über eine euklid-bearbeitung, die dem albertus magnus

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über eine euklid-bearbeitung, die dem albertus magnus
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ÜBER EINE EUKLID-BEARBEITUNG, DIE DEM
ALBERTUS MAGNUS ZUGESCHRIEBEN WIRD
Von J . E. H O F M A N N
Im Frühjahr 1944 konnte ich dank der Liebenswürdigkeit des Herausgebers der Werke des Albertus Magnus[1]f, Prälat Prof. B. Geyer,
eine wenige Wochen später bei der damaligen Preußischen Akademie
der Wissenschaften eingereichte Abhandlung[2] einsehen, die im Herbst
1944 in Satz ging, jedoch wegen Zerstörung des Druckmaterials während
der letzten Kriegshandlungen nicht zur Ausgabe gelangte. In dieser
sehr interessanten Studie, die nunmehr in revidierter Form[3] unmittelbar
vor der Veröffentlichung steht, berichtet Herr Geyer über eine schön
geschriebene lateinische Handschrift des XIII. JahrhundertsC4], die
sich in Wien befindet und gemäß einer Notiz des Rubricators[5] am
oberen Rand des ersten Blattes als Werk eines Albertus anzusehen ist.
Der Fundort macht es von vorne herein wahrscheinlich, daß es sich
um einen D o m i n i k a n e r handelt, und zwar um A l b e r t u s Magnus.
Tatsächlich findet sich in den beiden alten Katalogen, worin die den
Zeitgenossen bekannten Schriften des großen Mannes aufgeführt werden,
ein diesbezüglicher HinweisC6]. In seiner Abhandlung führt Herr Geyer
Stellen aus der Paraphrase zur Aristotelischen Physik und aus der
Schrift De sensu et sensato an, in denen Albertus die Absicht bekundet,
eine Geometrie zu schreiben. Weitere Stellen—sie wurden mir freundlicherweise durch Herrn Geyer übermittelt—zeigen volle Vertrautheit
mit dem Inhalt der Euklidischen Elemente. Ich erwähne einen Hinweis
auf Elemente I, 32 (Satz vom Außenwinkel und der Winkelsumme im
Dreieck)[7], auf die Größenlehre in Buch V[8], auf die Definition der
Einheit zu Beginn von Buch VII[9], auf die Lehre vom Kommensurablen
und Inkommensurablen in Buch X[10], auf die Behandlung der fünf
regelmäßigen Körper in Buch XIII [11] und auf das 'von Assicolaus'
verfaßte Buch XV (es stammt von einem Schüler des Isidoros, vielleicht
von Damaskios)[12].
Schließlich gibt es in späteren Schriften des Albertus auch direkte
Hinweise auf die Geometrie. Erwähnt wird unter Bezugnahme auf
Elemente III, 15-16 der Berührpunkt der Kreistangente[13], ohne genaue
Stellenangabe (gemeint ist Elemente X, 117) die Inkommensurahüität
der Quadratdiagonale hinsichtlich der Seite vermittels des Gegensatzes
f Anmerkungen : S. 562 ff.
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von gerade und ungerade und schließlich unter Hinweis auf Elemente
II, 14 eine Bemerkimg über die Verwandlung eines Rechtecks in ein
flächengleiches Quadrat1-153. Sie findet sich sinngleich in der Wiener
Handschrift als Zusatz unter Bezugnahme auf Aristoteles, De anima
Aus dem Bisherigen geht eindeutig hervor, daß das Wiener Manuskript eine echte Schrift des Albertus enthält. Leider ist sie nicht
vollständig; vielmehr reicht sie nur bis zu Buch IV der Elemente-, wo
sich der Rest befindet, ist zur Zeit noch unbekannt.
Ursprünglich war verabredet, daß der verdienstvolle Bonner Mathematiker E. Bessel-Hagen, ein ausgezeichneter Kenner der Mathematikgeschichte, die Herausgabe der Wiener Handschrift übernehmen
sollte. Der unter so betrüblichen Umständen eingetretene Tod des
hochgeschätzten Mannes hat veranlaßt, daß ich die Edition übernommen habe. Meine Frau hat die Handschrift entziffert. Was ich im
folgenden über Eigenart, Charakter und Inhalt des Manuskriptes vorbringe, stützt sich größtenteils auf ihre sehr sorgfältigen Editionsvorbereitungen.
Es handelt sich um eine kommentierte Euklid-Ausgabe, im wesentlichen auf lateinischen Übersetzungen arabischer Fassungen beruhend.
Albertus erweist sich wie in seinen sonstigen Schriften so auch hier als
ein außerordentlich belesener Berichterstatter, der jeder Einzelfrage
sorgfältig nachgeht, Gewährsleute nennt, gelegentlich auch eigene
Zusätze beifügt und in Zweifelsfällen mit kritischen Bemerkungen
nicht zurückhält. Die Wortlaute der einzelnen Euklidischen Definitionen,
Postulate und Axiome und der nachfolgenden Sätze stimmen größtenteils mit jenen der von Campanus überarbeiteten Übersetzung des
Adelhard von Bath überein[17]; die Beweise sind fast durchwegs in
abweichender Fassung ausgeführt, deren Vorlage noch nicht genau
feststeht. Daß Albertus die Übersetzungen des Boëtius und des Adelhard gekannt hat, geht aus einer kritischen Bemerkung zu I, 5—der
elefuga der wissenschaftlich nicht AnsprechbarenE18]—hervorE19]. Den
Wortlaut von I, 6 gibt Albertus 'nach verschiedenen Codices ' in viererlei
Fassungen wieder[20]. E i n Name fehlt—nämlich Campanus—und das
wohl mit gutem Grund: dessen Bearbeitung der Adelhardschen Übersetzung dürfte erst n a c h der des Albertus entstanden sein, die wohl
in der Zeit zwischen 1262 und 1265 niedergeschrieben wurde—in Italien
vielleicht, wo sich Albertus längere Zeit am Hofe Urbans IV. aufgehalten haben dürfte, zusammen mit Thomas von Aquin, Wilhelm von
Moerbeke und CampanusC21].
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Was uns die Geometrie des Albertus interessant macht, ist freilich
nicht die Wiedergabe der Euklidischen Texte selbst, sondern die Fülle
der zugehörigen Erläuterungen aus arabischen Quellen. Erwähnt wird
Alfârâbî, auf den sich Albertus auch in philosophischen Fragen so
häufig bezieht[22], und zwar im Vorwort, auf das ich unten näher
eingehen werde[23], und bei Erwähnung der Definition des Punktes[24]
und der EbeneC25] und bei Aufzählung der verschiedenen Arten von
ViereckenE26]. Auf weitere arabische Kommentare bezieht sich Albertus
an mehreren Stellen; diese Stellen finden sich fast wörtlich wieder im
Euklid-Kommentar des Annairîzî, den wir bisher nur in der Übersetzung
des Gerhard von Cremona kannten[27]. Es handelt sich um die Definition
der geraden Linie[28], der EbeneC29] und des Winkels[30], ferner um den
Begriff des Inventum (gemeint ist das griechische 7rd/Hcrju,a)C31]. Bei
Besprechung von IV, 4 taucht schließlich auch der Name Anarizus auf.
Es handelt sich um die von Annairîzî hinzugefügte Diskussion der
gestaltlich verschiedenen Fälle bei der Konstruktion des Umkreises
um ein Dreieck[32].
Fast alles weitere, was Albertus an mathematischen Erläuterungen
vorbringt, gleicht der Gerhardschen Übersetzung des Annairîzî, jedoch
nur dem Sinne nach; wörtliche Übereinstimmung ist selten vorhanden.
Zumeist ist Gerhard etwas ausführlicher, gelegentlieh auch Albertus.
Wir lesen von den zahlreichen Beiträgen des Heron (anfangs als Hermydes, später ausschließlich als Yrinus bezeichnet) zu den Definitionen,
Axiomen und Postulaten Euklids[33] und von den interessanten Ergänzungen zum Satzgefüge und zur Beweistechnik, vor allem von Herons
Versuch, die bei Euklid so häufig auftretende indirekte Schlußweise
nach Möglichkeit zu vermeiden und die schleppenden geometrischen
Beweise durch Verwendung algebraischer Elemente zu verkürzen.
Manche neue Einzelheit wird dabei bekannt; des öftern sind Ergänzungen, die Gerhard nach Annairîzî schlechthin als Z u s ä t z e a n d e r e r
bezeichnet, genauer präzisiert.
Seltener sind die dem Simplikios (als Sambelichios bezeichnet)
zugeschriebenen Beiträge; neu ist z. B. die Zuweisung einer Definition
für die Ebene[34]. Daß Simplikios bei Albertus als Autor eines mißlungenen Beweisversuches für das Parallelenpostulat bezeichnet wird,
ist wohl ein Irrtum; nach Annairîzî[35] ist Geminos der Urheber, Simplikios der Berichterstatter, der das Unzutreffende des Vorgebrachten
recht wohl erkennt[36].
Auch Geminos (als Aganyz bezeichnet) wird erwähnt, und zwar vor
allem im Zusammenhang mit Fragen, die das Parallelenpostulat und
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seine Folgerungen betreffen . Auf Piaton wird im Zusammenhang
mit der Definition des PunktesC38] und der GeradenC39] verwiesen, auf
Archimedes (als Assamites bezeichnet) wegen der wohlbekannten
Minimaldefinition der Geraden[40], auf Apollonios wegen der Winkeldefinition[41], auf Poseidonios (als Aposedonius bezeichnet) wegen einer
Punktdefinitiont42] und auf Tâbit ben Qurrah (als Thabit Benchorat
bezeichnet) wegen des so anschauliehen, gewöhnlich als 'Stuhl der
Braut ' bezeichneten algebraischen Beweises für den Pythagoreischen
LehrsatzC43]. Bei dieser Gelegenheit bemerkt Albertus—vermutlieh
handelt es sich um eine eigene Zutat—, man könne leicht vermittels
eingefügter Halbkreise konstruieren (Abb. 1 deutet das an), gibt jedoch
leider keine Figur dazu.
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Fig. 1
Nun steht freilich für Albertus nicht das Fachmathematische im
Vordergrund, vielmehr einerseits das Philosophische, andererseits das
Enzyklopädische; geht es ihm doch darum, den Zeitgenossen einen
Überblick über alles wissenschaftlich Bedeutsame zu vermitteln, und
das vorzugsweise unter philosophisch-theologischem Aspekt. Diese
Tendenz zeigt sich besonders deutlich in der E i n l e i t u n g , die übrigens
vom Autor nicht eigens als solche gekennzeichnet ist[44]. Zu Anfang
handelt es sich um die Begriffsbestimmung der Mathematik, innerhalb
deren nach den allgemeinen Lehren der Pythagoreer die quantitas discreta
Gegenstand der Arithmetik (in bezug auf die ganzen Zahlen) beziehungsweise der Musik (in bezug auf deren Verhältnisse) ist; die quantitas continua hingegen ist Gegenstand der Geometrie (in bezug auf
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unbewegliche Figuren) beziehungsweise der Astrologie (in bezug auf
Kreisbewegungen). Hier wird im Text auf Aristoteles verwiesen; die
Wortlaute beziehen sich auf Metaphysica I, 1, 2, 6 und zeigen deutliehe
Verwandtschaft mit entsprechenden Stellen in des Albertus zugehöriger
Paraphrase. Als Erfinder der Geometrie werden, wie üblich, die Ägypter
bezeichnet[45]; dann folgt die hübsche Erzählung von Aristipp dem
Sokratiker, der bei einem Schiffbruch an unbekanntem Strand (es war
der von Rhodos) aus geometrischen Figuren im Sand auf die Existenz
freundlicher Menschen schloß[46].
Unter Bezugnahme auf den schon oben erwähnten Kommentar des
Alfârâbî zu Euklidischen SätzenC23] werden Linie, Fläche und Körper
als die Grundelemente des Kontinuums bezeichnet, von denen die
Geometrie handelt. Anschließend spricht Albertus von der 'Erzeugung'
der Geraden durch Bewegung (motus simplex secundum formam); im
Gegensatz hierzu habe die Kreisbewegung zwei Formen (Konvexität
und Konkavität) und sei daher nicht einfach. Einfach sei auch die
punktweise Bewegung einer Geraden in sich selbst (Verlängern einer
Strecke). Auf jede andere Weise entstehe ein Gebilde mit Länge und
Breite usw. Anschließend ist auch von der Teilbarkeit der Grundelemente
des Kontinuums die Rede, wobei die geometrischen Gebilde als reguläres, die Formen der Lebewesen als irreguläres und damit einer genauen
Verhältnisbestimmung entzogen bezeichnet werden.
Mit einem abschließenden SatzC47] beendet Albertus diese seine
symbolisch-metaphysischen Erörterungen und wendet sich zur eingehenden Diskussion der Euklidischen Definitionen in Buch I der Elemente.
Als gewissenhafter Berichterstatter zählt er die ihm bekannt gewordenen Lehrmeinungen auf, wobei auch Stellen aus nicht eigens erwähnten Autoren durchzufühlen sind[483 und der wohlerfahrene Verfasser
auch seine eigene Meinung deutlieh zu Gehör bringtC49]. Gelegentlich
freilich kommen auch mathematische Ungereimtheiten vor; so findet
sich in einer Ergänzung zu Definition 17 (Kreisdurchmesser), woselbst
bewiesen wird, daß der Durchmesser die Kreisfläche halbiert, eine sinnstörende Diskrepanz zwischen Text und Figur[50].
Auch Worterklärungen treten auf, vor allem bei Übernahme arabischer Fachbezeichnungen ; sie haben für die Abhängigkeit von bestimmten Übersetzern große Bedeutung und seien daher eigens aufgezählt[51].
Zunächst erwähne ich elmuhaym = al-mu'ayyia (Raute beziehungsweise
Rhomboid) und elymharifa = al-munharif (Trapez)[52], ferner meguar =
al-mihwar (Achse)[53], muchephy = al-murabba% (Viereck)[54], elgyther =
al-qutr (Durchmesser)C55] und schließlich dulcarnon = du'l-qarnain (zwei-
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gehörnt) als Fachausdruck für den Pythagoreischen Lehrsatz . Interressant ist außerdem die Bemerkung zum Parallelenpostulat: Albertus
weist auf die aus anderer Quelle wohlbekannten Ausführungen des
Ptolemaios[57] hin und fügt hinzu, das Ganze befinde sich in dessen
liber theorematum[58].
Nach Aufzählung von acht Axiomen[59], von denen sich nach Albertus
in den ältesten Schriften nur die ersten drei vorfinden[60], folgen zusätzliche Axiome, von denen zwei auch bei Adelhard-Campanus auftreten,
jedoch dort in etwas abweichender und weniger geschickter Fassung.
Erst nach längeren vorbereitenden Begriffsbestimmungen[61] wendet
sich Albertus zum eigentlichen Thema, dem Satzgefüge.
Auch hier stimmt der Aufbau mit Adelhard-Campanus überein, die
Kommentierung mit Annairîzî-Gerhard, jedoch zeigen sich wiederum
im Wortlaut der Beweise und Erläuterungen erhebliche Abweichungen.
Die Figuren sind nicht immer sorgfältig genug konstruiert und häufig
zu speziell angelegt; das führt gelegentlich zu Mißverständnissen^23.
Der Text der Vorlagen ist im allgemeinen sorgfältig kopiert; nur an
einigen wenigen Stellen, die jedoch nicht unbedingt dem Schreiber zur
Last fallen müssen, sind Zeilensprünge nachweisbar, die auch nicht
durch Vergleich mit Annairîzî textlieh behoben werden können. Ein
interessanter Fall liegt bei der Kommentierung von III, 13 vor (Gleichlange Kreissehnen stehen gleichweit vom Mittelpunkt ab ; Sehnen gleicher
Entfernung vom Mittelpunkt sind gleichlang). Hier bemerkt Heron
ergänzend, der Mittelpunkt Hege (zwischen' den beiden Sehnen (d. h.
nicht in den kleineren Segmenten, die von den Sehnen mit dem Kreis
erzeugt werden, und auf der einen Winkelhalbierenden des durch die
Trägergeraden der beiden Sehnen erzeugten Winkels). Den Beweis für
gleichlange parallele Sehnen gibt Albertus getreulich nach seiner Vorlage wieder[63]; den nachfolgenden für nicht parallele Sehnen schreibt
er ebenfalls ab[64], nimmt jedoch an dem Umstand Anstoß, daß Heron
zum Beweis den späteren Satz III, 20 (vom Umfangswinkel) heranzieht,
streicht das Ganze durch und begründet sein Verfahren mit dem Zusatz:
Et est non multum Valens haec. Dieses Vorgehen spricht sehr für die
von Herrn Geyer[3] außerdem auch auf Grund des Schriftbildes und
einer Reihe von Schreibeigentümlichkeiten vertretene Meinung, es
handle sich bei der Wiener Handschrift um ein A u t o g r a p h .
Größere Abweichungen von Campanus im Wortlaut der Sätze finden
sich im ersten Buch bei 4, 5, 24, 25, 26 und 40, im zweiten Buch bei 12
und 13 und im dritten Buch bei 30. Jedesmal handelt es sich um ziemlich umfangreiche Sätze mit Nebensatzkonstruktionen. Auf Grund
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dieser Tatsache wird es vielleicht möglieh sein, die wirklich benutzten
Vorlagen zu ermitteln.
Zu I, 16 (Im Dreieck ist ein Außenwinkel größer als jeder Gegeninnenwinkel) macht Albertus nicht die allgemeine, sondern eine spezielle
Figur, nämlich ein gleichseitiges Dreieck, und verwendet unerlaubterweise deren Eigenschaften auch beim Beweis. An diese Figur anknüpfend, behauptet er auf Grund eines unzulässigen Zirkelschlusses, der
Außenwinkel sei sogar gleich der Summe der beiden Gegeninnenwinkel
und die Winkelsumme im Dreieck betrage also zwei Rechte. Folglieh
sei auf diesem Wege I, 32 (Satz vom Außenwinkel und von der Winkelsumme im Dreieck) erwiesen, und das ohne Verwendung des Parallelenpostulats, und es sei seltsam genug, daß weder Heron noch Geminos
noch ein anderer auf diesen beachtlichen Sachverhalt gestoßen sei.
Hier hat eine handgreifliche Figur zu einem unzureichenden Beweisverfahren verführt.
An anderen Stellen finden sich sehr hervorzuhebende Bemerkungen.
So ist es etwa im Fall von I, 24 (In Dreiecken mit zwei entsprechend
gleichen Seiten Hegt dem größeren Zwischenwinkel die größere Gegenseite gegenüber). Hier ersetzt Albertus (vieHeicht im Anschluß an seine
Vorlage) den indirekten Beweis EukHds durch einen direkten[65], der
sich als vortreffliches Gegenstück neben den von Annairîzî gegebenen[66]
steHt. Natürfieh weiß Albertus von der heftigen Kritik, die Euklids
Beweis für I, 29 (Zwei paraUele Gerade werden von einer dritten in
gleichen Wechselwinkeln geschnitten, usw.) schon in der Antike gefunden
hat. Er führt einen obenE54] erwähnten Beweisversuch des ApoHonios
und den in [36] und [37] berührten des Geminos vor und fügt einen eigenen
hinzu, der sich auf seinen unrichtig bewiesenen Zusatz zu I, 16 stützt.
Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen weicht Albertus immer
weniger von den Gedankengängen bei EukHd beziehungsweise Annairîzî
ab. Hübsch ist die wahrscheinlich selbständige Umgestaltung, die er
der Beweisfigur zu II, 8 gibt—jenem Satz, der in moderner Umschrift
durch (2a + 6)2 = éa(a + b) + b2 wiedergegeben werden könnte (Fig. 2).
Interessant ist auch die Vorüberlegung, die Albertus dem Beweis für
III, 10 (Kreise schneiden sich nur in zwei Punkten) vorausschickt: aus
der Vorstellung (secundum imaginationem) gehe hervor, daß sich zwei
Kreise auf keinen FaU in einer u n g e r a d e n Anzahl von Punkten durchschneiden könnten. Hierin steckt eine Anwendung des Zwischenw e r t s a t z e s , der schon seit den Zeiten der Sophisten (Zenon von Elea)
so heftig angegriffen wurde—eine Diskussion, die in der Ergänzung des
Albertus zum Kontingenzwinkelsatz III, 15 ihren interessanten Nie-
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f
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derschlag findet. Für die fragHche SteHe gibt es bei Annairîzî nichts
Entsprechendes, wohl aber bei Adelhard-Campanus[68].
Ich habe hier einige Einzelheiten aus der Geometrie des Albertus
gegeben, die mir vom Standpunkt der Wissenschaftsgeschichte aus
aufschlußreich zu sein scheinen. Zusammenfassend möchte ich sagen,
daß wir Albertus als einen auch auf fachmathematischem Gebiet sehr
wohlunterrichteten Gelehrten anzusehen haben. Daß ihm gelegentHch
Fehler unterlaufen, ist für den größeren Zusammenhang von geringer
Bedeutung gegenüber der FüHe des gesicherten Wissens, das Albertus
sowohl an mathematischen Einzelheiten wie an entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhängen besitzt—ein Wissen freüich, das bedauerHcherweise nicht auf die nachfolgenden Forschergenerationen weitergewirkt
hat. Leider ist das Manuskript nicht voUständig. Das geht—abgesehen
von den oben erwähnten Selbstzitaten auf die späteren Teile—auch
daraus hervor, daß das letzte der vorgeführten Probleme, nämHch IV, 16
vom regelmäßigen Fünfzehneck, nur unvoUständig behandelt ist; es
fehlt der dritte Teil und das Explizit, das sonst am Ende eines jeden
größeren Abschnittes zu finden ist.
Hier noch ein Wort zur Jordanus-Frage. Auf Grund der AlbertusGeometrie muß in Zukunft darauf verzichtet werden, Jordanus Nemorarius mit dem zweiten Dominikaner-General Jordanus Saxo
(f 1237) zu identifizieren, der bekanntHch Albertus 1223 für seinen
Orden gewonnen hat[69]. Wäre der Mathematiker Jordanus der Dominikaner, dann müßte mit Sicherheit angenommen werden, daß Albertus
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TP
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über die eigentümlichen Definitionen in De triangulism] etwas zu sagen
hätte. Dem ist aber n i c h t so; Albertus nennt weder den Namen Jordanus noch führt er auch nur eine dieser Definitionen an. Daraus ist
zu schließen, daß Albertus von dem Mathematiker Jordanus nichts
wußte und daß dieser auf keinen FaU der Dominikaner sein kann. Dies
stimmt auch gut zusammen mit dem Charakter der Jordanischen
Schriften, die nach Aufbau und Inhalt viel besser in die zweite Hälfte
des 13. Jahrhunderts passen als in die erste.
SchHeßHch noch zu Campanus! Daß auch sein Name bei Albertus
fehlt, lehrt uns, daß die Revision der Adelhardschen EukHd-Übersetzung
noch nicht abgeschlossen, wahrscheinHch noch gar nicht begonnen war.
Diese Übersetzung jedoch, beschränkt auf das, was man damals für
echt Euklidisch hielt, mit nur wenigen kommentierenden Bemerkungen
behaftet, verdankt ihre Entstehung mit Sicherheit jener Bewegung,
die sich auf jedem Gebiet bemühte, die echten griechischen Texte aus
der Verkleidung überwuchernder Nebenbemerkungen herauszulösen.
Mag das damals noch nicht in jenem Maße gelungen sein, wie es in späterer
Zeit erreicht wurde—-fest steht doch, daß erst mit Campanus die eigentHche Neubelebung der mathematischen Wissenschaften im lateinischen
Mittelalter einsetzt, und daß sein Bemühen erfolgreich noch bis zu
Clavius und weit darüber hinaus spürbar ist. Aber durch diesen 'bestseUer ' ist auch vieles WertvoHe in den Hintergrund geschoben worden
und schHeßHch in Vergessenheit geraten, und dazu gehört leider auch
die Albertus-Geometrie, die unser heutiges Wissen über viele Einzelfragen der Antike und auch der mittelalterHchen Mathematik wesentHch
bereichert.
ANMERKUNGEN
[1] Opera omnia, Münster seit 1951, Aschendorff.
[2] B . Geyer, Die mathematischen Schriften des Albertus Magnus.
[3] B . Geyer, Die mathematischen Schriften des Albertus Magnus, Angelieum 35, 159175 (1958).
[4] Wien, Dominikaner-Bibliothek, cod. 80/45, fol. 105 v -145 r (s. X I I I ) .
[5] Primus Euclidis cum commento Alberti.
[6] I m Katalog des Heinrich von Herford: . . .[scripsit] expositiones Euclidis, perspectivae et Almagesti... ; im Stanser Katalog: Item exposuit Euclidem,
perspectivam
almagesti [sie/] et quosdam alios mathematicos.
[7] I n der Physik-Paraphrase I, 2, trac. 3 ; in der 38-bändigen Gesamtausgabe von
A. Borgnet, Paris 1890-99 (zukünftig zitiert als AB) I I I , S. 174.
[8] Paraphrase zu De anima I, 2, tract. 1, cap. 5 (AB V, S. 200a-201b).
[9] Paraphrase zur Metaphysik (AB VI, S. 62b).
[10] Paraphrase zur Metaphysik (AB VI, S. 27a); außerdem Liber de indivisibilibus
(AB I I I , S. 465 b, 466 a, 470 a, 471). Dieses Werk schließt sich an die Pseudo-Aristotelische
Schrift De lineis insecabilibus an, die vielleicht von Theophrast, dem Nachfolger des
Aristoteles in der Leitung der peripatetischen Schule, stammt.
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[11] Paraphrase zur Metaphysik (AB VI, S. 84a).
[12] Paraphrase zu De caelo et mundo I, 3, tract. 1, cap. 3 (AB IV, S. 243b).
[13] Paraphrase zur Metaphysik (AB VI, S. 148a) : . . . cum tarnen, sicut in XV et XVI
tertii Geometriae nostrae determinatum est, linea contingent non nisi secundum punctum
contingat ipsum [ = circulum].
[14] Paraphrase zur Metaphysik (AB VI, 36a) : Hoc autem a nobis jam in geometricis
est demonstratum.
115] Paraphrase zur Metaphysik (AB VI, S. 142b).
[16] Opera, ed. I . Bekker, S. 413a, 13-20.
[17] Erstdruck Venedig 1482, besorgt von E . Katdolt. Dieser und die zahlreichen
Nachdrucke stimmen mit den zahllosen mittelalterlichen Handschriften des Campanus
größtenteils bis auf unwesentliche Textvarianten überein, enthalten jedoch einige kennzeichnende Zusätze, wie etwa die Dreiteilung des Winkels durch Einschiebung am Ende
des IV. Buches. Über die Beziehung zwischen Adelhard und Campanus vergleiche
H . Weissenborn : ' Die Übersetzungen des Euklid aus dem Arabischen in das Lateinische
durch Adelhard von B a t h etc.', Z. Math. Physik, 25 (1880), hist.-lit. Abt., S. 143-166.
Weiteres wertvolles Material über die Adelhardsche Übersetzung und ihre drei Fassungen
bringt M. Clagett : ' The Medieval Latin Translations from the Arabic of the Elements
of Euclid, with Special Emphasis on the Versions of Adelard of B a t h ' , Isis, 44 (1953),
Nr. 135-136, S. 16-42. Darnach ist die Vorlage für Campanus die Version I I . An deren
Satztexte (nicht an die Beweise) h a t sich auch Albertus angeschlossen. Die Textproben
von B e w e i s e n , die Herr Clagett anführt (dortselbst Fußnote 31), geben keine Auskunft
über die möglicherweise von Albertus verwendete Vorlage.
[18] Ab eie, fügt Albertus hinzu, quod est miser, et fugare, quia fugit miserum desidiosum, qui in disciplinalibus non intendit.
[19] Albertus nimmt Anstoß daran, daß Euklids Text aus zwei Sätzen besteht, die
in umgekehrter Keihenfolge bewiesen werden: et similia faciunt commenta Boëtii et
Adelardi. Diese Stelle lehrt, daß Albertus nicht die Pseudo-Boëtische Geometrie (ed.
G. Friedlein, Leipzig, 1867, S. 372-428) gemeint haben kann, woselbst nur der Satz
(in anderem Wortlaut als bei Albertus) erwähnt wird (ebenda S. 380), sondern die
heute nur mehr in Bruchstücken erhaltene echt Boëtische. Zum Gegenstand: N . Bubnow: Gerberti opera mathematica, Berlin, 1899.
[20] Eine davon ist die der Pseudo-Boëtischen Geometrie: [19], S. 380.
[21] Vergleiche Fr. Überweg und B. Geyer, Die Patristische und Scholastische Philosophie,
11. Auflage, Berlin, 1928, S. 423.
[22~] Vergleiche Überweg-Geyer [21], S. 409 in wörtlicher Wiedergabe des schon in
Fr. Überweg-M. Baumgartner, 10. Auflage, Berlin, 1915, S. 468 Ausgeführten.
[23] Hier gibt Albertus Gedanken aus einem in lateinischer Vorlage noch nicht
bekannten Kommentar des Alfârâbî zu den Euklidischen Sätzen wieder. Vielleicht
handelt es sich u m den Text in der Münchner Staatsbibliothek, Cod. hebr. 36, Nr. 3
(fol. 17b-21b), auf den ich durch Herrn A. P . Jusehkewitsch-Moskau hingewiesen
wurde.
[24] Alfarabius vero [diffinit] sie: Punctum est, quod non habet dimensionem quantitatis
continuae habentis situm.
[25] Superficies plana est, cuius spatium est aequale spatio lineae, quae ipsum comprehendit, aut spatio linearum ipsam comprehendentium.
[26] iSed cum Alfarabius introducit Euclidem in libro divisionum....
Anscheinend
gibt es also eine Einleitung Alfârâbîs zum Euklidischen Liber divisionum;, sie ist uns
jedoch im Augenblick ebensowenig bekannt wie die zugehörige lateinische Übersetzung.
[27] Ed. M. Curtze, Leipzig, 1899, 21909 (als Supplement zu Euklid, Opera omnia,
ed. J.-L. Heiberg und H . Menge) nach Cod. 569 (DD.IV.19) der Krakauer Universitätsbibliothek. Ich zitiere die Erstausgabe Curtzes stets als AC mit nachfolgender Seitenund Zeilenzahl. Inzwischen sind weitere Handschriften aufgetaucht, jedoch noch nicht
ausgewertet. Herr Clagett gibt in [17], Fußnote 28 a n : Vat. Reg. lat. 1268 (s. X I I I
oder XIV), ff. 144-205, einen Auszug in Oxford, Bodl. Digby 168 (s. XIV), 124 r -125 r
und eine sehr erweiterte Fassung in Paris, Bibliothèque Nationale 7215.
[28] Linea recta est, quae est posita super aequale, quod est inter omnia duo puneta
cadentia super ipsam (AC, S. 5, 19-21).
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[29] Superficies plana est, quae est posita super dimensionem, quae est aequalis ei,
quod est inter duas lineas rectas, quae sunt super ipsam (so auch AC, S. 9, 9-11 mit
folgenden Abweichungen : plana add. ilia, super vert, in supra AC). Anschließend wird
ähnlich wie in AC, S. 9, 12-13 festgestellt, daß die Ebene die 'kürzeste' Fläche zwischen
zwei Geraden ist, und daß hier von der Oberfläche eines Zylinders, einer Pyramide oder
einer Kugel keine Rede sein könne (ähnlich: AC, S. 10, 26-8).
[30] Angulus superficialis [est] inclinatio duarum linearum in una superficie sibi
obviantium non secundum rectitudinem positarum (AC, S. 11, 4-6). Hier hebt Albertus
den Unterschied gegenüber der 'aus dem Griechischen stammenden' Übersetzung
hervor: Angulus planus est duarum linearum alternus contactus, quarum expansio est
supra superficiem applicatioque non directa. Den nämlichen Wortlaut h a t auch AdelhardCampanus. Sollte auch hier eine Bezugnahme auf die echte Boëtische Geometrie [19]
vorliegen? Die Pseudoboëtische [19], S. 374 h a t einen etwas anderen Text, aber ebenfalls angulus planus. U m dieses Wort planus geht es hier vor allem.
[31] Bei AC, S. 39, 11-27 findet sich ein viel ausführlicherer Text. E s handelt sich
u m die endgültige logische Bestimmung eines bereits beim Aufbau der Figur mitverwendeten Elementes, nicht u m die Auffindung eines unbekannten Zusammenhanges.
[32] Der Text aus AC, S. 142, 22-145, 24 wird gedankentreu, jedoch nicht wörtlich
wiedergegeben.
[33] E d . J . L. Heiberg, Leipzig, 1912.
[34] AC, S. 10, 6-8: Superficies plana est, in qua possibile est protrahi ab omni puncto
ad omnem punctum lineam rectam. Dortselbst folgt dann eine lange Erörterung über
die Stellung dieser und anderer Definitionen zur Euklidischen. Albertus sagt statt dessen
ganz kurz—und das könnte recht wohl seine eigene, von keiner Vorlage beeinflußte
Meinung sein: Sed cuilibet patet, hanc non esse diffinitionem, sed potius signum plani
esse ab effectu plani sumptum.
[35] AC, S. 66, 24-68, 6.
[36] AC, S. 73, 5-31. Albertus hebt den Hauptpunkt, daß nämlich im Grunde nur
eine Umstellung der Euklidischen Anordnung vorliegt und die unzulässige Annahme
verwendet wird, m a n könne durch jeden P u n k t zu jeder Geraden eine Parallele (in
seiner Redeweise: Linie gleichen Abstandes) legen, selbständig und mit vorbildlicher
Kürze vor.
[37] Das alles ist in etwas anderer Formulierung auch in AC, S. 26, 11-28; 34, 31-35, 4
und 66, 24-73, 31 enthalten. Vergleiche auch [35] und [36].
[38] Punctum est unitas habens situm, unitas autem contra punctum non habens situm.
Die Stelle wird wohl aus Aristoteles, De anima, I I I , 6 [16], S. 430b, 20-1 stammen.
[39] AC, S. 6, 25-7.
[40] AC, S. 5, 22-3.
[41] AC, S. 13, 12-14.
[42] AC, S. 3, 23-5.
[43] AC, S. 84, 27-86, 20.
[44] Nähere Einzelheiten, Textproben und eine Handschriftenprobe finden sich in [3].
[45] Vergleiche Joh. Tropfke : Geschichte der Elementarmathematik 3 IV, ed. K. Vogel,
Berlin, 1939, S. 4, Fußnote 2.
[46] Der Bericht stammt aus Vitruv, De architectura VI, 1. Dieses Werk war dem
lateinischen Mittelalter schon seit dem 9. Jahrhundert wieder bekannt (z. B . London,
Brit. Mus., Cod. Hart. 2767).
[47] Quia autem omnium horum principium est punctum, ab ipso dijfinitionum, quae
principia quaedam demonstrationum sunt, sumamus exordium.
[48] So erscheint bei Besprechung der Punktdefinition ein Hinweis auf die drei
Erstreckungen des Raumes, die sich auf Aristoteles, Metaph. IV, 13 [16], S. 1020 a, 3-14
bezieht und im Wortlaut mit der entsprechenden Stelle aus Hugo de S. Victor, Practica
geometriae, ed. M. Curtze, Monatshefte Math. Physik, 8 (1897), S. 193-220, insbesondere
195-6 sehr verwandt ist. Ahnlich drückt sich auch Heron in Definition 135, 3a a u s :
ed. J . L. Heiberg, Leipzig, 1912, S. 96ff.
[49] So entscheidet sich Albertus in der Frage, ob dem Winkel die Größeneigenschaft
zuzuweisen sei oder nicht, wie folgt : Der Winkel ist eine Quantität, aber das Winkelsein
eine Qualität.
ÜBER EINE E U K L I D - B E A R B E I T U N G
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[50] Der Sachverhalt wird aus der Parallelstelle in AC, S. 20, 14-21, 30 klar; die
Zusammenhänge zwischen Text und Abbildungen werden dadurch verständlich, daß
man zwei der vorhandenen Teilfiguren gleichzeitig betrachtet und die fraglichen Stücke
bald aus der einen, bald aus der anderen Teilfigur entnimmt.
[51] Die Umschriften der arabischen Fachausdrücke und ihre Bedeutung verdanke
ich der liebenswürdigen Auskunft von Herrn H . Giesecke vom Institut für Orientforschung an der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin.
[52] Beide erscheinen in Definition 22 des I . Buches, die von der Einteilung der
Vierecke handelt, und werden in der Zweitliteratur häufig erwähnt, weil sie durch die
Euklid-Ausgabe des Campanus [17] allgemeine Verbreitung fanden.
[53] Diese Bezeichnung kommt bei der Definition der Geraden vor und findet sich
auch in AC, S. 7, 19 im nämlichen Zusammenhang, jedoch fehlt dort die Worterklärung, die Albertus gibt.
[54] Das Wort erscheint zu Beginn der Diskussion u m I, 29, die oben erwähnt wurde
[36]. E s wird bei Albertus als sector übersetzt und als ein von Apollonios stammendes
Fachwort bezeichnet, das beim schrägen Schnitt einer (geraden quadratischen) Pyramide verwendet worden sei. Weder in AC noch bei Proklos Diadochos: In primum
Euclidis elementorum librum commentarii, ed. G. Friedlein, Leipzig, 1873 findet sich eine
Parallelstelle.
[55] Das Wort erscheint in der in [15] erwähnten Ergänzung zu I I , 14. Albertus
verwendet es nicht ganz glücklich: Et hoc, quod intendunt antiqui, dicentes, ex hoc inveniri posse latus tetragonicum, quod dicunt elgyther, cuiuslibet altera parte longioris.
Hier zeigt sich der Einfluß der oben [17] erwähnten Adelhard-Version I I : bei Clagett [17],
S. 33 rechts lesen wir nämlich: Nota quoque, quod hinc inveniri potest latus tetragonicum
(quod dicunt elgydar, cuiuslibet parte altera longioris formae).
[56] Albertus bemerkt hierzu : Haec figura ab antiquis accepit nomen proprium, quod
arabice quidem dicitur dulcarnon, quod latine est cornuta. Quidam tarnen ignari virtutis
vocabuli dixerunt dulcarnon dictam, quia inventa ea propter utilitatem sui geometrae
dulciter canebant. Alii autem rudiores eos tunc dicebant dulces carnes comedisse et ideo sic
vocatam. Sola autem prima ratio ab auctoritate habetur. Beim Beweis zu I I I , 34 (Sehnensatz) wendet er den Pythagoreischen Lehrsatz an, zitiert aber nicht, wie sonst, entweder
wörtlich oder mit I, 46, sondern sagt kurz per bicornem. Das ist die wörtliche Übersetzung von dulcarnon. Übrigens merkt Regiomontan in der Euklid-Handschrift nach
Campanus, die sich in der Nürnberger Stadtbibliothek Cent. VI, 13 vorfindet und bis
zu I I I , 8 von Regiomontan selbst geschrieben wurde, zu I, 46 mit roter Tinte a n : Tunica
Francisci.
[57] So auch in AC, S. 65, 24-66, 10, woselbst zusätzlich auf die von Ptolemaios
verwendeten Sätze I, 13, 15 und 18 hingewiesen wird. Dessen Ausführungen kennen
wir aus Proklos [54], S. 365-9, deutsch von L. Schönberger, ed. M. Steck, Halle, 1945,
S. 418-23.
[58] Diese heute verschollene Schrift scheint den Muslimen noch vorgelegen zu sein.
Vielleicht h a t sie deren interessante Beiträge zur Parallelenfrage ausgelöst.
[59] Das heutige 9. Axiom : Zwei Gerade umschließen keine Fläche—übrigens ein
Einschiebsel der Theonischen Redaktion—erscheint bei Albertus ebenso wie in AC,
S. 35, 5-6 und in Adelhard, Version I I , siehe Clagett [17], S. 31 rechts, als letztes Postulat. Der Grund für diese Verschiebung ist in der Definition der Postulate als Mitteldinge zwischen den Axiomen und den Sätzen zu suchen (so auch AC, S. 29, 12-13).
Gleich AC, S. 35, 7-9 weiß Albertus, daß sich dieses sein letztes Postulat (das er übrigens
später niemals also solches zitiert, sondern bestenfalls wörtlich anführt) stets in den
Übersetzungen aus dem Griechischen vorfindet, nicht aber in den aus dem Arabischen
kommenden. Anschließend gibt er den Beweis der 'moderni"* wieder, den auch AC,
S. 35, 10-36, 9 hat. Proklos sagt von diesem Axiom, es sei nur der Geometrie eigen
und daher überflüssig, weiß aber noch nichts von einem Beweis: [54], S. 196 = [57],
S. 304.
[60] Proklos [54], S. 196 = [57], S. 304 sagt, die Beschränkung auf nur drei Axiome
stamme von Heron. Daraus folgt, dass die Aufzählung in den Heronischen Definitionen
[48], Nr, 134, 2, S. 94, woselbst 9 Axiome aufgeführt sind, von Proklos n i c h t gemeint
sein kann. Übrigens erscheint bei Heron das vorhin [59] erwähnte 9. Axiom gleichzeitig
566
J. E. H O F M A N N
auch als 6. Postulat: [48], Nr. 134, 1, S. 94. I n den Adelhardschen Versionen ist das
Axiom stets unter die Postulate gerechnet.
[61] Das Entsprechende bei AC, S. 38, 14-42, 19 ist zumeist etwas ausführlicher
gehalten. Allgemeines Vorbild ist Proklos [54], S. 198-213 = [57], S. 306-16, jedoch
sicher nicht direkt, sondern in einer Zwischenbearbeitung, als die etwa Teile aus Heron
in Frage kämen; vergleiche [48], Nr. 136, S. 108ff., 134ff. und Nr. 137, S. 156ff., jedoch
ist schon von den Arabern das meiste der so vielgestaltigen Neuplatonischen Symbolik
abgestreift u n d in erster Linie das nüchtern-Fachliche exzerpiert worden. Daß die
Filiation indirekt ist, läßt sich auch aus vielen anderen Kleinigkeiten schließen, so z. B .
aus der Diskussion zu I, 5 (Im gleichschenkligen Dreieck sind die Winkel an der Grundlinie gleich). Hier fehlt sowohl bei Annairîzî wie bei Albertus der Hinweis auf Pappos,
dessen einfaches und so überzeugendes Umwendeverfahren bei Proklos [54], S. 249-50
= [57], S. 341 steht und u m seiner Überzeugungskraft willen mit Sicherheit gebracht
worden wäre, wenn es den Muslimen vorgelegen wäre. Eine Übersicht über die Begriffsbestimmungen findet sich auch in Adelhard, Version I I I (Oxford, Bodleian Digby 174,
fol. 99 r -99 v ; siehe Clagett [17], S. 34), ferner in der Euklid-Übersetzung des Hermann
von Carinthia (Paris, Bibl. Nat., fl. 16646; siehe Clagett, S. 38 links) und des Gerhard
von Cremona (Paris, Bibl. Nat., fl. 7216; siehe Clagett, S. 38 rechts).
[62] Über die Stellung des Albertus zur Zeichengenauigkeit lesen wir bei den Begriffsbestimmungen : Quia tarnen tota scientia finem habet theoreticum, ideo iheorica est et
nominatur. Operatio huius, praxis, non est, ut fiat figura in materia sensibili, sed potius,
ut describatur in lineis imaginalibus. Quod multi sciunt, qui in materia figuras facere
nesciunt. Et e converso multi figuras proferunt in materia, qui eas in lineis demonstrabilibus nesciunt describere. Seiner ganzen Geisteshaltung nach zählt sich Albertus zu
denen, die größeren Wert auf die theoretische Durchdringung als auf die technische
Ausführung legen.
[63] Ähnliche Fassung: AC, S. 125, 33-126, 17.
[64] Ähnliche Fassung, ebenfalls mit Hinweis auf das unsystematische Vorgehen
Herons, in AC, S. 126, 18-127, 28.
[65] Ein weniger geschickt durchgeführter direkter Beweis steht bei Proklos [54],
S. 342 = [57], S. 402/3.
[66] AC, S. 61, 10-62, 2 entspricht Proklos [54], S. 339 = [57], S. 400.
[67] Nota autem, quod sophistaeimpugnant istud theorema, dicentes, omnem quantitatem
esse divisibilem in infinitum, ergo angulus contingentiae etiam dividi debet in infinitum.
Et adhuc attendam, quod apud geometram nihil dicitur dividi nisi quod linea recta dividitur;
et quod linea recta non dividitur, dicitur non habens quantitatem, et ideo [angulus contingentiae] etiam minimus dicitur, quia quantitatem non habet.
[68] Zunächst wird festgestellt, daß der Kontingenzwinkel nicht durch eine Gerade
geteilt werden k a n n ; und zur Begründung: Ex hac vero, quod non valet ista argumentatio:
l
Hoc transit a minori ad maiorem per omnia media, ergo per aequale1, nec ista: 'Contingit
reperire maius hoc et minus eodem, ergo contingit reperire acquale.'' Diese Stelle wird
wörtlich zitiert in Chr. Clavius: Euclidis élementorum libri XV, Erstausgabe Rom 1574,
jedoch erst von der 2. Ausgabe Rom 1589 ab, Erläuterung zur Kontingenzwinkelfrage
als Zusatz zu Euklid, Elemente, I I I , 16.
[69] Vergleiche Überweg-Geyer [21], S. 403.
[70] Vergleiche M. Curtze : JordaniNemorarii Geometria vel de Triangulis libri quattuor,
Mitteilungen des Coppernicus-Vereins 6, Thorn, 1887, S. 3.