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ARBEITSHEFT 2004
DIE WÜRDE DES
MENSCHEN
AM ENDE SEINES
LEBENS
EINE INITIATIVE DER KATHOLISCHEN UND DER EVANGELISCHEN KIRCHE
WOCHE FÜR DAS LEBEN
24. APRIL BIS 1. MAI 2004
LEITTHEMA 2002-2004: UM GOTTES WILLEN FÜR DEN MENSCHEN!
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VORWORT
Bis in den Tod hinein als eigenständige Person angesehen zu werden ist ein elementarer
Wunsch jedes Menschen. Dass wir einander auch in Zeiten der Krankheit und auf dem Weg
des Sterbens achtungsvoll begegnen und behandeln, ist deshalb ein zutiefst menschliches
Anliegen. Das Sterben als Teil des Lebens zu verstehen nimmt jede und jeden Einzelnen von
uns, es nimmt aber zugleich auch unsere Mitmenschen in die Pflicht. Mit Schmerz, Leid und
Tod so umzugehen, dass dabei die Achtung vor der Würde des Menschen gewahrt bleibt, ist
Verpflichtung und Herausforderung zugleich.
Die Woche für das Leben als gemeinsame Initiative der evangelischen und der katholischen Kirche macht in diesem Jahr die Würde des Menschen am Ende seines Lebens zu
ihrem Thema.
Sie fragt nach den konkreten Formen, in denen sich die Achtung vor der Würde eines
sterbenden Menschen zeigt. Welcher Hilfe bedürfen Menschen im Sterben? Was leistet die
moderne Medizin am Lebensende? Warum ist es wichtig, die eigene Sterblichkeit nicht zu
verdrängen? Was kann jede und jeder Einzelne für ein menschenwürdiges Sterben tun?
Die Woche für das Leben 2004 lädt ein, über das Ende des Lebens nachzudenken, ins
Gespräch zu kommen, sich zu informieren und zu diskutieren. Sie stellt Fragen, bietet aber
auch Orientierung an.
In ihrem Engagement für die Würde des Menschen am Ende seines Lebens geben Christen
zugleich Rechenschaft von ihrer Hoffnung, dass der Tod durch die Auferstehung Jesu Christi
seinen Schrecken und seinen Stachel verliert. Schmerz und Leid fordern uns Menschen zwar
existenziell heraus; aber auch in Schmerz und Leid sind wir zuletzt gehalten und bewahrt
in der Barmherzigkeit und Güte Gottes. Diese Hoffnung motiviert zum Einsatz für eine
menschenfreundliche Gesellschaft, in der es gelingt, der Würde des Menschen auch am
Ende seines Lebens die Achtung zu erweisen, die ihr gebührt.
Bonn/Hannover, im Januar 2004
Karl Kardinal Lehmann
Vorsitzender der
Deutschen Bischofskonferenz
Bischof Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der
Evangelischen Kirche in Deutschland
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INHALTSVERZEICHNIS
Zum Thema
Grundsätzliches…
…und ganz Konkretes
Zur Vorbereitung…
Literatur & Adressen
VORWORT
ZUR VORBEREITUNG …
Bischof Wolfgang Huber
Karl Kardinal Lehmann
Vorschläge für die
Gottesdienstgestaltung ...................40-41
ZUM THEMA
In Würde sterben
Bischof Wolfgang Huber ......................6-8
LITERATUR & ADRESSEN
In Würde sterben............................6-8
Alterssuizid – ein ethisches
Problem .......................................24-27
Für das Literaturstudium ...............42-43
Leben in Endlichkeit
Karl Kardinal Lehmann .....................9-11
Internet-Adressen ................................43
Zentrale Ansprechpartner für
Hospizarbeit .........................................43
GRUNDSÄTZLICHES …
IMPRESSUM
Gedanken zu einer Theologie
des Todes
Thomas Schärtl................................12-15
Leben in Endlichkeit ..................9-11
Die Christliche
Patientenverfügung...................28-29
Herausgeber
Sekretariat der
Deutschen Bischofskonferenz
Bonner Talweg 177, 53129 Bonn
Medizin am Lebensende
Eberhard Klaschik,
Christoph Ostgathe ...........................16-19
Kirchenamt der
Evangelischen Kirche in Deutschland
Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover
Verantwortliches Handeln
am Lebensende
Michael Schibilsky ...........................20-23
Geschäftsstelle
Michael Feil, Sekretariat der Deutschen
Bischofskonferenz, Bereich Pastoral, Bonn
Gedanken zu einer Theologie
des Todes ....................................12-15
Ort der letzten Wegstrecke
– Hospiz .......................................30-31
…UND GANZ KONKRETES
Alterssuizid – ein ethisches Problem
Margret Rittmann............................24-27
Die Christliche Patientenverfügung
Ursula Beykirch ...............................28-29
Ort der letzten Wegstrecke
– Hospiz
Roswitha Kottnik .............................30-31
Medizin am Lebensende ..........16-19
Sterbenden heilsam
beistehen ....................................32-35
4
Berater/-innen der Gemeinsamen
Kommission
• Claudia Heinkel, Stuttgart
• Hildegard Kaulen, Wiesbaden
• Annegret Klaiber, Frankfurt a. M.
• Alexander Lohner, Berlin
• Herbert Schlögel, Regensburg
• Hans-Georg Ulrich, Erlangen
Gestaltung
BJS Werbeagentur GmbH, Essen
Sterbenden heilsam beistehen
Heinrich Pera ..................................32-35
Für eine Kultur des
Abschiednehmens
Karin Wilkening ..............................36-39
Redaktion
• Manfred Entrich, Bonn
• Jens Kreuter, Hannover
• Michael Feil, Bonn
Druck
druckpartner Druck- und Medienhaus,
Essen
Verantwortliches Handeln
am Lebensende ..........................20-23
Für eine Kultur des
Abschiednehmens.....................36-39
Autorinnen und Autoren.....................43
Quellen- und Bildnachweis.................43
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EINSTIEGSBEITRAG
ZUM THEMA
IN WÜRDE STERBEN
Bischof Wolfgang Huber
gestalteten Sterbebegleitung, für die Pflege und Gebet, leibliche und spirituelle Nahrung eine
Einheit sind, entspricht in unserer eigenen, christlich geprägten Tradition eine bestimmte
Weise des Umgangs mit dem Tod. Die Aussegnung von Gestorbenen, die Rituale der Bestattung
und die Achtung der Grabesruhe zeigen, dass die Würde der menschlichen Person auch mit
dem Tode nicht ausgelöscht ist. Die christliche Hoffnung auf die Auferstehung der Toten ist ein
sprechender Ausdruck dafür, dass diese Würde nicht mit dem Verfall der körperlichen Funktionen an ein Ende kommt; die Trauer und die bleibende Erinnerung an die Toten ist ein Abglanz
dieser Hoffnung.
Wenn am Grab der Leichnam eines Menschen Gott überantwortet und die Hoffnung auf die Auferweckung verkündigt wird, dann wird noch einmal jene Instanz angerufen, die nach christlichem
Verständnis die Würde der menschlichen Person in ihrem unantastbaren Charakter verbürgt:
Gott, nach dessen Bild der Mensch erschaffen wurde. Es wird daran erinnert, dass die Würde des
Menschen maßgeblich mit seinem Verständnis als Geschöpf zusammenhängt. Wird er dagegen
nicht mehr als Geschöpf, sondern nur noch als Schöpfer, nicht mehr als Empfänger, sondern nur
noch als Stifter seiner eigenen Freiheit verstanden, dann verliert auch seine Würde ihren radikalen
Charakter. Aus einer reinen Gabe wird sie zu einem eigenen Produkt des Menschen, zum Resultat
menschlicher Tätigkeit, herstellbar und abschaffbar wie alle anderen Erzeugnisse menschlicher
Produktivität auch. Gerade im Blick auf Sterben und Tod ist es nicht bedeutungslos, ob der Mensch
als Gegenüber Gottes, als von Gott angesprochene und ihm antwortende Person, oder als von Gott
gelöstes, als „absolutes“ Wesen verstanden wird.
M
itten aus dem Leben“ möchten die
meisten Menschen sterben, zu Hause,
in vertrauter Umgebung, in der Nähe vertrauter
Menschen. Dieser Wunsch geht jedoch nur
für die wenigsten Menschen in Erfüllung. In
Deutschland versterben in jedem Jahr ungefähr
900.000 Menschen; weniger als ein Drittel von
ihnen aber stirbt in der vertrauten Umgebung.
Siebzig Prozent sterben in Krankenhäusern
und Alten- oder Pflegeheimen. In vielen Fällen
ist dies aus medizinischen und pflegerischen
Gründen notwendig.
„
Für die meisten Menschen ist es normal, solange
sie gesund sind, Krankheit und Siechtum, den
plötzlichen Tod oder das langsame Verlöschen
in Krankenhäusern und Heimen zu verdrängen.
Krankheit und Sterben werden immer mehr zu
Vorgängen, die instrumentell beherrscht werden
können und müssen. Man sucht Zuständige für
das Sterben; Krankenhäuser gelten häufig als
kompetent, unabhängig davon, wie die konkreten Umstände sind und welche Art von Zuwendung die Sterbenden unter den Bedingungen des
Krankenhauses erhalten können.
Die Medizin hat Möglichkeiten der Lebensverlängerung entwickelt, die auch die Wirklichkeit
menschlichen Sterbens tiefgreifend verändert
haben. So können über lange Zeit Menschen
6
im Koma am Leben gehalten werden. Auch
kann die Organtätigkeit hirntoter Menschen
aufrechterhalten werden, um zum geeigneten
Zeitpunkt Organe zur Transplantation zu entnehmen. Die gegenwärtigen medizintechnischen Entwicklungen gehören zu den großen
Herausforderungen unserer Gegenwart, die
uns immer wieder dazu nötigen, nach den
ethischen Maßstäben zu fragen, die auch unter
den Bedingungen einer pluralistischen Gesellschaft nicht aufzugeben, sondern zu bewahren
und zu erneuern sind. Zu ihnen zählt auch die
Einsicht, dass die Würde des Menschen das
Recht einschließt, in Würde zu sterben.
Für diese Einsicht steht die Hospizbewegung.
Sie ist die in meinen Augen wichtigste Antwort
auf die Veränderung des Sterbens in unserer
Gesellschaft. Gerade 36 Jahre ist diese Bewegung alt. Sie begehrt gegen die Verdrängung
des Todes aus unserer Wahrnehmung auf und
will dazu helfen, dass Sterben wieder als eine
Phase des Lebens und nicht etwa als ein vermeidbares Geschehen mit dem Missgeschick
des Todes als Resultat verstanden wird.
Die religiösen und kulturellen Dimensionen der
Aufgabe, um die es heute geht, werden vielleicht
am ehesten bewusst, wenn man nicht nur vom
Sterben, sondern auch vom Tod redet. Der
Gestaltete Sterbebegleitung im Sinne der Hospizbewegung respektiert das Selbstbestimmungsrecht
des Menschen auch im Sterben und kann bewirken, dass Menschen vor dem verzweifelten Griff
zur Selbsttötung oder vor dem Ruf nach aktiver Sterbehilfe bewahrt werden können. Die Ausweitung der Hilfe bei der Selbsttötung in der Schweiz sowie die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe
in den Niederlanden in Jahr 2001 und in Belgien im Jahr 2002 sind Entwicklungen, die mich mit
großer Sorge erfüllen. Dabei verschließe ich nicht die Augen davor: Die niederländische und belgische Sterbehilfegesetzgebung genießt nicht nur in der Bevölkerung unserer Nachbarländer, sondern auch in Deutschland erhebliche Sympathien. Viele Umfragen in Deutschland haben inzwischen ergeben, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung für aktive Sterbehilfe offen ist. Viele
Menschen haben Angst, sie könnten am Ende ihres Lebens einer sinnlosen Lebens- und Sterbeverlängerung ausgesetzt sein. Sie haben Angst davor, dass sie selbst, ihre Angehörige oder Freunde
in eine Situation unerträglicher Leiden geraten, aus der kein Ausweg möglich scheint.
Man muss diese Sorgen ernst nehmen; nur so wird man die Menschen dafür gewinnen, der Zuflucht
zur aktiven Sterbehilfe abzusagen. Denn aktive Sterbehilfe ist und bleibt eine ethisch nicht
vertretbare, gezielte Tötung eines Menschen in seiner letzten Lebensphase, auch wenn sie auf
seinen ausdrücklichen, verzweifelten Wunsch hin erfolgt. Gerade in Deutschland wissen wir durch
die Erfahrungen der Vergangenheit, wohin es führen kann, wenn Menschen von Dritten für nicht
mehr lebenswert erklärt werden, statt in ihrer Schwäche, Krankheit oder Behinderung als
Menschen akzeptiert und nach ihren Bedürfnissen umsorgt zu werden.
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EINSTIEGSBEITRAG
ZUM THEMA
der Schmerztherapie und der Linderung anderer Krankheitssymptome widmet. Darüber
hinaus bemüht sie sich, psychosoziale und
spirituelle Aspekte der Krankheitsverarbeitung
bei Patienten und ihren Angehörigen intensiv
einzubeziehen und die Zusammenarbeit zwischen allen medizinischen und pflegerischen
Einrichtungen, die sich um schwer kranke
Patienten kümmern, zu verbessern.
Durch die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe würde ein solches Verfügungsrecht über
den eigenen Todeszeitpunkt etabliert. Das
würde unsere Gesellschaft und ihre Einstellung zu Leben und Tod in tief greifender
und problematischer Weise verändern. Denn
damit entstünde nicht nur der offenkundige
Rechtsanspruch von Sterbenden auf vorzeitige Beendigung ihres Lebens durch fremde
Hand, sondern es entstünde auch der verdeckte Anspruch an Sterbende, von diesem
Recht Gebrauch zu machen, sobald sie den Eindruck bekommen, ihrer Umgebung zur Last
zu fallen. Außerdem würde das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient grundlegend gefährdet, wenn der Arzt dem Patienten
nicht mehr allein als Heilender und Helfender, sondern ebenso als Tötender begegnete.
Wo wir die Tötung eines Menschen als
„Lösung“ der schwierigen Situationen von
Krankheit und Sterben akzeptieren, ist dies
eine Bankrotterklärung an die Menschlichkeit.
Wir würden zulassen, dass Tod und Aussichtslosigkeit die Oberhand gewinnen. Menschlichem Leid dürfen wir nicht durch Tötung,
sondern wir müssen ihm durch menschliche
Zuwendung und Fürsorge begegnen. Es gilt,
die Möglichkeiten helfenden Handelns zu
erweitern und zu fördern, statt die Beendigung
menschlichen Lebens zu legalisieren.
Auf der persönlichen Ebene kann jeder
Mensch für das Ende des Lebens Vorausverfügungen ausstellen. Dies geschieht heute
meistens in Form von integrierten Patienten-,
Vorsorge- oder Betreuungsverfügungen. Die
Kirchen haben mit der Veröffentlichung
der Christlichen Patientenverfügung den
Versuch unternommen, hier einen Beitrag zu
leisten (s. S. 28).
Auf der medizinischen Ebene stehen die Weiterentwicklung und der Ausbau der Palliativmedizin im Vordergrund, die sich ganz besonders
8
LEBEN
IN ENDLICHKEIT
Auf der gesellschaftlichen Ebene gilt es, die
Hospizbewegung auszubauen. Die Arbeit
wird weithin durch ehrenamtliche Hospizhelferinnen und Hospizhelfer getragen, die die
Integration der Sterbenden und ihrer Angehörigen in ihr persönliches Umfeld ermöglichen. Dies geschieht in doppelter Weise:
Tageshospize wirken der Gefahr sozialer
Isolierung entgegen und entlasten die pflegenden Angehörigen und Freunde. Stationäre Hospize sind dort wichtig, wo schwerstkranke und sterbende Menschen ambulant
nicht mehr versorgt werden können, sie aber
zugleich keiner Krankenhausbehandlung
mehr bedürfen. Der Hospizgedanke berührt
sich darum einerseits mit dem Ausbau der
palliativmedizinischen Versorgung und zielt
andererseits auf das weite Feld familiärer
und nachbarschaftlicher Zuwendung und
Hilfe. Zentral ist auch bei ihm – wie bei allen
Formen der Begleitung von Sterbenden und
Kranken – der nötige Raum für geistliche
Zuwendung und Begleitung.
ie Würde des Menschen ist unantastbar. Diese Feststellung, die dem Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland voransteht, gilt nicht nur für den Menschen von allem
Anfang an, sondern auch für den Menschen am Ende seines Lebens. Manchmal kann man
die Frage hören, ob denn das Leben eines dementen, gebrechlichen, alten Menschen tatsächlich noch ein Leben in Würde sei. Solche Fragen lassen es angeraten sein, über den
Aspekt der Würde etwas genauer nachzudenken.
Diese drei Aspekte – der Gebrauch von Vorausverfügungen am Lebensende, der Ausbau
der Palliativmedizin sowie die Weiterentwicklung der Hospizarbeit – müssen aus Sicht der
Kirchen deutlich gestärkt werden; sie bilden
zusammen die grundlegende Alternative zur
Bejahung der aktiven Sterbehilfe. Auch im
Umgang mit Krankheit, Sterben und Tod geht
es darum, sich in einer von Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie geprägten Gesellschaft an einer „Ethik der Würde“ auszurichten. Sie tritt dafür ein, dass der Mensch stets
– also auch im Sterben – als Zweck in sich selbst
und niemals bloß als Mittel zum Zweck
betrachtet wird. Das Sterben nicht zu verdrängen ist das eine. Das andere aber ist, auch
das Sterben an der Würde des Lebens teilhaben zu lassen und dafür einzutreten, dass der
Respekt vor der Würde des Menschen auch
seinen Tod umschließt.
Als die Würde des Menschen zum Angelpunkt des Grundgesetzes gemacht wurde, geschah das
nicht zuletzt vor dem Hintergrund der philosophischen Konzeption Immanuel Kants und in jener
Grundprägung, die der Würdebegriff im Anschluss an dieses Denken erhalten hat. Eines der
herausragenden Verdienste Kants war es, einer radikal empiristischen, also ausschließlich auf
mess- und nachweisbare Erfahrung bezogenen Weltsicht ihre Grenzen aufzuzeigen. Kant wies
philosophisch auf, dass prinzipiell jede Erfahrungserkenntnis – und damit jedes naturwissenschaftliche Forschungsergebnis, das Menschen erzielen – immer auch auf Voraussetzungen
beruht, die dem Bereich der Erfahrung vorausliegen und die der erkennende Mensch von sich
aus mitbringt. Erkenntnis ist überhaupt nur so denkbar, dass der Mensch sie nicht nur als sinnlich-empirisches Wesen, sondern auch als geistiges Wesen erbringt, welches den Bereich des
empirisch Nachweisbaren immer schon übersteigt. Vor dem Hintergrund dieser Einsicht aber
kann ein Mensch nicht ausschließlich nach empirischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Es
ist seinem geistigen Wesen Rechnung zu tragen. Dieser Zusammenhang ist es, der seit Kant mit
dem Ausdruck „Würde“ auf den Begriff gebracht wird. Weil sich für diese Würde prinzipiell keine
mess-, wieg- und zählbaren Bedingungen angeben lassen, gilt sie bedingungslos und unantastbar. Es liegt nicht am Menschen, diese Würde zu- oder abzuerkennen, aber es liegt am Menschen, diese Würde zu achten und zu schützen. Freilich steht Kant mit diesem Begriff der
Würde in einer Tradition, die ihn schon seit langer Zeit, angefangen von Cicero über Thomas
von Aquin bis zur Renaissance, vorbereitet und vorgebildet hat.
Karl Kardinal Lehmann
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EINSTIEGSBEITRAG
ZUM THEMA
individuell auf die jeweilige Situation eines Sterbenden einzugehen. Hier gilt es, insbesondere
darauf zu drängen, dass diese Möglichkeiten auch tatsächlich flächendeckend verfügbar
gemacht werden. In dieser lindernden Begleitung und Betreuung im Sterben, nicht in der
aktiven Tötung Sterbender, wird die Würde des Menschen gewahrt.
Sei es in der Familie, in ambulanter oder stationärer Pflege, in der Klinik oder im Hospiz – alle, die
Menschen in ihrem Sterben achtsam begleiten, leisten einen unersetzlichen Dienst an der Würde
des Menschen. Das kann man nicht deutlich genug betonen, gerade auch angesichts der Belastung,
die dies sehr oft für sie selbst bedeutet. Es muss ein zentrales Anliegen sein, diese Begleiterinnen
und Begleiter in ihrem Dienst nicht alleine zu lassen. Sie müssen spüren können, dass ihr Dienst
Wenn wir daher die Würde des Menschen am
Ende seines Lebens zum Thema machen, dann
fragen wir nicht danach, ob und wie viel Würde
dem Menschen am Ende seines Lebens noch
zukommt. Wir fragen danach, was zur Achtung
und zum Schutz der Würde getan werden muss
und was wir selbst dafür tun können.
Dabei bezieht sich die Rede vom Ende des
Lebens ganz allgemein auf die Endlichkeit
und Vergänglichkeit menschlichen Lebens,
auf den Prozess des Sterbens und schließlich auf den Tod. In allen drei Hinsichten
stellt sich die Frage, wie die Achtung vor
der Würde des Menschen ganz konkret aussehen kann.
Was die Endlichkeit und Vergänglichkeit
menschlichen Lebens anbelangt, ist es eine
schon sehr alte Menschheitserfahrung, dass
Leben gerade dann in einem tiefen Sinn als
erfüllend und gelingend erfahren werden
kann, wenn Menschen sich ihre Endlichkeit
und Vergänglichkeit bewusst machen und
aus dieser Bewusstheit heraus leben, statt
sie unter großem Aufwand wegzuschieben
und zu verdrängen. Diese Erfahrung begegnet
uns schon in den alttestamentlichen Psalmen
10
oder in den Überlegungen antiker griechischer
Philosophen. In dieser Perspektive gilt es, die
je eigene Teilnahme an der vielzitierten Spaß-,
Erlebnis- und Konsumgesellschaft kritisch zu
hinterfragen. An die Stelle eines Kultes der
Jugendlichkeit muss eine Kultur des ganzen
Menschen treten, die die eigene Bedeutung
jedes Lebensalters und auch die Würde des
gebrechlichen Menschen im Blick behält. Wer
sich seiner eigenen Endlichkeit und Vergänglichkeit stellt, macht sich zugleich frei, um mit
einem Wort Martin Heideggers zu sprechen,
„von den Götzen, die jeder hat, und zu denen
er sich wegzuschleichen pflegt“.
Endlichkeit und Vergänglichkeit gehören zum
menschlichen Leben. Ein Lebensstil und eine
Kultur, die in diesem Bewusstsein gestaltet
werden, bieten einen entsprechenden Rahmen, um Menschen auch in ihrem Sterben
in achtsamer Weise beizustehen. Dieser sensible, individuelle Umgang mit Sterbenden
stellt eine enorme Herausforderung sowohl
an die Gesellschaft als auch an den Einzelnen dar. Die Erkenntnisse der Palliativmedizin und der modernen Pflegewissenschaft erweitern heute die Handlungsmöglichkeiten
und bieten damit zugleich die Chance, sehr
nicht nur den Sterbenden, sondern auch den Lebenden wertvoll ist, ganz gleich, ob sie ihn von
Berufs wegen, ehrenamtlich oder aus persönlicher Bindung an den Sterbenden übernehmen. Angebote der Begleitung und Beratung sind hier gefragt, aber auch spirituelle Angebote, die ein Gespür
dafür vermitteln, dass das letzte Weggeleit eines Sterbenden in Gottes Hand gelegt werden darf.
Zuletzt stellt sich auch im Umgang mit dem Tod die Frage nach der Würde des Menschen. Eine
Abschieds- und Erinnerungskultur, die dem geistigen Wesen des Menschen gerecht zu werden
sucht, wird über das sinnlich wahrnehmbare Ende des Lebens und den Zerfall hinaus blicken.
Menschsein erledigt sich nicht in der Vergänglichkeit des Leibes. Der christliche Glaube nimmt
diese Frage nach der Zukunft des Menschen auf und lädt zur Auferstehungshoffnung ein. Ganz
unabhängig davon, ob diese Antwort angenommen wird oder nicht, ist es ein Gebot der Würde,
mit den Symbolen und Ritualen der Trauer sorgfältig umzugehen, sie zu pflegen und den Menschen zugänglich zu halten, ohne sie zu einem Gegenstand wahlloser Beliebigkeit zu machen.
Christen ist es gerade vor dem Hintergrund und aus der Motivation begründeter christlicher
Hoffnung alles andere als gleichgültig, wie es um die Achtung vor der Würde des Menschen
bestellt ist. Aus christlicher Perspektive findet diese unantastbare Würde ihren letzten Grund
darin, dass Gott alle Menschen als Wesen in leiblich-geistiger Einheit geschaffen und sie so
zu einer Zukunft in einer personalen Beziehung der Liebe berufen hat. In dieser Ebenbildlichkeit zu Gott, in die der Herr den Menschen durch die Schöpfung berief und ihn nach der
Ursünde durch die Erlösung wunderbar erneuerte, liegt seine unverlierbare Würde, die ihm
niemand von außen geben oder nehmen kann. Sie verbietet auch jede Instrumentalisierung
des Menschen. Diese letzte Begründung menschlicher Würde ist am Ende auch im apostolischen Glauben an das „ewige Leben“ verwurzelt.
In dieser Hoffnung dürfen Menschen der Endlichkeit und Vergänglichkeit dieses Lebens
zustimmen, sie können ihr Sterben als Herausforderung annehmen und den Tod als ein
Ende betrachten, vor dem die Liebe Gottes nicht Halt macht.
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GRUNDSÄTZLICHES...
EINSTIEGSBEITRAG
GEDANKEN ZU EINER
Thomas Schärtl
THEOLOGIE DES TODES
praktischen, geradezu trivial erscheinenden Problemen herumschlagen, die aber nicht ohne weiteres übergangen werden können: Wenn niemand mehr stürbe, reichte im Laufe der Zeit der
Platz nicht aus für alle Individuen. Jedes ökologisches System scheint darauf zu bauen, dass Individuen auf-, aber auch wieder abtreten. Diese Fragen hat – zugegeben – einen seltsamen Beigeschmack. Sie scheint die Eigenart des Menschen, die Besonderheit seines Daseins zu unterlaufen und interessiert sich nur für das reibungslose Funktionieren eines Systems, in dem der einzelne
Mensch nur ein Rädchen darstellt. Wer dagegen den Tod als für den Menschen wesentlich erachtet und aus genau diesem Grund alle bio- oder informationstechnischen Utopien der Lebensverlängerung in Frage stellt, der wirkt angesichts der Unerbittlichkeit und Grausamkeit faktischen Sterbens schnell zynisch. Er gerät in die Gefahr, den Tod zu einem Wesensmerkmal des
Menschen zu stilisieren, obwohl die Notwendigkeit des Sterbens zwar eine faktische, aber keine
logische, vielleicht nicht einmal eine metaphysische Notwendigkeit ist.
Gerade die Theologiegeschichte bietet eine Fülle von Material für die Anschauung, dass der
Tod (in der Bibel, insbesondere der Weisheitsliteratur: als Folge der Sünde) für uns zwar
unausweichlich ist, aber eigentlich keine ursprüngliche Notwendigkeit darstellt. In den
Bildern des biblischen Schöpfungsberichtes gesprochen: Wäre der Mensch im Paradies
geblieben, statt es aus eigener Schuld zu verspielen, so wäre der Tod nicht als Schicksal
über ihn hereingebrochen.
Bis in die Gegenwart vertreten Theologen – aus ganz unterschiedlichen Gründen – die These
von der Natürlichkeit des Todes. Doch es bleibt, gerade wenn man am christlichen
Personbegriff festhält, eine Spannung gegenüber allen Rekursen auf die angeblich natural
vorgegebene Notwendigkeiten des Sterbenmüssens: Der individuelle Mensch stellt etwas in
sich Einmaliges und Kostbares dar, etwas Unwiederholbares und Unwiederbringliches.
IST DER TOD NOTWENDIG?
W
as ist es mit dem Tod? Gehört der
Tod notwendig zum Menschsein?
Ist er ein Teil des Lebens, den man akzeptieren sollte? Ist es aus der Sicht der Theologie vielleicht sogar zu tadeln, wenn jemand
mit allen zur Verfügung stehenden technischen Mitteln versucht, dem Tod zu entkommen?
DIE ANGEMESSENE HALTUNG DEM TOD
GEGENÜBER: AKZEPTIEREN ODER
PROTESTIEREN?
Die menschliche Haltung zum Tod pendelt
zwischen Ergebenheit und Aufbegehren.
Auch die Philosophie und ebenso die Theologie des Todes sind von zwei gegensätzlichen
Positionen geprägt: Auf der einen Seite steht
die These, dass der Tod etwas Natürliches
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und Notwendiges ist, das zum Wesen des
Lebens und daher auch zum Wesen des Menschen gehört. Auf der anderen Seite steht der
Gedanke, dass der Tod eine Widerwärtigkeit
darstellt, weil er die Einzigartigkeit eines
individuellen Lebens auszulöschen droht.
Er gibt eine unerträgliche Spannung zu ertragen auf, die nur dadurch überwunden werden kann, dass man auf Unsterblichkeit hofft
oder eine Überwindung des Todes ersehnt.
Zumindest aber bringen Auflehnung und
Klage zum Ausdruck, dass man mit dem
Sterbenmüssen keinen Frieden gemacht
hat, weil man es nicht will oder nicht kann.
Beide Konzepte haben ihre Schwierigkeiten:
Wer nach irdischen’ Maßstäben den Tod
‘
beseitigen will, muss sich auch mit ganz
Wer in der Linie des vorsokratischen Philosophen Anaximander – und solch eine Linie ließe
sich bis zu Hegel und bis zum Naturalismus der Gegenwart ziehen – behaupten wollte, der Tod
sei ein Tribut, den das Individuum dem Allgemeinen (der Gattung Mensch oder der Natur oder
der Evolution) dafür zu entrichten habe, dass es sich eine Zeit lang absondern, dass es für sich
sein und aus sich selbst leben durfte, der übersieht einen wesentlichen Zug an diesem individuellen menschlichen Leben: Es ist sich seiner selbst bewusst und einmalig. Und weil es sich
auf sich beziehen kann, ist es auch einzigartig. Solange der Tod ihm als etwas Äußerliches und
Angetanes erscheint, gibt es kein versöhntes Verhältnis zum Allgemeinen oder zur Natur oder
wie auch immer diese Instanz heißen mag, die die Notwendigkeit des Todes zu diktieren scheint.
Als geistbegabtes Leben kann das menschliche Individuum einen ausgewogenen und versöhnten Bezug zum Allgemeinen nur in einer bewussten Weise, in der Form von Anerkennung und Anerkanntwerden finden. Der Tod erweist sich hier als Unding, das jene Ausgewogenheit gefährdet, auf die ein gegenseitiges Anerkennungsverhältnis von sich aus zielt. Niemand
kann den Untergang des Individuums als Versöhnung verkaufen wollen. Wenn aber solche
Versöhnung nicht erreicht werden kann, wenn man vor der Notwendigkeit des Todes so kapituliert, dass man den sang- und klanglosen Untergang jener eigenen Welt, die ein Individuum
dank seines Selbstverhältnisses darstellt, hinnimmt, dann muss man auch einräumen, dass
selbstbewusstes Leben vielleicht nur ein irrlichterndes Anhängsel einer blinden und tauben
Natur ist, eine Schaumblase auf einem geistlos erscheinenden Ozean. Dann ist das bewusste
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GRUNDSÄTZLICHES...
EINSTIEGSBEITRAG
Selbstverhältnis, das ein menschliches Individuum auszeichnet, letztlich eine Illusion
und die Gabe des Bewusstseins eine grandiose Absurdität.
der Tod von sich aus weder die Ganzheit noch
die Einmaligkeit oder Würde eines menschlichen Lebens ans Licht zu bringen vermag.
Für sich betrachtet bleibt er sperrig, bleibt er
der Einbruch von Sinnlosigkeit, ja Widersinn.
HEROISIERUNG UND STILISIERUNG DES TODES
Die Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts
hatte einen eigenen Ansatz formuliert, um
mit der allem Anschein nach gegebenen Notwendigkeit des Todes Frieden zu machen. Mit
geradezu heroischem Unterton wurde der Tod
als das Ausbrechen aus der Uneigentlichkeit,
als Sich-Herausschälen von Eigentlichkeit
begriffen, als jenes Moment, das uns dazu
zwingt, zwischen Schein und Sein zu unterscheiden, das Bleibende zu suchen, so dass
wir genötigt werden, das Leben in vollem
Ernst zu leben und als ein Ganzes zu betrachten. Aber lässt sich der Tod wirklich in die
Begriffs-Differenz von Sein und Schein,
Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit einspannen? Und wenn dies geschieht, ist dann schon
von vornherein klar, dass mit dem Tod eine
letzte Eigentlichkeit möglich wird? Was
Jaspers und Heidegger vorschwebte, sind
positive Konnotationen, die den Ausdruck
„Tod“ umgeben können: das ruhige Sterben
eines lebenssatten Menschen, das Schließen
eines Buches, das Beenden einer Lektüre, das
Vollenden einer Sinfonie, der Abschluss
eines Kunstwerks. Aber daraus lassen sich
noch keine Argumente dafür gewinnen, dass
der Tod eine Notwendigkeit darstellt, gegen
die sich aufzulehnen unmenschlich wäre. Solche Bilder erzählen nämlich nur die Hälfte
der Geschichte: Zur Eigenart des menschlichen Daseins gehört offensichtlich auch das
Vergessen-Werden, Versinken-Lassen, der
permanente Abschied, der nicht die Fülle,
sondern den Raub und den Fluch der Zeit
ausdrückt. Im Tod – würde Sartre sagen –
werde ich für die anderen Menschen zur
Beute, die Verfügungsmasse ihrer Referenzen, ihrer Interpretationen, ihrer Diskurse,
ihrer Geschichtsschreibung. Der Tod enteignet mich – und zwar gründlich. Auch für
Emmanuel Levinas ist der Tod nicht Austrag
der Zeit, Würde der Gänze, sondern ein
großes Fragezeichen. Er ist Provokation, Skandal und Krise. Theologisch hat vor allem
Wolfhart Pannenberg hervorgehoben, dass
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VON DER PARADOXIE, EIN EINMALIGES
INDIVIDUUM ZU SEIN
Denker wie Sartre und Levinas schärfen
den Blick für eine im Tod ansichtige, tiefer
liegende Paradoxie des menschlichen
Lebens, die nur dann verschwinden würde,
wenn weder die Zeit noch der Tod eine Ambivalenz für das bewusste Leben bedeuten
würden: Im bewussten Leben, dessen Zeit
auf den Tod zuläuft, konkurrieren Selbsterhaltung und Sich-Vergessen-Müssen,
Zukunftshoffnung und Abschiedlichkeit miteinander. Diese Konkurrenz lässt sich unter
den Bedingungen von Welt und Zeit nicht
auflösen. Es wirkt sich darin eine Grundparadoxie menschlichen Lebens aus, die
alles durchzieht: Das menschliche Subjekt
ist ein einmaliges, einzigartiges Etwas und
trotz dieser Einzigartigkeit, die seine Autonomie begründet, konnte es sich nicht selbst
ins Dasein rufen noch kann es sich allein im
Dasein halten. Ist diese grundlegende Paradoxie als solche einmal erkannt, dann lässt
sich leicht zeigen, dass Antworten, die ein
nüchternes Sich-Abfinden-Müssen empfehlen, hier genauso wenig weiterhelfen wie
jene Utopien, die dem Menschen ein endlos prolongiertes Leben versprechen: Auch
eine technologisch herbeigeführte Beseitigung des Todes nimmt der rinnenden Zeit
noch nicht ihre Abschiedlichkeit.
Diesen Raub aufzuhalten vermag erst eine
Instanz, vor der das Gelebte und Getane gelebt
und getan ist: so in sie hineingetan, dass
darin auch das endliche Subjekt des Tuns sich
noch findet. Diese Instanz kann nicht taube
Natur sein, sondern nur Person, die selbst das
Leben ist, weil sie Leben trägt, die Bewusstsein ist, weil sie endliches Bewusstsein trägt
und nicht vergisst. Ein Heraustreten aus der
Grundparadoxie menschlicher Existenz ist
nur in einer Weise möglich, die die Abschiedlichkeit der Zeit überbrückt und damit noch
einmal zeigt, wie sich ein endliches Subjekt
zu begreifen hat: als etwas Einzigartiges, das sich ganz und gar verdankt weiß. Dieser Dank
aber führt von sich aus auf die Instanz, die wir in der Sprache des Glaubens als Gott ansprechen. Wenn der Adressat des Dankes selbst ein absolut einmaliges Subjekt ist, das sich im
Unterschied zum endlichen Subjekt sich selbst verdankt, und wenn das endliche Subjekt sich
von diesem absoluten Subjekt als seinem Grund getragen denken darf, dann wird es möglich,
das bewusste Leben in der Zeit als Geschenk zu deuten, dem mit und nach dem Tod ein noch
größeres Geschenk folgen kann. Der klassischen Unsterblichkeitsauffassung ist insofern
Recht zu geben, als sie das Anstößige des Todes benennt und an der Einmaligkeit des Subjekts
festhalten will. Ihr gegenüber ist jedoch zu vermerken, dass sie den wesentlichen Modus des
Verdankens, das Adressieren des Dankes selbst und den Adressaten des Dankes zu wenig sieht,
so dass aus der Gabe des Lebens schnell ein metaphysischer Besitzstand wird.
IN GOTT HINEIN STERBEN – IN GOTT HINEIN LEBEN
Auch in einer paradiesischen Welt wäre der Mensch als ein Wesen, das sich nicht sich selbst verdankt, sondern einem Anderen, zu begreifen gewesen. Im Unterschied zur paradiesischen Welt
hängt über unserer Welt jedoch der Schleier der Sünde, der die Spannung, die menschliches
Leben durchzieht, unerträglich macht. Wenn die Sünde uns von dem Grund, dem wir uns verdanken, entfremdet, wenn sie uns in uns selbst einpfercht, können wir den Tod nur noch als Ort
letzter Einsamkeit und Gottesferne empfinden. Wo der Mensch sich sündhaft in sich selbst einspinnt, reißt für ihn auch die Möglichkeit ab, sich vertrauensvoll an den Grund zu übergeben,
der ihn trägt. Theologisch anstößig ist der Tod, weil er Ort der Angst ist, die wieder Angst schürt,
die jede Haltung des Dankes unmöglich zu machen droht. Sich in die Kunst des Sterbens einzuüben, heißt daher nicht, den Tod als Faktum zu akzeptieren, sondern eine Versöhnung in der
grundlegenden Paradoxie, die menschliches Leben durchzieht, anzustreben: in der Haltung des
Dankes. Dass solcher Dank auch in der größten Angst noch möglich ist, wird an der Hingabe
Jesu Christi deutlich. Die letztlich vertrauende, ausharrende, das Ankommen erwartende
Hingabe an den Vater ist die Innenseite des christlichen Osterglaubens. Der Sohn gibt sich selbst
an den Grund zurück, dem er sich verdankt, und setzt in einer von Sünde entstellten Welt ein
Zeichen dafür, dass solche Hingabe möglich, dass der Dank auch in schlimmster Gottesferne
realisierbar ist. Ostern selbst ist die Erfahrung, dass das Leben Gabe ist und dass es einen Grund
gibt, darauf zu vertrauen, dass es gegeben wird. Solches Vertrauen vermag durch den Schleier
hindurchzublicken, den die Sünde über unsere Welt verhängt hat. Der Tod verschwindet damit
nicht einfach aus unserer Welt, aber die Todesangst verliert ihre Gewalt über den Menschen. Und
vielleicht kann man doch sagen, dass der Tod ein anderes Gewicht bekommt, wenn er selbst
zum Ort der Übergabe und des Dankes wird – eine Übergabe, die während des ganzen Lebens
geübt werden muss, und ein Dank, der jeden Augenblick des Daseins prägen muss.
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EINSTIEGSBEITRAG
Medizin
AM LEBENSENDE
Eberhard Klaschik, Christoph Ostgathe
Krankheiten und belastenden Symptomen, die einen progressiven Verlauf im weit fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung aufweisen. Dies
können Patienten mit Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems, des zentralen Nervensystems, der Atmungsorgane, der Nieren oder Patienten mit AIDS sein.
Die Palliativmedizin ist keine wirklich neue medizinische Disziplin, denn seit jeher gehört
die Linderung von Leiden zu den zentralen ärztlichen und pflegerischen Aufgaben.
Neu belebt wurden jedoch Aspekte wie Kommunikation, Mitmenschlichkeit, Teamarbeit,
Integration der Angehörigen in das Behandlungs- und Betreuungskonzept sowie Behandlung
des Menschen in seiner ganzheitlichen Dimension. Neu ist auch die Integration
evidenzbasierter medizinischer Fortschritte in die Behandlung der belastenden Symptome,
insbesondere der Schmerztherapie. Für die palliativmedizinische Behandlung, Pflege
und Betreuung sind die individuellen Bedürfnisse der Schwerstkranken und Sterbenden das
wesentliche Kriterium. Maxime ist ein würdevolles Leben und ein würdevolles Sterben zu
ermöglichen. Dies kann sowohl im ambulanten, teilstationären als auch stationären Bereich
umgesetzt werden.
W
ie die Geburt ist das Sterben ein
natürlicher Teil des menschlichen
Lebens. In unserer Gesellschaft, in der das
Machbare das Leben und die Heilkunst
bestimmt, wird jedoch der Tod zunehmend
zu einem Zwischenfall, den es – so lange wie
möglich – zu vermeiden gilt. Diese Haltung
fördert die Tabuisierung der Themen Sterben, Tod und Trauer und damit die medizinische und menschliche Vernachlässigung
von Patienten, bei denen eine Heilung nicht
erreichbar ist. Aber auch die Forderung,
in Deutschland die aktive Sterbehilfe zu
legalisieren und somit das Sterben konsequent als einen sterilen Akt zu gestalten
und weiter aus unserer Gesellschaft und
aus unserem Leben zu verdrängen, beruht
unter anderem auf dieser Haltung. Durch
menschliche sowie kompetente ärztliche
und pflegerische Begleitung des Sterbenden
und der ihm Nahestehenden kann das Leben
bis zuletzt so aktiv wie möglich gestaltet
16
und ein Sterben in Würde ermöglicht werden. Diesem Auftrag hat sich die Palliativmedizin verpflichtet.
Dame Cicely Saunders
gründete vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen im Umgang
mit sterbenskranken
Patienten 1967 mit
dem St. Christophers Hospice in London
das erste Hospiz moderner Prägung. Das
Ziel war es, unheilbar Erkrankten eine
umfassende medizinische, pflegerische,
psychische, soziale und spirituelle Betreuung und Begleitung an einem geeigneten
Ort anzubieten. Dies war die Initialzündung der modernen Hospizbewegung, auf
deren Grundlagen die Palliativmedizin
fußt. Betreut und behandelt werden neben
Tumorpatienten – wenn auch bisher wenige
– Patienten mit nicht tumorbedingten
Nach der Gründung der ersten Palliativstation, die 1983 in Köln eingerichtet wurde, verlief der
Aufbau weiterer palliativmedizinischer Einrichtungen zunächst sehr schleppend. Ab Anfang der
90er-Jahre begann eine dynamische Entwicklung, die dazu geführt hat, dass sich seit 1990 die
Anzahl der stationären Einrichtungen von 3 Hospizen und 3 Palliativstationen auf 99 Hospize
und 73 Palliativstationen mit zusammen über 1.500 Betten im Jahre 2002 erhöht hat. Dieses
verbesserte Angebot ist aber noch weit entfernt von einer ausreichenden flächendeckenden
Versorgung für alle Patienten, die einer palliativmedizinischen Betreuung bedürfen. Zurzeit
können etwa 20.000 Patienten pro Jahr stationär palliativmedizinisch betreut werden. Die tatsächliche Anzahl von Patienten, die eine palliativmedizinische Betreuung brauchen, ist, wenn
man die Tumorsterblichkeit in Deutschland zu Grunde legt, wahrscheinlich weitaus größer.
Die Bettenzahl, die nach Einschätzung von Experten notwendig wäre, um eine ausreichende
Versorgung der Tumorpatienten zu gewährleisten, wird auf etwa 50 Betten/Million Einwohner
(30 Palliativbetten und 20 Hospizbetten) beziffert. Das bedeutet, dass das zurzeit bestehende
Angebot an Palliativbetten (8 Betten/Million Einwohner) in etwa vervierfacht und an Hospizbetten (10 Betten/Million Einwohner) verdoppelt werden muss. Diese Bedarfschätzungen
berücksichtigen noch nicht die Patienten, die aufgrund anderer Erkrankungen einer palliativmedizinischen Behandlung bedürfen. Insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung der nächsten 30 Jahre für Deutschland kann von einer deutlich höheren
Notwendigkeit an palliativmedizinischen Einrichtungen ausgegangen werden.
Die palliativmedizinische Betreuung richtet sich nach den Bedürfnissen des Patienten und
seiner Angehörigen und zielt auf eine Verbesserung der Lebensqualität. Die meisten Patienten, die zur Aufnahme auf die Palliativstation kommen, klagen über Schmerzen, aber
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EINSTIEGSBEITRAG
auch über andere körperliche Symptome wie
Schwäche, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen oder
Verstopfung. Doch nicht nur die körperliche
Beeinträchtigung durch die Erkrankung,
sondern auch andere Belastungen spielen
in der Begleitung der Patienten eine zentrale
Rolle. Viele Patienten leiden unter psychischen Problemen wie Angst, Depressionen
oder Verwirrtheit. Soziale Aspekte, wie Unterstützung bei Überforderung der Angehörigen
und anderen familiären Problemen oder Hilfe
bei der Organisation der weiteren Versorgung,
sind in den Gesamtkontext einer palliativmedizinischen Betreuung zu integrieren. Pflegerische Probleme, die eine fachkompetente
palliativpflegerische Betreuung der Patienten
und Angehörigen notwendig machen, stehen
häufig im Vordergrund.
Neben der medikamentösen Symptomkontrolle, z.B. bei Schmerz, Atemnot, Übelkeit,
Erbrechen, Verstopfung, Verwirrtheit, gehört
die Integration der psychischen, sozialen und
spirituellen Bedürfnisse des Patienten, der
Angehörigen und des Behandlungsteams
sowohl während der Krankheit als auch beim
Sterben des Patienten sowie in der Zeit danach
zum ganzheitlichen Konzept der Palliativmedizin. Zudem wird der intensiven Auseinandersetzung mit speziellen Fragen der
Kommunikation und Ethik, wie Arzt-Patienten-Beziehung, Selbstbestimmung des Patienten, Grenzen der Behandlung oder Sterbehilfe
und Sterbebeistand, genügend Raum gegeben.
Im Kontext der Auseinandersetzung mit dem
Lebensende nimmt die Kommunikation einen
besonderen Stellenwert für den Patienten, seine
Angehörigen, aber auch für das behandelnde
Team ein. Kommunikation bedeutet hier
nicht nur den Austausch von Informationen,
18
sondern auch die gemeinschaftliche Reflexion
über existenzielle Ängste, Nöte und Sorgen
mit dem Patienten und seinen Angehörigen.
Dies geschieht mit dem Ziel, dem Patienten
und den Angehörigen ein Verstehen zu ermöglichen und Konzepte zu erarbeiten, die beiden
Seiten helfen, sich der neuen Situation anpassen zu können. Auf diese Herausforderung
werden Ärzte und Pflegekräfte in ihrer Ausbildung bisher nur unzureichend vorbereitet.
Eine offene und ehrliche Kommunikation kann
unter anderem durch folgende Faktoren
gehemmt werden:
Ängste davor, etwas falsch zu machen, oder
Ängste davor, Reaktionen beim Patienten
auszulösen, die man glaubt, nicht kontrollieren zu können, sowie
Ängste vor eigener Krankheit sowie eigenem Sterben und Tod.
Patienten und Angehörige werden gerade
in der letzten Lebensphase immer wieder
Fragen zur Prognose, den zu erwartenden
Problemen und möglicherweise auch zu
der Zeit nach dem Tod stellen. Im Rahmen
der palliativmedizinischen Betreuung wird
versucht, diesem hohen Bedarf an Kommunikation gerecht zu werden. Gesprächen
werden die notwendige Zeit und der entsprechende Raum gegeben, damit eine
gemeinsame Ebene zwischen Arzt, Patient
und Angehörigen entstehen kann und somit
Wahrnehmung und Austausch ermöglicht
werden. Für eine offene und ehrliche Kommunikation sind Empathie, Wertschätzung
des Patienten, Teamarbeit sowie die eigene
Auseinandersetzung mit Tod und Sterben
eine notwendige Voraussetzung. Nur so kann
Wahrheit und Wahrhaftigkeit am Krankenbett gelebt werden.
Es besteht ein großer Bedarf an Palliativmedizin, der in den nächsten Jahrzehnten noch
zunehmen wird. Die Deckung dieses Bedarfs stellt eine der großen Herausforderungen für
unser Gesundheitssystem in den nächsten Jahren dar. Für Patienten, bei denen schwierige
Therapieentscheidungen anstehen, die komplexer Strategien zur Schmerztherapie und
Symptomkontrolle bedürfen, oder bei denen besondere Anforderungen an die psychosoziale
Begleitung gestellt werden, sollte palliativmedizinische Fachkompetenz flächendeckend in
spezialisierten Einrichtungen stationär, teilstationär und ambulant angeboten werden. Um
in diesen Einrichtungen kompetente Palliativmedizin und -pflege anbieten zu können, ist es
notwendig, das Personal entsprechend auszubilden. Hierfür ist im Jahr 2003 – zumindest
für den ärztlichen Bereich – ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan worden. Zum einen
wurde auf dem 106. Bundesärztetag mit der neuen (Muster-)Weiterbildungsordnung die Möglichkeit geschaffen, sich in dem Bereich Palliativmedizin zu spezialisieren und somit unter
bestimmten Voraussetzungen eine entsprechende Bereichsbezeichnung zu führen. Zum anderen wurde durch die Anpassung der (Muster-)Weiterbildungsordnung die Palliativmedizin in
der Weiterbildung aller Ärzte, die klinisch arbeiten, verankert.
Des Weiteren konnte erreicht werden, dass die Palliativmedizin in die neue Approbationsordnung (gültig ab Oktober 2003) aufgenommen wurde. Diese Integration in das Medizinstudium ist zwar grundsätzlich erfreulich, aber bisher noch unzureichend, denn Palliativmedizin ist nicht, wie von den Fachverbänden gefordert, ein Pflichtlehr- und Prüfungsfach,
sondern ein freiwilliges Angebot. Hier sind nun die einzelnen medizinischen Fakultäten
gefordert, dieses Angebot zu intensivieren. An einigen Hochschulen (u.a. Bonn, München)
wird Palliativmedizin schon als ein Querschnittsfach unterrichtet und ist somit für die
Studenten der jeweiligen Fakultäten verpflichtend. Zudem wurden mittlerweile zwei Lehrstühle für Palliativmedizin eingerichtet (Bonn, Aachen).
Effiziente Schmerztherapie und Symptomkontrolle sowie die Auseinandersetzung mit
ethischen Entscheidungen am Lebensende können der Angst vor „unerträglichem“ Leiden
entgegenwirken. Diese Angst und der uneingeschränkte Wunsch nach Selbstbestimmung
sowie die Entwicklung in einigen europäischen Nachbarländern haben zu einer Intensivierung der Diskussion um eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in Deutschland geführt.
Dieser Diskussion stellt sich die Palliativmedizin als Alternative entgegen. Fachliche und
soziale Kompetenz der Betreuenden in einem Umfeld, das intensive menschliche Zuwendung zulässt, ermöglicht den Patienten ein Sterben in Würde.
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EINSTIEGSBEITRAG
VERANTWORTLICHES
HANDELN
AM LEBENSENDE
Michael Schibilsky
W
er sich mit Fragen der Ethik am Ende
des Lebens befasst, dem ist klar, dass
die Diskussion um die Sterbehilfe nicht an
den Grenzen Deutschlands Halt macht.
Zugleich gehört es zu den klaren Grundpositionen der Kirchen und auch der Hospizbewegung, aktive Tötung auf keinen Fall in
den Blick zu nehmen. Sterbebegleitung ja,
aktive Sterbehilfe nein. So heißt die prinzipielle und unveränderliche Position.
Zu Recht wird von wissenschaftlicher Reflexion erwartet, dass sie sich mit Argumenten
auseinandersetzt, die in einer Grenzen überschreitenden wissenschaftlichen Debatte
nicht tabuisiert werden können. Es gehört
zum Selbstverständnis wissenschaftlicher
Reflexion, dass in Gedanken Grenzen
überschritten werden, die im tatsächlichen
Leben mit Fug und Recht und auch mit
gewisser Klugheit gewahrt werden. Der
Mensch muss jedoch auch vor seinem
Gewissen verantworten können, was er
20
Der Vorwurf, der den Kirchen und der Hospizbewegung in diesem Zusammenhang immer
wieder gemacht wird, lautet: Ihr nehmt das Selbstbestimmungsrecht der Patienten nicht
ernst, wenn sie um aktive Sterbehilfe bitten. Zugleich gibt es den umgekehrten Vorwurf:
Ihr verabsolutiert die Autonomie des Patienten. Der Patient wird überfordert mit der
Aufgabenstellung, auch noch sein eigenes Ende verantworten zu müssen. Auch an dieser
Stelle bleibt der sterbende Mensch ein soziales Wesen und ein naturhaftes Wesen, das
eingebunden bleiben muss in Systeme der Assistenz und der verantwortlichen Gestaltung
von Lebensgemeinschaft.
Mit dem Argument „Wir werden das Leben nicht beenden, uns sind die Hände gebunden,
wir dürfen hier nicht handeln!“ ist in der Hospizbewegung eine gewisse Erleichterung
entstanden, in dieser Diskussion mit einem klaren Standpunkt auch öffentlich verstehbar
zu machen, was Hospizbewegung im Kern bedeutet.
forschend und handwerklich tun kann.
Daher ist die ethische Reflexion der durch
die Forschung erweiterten Handlungsmöglichkeiten unabdingbar.
Wir leben deshalb unter Bedingungen,
in denen die Grenzen des Lebens, sowohl
was den Anfang als auch was das Ende
des Lebens angeht, neu bedacht und verantwortet werden müssen. Das ist keine
einfache, aber eine unvermeidbare Aufgabe.
Die Hirntoddebatte der vergangenen Jahre
hat uns gelehrt, dass bei diesen Fragen
nicht nur der Rechtsschutz von möglichen
Patientinnen und Patienten, sondern auch
der Rechtsschutz Helfender und Behandelnder, also kurativer Medizin zur Debatte
steht. Ein Arzt, der wegen Körperverletzung
angeklagt zu werden droht, weil er Organe
transplantiert, wird sich rechtlich abzusichern suchen. Es geht darum zuerst um
möglichst präzise Begriffsarbeit, um gedankliche Klarheit, die notwendige Voraussetzung für einen menschlichen Umgang mit
Menschen in Notsituationen ist.
„Wir werden das Leben nicht
beenden, uns sind die Hände
gebunden, wir dürfen hier
nicht handeln!“
Eine vergleichsweise einfach zu beurteilende Situation liegt vor, wo die Patienten selber
den Tod nicht wünschen, aber die mitleidenden Angehörigen mit ihrem eigenen Mitleid
nicht zurechtkommen. Diese Situation ist häufiger gegeben, als wir uns das vorstellen
können. Es gehört geradezu zur Wechselseitigkeit der Perspektiven, dass die Leidenden ihre
Leiden besser hantieren können als die Angehörigen, die anstatt mitzuleiden „wehleiden“.
In dieser Situation bedarf es therapeutischer Begleitung insbesondere der Angehörigen,
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GRUNDSÄTZLICHES...
EINSTIEGSBEITRAG
„Wenn wir hier eine flächendeckende Versorgung erreichen,
bedeutet das:
Niemand in unserem Land braucht
aus Angst vor schmerzhafter
Erkrankung in einen durch andere
herbeigeführten Tod hinein
zu flüchten.“
manchmal gehört auch die Entlastung der
Angehörigen gegenüber den Patienten mit
zum therapeutischen Handeln.
Schwieriger wird die Situation, wenn die
Erkrankung ein solches Stadium erreicht
hat, dass durch Pflege ein unerträglicher
Leidenszustand verlängert wird. Die Frage
heißt: Gibt es eine Unterscheidung zwischen
sterbensverlängernder Pflege und sterbensbegleitender Pflegebegrenzung? Mit Pflegebegrenzung ist nicht die Beendigung liebevoll pflegender Zuwendung gemeint,
sondern das Begrenzen von Möglichkeiten,
die dem Patienten ein natürliches Sterben
erschweren oder gar verunmöglichen. Der
Begriff des natürlichen Todes ist immer wieder diskutiert und auch zu Recht immer wieder in Frage gestellt worden. Grundsätzlich
lässt sich sagen: Natürlicher Tod meint in
diesem Zusammenhang ein nicht durch
Fremdeinwirkung verursachtes Sterben.
Ein spezifisch deutscher Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um aktive Sterbehilfe
wird auf zwei Ebenen zu geben sein:
Zum einen werden wir auf die jüdischchristliche Tradition und die ambivalente
historische Erfahrung unseres Landes zu
verweisen haben und die uns darin als
historische Aufgabe gegebene Verpflichtung: die Gefährdung des Menschen durch
Selbstüberschätzung und durch Verharmlosung in Erinnerung zu bringen.
22
Bei genauerem Nachdenken ist jedoch zu konstatieren: Es ist in diesem Fall nicht das Motiv,
Herrschaft über die eigenen Lebensgrenzen auszuüben, sondern der Wunsch, anderen nicht
zur Last zu fallen. Dass dieses Motiv ehrenwert ist, steht nicht in Frage. Hier wird eine Lebenshaltung und Lebenseinstellung zum Ausdruck gebracht, die in einer prosozialen Gesellschaft
durchaus ihre Berechtigung, die aber im Kern mit der Frage aktiver Sterbehilfe nichts – gar
nichts – zu tun hat.
Es wird also nicht in Zweifel gezogen, dass es ein Selbstbestimmungsrecht des Menschen gibt
– zugleich aber muss gesehen werden, dass diesem Selbstbestimmungsrecht des Menschen
deutliche Grenzen gesetzt sind. Diese Grenzen sind ohnehin dort gegeben, wo die Rechte
anderer Menschen berührt sind, aber auch da, wo sich die Rechte auf einen Bereich beziehen,
der sich aus wohl überlegten Gründen der subjektiven Verfügbarkeit des Einzelnen zu entziehen hat – nicht zuletzt aus Gründen des Schutzes des Menschen vor sich selber.
Zum anderen hat sich eine palliativmedizinische Versorgung und eine Praxis der
Sterbebegleitung in der Form der Hospizbewegung entwickelt. Mit Hospizarbeit
und palliativmedizinischer Versorgung
kann das Versprechen einer menschlichen
Pflege und Begleitung bis zum Lebensende
verbunden werden.
Wenn wir hier eine flächendeckende Versorgung erreichen, bedeutet das: Niemand in unserem Land braucht aus Angst
vor schmerzhafter Erkrankung in einen
durch andere herbeigeführten Tod hinein
zu flüchten.
Damit ist jedoch noch nicht die Frage
behandelt, wie mit Menschen umzugehen
ist, die über Wochen, Monate und Jahre
nicht mehr bei Bewusstsein sind und
ausschließlich auf Pflege anderer angewiesen sind. Sowohl aus den Reihen der
unmittelbaren Angehörigen als auch von
professionell Pflegenden – wenngleich
nicht ohne ein schlechtes Gewissen –
kommen Überlegungen, diese Pflegebedürftigkeit und Pflegenotwendigkeit
in Frage zu stellen. Gerade ältere Menschen, die in Pflegeeinrichtungen täglich
erleben, wie der Alltag dieser Schwerstpflege aussieht, äußern den Wunsch,
nicht in völliger Abhängigkeit von anderen über Jahre hinweg „dahinvegetieren
zu müssen“.
Es gehört zur Professionalität von Pflege, auch dann weiter zu pflegen, wenn Kommunikation zwar nicht mehr möglich, das Leben jedoch noch nicht erloschen ist. Davon zu unterscheiden ist die durch Pflege verhinderte oder gar erschwerte Form des Sterbens. Ich weiß,
dass genau dies eine äußerst kritische Gradwanderung ist, und behaupte nicht, dass es
sich hier um einfache Fragen handelt. Im Gegenteil, es geht um die schwierigsten Fragen
zwischen Leben und Tod, die in der Praxis der Pflege behandelt werden. Gerade darin aber
wird die unersetzbare Verantwortung von Pflege deutlich.
Es bleiben Ambivalenzen. Genau diese große Nähe ist die größte Gefährdung von fachlich
angemessener – menschlich gebotener Pflege. Zur Pflege gehört nicht nur Nähe, zur Pflege
gehört auch die Fähigkeit zur Distanz, auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Gerade das ist
in der Pflege der engsten Angehörigen oft besonders erschwert.
Darum ist es sinnvoll und notwendig, gerade in diesen Fragen fachliche Hilfe in Anspruch zu
nehmen. Gerade das Balance- und Spannungsverhältnis zwischen Töchtern und Eltern – denn
es sind ja vor allem Frauen, die als erwachsen gewordene Kinder ihre Eltern pflegen – leidet
häufig darunter, dass sich das erziehungsbedingte Abhängigkeitsverhältnis aus der eigenen
Kindheit im hohen Alter plötzlich wieder reaktualisiert und eine angemessene pflegerische
Beziehung geradezu definitorisch verunmöglicht.
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...UND
EINSTIEGSBEITRAG
GANZ KONKRETES
ALTERSSUIZID –
„Ich
habe nichts,
worauf ich mich
noch freuen könnte.“
ein ethisches Problem
Margret Rittmann
Diesem sogenannten Bilanzsuizid wird in der Öffentlichkeit viel Verständnis und Zustimmung entgegengebracht. Denn er aktiviert eine in die eigene Zukunft phantasierte
Vorstellung von einem Leben, das – von Krankheit und Einschränkungen bedroht – „nur“
noch hilfsbedürftig und damit nicht mehr lebenswert ist. Diesem würde man selbst auch
entgehen wollen.
D
a das Thema „Alterssuizid“ bisher
noch wenig erforscht wurde, kann
mein Beitrag nur eine Problemanzeige sein.
Diese erscheint mir allerdings dringend
geboten.
Ich möchte dafür zwei Beobachtungen
nennen:
Zum einen ist die Zahl der Suizidtoten
seit Mitte der achtziger Jahre zwar gesunken und ist in den letzten Jahren tendenziell
gleich geblieben. Im Jahr 2001 starben in
Deutschland 11.156 Menschen durch Suizid ( 8.188 Männer und 2.968 Frauen ).
Entgegen diesem Verlauf ist aber festzustellen, dass sich der Anteil alter Menschen
( d.h. über 60 Jahre alt ) an den Suiziden
insgesamt überproportional erhöht hat.
Die Zahl der Suizide bei alten Menschen ist
gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt
deutlich höher. Diese Entwicklung ist bei
Frauen noch deutlicher zu verzeichnen als
bei Männern. So wird fast jeder zweite
Suizid einer Frau heute von einer über
24
60-Jährigen begangen. Auf 100.000 Personen
bezogen liegt die Suizidrate ab 60 Jahren
bei 37,5 % und verdoppelt sich bei den über
85-Jährigen nahezu. Hinzu kommt noch,
dass – auch aufgrund nicht als Suizid erkannter Todesursachen – die Zahl von Suiziden
vor allem bei alten Menschen wahrscheinlich noch unterschätzt wird.
Zum anderen ist zu beobachten, dass sich
die Reaktionen in der Bevölkerung nach dem
Suizid eines alten Menschen deutlich unterscheiden von denen beim Suizid eines
Jugendlichen: Während bei letzterem mit
Recht der Ruf nach Prävention laut wird,
wurde für den Alterssuizid das Wort „Bilanzsuizid“ geschaffen. Dieses gaukelt vor, es
handle sich beim Alterssuizid um eine
wohlüberlegte, von Emotionen weitgehend
freie Handlung, die nach dem Stand der
Bilanz auch nicht anders ausfallen könne.
So, als ob ein alter Mensch sich hinsetze,
eine Bilanz seines Lebens aufmache und
im Falle eines negativen Ergebnisses sein
Leben beende.
Dazu zwei Beispiele, die auch für andere stehen:
Da ist eine 74jährige Rentnerin. Bis auf altersbedingte Beeinträchtigungen war sie gesund.
Irgendwann klagte sie über eine depressive Stimmungslage und Schlafstörungen. Sie sei „wie
versteinert“ und könne weder Freude noch Trauer empfinden. Sie sagte, dass sie nicht mehr
allein in ihrer Wohnung leben könne, aber auch nicht in ein Pflegeheim wolle. Der einzige
Sohn lehnte es ab, die Mutter bei sich aufzunehmen: Ihre rigide und kontrollierende Persönlichkeit sei eine Zumutung für das Zusammenleben seiner Familie. Die Mutter wollte das
auch nicht verlangen, äußerte aber ihr Gekränktsein. Sie war zeitweilig in stationärer Behandlung und ihr Zustand schien sich zu bessern. Doch sie äußerte immer wieder: „Es wäre besser, ich wäre tot.“ Sie wurde eines Tages erhängt in ihrer Wohnung aufgefunden.
Da ist ein Mann, 73 Jahre alt – all die Jahre war er erfolgreich, unternehmungslustig und der
vitale Mittelpunkt seiner Familie gewesen. Nach einem Schlaganfall wurde er zum Pflegefall. Seine Frau pflegte ihn zu Hause. Dabei wurde sie von ihren Kindern unterstützt. Eines
Morgens fand sie ihren Mann erhängt.
Um einen Angehörigen zu trauern, der sich das Leben genommen hat, ist schwer. In den
Schmerz um den Verlust mischen sich Selbstvorwürfe, Scham und auch Wut, dass er/sie auf
diese Weise gegangen ist. Aber nun kommt zusätzlich beim Suizid eines alten Menschen der
Witwe und den Kindern von seiten ihrer sozialen Umgebung entgegen, dass sie „doch froh
sein sollten, dass es so gelöst ist und dass man selbst das genauso gemacht hätte“.
In Gesprächen mit Hinterbliebenen wird deutlich, dass diese Haltung der Umwelt als sehr
verwirrend erlebt wird und den Trauerprozess zusätzlich erschwert. Man würde zu weit
gehen, wenn man sagte, dass die Gesellschaft damit den Suizid alter Menschen toleriere.
Aber durch Zustimmung und Einverständnis wird die Suizidhandlung alter Menschen zumindest als naheliegende Lösung präsentiert.
Damit wird die Frage nach dem Wert des Lebens an den Rand gedrängt. Es sind zwar unausgesprochen Werte im Spiel („Dann wäre für mich Leben auch nicht mehr lebenswert“), aber
sie werden nicht wirklich diskutiert.
Denn die suizidale Krise im Alter ist eine Krise der Wertorientierung. Das zeigen Äußerungen wie: „Ich habe nichts, worauf ich mich noch freuen könnte.“ „Ich falle allen doch nur
noch zur Last.“
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...UND
EINSTIEGSBEITRAG
GANZ KONKRETES
„Ich falle allen
doch nur noch
zur Last.“
Dabei ist die rationale Bewertung der als
belastend erlebten Bedingungen nicht entscheidend. Die so genannte Bilanz ist eben
nicht eine Bilanzziehung, sondern ebenso
eine Affekthandlung, d.h. eine emotional
gesteuerte Handlung, wie bei jüngeren
Menschen, eine Verzweiflungstat. Festzuhalten ist, dass ein Suizid in keinem Alter
ein Entschluss ist, der in Sekunden fällt. Ihm
geht immer eine Krise, ein langer Prozess
der Ent-Wertung voraus.
Notwendig wäre eine angemessene Verarbeitung der spezifischen Krise, in die
ein älterer Mensch geraten ist und die
ihn suizidal reagieren ließ. Das heißt
zuerst, diese exakt wahrzunehmen und
als Krise wertzuschätzen: So etwa die
veränderte Lebenssituation (Rollenverlust
durch das Ende der Berufszeit, Verlust
der Partnerin, des Partners, der Freunde)
„Erzähl mir dein Leben,
dein Gelingen, dein Scheitern,
deine Konflikte“
oder die völlig andere Körperwahrnehmung (z.B. nach einem Schlaganfall). Sich
den eigenen Wert zu bestätigen und ein
neues Lebensbild zu entwickeln, scheint
aber in manchen Fällen durch die jeweilige Persönlichkeitsstruktur (ein radikales
Entweder-Oder-Denken und ein rigides
Umgehen mit den eigenen Idealvorstellungen) behindert zu sein.
26
Jede Suizidhandlung hat auch mit einem
Trauma zu tun, dies muss in spezifischer
Weise auch für den Alterssuizid gesehen
werden. Wichtig für die Begleitung dieser
Menschen ist also zu wissen, welche Rolle
Traumatisierungen aus ihrer Kindheit,
Jugend oder frühem Erwachsenenalter
spielen. Es ist sicher von Bedeutung, dass
die Generation der heute über 60-Jährigen
die sogenannten „Kriegskinder“ waren. In
ihr Lebensgefühl im Alter mischen sich
möglicherweise Erfahrungen aus der Zeit
des Nationalsozialismus und des Krieges,
die im Aufschwung des Wirtschaftswunders
zurückgedrängt waren und ein Selbstbild
schufen, das sich ganz über Arbeit definierte.
Es geht um die Verarbeitung von Schwäche.
Die Herausforderung besteht darin, zu verstehen, wann und warum dies bei einem
Menschen zu radikaler Selbstentwertung
und Selbstzerstörung führt und wie dem
entgegengewirkt werden kann.
Eine suizidale Krise, verstanden als Zusammenbruch der eigenen Werthaftigkeit
und eines tragenden Bildes von sich
und dem Leben, ist ein Schrei nach einem
Wert, nach einem neuen, angemessenen,
tragfähigen Bild von sich und vom Leben.
Dies ist Thema der Beratung suizidgefährdeter Menschen.
Dabei sind folgende Schritte in der Suizidprävention sinnvoll:
Distanz ermöglichen zur Krise
Auch ein Mensch, der sich und seine Lebensumstände total entwertet, hat sich irgendwann
einmal als wertvoll erlebt. An diese Ressourcen ist anzuknüpfen.
Beziehung herstellen
In der exemplarischen Beziehung zur Beraterin, zu Nachbarn, Angehörigen oder zum
Mitglied eines Besuchsdienstes gibt es wieder Beziehung. Da geht jemand mit, der
Zuversicht verkörpert, der (im Sinne von „containing“) all die negativen Gefühle aufnimmt,
mitträgt und in verträglichen Portionen im Gespräch zumutet.
Stärkung des Selbstwertgefühls und Erarbeiten eines neuen Wertes
Alles andere als das sog. „Leiern“, das immer gleiche wiederholende Reden, ist die „erlaubte“
Selbstdarstellung. Die alte Tradition des Erzählens eröffnet Raum für: „Erzähl mir dein Leben,
dein Gelingen, dein Scheitern, deine Konflikte“. Dadurch werden wahrscheinlich Dinge zur
Sprache kommen, die doch endlich einmal
gehört werden sollen, auf die das „ewige
Leiern“ paradoxerweise in seinem Überdecken
aufmerksam machen wollte.
Arbeit an Idealen und an einer realistischen
Lebensgestaltung
Dies braucht Zeit und fachkundige Unterstützung durch Seelsorge und evtl. auch Psychotherapie.
So sehr die jeweiligen Erfahrungen und Persönlichkeitsstrukturen individuell sind und
persönlich bearbeitet werden müssen, so sehr
sind Werte aber meiner Ansicht nach nichts Privates. Die von seiten der Ethik diskutierte
Frage, ob der Suizid moralisch zu rechtfertigen ist oder nicht, lenkt vom eigentlichen
Problem ab. Der Mensch, der sich das Leben nimmt, fällt aus Beziehung heraus.
Wenn Leben Beziehung ist (Martin Buber) und Beziehung Gegenseitigkeit, dann hat der
Alterssuizid ethisch seinen Platz nicht im Privaten. Das Scheitern des Einzelnen hat dann
mit den Werten zu tun, die eine Gesellschaft entwickelt und vermittelt. Es ist die Frage nach
den Ressourcen des menschlichen Zusammenlebens, damit aber auch eine Herausforderung
an die Verkündigung und Seelsorge der Kirchen, die die vorbehaltlose Annahme des
Menschen bezeugen.
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EINSTIEGSBEITRAG
GANZ KONKRETES
DIE CHRISTLICHE PATIENTENVERFÜGUNG
Ursula Beykirch
VORSORGE FÜR DIE KRANKHEITS- UND
STERBEPHASE
S
elbst darüber zu bestimmen, welche
Diagnosemaßnahmen und Therapien
man im Krankheitsfall wünscht, ist selbstverständlich, solange Patienten in der Lage
sind nach Aufklärung durch den Arzt, eine
Entscheidung zu treffen. Doch was geschieht,
wenn Patienten nicht mehr in der Lage sind,
ihren Willen zu bilden oder zu äußern? Wer
entscheidet, wenn ich selbst nicht mehr
entscheiden kann? Bei dieser Frage setzt die
„Christliche Patientenverfügung“ an, die
vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland gemeinsam herausgegeben wurde und seit dem Frühjahr 2003
in zweiter Auflage vorliegt.
Die „Christliche Patientenverfügung“ ist ein
Angebot, Vorsorge in Gesundheitsangelegenheiten zu treffen.
Zur Vorsorge gehört Kommunikation. Die
„Christliche Patientenverfügung“ bietet eine
Grundlage für Gespräche über das Sterben,
über erwünschte und unerwünschte Schritte
im Falle einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Im ersten Teil der Handreichung
werden auf der Basis des christlichen
28
Menschenbildes Sterben und Tod des Menschen sowie Aspekte menschenwürdiger
Sterbebegleitung durchdacht. Konsequent
wird jede Form vorzeitiger Tötung, also
aktive Sterbehilfe, die in den aktuellen
Diskussionen immer wieder eine Rolle
spielt, strikt abgelehnt. Menschenwürdiger
Umgang mit sterbenden Menschen setzt
stattdessen auf ein Optimum an Leidensminderung und menschlicher Begleitung.
berücksichtigt werden. Die Kombination von Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und
Betreuungsverfügung im Formularteil der Broschüre ermöglicht eine gut handhabbare Vorsorge. Die konkreten Wünsche des Patienten werden schriftlich niedergelegt und eine Person
des besonderen Vertrauens wird bevollmächtigt, in der Krankheits- und Sterbephase diese
Wünsche und Vorstellungen den Ärzten und Pflegenden gegenüber zu vertreten.
Wo etwa aufgrund einer speziellen Erkrankung ergänzende Verfügungen in das Formular der
Patientenverfügung eingetragen werden, empfiehlt es sich, den genauen Inhalt und die Konsequenzen dieser Verfügungen mit der Hausärztin oder dem Hausarzt zu besprechen. Eine
Bestätigung dieser stattgefundenen Besprechung im Formular durch die Unterschrift des
Arztes ist zwar juristisch nicht notwendig, könnte aber im Ernstfall die Akzeptanz erhöhen.
Zur Vorsorge gehört Information. Im dritten
Teil der Handreichung finden sich Erläuterungen zu medizinischen und juristischen
Sachverhalten in übersichtlicher Anordnung.
Es werden Begriffe erklärt und Hinweise zu
häufig gestellten Fragen gegeben, wie beispielsweise zum Verhältnis von Arzt und
Patient allgemein oder zur Pflege in Hospizen und zur Schmerztherapie im Besonderen. Die Erläuterungen erleichtern die Orientierung in ungewohnter Materie und bieten
so Hilfe für die selbstbestimmte Vorsorge.
Vorsorge muss praktisch handhabbar sein. Deshalb werden in einem eigenen Abschnitt „Was
ist zu tun?“ die konkreten Schritte, die man nacheinander durchdenken und erledigen sollte,
in übersichtlicher Kürze beschrieben. Außerdem enthält die Handreichung ein abtrennbares
Zweitexemplar des Formularteils, das man der bevollmächtigten Person aushändigen kann. Damit
im Ernstfall die behandelnden Ärzte auch wissen, dass eine Patientenverfügung vorliegt, findet
sich im Formularteil ein abtrennbares Kärtchen in Scheckkartenformat, das man – wie etwa
die Krankenkassenkarte – bei sich tragen kann. Auf ihr können der Aufbewahrungsort der
Verfügung sowie Name und Adresse der bevollmächtigten Person vermerkt werden.
Vorsorge bedarf der Konkretion. Nur wenn
Angehörige und Freunde und auch die
behandelnden Ärzte und die Pflegekräfte
wissen, welche Wünsche ein Patient oder
eine Patientin hat, können diese auch
Diese Art der Vorsorge bietet ein Höchstmaß an Gewähr dafür, dass eigene
Wünsche und Vorstellungen bei schwerster Krankheit und in der
Sterbesituation auch dann zum Tragen kommen, wenn
man außer Stande ist, sie selbst zu äußern. Die
„Christliche Patientenverfügung“ will dazu beitragen,
die letzte Phase im Leben eines Menschen im
Respekt vor der Individualität und der Würde der
Person, medizinisch, menschlich und seelsorglich
in Sinne dieses Menschen zu begleiten.
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EINSTIEGSBEITRAG
GANZ KONKRETES
H aus der Gastlichkeit, Einkehr und Pflege für sterbende Menschen – das möchte das Hospiz sein.
O rt des Lebens, Ort der Begegnung im Erleben der letzten Wegstrecke – das möchte das Hospiz werden.
S terbende Menschen und ihre Angehörigen nicht einsam und ratlos lassen, sondern sich ihrer annehmen,
sie begleiten und pflegen – das möchten wir in unserem Hospiz.
Pflege und Zuwendung, die sich nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Sterbenden richten – das möchten
die Helferinnen und Helfer im Hospiz verwirklichen.
I deale Verhältnisse werden wir im Hospiz nicht schaffen können. Wir möchten aber versuchen, Sterben und
Roswitha Kottnik
Tod im christlichen Glauben gemeinsam zu erleben und zu verstehen.
Z usammenarbeit mit betroffenen Familien, Freunden, Diakonie- und Sozialstationen, ambulanten Diensten,
Hausärzten, Krankenhäusern und Altenheimen ist dem Hospiz eine selbstverständliche Voraussetzung.
So buchstabiert ein Hospiz in Deutschland im Hausprospekt das Selbstverständnis seiner Arbeit.
HOSPIZ – EINE IDEE SETZT SICH DURCH
or gut 20 Jahren noch argwöhnisch betrachtet, hat sich die Hospizbewegung
zu einer geschätzten, ja bewunderten Aktivität vieler Frauen und Männer gewandelt.
Am Anfang waren es einige Wenige, die die
Ängste sterbender Menschen in Krankenhäusern, ihre Verlassenheit in Alten- und
Pflegeheimen, die totale Überforderung von
Familienmitgliedern bei der Pflege ihrer sterbenskranken Angehörigen, gesehen haben und
etwas ändern wollten. In kleinen Gruppen
haben sie sich zusammengefunden, nicht selten als Besuchsdienst in einer Gemeinde tätig,
begleitet von engagierten Ordensfrauen und
-männern, Pfarrerinnen, Diakonen. Oft kritisch
betrachtet von offiziellen kirchlichen Gremien.
Aus dieser anfänglichen Skepsis ist eine große
Wertschätzung geworden. Sie wird deutlich
an der 1989 von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen
Kirche Deutschlands gemeinsam verfassten
Erklärung „Gott ist ein Freund des Lebens –
Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz
des Lebens“. Dort wird der Hospizbewegung
deutlich Anerkennung ausgesprochen. Die
Gemeinden werden ermutigt, Sterbende zu
begleiten, Krankenhäuser und Pflegeheime
werden ermuntert, sich der Aufgabe der Sterbebegleitung wieder verstärkt anzunehmen, durch
gute Begleitung Profil zu zeigen.
V
So ist es inzwischen gelungen, Sterben und
Tod aus der Tabuzone herauszuholen. Sterben wird nicht mehr als zu verdrängender,
30
angstbesetzter Vorgang erlebt, sondern zunehmend als Teil des Lebens, der gestaltet werden kann und an dem auch der Begleitende
reifen kann. So ist in gut 20 Jahren aus einem
kleinen Anfang eine hochdifferenzierte Arbeit
geworden. In der Hospizarbeit engagieren sich
ungefähr 40.000 Menschen, überwiegend
Frauen. Es gibt in Deutschland über 1.000
Hospizgruppen. Sie begleiten Menschen zu
Hause, im familiären Umfeld, im Krankenhaus
oder im Pflegeheim. Mehr als 100 stationäre
Hospize nehmen Patienten auf, deren Pflege
und Versorgung zu Hause nicht mehr möglich
ist. Über 70 Palliativstationen ermöglichen
Patienten mit schwersten onkologischen Krankheitsbildern, auch die letzte Lebenszeit medizinisch gut versorgt, schmerzfrei und an ihren
Bedürfnissen orientiert gepflegt, in einer wohltuenden Atmosphäre zu verbringen.
EHRENAMTLICHE – DER SCHATZ DER HOSPIZBEWEGUNG
Hospizarbeit ist von ihren Anfängen her ehrenamtliches Engagement. Männer und Frauen
bringen ihre Alltagskompetenz, persönliche
Lebens- und Berufserfahrung mit. Die Kurse
der Hospizvereine dienen der sorgfältigen Vorbereitung auf die besonderen Aufgaben im
Hospizdienst. Sie befähigen die Ehrenamtlichen,
Wünsche und Bedürfnisse der sterbenden
Menschen, ihrer Angehörigen und Freunde
wahrzunehmen. Wer sich in der Hospizarbeit
engagieren möchte, muss bereit sein, die
eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln,
Lebenswissen und Erfahrung einzubringen.
Grundwissen zur psychosozialen, pflegerischen und seelsorgerlichen Versorgung sterbender
Menschen werden in den Fortbildungsangeboten der Hospizgruppen vermittelt und vertieft. Der
Austausch in der Hospizgruppe, Hilfe und Begleitung in Konfliktsituationen sowie Supervision
entlasten und stärken die Ehrenamtlichen. Wer sich für die Mitarbeit interessiert, erhält in den
örtlichen Hospizgruppen alle nötigen Informationen.
STERBEBEGLEITUNG IST AUCH TRAUERBEGLEITUNG
Sterben heißt Loslassen, Abschied nehmen. Das ist mit Gefühlen der Traurigkeit und der Trauer verbunden. Der sterbende Mensch nimmt Abschied von seiner Lebenskraft, seinem Können, vielen
Wünschen und Hoffnungen. Er nimmt Abschied von den Menschen, die ihn durch sein Leben begleitet haben. Familie und Freunde trauern über den drohenden Verlust eines geliebten und vertrauten
Menschen. Sie trauern vielleicht auch über den Verfall, wenn sie miterleben, wie Krankheit einen
Menschen seelisch und körperlich verändert. Diese Trauer braucht Raum.
Es ist nicht leicht, in einer Gesellschaft, die alles, was vergangen ist, schnell hinter sich lässt, der
Trauer Zeit und Raum zu geben. Dabei ist längst bekannt, dass nicht zugelassene, verdrängte Trauer
sich andere Wege sucht. Verdrängte Trauer kann ein ganzes weiteres Leben belasten. Hier hält die
Hospizbewegung unserer Gesellschaft einen Spiegel vor, lädt zum Innehalten ein, zur Annahme der
Trauer. Sie macht Mut und bietet Hilfe an, sich mit dem Verlust auseinander zu setzen. Wer Trauer
zulässt, kann sie auch bearbeiten und bewältigen. Nur so öffnen sich neue Lebensperspektiven. Deshalb bieten alle Hospizgruppen auch Trauerbegleitung an.
GOTT IST EIN FREUND DES LEBENS
Sterbebegleitung ist eine uralte Aufgabe christlicher Barmherzigkeit. Sie versteht sich als Ausdruck
dessen, dass Gott jedem Menschen Würde gegeben hat. Sie hat ihren letzten Ursprung darin, dass
Gott diesen Menschen gewollt hat und ihn als sein Geschöpf bedingungslos liebt. Verletzbar ist diese
Würde in Krisenzeiten. Das Erleben von schwerster Krankheit und Sterben ist extreme Krisenzeit.
In solchen Zeiten ist behutsame Begleitung gefordert, damit gelingen kann, was die Kirchen in ihrem
gemeinsamen Wort ausgedrückt haben: „...Sterben ist gewiss kein angstloses, aber ein angstbestehendes, angstüberwindendes Sterben, ein Sterben in Frieden, in dem der Sterbende mit seiner Lebensgeschichte und mit seinen Angehörigen ins Reine kommt. Christen wünschen und wollen, dass es
ein Sterben sei, das der betroffene als die letzte Phase seines Lebens selbst lebt, nicht umgeht und
nicht auslässt. Aber da jeder den Umständen des Sterbens auch immer ausgeliefert ist, ist würdig zu
sterben Gnade und eigenes Werk zugleich.“ (aus: Gott ist ein Freund des Lebens, Gemeinsame
Erklärung des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz).
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EINSTIEGSBEITRAG
GANZ KONKRETES
Sterbenden
heilsam beistehen
Heinrich Pera
S
terben ist Leben und fordert Wahrhaftigkeit, Sensibilität und Aufmerksamkeit.
Der Mensch kann sich als Mensch nur entfalten, wenn nach seiner Geburt Menschen
da sind, für ihn, mit ihm. Er kann sich aus
seinem Leben als Mensch nur verabschieden, wenn er in seinem Sterben nicht allein
ist, sondern jemand da ist, für ihn, mit ihm.
Ein neugeborenes Kind braucht, um leben
zu können, Luft, Wärme, Nahrung, Zuwendung, Pflege, Geborgenheit und Kontakt.
Ein Sterbender braucht, um loslassen zu
können, dies gleichermaßen. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Den Acker deines
Lebens kannst du nicht allein bestellen. Den
Dschungel in deinem Herzen kannst du nicht
allein roden. Das Wort, das dir weiterhilft,
kannst du dir nicht allein sagen“.
Fragen nach Sinn und Endlichkeit menschlichen Lebens, nach Schuld, Gebrochenheit
und Hoffnung benötigen den Dialog und – aus
christlicher Sicht – nicht nur den
Austausch zwischen den Menschen, sondern die gelebte
Beziehung zu Gott, dem
Schöpfer und Freund
allen Lebens.
32
SYMBOLE UND RITEN – SPRACHE IN EINER
SPRACHLOSEN ZEIT.
In der Hospizbewegung und bei „Palliativ
Care“ geht es um eine angemessene und
umfassende Versorgung von Patienten ab
dem Zeitpunkt, da ihre Krankheit nicht mehr
auf eine heilungsorientierte Behandlung
anspricht. Es geht darum, für Schwerstkranke und Sterbende wie auch für ihre
Angehörigen die „bestmögliche Lebensqualität bis zuletzt“ zu verwirklichen. Eine
palliativ-medizinische Hilfe und pflegerischmenschliche Begleitung sowie seelsorgerlich-geistlicher Beistand am Lebensende
sind nur in einem Miteinander möglich.
Die immer wiederkehrende Fragen, warum
ich, warum jetzt, kann letztlich nicht beantwortet werden. Aber Ziel ist es, diese zu
bestehen. Besondere Bedeutung haben die
Angehörigen, denn sie sind Mitleidende.
Das Angebot schließt immer aus, zu vereinnahmen oder in eine bestimmte Richtung
zu drängen. Selbstverständlich bin ich als
Christ gefordert, so gut es geht, von meinem
Glauben und meiner Hoffnung zu sprechen,
voller Echtheit und auch ankommender
Zweifel und Fragen. Orientierung
gibt Jesus
Christus, er
fragt den Kranken:
Was willst du von mir?
Nicht selten sind wir in der Begegnung mit schwerstkranken, sterbenden und trauernden
Menschen sprachlos. Die Sprache in einer solchen Situation sind Symbole und Rituale. Sie
begleiten nicht nur religiöse Menschen, sondern jeden auf seinem Lebensweg. Sie sind wie
Türen zu tieferen Schichten in uns. Es ist eine Kunst, Symbole und Riten zu entdecken. Sie
können entlasten, Wachstum ermöglichen, Schutz schenken, lassen Sinn finden, können
der Seele Antwort sein. So gewachsene Symbole und Riten sind intensive und heilsame Kommunikation mit sich selbst, mit den Mitmenschen und mit Gott. Es ist wie bei der Begegnung Jesu mit Zachäus (Lk 19,1-11): Zachäus erlebt, ich werde angesehen und daraus erwächst
Ansehen. Er erfährt, ich werde mit meinem Namen angesprochen und dieser Jesus von Nazaret will mit mir – an meinem Tisch – Mahlgemeinschaft halten. So wird die Begegnung ein
Ort der Wandlung.
Kranke und leidende Menschen haben im Leben Jesu ein bevorzugte Stellung. Er selbst sagt es:
dazu bin ich gekommen. Seine Sendung lautet: Geht und verkündet die gute Nachricht: Du
Mensch bist einmalig und wertvoll und hast einen Namen vor jeder Leistung und trotz aller
Schuld. Dieser Auftrag verdichtet sich für katholische Christen in intensiver Weise in den
Sakramenten. In diesen Heilszeichen wird die Liebe des Vaters erlebbar, die Verbundenheit
Christi und der Trost des Geistes. In der Krankheit und am Lebensende sind dies insbesondere
Krankensalbung, Buße und Versöhnung und der Empfang der Kommunion als Wegzehrung.
KRANKENSALBUNG
Die Krankensalbung ist Hilfe zum Leben. Das Leben soll gestärkt werden – bis zuletzt. Das
hat nichts zu tun mit dem irrtümlichen Verständnis einer „letzten Ölung“ oder „Absalbung“.
Wo immer die Krankensalbung von Kranken und Angehörigen ausschließlich als Todesankündigung und als Siegel der Wiedergutmachung eines nicht bewältigten Lebens im Tod
verstanden wird, ist der Sinn dieses Heilszeichens verfremdet. Verständnis, Verkündigung
und Spendung der Krankensalbung müssen bei der Krankheit als einer schmerzlichen Lebensphase ansetzen, in der sich der Mensch in seiner Gebrochenheit und Ohnmacht erfährt.
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GANZ KONKRETES
Gebrochenheit und Ohnmacht erlebt nicht
nur der Patient, sondern auch der Ehepartner und die Kinder. In dieser Situation will die Krankensalbung zeichenhaft Antwort sein, schenkt sie Mut zur
Selbstannahme und lässt auch durch das
Gebet der Gemeinde die verlässliche Nähe
Gottes erfahren.
neigen Menschen bei ernster Erkrankung
zu einer Art Lebensbilanz, zum Nachdenken über ihr Leben, über Beziehungen, über
genutzte und verpasste Möglichkeiten.
Die Feier der Buße und der Versöhnung
bieten an, sich dem Erbarmen Gottes zu
öffnen, sich auszusöhnen, versöhnt zu
in die communio, die Mahlgemeinschaft in Christus. Kommunion als Wegzehrung will sagen,
„von Gott bei der Hand genommen“ und „über die Schwelle des Sterbens geführt“ zu werden. Als Brot des Lebens ist es Speise auf dem Weg hinüber, zum Vater – zu Gott.
Dieses Heilszeichen als Angebot für Kranke kann Hilfe und Brücke sein zur Annahme des
Unannehmbaren, der Krankheit, zur Bejahung quälender Sinnlosigkeit, zur Anheimgabe
auch an die Einsamkeit der Not und des Sterbens, zur Annahme eines noch unerkennbar
neuen Lebens als Verheißung Gottes. Und in diesem Vertrauen auf „sein Wort hin“ kann es
geschehen, dass mitten im Unannehmbaren, mitten in der Sinnlosigkeit und Angst, mitten
in der dunkelsten Verlassenheit Gewissheit keimt, dass dies alles das Tor zum Geheimen,
die Tür zu einer Geborgenheit und Liebe ist, die keines Beweises mehr bedarf.
Zeichen sind Gebärden, die sprechen:
Das Öl als altes und vielleicht noch immer
vertrautes Zeichen medizinischer Hilfe und
Linderung sowie als Zeichen der Unangreifbarkeit. Wie sich in der Antike die
Ringkämpfer vor ihrem Kampf auf
Leben und Tod mit Öl einrieben, damit der
Gegner sie nicht packen konnte, so werden
Hände und Stirn im Zeichen des Kreuzes
gesalbt. Dieses Zeichen verweist auf den
Glauben an Jesus Christus, damit die
Anfeindungen des Glaubens, wie Verbitterung und Verzweiflung, Ängste und
Schuldgefühle, den Menschen in seiner Not
nicht niederringen. Die Krankensalbung
bringt in erster Linie eine trostreiche,
entlastende, ermutigende, eine heilsame
Botschaft: Du bist nicht allein in deiner
Situation des Loslassens, des Leidens und
der vielen Fragen.
BUßE UND VERSÖHNUNG
Krankheit wirft den Menschen häufig auf
sich selbst zurück, mit den radikalsten,
schwersten Lebensfragen. Ein gläubiger
Mensch sieht sich und sein Leben in einer
solchen Situation auch immer vor Gott. Wie
in kaum einer anderen Lebenssituation
34
werden, zu vergeben, sich vergeben zu
lassen. So kann Versäumtes, Übersehenes,
Verhärtetes, kann Schuld als Störung der
Beziehungen zur Mit- und Umwelt, zu sich
selbst und zu Gott reflektiert werden. Nach
meiner Erfahrung vermag der Empfang des
Sakramentes der Buße und Versöhnung in
einem Menschen Kräfte freisetzen, die vorher vielleicht durch Verdrängung, Vermeidung, Scheu oder so vieles vermeintlich
Wichtigeres verbraucht wurden. Da geschieht
nicht nur seelische Aufrichtung, sondern es
geht immer um den ganzen Menschen.
Wie die Krankensalbung ist die Feier der
Buße und Versöhnung die große Möglichkeit zum Durchbruch, zur immer neuen
Wende, ein Leben mit Jesus Christus, den
Mitmenschen und sich selbst zu finden.
KOMMUNION ALS WEGZEHRUNG
Der Empfang der Kommunion ist für katholische Christen Sakrament der Wegzehrung
– Gegenwart Gottes. Sie ist Stärkung das
ganze Leben hindurch, in Krankheit und
Leid, aber auch in der Lebenskrise des Sterbens. Seit den Tagen der alten Kirche ist es
Brauch, das eucharistische Brot zu den Kranken zu bringen, sie so mit hineinzunehmen
TROST ODER VERTRÖSTUNG – UNSER UMGANG MIT DEN TRAUERNDEN
Hier weise ich auf die wichtige Abschiednahme der Angehörigen und Freunde von ihrem
geliebten Mitmenschen hin. Es ist nicht mehr selbstverständlich in der Familie und Nachbarschaft eine Totenwache mit Gebeten zu halten. Die veränderten Gegebenheiten
erschweren es, ja machen sie oft unmöglich. Hier sollten wir mit allen Möglichkeiten neue
Wege suchen und in unseren Familien und Gemeinden heilsamen Beistand leisten. Sterben
und Tod eines nahestehenden Menschen verfinstert das Leben. Wie soll es weitergehen?
Sind wir eigentlich noch bei Trost? Wer kann trösten?
Es ist billiger, ja verletzender Trost, wenn ich trauere und im „Loch“ sitze und mir ein Mitmensch sagt: Kopf hoch! Es wird schon werden! Es gibt doch Gott! Glaube doch! Es gibt auch
kostbaren Trost: Er weitet den Horizont und sucht Möglichkeiten, die in jedem Menschen
vorhanden sind, sich tastend dem Leben zuzuwenden. Für uns ist Garant und Quelle dafür
der Geist Gottes, Beistand und Tröster. Dieser Trost schenkt Hoffnung. Trauernde werden
ermutigt, sich ihrer Tränen nicht zu schämen. Tränen sind das Wasser der Seele. Sie sollen
nach außen strömen und nicht nach innen. Kriterien für kostbaren Trost ist, ob der Zuspruch
„einleuchtend“, ob er annehmbar und nachvollziehbar erscheint. Wahrer Trost erhellt. Er lässt
neue Wege wachsen, Wege, auf denen Beziehungen sich wandeln – Emmauswege.
Für mich bleibt das Sterben und der Tod immer ein einmaliges Erleben und wie Gott ein
Geheimnis. Verstehen können wir diese Geheimnisse nicht. Wir können versuchen, sie zu
bestehen. Wo wir einander begegnen sind wir Lebende und Hoffende.
Ein Gedanke von Raphael Hombach fasst dies zusammen:
„Stirb mit dem, der lebt, dass du auferstehst mit dem, der gestorben ist
und lebst mit dem, der auferstanden ist.“
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krank machen. Insbesondere die Trauer nach dem Tod eines geliebten Menschen ist
schmerzhaft und braucht Zeit – und passt darum so schlecht in unsere schnelllebige
„Spaßgesellschaft“. Je nach den Todesumständen, der Beziehung zum Verstorbenen,
den eigenen Verlusterfahrungen und den aktuellen Lebensumständen verlaufen Trauerprozesse individuell sehr unterschiedlich.
Dennoch haben alle Trauernden ähnliche Aufgaben zu bewältigen, wenn es z.B. darum geht,
im Sehen und Berühren des Toten der Realität des Verlusts zu begegnen oder Gefühle von
Sehnsucht und Wut auszudrücken, bevor sie sich von liebgewordenen Erinnerungen an
den Verstorbenen trennen können. In diesen individuellen Begegnungen haben sowohl
Freunde und Bekannte als auch hauptamtlich Seelsorgende häufig Berührungsängste mit
Trauernden, die intensivere Kontakte verhindern: Ängste vor intensiven Emotionen – auch
Aggressionen – und vor existenziellen Fragen, angesichts derer sich Begleitende oft selbst
als hilflos erleben. Dabei sind vordergründige Antworten meist gar nicht gefragt, sondern
erst einmal jemand, bei dem man klagen darf – hier gilt: Aushalten statt Vertrösten! Gerade
wer in der ersten Zeit der Trauer für Hinterbliebene nicht die richtigen Worte findet, kann
sich beim nächsten Gedenktag, dem Geburtstag des Hinterbliebenen oder den ersten allein
verbrachten Feiertagen melden, um dann seine damalige Betroffenheit und gleichzeitige
Verlegenheit zum Ausdruck zu bringen. Eine stumme Umarmung am Grab ist oft wahrhaftiger und tröstender als krampfhaftes Suchen nach treffenden Bibelzitaten für die Trauerkarte! Hinterbliebene fühlen sich leer und beraubt, haben Schuldgefühle, sind verletzlich.
FÜR EINE KULTUR DES
ABSCHIEDNEHMENS
Karin Wilkening
K
ultur ist ganz allgemein ein System von
Werten, Normen und Symbolen, das
sich in unserem Verhalten offenbart und
zu dem auch der Gebrauch gewachsener
und Sinn stiftender Rituale gehört. So gesehen stehen die Chancen für eine hochentwickelte „Kultur des Abschiednehmens“, in
der auch Ängste und Gefühle zu Sterben und
Trauer Raum finden, heutzutage schon deswegen schlecht, weil unsere Begegnungsmöglichkeiten mit dem Tod rar geworden
sind. Das vorwiegend institutionalisierte
Sterben in Krankenhäusern und Pflegeheimen – quasi die Kehrseite von Medizinfortschritt und Langlebigkeit – hat dazu geführt,
dass wir heute in Deutschland 50 Jahre
alt werden können, ohne je einen Toten
gesehen zu haben. Damit sind uns auch
gemeinsam erlebte Rituale in der Versorgung Verstorbener, wie z.B. Aufbahrung und
Totenwache, abhanden gekommen.
36
Nicht nur Gefühle bleiben ohne Ausdruck,
auch zutiefst religiöse Sinnfragen bleiben
oft unausgesprochen und ohne Resonanz –
Fragen, die jedoch auch kirchenferne
Menschen, z.B. in Trauergesprächskreisen
und Hospizseminaren, angesichts von Tod
und Sterben bewegen und für die sie dringend Gesprächspartner suchen. Im Folgenden werden hierzu quasi als „erste Hilfe in
letzten Dingen“ drei Bereiche in ihrer
„Kultur des Abschiednehmens“ blitzlichtartig beleuchtet: die individuelle Begegnung
mit Trauernden, die Ebene von kirchengemeindlichen Angeboten und der institutionelle Kontext des Sterbeorts Pflegeheim.
INDIVIDUELLE BEGEGNUNGEN – MIT
TRAUER LEBEN LERNEN
Trauer als natürliche Reaktion auf eine
Verlusterfahrung ist keine Krankheit, doch
verdrängte Trauer kann Seele und Körper
Sie brauchen die Solidarität der Gleichbetroffenen und die Unterstützung auch durch
eventuell neu zu knüpfende soziale Netze. Da Glauben nicht vor Trauer schützt, sind
religiöse Zweifel normale Begleiterscheinungen von Trauer. Kontinuierliche gemeindliche
Angebote, die nicht immer viel Zeit kosten, sind hier nicht nur im ersten Jahr als wichtige
Zeichen der Verbundenheit gefragt.
KIRCHENGEMEINDLICHE ANGEBOTE – DER RUF TRAUERNDER NACH BEGLEITUNG
War früher das kirchliche Begräbnis gesuchter Ausdruck einer lebenslangen, selbstverständlichen Religiosität von Verstorbenen und Hinterbliebenen, so ergeben sich heute bei Bestattungen für Seelsorgende häufig nach langen „Sendepausen“ eher zwangsläufige Kontakte auch
zu kirchenfernen Menschen. Diese Kontakte werden im Alltag kirchlichen Handelns oft
nicht als das verstanden, was sie auch sind – nämlich wichtige Chancen zur Neu- und Wiederbegegnung im Glauben mit Hinterbliebenen! Deshalb lohnt sich der Blick auf ein paar erprobte
Angebote, die – ohne allzu großen Zeitaufwand und in Kombination von haupt- und
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EINSTIEGSBEITRAG
GANZ KONKRETES
ABSCHIEDSKULTUR IM ALTENPFLEGEHEIM – ORTE DER GEMEINSAMEN VERANTWORTUNG
Immer noch sterben die meisten Menschen trotz Hospizbewegung nicht zu Hause,
sondern im Krankenhaus und Altenpflegeheim. Wie kann dort hospizliche Begleitung
realisiert werden, trotz eingeschränkter Ressourcen? Hier gilt ganz besonders, dass
Abschiedskultur mehr ist als Sterbebegleitung in den letzten Stunden. Insbesondere
demenzkranke Menschen sind in ihren letzten Wochen und Monaten auf eine von allen
Mitarbeitern und der Leitung getragene „Organisationskultur“ angewiesen, wenn es
darum geht, individuell einen achtungsvollen Umgang zu gestalten und Würde zu
wahren. Da der Hospizgedanke Angehörige und ehrenamtliche Helfer auch im Vorfeld
des Sterbens sowie bei der Trauerbegleitung ausdrücklich mit einbezieht, ergibt sich
daraus, dass Abschiedskultur bereits beim Einzug ins Heim beginnt. Schon im Heimprospekt sowie dem Eingangsgespräch muss deutlich werden, dass ein Heim auch Ort eines
würdigen Sterbens sein kann.
Durch Abschiedsrituale wie z.B. dem Aufbahren von Bewohnern (ein vorbereiteter
„Abschiedskoffer“ mit Utensilien wie Kreuz, Kerzen, Duftlampe und Liederbuch kann hier
zur schnellen Umwandlung von Krankenzimmer in Abschiedsraum dienen) oder dem Auslegen von Abschiedsbüchern werden Mitbewohner und Besucher informiert. So wird deutlich gemacht, dass Verstorbene Spuren in diesem Haus hinterlassen und nicht einfach durch
den Hinterausgang „entsorgt“ werden. Angehörige, denen eine Sterbebegleitung nicht möglich war, sind dankbar für das Angebot einer gemeinsamen Versorgung des Toten zusam-
ehrenamtlicher Seelsorge sowie Erwachsenenbildung – im Gemeindeleben die
individuelle Trauerarbeit unterstützen, die
Solidarität mit der Kirchengemeinde ausdrücken und gleichzeitig „niedrigschwellige“ Begegnungsmöglichkeiten mit Hinterbliebenen bieten:
Der Pfarrer selbst nimmt – neben der Aussegnung Verstorbener, dem Hausbesuch
zur Beerdigungsvorbereitung, der Bestattung und kirchlicher Abkündigung –
einen „Nachbeerdigungsbesuch“ nach
ca. 4-6 Wochen wahr, schon um sich
zu vergewissern, dass – auch im Sinne
38
von Suzidprävention und gerontopsychiatrischen Intervention – keine weitergehenden Hilfen anderer Dienste notwendig sind.
Zweimal im Jahr im November sowie in
der Karwoche werden spezielle Trauergottesdienste mit anschließendem Kirchenkaffee angeboten incl. Büchertischen
mit Trauerliteratur und Hinweis auch
auf überregionale Gesprächsgruppen und
Trauerseminare kirchlicher Bildungsträger (hier ist oft mehr Vertraulichkeit
gewährleistet als vor Ort) sowie vorhandene Besuchsdienste („Witwen besuchen
Witwen“).
Hospizinitiativen sind hier wichtige Informations- und Gesprächspartner.
Computerprogramme erlauben einfach
und zuverlässig die Verschickung von
persönlichen Einladungen und briefliche
Kontakte an individuellen Gedenktagen
der Hinterbliebenen – Zeitmangel ist also
keine Barriere für solche minimalen Zeichen von Anteilnahme und Einbindung.
men mit Pflegekräften, in der sie den Beginn ihrer Trauer neu „begreifen“ – ein Weg, auch
Pflegenden Raum für behutsame Abschiede von Verstorbenen zu geben und so der Seele
zu Zeit lassen, auf die Verluste zu antworten.
Viele Heime als Orte des Sterbens insbesondere für eingeschränkte und alleinstehende
Menschen haben sich derzeit – trotz Sparauflagen, Personalengpässen und Negativschlagzeilen – auf den Weg gemacht, ihre Kernkompetenzen wieder zu entdecken und so
Keimzellen für eine neue Abschiedskultur im Umgang mit dem Sterben in der Gemeinde
zu werden. Es gilt, diese eher im Verborgenen wirkenden Ansätze ebenso zu unterstützen,
wie die medienwirksameren Aktionen: durch unser Interesse, durch aufmerksames Nachfragen, aber auch als Orte unseres freiwilligen Engagements – denn letztlich werden auch
wir eines Tages vielleicht auf eine solche Kultur angewiesen sein.
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ZUR
EINSTIEGSBEITRAG
VORBEREITUNG...
Vorschläge
für die Gottesdienstgestaltung
des tätigen Glaubens und der Nächstenliebe in Gott zu
„Aus Gottes Hand empfing ich
mein Leben
Unter Gottes Hand gestalte ich
mein Leben
in Gottes Hand lege ich mein
Leben zurück“
Augustinus
gründen. Wir dürfen das Leid des Sterbens und die
Klage der Trauer vor ihn hintragen. Zugleich dürfen wir
unsere Hoffnung auf ihn setzen, dessen Liebe uns über
den Tod hinaus umfängt.
KYRIE-RUFE
Herr, als vergängliche Menschen treten wir vor Dich hin
Kyrie eleison
EINFÜHRUNG
Herr, in Dir wollen wir unser Leben festmachen, es dem
Das Leben des Menschen ist Gabe und Aufgabe zugleich.
Raub der Zeit entwinden
Gerade am Ende des Lebens wird dies deutlich, wenn
Christe eleison
Herr, ewiger und unvergänglicher Gott,
Für die Menschen, die keine Achtung erfahren, weil
es gilt, diese Gabe in die Hände des Schöpfers zurück-
Herr, der Du uns durch den Tod vorausgegangen bist
Du schaust uns an und verleihst uns die
sie dem Maß ihrer Mitmenschen nicht entsprechen.
zulegen. Aufgabe und Herausforderung ist das Sterben
Kyrie eleison
Würde der Hoffnung, Dich bitten wir:
Heile Du die Wunden, die menschliche Fehleinschät-
FÜRBITTEN (ZUR AUSWAHL)
zung und menschliches Versagen zufügen.
Für alle, die andere Menschen am Ende
ihres Lebens begleiten.
Für alle, die am Leben verzweifeln.
Stärke sie in ihrem Dienst und vollende
Eröffne Du Wege, wo Menschen nur noch
ihr Tun in Deiner Gnade
Sackgassen finden.
Für die Seelsorgerinnen und Seelsorger, die Sterben-
Für die Menschen, die am Ende ihres
den in ihrer Angst und Not Beistand leisten.
Lebensweges stehen.
Sei Du anwesend in ihrem Bemühen und schenke
Sei Du ihnen Beistand in ihrem Ringen und führe
Deinen Trost.
sie in Dein Licht.
Für die Pflegerinnen und Pfleger, die in
schwierigen Situationen die Achtung vor der Würde
sterbender Menschen in greifbares, alltägliches
Handeln umsetzen.
SEGENSWORTE
Begleite ihr Tun mit Deinem Segen.
Wo Menschen nur noch
einen Haufen Elend sehen,
zunächst für jede und jeden Einzelnen, dann aber auch
BIBELTEXTE (ZUR AUSWAHL)
Für die Ärztinnen und Ärzte, die vor schweren
wo nichts mehr zu machen ist,
für die menschliche Gemeinschaft, der die Sorge
Altes Testament:
Neues Testament:
Konfliktsituationen stehen.
wo keiner mehr helfen kann,
und Begleitung Sterbender anvertraut ist: So wie am
Psalm 23
Matthäus 5, 1-11
Schenke ihnen ein waches Bewusstsein für ihren
wo alles aufhört,
Anfang des Lebens bedeutet auch an seinem Ende
Psalm 139
Matthäus 25, 1-13
Dienst an der Würde des Menschen.
wo kein Weg mehr zu sehen,
die Würde des Menschen eine hohe Verpflichtung für
Jesaja 42, 1-7
Matthäus 25, 1-13
die Mitmenschen.
In der Feier des Gottesdienstes kommen wir als Christen
zusammen, um unsere Gemeinschaft als Gemeinschaft
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wo keine Tür mehr in der Wand ist
Johannes 12, 24-26
Für alle, die schwer am Verlust eines geliebten
Da – nicht nur da –
Römerbrief 14, 7-12
Menschen tragen.
aber auch da und gerade da
2. Timotheusbrief 2, 8-13
Schenke Trost und heilende Begegnung, umfange
möge dein Segen sein.
ihre Trauer mit Deiner Gnade.
– Amen
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LITERATUR
EINSTIEGSBEITRAG
& ADRESSEN
Für das Literaturstudium
Die Auflistung der Literatur stellt eine Auswahl dar.
1.GEMEINSAME AUSSAGEN DER DEUTSCHEN
BISCHOFSKONFERENZ UND DES RATES DER
EVANGELISCHEN KIRCHE IN DEUTSCHLAND
Gott ist ein Freund des Lebens
Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des
Lebens. Gemeinsame Erklärung des Rates der EKD und
der Deutschen Bischofskonferenz, hg. vom Sekretariat
der Deutschen Bischofskonferenz und vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bonn/
Hannover 1989, Neuauflage Trier 2000
Gemeinsame Texte der Deutschen Bischofskonferenz
und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Nr. 6:
Im Sterben: Umfangen vom Leben.
Gemeinsames Wort zur Woche für das Leben 1996
Gemeinsame Texte der Deutschen Bischofskonferenz
und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Nr. 15:
Christliche Patientenverfügung mit Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung.
Handreichung und Formular 2. Auflage 2003
Gemeinsame Texte der Deutschen Bischofskonferenz
und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Nr. 17:
Sterbebegleitung statt aktiver Sterbehilfe.
Eine Textsammlung kirchlicher Erklärungen 2003
2. SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ
Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 120:
Enzyklika EVANGELIUM VITAE
von Papst Johannes Paul II. über den Wert und die
Unantastbarkeit des menschlichen Lebens 1995
Die deutschen Bischöfe Nr. 47:
Menschenwürdig sterben und christlich
sterben. Schwerstkranken und Sterbenden
beistehen. Im Sterben umfangen vom Leben.
Die Hospizbewegung 1996
Die deutschen Bischöfe Nr. 53:
Unsere Sorge um die Toten und die
Hinterbliebenen
1994
Bezugsadresse:
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz
Bonner Talweg 177, 53129 Bonn, Tel.: 0228/103-0
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3. KIRCHENAMT DER EVANGELISCHEN KIRCHE
IN DEUTSCHLAND (EKD)
Kundgebung der 9. Synode der Evangelischen Kirche in
Deutschland auf ihrer 7. Tagung im Timmendorfer Strand:
Was ist der Mensch? „...wenig niedriger als Gott“?
Das christliche Verständnis vom Menschen in den
Herausforderungen unserer Zeit 2002
Bezugsadresse:
Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland,
Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover, Tel.: 0511/2796-0
4. ARBEITSHILFEN: STERBENDE LEBEN
Arbeitshilfen der Initiative „Ja zum Leben – bis zuletzt“
der Erzdiözese Bamberg und der evangelisch-lutherischen
Kirchenkreise Bayreuth, Nürnberg, Ansbach (mit vielen
Texten, Materialien und Praxisanregungen):
Rast für die Seele. Arbeitshilfe zum Umgang mit
Sterbenden, Tod und Trauer für die Gemeindearbeit
Heime als Orte der Rast. Arbeitshilfe zum Umgang
mit Sterbenden, Tod und Trauer für Alten- und Pflegeeinrichtungen
daheim bleiben – heim kommen. Arbeitshilfe zum
Umgang mit Sterbenden, Tod und Trauer in der
ambulanten Alten- und Pflegehilfe
Bezugsadresse:
Die Arbeitshilfen können gegen einen Unkostenbeitrag
bestellt werden bei:
Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg e.V.,
Postfach 1229, 96003 Bamberg; Tel. 0951/8604-12
oder per Mail: [email protected]
5. BÜCHERAUSWAHL ZUM THEMA:
Böke, Hubert u.a. (Hrsg.), Wenn Sterbehilfe an ihre
Grenze kommt. Motivationen – Schutzräume – Problemfelder, Gütersloh (Gütersloher Verlagshaus) 2002.
Eibach, Ulrich, Sterbehilfe – Tötung aus Mitleid?
Euthanasie und „lebenswertes“ Leben,
Haan (Brockhaus) 1998.
Kalckreuth, Eftraud, Auf dem Weg mit Sterbenden –
Alles hat seine Zeit, Mainz (Grünewald) 2001.
Kessler, David, In Würde. Die Rechte des Sterbenden, Stuttgart (Kreuz-Verlag) 2003.
Legler, Erich, Auf dich vertraue ich. Mit Kranken und
Sterbenden beten, Ostfildern (Schwabenverlag) 2002.
Pera, Heinrich, Sterbende verstehen. Ein Leitfaden
zur Sterbebegleitung, Freiburg (Herder) 1995.
Schibilsky, Michael, Trauerwege. Ein Ratgeber für
helfende Berufe, Düsseldorf (Patmos) 1996.
Schlögel, Herbert / Alkofer Andreas-P. (Hrsg.),
Was soll ich dir tun? Kleine Bioethik der Krankenseelsorge, Stuttgart (Katholisches Bibelwerk) 2003.
Seitz Oliver / Seitz Dieter, Die moderne Hospizbewegung in Deutschland auf dem Weg ins öffentliche Bewusstsein, Herbolzheim (Centaurus) 2002.
Wilkening, Karin, Wir leben endlich – zum Umgang
mit Sterben, Tod und Trauer,
Göttingen (Vandenhoeck) 2.Auflage 1998.
Wilkening, Karin / Kunz, R., Sterben im Pflegeheim – Perspektiven und Praxis einer neuen
Abschiedskultur. Göttingen (Vandenhoeck) 2003.
Wilkening, Karin, Pastoral an Lebenswenden –
Der Ruf Trauernder nach Begleitung, in: Lebendige
Seelsorge 4/5 2000 (Neu - und Wiederbegegnung
Erwachsener mit dem Glauben) 282-285.
6. INTERNET-ADRESSEN
Evangelische Kirche in Deutschland: www.ekd.de
Deutsche Bischofskonferenz: www.dbk.de
Katholische Kirche in Deutschland:
www.katholische-kirche.de
Deutscher Caritas-Verband: www.caritas.de
Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche
in Deutschland: www.diakonie.de
AUTORINNEN UND AUTOREN
Dr. theol. Ursula Beykirch
Geschäftsführerin der Glaubenskommission
der Deutschen Bischofskonferenz
Bonn
Prof. Dr. theol. Wolfgang Huber
Bischof der Evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche
in Deutschland
Prof. Dr. med. Eberhard Klaschik,
Christoph Ostgate
Zentrum für Palliativmedizin, Universität Bonn
Pfarrerin Roswitha Kottnik
Referentin für Hospizarbeit im
Diakonischen Werk der EKD, Stuttgart
BILDNACHWEIS
Die in diesem Heft verwandten Bilder sind durch die folgenden aufgelisteten Eigentümer urheberrechtlich geschützt:
• BJS Werbeagentur GmbH, Essen
• Bischöfliches Generalvikariat Essen
• DPA, Frankfurt am Main
• EPD-Bild, Frankfurt am Main
• Fotograf Martin Steffen, Bochum
• Getty Images
• KNA-Bild, Bonn
7.ZENTRALE ANSPRECHPARTNER FÜR
HOSPIZARBEIT
Pfarrerin Roswitha Kottnik
Diakonisches Werk der EKD
Referat: Hospizarbeit
Stafflenbergstr. 76, 70184 Stuttgart
Tel.: 0711/2159135, Fax: 0711/2159 550
Mail: [email protected]
Herr Thomas Hiemenz
Deutscher Caritasverband e.V.
Referat: Gesundheitshilfe
Karlstraße 40, 79104 Freiburg
Tel: 0761/200 381, Fax: 0761/200 609
Mail: [email protected]
Herr Franz M. Herzog
Bereich Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz
Referat: Pastoral für Heil- und Pflegeberufe
Bonner Talweg 177, 53129 Bonn
Tel.: 0228/103-227 Fax: 0228/103 334
Mail: [email protected]
Oberkirchenrätin Katarina Schubert
Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland
Herrenhäuser Str.12, 30419 Hannover
Tel.: 0511/ 27 96 206, Fax: 0511/ 27 96 722
Mail: [email protected]
Karl Kardinal Lehmann
Bischof von Mainz, Vorsitzender der
Deutschen Bischofskonferenz
Pfarrer Heinrich Pera
Klinik- und Hospizseelsorger, Halle
Pfarrerin Margret Rittmann
Heilbronn
Dr. theol. Thomas Schärtl
Wiss. Assistent am Institut für philosophische
Grundfragen der Theologie, Universität Münster
Prof. Dr. theol. Michael Schibilsky
Prof. für praktische Theologie, Universität München
Prof. Dr. phil. Karin Wilkening
Prof. für Soziale Arbeit mit älteren Menschen /
Geragogik, FH Braunschweig
Das Titelbild sowie die Bilder auf den Seiten 6, 7, 21, 23, 25,
26, 27, 38, 32, 34 wurden mit freundlicher Unterstützung
des Alten- und Pflegeheim St. Anna, Essen aufgenommen.
QUELLENNACHWEIS
Die namentlich gekennzeichneten Beiträge werden
von den Autorinnen und Autoren verantwortet.
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