenn sie einen Schaden erlitten hat. 7. Ob ein Schaden vorliegt, wird bestimmt, indem die bestehende Situation verglichen wird mit der Situation, die ohne die fragliche Handlung bestehen würde. 8. Da es K ohne die schädigende Handlung nicht gäbe, kann nicht sinnvoll gesagt werden, K hätte einen Schaden erlitten. (wg. 5) 9. Daher hat K auch keinen Anspruch auf Kompensation. (wg. 6) 10. Im vorliegenden Fall bestünde die Kompensation in der Herausgabe des Buches. 11. Folglich hat K keinen Grund, die Herausgabe des Buches zu verlangen. (wg. 9, 10) 430 Black Reparations Mit einer ähnlichen Argumentation hat der Philosoph Stephan Kershnar die Rechtfertigung von Affirmative-Action-Programmen für Afroamerikaner durch den Gedanken kompensatorischer Gerechtigkeit zurückgewiesen. Zuweilen wird die Bevorzugung von Afroamerikanern in bestimmten Auswahlprozeduren mit der Überlegung gerechtfertigt, dass dies eine Wiedergutmachung des Unrechts von Sklaverei und Diskriminierung darstelle. Die Kompensation von Unrecht – so Kershnar – verlangt indes den Vergleich zwischen den wirklichen Umständen einer geschädigten Partei P und einer in relevanten Hinsichten ähnlichen möglichen Welt, in der P nicht geschädigt worden wäre. Dieser Vergleich ist nötig, um die Höhe des Schadens zu bestimmen. «The problem is that some unjust injuring acts, particularly acts of slavery, led to intercourse and the later creation of the ancestors of many members of minority groups. Hence, there is no possible world in which these individuals exist and in which the injustice, e.g. slavery, did not occur. As a result, the counterfactual test does not allow us to measure or even understand the existence of a compensatable injury to these persons.»40 Kershnar argumentiert hier wie der fiktive O. Wenn Unrecht Existenzvoraussetzung einer Person A ist, so vermag A keine Wiedergutmachung dafür zu verlangen, weil A durch das Unrecht nicht geschädigt sein kann. Personen können jedoch nach NTIII und NTIV für die Wiedergutmachung von Unrecht verantwortlich sein, auch wenn sie nicht für das Unrecht verantwortlich sind, und zwar dann, wenn sie in moralisch relevanter Weise von dem Unrecht profitieren. O profitiert zweifellos von dem Unrecht, das sein Vater als Vertreter eines verbrecherischen Regimes begangen hat, indem er das fragliche Buch konfiszierte. Nach NTIV ist er verpflichtet, zu der Wiedergutmachung des begangenen Unrechts beizutragen, von dem er profitiert hat. Die Schwierigkeit des beschriebenen Falls besteht aber – wie gesehen – darin, dass O argumentiert, es gebe nichts wieder gutzumachen. Es sei hier eben nicht so wie im Fall I, in dem T zum Zeitpunkt der Tat bereits existierte. Ihr Opferstatus sei daher unbestreitbar. K könne aber – aus den bereits angeführten Gründen – nicht als Opfer von Unrecht oder als mittelbar Geschädigte angesehen werden. Das Ergebnis, zu dem Os Argumentation führt, scheint falsch zu sein – aber wo liegt der Fehler? Nehmen wir zuvor noch eine strukturell ähnlich gelagerte Situation hinzu: Fall V: Angenommen, die Eltern von X hätten sich aus Geldnot an einem medizinischen Experiment der Regierung beteiligt und sich bei dieser Gelegenheit kennen gelernt. Ohne das Experiment wären sie sich niemals begegnet. Die Regierungsstellen wussten vor dem Experiment, dass es für die Beteiligten äusserst schädlich MICHAEL SCHEFCZYK 431 sein würde – die Details waren aber unbekannt und sollten näher erforscht werden. Ziel und Risiken des Experiments wurden den Probanden in moralisch verwerflicher Weise verschwiegen. Dessen Durchführung verletzte die moralischen Rechte der Beteiligten. Infolge des Experiments sind Eizellen der Mutter – ohne ihr Wissen – geschädigt worden, so dass X schwer behindert zur Welt kommt. Folgte man der Argumentation Kershnars und Os, stünde X (möglicherweise im Gegensatz zu seiner mittlerweile verstorbenen Mutter) keine Wiedergutmachung von der Regierung zu, da das Unrecht ein entscheidender kausaler Faktor seiner Existenz ist. Betrachten wir nun zunächst, was in den Fällen IV und V nicht bestritten wird: Es wird nicht bestritten, dass es zu einem Unrecht gekommen ist, das Pflichten der Wiedergutmachung begründet. Im Fall V stellt die Regierung in Abrede, gegenüber X Wiedergutmachungspflichten zu haben, gesteht aber zu, dass die Durchführung der Experimente ein kompensationspflichtiges Unrecht an den unmittelbaren Opfern war. Laut NTIV können solche Pflichten jedoch auch gegenüber mittelbaren Opfern vorliegen, die in einer moralisch relevanten Beziehung zu den unmittelbaren Opfern stehen. Es fragt sich also, ob dies bei X der Fall ist, ob also X die Rechte eines mittelbaren Opfers innehat. Damit sind wir aber auf (d) verwiesen, auf den Einwand, dass die Anspruchsberechtigten nicht in einer moralisch relevanten Beziehung zu den unmittelbaren Opfern stünden. Die Triftigkeit des in (c2) formulierten Identitätseinwands gegen Wiedergutmachungsleistungen hängt also von der Frage ab, ob die Tatsache, dass Unrecht ein kausal entscheidender Faktor für die Existenz von jemandem ist, dazu führt, dass die betroffene Person nicht in einer moralisch relevanten Beziehung zum unmittelbaren Opfer stehen kann. Unabhängig von dieser Frage lässt sich aber festhalten, dass die Profiteure von dem Unrecht in Fall IV und V kein Recht auf die erlangten Vorteile haben. Zwischen einer Herausgabepflicht und einem Restitutionsrecht sind Asymmetrien möglich. Dies wird an folgender Variation von Fall IV deutlich: Fall IV2: Angenommen, K wäre das einzige Kind von Eltern, die sich auf der Flucht vor einer furchtbaren Diktatur kennen gelernt und sich ohne dieses Regime niemals getroffen hätten. In der neuen Heimat sind Ks Eltern, ebenso wie K selbst, glücklich und erfolgreich. Nach dem Tod der Eltern und dem Untergang der Diktatur ermittelt K den Verbleib eines äusserst wertvollen Buches, das Ks 432 Black Reparations Mutter im Namen des Regimes entwendet worden war. Die Konfiskation war der Auslöser für die Entscheidung von Ks Mutter, das Land sofort zu verlassen. Das Buch befindet sich nun im Besitz des Sohnes O eines ebenfalls verstorbenen Offiziers, der von der Konfiskation begünstigt wurde und sie auch durchgeführt hat. Als K die Herausgabe des Werkes verlangt, weigert sich der Sohn und begründet dies folgendermassen: Er bedaure zutiefst das Unrecht des Regimes und schäme sich für die Taten seines Vaters, aber K hätte kein Recht auf das Buch, da es sie ohne das begangene Unrecht gar nicht geben würde. Hätte K nicht so ein glückliches und erfolgreiches Leben, würde er es als richtig erachten, ihr das Buch zu überlassen. Unter den gegebenen Umständen werde er es aber lieber einer geeigneten Organisation stiften. K betrachtet die Organisation zwar im Prinzip als würdige Empfängerin, beharrt aber auf Ihr Recht auf Rückgabe. O bestreitet hier nicht, dass er kein Recht hat, von dem Unrecht seines Vaters zu profitieren. Er bestreitet vielmehr, dass K in einer moralisch relevanten Beziehung zum unmittelbaren Unrecht steht. Dass sie die einzige Tochter der Geschädigten ist, hält er aufgrund des Identitätseinwandes für irrelevant. Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass erstens durch seine Herausgabe ein moralisch falscher Zustand korrigiert wird, der darin besteht, dass er in kritikwürdiger Weise von Unrecht profitiert; und zweitens dass diese Korrektur zugunsten moralisch unterstützenswerter Ziele geschieht, soweit möglich zugunsten der Kompensation unmittelbarer oder mittelbarer Opfer des verbrecherischen Regimes. In dem beschriebenen Fall scheint diese Auflösung jedoch moralisch äusserst unbefriedigend. Intuitiv ist man geneigt, K ein volles Restitutionsrecht zuzusprechen und deshalb die Auffassung von O zurückzuweisen. Ob sie dieses Recht hat, ist unter (d) zu betrachten. Doch auch wenn die Tochter kein volles Restitutionsrecht haben sollte, ist Os Position fragwürdig, weil er zwar die Herausgabepflicht anerkennt, aber mit einem Entscheidungsrecht verknüpft, das er richtigerweise nicht haben sollte. Weil O kein Recht an dem Buch hat, sollte er auch nicht entscheiden dürfen, wer das Buch bekommt. Wer sonst eignet sich für diese Rolle? Eine nahe liegende Antwort scheint zu sein: Für diese Rolle eignen sich diejenigen, die zu dem unmittelbaren Opfer in einer moralisch relevanten Beziehung standen. Dies trägt der intuitiven Einschätzung Rechnung, dass es nicht in Ordnung ist, dass der Sohn des Täters und nicht die Tochter des Opfers entscheiden können soll, was mit dem Buch geschieht. MICHAEL SCHEFCZYK Normative These V (NTV): 433 Personen, die kein Recht auf erlangte Vorteile haben, sind zur Herausgabe verpflichtet, und zwar an diejenigen Personen, die in einer moralisch relevanten Beziehung zum unmittelbaren Opfer stehen (ohne mittelbare Opfer zu sein). In Fall IV2 steht K – als einzige Tochter – zweifellos in einer moralisch relevanten Beziehung zum unmittelbaren Opfer. Laut NTV gründet ihr Anspruch nicht darauf, dass sie ein mittelbares Opfer des Unrechts ist, sondern dass sie moralisch geeignet ist, die Rolle der Eigentümerin zu übernehmen, auf die O kein Recht hat. Der Ertrag dieser Überlegungen für die Frage der Black Reparation Claims ist folgender: Autoren wie Stephan Kershnar sind der Auffassung, dass aus dem Identitätseinwand eine Zurückweisung von Reparationsansprüchen folgt. Wichtig ist aber festzuhalten, dass dies nicht heisst, dass keine Pflicht zur Herausgabe von Vorteilen besteht, die durch die Sklaverei erworben wurden. Die Proponenten des Identitätseinwandes sind in der Regel der Meinung, die Profiteure der Sklaverei hätten keine Herausgabepflicht, weil diese Pflicht von einem entsprechenden Recht der Empfänger abhinge; und weil sie dieses Recht bestreiten, bestreiten sie auch Pflichten der Profiteure. Dieser Schluss ist aber voreilig. Herausgabepflichten können nach NTV auch unabhängig von konkreten Reparationsansprüchen bestehen. NTV schlägt vor, diejenigen als Empfänger der herauszugebenden Vorteile zu bezeichnen, die in einer moralisch relevanten Beziehung zu den unmittelbaren Opfern stehen. Dies ist der auf einer Herausgabepflicht beruhende Black Reparations Claim. Black Reparations Claim (BRCH): Diejenigen Personen und Organisationen, die nachweislich vom Unrecht der Sklaverei profitiert haben, sind zur Herausgabe des monetären Gegenwartswertes der erlangten Vorteile verpflichtet. Die Zahlungen sollen denen zugute kommen, die in einer moralisch relevanten Beziehung zu den unmittelbaren Opfern stehen (ohne mittelbare Opfer zu sein). (d) Lässt sich von einem Teil der heute lebenden Afroamerikanern sagen, dass sie in einer moralisch relevanten Beziehung zu den unmittelbaren Opfern der Sklaverei stehen? Die Vertreter des Einwands (d) bestreiten 434 Black Reparations dies mit unterschiedlichen Begründungen. (d1) bezweifelt, dass vierzehn Jahrzehnte nach dem Ende der Sklaverei die kausalen Verbindungen zwischen der Lage eines heutigen Individuums und den unmittelbaren Opfern des Unrechts ausreichen, um von «mittelbaren Opfern der Sklaverei» zu sprechen; die heute lebenden Afroamerikaner stehen zudem in keiner Beziehung zu den unmittelbaren Opfern, die rechtfertigen würde, sie als Personen zu betrachten, die «moralisch geeignet sind, die Eigentümerrolle zu übernehmen», wie die Tochter K im obigen Fall (Fall IV2). Im Zeitverlauf lockern sich die kausalen Bindungen zunehmend, und es scheint vielen klar, dass sich dies auch auf die Stärke von Wiedergutmachungsansprüchen auswirken muss. (d1) zieht also nicht die normativen Thesen (NTI-V) in Zweifel, die der Rechtfertigung von BRCH zugrunde gelegt wurden. Angezweifelt wird vielmehr deren Anwendbarkeit auf Fälle, bei denen das fragliche Unrecht bereits viele Generationen zurückliegt. Zuweilen wird dies damit untermauert, dass die im Recht enthaltenen Verjährungsregelungen Ausdruck der Intuition seien, Unrecht vergehe im Laufe der Zeit. Doch ist dies ein Missverständnis. Der juristische Begriff der Verjährung besagt nicht, bei Überschreiten einer bestimmten zeitlichen Schwelle sei das Unrecht nicht mehr als Unrecht zu betrachten. Das Unrecht bleibt auch nach Eintritt der Verjährung Unrecht. Verjährung bedeutet nur, dass der Geschädigte seinen Wiedergutmachungsanspruch rechtlich nicht mehr durchsetzen kann. Durch sie soll die Berechenbarkeit des Rechts gefördert und dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich «die Umstände ändern». Im Sinne der Berechenbarkeit und der Flexibilität des Rechts kann es wünschenswert sein, dass Ansprüche aus Rechtsbrüchen gerichtlich nur für einen definierten Zeitraum durchsetzbar sind. Berechenbarkeit und Flexibilität sind jedoch Gesichtspunkte, die gegen die gerechtfertigten Forderungen der Opfer abgewogen werden müssen. Normative These VI (NTVI): Restitutions- und Kompensationsansprüche vergehen nicht. Sie können allerdings durch die legitimen Erwartungen unschuldiger Dritter oder durch geänderte Umstände entwertet werden. NTVI erklärt, dass lange zurückliegendes Unrecht an Bedeutung verliert, nicht mit dem blossen Verstreichen der Zeit, sondern mit Veränderungen in der «normativen Struktur». Ändert sich die Struktur nicht, so bleiben die Ansprüche vom Verlauf der Zeit unberührt, ähnlich wie staatliche Verpflichtungen.41 Vergleichsweise unkontrovers sind daher zumeist Ansprüche unmittelbarer Nachkommen der direkten Opfer, insbesondere wenn es um die MICHAEL SCHEFCZYK 435 Rückgabe von beweglichen Sachen wie Kunstgegenständen geht. In diese Kategorie fällt beispielsweise das österreichische Bundesgesetz über die «Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen», das Opfern des Nationalsozialismus gilt. Heikler sind Forderungen nach Restitution von Haus- oder Grundbesitz, weil hier in vielen Fällen das Schutzinteresse der unschuldigen Dritten stärker zu gewichten ist; daher wird in der Regel, je länger das Unrecht zurückliegt, der Status der Rückgabeforderung umso schwächer. Fall VI: Die Stämme der Passamaquoddy, der Penobscot und der Maliseet Indianer haben auf Bitte des Generals George Washington die Revolutionsarmee im Unabhängigkeitskrieg unterstützt. Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung 1790 im Indian Nonintercourse Act diese Stämme vor einer unautorisierten Landnahme zu schützen. Die Regierung hat ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht eingehalten und die Stämme verloren zwischen 1794 und 1833 fast ihr gesamtes Land an den Bundesstaat Maine. Das strittige Land umfasst 2/3 der Fläche von Maine; 350 000 Drittparteien sind von dem Disput betroffen.42 Es scheint evident, dass sich hier nicht wie in Fall I entscheiden lässt, bei dem die Mutter von P gutgläubig ein geschenktes Luxusauto in Empfang nimmt. In unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Schenkung hat sie ihren Lebensentwurf nicht darauf aufbauen können, dass sie über den Wagen verfügt. Sie hat daher kein starkes, schützenswertes Interesse an ihm, das in der Lage wäre, den Anspruch der Tochter T zu neutralisieren. Ein derartiges Interesse würde wohl auch bei längerer Dauer der Unrechtslage unter normalen Umständen nicht entstehen. Der Referenzpunkt für die moralische Wahrnehmung der Situation bliebe die Tatsache, dass der Wagen unter moralisch verwerflichen Umständen an Ps Mutter gelangt ist. Im Fall VI ist der Referenzpunkt der moralischen Wahrnehmung ein anderer. Entscheidend ist hier nicht, dass viel Zeit vergangen ist, seit das Unrecht begangen wurde, sondern dass sich die Umstände geändert haben und zu einer Entwertung des ursprünglichen Anspruchs (auf die mit dem Land verbundene traditionelle Lebensform) führen. Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten hat sich zwischen 1790 (4 Mio.) und 1990 (241 Mio.) mehr als versechzigfacht und wächst zurzeit pro Dekade um über 10% (Stand 2000: 281 Mio.). Der globale Bevölkerungsdruck ist keine Konsequenz des an den drei Stämmen verübten Unrechts, verändert aber den Status des Restitutionsanspruchs. Die Forderung nach Wiederherstellung von Bedingungen, unter denen sich die traditionelle, raumgreifende Lebensform wieder beleben liesse, ist nicht zu rechtfertigen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die 436 Black Reparations betroffenen Stämme keine legitimen Wiedergutmachungsansprüche haben könnten. Normative These VII (NTVII): Unschuldige Dritte sind nicht restitutionspflichtig, wenn sie ein gerechtfertigtes, höherrangiges Interesse an dem strittigen Eigentum haben oder die Umstände nicht mehr vorliegen, unter denen der Eigentumsanspruch gerechtfertigt wäre. Was bedeuten die voranstehenden Überlegungen für BRCH? Zunächst einmal ist es richtig, wenn Vertreter von (d1) darauf hinweisen, dass sich der Status von Reparationsforderungen im Zeitverlauf ändern kann. Es ist aber wichtig zu beachten, warum dies so ist. Nicht das Verstreichen der Zeit als solches, sondern sich ändernde gesellschaftliche oder ökonomische Umstände und neu hinzukommende, gerechtfertigte Ansprüche unschuldiger Dritter sind entscheidend. Beides ist aber im Fall von Black Reparations nicht in einer Weise gegeben, dass BRCH zurückgewiesen werden müsste. (d2) Wiedergutmachungsansprüche erlöschen, wenn die verpflichtete Partei den moralischen Fehler anerkannt und die entsprechende materielle Leistung erbracht hat. Gegner von Black Reparations argumentieren, die erhobenen Forderungen seien illegitim, weil die Schuld bereits beglichen wurde. Was an Wiedergutmachung gegebenenfalls zu leisten gewesen wäre, ist im Rahmen von Affirmative-Action-Programmen bereits geleistet worden. Daher stellt BRCH eine inakzeptable, ungerechte Forderung dar (Ungerechtigkeitseinwand). Horowitz hat zudem die Frage aufgeworfen, ob nicht der Umstand berücksichtigt werden müsse, «that 350.000 Union soldiers [...] died to free the slaves.» Zunächst zu dem von Horowitz aufgebrachten Punkt: Der hohe Blutzoll, der für die Beendigung der Sklaverei entrichtet werden musste, rechtfertigt sicherlich, die Nachfahren der Gefallenen (sofern sie sich bestimmen lassen) von Reparationspflichten auszunehmen; möglicherweise ist es sogar geboten, sie ihrerseits zu entschädigen. Es will aber nicht einleuchten, dass der hohe Preis, der für die Beendigung von Unrecht zu bezahlen war, als Kompensation der Opfer gelten kann. Das andere Argument ist hingegen nicht von der Hand zu weisen. Es wäre völlig unangemessen, bei einer Forderung wie BRCH ausser Acht zu lassen, dass die amerikanische Gesellschaft bereits erhebliche Anstrengungen zur Wiedergutmachung historischen Unrechts an der afroamerikanischen Bevölkerung unternommen hat. Bereits die in den Siebzigerjahren intensiv geführte Debatte um die Legitimität der Affirmative-Action-Programme stand im Zeichen des Reparationsgedankens.43 Ob mit diesen die Schuld MICHAEL SCHEFCZYK 437 beglichen worden ist, lässt sich nur bestimmen, wenn konkrete Forderungen präsentiert und entsprechend mit dem bereits Geleisteten verrechnet werden können. Charles Krauthammer hat diesen Konnex explizit hergestellt und seine Unterstützung von Black Reparations von der Einstellung aller Affirmative-Action-Programme abhängig gemacht. Sein Vorschlag ist von Interessenvertretern der afroamerikanischen Bevölkerung als konservatives Komplott abgetan worden. Es lässt sich aber – wie gesagt – nicht von der Hand weisen, dass bei Forderungen, die auf dem Gedanken wiedergutmachender Gerechtigkeit beruhen, geprüft werden muss, ob eine Schuld überhaupt noch besteht. Über deren Höhe werden – wie immer – vernünftige Meinungsverschiedenheiten möglich sein; die Weigerung, Reparationen und Förderprogramme im Kontext zu sehen und ihre Leistungen zu verrechnen, ist aber unseriös, wenn corrective justice eingeklagt wird.44 Krauthammers Vorschlag, jedem «afroamerikanischen Haushalt» $ 50 000 zuzusprechen mag ad hoc sein. Möglicherweise kommen genauere Untersuchungen der Frage, «What America Owes to Blacks» zu anderen Werten. Die Grundidee bleibt – aus den erläuterten Gründen – richtig. Hinzukommt, dass sich der Gedanke, laufende Transferprogramme durch einmalige Zahlungen zu ersetzen, in Beziehung setzen lässt zu einem der interessantesten Vorstösse der sozialpolitischen Debatte in den letzten Jahren, Ackerman und Alstotts «The Stakeholder Society». «As a citizen of the United States, each American is entitled to a stake in his country: a one time grant of eighty thousand dollars as he reaches early adulthood. This stake will be financed by an annual 2 percent tax levied on all the nation’s wealth.»45 Es wäre denkbar, Black Reparations in ein solches Programm, das an die Stelle des wohlfahrtsstaatlichen Transfersystems treten soll, zu integrieren. Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 Zitiert nach Timmins 1995, S. 92. Boxill 1972, Bittker 1972, Nozick 1974, McGray 1978, Andelson 1978, 1979, Rohatyn 1979. Boxill 1972, S. 120. «Is there a way out of this cul-de-sac? A way to recognize the debt of the past without poisoning the present and future? There is. Reparations. [...] In the American case, one can make both a symbolic gesture and a real one by giving, say, every African-American family a substantial sum in the tens of thousands. For example, $50,000 per family of four would cost about $440 billion [rund € 440 Mrd.] – a considerable sum but manageable. (It amounts to about one-thirteenth of the projected 10-year surplus.)» (Krauthammer 2001) Robinson 2000, S. 298. Joyce 1999, S. 159. Bei den Tuskegee-Experimenten waren Personen ohne ihr Wissen mit Syphilis infiziert worden, um verschiedene Krankheitsverläufe zu beobachten. 438 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 Black Reparations Posner und Vermeule 2003, S. 696. Ashford 2002. Higginbotham 2003, S. 450. In diesem Sinne äußert sich der Politologieprofessor Edward Erler: «The Civil War, Lincoln believed, was fought to vindicate the central principle of the Founding that ‹all men are created equal› and that the ‹just powers› of government are based on the consent of the governed. The northern victory preserved the principles of the Declaration and the Reconstruction Amendments extended citizenship and civil and political rights to the newly freed slaves. The equal protection clause of the fourteenth amendment secures the equal protection of equal rights of all citizens, regardless of race or ethnicity.» (Erler 2002) Dies ist ein verbreitetes Argument und findet sich beispielsweise bei Horowitz 2002. Bittker 1973/2003, S. 13. «Applied to segregation, this approach would suggest the payment of compensation for stateprescribed segregation in public schools and other public facilities. Compensation for violations of the ‹separate but equal› doctrine is even more consonant with tradition, since these violations were legally wrong even when commited.» (Bittker 1973/2003, S. 136) Gegen diese Anschauung hat Jules Coleman verschiedentlich argumentiert. Ihm zufolge dient kompensatorische Gerechtigkeit der Wiederherstellung eines bestimmten Verteilungsmusters und ist kein besonderes moralisches Verhältnis. Coleman 1994a, 1994b. Kritisch gegenüber einer solchen Position: Gaus 1991, Lomasky 1991. Boxill 1972. Nozick 1974, S. 57. Dies dürfte auch der Rechtslage entsprechen. Für meine Überlegungen hängt aber nichts davon ab, ob dies tatsächlich der Fall ist, da es hier um die moralischen Wiedergutmachungsansprüche geht, die gegebenenfalls rechtliche Form haben oder annehmen können. «The two great waves of American immigration occurred after 1880 and then after 1960. What logic would require Vietnamese boat people, Russian refuseniks, Iranian refugees, Armenian victims of the Turkish persecution, Jews, Mexicans, Greeks, or Polish, Hungarian, Cambodian and Korean victims of communism, to pay reparations to American blacks?» (Horowitz 2002, S. 13) BGH, Az.: III ZR 245/98. Der Indian Nonintercourse Act von 1790 sieht vor, dass die Übereignung von indianischem Grundbesitz durch den Bund genehmigt werden müsse. Verstöße gegen dieses Gesetz bildeten die Grundlage für Restitutionsansprüche indianischer Stämme. Siehe: Lyons 1977. zitiert nach Parker 2000, ähnlich äußert sich Sowell in Sowell 2002. zitiert nach Bittker 1973/2003, S. 5. zitiert nach Bittker 1973/2003, S. 10. Anonymus 2002. «These, the whole point is to alter those antecedent distributions that compensatory justice is at such pains to recreate. The two notions seem unalterably at odds. Compensation strives to preserve what redistribution strives to change. Redistribution alters what compensation seeks to preserve.» (Goodin 1991, S. 143) Coleman 1994, S. 124. Kongressabgeordneter Henry Hyde, zitiert nach Fullinwider 2003. Entsprechend müssen die Advokaten von Black Reparations zeigen: «In order to argue that the total white community owes the total black community reparations, we must present an argument that shows how all whites, even recent immigrants benefitted from slavery and how all blacks felt its damaging effects.» (McGray 1978, S. 253) Boxill spricht von den «products of labor»; es scheint sinnvoller, davon auszugehen, dass nicht der Geldwert des Arbeitsproduktes, sondern der Arbeitslohn geschuldet wird. Boxill 1972, S. 120. Boxill 1972, S. 120. MICHAEL SCHEFCZYK 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 439 Sklaverei und Sklavenhandel ist zwar sicherlich ein kausaler Faktor im Leben von Schwarzen, die beispielsweise nach 1865 aus der Karibik in die Vereinigten Staaten kamen; doch wäre es unbillig, hierfür von der amerikanischen Bevölkerung Reparationen zu fordern. Jacoby 2001. Jacoby 2001. Thomson 1971/1986. Frankel Paul 1991, S. 119. Sher 1979/1997, Morris 1984, Fishkin 1991. «The notion of compensation, as commonly employed, simply presumes some variation of an identity-specific conception of interests. X is fully compensated for event E when X is as well off as X would have been, had E not occurred. [...] The trouble is that we cannot employ this notion of compensation to correct injustices from a past generation, because the required state of affairs would entail the non-existence of those who would have to be compensated.» (Fishkin 1991, S. 91) Kershnar 1999, S. 95. In diesem Sinne äußert sich auch Janna Thompson: «Commitments of nations are perpetual. There is no temporal limitation to their scope. Nevertheless, they do not last for ever. Conditions change.» (Thompson 2002, S. 71) Hill 2002, S. 412. Thomson 1971/1986, Bayles 1973, Cowan 1972, Shiner 1973, Taylor 1973, Nickel 1974, Nunn 1974, Boxill 1978, Wade 1978. Unberührt bleibt davon die Möglichkeit, Boni bei der Auswahl von Studierenden und Ähnliches damit zu legitimieren, dass andere Ziele als Gerechtigkeit verfolgt werden, beispielsweise diversity. Vielfältigkeit scheint der Gerechtigkeit ohnehin den Rang der wichtigsten Rechtfertigung für Affirmative Actions an Universitäten abgelaufen zu haben. Ackerman und Alstott 1999, S. 4. Bibliographie Ackerman, Bruce und Alstott, Anne 1999, The Stakeholder Society, Yale: Yale University Press Andelson, Robert 1978, «Black Reparations. A Study in Gray», in: Personalist Nr. 59, S. 173-183 Andelson, Robert 1979, «Reply to Professor Rohatyn», in: Personalist Nr. 60, S. 438-441 Anonymus 2002, «Tickets for Back-to-Africa», in: www.nationalist.org/alt/2002/ aug/reparations.html Ashford, Shannon 2002, The Reparations Debate: Should Black Americans Receive Slavery Reparations?, EDGE Lecture Series Bayles, Michael 1973, «Reparations to Wronged Groups», in: Analysis Nr. 33, S. 182-184 Bittker, Boris 1973/2003, The Case for Black Reparations, Boston: Beacon Press Boxill, Bernard 1972, «The Morality of Reparation», in: Social Theory and Practice Nr. 2, S. 113-123 Boxill, Bernard 1978, «The Morality of Preferential Hiring», in: Philosophy & Public Affairs Nr. 7, S. 246-268 Chapman, John W. 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